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8 . ENTWICKLUNG DER TÖPFEREI IN SIEBENBÜRGEN Siebenbürgen hat als Schmelztiegel von bodenständigen Überlieferungen mit erkennbaren Einflüssen aus dem Süden (Balkan, Italien), dem Westen (Mittel- und Westeuropa) und dem Osten (Süd- und Kleinasien) im Laufe von Jahrhun- derten eine Fülle von Keramikerzeugnissen hervorgebracht, die in ihrer Vielfalt bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind. Schon die ersten, von Heimat- forschern des 9. und 0. Jahrhunderts unternommenen Versuche einer kul- turgeschichtlichen Erforschung der siebenbürgischen Keramik führten zu einer Gliederung, die Ordnung in die Fülle des zur Verfügung stehenden Materials bringen wollte. Wenn auch noch nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erar- beitet, haben diese ersten Klassifikationsversuche dennoch ihren Wert. Sie er- möglichen es, Wissenslücken aufzudecken, neue Fragestellungen zu formulieren und die einzelnen Forschungsgebiete abzugrenzen. Sie boten eine - freilich unsi- chere - Grundlage für den Vergleich, für die Verständigung unter Sammlern und Fachkollegen, den Ansatz zu Verallgemeinerung, sowie Voraussetzungen zur Berkanntmachung und Interpretation des Materials. Die ersten Publizisten auf dem Gebiet volkstümlicher Keramik in Sieben- bürgen - Petrik Lajos, János Pap, Dezsö Malonyay, Julius Teutsch, Emil Sigerus, Viktor Roth, Iuliu Moisil, Misch Orend, Mac Constantinescu, Mauritius Ki- makowicz, Barbu Slătineanu , Julius Bielz u.a. - nahmen zunächst eine Gliede- rung nach ethnischen Gesichtspunkten vor. In Analogie zur Bevölkerungsstruk- tur Siebenbürgens unterschieden sie eine rumänische, sächsische und ungarische Keramik, eine Ordnung, die auch heute als natürliche, historisch und kulturell bedingte Klassifikation gerechtfertigt erscheint. Sie erspart uns jedoch nicht eine kritischen Auseinandersetzung mit den angewandten Grundsätzen der Material- gliederung und die Zielsetzung einzelner Studien, die in der Methode wesentli- che Fehlerquellen beinhalten. Eine ethnische Zuordnung ergibt sich aus einer eingehenden sozial-kulturel- len Analyse der Lebensweise und Sachkultur der betreffenden nationalen Grup- pe, wobei das Charakteristische in Formgebung, Verzierungstechnik und -stil, Oberflächenbeschaffenheit und funktioneller Bedeutung bei der Eingliederung des Keramikmaterials beachtet werden muß. Mit Rücksicht darauf lassen sich die Ballungszentren ethnischer Kulturgebiete ausmachen, wie zum Beispiel das Gebiet um Hatzeg und das Bihorgebirge für rumänische Keramik, Reps und Umgebung für sächsische und das Szeklergebiet für ungarische Keramik. Zwi- schen diesen liegen Übergangszonen, deren Erzeugnisse nur schwer dem Ein- flußbereich des einen oder anderen Zentrums zugeordnet werden können. Das Fehlen eines eingehenden Studiums kennzeichnender Merkmale hat um die Wende des 9. zum 0. Jahrhundert einige Heimatforscher dazu verleitet, die ethnische Zugehörigkeit der siebenbürgischen Keramikgefäße nach der Na- tionalität des vermuteten Erzeugers zu bestimmen. Danach galten als ungarische

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�. ENTWICKLUNG DER TÖPFEREI IN SIEBENBÜRGEN

Siebenbürgen hat als Schmelztiegel von bodenständigen Überlieferungen mit erkennbaren Einflüssen aus dem Süden (Balkan, Italien), dem Westen (Mittel- und Westeuropa) und dem Osten (Süd- und Kleinasien) im Laufe von Jahrhun-derten eine Fülle von Keramikerzeugnissen hervorgebracht, die in ihrer Vielfalt bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind. Schon die ersten, von Heimat-forschern des �9. und �0. Jahrhunderts unternommenen Versuche einer kul-turgeschichtlichen Erforschung der siebenbürgischen Keramik führten zu einer Gliederung, die Ordnung in die Fülle des zur Verfügung stehenden Materials bringen wollte. Wenn auch noch nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erar-beitet, haben diese ersten Klassifikationsversuche dennoch ihren Wert. Sie er-möglichen es, Wissenslücken aufzudecken, neue Fragestellungen zu formulieren und die einzelnen Forschungsgebiete abzugrenzen. Sie boten eine - freilich unsi-chere - Grundlage für den Vergleich, für die Verständigung unter Sammlern und Fachkollegen, den Ansatz zu Verallgemeinerung, sowie Voraussetzungen zur Berkanntmachung und Interpretation des Materials.

Die ersten Publizisten auf dem Gebiet volkstümlicher Keramik in Sieben-bürgen - Petrik Lajos, János Pap, Dezsö Malonyay, Julius Teutsch, Emil Sigerus, Viktor Roth, Iuliu Moisil, Misch Orend, Mac Constantinescu, Mauritius Ki-makowicz, Barbu Slătineanu , Julius Bielz u.a. - nahmen zunächst eine Gliede-rung nach ethnischen Gesichtspunkten vor. In Analogie zur Bevölkerungsstruk-tur Siebenbürgens unterschieden sie eine rumänische, sächsische und ungarische Keramik, eine Ordnung, die auch heute als natürliche, historisch und kulturell bedingte Klassifikation gerechtfertigt erscheint. Sie erspart uns jedoch nicht eine kritischen Auseinandersetzung mit den angewandten Grundsätzen der Material-gliederung und die Zielsetzung einzelner Studien, die in der Methode wesentli-che Fehlerquellen beinhalten.

Eine ethnische Zuordnung ergibt sich aus einer eingehenden sozial-kulturel-len Analyse der Lebensweise und Sachkultur der betreffenden nationalen Grup-pe, wobei das Charakteristische in Formgebung, Verzierungstechnik und -stil, Oberflächenbeschaffenheit und funktioneller Bedeutung bei der Eingliederung des Keramikmaterials beachtet werden muß. Mit Rücksicht darauf lassen sich die Ballungszentren ethnischer Kulturgebiete ausmachen, wie zum Beispiel das Gebiet um Hatzeg und das Bihorgebirge für rumänische Keramik, Reps und Umgebung für sächsische und das Szeklergebiet für ungarische Keramik. Zwi-schen diesen liegen Übergangszonen, deren Erzeugnisse nur schwer dem Ein-flußbereich des einen oder anderen Zentrums zugeordnet werden können.

Das Fehlen eines eingehenden Studiums kennzeichnender Merkmale hat um die Wende des �9. zum �0. Jahrhundert einige Heimatforscher dazu verleitet, die ethnische Zugehörigkeit der siebenbürgischen Keramikgefäße nach der Na-tionalität des vermuteten Erzeugers zu bestimmen. Danach galten als ungarische

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Keramik alle Erzeugnisse ungarischer Töpfer, als sächsische Keramik die Erzeug-nisse sächsischer Töpfer usw., eine Auffassung, die auch heute noch verbreitet ist. Dieser Grundsatz mag wohl für die Zeit, da Töpferei noch Hausgewerbe war, richtig gewesen sein, kann aber für die organisierte Töpferei, die sich nach dem Gesetz des Angebots und der Nachfrage richtete, nur bedingt angewandt werden.Die rumänischen Töpfer aus Tohan haben nicht nur traditionelle Ge-brauchs- und Zierkeramik für die rumänische Bevölkerung erzeugt, sondern sie waren auch bestrebt, ihre Ware den Anforderungen des Marktes von Kronstadt anzupassen. Die sächsischen, österreichischen und Szekler Töpfer aus Cârţişoara, die hauptsächlich für die umliegenden rumänischen Dörfer Gebrauchsgeschirr anfertigten, haben sich den vorhandenen bodenständigen Formenschatz zu ei-gen gemacht. Besonders die grösseren Werkstätten (Reps, Corund, Thorenburg, Odorhei u.a.), deren Waren in ganz Siebenbürgen durch Zwischenhändler abge-setzt wurden, mußten den Wünschen der Verbraucher Rechnung tragen.

Hinzu kommt, daß in den größten sächsischen und ungarischen Töpferwerk-stätten, jener wie in Thorenburg, Hermannstadt, Salzburg (bei Hermannstadt), Dej, Bistritz u.a., schon im �9. Jahrhundert auch rumänische und ungarische, bzw. rumänische und sächsische Töpfer am Arbeitsprozeß beteiligt waren. In Thorenburg, beispielsweise, wo rumänische, ungarische und deutsche Töpfer in derselben Werkstatt an der gleichen Art von Erzeugnissen arbeiteten, ist es gewagt, die Keramik nach der Nationalität des Töpfermeisters zu bestimmen.Denn auch dieser hatte als Handwerker nur begrenzte Möglichkeiten, die Töp-ferware nach eigenem Gutdünken herzustellen, er war von verschiedenen objek-tiven Faktoren abhängig. Abgesehen von örtlichen materiellen und technischen Gegebenheiten mußte er sich nach der Traditionsgebundeneheit der jeweiligen Käufer richten, die Abweichungen nur in begrenztem Maße zuließen. Einfache Gebrauchsgefäße, deren Formentypen im Lauf der Jahrhunderte von Ort zu Ort und von einem ethnographischen Gebiet zum anderen - ungeachtet der Natio-nalität - verbreitet wurden, weisen kaum ethnische Merkmale auf.

Die Herstellung von Keramik ist nicht nur durch den Töpfer, sondern auch durch den Verbraucher bedingt, da seinen Bedürfnissen und Ansprüchen wie bei jedem handwerklichen Wirken Rechnung getragen wird. Wohl trägt jedes Kera-mikerzeugnis die Handschrift seines Schöpfers, die in stilistischen oder techni-schen Details zum Ausdruck kommt, doch sind solche Details eher individuell bestimmt und können nicht immer als ethnische Stilelemente gewertet werden.

Weiterhin finden wir bei den erwähnten Heimatforschern und Publizisten siebenbürgische Keramikgefäße nach Herstellungszentren gegliedert. Ob es sich um Keramik aus Tohan, Noul Român, Fogarasch, Keisd, Draas, Kirchberg, Ni-mesch, Thorenburg, Kronstadt, Bistritz oder anderen Zentren handelt, hat man für fast jedes Gefäß, insbesondere für die Zierkeramik, eine entsprechende geo-graphische Bezeichnung. Diese Festlegung von Keramikgruppen dient zwar in gewissem Maße der Verständigung, entbehrt jedoch jeder wissenschaftlichen Grundlage. In den Arbeiten mancher Forscher gibt es freilich diesbezüglich vage Hypothesen; Beweise für die Richtigkeit der geographischen Bestimmungen

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lassen sich jedoch kaum finden. Zu triftigen Argumenten gehören: Berichte oder Beschreibungen von zeitgenössischen Augenzeugen über die Keramik eines be-stimmten Töpferzentrums, eindeutige Inschriften, Ausgrabungsfunde am Stand-ort ehemaliger Töpferwerkstätten usw. Stellen wir an eine Identifizierung die eben genannten Anforderungen, so können wir behaupten, daß - zum Unter-schied von der unglasierten Keramik einiger noch im �0. Jahrhundert wirken-den rumänischen und ungarischen Töpferzentren - kaum � Prozent der sieben-bürgischen bleiglasierten Zierkeramik eindeutig nach dem Herstellungszentrum bestimmt werden kann. Wie fragwürdig dies Kriterium ist, geht auch aus fol-gendem hervor. Man kennt heute eine Nimescher Keramik, obwohl in Nimesch keine Töpferwerkstätte nachgewiesen werden konnte. Viktor Roth bezeichnete eine bstimmte Keramikgruppe mit gerippten Gürtelapplikationen als Sommer-burger, Julius Teutsch als Leschkircher, Misch Orend als Kirchberger und Julius Bielz als vermutliche Hermannstädter Keramik. Die kobaltblaue Sgrafittokera-mik wird von Julius Bielz als Keisd, von Barbu Slătineanu als Agnetheln zugehö-rig identifiziert. An stichhaligen Beweisen fehlt es bis heute. Verbreitungsdichte und Verbreitungsgebiet lassen sich noch einigermaßen rekonstruieren, sind aber, mit wenigen Ausnahmen, viel zu labil und ungenau, als daß sich daraus das Zen-trum ablesen ließe.

Selbst die zuverlässige Kenntnis, daß eine bestimmte Keramikart in einer be-kannten Werkstatt hergestellt wurde, läßt die Möglichkeit offen, daß gleichzeitig oder nach einer kürzeren bzw. längeren Zeitspanne dieselbe Art auch in anderen Werkstätten oder Töpferzentren nachgemacht wurde. Die oft ins Feld geführte Annahme, daß Zunftrecht und Zunftordnung dem Töpfermeister das Mono-pol auf eine eigene werkstatt-, orts- oder zonengebundene Keramikart sicherte, konnte trotz zahlreicher Zunftdokumente nicht bestätigt werden.

Für die Meisterprüfung mußte der Geselle nur die Aufbereitung der Arbeits-masse, Formgebung und erstes Brennen im Ofen beherrschen. Nachträgliche Oberflächenbehandlung zur Verzierung des Gefäßes, das Brennen der Glasur-farben und das Glasieren wurden bei der Meisterprüfung nicht verlangt, son-dern konnten später vom Meister nach Belieben und Fähigkeit gehandhabt wer-den. Die Zunftordnunden der sächsischen Töpfer von �376, �539 und �776 bestimmten ausdrücklich, daß die Beschaffung von Rohstoffen, die Herstellung und der Absatz der Ware frei und keinen Einschränkungen unterworfen sein sollten.

Technische und stilistische Erhebungen von Keramikgefäßen derselben Art bestätigen, daß mehrere Werkstätten und Töpferzentren an ihrer Erzeugung gleichzeitig beteiligt waren. Beispsielsweise kann man bei den kobaltblauen Sgraffitogefäßen vom Ende des �8. Jahrhunderts verschiedene Varianten erken-nen, die vermutlich in verschiedenen Werkstätten oder Zentren erzeugt wurden. Dieser Umstand dürfte auch erklären, warum J. Bielz die kobaltblauen Sgraffi-togefäße den Keisder und Barbu Slătineanu den Agnethler Töpfern zuschreibt. Eine endgültige Erklärung dieser Frage kann nur eine zielgerichtete, breitange-legte Ausgrabungsaktion der alten Töpferwerkstätten erbringen.

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Da nun eine systematische Gliederung nach Herstellungstechnik den Rah-men dieser Zeitschrift überschreiten würde, ist es am zweckmäßigsten, wenn man, nach einem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Töpfer-handwerks in Siebenbürgen, die wichtigsten Keramikgruppen chronologisch nach Herstellungsperioden vorstellt.

Das an Brennholz und verschiedenartigen Tonvorkommen reiche Sieben-bürgen hat in den verflossenen 6000 Jahren eine Fülle keramischer Erzeugnisse hervorgebracht. Charakteristisch für den jeweiligen Entwicklungsstand sind sie wichtige Zeugnisse für Sachkulturen , die schon in den frühesten Zeiten über den Karpatenbogen honausgingen und mit Kulturen in anderen Landesteilen Rumäniens eine Einheit bildeten. Die hohe Gebirgskette rund um Siebenbürgen war zwar kein Hindernis für eine ständige Kommunikation, für einen Austausch materieller und geistiger Güter, hat aber doch bewirkt, daß dieses Gebiet im Lau-fe der Geschichte seine Eigenart bewahrt hat. Dank seines großen handwerkli-chen und künstlerischen Vermögens hat es von außen kommende Einflüsse mit den eigenen Erfahrungen verschmolzen und, bewußt oder unbewußt, in vielen Keramikerzeugnissen zur Anwendung gebracht.

Eine als Hauswerk (für den eigenen Haushalt) gefertigte primitive Keramik mit groben Verunreinigungen in der Masse, gehört zu den ältesten Funden auf siebenbürgischem Gebiet. Sie gehören dem älteren Neolithikum (5000 - 4000 v.u.Z.) an. Übernommene Elemente werden dem dakischen Formenschatz orga-nisch eingegliedert und bleiben an einigen Gefäßen bis ins �0. Jahrhundert hin-ein erkennbar (siehe Zeichnung S.��).

Einige Formentypen (Urnen, Schüsseln und Krüge) aus der Zeitspanne 6. Jh. v.u.Z.-3.Jh.u.Z.

Protodakische Keramik Dakische Keramik Römische Keramik

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Zu dieser Zeit wurde die Töpferei ein selbständiges Handwerk. In den da-kischen Siedlungen des Brooser Gebirges, vor allem auf dem heutigen „Dealul Grădiştei“, befanden sich Werkstätten, in denen eine hochwertige, mit Geome-trischen-, Pfl anzen- und Tiermotiven versehene bemalte Keramik hergestellt wurde.

Nach der Eroberung Dakiens durch die Römer wurden die Handwerker auch in Siebenbürgen in collegia genannten Gilden zusammengeschlossen. Die Töp-fer gehörten der Gilde der Schmiede an. Töpferwerkstätten aus Apulum, Potais-sa, Porolissum, Romula und Cristeşti versorgten Siebenbürgen mit Gebrauchs-keramik. Fremde Erzeugnisse aus Gallien, Germanien und Pannonien ergänzten das Angebot an Zierkeramik. Aus Italien stammten die besonders schönen Er-zeugnisse der „Terra sigillata“, eine leichte Keramik aus orangefarbener Tonmasse mit wächsernem roten Glanz, die weit über die Märkte des Mittelmeerraumes, Spanien, Gallien und die römischen Provinzen hinaus verbreitet war, auch oft dort hergestellt wurde.

Im zweiten und dritten Jahrhundert ist der römische Kulturbereich einem starken orientalischen Einfl uß ausgesetzt, was sich weniger auf den Formenbe-stand als auf die Verzierung auswirkt. Neue symbolische Pfl anzen- und Tiermo-tive fi nden Eingang in die bodenständige Ornamentensprache.

Die Völkerwanderung behinderte wesentlich die Entwicklung der Produk-tionsmittel der bodenständigen Bevölkerung, was eine Stagnation, gebietsweise sogar einen Rückgang des Töpferhandwerks zur Folge hatte. Freihandgeformte Gefäße und Schwarzkeramik, wie jene der La-Téne-Zeit sowie Erzeugnisse der römischen unglasierten Keramik wurden jedoch in einigen Zentren bis in die Neuzeit hergestellt und liefern den Beweis, daß hierzulande auch zur Zeit der Völkerwanderung eine eigen- und bodenständige Kultur bestand, dank dieser die Kontinuität bewahrt und übernommene Traditionen an spätere Generatio-nen vermittelt wurden. Das soll nicht heißen, daß nach der Völkerwanderung die Entwicklung der Gefäßformen abgeschlossen war. Während sich der Ein-fl uß der slawischen Kultur (8. und 9. Jahrhundert) auf dem Gebiet der Keramik hauptsächlich durch ausländische Erzeugnisse geltend gemacht hatte, bereicher-te nach der Jahrtausendwende die Ausstrahlung der byzantinischen Kultur und Kunst auch die Technik, die Formen und den Ornamentbestand unserer boden-ständigen Töpferei. Als Bindeglied zwischen Antike und Mittelalter hat sie das Symbolhafte der antiken Kunst wiederbelebt und ist in die Volkskunst der zu ih-rem Einfl ußbereich gehörenden Länder und Völker in Siebenbürgen erst im �4. und �5. Jahrhundert eingedrungen und von ihr integriert worden, Selbst durch den Verfall und Untergang des byzantinischen Reiches (�453) hat sie wenig an schöpferischer Kraft verloren, so daß wir ihr Nachwirken noch in den Symbol-motiven des �9. und �0. Jahrhunderts beobachten können.

Diese komplizierte Verfl echtung bodenständiger, auf die dakische und römi-sche Keramik zurückgehender Traditionen mit zahlreichen äußeren Einfl üssen bildete die Grundlage des rumänischen Töpferhandwerks.

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Im ��. Jahrhundert siedelten sich Ungarn und Sekler, und im ��. Jahrhun-dert die Sachsen in Siebenbürgen an. Ob unter den ersten Ansiedlern auch Töp-fer waren, ist nicht überliefert, doch für die deutschen Einwanderer anzuneh-men.

Nach dem Mongolensturm von ��4�-��4� kamen in die fast entvölker-ten Gebiete neue deutsche Ansiedler, die aus dem Westen die Organisation der Zünfte mitbrachten, was die Entwicklung des Töpferhandwerks auf Jahrhunder-te hinaus in Siebenbürgen bestimmen sollte.

Anfang des �4. Jahrhunderts bestanden die Zunftordnungen aus mündli-chen oder schriftlichen Vereinbarungen der Töpfer, die sich auf die Produktion einer bestimmten Siedlung oder eines Siedlungsgebietes beschränkten und für die Vertragspartner bindend waren. Die Regulation der sächsischen Zünfte aus dem Jahr �376 bestätigt ein organisiertes Töpferhandwerk bei den Siebenbür-ger Sachsen in Hemannstadt, Schäßburg, Broos und Mühlbach auch vor die-sem Zeitpunkt, da darin erwähnt wird, daß „viele Bestimmungen unserer Hand-werker und alte Gewohnheit vermehrt, schlechte beseitigt“ werden müssen. Die Aufnahme in die Zunft wurde erleichtert und der Zuzug von Handwerkern in den Städten begünstigt. Ein aus der Fremde zugewanderter Töpfermeister muß-te nicht mehr, wie vor der Regulation, einen Nachweis seiner Unbescholtenheit erbringen, und vom Land in die Stadt zugewanderten Töpfer zahlten für den „Kauf der Zunft“ den halben Kaufpreis.

Fast zwei Jahrhunderte später, Anfang des �6. Jahrhunderts, mußten die Sat-zungen der Töpferordnung den neuen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegebenheiten angepaßt werden. Hermannstadt war inzwischen infolge der poli-tischen Vereinigung aller sächsischen Provinzen Sitz der Nationsuniversität und, einige Jahrzehnte darauf, der Zunftunion geworden. �539 bestätigt die Nations-universität, nach eingehendem Studium der eingebürgerten Gewohnheiten, eine neue Töpferordnung. Zu allgemeinen, teilweise noch aus dem �4. Jahrhundert gültigen Bestimmungen kommen neue hinzu, die sich im wesentlichen auf die Berufsausbildung sowie die Arbeitsnormen der Gesellen beziehen und dem Mei-ster und seiner Familie in Ausnahmefällen soziale Begünstigung sichern.

Zum ersten Mal wird in der Töpferordnung von �539 für das Töpferhand-werk der Zunftzwang ausgesprochen. Wenn der Meister über Geldmittel ver-fügte, aber trotzdem nicht der Zunft beitrat, sollte man ihm „das Handwerk sperren“. In den Dörfern, wo bis �539 noch keine Zünfte bestanden, wurde das Töpferhandwerk auch von „Rieplern“ und „Störern“ ausgeübt. („Riepler“, „Pfu-scher“ oder „Hudler“ haben das Handwerk nicht rechtlich nach Zunftordnung erlernt - „rippeln“ bedeutet ein unfachmännisches Aufdrehen auf der Töpfer-scheibe, wobei die Gefäßwand wellig wird. „Störer“ haben ihr Handwerk zwar ordnungsgemäß erlernt, gehören aber nicht der Zunft an.) Im �6. Jahrhundert begannen die Töpferzünfte gegen diese unerwünschte Konkurrenz einen organi-sierten Kampf, der praktisch bis zum Auflösen der Zünfte - gegen Ende des�9. Jahrhunderts und der darauffolgenden Gewerbefreiheit andauerte und mit dem Sieg der „Nichtzünftigen“ endete.

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Zunftzwang und gesteigerte Anforderungen an die Gesellen veranlaßten die Hermannstädter Töpfermeister, den alten Zunftartikeln immer neue hinzuzufü-gen. So entstanden die Töpferordnungen von �670 und �776, die von der Na-tionsuniversität bestätigt wurden und somit für alle siebenbürgisch-sächsischen Zünfte Rechtskraft hatten.

Nach dem Vorbild der sächsischen Zünfte schlossen sich auch ungarische Töpfer in Gilden zusammen. Dem Altmeister (atyamester) der Zunft standen z.B. in Salzburg bei Hermannstadt der Schaumeister (latomester) und der Sekre-tär bei der Erledigung von Verwaltungsarbeiten zur Seite. Die Zunftordnungen enthalten, wie auch bei den sächsischen Zünften, Bestimmungen, die einerseits Rechte und Pfl ichten der Mitglieder festlegten und andererseits die Beziehungen zwischen Meister, Gesellen und Lehrjungen regelten.

Die Zunftdokumente aus dem �4. bis einschließlich �9, Jahrhundert liefern aufschlußreiche Daten über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Sie-benbürgen. Wenn die Aufnahme in die Zunft im �4. Jahrhundert nur von einem materiellen Beitrag abhängig war, wenn im �6. Jahrhundert, einer Zeit religiöser Spannungen, unter den Aufnahmebedingungen die Frömmigkeit betont wurde, hingegen im �8. Jahrhundert, einer Epoche tiefgehender sozialer Widersprüche, der Meister freier Herkunft sein mußte, und wenn Ende des �9. und Anfang des �0. Jahrhunderts vom Gewerbetreibenden bloß eine Werkstatt und Unter-nehmungsgeist gefordert wurde, so sind dies lauter Beweise dafür, daß die wirt-schaftlichen und sozial-politischen Probleme in jedem Zeitabschnitt auch die Entwicklung des Handwerks bestimmten.

Im �5. und �6. Jahrhundert wurden die rumänischen Handwerker durch den Umstand in ihrer Entwicklung behindert, daß Materialbeschaff ung und Absatz-gebiete im sächsischen Siedlungsgebiet Monopole waren. Schwierigkeiten bei der Beschaff ung von Farbstoff en zum Bemalen der Gefäße und für die Glasurbe-reitung trugen dazu bei, daß die rumänischen Töpfer traditionsgemäß unglasier-te Ware erzeugten und an den alten Formen festhielten.

Zahlreiche Zunft- und Magistratsdokumente bestätigen das konkurrenzfähi-ge Wirken rumänischer, ungarischer und sächsischer nichtzünftiger Töpfer. Ge-gen sie wurden Maßnahmen getroff en , um den Absatz ihrer Waren zu behin-dern. Im Burzenland wurden �564 „walachische Töpfer“ aus Zărneşti, Tohan und Rosenau erwähnt, denen die Ausübung ihres Gewerbes verboten werden sollte. Diese und ähnliche Verfügungen konnte der Rat der Stadt jedoch schwer-lich durchführen, was durch das Weiterbestehen des rumänischen Töpferhand-werks in den erwähnten Dörfern bewiesen wird. (Für �859 sind in Tohanul Nou 5� Töpfer bestätigt.) Ja, man war sogar gezwungen, verschiedene Zugeständnisse zu machen. So wurde beispielsweise dem Tohaner Töpfer Micul Bucur im Jahre �6l9 dessen „Gewohnheitsrecht“ auf Lebenszeit urkundlich bestätigt, „monat-lich ein Fuder Dopen (Deppen = Töpfe) auf Croner Markt zu bringen“. Den rumänischen Töpfern aus Porumbacul (bei Fogarasch) kann, wie aus einem Do-kument des Jahres �6�9 hervorgeht, die Versorgung mit Kaolin aus Neustadt nicht untersagt werden.

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Auch in Porumbacu de Sus, Cârţişoara, Noul Român und anderen rumäni-schen Ortschaften um Fogarasch wurde das Töpferhandwerk ausgeübt. Obwohl Anfang des �9. Jahrhunderts die als Fachkräfte der Glaserzeugung nach Sieben-bürgen gerufenen österreichischen Einwanderer in Cârţişoara eigene Brennöfen aufstellten und sich als Töpfer betätigten, wurde hier doch auch die traditionel-le Keramik der vorhergehenden Jahrhunderte weiter hergestellt. Desgleichen in Noul Român, wo von einem Gutsherrn angestellte Sekler Töpfer arbeiteten und die Gemeinden des Alttals zwischen Talmesch und Fogarasch mit Ware versorg-ten.

In den Gebieten der rumänischen Grenzregimenter hatten die Bestimmun-gen der Zunftordnung keine Geltung. Infolgedessen entwickelten sich hier star-ke rumänische Töpferzentren, die ihre Ware in die benachbarten Gebiete, in einigen Fällen weit über die Grenzen Siebenbürgens hinaus, ausführten. Zu die-sen Töpferzentren gehört beispielsweise das Bârgăutal, dessen Produktion im �8. und �9. Jahrhundert bedeutend war.

In Hatzeg vereinigten sich rumänische Töpfer �777 zu einer Zunft („Societa-tea olarilor din Haţeg“), deren Statuten leider nicht bekannt sind. Die Zunftfah-ne blieb jedoch erhalten und wird im Brukenthalmuseum aufbewahrt.

Ob nun am Oberlauf des Mieresch bei Topliţa oder am Mittellauf des Alt zwischen Fogarasch und Talmesch, ob im Lăpuş- und Bihorgebirge oder in der Umgebung von Hatzeg, ob im Burzenland, im Mühlbachtal oder Bârgăutal - überall fand die rumänische Gebrauchskeramik Abnehmer und wurde auch von der ungarischen und sächsischen Bevölkerung ihrer Güte und ihres günstigen Preises wegen gern gekauft. In Baia Mare, Klausenburg, Thorenburg, Fogarasch und später, im �9. Jahrhundert, in Hermannstadt und in vielen anderen Städten Siebenbürgens, waren außer ungarischen und sächsischen auch eine große An-zahl rumänischer Töpfer an der Herstellung von Hafnerwaren beteiligt.

Das Zusammenleben von Rumänen, Ungarn, Seklern und Sachsen hatte im �7., �8. und �9. Jahrhundert selbstverständlich auch eine gegenseitige Beein-flussung zur Folge. Die rumänischen Töpfer übernahmen in einigen Zentren des sächsischen Siedlungsgebietes zugleich mit einer neuen Arbeitsweise (z.B. Glasieren) auch neue Formen und den entsprechenden Dekor (Pflanzen- und Vogelmotive sowie Darstellungen von Menschen mit mythisch-symbolischem Gehalt.) Aus dem �6. und �7. Jahrhundert sind zahlreiche unglasierte Kacheln erhalten geblieben, deren kyrillische Inschriften auf rumänische Töpfer schließen lassen. So befindet sich zum Beispiel in der Sammlung Slătineanu eine rechtek-kige unglasierte Kachel mit einem Pelikan, der sich die Brust aufreißt, um seine drei Jungen mit dem eigenen Blut zu nähren. Diese im Süden Siebenbürgens ge-fundene Kachel weist die Jahreszahl �58� und in kyrillischen Buchstaben den Namen „Oprea“ auf. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob sich der Name auf den Töpfer bezieht oder auf den Holzschnitzer, der die Schablone angefertigt hatte.

Glasierte Zierkeramik mit weißer Engobe (Anguß mit einer erdhaltigen Un-terglasurfarbe) und blauen Ornamenten, in Tohan oder Fogarasch von rumäni-schen Töpfern hergestellt, wurde in Form und Ornamentik den Bedürfnissen

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der sächsischen Bevölkerung angepaßt, behielt aber charakteristische Wesenszü-ge des rumänischen Dekors.

Obwohl das �8. Jahrhundert eine Blütezeit der Keramik war, hatten die Töp-fer in Siebenbürgen vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet eine schwere Lage. Während die Industrie vieler Länder fortschritt, kam es hier zu einem Still-stand oder gar Rückgang des schon im �7. Jahrhunderts lahmen Binnen- und Außenhandels, was den Verfall des Handwerks und die Verarmung der Hand-werker zur Folge hatte. Ausfuhrbeschränkungen, ausländische und einheimische Konkurrenz, der Krieg zwischen Österreich und der Türkei, die Pestseuchen von �738 und �755 behinderten auch die berufl iche Ausbildung, lockerten die straf-fe Disziplin der Zünfte und machten besonders die sächsischen konkurrenzun-fähig.

Das �9. Jahrhunderts bringt für das Töpferhandwerk Siebenbürgens einen Niedergang. Glas-, Metall- und Porzellangefäße verdrängen die irdenen immer mehr. Die Verdienstmöglichkeiten der Gesellen gehen zurück. Ihr Wochenlohn unterscheidet sich zwar von Ort zu Ort, liegt aber überall unter dem der anderen Handwerker. Ein Vergleich des Wochenlohns der Gesellen von 39 verschiedenen Gewerbezweigen ergibt, daß der des Töpfergesellen erst an 30. Stelle einzuord-nen ist.

Die demokratischen Freiheitsideen des Jahres �848, die provisorischen Han-dels- und Gewerbeeinrichtungen von �85� hatten die längst überlebten Töp-ferstatuten wirkungslos werden lassen, so daß die Aufl ösung der Zünfte durch das Gewerbegesetz von �87� nur noch eine Formalität war. Man verzichtete damit ohne große Trauer auf eine Institution, deren Werdegang eng mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Siebenbürgens verknüpft war, sich aber schon im l8., vor allem aber im �9. Jahrhundert hemmend auf die Wirt-schaftsentwicklung ausgewirrkt hatte.

Nur auf dem Adelsboden von Batiz, wo Zunftdokumente keine Macht hat-ten, gelang es zwischen �805 und �865 eine Steingutmanufaktur zu einer Fabrik auszubauen, die weit über die Grenzen Siebenbürgens bekannt geworden ist. Eingewanderte Fachleute verstanden es, aus den Reihen der leibeigenen rumä-nischen Bevölkerung in kurzer Zeit qualifi zierte Arbeiter heranzubilden. Batizer Steingutgeschirr verdrängte das irdene und war, bis zum Aufkommen des Porzel-lans, in wohlhabenden Häusern äußerst begehrt.

Natürlich starb das Töpferhandwerk nach Aufkommen des Steingutgeschirrs und nach Aufl ösung der Zünfte nicht. Zahlreiche Gewerbe- und Kunstgewer-beausstellungen in Siebenbürgen zeugen von der Tätigkeit mancher Töpfer, die in den Ausstellungsprotokollen namentlich überliefert sind. Die noch vorhan-denen Töpfer nutzten die Gewerbefreiheit, vereinigten sich entweder in Genos-senschaften oder töpferten auf eigene Faust nach den Bestimmungen des Gewer-begesetzes von �87�. Die soziale Stellung des Töpfermeisters aber bewirkte ein Abwandern in andere Handwerke oder in die aufstrebende Industrie. Nach und nach ging eine Werkstatt nach der anderen ein. Die neue Zeit mit ihren neuen Bedürfnissen ließ dem Töpferhandwerk wenig Überlebenschancen. Erst das �0.

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Jahrhundert mit seiner bewußten Wertschätzung der Volkskunst und des Kunst-handwerks läßt dieses Gewerbe örtlich neu erblühen. Es hat in den letzten Jahr-zehnten nicht an Versuchen gefehlt, viele der alten Töpferzentren neu zu bele-ben. Der Erfolg dieser Bemühungen kann jedoch erst in der Zukunft bewertet werden.