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Special | 28. Juni 2018 Saubere Schweiz Grillverbot in Zofingen und Baden Zwei Stadtverwaltungen im Aargau haben genug von den Schäden der Einweggrills. Sie haben sie verboten. Elf Leitsätze sind Orientierungshilfe Minimieren, optimieren und vermeiden – das will der Ressourcendialog. Er regelt die Ressourcen- und Abfallwirtschaft. Sensibilisierung als Erfolgsrezept Der Kampf gegen das Littering zahlt sich aus: Die Situation entspannt sich. Dank einem Mix von Massnahmen. Heinzelmännchen sind das Vorbild Patenschaften sind das Zauberwort gegen das Littering. Raumpaten räumen freiwillig Abfall von Strassen und Plätzen. Behauptungen, die alle falsch sind Um Abfall, Entsorgung und Recycling ranken sich verschiedene Mythen. Diese können alle widerlegt werden. Beim Recycling der Musterknabe Statt auf die Entsorgung setzen Schweizer auf das Recycling. Bei fast allen Wertmaterialien sind wir so etwas wie Weltmeister. VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: MARKUS KÖCHLI Ruedi Meienberg: Fachmann Betriebsunterhalt, Fachrichtung Werkdienst, Stadt Rapperswil-Jona. PETER FROMMENWILER MARKUS KÖCHLI Von wegen, dass sich die Schweiz immer den Regelungen aus Brüssel anpassen muss. Es gibt durchaus Bereiche, in denen die EU verhohlen auf unser Land schielt und feststellen muss, dass die Schweiz viel weiter ist als Europa. Beispielsweise in fast allen Fragen des Recyclings und der Ge- trenntsammlung von Wertstoffen. Am 22. Mai dieses Jahres brachte, mit reichlich Verspätung, der Europäische Rat das EU- Kreislaufwirtschaftspaket auf den Weg. Zusammengefasst geht es darum, konti- nentweit Abfälle zu vermeiden und Res- sourcen zu schonen. «Das gelingt am besten», so der Originaltext, «indem Ver- packungen und Produkte wiederverwen- det werden.» Gemäss den Auflagen aus Brüssel muss etwa Deutschland bei Ge- tränkeverpackungen eine gesetzliche Mehrwegquote von 70 Prozent erreichen. Heute liegt diese bei unserem nördlichen Nachbarn bei lediglich 42 Prozent. Zudem sollen verbindliche Wiederverwertungs- ziele für Textilien, Elektrogeräte und Sperr- müll erreicht werden, von mindestens 5 Prozent bis 2025 und von 15 Prozent bis 2030. Das sind tiefe Werte. Wohl auch im Wissen, dass verschiedene EU-Mitglied- staaten – etwa Italien – kaum über eine funktionierende Abfallentsorgung ge- schweige denn intakte, funktionierende Wiederverwertungskanäle verfügen. Süd- lich von Neapel bis und mit Sizilien ist nicht das Recycling das Hauptproblem, sondern das simple Wegschaffen der sich regelmässig auftürmenden Abfallberge von Strassen und Plätzen. Wie glücklich dürfen wir uns in der Schweiz schätzen. Die Entsorgung klappt. Dazu auch die Wiederverwertung grosser Teile des anfallenden Abfalls. Die Recy- clingsquoten sind international rekord- verdächtig. Bei Glas, den Flaschen und Konserven, liegt die Sammelquote über 90 Prozent, ebenfalls bei Aluminiumdosen. Nur unwesentlich tiefer notieren die Quo- ten bei Weiss- oder Stahlblechdosen, bei PET-Flaschen sowie beim Altpapier (über 80 Prozent). Diese Werte erreicht unser Land nicht mit staatlichen Vorschriften, sondern voll- umfänglich dank privater Initiative, etwa von Sammelorganisationen der involvier- ten Industrie und des Handels. Nicht erst seit gestern, sondern über eine längere Zeit, zum Teil – wie etwa beim Altpapier – über mehr als eine Generation. Hier hat die Schweiz die Nase vorne, die EU hinge- gen muss, von deren Obrigkeit geregelt, nachziehen. Das hohe Niveau des Recy- clings eröffnet das Einleiten zusätzlicher Schritte. Etwa bei der Abfallvermeidung. Noch immer verschwenden wir zu viele Lebensmittel. Dieses Problems muss sich die Schweiz annehmen – mustergültig und beispielhaft für ganz Europa. Schweiz als Vorbild für EU Kreislaufwirtschaft Jetzt macht auch Europa Dampf. Alle EU-Mitgliedstaaten verpflichten sich dem Ressourcenschutz. Das ist ein Thema, das wir in der Schweiz schon länger im Griff haben. FOTO-PORTFOLIO «Berufe und Berufung» – in der Schweiz geniessen die Entsorgung, das Recycling und der Kampf gegen das Littering hohen Stellenwert. Auch in der Berufswelt. Wir zeigen Beschäftigte, die sich mit diesen Themen befassen. Fotos: Peter Frommenwiler PETER FROMMENWILER Impressum Der Special «Saubere Schweiz» ist eine redaktionelle Eigenbeilage der «Handelszeitung» und Bestandteil der aktuellen Ausgabe. Herausgeber: Redaktion und Verlag, «Handelszeitung», Ringier Axel Springer Schweiz, 8021 Zürich. Separatdruck

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Special | 28. Juni 2018

Saubere Schweiz

Grillverbot in Zofingen und BadenZwei Stadtverwaltungen im Aargau haben genug von den Schäden der Einweggrills. Sie haben sie verboten.

Elf Leitsätze sind OrientierungshilfeMinimieren, optimieren und vermeiden – das will der Ressourcendialog. Er regelt die Ressourcen- und Abfallwirtschaft.

Sensibilisierung als ErfolgsrezeptDer Kampf gegen das Littering zahlt sich aus: Die Situation entspannt sich. Dank einem Mix von Massnahmen.

Heinzelmännchen sind das VorbildPatenschaften sind das Zauberwort gegen das Littering. Raumpaten räumen freiwillig Abfall von Strassen und Plätzen.

Behauptungen, die alle falsch sindUm Abfall, Entsorgung und Recycling ranken sich verschiedene Mythen. Diese können alle widerlegt werden.

Beim Recycling der MusterknabeStatt auf die Entsorgung setzen Schweizer auf das Recycling. Bei fast allen Wertmaterialien sind wir so etwas wie Weltmeister.

VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: MARKUS KÖCHLI

Ruedi Meienberg: Fachmann Betriebsunterhalt, Fachrichtung Werkdienst, Stadt Rapperswil-Jona.

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MARKUS KÖCHLI

Von wegen, dass sich die Schweiz immer den Regelungen aus Brüssel anpassen muss. Es gibt durchaus Bereiche, in denen die EU verhohlen auf unser Land schielt und feststellen muss, dass die Schweiz viel weiter ist als Europa. Beispielsweise in fast allen Fragen des Recyclings und der Ge-trenntsammlung von Wertstoffen. Am 22. Mai dieses Jahres brachte, mit reichlich Verspätung, der Europäische Rat das EU-Kreislaufwirtschaftspaket auf den Weg. Zusammengefasst geht es darum, konti-nentweit Abfälle zu vermeiden und Res-sourcen zu schonen. «Das gelingt am besten», so der Originaltext, «indem Ver-

packungen und Produkte wiederverwen-det werden.» Gemäss den Auflagen aus Brüssel muss etwa Deutschland bei Ge-tränkeverpackungen eine gesetzliche Mehrwegquote von 70 Prozent erreichen. Heute liegt diese bei unserem nördlichen Nachbarn bei lediglich 42 Prozent. Zudem sollen verbind liche Wiederverwertungs-ziele für Textilien, Elektrogeräte und Sperr-müll erreicht werden, von mindestens 5 Prozent bis 2025 und von 15 Prozent bis 2030. Das sind tiefe Werte. Wohl auch im Wissen, dass verschiedene EU-Mitglied-staaten – etwa Italien – kaum über eine funktionierende Abfallentsorgung ge-schweige denn intakte, funktionierende Wiederverwertungskanäle verfügen. Süd-

lich von Neapel bis und mit Sizilien ist nicht das Recycling das Hauptproblem, sondern das simple Wegschaffen der sich regelmässig auftürmenden Abfallberge von Strassen und Plätzen.

Wie glücklich dürfen wir uns in der Schweiz schätzen. Die Entsorgung klappt. Dazu auch die Wiederverwertung grosser Teile des anfallenden Abfalls. Die Recy-clingsquoten sind international rekord-verdächtig. Bei Glas, den Flaschen und Konserven, liegt die Sammelquote über 90 Prozent, ebenfalls bei Aluminiumdosen. Nur unwesentlich tiefer notieren die Quo-ten bei Weiss- oder Stahlblechdosen, bei PET-Flaschen sowie beim Altpapier (über 80 Prozent).

Diese Werte erreicht unser Land nicht mit staatlichen Vorschriften, sondern voll-umfänglich dank privater Initiative, etwa von Sammelorganisationen der involvier-ten Industrie und des Handels. Nicht erst seit gestern, sondern über eine längere Zeit, zum Teil – wie etwa beim Altpapier – über mehr als eine Generation. Hier hat die Schweiz die Nase vorne, die EU hinge-gen muss, von deren Obrigkeit geregelt, nachziehen. Das hohe Niveau des Recy-clings eröffnet das Einleiten zusätzlicher Schritte. Etwa bei der Abfallvermeidung. Noch immer verschwenden wir zu viele Lebensmittel. Dieses Problems muss sich die Schweiz annehmen – mustergültig und beispielhaft für ganz Europa.

Schweiz als Vorbild für EUKreislaufwirtschaft Jetzt macht auch Europa Dampf. Alle EU-Mitgliedstaaten verpflichten sich dem Ressourcenschutz. Das ist ein Thema, das wir in der Schweiz schon länger im Griff haben.

FOTO-PORTFOLIO«Berufe und Berufung» – in der Schweiz geniessen die Entsorgung, das Recycling und der Kampf gegen das Littering hohen Stellenwert. Auch in der Berufswelt. Wir zeigen Beschäftigte, die sich mit diesen Themen befassen.

Fotos: Peter Frommenwiler

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Impressum Der Special «Saubere Schweiz» ist eine redaktionelle Eigenbeilage der «Handelszeitung» und Bestandteil der aktuellen Ausgabe. Herausgeber: Redaktion und Verlag, «Handelszeitung», Ringier Axel Springer Schweiz, 8021 Zürich.

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Saubere Schweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

Minimieren, optimieren und vermeidenRessourcen-Trialog Akteure aus Politik, Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft verfolgen mit elf Leitsätzen die künftige und nachhaltige Ausrichtung der Schweizer Abfall- sowie Ressourcenwirtschaft.PATRIK GEISSELHARDT

D em nachhaltigen Umgang mit knappen Rohstoffen kommt eine immer wich-tigere Bedeutung zu. Dies ist Grund genug, um mit rele-

vanten Anspruchsgruppen wesentliche Leitsätze zum Umgang mit Abfall bezie-hungsweise mit Rohstoffen in der Schweiz zu definieren. Der Begriff «Trialog» steht für eine moderierte und zielorientierte Auseinandersetzung zu einem gesell-schaftlich relevanten Thema. In den Dis-kussionen innerhalb der mitwirkenden Organisationen wurde deshalb Wert auf das Sichtbarmachen der Wechselwirkun-gen und die Treiber zwischen den Akteu-ren gelegt.

Die elf Leitsätze des Ressourcen-Dia-logs (siehe Box) richten sich an Politik, Wirtschaft, öffentliche Hand, Gesellschaft und Forschung. Sie skizzieren die Weiter-entwicklung der heutigen Abfall- zu einer zukünftigen Ressourcenwirtschaft.

Ziel: Den Abfall als Ressource nutzenDie wichtigsten Ziele des Ressourcen-

Trialoges sind die Minimierung des Energie- und Materialeinsatzes zur Her-stellung von Produkten und Dienst-leistungen, die Optimierung der Produk-telebensdauer und – wo immer möglich – die Vermeidung von Abfällen. Unver-meidbare Abfälle sollen entsprechend noch konse quenter in den Stoffkreislauf

zurück geführt oder nachhaltig verwertet werden.

Aus Sicht des Recyclings sind folgende Leitsätze wichtig:  Rohstoffe zirkulieren optimal in Kreis-läufen. Dies bedingt eine Optimierung des Design for Recycling. Produkte sollen nach der Lebensphase einfacher und bes-ser rezykliert werden können.  Produzenten, Konsumenten und andere Akteure tragen die Verantwortung für die Umweltauswirkung von Produkten über den ganzen Lebenszyklus. Erst mit einer Abstimmung über die gesamte Wert-schöpfungskette werden sinnvolle Recy-

clingsysteme ermöglicht. Dafür ist die er-weiterte Produzentenverantwortung über das Lebensende des Produktes zentral.  Massnahmen zur Vermeidung und Ver-wertung von Abfällen werden in Bezug auf ihre ökologische und ökonomische Effi-zienz und Effektivität priorisiert. Nicht eine Maximierung des Umweltnutzens, sondern die Optimierung ist anzustreben. Dafür bilden ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Kriterien die Basis.

Die neuen Leitsätze sind richtungswei-send für die aktuellen und künftigen He-rausforderungen der Schweizer Abfall- und Ressourcenwirtschaft. Der Hauptfokus liegt

zunehmend auf einer intelligenten stoff-lichen sowie energetischen Nutzung des Abfalls als wertvolle Ressource und nicht mehr nur auf der Minimierung von Um-weltauswirkungen. Damit dieser Wandel gelingt, haben der Kanton Aargau, das Bun-desamt für Umwelt (Bafu) und der Wirt-schaftsdachverband Economiesuisse auf Initiative von Swiss Recycling und des Ver-bands der Betreiber der Schweizerischen Abfallverwertungsanlagen (VBSA) gemein-sam den Ressource-Trialog lanciert.

Die Leitsätze sind ein erster wichtiger Schritt. Jedoch haucht erst die konkrete Umsetzung diesen überhaupt Leben ein. Die gemeinsam verabschiedeten Leitsätze dienen den beteiligten Organisationen als Orientierungshilfe in der Gestaltung ihrer Abfall- und Ressourcenpolitik. Swiss Recy-cling erarbeitet etwa ein Indikatoren- und Zielsystem, das erlaubt, Massnahmen auf das Optimum hin zu überprüfen und den Grad der Kreislaufwirtschaft darzustellen.

Weiter soll das Produktdesign durch Empfehlungen zum Design for Recycling optimiert werden. Dafür ist die Sensibi-lisierung der entsprechenden Industrie wesentlich, aber auch international abge-stimmte Standards können hier Verbesse-rungen bringen.

Fazit: Das Fundament ist stabilDie erarbeiteten Leitsätze bilden ein sta-

biles Fundament für die Umsetzung einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft. Ein umfassendes Indikatoren- und Zielsystem über simple Quoten hinaus oder Massnah-men im Bereich besseres Design for Recy-cling sind zwei konkrete Umsetzungsbei-spiele im Sinne des Ressourcen-Trialogs.

Patrik Geisselhardt, Geschäftsführer, Swiss Recycling, Zürich. Weitere Informationen: www.swissrecycling.ch/wissen/ressourcen-trialog

Regula Travnicek: Leiterin Hausdienst, Bildungszentrum Zürichsee (BZZ), Horgen.

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EINIGKEIT ÜBER ZUKUNFT

Elf Leitsätze als Orientierungshilfe1. Wirtschaft und Gesellschaft handeln eigenverantwortlich und frei willig. 2. Bei der Verwertung von Abfällen wird ein fairer Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern angestrebt. 3. Die Entstehung von Abfällen wird wenn möglich vermieden. 4. Rohstoffe zirkulieren optimal in Kreisläufen. 5. Produzenten, Konsumenten und andere Akteure tragen die Verant-wortung für die Umweltauswirkung von Produkten über den ganzen Lebenszyklus. 6. Die Primär- und Sekundärroh-stoffe in der Schweiz werden nach-haltig bewirtschaftet. 7. Massnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen werden in Bezug auf ihre ökologische und öko-nomische Effizienz und Effektivität priorisiert. 8. Transparenz bei den Finanz- und Stoffflüssen bildet die Basis für Opti-mierungen der Entsorgungssysteme. 9. Bei der Verwertung und Behand-lung von Abfällen werden hohe Standards eingehalten. 10. Die Ausgestaltung und Weiter-entwicklung der Entsorgungs-systeme strebt nach einer Optimie-rung von Kosten, Umweltnutzen und Kundenfreundlichkeit. 11. International erzielt die Schweizer Ressourcen- und Abfallwirtschaft dank Innovationen und Spitzen-technologien eine grosse Wirkung.

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Saubere SchweizHANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

NORA STEIMER

Eine Umfrage der Interessen-gemeinschaft saubere Um-welt (IGSU) zeigt: Die Situa-tion beim Littering entspannt sich langsam, aber konti-

nuierlich. Dieser Trend lässt sich mit dem Beispiel der Stadt Locarno beweisen.

Locarno besticht mit seinem mediter-ranen Ambiente. Doch die beeindrucken-de Aussicht auf den Lago Maggiore wird oft durch herumliegenden Abfall getrübt. Der Hauptgrund: Einwohner und Ein-wohnerinnen, Touristen und Studenten verpflegen sich unterwegs und lassen un-ter anderem Essens- und Getränkeverpa-ckungen liegen – bewusst oder unbewusst. Veranstaltungen wie die Filmfestspiele oder das Open-Air-Festival Moon and Stars ziehen zudem zahlreiche Besuche-rinnen und Besucher an, was die Situation grundsätzlich verschärft. Dennoch kann André Engelhardt, der Direktor für Stadt-planung und Infrastruktur der Stadt Locarno, eine Entspannung der Littering-Situation beobachten (siehe unten).

Kontinuierliche VerbesserungDen Trend zur Verbesserung der Litte-

ring-Situation bestätigt die IGSU. Sie führt seit 2015 jährlich eine Umfrage zur Litte-ring-Situation in der Schweiz durch. Die Ergebnisse lassen darauf schliessen, dass

das Ausmass von herumliegendem Abfall langsam, aber kontinuierlich abnimmt. 2017 wurden 3431 Passantinnen und Passanten befragt, welche das Littering-Ausmass in der Schweiz an den Orten der Befragung als «eher gering» eingestuft haben. Zudem ist im Vergleich zu 2015 und 2016 ein leichter, kontinuierlicher Trend zur Verbesserung erkennbar.

Entscheidend ist der Massnahmen-MixDiese Fortschritte verdankt unser Land

dem grossen Einsatz von Städten, Ge-meinden, Schulen, der IGSU und weiteren Akteuren, die sich für eine saubere Um-welt engagieren. Sie bekämpfen Littering seit Jahren mit einem breiten Massnah-men-Mix. Ins gleiche Horn bläst Engel-hardt: «Locarno sensibilisiert an Gross-

veranstaltungen gezielt für das Littering-Problem, stattete die Innenstadt mit neu-en Sammelcontainern aus und beteiligte sich an der kantonalen Sensibilisierungs-kampagne ‹Tieni pulita la città›.» Zudem habe die Stadt vergangenes Jahr Ord-nungsbussen gegen Littering von bis zu 10 000 Franken eingeführt und mache jährlich am Clean-Up-Day der IGSU mit. «Schliesslich tragen auch die Angebote der IGSU zur Verbesserung der Situation bei», findet Engelhardt.

Andere Städte berichten ebenfalls von einer Entspannung der Littering-Situation (siehe unten).

Das Littering stört aber noch immerDennoch bleibt Littering ein Ärgernis:

Gemäss der IGSU-Umfrage fühlen sich drei Viertel der Befragten nach wie vor «eher stark» oder «stark» durch Littering gestört. Deshalb sehen sich nicht nur Städte und Gemeinden, sondern auch die IGSU in der Pflicht, ihre Massnahmen wei-terzuführen und weiterzuentwickeln. Die IGSU betont denn auch, dass die Zusam-menarbeit mit Städten, Gemeinden und Schulen vorbildlich funktioniere. Ge-meinsam würden die Partner es schaffen, dass sich die Schweizer Bevölkerung nicht mehr an Littering stören muss.

Nora Steimer, M.Sc., Geschäftsleiterin, Interessen-gemeinschaft saubere Umwelt (IGSU), Zürich.

Das meinen die Schweizer

Die Bevölkerung beurteilt das Littering-Ausmass in der Schweiz als gering, der herumliegende Abfall stört sie aber sehr. Dies ist der Aufruf, trotz vorzeigbaren Erfolgen noch entschlossener gegen Littering vorzugehen.

stark

mittel

gering

Ausmass Littering

Störung durch

Littering

Sensibilisierung zeigt Wirkung Littering Der Kampf gegen das Liegenlassen oder Wegwerfen von Abfall zahlt sich aus: Nach

einem Jahrzehnt gezielter Massnahmen gegen die Unsitte Littering gibt es Grund zur Hoffnung.

RAUMPATENSCHAFTEN

Orte sind nachgewiesen saubererVorgehen In Raumpatenschaften, einer weiteren Massnahme gegen das Litte-ring, übernehmen Einzelpersonen oder Gruppen, zum Beispiel Schulklassen, Familien oder lokale Vereine, freiwillig die Verantwortung für einen bestimm-ten Raum. Durch das Aufräumen von herumliegenden Abfällen sorgen sie dafür, dass der Raum litteringfrei bleibt (siehe auch Seite 33).

Erfolg Orte, die von Raumpaten be-treut werden, sind nachweislich saube-rer. Grund ist erstens das regelmässige Entfernen von herumliegenden Abfäl-len, zweitens die mit den Projekten einhergehende Sensibilisierung der Be-völkerung und drittens der Fakt, dass an sauberen und gepflegten Orten we-niger gelittert wird als an verschmutz-ten. Ihre Wirkung wird in einer zwei-teiligen Studie der IG saubere Umwelt (IGSU) und der ETH Zürich nachgewie-sen, die 2015 und 2016 im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (Bafu) zum Thema «Raumpatenschaften» durch-geführt wurde. Durch die regelmässige Pflege sind die Orte aufgeräumter und

sauberer, wodurch die Hemmschwelle steigt, Abfälle liegen zu lassen.

Aufwand Die Organisatoren von Raumpatenschaften müssen keinen grossen Aufwand oder hohe Kosten befürchten. Die IGSU unterstützt Städte, Gemeinden, Schulen und Ver eine, eigene Raumpatenschafts- Projekte durchzuführen. «Die positiven Auswirkungen auf das Littering vor Ort sind verblüffend», so Nora Steimer, Ge-schäftsleiterin der IGSU. «Um weiteren Institutionen die Einführung eines Raumpatenschafts-Projekts zu erleich-tern, begleiten wir sie seit Juni eng mit der neuen Website www.raumpaten-schaft.ch.» Dort erhalten potenzielle Organisatoren alle nötigen Informa-tionen zur Umsetzung eines Raum-patenschafts-Projekts. Zudem steht ihnen ein Tool zur Verfügung, auf dem sie ihr Projekt registrieren können und so für Einzelpersonen, Vereine oder Unternehmen sichtbar werden. Interes-sierte Personen, die sich als Raum-paten engagieren möchten, können sich auf der Website direkt melden.

Charles und Beatrice Rätz: Freiwillige Abfallsammler, Urdorf.

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André Engelhardt

Direktor für Stadtplanung und Infrastruktur, Locarno TI«Um Littering weiter zu verringern, müssen wir die Sensibilisierung der Bevölkerung unbedingt fortset-zen. Um Jung und Alt, Einheimische und Touristen zu erreichen, setzen wir auf einen breiten Massnah-men-Mix. Dabei bauen wir auch auf die Unterstüt-zung der IGSU: Wir nehmen zum Beispiel regelmäs-sig am nationalen IGSU-Clean-Up-Day teil und emp-fangen seit sechs Jahren jeden Sommer jeweils die IGSU-Botschafter-Teams, deren Sensibilisierungs-arbeit immer für positive Reaktionen sorgt.»

Isabelle Baeriswyl

Baudirektion Kanton Freiburg, Freiburg FR«Im Jahr 2012 hat Freiburg die Anti-Littering-Strate-gie ‹Saubere Stadt Freiburg› lanciert. Die Strategie enthielt unter anderem eine Verbesserung der Infra-struktur, verschiedene Aufräumaktionen an Schulen, den Einsatz von Mehrweggeschirr an Veranstaltun-gen oder eine Kampagne gegen das Wegwerfen von Zigarettenstummeln. Auch die Angebote der IGSU nehmen wir seit Jahren in Anspruch. Dadurch hat sich die Littering-Situation in Freiburg in den letzten Jahren verbessert.»

Robert Lumpert

Geschäftsführer, Zweckverband Kehrichtentsorgung Region Innerschwyz, Schwyz SZ«Leider kommt es in unserer Region immer wieder vor, dass Einheimische wie Touristen zur Natur nicht Sorge tragen. Deshalb versuchen wir mit Aufklärung, Abfallunterricht und Umweltprojekten, die Leute für das Thema zu sensibilisieren. Zudem engagieren wir die IGSU-Botschafter-Teams – im Sommer im öffent-lichen Raum von Gemeinden und im Winter in Win-tersportgebieten. Die Massnahmen zahlen sich aus, ich stelle bei jungen Leuten verstärktes Bewusstsein für das Littering-Problem fest.»

Urs Crotta

Dienststellenleiter, Grün und Werkbetrieb, Chur GR«Im Kampf gegen das Littering setzen wir vor allem auf die ereignisorientierte Reinigung, die Bereit-stellung von zusätzlichen Behältern bei Grossanläs-sen sowie auf die Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern. Zudem hat die Stadt Chur die Projekt-gruppe ‹Littering› ins Leben gerufen, welche die Problematik auf verschiedenen Ebenen angeht. Wir sind zuversichtlich, dass wir die Situation mit dem Weiterführen und dem Ausbau unserer Massnahmen unter Kontrolle halten können.»

REAKTIONEN AUS VIER REGIONEN

Die Massnahmen gegen das Littering tragen Früchte

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Saubere Schweiz

Seit zwölf Monaten auf ErfolgskursNo-Littering-Label Dieses feierte im Mai 2018 seinen ersten Geburtstag. Das Label hat sich in kurzer Zeit als wirkungsvolle Massnahme etabliert.

DANIEL FRISCHKNECHT

Plakate auf dem Arbeitsweg, Inserate in Tageszeitungen, IGSU-Botschafter-Teams im Lieblingspark, Workshops an den Schulen – die Schweizer

Bevölkerung wird von verschiedenen Sei-ten mit dem leidigen Thema Littering kon-frontiert. Oftmals steht hinter der Sensibi-lisierung die Interessengemeinschaft sau-bere Umwelt (IGSU).

Das Engagement öffentlich machen

«Mit unserem breiten Massnahmenka-talog erreichen wir alle Generationen auf verschiedene Arten», erklärt Nora Steimer, die Geschäftsleiterin der IGSU. «Je häufi-ger sich alle Generationen mit dem The-ma Littering auseinandersetzen müssen, desto eher verändern sie ihr Verhalten.»

Als wichtiges Mittel gegen das achtlose Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfall erweist sich das No-Littering-Label. Vor über einem Jahr wurde die breite Palette von Massnahmen der IGSU durch diese Massnahme ergänzt: Das No-Littering-

Label setzt auf eine komplett andere He-rangehensweise. «Die Städte, Gemeinden und Schulen leisten einen grossen Beitrag im Kampf gegen Littering», so Steimer. Und weiter: «Mit dem No-Littering-Label möchten wir sie darin bestärken und ih-nen ein Instrument in die Hand geben, das ihnen dabei hilft, ihr Engagement bekannt zu machen.»

Bereits über siebzig Städte, Gemeinden und Schulen haben sich erfolgreich um das Label beworben, darunter die Stadt Sitten, die Gemeinde Muralto TI oder die Berufswahlschule Bülach. Eine Umfrage der IGSU zeigt, dass die Ziele erreicht wer-den: Das Label sorgt für vermehrte Dis-kussionen über das Thema Littering, eine stärkere Sensibilisierung vor Ort sowie für eine grössere Wertschätzung von Städten, Gemeinden und Schulen, die sich gegen Littering einsetzen.

Die Schweiz wird (heraus)geputztEine weitere Massnahme, die sich an

Jung und Alt richtet, ist der schweizweite IGSU-Clean-Up-Day. Er wird am 14. und 15. September 2018 bereits zum sechsten

Mal durchgeführt und mobilisiert jeweils mehrere zehntausend Teilnehmende. An zahlreichen Aufräumaktionen befreien Gemeinden, Vereine, Schulen und Unter-nehmen Schweizer Strassen, Wiesen und Wälder von herumliegendem Abfall.

Die bewährte Massnahme wird jedes Jahr von einer anderen prominenten Per-sönlichkeit unterstützt, diesmal von Ko-miker Claudio Zuccolini. Er hat für den kommenden Clean-Up-Day die Schirm-herrschaft übernommen und freut sich, damit Teil der nationalen Bewegung zu sein: «Als Komiker mache ich mich gerne über Themen aus dem Alltag lustig, sei es über den aktuellen Gesundheitswahn, über die Ehe oder Kinder», erzählt er. «Doch beim Thema Littering, das leider ebenfalls zum Alltag gehört, verstehe ich keinen Spass. Littering stört und macht schlechte Laune – sogar bei einer Froh-natur wie mir.»

Daniel Frischknecht, Präsident, Interessengemein-schaft saubere Umwelt (IGSU), Zürich. Weitere Informationen: www.no-littering.ch

Johanna Kempf: Lernende Recyclistin (1. Lehrjahr), Recycling Center Wyrsch, Altdorf.

NO-LITTERING-LABEL

Auszeichnung für Städte, Gemeinden und Schu len Öffentliche Institutionen Ihnen kommt in der Bekämpfung von Littering, der Unsitte, Abfälle im öffent-lichen Raum achtlos weg-zuwerfen oder liegen zu lassen, eine zentrale Rolle zu – nicht nur in Sachen Reinigung, sondern auch bezüglich Sensibilisie-rung, Prävention und Re-pression. Um sie in ihren Bemühungen zu unter-stützen, vergibt die Inte-

ressengemeinschaft saubere Umwelt (IGSU) das No-Littering-Label. Dies im

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HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

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, Gemeinden und Schu len Wissen, das Littering viel Geld kostet, die Lebensqualität senkt und letztlich der

Umwelt schadet.

Vorgehen Das Label muss via Web-Formular beantragt werden, wird bei Erfüllung aller Bedin-gungen kostenlos zur Verfügung gestellt und kann anschliessend in der gesamten Kommunika-tion eingesetzt werden.

Das Heinzelmännchen-Prinzip

Raumpatenschaften Von leeren Zigaretten- bis zu vollen Kakaopulververpackungen: Raumpaten sammeln herumliegenden Abfall ein. So auch Vera van Galen in Effretikon.

KLAUS RIMNOV

V era van Galen erinnert sich: «Der Rand der Rikoner-strasse glich früher einer Müllhalde.» Um von ihrem Wohnort in Effretikon zu

ihrem Schrebergarten am anderen Ende der Stadt zu gelangen, fährt die Rentnerin jeweils mit dem Auto stadtauswärts. «Der Strassenrand war übersät mit Essens- und Getränkeverpackungen, Batterien und Akkus, leeren Zigarettenschachteln und Feueranzündern», so die 75-Jährige.

Ist es sauber, steigt die HemmschwelleVor fünf Jahren sagte sie dem Littering

den Kampf an. Sie beteiligt sich seither am Raumpatenschafts-Projekt von Illnau- Effretikon. Die Stadt führt das Projekt seit 2006 in Zusammenarbeit mit dem Zweck-verband Kehrichtverwertung Zürcher Oberland (KEZO) durch. Dabei kümmern sich Privatpersonen, Vereine, Parteien, Schulen und Unternehmen um rund dreis-sig Gebiete der Stadt und sammeln dort Heinzelmännchen-gleich regelmässig Ab-fall ein. Das führt zu einer Aufwärtsspirale: Denn wo es sauber ist, steigt die Hemm-schwelle, Abfall liegen zu lassen.

«Die Raumpatinnen und Raumpaten können frei entscheiden, wie oft sie in ihrem Gebiet Abfall einsammeln», erklärt David Gerig, Leiter Abteilung Gesundheit bei der Stadt Illnau-Effretikon. Das funk-tioniere sehr gut. «Für den Unterhalts-dienst der Stadt ist es eine grosse Erleich-terung», weiss er.

Das Raumpatenschafts-Projekt ist nur eine von vielen Massnahmen der Stadt gegen Littering. Neben zahlreichen tem-porären Projekten zur Sensibilisierung der Bevölkerung nimmt Effretikon regelmäs-sig am nationalen IGSU-Clean-Up-Day teil. «Solche Veranstaltungen und auch die Berichterstattung über unser Raum-patenschafts-Projekt helfen uns, neue Raumpaten zu finden», so Gerig.

An einem Clean-Up-Day entschloss denn auch van Galen, sich als Raumpatin zu engagieren. Auf ihren Wunsch hin wurde sie für die zu Effretikon gehörende Rikonerstrasse eingeteilt. Ab sofort sorgte ihr grüner Daumen nicht mehr nur für eine farbenfrohe Blumenpracht in ihrem Schrebergarten, sondern auch für ein sau-beres Bord entlang der Hauptstrasse.

Die Natur liegt van Galen am Herzen«Die Natur liegt mir am Herzen», er-

zählt van Galen. «Ich kann nicht einfach zusehen, wie sie zugemüllt wird.» Seither sammelt sie dort freiwillig alle zwei Wo-chen Abfall ein und kehrt häufig mit einem 15-Liter-Sack, gefüllt mit regulärem Abfall, zurück. Hinzu kommen Wertstoffe, die sie

separat sammelt. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Aludosen: Bis zu dreissig Stück sammelt sie jeweils davon ein.

Viele Funde lösen bei ihr allerdings Kopfschütteln aus, so zum Beispiel eine volle Kakaopulververpackung, die ins Gras geworfen oder liegen gelassen wurde.

Von Grenzen und GlücksmomentenAn ihre Grenzen stösst van Galen bei

Zigarettenstummeln: «Wenn jemand sei-nen Aschenbecher aus dem Auto kippt, mache ich den Unrat weg. Um alle einzel-nen Zigarettenstummel einzusammeln, fehlen mir aber Zeit und Kraft.»

Hin und wieder wird sie für ihr Engage-ment mit aufmunternden Worten belohnt. Am liebsten erinnert sie sich an einen Velofahrer zurück, der umkehrte, um ihr ein 50-Franken-Nötli zuzustecken und ihr zu sagen, wie toll er ihren Einsatz findet. «Das hat mich sehr gerührt», verrät van Galen. Auch die Bekanntschaften, die sie als Raumpatin macht, möchte sie nicht missen. Die Raumpaten seien untereinan-der gut vernetzt und würden sich unter anderem zum gemeinsamen Aufräumen am IGSU-Clean-Up-Day treffen.

Manchmal wird sie auf ihrer Aufräum-Tour auch von ihren beiden Enkeln be-gleitet. «Besonders meine siebenjährige Enkelin sieht seither überall Abfall und fordert so ihre Mutter, weil sie alles ein-sammeln will», erzählt van Galen schmun-zelnd. Möglicherweise rekrutiert sie so bereits eine weitere Raumpatin.

Vera van Galen: Die freiwillige Abfallsammlerin sieht in ihrem Einsatzgebiet in Effretikon jeden herumliegenden Abfall.FO

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Saubere Schweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

ROBERT WILDI

W er kennt die Situation nicht aus eigener Er-fahrung: Man spaziert zu nächtlicher Stunde durch ein belebtes

Ausgangsviertel, wälzt sich nach einem Rockkonzert mit der Menschenmenge aus dem randgefüllten Stadion oder flaniert in der Hochsaison der Strandpromenade einer Massentourismusdestination ent-lang. Leere Getränkedosen säumen den Boden, zerknitterte Papiersäcke, auch Es-sensreste. Beträchtlich ist die Versuchung, die soeben leergetrunkene Flasche eben-falls im bereits vorhandenen Chaos versin-ken respektive der Strasse zu überlassen, statt den nächsten Abfalleimer zu suchen, der womöglich eh schon überfüllt ist.

Das verlockende Gefühl, eigenes un-korrektes Verhalten mit dem Fehlverhal-ten der Masse zu rechtfertigen, von die-sem sogar fast angestachelt zu werden, wird von der sogenannten Broken-Win-dows-Theorie empirisch nachgewiesen. Sie geht davon aus, dass bereits ein ver-botenes Graffiti ausreichen kann, um die schrittweise Verslumung eines Stadtteils anzustossen und die lokale Kriminalitäts- und sogar Mordrate nachhaltig in die Höhe schnellen zu lassen.

Es braucht nur ganz wenigAm unmittelbarsten nachweisbar ist

der Broken-Windows-Effekt im Bereich Littering. Vor zwölf Jahren machte sich ein niederländischer Doktorand der Sozial-wissenschaften in der Stadt Groningen zu einem entsprechenden Experiment auf. Auf einem Veloparkplatz gegenüber einer grau gestrichenen Häuserfront heftete er nachts Hunderte von nichtssagenden Pa-pier-Flyer an die Lenkräder und postierte dazu ein Verbotsschild für Graffiti. Am nächsten Tag stellte er fest, dass 33 Prozent der Velobesitzer den Flyer zu Boden ge-worfen hatten.

Wochen später verschmierte er die ent-sprechende Hauswand nachts mit häss-lichen Graffitis und wiederholte gleichzeitig die Flyer-Aktion. Diesmal fielen 69 Prozent davon dem Littering zum Opfer.

Fazit dieses Experimentes: Die sichtbare Übertretung des einen Verbots (Graffiti) liess die Hemmschwelle für eigenes Fehl-verhalten (Abfall zu Boden werfen) massiv sinken.

Erste Versuche mit ähnlichem Muster gehen auf das Jahr 1969 zurück, als der amerikanische Psychologe Philip Zimbar-do gegenüber der New Yorker Universität ein Oldtimer-Auto parkierte, die Nummern-schilder entfernte und die Motorhaube öffnete. Aus der Ferne beobachtete er danach, wie Plünderer und Vandalen das Auto innerhalb von 26 Stunden zum Wrack machten. Das gleiche Experiment setzte er kurze Zeit später in der kalifornischen Uni-versitätsstadt Palo Alto um, wo zunächst nichts passierte. Zimbardo griff zum Vor-

schlaghammer und schlug nachts einen Sprung in die Frontscheibe. Innert kürzes-ter Frist zerstörten Vandalen den Wagen danach vollständig. Etliche weitere Experi-mente in unterschiedlichen Weltregionen führten immer wieder zu fast identischen Resultaten.

Im Fokus der ursprünglichen Broken-Windows-Theorie standen demnach primär kriminelle Delikte und Vandalismus, also extremere Formen von Zerstörung und un-sozialem Verhalten als Littering. Das bestä-tigt auch Ralph Hansmann, Wissenschafter

am Department of Environmental Systems Science an der ETH Zürich. «Ganz offen-sichtlich kann jedoch Littering als eine erste Stufe zur Zerstörung und Verwahrlosung des öffentlichen Raums angesehen wer-den.» Und ein «verlitterter» beziehungswei-se stark verschmutzter öffentlicher Raum fördere demnach nicht nur weiteres Litte-ring, sondern möglicherweise auch andere Formen von Vandalismus und Kriminalität.

Hansmann bestätigt, dass diverse Stu-dien ausserhalb der Broken-Windows-Theorie nachweisen, dass dort, wo bereits eine Verschmutzung erkennbar sei, mehr gelittert und zusätzlich verschmutzt werde als auf Flächen, die sauber seien. Hans-mann: «Dies hat mit dem Nachahmungs-verhalten zu tun, da der Verschmutzungs-grad anzeigt, dass auch an-dere hier littern. Gleichzei-tig ist es eine Folge des von Passanten wahrgenomme-nen Kontrollverlusts, so-dass keine sozialen Sanktio-nen für weiteres Littering erwartet werden.» Dieser zweite Effekt sei recht stark. «Littering ist somit zwar eigentlich nur am Rande Thema des Broken-Windows-Ef-fekts, passt aber letztlich sehr gut zu die-sem Phänomen.»

Natürlich seien aber auch weitere Fak-toren entscheidend, etwa die Distanz zu Entsorgungsmöglichkeiten, die Einseh-barkeit eines Ortes respektive Präsenz anderer Menschen, was eine soziale Kon-trolle herstelle. Dass die Schweiz vom Bro-ken-Windows-Effekt respektive von der Littering-Problematik weniger betroffen ist als andere Länder, erklärt Hansmann

damit, dass es hierzulande deutlich weni-ger verwahrloste, unsaubere Ecken oder Räume gebe. «Dies ist so, weil in der Schweiz aufgrund eines weitverbreiteten Umweltbewusstseins weniger gelittert und anderseits von der öffentlichen Hand deutlich öfter und gründlicher gesäubert wird.» Gleichwohl gebe es auch in der Schweiz, insbesondere an versteckten Ecken und weniger bekannten Plätzen von Grossstädten, ein Littering-Problem, das man durchaus dem Broken-Windows-Phänomen zuordnen könne.

Prävention, Aufklärung und RepressionWelches sind nachweislich die besten

Mittel, um dem Broken-Windows-Effekt respektive der Eigendynamik des Chaos

vorzubeugen? Neben einem häufigen Reinigen nennt Hans-mann als gute Prävention die Durchführung von entspre-chenden Informationskampag-nen, also eine aktive Umwelt-pädagogik. «Anderseits kann auch Repression in Form etwa von Androhung einer Geldbu-

sse viel bewirken.» Wichtig seien ausrei-chend vorhandene Ent sorgungs möglich-keiten wie Abfallkübel. Nachts könne ferner eine gute Beleuchtung von neuralgischen Plätzen hilfreich sein.

Hansmann: «Die Videoüberwachung schliesslich scheint mir eher für die Be-kämpfung von Kriminalität und Vanda-lismus im engeren Sinne angemessen, sie kann aber zugleich auch Littering etwas vermindern.» Für Hansmann ist nicht eine einzelne dieser Massnahmen der Königs-weg, sondern der optimale Mix.

Wenn das Chaos eigendynamisch wird

Broken-Windows-Effekt Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass kleine Impulse wie eine zerbrochene Fensterscheibe oder Graffiti an einer Hauswand die Hemmschwelle für sorgloses Littering in einem Quartier massiv senken.

BROKEN WINDOWS

Bestätigung für direkten ZusammenhangZerbrochenes Fenster Laut der Broken-Windows-Theorie (englisch für Theorie der zerbrochenen Fenster) besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Ver-wüstungen in sowie Vernachlässigung von Stadtgebieten und Kriminalität. Die US-amerikanischen Sozialforscher James Q. Wilson und George L. Kelling illustrierten die Aussage ihrer Theorie mit der Behauptung, dass eine zerbro-chene Fensterscheibe schnell repariert

werden muss, damit weitere Zerstörun-gen im Stadtteil und damit vermehrte Delinquenz verhindert werden.

New Yorker Modell Die Theorie bildet das Fundament der polizeilichen Null-toleranzstrategie, die zuerst und öffent-lichkeitswirksam als New Yorker Modell unter William Bratton, Polizeichef von New York City 1994 bis 1996 und 2014 bis 2016, praktiziert worden war.

Sulejman Selmi: Recycler, RecyPET, Frauenfeld.

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Broken-Windows-Effekt: Er kann Ursprung für eine schleichende Verwahrlosung und steigende Kriminalitätsrate sein.

Littering wird als erste Stufe zur

Verwahrlosung angesehen.

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Saubere SchweizHANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

«Verzell du das em Fährimaa»Abfallmythen Um Abfall, Entsorgung und Recycling ranken sich die verschiedensten Mythen,

die sich hartnäckig in unseren Köpfen halten. Wir korrigieren diese.

LUKAS SCHUMACHER

Mythos 1

Mit einem Pfand könnten noch viel mehr Getränkeverpackungen aus Glas, Aluminium und PET gesammelt werden.

Falsch! Das Schweizer System hat sich bestens bewährt. Das zeigen einerseits die erfolgreichen Verwertungsquoten sowie anderseits der Vergleich mit anderen Ländern. In der Schweiz wird dieselbe hohe Rücklaufquote erreicht wie in den erfolgreichsten Pfandländern Europas. Eine Pfandeinführung würde zudem Kos-ten im dreistelligen Millionenbereich sowie die Schliessung von rund 60 000 Sammelstellen nach sich ziehen und Ge-tränkeverpackungen könnten nur noch im Detailhandel zurückgegeben werden. Die Convenience für die Bevölkerung wäre damit massiv geringer, was in Konkurrenz mit dem finanziellen Anreiz des Pfandes steht und dadurch sogar tiefere Rück-laufquoten bedeuten könnte.

Quelle: Swiss Recycling, www.swissrecycling.ch

Mythos 2

Altglas muss man nicht nach Farben sortiert sammeln – und die Verschlüsse darf man dranlassen.

Falsch! Altglas muss strikt nach den Far-ben Weiss, Braun und Grün getrennt ge-sammelt werden. Das nach Farben ge-trennte Altglas wird mit speziellen Lastwa-gen eingesammelt, deren Ladefläche in drei Farbabteile aufgeteilt ist. Auch wenn es manchmal so aussehen mag – das ge-trennt gesammelte Altglas wird nicht ver-mischt. Deckel und Verschlüsse müssen entfernt werden, Papieretiketten aber kann man dranlassen. In die Glassamm-lung gehören nur Wein- und Getränkefla-schen, Öl- und Essigflaschen, Konfitüren-, Gurken- und Joghurtgläser. Lebensmittel-gläser sollten aus Hygienegründen unbe-dingt ausgespült werden. Fensterglas, Spiegel, Trinkgläser, Glasteller und Vasen sowie Keramik, Porzellan und Ton gehö-ren in die Schuttmulde. Auch Glühbirnen und andere Leuchtmittel haben im Glas-container nichts verloren.

Quelle: VetroSwiss, www.vetroswiss.ch

Mythos 3

PET-Getränkeflaschen sind gesundheitsschädigend.

Falsch! Mögliche Fremdstoffe oder Sub-stanzen in Lebensmitteln oder Trinkwasser werden oft und kontrovers diskutiert. Es ist eine Tatsache, dass sie vorkommen und entsprechend nachgewiesen werden kön-nen. Nicht jeder Stoff, der nachgewiesen werden kann, ist auch gesundheitsgefähr-dend oder gar -schädigend. Acetaldehyd zum Beispiel ist ein natürlicher Fruchtaro-mastoff, der bei Menschen auch in Mund und Darm entsteht und in vielen Lebens-mitteln vorkommt. Viel mehr Acetaldehyd als in einer PET-Getränkeflasche vorkom-

men kann, ist etwa in Brot, Wein, Bier oder Orangensaft zu finden. Entscheidend ist die Menge. In der Schweiz unterliegen Mine-ralwasser und Lebensmittel gesetzlichen Vorlagen. Und die Einhaltung dieser Grenz-werte wird vom Bundesamt für Gesundheit streng kontrolliert.

Quelle: PET-Recycling Schweiz, www.petrecycling.ch

Mythos 4

Das Sammeln von Alu-Joghurtdeckeln ist sinnlos.

Falsch! Wird ein Aluprodukt aus Recy-cling- statt aus Primärmaterial hergestellt, lassen sich 95 Prozent der Energie einspa-ren. Alu-Joghurtdeckel müssen für die Sammlung zudem nicht heiss abgewaschen werden, um nicht unnötig Energie zu ver-schwenden. Verbundverpackungen wie Kartoffelstockbeutel oder Kaffeerahmde-ckel enthalten zwar Aluminium, werden aber nicht rezykliert.

Quelle: Igora, www.igora.ch

Mythos 5

Unser E-Schrott landet sowieso in Afrika.

Falsch! Aus den EU-Ländern werden rund zwei Drittel des Elektroschrotts ent-weder in Drittländer exportiert, nicht fach-männisch rezykliert oder gar in den Abfall geworfen. In der Schweiz dagegen werden über 95 Prozent der Elektro- und Elektro-nikgeräte, die im Fachhandel und bei den über 600 SENS-Sammelstellen gesammelt werden, auch in der Schweiz verarbeitet. Gewisse Materialien wie zum Beispiel Pho-tovoltaikmodule werden im europäischen Raum weiterverarbeitet, weil es bei der an-fallenden Menge nicht rentabel wäre, in der Schweiz dafür eine entsprechende Techno-logie aufzubauen. Von der Entsorgung und der Wiederverwertung im eigenen Land profitiert die Schweiz mehrfach: Der Im-port von Rohstoffen sinkt und Transport-kosten und -emissionen können verringert werden.

Quelle: Stiftung SENS, www.erecycling.ch

Mythos 6

In den blau-gelben PET-Sammel-behältern kann man Plastikver-packungen aller Art entsorgen.

Falsch! In die blau-gelben Sammelbe-hälter von PET-Recycling Schweiz gehö-ren ausschliesslich PET-Getränkefla-schen. Alle anderen Plastikverpackungen gefährden den PET-Kreislauf und müssen wieder aufwendig aussortiert werden. Da PET-Getränkeflaschen Lebensmittelver-packungen sind, gelten für das Recycling strenge Hygiene- und Produktionsvor-schriften. Deshalb gehören Milch flaschen, Joghurtbecher, Putzmittelflaschen oder Fruchtschalen nicht in die PET-Getränke-flaschen-Sammlung.

Quelle: PET-Recycling Schweiz, www.petrecycling.ch

Mythos 7

Ein paar Batterien im Kehricht spielen keine Rolle, sie müssen nicht extra separat gesammelt werden.

Falsch! Der Umgang mit gebrauchten Batterien und Akkus ist in der Schweiz gesetzlich geregelt. Die Konsumentinnen und Konsumenten sind verpflichtet, Batterien und Akkus an eine Sammelstelle zurückzubringen; gleichzeitig gilt für alle Verkaufsstellen die Rücknahmepflicht. Ge-brauchte Batterien und Akkus haben einen hohen Anteil an wiederverwert baren Mate-

rialen, welche im Recyclingprozess zurück-gewonnen werden. Gleichzeitig wird so die Umwelt vor Schwermetallen geschützt.

Quelle: Inobat, www.inobat.ch

Mythos 8

Die KVA benötigen Papier und Glas, damit der Abfall besser verbrannt werden kann.

Falsch! Normaler Haushaltsabfall brennt von alleine schon genug gut. Es braucht

nicht noch zusätzlich Papier und Glas dazu. Zudem hat Glas eine Schmelztemperatur von rund 1600 Grad Celsius. Kehrichtver-brennungsanlagen verbrennen Kehricht jedoch nur bei Temperaturen zwischen 700 und 1000 Grad Celsius. Die Scherben gelan-gen praktisch unverändert in die Schlacke, die deponiert wird. Deswegen gehört Alt-glas zu den Sammelstellen zurück und nicht in den Abfall.

Quelle: Swiss Recycling, www.swissrecycling.ch

Lukas Schumacher, Leiter Marketing, Mitglied der Geschäftsleitung, Verein PRS PET-Recycling Schweiz, Zürich.

Diego Cintula: Abfalltaucher, Tauchershop Miaru, Zürich-Wollishofen.

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Saubere Schweiz HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

Recycling Map Die App ist schweizweit als einzige für die elektronische Bewirtschaftung von circa 16 000 Standorten von Sammelstellen mit rund vierzig Wertstoffen zuständig.

ROLF VARIS

H ierzulande wird von Ge-meinden und Städten wie auch vom Detailhandel das Sammelnetz für Wertstoffe ständig ausgebaut und op-

timiert. Zudem platzieren Recyclingor-ganisationen diverse Sammelbehälter beispielsweise für Alu, PET oder Papier. Dies zumeist an Hotspots, damit alle Ein-wohner bequem und schnell die leer getrunkene Aludose oder PET-Flasche abgeben können. Für die elektronische Bewirtschaftung von circa 16 000 Sammel-standorten mit rund vierzig Wertstoffen ist schweizweit die Anwendungssoftware Recycling Map als einzige Software zu-ständig. Die App wie auch die Homepage recycling-map.ch helfen Umweltbewuss-ten beim schnellen und unkomplizierten Orten des nächstgelegenen Sammelortes.

Wichtig ist die einfache HandhabungDie App ist intuitiv gestaltet und ver-

mittelt dem Benutzer sofort und rasch einen Überblick über die nächsten Entsor-gungsstellen, sowohl in Karten- als auch in Listenansicht. Wertvoll sind die Anga-ben über die Sammelgüter: vierzig sind aufgelistet. Bei jedem Sammelgut ist ver-merkt, was gesammelt wird.

Wo wir Alltägliches wie Papier, Glas, PET oder Alu hinbringen können, wissen wir meistens. Wo aber hin mit einem alten Velo oder den Leuchtstoffröhren? In der App ist alles aufgeführt. Weiter sind bei den Sammelstellen die Öffnungszeiten und die möglichen Anfahrtswege angegeben.

Bei vielen kommunalen Organisatio-nen wie auch beim Detailhandel steht die

App im Einsatz und wird sowohl von den Mitarbeitenden als auch von der Bevölke-

rung als elektronisches Nachschlagewerk genutzt. So – um nur ein Beispiel zu nen-nen – bei Recycling Entsorgung Abwasser Luzern (REAL). Das Unternehmen voll-zieht im Auftrag seiner 22 Verbandsge-meinden interkommunal die Abfallent-sorgung sowie die Abwasserreinigung in der Region Luzern. Seit 2012 ist die Recy-cling Map in die Website www.real-lu-zern.ch integriert und wird jeweils im jährlich neu aufgelegten Abfallkalender beworben. Reto Sägesser, der verantwort-liche Sachbearbeiter Logistik bei REAL, sieht die Recycling Map als Ergänzung zum eigenen Abfallkalender, der jährlich in gedruckter Form an alle Haushalte und Unternehmen geht. «Wir publizieren die Recycling Map in unserem Abfallkalen-der, damit die Bewohnerinnen und Be-

wohner jederzeit eine passende Sammel-stelle in ihrer Nähe finden. Vor allem hilf-reich ist sie für Sammelgüter, die man sel-ten entsorgen muss. Dazu gehören etwa Tonerkartuschen, Pneus oder Sperrgut. Diese Wertstoffe sind in den Abfallkalen-dern oft nicht detailliert aufgeführt, auf der Recycling Map ist aber schnell die nächste Abgabestelle ersichtlich», ergänzt Sägesser. REAL ist nur eines von vielen Beispielen für Organisationen, die mit der Map Informationen über Sammelgüter und Sammelplätze für die Bevölkerung präziser zur Verfügung stellen können. Die Aktualisierungen können die Sam-melstellenbetreiber elektronisch über recycling-map.ch melden; dies in der Lis-tenansicht unter der Rubrik «Info» unter «Neue Sammelstelle melden» oder unter «Für Gemeinden und Sammelstellenbe-treiber».

Digital in die ZukunftDie Recyclingorganisationen Igora-

Genossenschaft für Aluminium-Recycling und Ferro Recycling unterhalten die App und geben zum Sammeln von Metallver-packungen den handlichen Metal Bag als bequemen Sammelbegleiter ab. Die Ver-antwortlichen bei Igora sehen die App als wichtiges Tool für generell mehr Recycling und weniger Littering. Die App und die Websites enthalten zudem Sammelstellen des Detailhandels und weiterer privater Anbieter und sind so ideale Ergänzungen zu den kommunalen Abfallkalendern. Für die Zukunft sind weitere Kooperationen, Sammelgüter und regionale Scouts im Fokus, welche die Verantwortung für die Aktualität der Daten in einem definierten Gebiet übernehmen.

Das Sammeln von Wertstoffen wird so mit digitalen Hilfsmitteln konsumenten-freundlicher und spassiger.

Rolf Varis, EDV, Umwelt und Projekte, Igora-Genos-senschaft für Aluminium-Recycling / Ferro Recyc-ling, Thalwil.

Was in der Schweiz wo und wie gesammelt wird

Was Gesammelt wird/werden Nicht in diese Fraktion gehören Wo wird (hauptsächlich) gesammelt

Aluminiumverpackungen Getränkedosen, Lebensmitteltuben, Joghurtdeckel, Menü- und Backschalen, Haushaltfolien, Tiernahrungsschalen, kleine Aluminiumteile und andere Verpackungen mit Alu-Recycling-Signet

Kapseln aus Aluminium (separate Sammlung); Verbunde wie Suppenbeutel oder Butterpapiere (Kehricht); Farb-, Lack- und Spraydosen (Sonderabfall); schwere und grosse Teile (Metallschrott)

Öffentliche Sammelstellen

Glasverpackungen Sämtliche Flaschen aus Glas, auch Lebensmittelverpackungen, nach Farben Weiss, Braun und Grün getrennt. Blaue, rote und bunte Flaschen gehören in den Grünglas-Container

Metalle, Deckel und sämtliche Fremdstoffe (ausser Etiketten); Trinkgläser, Glasschüsseln, gläserne Gratinformen, Spiegel- und Fensterglas, Teller, Tassen, Vasen, Keramik, Porzellan, Ton (Inertstoff-Sammlung); Leuchtmittel, alle Arten von Glühlampen (separate Sammlung)

Öffentliche Sammelstellen

PET-Getränkeflaschen Kleine und grosse PET-Getränkeflaschen mit dem offiziellen PET-Recycling- Signet (nur Getränkeflaschen)

Öl- und Essigflaschen aus PET (Plastikflaschen); Milch-, Shampoo-, andere Kunststoffflaschen (Plastikflaschen); anderes aus PET, zum Beispiel Gemüse-/Fleischschalen (Kehricht)

Detailhandel, Kioske, private Sammelstellen, teilweise öffentliche, überwachte Sammelstellen

Plastikflaschen Kunststoffflaschen für Milchprodukte, Saucen, weitere Lebensmittel (Essig- und Ölflaschen), Wasch- und Reinigungsmittel, Shampoos, Seifen, Lotionen, Dünger

Flaschen aus dem Heimwerker-, Auto- und Gartenbereich (mit Gefahrensymbol); Becher, Schalen, Beutel, Tiegel, Tuben (Kehricht)

Detailhandel, teilweise öffentliche, überwachte Sammelstellen

Stahlblech-/Weissblechverpackungen Konservendosen und deren Verschlussdeckel aus Stahlblech, Blechdeckel von Flaschen und Konfitürengläser usw.

Farb-, Lack- und Spraydosen (Sonderabfall); Pfannen, Schrauben, grosse Blechstücke, Metallteile (Metallschrott)

Öffentliche Sammelstellen

Kapseln aus Aluminium Kapseln aus Aluminium (Nespresso-Kapseln, Nespresso-Professional-Kapseln) Alle anderen Kapseln aus Kunststoff oder Verbundmaterialien Nespresso-Boutiquen, Nespresso-Handelspartner, teilweise öffentliche Sammelstellen

Batterien und Akkus Gebrauchte Batterien und Akkus Fahrzeugbatterien (zurück zur Garage/Verkaufsstelle) Detailhandel, oft öffentliche Sammelstellen; Verkaufsstellen haben Rücknahmepflicht

Elektrische und elektronische Geräte aus Informatik, Unterhaltung, Büro und Kommunikation

Informatik-, Telekommunikations-, Musik-, Foto- und Unterhaltungsgeräte und Sicherheitstechnik (inklusive Mess-, Dental- und Medizinalgeräte) sowie Zubehör- und Verbrauchsmaterial wie CD, Disketten und Toner

Batterien und Akkus (separate Sammlung); Verpackungsmaterial der Geräte (separate Sammlung); Fritteusen mit Frittieröl, Glühbirnen, Schalttableaux, Lichtschalter, Steckdosen (Bauschuttmulde oder Kehricht)

Detailhandel, oft öffentliche Sammelstellen; Toner/Tintenpatronen (auch Rücknahmesysteme Hersteller);Verkaufsstellen haben Rücknahmepflicht

Elektrische und elektronische Haushalts-Klein- und Haushalts-Grossgeräte

Haushalts-Klein- und -Grossgeräte, Kühl- und Klimageräte, Bau-, Garten-, Hobby- und Sportgeräte, Spielwaren mit elektr(on)ischen Komponenten

Batterien und Akkus (separate Sammlung); Verpackungsmaterial der Geräte (separate Sammlung); Fritteusen mit Frittieröl, Glühbirnen, Schalttableaux, Lichtschalter, Steckdosen (Bauschuttmulde oder Kehricht)

Detailhandel, oft öffentliche Sammelstellen; Verkaufsstellen haben Rücknahmepflicht

Leuchtmittel Entsorgungspflichtige Leuchtmittel (Leuchtstoff- oder Neonröhren), Energie-sparlampen, LED und alle Arten von Hoch- und Niederdrucklampen

Alle Arten von Glühbirnen, Halogenlampen (Kehricht) Detailhandel, oft öffentliche Sammelstellen; Verkaufsstellen haben Rücknahmepflicht

Textilien und Schuhe Saubere, möglichst noch tragbare Damen-, Herren- und Kinderkleider, Leder- und Pelzbekleidung; saubere, noch tragbare Schuhe; saubere Unterwäsche und Socken, Gürtel und Taschen, Mützen und Hüte; Tisch-, Bett- und Haushalt- wäsche, Daunenduvets und -kissen, Stofftiere

Textilfremde Materialien, stark verschmutzte Kleider oder Haushaltstextilien, Textil-abfälle, Schnittreste, Matratzen, Sitzkissen, Teppiche, Dämmstoffe, Skischuhe, Schlittschuhe, Inlineskates, Gummistiefel, einzelne Schuhe, Spielzeuge

Private und öffentliche Sammelstellen

Papier und Karton Papier: Alle Arten von Papier, auch Hochglanzpapier, Zeitungen, Zeitschriften, und Prospekte ohne Beschichtung, Bücher ohne Buchdeckel, auch Fenster- Couverts

Karton: unbeschichteter Karton, saubere Eier-, Früchte- und Gemüsekartons, saubere Pizzaschachteln, Ordner (ohne Metallteile), Taschenbücher, Telefon-bücher, Waschmittelkartons (ohne Plastikhenkel und -deckel), Papiertragtaschen

Getränkekarton (separate Sammlung bei Aldi, Spar); beschichtetes Papier und Karton mit dünner Plastikfolie, Klebeetiketten/-bänder, verschmutzter Karton (Kehricht); geschreddertes Papier (separate Sammlung)

Je nach Gemeinde Hol-Sammlung, oft öffentliche Sammelstellen

Grüngut/Gartenabfälle Gartenabraum, Küchenabfälle und Speisereste Fremdstoffe wie Steine, Draht, Schnüre, Plastiksäcke (Kehricht oder Inertstoff); Erde in grossen Mengen (Entsorgung über Gartenbaufirma)

Je nach Gemeinde, mit/ohne Küchenabfälle und Speisereste

Metallschrott Schrott, Bleche, Fässer, Velos, Pfannen, Stühle usw. Verpackungen aus Alu- und Stahlblechdosen (Alu- und Stahlblechsammlung); elektr(on)ische Geräte (EE-Geräte-Sammlung)

Öffentliche Sammelstellen

Öl Frittier- und Speiseöle; kosmetische Öle wie Massageöl; Motoren-, Getriebe- und Schmieröl

Speiseölgemische wie Salatsaucen oder festes Bratfett (Kehricht); Benzin, Sprit, Farben (Sonderabfälle)

Öffentliche Sammelstellen

Sonderabfälle Reinigungsmittel, Haarspray, Fette, Lacke, Kosmetika, Fleckenentferner, WC-Reiniger, Farben, Kleber, Medikamente usw. (Verkaufsstellen haben Rücknahmepflicht)

Batterien und Akkus, Öl (separate Sammlung) Detailhandel, öffentliche Sammelstellen, teilweise Drogerien und Apotheken

Quellen: Swiss Recycling; BAFU

Mit der App zur nächsten Sammelstelle

Kurt Meister: Meister der Recyclingkunst, Kirchberg BE.

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Herr und Frau Schweizer sind die Separatsammler vom DienstRecycling-Mengen in der Schweiz im Vergleich 1992/2017 (in Kilo pro Kopf)

0 50 100 150 200 QUELLE: SWISSRECYCLING

Papier und Karton 308 160Biogene Abfälle 56 154Glasverpackungen 31 42Elektro(nik)geräte 0 15Textilien 2 6Diverses 1 5PET-Getränkeflaschen 0,5 5Aluminiumverpackungen 0,3 2Weissblechdosen 1 2Batterien 0 0,4

1992 2017

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Saubere SchweizHANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

Aargauer GrillverboteEinweggrills Sie verursachen Brandlöcher auf öffentlichen Wiesen und werden oft liegen gelassen. Einweggrills sind in Zofingen und neu auch in Baden deshalb verboten.

ROBERT WILDI

Geschimpft wird in Basel, in Zürich regt man sich höl-lisch auf. Vom Rheinufer-Jogger wie vom Morgen-spaziergänger entlang der

Chinawiese am Zürichsee bis zu Tausen-den von erbosten Leserbriefschreibern und Facebook-Chattern wird lautstark gefordert: «Verbietet endlich diese läs-tigen Einweggrills!» Zu Hunderten lie-gen die mit Brennstoff betriebenen Aluschalen inklusive Rost nach durch-zechten Partynächten auf öffentlichen Wiesen, häufig umrahmt von schwarzen Brandlöchern, leeren Bierdosen und halbleeren Pommes-Chips-Packungen. Wegräumen? Entspricht nicht dem Zeitgeist. Dafür gibt es ja die Müllabfuhr. Littering in Reinkultur.

Nicht diskutiert, sondern gehandeltWährend sich die hitzige Debatte in

den beiden Grossstädten Basel und Zürich seit Jahren im Kreise dreht und die Brandlöcher Jahr für Jahr eher zu-nehmen, hat man im Aargau gehandelt. Die Stadt Zofingen hat bereits im Feb-ruar 2016 für den zentral gelegenen und beliebten Heitereplatz ein vollständiges Grillverbot ausgesprochen und seither konsequent durchgesetzt.

In diesem Jahr hat nun Baden nach-gezogen und für den Kurpark, die mit 25 000 Quadratmetern Fläche grösste und meistbesuchte Parkanlage Badens,

ebenfalls ein Grillverbot ausgesprochen. Die Badener Begründung für das Verbot ist kurz und bündig: «Wir möchten per sofort keine Brandlöcher mehr im Rasen, verursacht durch Einweggrills», sagt Thomas Stirnemann, Leiter Werkhof der Stadt Baden. Der Kurpark bestehe seit

1875 und verfüge bis heute über einen eindrücklichen Baumbestand mit zum Teil exotischen Hölzern. Man habe daher die Nutzungsverordnung aufgrund von schlechten Erfahrungen kurzerhand an-gepasst und grillieren explizit verboten.

In Zofingen hat man mit dem Verbot gute Erfahrungen gemacht. Seit Sommer 2016 ist vor allem an Sonn- und Feier-tagen die Polizeipräsenz rund um den «Heitern» erhöht, um das generelle Feuerverbot vor Ort rigide durchzuset-zen. Zur Unterstützung greift die Stadt situativ zudem auf eine private Sicher-heitsfirma zurück. «Dank diesen Mass-nahmen hat sich die Situation in Bezug auf Brandlöcher im Rasen, Littering und Lärm in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert», sagt Reto Tresch, stell-vertretender Chef der Regionalpolizei Zofingen.

Neben Prävention auch Repression Seit der Einführung des Grillverbots

auf dem Heitereplatz mussten zwei Per-sonen wegen Zuwiderhandlungen ver-zeigt und gebüsst werden. Der Grund sei, dass neben Repression auch die Prävention grossgeschrieben werde, sagt Tresch. Mit grosszügigen Schildern weist die Stadt auf die Verhaltensregeln hin und hat es damit offenbar geschafft, grosse Teile der Bevölkerung für die Thematik zu sensibilisieren.

Auch in Baden hält sich die Bevölke-rung bislang an das neue Grillverbot. «Seit der Einführung wurden von uns noch keinerlei Bussen ausgesprochen», sagt Max Romann, stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei Baden.

Wer sich für ein kommendes Som-merpicknick nach einem schönen und satten grünen Rasen ohne schwarze Abschnitte sehnt, sollte deshalb viel-leicht einen Ausflug nach Baden oder Zofingen ins Auge fassen.

Nicole Arnet: ISGU-Botschafterin gegen Littering, Basel.

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ALU-GRILLSCHALEN

Migros und Coop haben reagiert Zürich und Basel Während sich Parks und Grünanlagen im Aargau, im Speziellen in Zofingen und in Baden, erholen können und von schwarzen Brandflecken verschont bleiben, lässt der Ärger in Städten wie Zürich und Basel nicht nach. In der Rheinmetropole hatte ein Re-gionalpolitiker bereits 2013 ein Ver-bot für Einweggrills gefordert und wenigstens einen Teilerfolg ver-bucht. Nachdem die Migros den Verkauf dieser Grills ganz ein-stellte, werden bei Coop heute nur noch Exemplare mit Beinen ver-kauft. Diese sollen das heisse Alu-miniumblech vom Boden fernhal-ten und damit Brandlöcher vermei-den. Eifrige Basler Umweltschützer haben trotzdem Unmengen von Rasengrills fotografiert und mo-niert, dass der Effekt praktisch gleich null sei und die Rasenfläche weiterhin zerstört werde. Im Basler Grossrat bleibt eine Mehrheit der Politiker indes der Meinung treu, dass ein Verbot gleichwohl un-verhältnismässig sei. Anders tönt es auch in Zürich und anderen Städten nicht.

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Saubere Schweiz

Altpapier/Karton In der Schweiz werden über 60 Prozent des gesammelten und rezyklierten Altpapiers – insbesondere in der Papierfabrik Perlen im Kanton Luzern – für die Zeitungs- und Magazinpapier-herstellung verwendet. Weitere Verarbei-tungsgebiete sind Papiere für die Well-pappenherstellung, Hygienepapiere oder Nischenanwendungen wie etwa Isola-tionsmaterial bei Bauten.

Altglas Glas, nach Farben getrennt ge-sammelt, bleibt Glas. Rund 85 Prozent des hierzulande gesammelten und rezyk-lierten Altglases findet den Weg in die in- und ausländische Produktion von neuen Glasverpackungen. Die übrigen rund 15 Prozent werden für die Herstellung von Produkten wie Dämmstoffen (zum Bei-spiel Glaswolle, Schaumglasschotter) ein-gesetzt.

PET Das in der Schweiz gewonnene Poly-ethylenterephthalat aus der Separat-sammlung der PET-Getränkeflaschen wird zu 100 Prozent für die Herstellung neuer Produkte eingesetzt. Der Einsatz-bereich ist riesig und reicht von Geträn-keflaschen über Folien, Verpackungen und Verpackungsbänder bis hin zu Texti-lien wie zum Beispiel Faserpelz, Rucksä-cken, Sportschuhen und so weiter.

Aluminium Sämtliche gesammelten Men-gen werden wieder für die Produktion von neuen Aluminiumanwendungen in verschiedenen Branchen eingesetzt. Mit einem geringeren Energieaufwand als bei der Herstellung von Primäraluminium wird der wiederverwertete Werkstoff auf dem Bau, in der Industrie, für Transport-mittel, im Design (Möbel und so weiter) und in Verpackungen eingesetzt.

Alteisen/Schrott In der Regel werden Alteisen und Metalle nach dem Recycling zu identischen Endprodukten verarbeitet. Eisen und Metalle sind die einzigen Güter, die kein «Downcycling» erdulden müs-sen. Aus Armierungseisen wird Baueisen, aus Werkzeugstahl wird Werkzeugstahl, aus Autoblech wird Autoblech. Verarbei-tet wird Schrott in den Stahlwerken in Gerlafingen und Emmenbrücke.

WERTSCHÖPFUNG

Was entsteht eigentlich aus rezyklierten Wertstoffen?

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Für das lineare Wachs-tumsmodell aus der in-dustriellen Revolution scheint in Europa defini-tiv das letzte Stündchen geschlagen zu haben. Das dem Irrtum von un-

endlich vorhandenen Ressourcen unter-liegende Motto «nehmen – herstellen – verbrauchen – entsorgen» ist von der EU-Kommission endlich, zumindest auf dem Papier, gekippt worden. Am 18. April 2018 hat die EU-Behörde nach verschiedenen Anläufen und mehrjährigen Verhandlun-gen das Paket «A zero waste programme for Europe» verabschiedet. Ziel: das Errei-chen einer maximalen Wertschöpfung und Nutzung aller Rohstoffe, Produkte und Abfälle, die Förderung von Energie-einsparungen sowie die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen. Die EU will von der Linear- definitiv zur Kreislaufwirt-schaft übergehen.

Was auf gesamteuropäischer Ebene eben erst besiegelt wurde und noch vor der konsequenten Umsetzung steht, hat in der Schweiz bereits eine längere Traditi-on. Während in den EU-28 nämlich bis heute rund ein Drittel der Siedlungsabfäl-le gänzlich unbehandelt deponiert und von der Kreislaufwirtschaft ausgeschlos-sen wird, ist dies hierzulande schon seit dem Jahr 2000 verboten. Mehr als die Hälf-te der hiesigen Siedlungsabfälle wird heute rezykliert, der Rest in Kehrichtver-brennungsanlagen thermisch verwertet.

«Die gesamte Schweizer Bevölkerung ist seit über zwanzig Jahren mit der Sepa-ratsammlung von vielen Wertstoffen vertraut und sich der vielfältigen Vorteile dieses Handelns bewusst», sagt Patrik Geisselhardt, Geschäftsführer der Dach-organisation Swiss Recycling, die bereits 1992 gegründet wurde. «Wir blicken mittlerweile auf erfolgreiche 26 Jahre zurück mit konsequenten Wachstums-raten, was die rezyklierten Mengen der verschiedenen Wertstoffe betrifft.»

Ein paar Zahlen dokumentieren, was Geisselhardt damit meint. So wurden in der Schweiz im Jahr 1992 rund 32 Prozent des Siedlungsabfalls rezykliert, heute sind es 55 Prozent. Damit ist die Schweiz auch im Vergleich zu den fortschrittlichsten Ländern Europas ganz vorne dabei. Oder: Im Jahr 2017 werden in der Schweiz dank Recycling total 6300 Milliarden Umwelt-belastungspunkte (UBP) eingespart. Das sind 3,3-mal so viele wie noch im Jahr 1992 (1900 Milliarden UBP).

Altpapier: Auslöser der hiesigen Sammellust

Die ersten Wertstoffe, die man schon vor fünfzig Jahren auf geringem Niveau sammelte und teilweise rezyklierte, waren Papier und Karton. Bis heute ist Altpapier im Recyclingmarkt dominant, in den ver-gangenen Jahren wurden davon schweiz-weit stets um die 1,3 Millionen Tonnen in Sammelstellen gehortet. Die Recyclingra-te von Altpapier und Karton beträgt insge-samt 75 Prozent. «Tendenz zunehmend», sagt Beat Kneubühler, Geschäftsführer vom Verein Recycling Papier und Karton.

Glas: Mehr ist in Zukunft fast nicht mehr möglich

Noch höher als beim Altpapier ist die Recyclingrate beim Glas. Seit Jahren brin-gen Schweizerinnen und Schweizer stabi-le 94 bis 96 Prozent ihrer Flaschen und an-derer Verpackungen aus Glas nach deren Gebrauch zu einer Glassammelstelle. Das sind pro Jahr im Schnitt rund 350 000 Ton-nen Altglas, die in rund 29 000 Glascontai-nern gesammelt werden. «Entsprechend wird das Altglas seit Jahren im etwa glei-chen Ausmass der Produktion von Neuglas und ökologischen Produkten zu-geführt», sagt Elisabeth Boner, Sprecherin beim Verpackungsglashersteller Vetro-pack Holding mit Sitz in Saint-Prex VD.

In Bezug auf die rezyklierte Glasmenge gab es in der jüngeren Vergangenheit keine wesentlichen Veränderungen. Gleichwohl

habe man in den letzten zehn Jahren wich-tige Verbesserungen erzielt, sagt Boner. «Zum Beispiel wurde die Menge des sauber nach Farben getrennten Glases über die letzten zehn Jahre kontinuierlich auf heute 70 Prozent erhöht. Nach Farben getrenntes Altglas trägt wesentlich zu einer besseren Wertschöpfung und folglich zu einer besse-ren Umweltbilanz bei.» Ausserdem habe man auch den Fremdstoffanteil im Altglas erheblich verringern können, was die Recy-clingprozesse vereinfache. Technisch wur-den ebenfalls Fortschritte erzielt. «Für die Produktion von grünem Neuglas kann heu-te, je nach Farbton, bis zu 100 Prozent Alt-glas eingesetzt werden. Bei der Produktion von weissem oder braunem Glas liegt dieser Anteil – jedoch nur für farblich ge-trennte Scherben – bei rund 60 Prozent», sagt Boner.

Schrott: Vorzeigemodell für die Kreislaufwirtschaft

Mehr oder weniger stabile bis leicht wachsende Recyclingmengen sind im Be-reich Alteisen/Stahlschrott zu verzeich-nen, wie Thomas Bähler vom Verband Stahl-, Metall- und Papier-Recycling Schweiz berichtet. In der Schweiz werden heute pro Jahr über 1,5 Millionen Tonnen Stahlschrott in den Recyclingkreislauf ge-schleust und zu Sekundärrohstoffen verar-beitet. «Damit ist Stahlschrott die wichtigs-te, dazu auch die älteste und wohl effizien-teste Recyclingfraktion des Landes», sagt Bähler. So werde der Schweizer Stahlbe-darf vollumfänglich über Sekundärroh-stoffe abgedeckt. «Stahlträger, mit denen in der Schweiz gebaut wird, bestehen heute zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial.» Ein zusätzlicher Bonuseffekt: Recyclingstahl

braucht für seine Herstellung 70 Prozent weniger Energie und verursacht 85 Pro-zent weniger CO2 als Primärstahl. Stahl ist damit ein Vorzeigemodell für die Kreis-laufwirtschaft.

PET: Chinas Importstopp tangiert die Schweiz nicht

Auf hohem Niveau stabil ist die Recy-clingquote der PET-Getränkeflaschen. Das habe mit dem laufenden Ausbau des Sammelnetzes zu tun, begründet Jean-Claude Würmli, der Geschäftsführer des Vereins PRS PET-Recycling Schweiz mit Sitz in Zürich. «In den letzten zehn Jahren ist die Menge an PET-Getränkeflaschen in der Schweiz um fast 20 Prozent gestie-gen.» Gleichzeitig habe der Materialver-brauch erfreulicherweise aber nur um 5 Prozent zugenommen, weil Flaschen laufend leichter werden. «Alleine 2017 wurden rund 1,3 Milliarden PET-Geträn-keflaschen in der Schweiz rezykliert, das ist rund 30 Prozent mehr als noch 2007», so Würmli. Neben der Versorgung der Schweizer Industrien mit umweltfreund-lichen Rohstoffen schaffe das PET-Recyc-ling damit auch Arbeitsplätze.

Das ist keineswegs selbstverständlich: Viele andere, auch zahlreiche europäi-sche Länder, haben ihre Kunststoff- und PET-Abfälle bis Ende 2017 nach China verschifft und so entsorgt. Per Anfang 2018 hat China die Einfuhr von 24 Ab-fallarten, darunter diversen Kunststoffab-fällen, aber verboten. In Deutschland wird dieser Importstopp als «Entsor-gungskatastrophe» für die EU bezeichnet. Kann kein Abnehmer gefunden werden, droht Europa auf einem Berg von mehre-ren hunderttausend Tonnen Altkunststof-

fen sitzen zu bleiben. Für die Verwertung oder Verbrennung fehlen Anlagen. Würmli: «Dank einer klugen Politik ist die Schweiz vom chinesischen Importstopp nur geringfügig und die PET-Getränkefla-sche überhaupt nicht betroffen, weil wir über eine eigene, hochmoderne Recyclin-ginfrastruktur verfügen.»

Alu: Die Sammelmenge hat sich verdoppelt

Wie bei PET hat die Sammelwut der Schweizer Bevölkerung auch beim Alumi-nium vor rund zehn Jahren richtig einge-setzt. «Die Menge der gesammelten Ge-tränkedosen, sie machen den Hauptteil der Lebensmittelverpackungen aus Alu-minium aus, hat sich von 2007 mit 5000 Tonnen über 2012 mit 9050 Tonnen bis 2016 mit 9365 Tonnen innert kurzer Frist praktisch verdoppelt», weiss Daniel Frischknecht, stellvertretender Geschäfts-führer der Igora-Genossenschaft für Aluminiumrecycling. «Neben einem er-höhten Bewusstsein in der Bevölkerung haben sicher auch die gestiegenen Ver-kaufsmengen von Aludosen sowie die kontinuierliche Verbesserung der Sam-melinfrastrukturen zu diesem markanten Schub beigetragen», sagt Frischknecht.

Rohstoffpreise: Das Tief als Herausforderung

Ein wachsendes Bewusstsein in der Be-völkerung gepaart mit immer besseren Sammel- und Aufbereitungsinfrastruktu-ren verhelfen der Recyclingbranche zu einem anhaltenden Höhenflug. Zumin-dest, was den operativen Output betrifft. Auf der Ertragsseite sieht es etwas komple-

Die Schweiz ist MusterknabeRecycling Die Wiederverwertung statt Entsorgung von Wertstoffen wie Papier/Karton, Glas, Aluminium, PET oder Schrott hat hierzulande mittlerweile Tradition. Sie ist ein Erfolgsmodell.

Fernando Parreira: Recycler, RecyPET, Frauenfeld.

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HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 28. Juni 2018

xer aus. Denn die Preisentwicklung unter-liegt bei allen Rohstoffen permanenten Schwankungen, die kaum voraussehbar sind. Zu erwähnen ist etwa der Schock der Euro-Mindestkurs-Aufhebung im Januar 2015 durch die Schweizerische National-bank (SNB), der unter anderem massiv auf den Aluminiumpreis gedrückt hatte. Die PET-Recycling-Erlöse sind zusammen mit

dem Preis für Rohöl in jüngerer Vergan-genheit ebenfalls in den Keller gefallen.

Beim Altpapier verändern sich die Preise seit je sehr dynamisch. Um den Ge-meinden einen substanziellen Teil ihrer Sammelkosten zu decken, wurde vor Jah-ren deshalb eine Rahmenvereinbarung mit Mindestpreisgarantie eingeführt. Die-ser finanzielle Schutz ist wichtig, um die

hohe Sammelquote weiterhin aufrechtzu-erhalten. «Aus Sicht der Gemeinden ist diese Kostendeckung essenziell, Geld ver-dienen möchten sie mit Altpapier nicht», sagt Beat Kneubühler vom Verein Recy-cling Papier und Karton.

«Die vielfältigen Einflüsse machen das Recyclinggeschäft zu einem sehr heraus-fordernden, häufig nur schwierig planba-

ren und daher volatilen Geschäft», sagt Patrik Geisselhardt von Swiss Recycling. Das offizielle EU-Bekenntnis zur Etablie-rung einer konsequenten Kreislaufwirt-schaft hat bei der Schweizer Dachorgani-sation verschiedene Aktivitäten und Debatten ausgelöst. Denn Europa will bis 2035 beim Recycling von Siedlungsabfäl-len die ambitionierte Quote von 65 Pro-

zent erreichen und damit den Schweizer Wert von heute 55 Prozent deutlich über-trumpfen. Geisselhardt weiss, was zu tun ist: «Überträgt man das EU-Ziel auf die Schweiz, müssten gegenüber dem heuti-gen Volumen zusätzliche 800 000 Tonnen Siedlungsabfälle separat gesammelt wer-den, was eine bessere Rezyklierbarkeit, gerade bei Kunststoffen, bedingt.»

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