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ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd
HERAuSFORdERuNGEN FüR mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN
>> PERSPECTivES Magazin.
zukunft der chemischen und pharmazeutischen Wertschöpfung in Deutschland
ausgabe 1/2012
Standortbetrieb. Site ServiceS. energien. entSorgung. LogiStik.
>> Ihr StandortVorteIl:UnSere energie.ob Strom oder erdgas, Kälte, dampf oder Wasser: Profitieren Sie schon heute von unseren
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unter „infraserviced“ verstehen. www.infraserv.com
energie_210x297.indd 1 11.07.12 16:41
perspectives magazin>> iNHALT uNd imPRESSum 3
Herausgeber
infraserv GmbH & Co Höchst KG
www.infraserv.com/perspectives
Redaktion
michael müller, infraserv Höchst
dr. michael Kibler
Pützerstr. 6a
64287 darmstadt
Produktion
WiLEY-vCH verlag GmbH & Co. KGaA
GiT vERLAG
boschstr. 12
69469 Weinheim
Tel.: 06201/606-730
Produktmanager: Thorsten Kritzer
druck: Frotscher druck, darmstadt
Titelbild: © Thomas barwick/gettyimages.com
grund-Layout
RTS Rieger Team
bunsenstr. 7–9
70771 Leinfelden-Echterdingen
V.i.S.d.P.:Andreas Konert
infraserv GmbH & Co Höchst KG
industriepark Höchst,
65926 Frankfurt
>> Editorial 04
>> vorwort 05
>> Perspektiven, Schlaglichter, meinungen, Thesen 06
ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd
>> RESEARCH PERSPECTivE _Change ahead 07
>> buSiNESS PERSPECTivE _Wachstum in zwei Geschwindigkeiten 11
>> FiNANCiAL mARKET PERSPECTivE _Kampf der imperien 13
>> iNSTiTuTiONAL PERSPECTivE _im visier: deutsche industrieparks 16
>> COmbiNiNG PERSPECTivES _Gute basis für eine erfolgreiche Zukunft 17
>> HR SPOTLiGHT _Qualifizierter Nachwuchs wird knapp 18
HERAuSFORdERuNGEN FüR mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN
>> mANAGiNG iNNOvATiON _von der Forschung zur marktreife 20
>> mANAGiNG SiTE RELOCATiON _Jahrhundertprojekt „TiGer Relocation“ 21
>> mANAGiNG SuSTAiNAbLE dEvELOPmENT _mache Nachhaltigkeit zu deinem Geschäftsmodell! 22
>> SuSTAiNAbiLiTY SPOTLiGHT _Nachhaltigkeit als Tagesgeschäft 23
>> mANAGiNG THE ENERGY SHiFT _Effizienz sichert Wettbewerbsfähigkeit 24
>> ENERGY SPOTLiGHT _der industriepark Höchst ist energieautark 25
>> COmbiNiNG PERSPECTivES _Professioneller Standortbetrieb schafft Standortvorteile 26
impressum
perspectives magazin>> EdiTORiAL4
>> CHANCEN duRCH CLuSteR uNd KooPeRationenChemie- und Pharmabranche und ihre Rolle für den Standort Deutschland
die Chemie- und Pharmaindustrie gehört zu den stabilen Säulen des Wirtschafts-
standortes deutschland. Zwar entwickelt sich die Chemieindustrie im asiatischen
Raum deutlich dynamischer als in Europa, doch deutschland und Europa haben
in verschiedenen marktsegmenten eine gefestigte Wettbewerbsposition. die
Pharmaindustrie gehört ohne Zweifel zu den Zukunftsbranchen in deutschland.
Kaum ein anderer industriebereich in deutschland ist ähnlich innovativ, betreibt
vergleichbare Anstrengungen in den bereichen Forschung und Entwicklung,
investiert in die vorhandenen Produktionskapazitäten und ist im Weltmarkt so gut
aufgestellt wie die Pharmaunternehmen.
und doch stehen die branchen vor großen Herausforderungen. die Finanz-
krise hat klar gezeigt, wie wichtig die industrie für den Wirtschaftsstandort
deutschland ist, aber auch, wie sensibel einzelne unternehmen oder Wirtschafts-
zweige auf die Entwicklungen der Finanzmärkte reagieren. die Energiewende ist
in deutschland längst nicht nur ein wirtschaftspolitisches Thema, doch alle regu-
latorischen veränderungen im bereich der Energiepolitik wirken sich unmittelbar
auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher unternehmen im globalen marktumfeld
aus. die demografische Entwicklung wird Arbeitswelten verändern. Auch industrie-
unternehmen müssen beim Kampf um die fähigsten Köpfe, um die hochquali fizierten
und besonders leistungsfähigen Nachwuchskräfte kreativer, kommunikativer und
attraktiver werden. und Nachhaltigkeit ist weitaus mehr als nur ein modebegriff
– bei zukunftsfähigen unternehmen wird die kontinuierliche Abwägung ökono-
mischer, ökologischer und sozialer Aspekte bei allen Aktivitäten an bedeutung
gewinnen und zunehmend fester bestandteil des Tagesgeschäftes werden.
Zukunftsorientierte branchen und unternehmen tun gut daran, Cluster zu bilden
und gerade bei zentralen Zukunftsthemen gemeinsame Strategien zu entwickeln.
dies gilt für bereiche wie die Aus- und Weiterbildung: Hier müssen unternehmen
zwar eigene Wege bei der Personalentwicklung gehen, aber ganze branchen
haben ein großes interesse daran, gemeinsam bei jungen menschen für die ei-
genen Ausbildungsberufe zu werben und beispielsweise die duale Ausbildung
als wesentliches Standbein für die Qualifizierung von Fachkräften zu erhalten.
dies gilt auch für unternehmens- oder branchenübergreifende innovations prozesse,
durch die der Standort deutschland seine Stellung im globalen Wettbewerb
stärken kann. Auch die bildung von verbundstrukturen beim betrieb von
Forschungs- und Produktions standorten stellt eine möglichkeit dar, die inter-
nationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Gemeinsame infrastrukturen können
einen wesentlichen beitrag dazu leisten, Effizienz und Kostenstrukturen zu
verbessern, umweltauswirkungen zu reduzieren und langfristig erfolgreich im
Wettbewerb zu sein.
die industrielandschaft in deutschland wird sich weiter verändern, und das
Tempo, in dem sich der Transformationsprozess in unternehmen und branchen
vollzieht, wird zunehmen. die Chemie- und Pharmaindustrie wird langfristig er-
folgreich sein, wenn sie diesen Prozess aktiv vorantreibt und durch Cluster sowie
Kooperationen gemeinsame Stärken entwickelt, die den Wirtschaftsstandort
deutschland insgesamt weiter nach vorn bringen.
PRof. DR. MiCHaeL HütHeR
diREKTOR dES iNSTiTuTS dER
dEuTSCHEN WiRTSCHAFT KöLN
perspectives magazin>> vORWORT 5
JüRgen VoRMann
vORSiTZENdER dER GESCHäFTSFüHRuNG
iNFRASERv HöCHST
DR. RoLanD MoHR
GESCHäFTSFüHRER
iNFRASERv HöCHST
DR. MiCHaeL ReuboLD
CHEFREdAKTEuR
CHEmANAGER
tHoRSten KRitzeR
SEGmENT mANAGER
CHEmANAGER
um möglichst viel über ein Thema zu erfahren, ist es empfehlenswert, es aus
unterschiedlichen blickwinkeln zu betrachten. Wenn sich trotz oder gerade wegen
unterschiedlicher Ausgangspunkte Parallelen oder Kontroversen ergeben, ist dies
in aller Regel für die bewertung eines Sachverhaltes sehr hilfreich. der Titel
>> PERSPECTivES 2012 war daher keineswegs zufällig gewählt.
die Zukunft der Chemie- und Pharmaindustrie in deutschland wurde aus
ganz verschiedenen Positionen heraus betrachtet. die branche steht vor großen
Herausforderungen, da Themen wie die Finanzkrise und die Energiewende, aber
auch der Fachkräftemangel und technologische Neuerungen einen permanenten
Transformationsprozess mit sich bringen.
die >> PERSPECTivES 2012 zeigte im Rahmen der ACHEmA 2012 auf, wie
erfolgreiche unternehmen heute mit diesen Anforderungen umgehen und welche
für die gesamte branche relevanten Entwicklungen zu erwarten sind. der Per-
spectives-Gedanke lebt weiter und Sie können sich darauf freuen, dass wir auch
in Zukunft an dem Anspruch festhalten werden, Akzente für den Chemie- und
Pharmastandort deutschland zu setzen.
Wir wünschen ihnen eine erkenntnisreiche, anregende Lektüre.
JüRgen VoRMann
DR. RoLanD MoHR
Sie halten die erste Ausgabe des >> PERSPECTivES mAGAZiN in ihren Händen.
Es ist die journalistisch aufbereitete Zusammenfassung der veranstaltung
>> PERSPECTivES 2012, die anlässlich der ACHEmA 2012 in Kooperation mit
infraserv Höchst und der branchenzeitung CHEmanager in Frankfurt stattfand.
Ziel war es, Perspektiven, Schlaglichter, meinungen und Thesen zur Zukunft
des Chemie- und Pharmastandortes deutschland aufzuzeigen und impulse für
eine erfolgreiche Gestaltung des Standortes zu liefern.
Ein Kongresstag geht schnell vorüber, nach der ACHEmA hat uns alle das
Tagesgeschäft rasch wieder eingeholt. das >> PERSPECTivES mAGAZiN gibt
ihnen Gelegenheit, die Themen noch einmal zu reflektieren und mit etwas Abstand,
vielleicht auch mit etwas mehr Ruhe, aus unterschiedlichen blickwinkeln zu
betrachten.
An dieser Stelle bedanken wir uns ganz herzlich bei den Teilnehmern und
Referenten der >> PERSPECTivES 2012 für die informativen vorträge und die
spannenden diskussionen. und natürlich bei infraserv Höchst für diese initiative,
die ein großes inhaltliches Spektrum und viele interessante Anregungen bietet –
und letztlich ein großes Engagement für den Standort deutschland darstellt.
Wir wünschen ihnen nun ein informatives und spannendes Leseerlebnis bei der
ersten Ausgabe des >> PERSPECTivES mAGAZiN.
DR. MiCHaeL ReuboLD
tHoRSten KRitzeR
>> LiEbE LESERiNNEN, LiEbE LESER,
perspectives magazin6 >> PERSPEKTivEN, SCHLAGLiCHTER, mEiNuNGEN, THESEN
>> PeRSPeKtiVen, SCHLAGLiCHTER, mEiNuNGEN, THESENDie experten auf der >> PeRSPeCtiVeS 2012 hatten etwas zu sagen:
DR. uDo Jung
mANAGiNG diRECTOR vON
bOSTON CONSuLTiNG GROuP
JüRgen VoRMann
vORSiTZENdER dER GESCHäFTSFüHRuNG
vON iNFRASERv HöCHST
„im ASiEN-PAZiFiK-RAum LiEGEN diE AuFSTREbENdEN
mäRKTE! ES iST NuR NiCHT SiCHER, Ob dAS JEdER
SCHON vERiNNERLiCHT uNd iN SEiNEm
GESCHäFTSmOdELL umGESETZT HAT.“
„diE ENERGiEWENdE iST AuF LANGE SiCHT EiNE
RiESENCHANCE FüR diE dEuTSCHE CHEmiSCHE uNd
PHARmAZEuTiSCHE iNduSTRiE – KuRZFRiSTiG iST SiE EiNE
ECHTE HERAuSFORdERuNG.“
WWW.iNFRASERv.COm/PERSPECTivES
DR. aLexanDeR KeLLeR
PARTNER im bERATuNGSHAuS
ROLANd bERGER STRATEGY CONSuLTANTS
ALLE iNHALTE Zu dEN vORTRäGEN ERHALTEN
SiE HiER!
„OPTimiERuNG uNd KOOPERATiON SiNd
ZWEi SEiTEN dERSELbEN mEdAiLLE.“
DR. uLRiCH ott
GESCHäFTSFüHRER dER CLARiANT
vERWALTuNGSGESELLSCHAFT uNd
dER CLARiANT PROduKTE
PRof. DR. HanneS utiKaL
HOCHSCHuLLEiTuNG dER
PROvAdiS SCHOOL OF iNTERNATiONAL
mANAGEmENT ANd TECHNOLOGY
„F&E WANdELT GELd iN WiSSEN – uNd
iNNOvATiONEN mACHEN AuS WiSSEN WiEdER
GEWiNNE FüR dAS uNTERNEHmEN.“
„diE CHEmiE- uNd PHARmAiNduSTRiE duRCHLäuFT
EiNEN TiEFGREiFENdEN TRANSFORmATiONSPROZESS – ZuR
SiCHERSTELLuNG dER WETTbEWERbSFäHiGKEiT iST diE
PASSGENAuE miTARbEiTERQuALiFiKATiON ENTSCHEidENd.“
DR. RoLanD MoHR
GESCHäFTSFüHRER vON
iNFRASERv HöCHST
MaRC SCHMitz
miTEiGNER dER CORPORATE FiNANCE bOuTiQuE
bERGmANN ZuR HAuSEN & CiE.
„diE CHAmPiONS vON mORGEN
HALTEN SCHON HEuTE KuRS iN RiCHTuNG
NACHHALTiGKEiT.“
„diE KONSOLidiERuNG dER CHEmiSCHEN
iNduSTRiE WiRd EiNEN KAmPF um diE bESTEN
uNTERNEHmEN AuSLöSEN.“
aRno RoCKMann
SiTE diRECTOR vON CELANESE
Am iNduSTRiEPARK HöCHST
DR. JoaCHiM WaLDi
GESCHäFTSFüHRER dER CuRRENTA uNd
vORSiTZENdER dER FACH vEREiNiGuNG CHEmiEPARKS im
vERbANd dER CHEmiSCHEN iNduSTRiE (vCi)
„diE PROduKTiONSvERLAGERuNG vON
KELSTERbACH iN dEN iNduSTRiEPARK HöCHST
WAR EiN ‚JAHRHuNdERTPROJEKT‘.“
„dEuTSCHE iNduSTRiEPARKS
SiNd ATTRAKTiv FüR AuSLäNdiSCHE
iNvESTOREN.“
perspectives magazin 7
PRof. DR. HanneS utiKaL
HOCHSCHuLLEiTuNG dER PROvAdiS SCHOOL
OF iNTERNATiONAL mANAGEmENT ANd
TECHNOLOGY
>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – RESEARCH PERSPECTivE
„aus der Vergangenheit kann jeder lernen. Heute kommt es darauf
an, aus der zukunft zu lernen“ – ein Satz des amerikanischen zu-
kunftsforschers Herman Kahn (1922–1983), der auch nach Jahrzehn-
ten als Leitbild für jedes wachstumsorientierte unternehmen dienen
kann. Denn wachstumsorientierte unternehmen können nicht nur
reaktiv den Veränderungen von Märkten, technologien und Rahmen-
bedingungen Rechnung tragen, sondern sollten die eigene Strategie
auf zukünftige Chancen ausrichten und einen kontinuierlichen trans-
formationsprozess zielgerichtet steuern. Doch wie gehen unternehmen
mit dieser Herausforderung um? Welche auswirkungen werden die
sogenannten Megatrends, also schon heute absehbare entwicklungen
wie beispielsweise der demografische Wandel, auf die industrielle
Wertschöpfung haben? Die aktuelle Studie der Provadis School of
international Management and technology zum thema „Die zukunft
der chemischen und pharmazeutischen industrie in Deutschland: im-
plikationen der Megatrends für die Konfiguration der Wertschöpfungs-
kette“ hat diese fragen untersucht. Die Studie wurde von infraserv
Höchst initiiert und in Kooperation mit dem „rhein-main-cluster
chemie & pharma“ – gefördert durch die eu – durchgeführt.
explorative untersuchung: fallstudien
Prof. dr. Hannes utikal und Raphael Kunz, diplom-Wirtschaftsingenieur von der
Provadis-Hochschule, wählten bewusst einen explorativen Ansatz. die vertreter
der unternehmen, mit denen ein umfangreicher Fragenkatalog erörtert wurde,
gaben keine volkswirtschaftlichen Prognosen ab, sondern beschäftigten sich sehr
konkret mit den betrieblichen Auswirkungen einzelner megatrends. „mit der Stu-
die wollen wir erfahren, wie die unternehmen die Relevanz einzelner megatrends
für ihr eigenes unternehmen einschätzen“, erläutert Prof. utikal. „Wir wollten
wissen, wie relevant die verschiedenen megatrends im Jahr 2012, im Jahr 2020
und im Jahr 2030 eingestuft werden und durch welche unternehmerischen Akti-
vitäten sich die unternehmen auf diese Trends einrichten. die untersuchung
erfolgt in fünf Segmenten der Chemie- und Pharmaindustrie: basischemie, Kunst-
stoffe, Agro-, Fein- und Spezialchemikalien sowie Pharmabereich. dabei wurden
verschiedene Themenfelder beleuchtet. die Fragen bezogen sich auf die Relevanz
eines megatrends, die Auswirkungen auf das Geschäft, die Organisation der
Wertschöpfung, die Auswirkungen auf unternehmensstandorte sowie die Not-
wendigkeit zur Transformation. Zu diesen einzelnen Fragestellungen wurden die
Experten interviewt. daneben werteten die Provadis-Wissenschaftler die unter-
schiedlichsten branchendaten und unternehmensveröffentlichungen aus, die
ergänzend zu den Antworten der interviewpartner analysiert wurden und in die
Gesamtbewertung einflossen.
Wachstum der zwei geschwindigkeiten
in bezug auf die Wachstumsperspektiven der Chemie- und Pharmaindustrie ergibt
sich ein klares bild: die branche wird in den nächsten Jahren wachsen, wobei die
deutsche und europäische Chemieindustrie bei den Wachstumsraten nicht mit
der dynamik der asiatischen märkte mithalten kann – hier werden bis 2015 mehr
als zehn Prozent Wachstum im vergleich zum Stand von 2010 erwartet, Europa
kommt im gleichen Zeitraum auf weniger als vier Prozent. Auch auf lange Sicht
wird sich am Wachstum der zwei Geschwindigkeiten nicht viel ändern: bis 2030
rechnen die verschiedenen Studien für deutschland mit gut zwei Prozent Wachs-
tum pro Jahr. Größere Wachstumspotenziale werden für die anspruchsvollen
Spezialchemikalien und einige Kunststoffchemikalien gesehen.
Auch das innovationspotenzial der branche wurde beleuchtet: dabei be-
schreiben die unternehmensvertreter der Chemieindustrie, dass als innovations-
treiber in ihrem Geschäft stärker die Entwicklung neuer Problem lösungen auf der
basis bekannter moleküle und verfahren oder die Nutzung von Erkenntnissen
aus anderen disziplinen als der Chemie im vordergrund stehen. die Entwicklung
von „Sprunginnovationen“ wird in der Chemie vielfach nicht erwartet. Anders stellt
sich der Pharmabereich dar: innovationstreiber ist hier typischerweise die For-
schung, nicht die Anpassungsentwicklung. mit der biotechnologie gibt es hier
einen innovationstreiber, der völlig neue Technologiefelder entstehen ließ, was
eine dynamische Entwicklung der branche zur Folge hatte.
insgesamt wurde die Einschätzung zu sieben megatrends mit unterschiedli-
chen differenzierungen abgefragt, wobei sich in den fünf branchensegmenten
zum Teil unterschiedliche Einschätzungen ergaben. drei Themenfelder treiben
die unternehmen im besonderen um: die Globalisierung in ihren unterschiedlichs-
ten Facetten, die Frage der Sicherung von innovationsvorsprüngen sowie das
Themenfeld Produktivität.
globalisierung mit verschiedenen facetten
bei der Frage nach der Relevanz einzelner megatrends für die unternehmen
landete die Globalisierung mit dem Zusatz „lokale und regionale Anpassung von
Strategien“ klar auf Platz eins. „überraschend war hier der deutliche Abstand zu
anderen Themen, denn die unternehmen sind heute schon international aufgestellt
und die Globalisierung ist längst Teil des Tagesgeschäftes“, so Prof. utikal. doch
die branchenexperten gehen davon aus, dass die Entwicklung immer stärker
dahin gehen wird, globale Strategien zu entwickeln und diese für regionale
märkte oder Rahmenbedingungen anzupassen. „Konkret bedeutet dies beispiels-
weise, dass sich die Hersteller von Spezialchemikalien oder Spezialkunststoffen
auf bestimmte Schwerpunktthemen konzentrieren, von denen sich die unterneh-
men im globalen Wettbewerb die besten Erfolgsaussichten versprechen, um die
Produkte dann für die Erfordernisse des jeweiligen lokalen oder regionalen mark-
tes zu modifizieren“, erläutert Prof. utikal. dieser Trend wird sich nach Ansicht
der befragten Experten gegenüber einer unternehmenspolitik durchsetzen, bei
der die Landes- oder Kontinentalgesellschaften eines unternehmens eigene Pro-
dukt- und Entwicklungsstrategien verfolgen. da das Wachstum insbesondere im
asiatischen Raum stattfinden wird, sehen viele unternehmensvertreter als
megatrend den weiteren „Shift to Asia“. „Wir müssen keinen Exodus der euro-
„GLObALiSiERuNG iST LäNGST TEiL dES TAGESGESCHäFTES.“
>> CHange aHeaD – diE ZuKuNFT dER CHEmiSCHEN uNd PHARmAZEuTiSCHEN iNduSTRiEaktuelle Studie der Provadis Hochschule untersucht die auswirkungen aktueller Megatrends aus Sicht der unternehmen
perspectives magazin8 >> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – RESEARCH PERSPECTivE
päischen Pharma- und Chemieindustrie befürchten, aber auf absehbare Zeit wird
die deutlich dynamischere Entwicklung der asiatischen märkte zur Folge haben,
dass unternehmensaktivitäten verstärkt in dieser Region stattfinden“, so
Prof. utikal.
innovation
Eine große Chance für die unternehmen liegt in der weiteren innovation – interes-
sant ist hier, wie unterschiedlich die branchensegmente die möglichkeit bei der
„öffnung des innovationsprozesses“ einschätzen. Während traditionell vielfach
die innovation vorrangig im eigenen Haus innerhalb einer einzelnen disziplin erzielt
wurde, gibt es nun immer mehr versuche, unternehmensübergreifend innovati-
onsprozesse in Kooperation mit den Kunden oder mit komplementären Partnern
zu gestalten. Hersteller von Spezialkunststoffen kooperieren direkt mit den
Automobilherstellern, Hersteller von vorprodukten für druckfarben arbeiten direkt
mit der druck- und Papier industrie zusammen. da im Pharmabereich die „perso-
nalisierte medizin“ an bedeutung gewinnen wird, also die individuelle, speziell auf
den Patienten abgestimmte Zusammenstellung von Wirkstoffen, benötigt die
branche völlig neue Kompetenzen im iT-bereich, denn die erfolgreiche umsetzung
von Strategien im bereich der „personalisierten medizin“ basiert auf dem umgang
mit großen datenmengen. „derartige branchenübergreifende Kooperationen
werden stark an bedeutung gewinnen“, prophezeit Prof. utikal. dabei hängt der
Erfolg einer solchen Zusammenarbeit nicht allein an der bereitschaft von unter-
nehmen, derartige verbindungen einzugehen. vielmehr muss auch bei den mit-
arbeitern die Fähigkeit zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit vorhanden sein.
„Chemiker und iT-Experten sprechen nicht zwangsläufig die gleiche Sprache.
branchenübergreifende Kooperationen können nur erfolgreich sein, wenn die
Personalstrategie eines unternehmens frühzeitig die Weichen für derartige inter-
disziplinäre Projekte stellt und mitarbeiter in die Lage versetzt, über den Tellerrand
der eigenen branche zu schauen“, verdeutlicht Prof. utikal eine Grundvoraus-
setzung für „offene innovationen“.
Steigerung der Produktivität
das dritte große bündel an Trends beeinflusst die Notwendigkeit zur weiteren
Steigerung der Produktivität: Wesentliche Felder sind hier die steigende Automa-
tisierung der Prozesse sowie vielfältige maßnahmen zur Steigerung der Prozess-
effizienz – angesichts der vielfach steigenden Rohstoff- und Energie preise er halten
diese Themen in den unternehmen größte Aufmerksamkeit. in dieser Kategorie
finden sich auch die Themen der Nutzung alternativer Energien und Rohstoffe
sowie die „verknappung strategischer Ressourcen“. bei dem zuletzt genannten
Thema fällt die aus unternehmenssicht im Zeitablauf abnehmende bedeutung der
Herausforderung auf: Während die Gesprächspartner beispielsweise dem
begrenzten vorrat an Seltenen Erden im Jahr 2012 eine überdurchschnittliche
bedeutung beimessen, gehen die Experten davon aus, in zehn Jahren weniger
abhängig von dieser Ressource zu sein, da der Preis zusätzliche Produktions-
kapazitäten fördere. dieser mechanismus wird zukünftig auch bei anderen knap-
pen Rohstoffen zu beobachten sein. mit blick auf die mitarbeiter sind relevante
megatrends beispielsweise die weitere dynamisierung der Arbeit mit der
möglichkeit zur ortsungebundenen Arbeit, zu neuen Arbeitszeitmodellen, aber
auch der Fachkräftemangel. beim Fachkräftemangel gehen die unternehmen
davon aus, dass sich die Lücke zwischen den benötigten und den in deutschland
verfügbaren geeigneten Arbeitskräften noch vergrößern wird.
Segmentspezifische unterschiede
„insgesamt ergeben sich für die einzelnen branchensegmente sehr unterschied-
liche Einschätzungen der megatrends“, erläutert Prof. utikal die Ergebnisse der
Studie. So sehen die Spezialchemikalienhersteller angesichts der Globalisierung
im bereich der innovation, der Anpassungsentwicklungen und der branchenüber-
greifenden Kooperationen ein zentrales Zukunftsthema. Anders die Agrochemie,
die den innovationsprozess unternehmensintern vorantreibt. die Spezialchemie-
unternehmen sehen für den Standort deutschland Wachstumspotenziale – ins-
besondere aufgrund der Tatsache, dass hier vor Ort alle relevanten Kunden branchen
und Forschungseinrichtungen in einer kritischen masse vertreten sind. Anders
stellt sich die Situation für die erdölbasierte basischemie dar, bei der aufgrund
der Kostennachteile eine bedienung des Weltmarktes von europäischen
Produktions standorten aus nur bedingt in Frage kommt. der Fachkräftemangel
spielt aufgrund des hohen Automatisierungsgrades in diesem marktsegment
vorerst keine große Rolle. vielmehr ist für die basischemie die Ressource Erdöl
und deren verknappung ein zentrales Thema. das Segment „Plastics“ setzt in
besonderer Weise auf die öffnung des innovationsprozesses sowie die regio nale
Anpassung globaler Strategien. der Fachkräftemangel könnte hier schneller zu
einem Problem werden als in anderen Segmenten. und die Pharmabranche: Hier
hat der demografische Wandel als globaler megatrend gleich zwei Facetten. in
den industrienationen steigt die durchschnittliche Lebenserwartung der be-
völkerung, gleichzeitig wächst die bevölkerung in anderen Regionen der Welt
sehr schnell. im Pharmabereich werden sich die unternehmen anders als bisher
nicht mehr primär auf die blockbuster konzentrieren, sondern die „personali sierte
medizin“ wird sich rapide weiterentwickeln, was branchenübergreifende
Kooperationen erforderlich werden lässt.
„PERSONALiSiERTE mEdiZiN“ WiRd AN bEdEuTuNG GEWiNNEN.
>> ExPLORATivE uNTERSuCHuNG.
Die untersuchung erfolgt anhand von ausgewählten beispielen in fünf Segmenten der Chemie-/Pharmaindustrie. insgesamt wurden 25 gespräche mit geschäftsführern, forschungs- und Standortleitern geführt.
megatrends – untersuchte Themenfelder: 1. Relevanz pro Segment, 2. Auswirkung auf das
Geschäft, 3. Organisation der Wertschöpfung, 4. Auswirkungen auf Standorte, 5. Notwendig-
keit zur Transformation.
2012 2020 2030
Erfo
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nter
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STANdARd
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basischemie Kunststoffe agro fein-/Spezialch. Pharma
perspectives magazin 9>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – RESEARCH PERSPECTivE
transformation der Wertschöpfungskette
und was bedeutet dies konkret für die Wertschöpfungskette von unternehmen?
„Es wird zwar in einigen bereichen die verlagerung von Aktivitäten nach Asien
geben, doch deutschland und Europa werden zweifellos auch weiterhin als
Produktions- und Forschungsstandorte für die Chemie- und Pharmabranche von
großer bedeutung sein“, fasst Prof. utikal ein zentrales Ergebnis der Studie
zusammen. die Gründe hierfür sind unter ande-
rem die Prozess- und Produkt innovationen, die
angesichts der hochqualifizierten mitarbeiter,
aber eben auch durch die Netzwerkpartner aus
der Wissenschaft und anderen branchen gerade
in deutschland in besonderer Weise möglich sind.
„dass eine der Stärken des Standortes deutsch-
land in den Köpfen der mitarbeiter liegt, ist keine neue Erkenntnis“, so Prof. utikal.
„Wichtig wird es jedoch sein, zielgerichtet in den bereichen, in denen innovatio-
nen nicht nur unternehmensintern, sondern auch unternehmens- und branchen-
übergreifend von besonderer bedeutung sind, geeignete Rahmenbedingungen
zu schaffen und den vorhandenen Wissensvorsprung zu stärken: inter- und trans-
disziplinäre Kompetenzen gewinnen an bedeutung.“
Hier haben die megatrends eine besondere kommunikative Funktion: in einer
branche wie der Chemieindustrie, in der mehr als 30.000 Produkte für die unter-
schiedlichsten Anwendungen entwickelt und produziert werden, stellen die
megatrends einen Kommunikationsanker dar. die potenziellen Kooperations partner
auf der Ebene der Kunden und Lieferanten, aber auch aus anderen branchen
können sich mit blick auf ihren spezifischen beitrag zur bewältigung einer Langfrist-
herausforderung finden und austauschen.
mit blick auf das Jahr 2030 – da waren sich alle Gesprächspartner einig – steht
die Chemie- und Pharmaindustrie angesichts der megatrends vor weitreichenden
veränderungen. in diesem Zusammenhang ist die Einschätzung der branchen-
experten zur Transformationsnotwendigkeit interessant. Angesprochen auf die
änderungsnotwendigkeiten in bezug auf die unternehmensstrategie, die Struk-
turen, die Prozesse, die unternehmenskultur und die Kompetenzen der mit arbeiter
sowie die Frage, wie gut das jeweilige unterneh-
men auf den Transformations prozess vorbereitet
ist, ergibt sich ein eindeutiges bild: die größten
differenzen ergeben sich bei den Kompetenzen
der mitarbeiter und der unternehmenskultur. Aus
Sicht der befragten muss in erster Linie das Per-
sonal auf die grundlegenden veränderungen in
den einzelnen marktsegmenten vorbereitet werden. die Kenntnis
neuer Technologien, neuer Anwendungsfelder für die Produkte, neuer Kunden-
märkte, aber auch des sich verändernden regulatorischen umfeldes angesichts
von umweltschutz und Energiewende – all diese Themen stellen auf allen Ebenen
der unternehmen besondere Ansprüche an das Know-how der mitarbeiter.
interessant ist daneben auch die Einschätzung der Experten hinsichtlich der
intensität der zu erwartenden veränderung – während drei viertel der befragten
die anstehenden Transformationen als „evolutionär“ einstufen, geht ein viertel der
Gesprächspartner von „revolutionären“ Transformationen aus. Tiefgreifende
änderungen werden insbesondere für die ehemaligen blockbuster-Pharma-
unternehmen sowie die unter dem druck der „Kommoditisierung“ stehenden
unternehmen der Spezialchemie gesehen.
themenfelder Megatrends alle Segmente top-3-themenfelder
1. Demografischer Wandel bevölkerungswachstum in den Schwellenländern
GLObALiSiERuNG
iNNOvATiON
PROduKTiviTäT
Fachkräftemangel im Westen
Alterung/Schrumpfung der bevölkerung im Westen
2. globalisierung & urbanisierung Globale Strategien mit lokaler Anpassung
Shift to Asia
urbanisierung in den Schwellenländern
Globalisierte Kapitalströme
3. innovation & technologie öffnung des innovationsprozesses
branchenübergreifende Kooperationen
Konvergenz von Nano-, bio-, iT-, Kognitionswiss.
4. umsteuern bei energie & Ressourcen
Nutzung alternativer Energien und Rohstoffe
verknappung strategischer Ressourcen
5. neue Konsummuster Partizipation der Schwellenländer am Wohlstand
Nachholender Luxus in bRiC
Nachhaltiger Konsum im Westen
6. arbeitswelt in europa dynamisierung der Arbeit
integration von Frauen im Erwerbsleben
Fortschreitende Automatisierung
7. boomender gesundheitsmarkt Neue Nahrungsmittel/Functional Food
Konvergenzmärkte Ernährung/Pharma/Kosmetik
Personalisierte medizin
>> CHeMiSCHe unD PHaRMazeutiSCHe inDuStRie – mEGATRENdS: RELEvANZ iN dEN JAHREN 2012–2030
1 2 3 4 5 6 7
Skala: 7 = sehr hohe Relevanz, 1 = sehr geringe Relevanz
„inteR- unD tRanS-DiSziPLinäRe KoMPetenzen geWinnen an beDeutung.“
megatrend in Anlehnung an bdi und Z_Punkt (2011).
perspectives magazin10 >> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – RESEARCH PERSPECTivE
Standorte der zukunft
Forschung und Produktion braucht geeignete mitarbeiter, aber auch geeignete
Standorte. daher wurde im Rahmen der Studie abgefragt, welche Erwartungen
an den Produktionsstandort der Zukunft gestellt werden, beziehungsweise welche
megatrends bestimmte Leistungen eines Standortes in Zukunft wichtiger oder
weniger wichtig erscheinen lassen. Klares Ergebnis: Energie ist hier das wich tigste
Thema. Nur Standorte, die Energie zuverlässig und zu international wettbewerbs-
fähigen Preisen bereitstellen können, haben im globalen vergleich eine Chance.
Nahezu gleichauf rangieren die Punkte „umwelt, Sicherheit, Gesundheit“,
„behördenmanagement“ und „Weiter bildungsangebot vor Ort“ auf den nächsten
Plätzen, noch vor der „Entsorgung“ und dem „Zugang zu Kooperations netzwerken“.
„Erfolgreiche industrie standorte der Zukunft unterstützen damit die Chemie- und
Pharmaunternehmen in ihrem Streben nach kostengünstiger und qualitativ hoch-
wertiger Produktion vor Ort“, so Prof. utikal. „Angesichts der Herausforderungen
der Nachhaltigkeit sind industriestandorte jedoch nicht nur Stätten technologischer,
sondern auch sozialer innovationen – hier werden neue Arbeitszeitmodelle umgesetzt,
neue Kooperationen aufgebaut und passgenaue Qualifikationskonzepte realisiert.“
Zusammenfassend stellt Prof. utikal als Ergebnis der Studie fest: „die
megatrends, die von den Experten auch als solche deklariert werden und in den
nächsten Jahren, aber auch bis 2030 für die branchen relevant sein werden,
bergen für den Standort deutschland mehr Chancen als Risiken.“ Auch wenn die
Entwicklung in Asien deutlich dynamischer sein wird und die relative bedeutung
Europas in allen Teilfunktionen abnimmt, so stellen die stabilen Produktions prozesse
und die Fähigkeit zu Prozessinnovationen doch wichtige Standortvorteile für
die europäischen Chemie- und Pharmafirmen dar. Wichtig ist allerdings, dass
europäische Forschungs- und Produktionsstandorte bei den Themen Energie-
versorgung, umwelt, Sicherheit und Gesundheit sowie Weiterbildung und Quali-
fizierungsmöglichkeiten optimale und branchenspezifische Rahmenbedingungen
für die unternehmen bieten. Gerade auch der umstand, dass in vielen markt-
segmenten branchenübergreifende Kooperationen an bedeutung gewinnen
werden und hierfür in deutschland und Europa gute voraussetzungen bestehen,
gehört zu den Stärken des Standortes.
„mEGATRENdS bERGEN mEHR CHANCEN ALS RiSiKEN.“
>> TRANSFORmATiONSNOTWENdiGKEiT.
rhein-main-cluster chemie & pharma
der rhein-main-cluster chemie & pharma wurde mit dem Ziel gegründet, branchen-
übergreifende Fragestellungen zu untersuchen und Antworten zu erarbeiten. Hierbei
stützt er sich auf die Expertise der im Cluster organisierten unternehmen. der rhein-
main-cluster chemie & pharma bietet die ideale Plattform für Synergien zwischen den
unternehmen beider branchen. durch ein adäquates Leistungsangebot bietet er
unterstützung, Netzwerkarbeit und dienstleistungen in wichtigen Arbeitsgebieten
und Entwicklungsfeldern. der rhein-main-cluster chemie & pharma wird durch den
Europäischen Fond für regionale Entwicklung unterstützt. durch die mitglieder des
Clusters werden ideen im unternehmensübergreifenden Rahmen weiterverfolgt und
die vorteile der Kooperation genutzt.
www.rhein-main-cluster.de
fragen: Nachdem wir über die verschiedenen megatrends gesprochen haben:
Wie groß sind, nach ihrer Einschätzung, die änderungsnot wendig keiten in ihrem unternehmen
in den folgenden Feldern? Wie gut ist ihr unternehmen auf die veränderung in den
verschiedenen Feldern vorbereitet?
Würden Sie zusammenfassend die Transformationsnotwendigkeiten als „grundlegend/
revolutionär“ oder als „graduell/evolutionär“ einstufen?
grundlegend/revolutionär graduell/evolutionär
76 % 24 %
transformationsnotwendigkeit
änderungsnotwendigkeit Grad der vorbereitung
1
3
7
5
Strategie und Geschäftsmodell
unternehmenskultur
Kompetenzen der mitarbeiter
Struktur
Prozesse
änderungsnotwendigkeit und grad der Vorbereitung
Skala: 1 = sehr gering, 7 = sehr hoch
perspectives magazin 11>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – buSiNESS PERSPECTivE
>> WACHSTum iN zWei geSCHWinDigKeiten Deutsche unternehmen müssen ihre geschäftsmodelle anpassen
in seinem einführungsvortrag war Dr. udo Jung, Managing Director
von boston Consulting group, angetreten, seine Perspektive auf die
zukunft der Wertschöpfung der deutschen Chemie- und Pharmain-
dustrie darzulegen. nein, eine Kristallkugel für den zukunftsblick habe
er nicht, stellte Dr. Jung gleich zu beginn klar. Dennoch könne er ganz
deutlich einige Parameter aufzeigen, die in den kommenden Jahren
einen sehr großen einfluss auf diese branche haben werden.
Profitables ertragswachstum ist trumpf
um herauszufinden, was für die Zukunft relevant sein wird, lohnt es sich zunächst
einmal, in die vergangenheit zu schauen und zu fragen, welche Hebel der Wert-
schöpfung bislang besonders wichtig waren. der blick auf die Aktienrendite
(= Total Shareholder Return, TSR) der Top 25 von S&P 500, einem Aktienindex von
Standard & Poor’s, gibt eine Antwort. Für die Rendite im Jahr 2011 von im Schnitt
32 Prozent sind mehrere Hebel verantwortlich: der verfügbare Cashflow, die Ge-
winnspanne, das Kurs-Gewinn-verhältnis und profitables Ertragswachstum. das
profitable Ertragswachstum ist jedoch der Hebel, der über einen langen Zeitraum
in die vergangenheit betrachtet die wichtigste Rolle spielt. Je länger der Zeitraum
ist, den man in die vergangenheit schaut – ein Jahr, drei Jahre, zehn Jahre –, umso
mehr wächst seine relative bedeutung. die Steigerung des TSR betrug über die
vergangenen zehn Jahre betrachtet bei diesen Top 25 jährlich 16 Prozent. und mehr
als drei viertel dieses Wachstums gehen auf profitables Ertragswachstum zurück.
Chemie ist gut positioniert
Wachstum allein schafft jedoch nicht automatisch eine Wertsteigerung. das zeigt
das verhältnis von Wachstum zur durchschnittlichen Aktienrendite aller S&P-
500-unternehmen. dafür verantwortlich sind wertmindernde Akquisitionen sowie
Wachstum, das Gewinnspanne und Return on investment mindert oder zu viel
Kapital erfordert. Wachstum kann auch eine Steigerung des unternehmensrisikos
bedeuten und das Kurs-Gewinn-verhältnis belasten. Aber welche Faktoren haben
DR. uDo Jung
mANAGiNG diRECTOR vON
bOSTON CONSuLTiNG GROuP
diE WiRTSCHAFT iN ASiEN WäCHST dEuTLiCH SCHNELLER ALS im REST dER WELT – dARAN müSSEN GESCHäFTSmOdELLE iN EuROPA ANGEPASST WERdEN.
die größte bedeutung für die Zukunft, um zu profitablem Ertragswachstum zu
gelangen?
Der asien-Pazifik-Raum ist der Markt der zukunft
Es gibt einen Hebel, den jeder kennt: die aufstrebenden märkte im Asien-Pazifik-
Raum. „Es ist nur nicht sicher, ob das jeder schon verinnerlicht und in ein Geschäfts-
modell umgesetzt hat“, gibt dr. Jung zu bedenken. „Wir leben in einer Welt mit zwei
Geschwindigkeiten. die Wirtschaft in Asien wächst deutlich schneller als im Rest
der Welt.“ in Zahlen heißt das: Asien (ohne Japan) wird 2025 voraussichtlich
45 Prozent zum Wachstum der weltweiten bruttoinlandsprodukte beitragen.
milliarden bürger in den dort beheimateten volkswirtschaften werden zum
ersten mal in der weltweiten ökonomie zu Konsumenten werden. und in allem,
was sie kaufen werden, vom Handy bis zum Auto, stecken Erzeugnisse der Chemie.
das bewirkt einen riesigen strukturellen Wandel: mehr als 60 Prozent der Steige-
rung des Weltbedarfs in der Chemie steuert der Asien-Pazifik-Raum bei.
in der pharmazeutischen industrie ist die Entwicklung noch dramatischer. bis-
lang ist der Anteil des nordamerikanischen markts für diese branche doppelt
so hoch wie bei der chemischen industrie. Signifikante Steigerungsraten sind
hier jedoch nicht zu erwarten, sondern ebenfalls nur im Asien-Pazifik-Raum. Er
wird daher auch die „Pharmerging markets“ genannt, eine bezeichnung für jene
märkte, in denen die Pharmaindustrie die größten Wachstumschancen hat. „das
künftige Wachstum findet also nicht in deutschland statt“, betont dr. Jung.
geschäftsmodelle müssen verändert werden
um daran Anteil zu haben, müssen deutsche unternehmen der chemischen
industrie ihre Geschäftsmodelle verändern. um die Profitabilität ihrer globalen
Aktivitäten zu steigern, ist es nicht mehr ausreichend, nur den Export zu steigern.
vielmehr müssen sie alle relevanten Schritte der Wertschöpfung lokal anpassen
und in den aufstrebenden Regionen verankern, also auch in den Entscheidungs-
zentren. „F&E muss ebenfalls dort stattfinden, wo das Wachstum ist, denn die
Wachstumsregionen werden die innovationsregionen der Zukunft sein“, folgert
>> We aRe in a tWo-SPeeD WoRLD: ASiA ExPECTEd TO CONTRibuTE 45 % OF GLObAL GdP GROWTH bY 2025.
Capturing profitable growth in asia drives business model changes of german chemical and pharmaceutical companiesNote: GdP in $ in Purchasing Power Parity (PPP). Source: Eiu; bCG analysis
asia (excl. Japan) accounts for 45 % of overall gDP growth by 20252010–2025, GdP growth (Trillion uS$). World GdP (K uS$) 2010: 70.6 (3.5 % CAGR) 2025: 118.5
9.3
China india
4.6
Restof Asia
7.8
uSA
7.7
Eu-15
5.42.7
Rest of Latam.
middle East
2.0
Russia
1.6
Japan
1.4
C.E. Europe
1.3
brazil
1.2
asian economic growth compensate for oeCD countries underperformance 2010–2025, GdP growth (%)
india
5.5
Russia
3.7
Restof Asia
5.2
China
4.6
C.E. Europe
4.0
middle East
3.9
World
3.5
Rest of Latam.
3.4
brazil
3.1
uSA
2.8
Eu-15
2.4
Japan
2.0
RoW
2.9
World
47.9
asia
perspectives magazin12 >> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – buSiNESS PERSPECTivE
dr. Jung. da gerade für die Spezialitäten-Chemie die räumliche Nähe zu den
Abnehmern wichtig ist, müssen europäische unternehmen in den aufstrebenden
märkten vor Ort Wertschöpfung betreiben und ihr Geschäftsmodell globalisieren.
Weitere Faktoren beeinflussen die chemische industrie in Europa. Einige davon
können nicht von den unternehmen selbst beeinflusst werden. So profitieren ge-
rade asiatische Konzerne in der Chemie von nationalen Wirtschaftsprogrammen.
Sie müssen ihre Entscheidungen nicht von Quartalszahlen abhängig machen.
„die Konzernlenker richten ihre Entscheidungen primär an den vorgaben aus,
durch die der Staat diese industrien aufbauen will“, formuliert es dr. Jung. dadurch
haben sich inzwischen auch einige Konzerne aus Asien einen Platz unter den
Top 10 erobert.
Pharmaindustrie noch nicht direkt von asien angegriffen
in der Welt der Pharmaindustrie sieht es heute noch etwas anders aus. Konzerne
der westlichen Welt dominieren weiterhin die Spitzenplätze der weltweiten Pharma-
industrie. das Phänomen aus der Chemieindustrie, wonach Konzerne aus den
aufstrebenden märkten sich hier bereits verankern konnten, gibt es noch nicht.
Sicher versuchen gerade China und indien auch, pharmazeutische industrie vor
Ort zu verankern. das mittel, das nötige Know-how zu erwerben, ist hier bislang
eher gezielte Akquisition im Westen.
Auch wenn der asiatische Raum das Wachstum dominieren wird, wächst die
Wirtschaft ebenfalls in Europa. Nur ändern sich hier die Parameter. verantwortlich
dafür ist der demografische Wandel, der die Käuferschichten verändert. die
Generation 55+ trägt künftig entscheidend zum Wachstum bei. die deutlichkeit
der Zahlen überrascht: in deutschland wird der Anteil der Generation 55+ am
Wachstum in den kommenden 20 Jahren 86 Prozent ausmachen.
Viele Herausforderungen in der zukunft
Es gibt noch eine menge weiterer Herausforderungen für die chemische industrie
mit basis in deutschland und Europa. So werden an Rohmaterial reiche Länder
weiter in Szenarien investieren, die von geringen Gaspreisen und höheren ölpreisen
ausgehen. die Gaspreise werden nicht sinken und die Schiefergas-Revolution in
den uSA mindert die Wettbewerbsfähigkeit in der europäischen Chemieindustrie.
Ebenfalls wird der druck durch Regulierung der chemischen industrie und
benachbarter branchen wie Energie – etwa CO2-vorgaben oder die Energiewen-
de – zu steigenden Kosten für die Chemieindustrie in Europa führen und dadurch
zu einer potenziellen Schwächung der Wettbewerbsposition. Ein weiterer Punkt:
Größere industrieparks mit integrierter Produktion im mittleren Osten und in
Asien kopieren erfolgreich europäische beispiele und schaffen auch in Asien
zunehmend verbundvorteile.
Deutschland gut aufgestellt
das Glas ist mehr als halb voll. doch wird es künftig immer wichtiger, über
branchengrenzen hinweg in innovations-Netzwerken zu kooperieren. und hier
hat gerade der Standort deutschland einen unglaublichen vorteil: die hohe
dichte der unterschiedlichsten industrien – der sogenannte mittelstand – als
innovationspartner für die chemische industrie ist einmalig in der ganzen Welt. Er
gestattet über branchengrenzen reichende Netzwerke hinsichtlich Produktion,
inno vation und Lieferketten. „die Struktur des ‚mittelstands‘ ist zudem etwas,
was der mittlere Osten nicht einfach kopieren kann.“
Für einzelne unternehmen haben verbünde und auch industrieparks weitere
vorteile: Sie gewähren einen besseren Zugang zu Rohstoffen, reduzieren durch
gesteigerte Effizienz CO2-Footprints. Zudem können sie gemeinsam investitionen
für notwendige infrastruktur wie Häfen, Gleisanschlüsse oder Pipelines stemmen.
Außerdem haben sie die möglichkeit, in Schlüsselfeldern wie vertrieb, F&E und
Einkauf zu kooperieren. „in Zukunft werden die Herausforderungen steigen“,
fasst dr. Jung zusammen. „doch die Ausgangsposition für deutsche unternehmen
ist nicht schlecht. Wenn wir zudem etwas aus der Finanzkrise gelernt haben, dann
die neue Wertschätzung des industriellen Sektors.“
„AuSGANGSPOSiTiON FüR dEuTSCHE uNTERNEHmEN iST GuT.“
>> mANY FACTORS iNFLuENCiNG THE FuTuRE OF THE euRoPean CHeMiCaL PRoDuCtion baSe.
viELE FAKTOREN bEEiNFLuSSEN diE ZuKuNFT dER CHEmiE iN EuROPA.
perspectives magazin 13>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – FiNANCiAL mARKET PERSPECTivE
Marc Schmitz ist sich sicher: „Megatrends führen in der chemischen
industrie zu Konsolidierung und werden einen Kampf um die besten
zukunftsorientierten unternehmen auslösen.“ Der Mitgründer der
Corporate finance boutique bergmann zur Hausen & Cie., frankfurt,
sieht zwei gruppen von unternehmen als Kontrahenten im Ring. zu-
nächst „the old empires“, also die traditionelle kohlenwasserstoff-
verarbeitende industrie. nummer zwei: „the new empires“. zu ihnen
zählen agrarunternehmen mit zugang zu bebaubarem Land und/oder
erneuerbaren Rohstoffen. eine dritte gruppe von unternehmen sind
Spezialisten mit „zugang zu neuen Schlüssel-technologien“. Durch
akquisitionen versuchen die ersten beiden gruppen an Schlüssel-
technologien der dritten gruppe zu kommen, um sich für die zukunft
neu zu erfinden und besser aufzustellen. Hierfür macht Schmitz im
Wesentlichen weltweite Megatrends verantwortlich.
Megatrends betreffen uns alle
diese megatrends werden unser tägliches Leben massiv beeinflussen, in 10, 15
oder in 20 Jahren. Sie tangieren alle gesellschaftlichen bereiche. Wesentliche
globale Trends sind etwa veränderungen im Gesundheitsbereich und bei der
Ernährung, bedingt durch die höhere Lebenserwartung und die demografische
Entwicklung. Neben der Globalisierung ist auch das rapide bevölkerungswachs-
tum ein solcher Trend: die Weltbevölkerung steigt auf 9,5 milliarden im Jahr 2050
an und wächst in den Entwicklungsländern fast siebenmal schneller als in den
industrienationen.
Herausforderung Ressourcenknappheit
den größten Einfluss auf die chemische industrie wird die Entwicklung bei der
Rohstoffversorgung haben: die Reserven der Kohlenwasserstoffressourcen wie
Gas und öl sind begrenzt. Gemessen am globalen ölbedarf ist die chemische
industrie nur ein kleiner verbraucher. Fast 97 Prozent des öls werden verwendet,
um Energie zu produzieren, nur für drei Prozent ist die chemische industrie der
Abnehmer. Hiervon werden fast zwei drittel als Rohstoff in der Chemieproduk tion
verwendet. marc Schmitz bringt es auf den Punkt: „dadurch haben die großen
ölkonzerne eine begrenzte Lebenserwartung, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht
mit Rücksicht auf den begrenzten Rohölvorrat verändern.“
Die folge: fusionen und akquisitionen
die Auswirkungen sind bereits verstärkte m&A-Aktivitäten von kohlen-
wasserstoffverarbeitenden unternehmen, also Fusionen und Akquisitionen (mer-
gers & Acquisitions), die noch weiter zunehmen werden. von Europa aus ist dabei
meist Nordamerika das Ziel. unternehmen aus den aufstrebenden märkten und
dem mittleren Osten gewinnen jedoch an Anziehungskraft und stehen bei m&A
zunehmend im Wettbewerb mit europäischen Chemie unternehmen als Käufern.
All dies zeigt bereits den beginnenden Kampf um unternehmen.
Laut Schmitz gibt es viele gute Gründe für m&A, etwa den Wunsch nach Kosten-
ersparnis oder die Ausweitung in Richtung aufstrebender märkte. „Aber der
größte Treiber für Chemieunternehmen, neue Fähigkeiten und Technologien zu
erlangen, ist, den megatrends demografie und Ressourcenknappheit Rechnung
zu tragen und Wachstum zu generieren“, so Schmitz. Ein gutes beispiel hierfür ist
der dSm-Konzern mit Sitz in den Niederlanden. im Jahr 2002 verkaufte er seine
Petrochemie-Sparte an das saudi-arabische unternehmen SAbiC, 2010 wurde
das Synthesekautschuk-Geschäft an Lanxess und 2011 das Stickstoffdünge mittel-
Geschäft an die ägyptische Orascomin veräußert. im Gegenzug erwarb man den
unternehmensbereich Nahrungsergänzung und -zusatzstoffe der Hoffmann-
La Roche und eine Reihe von Life-Sciences-unternehmen mit führenden Tech-
nologien.
geschäftsmodelle transformieren
Ein weiteres beispiel sind die jüngsten m&A-Aktivitäten von Total S.A., einem
französischen mineralölkonzern. „Total ist bislang abhängig von Kohlenwasserstoff“,
so Schmitz. daher setzt das unternehmen strategisch auf eine möglichst große
bandbreite an alternativen Technologien, um der Ressourcenknappheit bei öl und
Gas Rechnung zu tragen. Zu den jüngst akquirierten Firmen gehören Amyris (uSA),
Agilyx (uSA) und Cellectis (F). diese gewinnen jeweils Kraftstoff aus Hefestämmen,
Plastikabfall oder mikroalgen. „Total will damit auf den Tag x vorbereitet sein, wenn
Rohöl nicht mehr verfügbar ist.“
diese Aktivitäten sieht Schmitz nur als Startschuss zu einer Epoche fort-
laufender Konsolidierungen, die es so in der kohlenwasserstoff-verarbeitenden
industrie noch nicht gab. Wenn auch derzeit die m&A-Aktivitäten gerade in
Europa aufgrund der Schuldenkrise etwas abflauen, ist marc Schmitz sicher: „die
große Konsolidierung wird stattfinden, wenn sich die europäische Wirtschaft nach
der Eurokrise beruhigt hat.“
>> KAmPF dER iMPeRien globale trends fördern Konsolidierung der chemischen industrie
MaRC SCHMitz
miTEiGNER dER CORPORATE FiNANCE
bOuTiQuE bERGmANN ZuR HAuSEN & CiE.
>> “A bATTLE OF EmPiRES” WiLL ENSuE TO SECuRE THE
SuRViVaL of HyDRoCaRbon-ReLateD buSineSSeS.
“the old empires”Hydrocarbon-related companies
“the new empires”Renewable and
agriculture-related
companies with access
to arable land and/or
renewable feedstock
technology gate-keepers with
“Disruptive technologies“
We are entering an era of fierce consolidation in the hydrocarbon-related industry as not encountered before
„GROSSE öLKONZERNE HAbEN EiNE bEGRENZTE LEbENSERWARTuNG.“
diE ENdLiCHKEiT dER ROHSTOFFbASiS FüHRT Zu GRuNdLEGENdEN umWäLZuNGEN iN dER CHEmiEiNduSTRiE.
Standortbetrieb.
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perspectives magazin16 >> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – iNSTiTuTiONAL PERSPECTivE
>> im viSiER: DeutSCHe inDuStRiePaRKSVerbundstandorte sind attraktiv für ausländische Direktinvestitionen
„Chemieparks steigern die attraktivität von Deutschland als
investitionsstandort“, davon ist Dr. Joachim Waldi überzeugt. er ist
geschäftsführer der Currenta und Vorsitzender der fach vereinigung
Chemieparks im Verband der Chemischen industrie (VCi). „Der grund:
Deutschland ist einfach ein idealer Standort.“
Gradmesser für diese Aussage sind besonders ausländische direktinvestitionen
(Foreign direct investment, Fdi). Sie sind in den vergangenen zehn Jahren um
fünf Prozent gestiegen. die chemische industrie ist dabei ein Schlüsselsegment,
denn sie hält den viertgrößten Anteil an Fdi-Projekten: in den vergangenen
20 Jahren sind Auslandsinvestitionen in die deutsche Chemieindustrie um mehr
als das vierfache gestiegen. Gerade uS-Gesellschaften halten den Standort
deutschland für den attraktivsten in Europa.
Standortvorteil Deutschland
das Land in der mitte Europas bietet auch einige herausragende vorteile. Hier
finden investoren die am besten qualifizierten mitarbeiter des Kontinents – bei
der niedrigsten Anzahl von Streiktagen. Gleichzeitig hindern keine Handels grenzen
zu den Nachbarländern den Warenfluss. deutschland ist zudem ein Ort der inno-
vation – 2,82 Prozent des bruttoinlandsprodukts wurden 2010 in die Forschung
investiert. die infrastruktur mit dem dichten Netz von Autobahnen, Schienen wegen,
Wasserstraßen und dem verzweigten Pipeline-Netzwerk ist – so das World-
Economic-Forum-Ranking 2011 – die „beste der Welt“.
industrieparks treiber der Produktion
die äußeren Rahmenbedingungen sind jedoch nur eine Seite, die andere ist die
Produktion selbst. und hier zeichnen sich besonders Chemieparks als wirksame
Treiber für moderne industrielle Produktion aus. mehr als 1.000 Gesellschaften
haben sich inzwischen in den rund 60 Chemieparks in deutschland nieder gelassen
und profitieren von den vorteilen dieser Netzwerkstrukturen; mehr als 250.000
mitarbeiter sind dort beschäftigt. das zeigt, dass das hier entwickelte Geschäfts-
modell funktioniert und eine aussichtsreiche Zukunft hat. die vorteile liegen auf
der Hand. die betreiber bieten viele Services, so dass sich die produzierenden
unternehmen ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. die vorzüge kön-
nen alle Player nutzen: Produzenten von Rohmaterial ebenso wie veredler oder
Hersteller von Endprodukten. Auch der Chemieindustrie nahestehende branchen
wie etwa Automotive-, Papier-, Aluminium- oder metallindustrie haben von diesen
Strukturen vorteile, ebenfalls die Hersteller von erneuerbaren Rohmaterialien oder
unternehmen der biotechnologie.
KiSS – Pluspunkte auf vier ebenen
das vier-Ebenen-modell KiSS zeigt die wesentlichen Pluspunkte von in dustrie parks:
Know-how individuelle unterstützung
Supply (versorgung) Synergien und Effizienz
durch Know-how stellen Fachleute eine optimale vernetzung mit den Hochschu-
len und qualifiziertes Personal sicher. Auch der Kontakt zur Nachbarschaft zählt,
sowohl zu den unternehmen als auch zu den Anwohnern. Ein breites Portfolio
von maßgeschneiderten diensten ist die individuelle unterstützung, die unter-
nehmen in Chemieparks bekommen. das reicht von der unterstützung beim Ein-
holen von Genehmigungen bis zum Anpassen des Standorts an die Erfordernisse
der Gesellschaften. Eine sichere versorgung mit Energie sowie die kompetente
Abfallentsorgung sind ebenfalls Schlüsselqualifikationen. Synergien und Effizienz
ergeben sich durch die integration in Netzwerkstrukturen und reduzieren so
investitionskosten gegenüber „Greenfield-Standorten“.
fDi wird weiter steigen
„Chemieparks nehmen damit eine aktive Rolle beim Erwerben von Fdi ein“, betont
dr. Waldi. Gerade die Kooperation mit Partnern wie Germany Trade and invest,
Länderwirtschaftsfördergesellschaften, banken und lokalen Handelskammern
sorgt dafür, ebenso die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern. CHEmPARK
etwa kooperiert mit dem Nanjing Chemical industry Park (NCiP) in China. das
modell „Chemiepark“ hat sich also in der Praxis als erfolgreich erwiesen. „diese
Standorte haben das Potenzial, den Anteil von Fdi in deutschland in den kom-
menden Jahren weiter zu erhöhen“, schließt dr. Waldi.
DR. JoaCHiM WaLDi
GESCHäFTSFüHRER dER CuRRENTA uNd vORSiTZENdER
dER FACHvEREiNiGuNG CHEmiEPARKS im vERbANd
dER CHEmiSCHEN iNduSTRiE (vCi)
>> iNvESTiNG iN THE CHeMiCaL inDuStRy.
attractivness of the location (%)Evaluation of locations by u.S. companies and investors.
Source: AmCham business barometer, 2011
germany as a location for industry: exceptionally attractiveSignificant increase in the share of Fdi in the chemical sector
fDi-chemical industry in germany (cumulated in € billion)Source: vCi, Publication: Chemical industry in Figures, 2010
Germany
60
Eastern Europe
34
Great britain
18
France
16
Spain
16
benelux
16
1991
9.1
1993
9.9
1995
11.1
1997
15.7
1999
20.6
2001
23
2002
23.9
2003
23.9
2004
25.7
2005
26.6
2006
32.8
2007
37.5
2008
39.4
dEuTSCHLANd iST uNd bLEibT EiN ATTRAKTivER iNvESTiTiONSSTANdORT.
perspectives magazin 17>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – COmbiNiNG PERSPECTivES
>> GuTE bASiS FüR EiNE eRfoLgReiCHe zuKunftDeutschland kann auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben
Das Podium war sich einig: Kurz- bis mittelfristig ist die Wett-
bewerbsposition der Chemie- und Pharmaindustrie Deutschlands sehr
gut. zum einen hat die industrie in Deutschland komparative Kosten-
vorteile, zum anderen verfügt Deutschland über eine sehr hohe poli-
tische und soziale Stabilität. Der dritte Punkt ist eine große fähigkeit
zur innovation, da das Land über hervorragend ausgebildete fach-
kräfte verfügt. für die längerfristige Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-
lands ist entscheidend, wie die Weichen heute und in den nächsten
Jahren gestellt werden. energieversorgung, Demografie, innovation
und nachhaltigkeit stehen ganz oben auf der agenda und bergen so-
wohl Chancen als auch Risiken in sich – entscheidend ist der umgang
mit diesen Herausforderungen.
Die energiefrage ist lösbar
in Zukunft werde besonders die Frage nach verfügbarer, bezahlbarer Nutzen ergie
entscheidend sein, so die These von Jürgen vormann, dem vor sitzenden der
Geschäftsführung von infraserv Höchst. „Auf lange Sicht ist die Energiewende
eine echte Chance für die chemische und pharmazeutische industrie. Wenn es
uns gelingt, die Energiefrage zu lösen – und technisch wird das möglich –, haben
wir einen klaren Standort- und Wettbewerbs vorteil in chemischen Transformations-
prozessen“, ist vormann überzeugt.
dr. Joachim Waldi, Geschäftsführer der Currenta und vorsitzender der Fach-
vereinigung Chemieparks im verband der Chemischen industrie (vCi), verwies
darauf, dass die Politik durchaus erkannt habe, wie wichtig die industrie für die
deutsche Wirtschaft sei. So habe sie gerade der energieintensiven Produk tion
möglichkeiten gegeben, die zusätzlichen Energieausgaben zu reduzieren oder
zu vermeiden, sei es durch Kraft-Wärme-Kopplung oder die Ausgestaltung des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes.
Der demografische Wandel braucht mehr Kreativität
den demografischen Wandel sah dr. udo Jung, managing director von boston
Consulting Group, nicht nur als Risiko, sondern durchaus auch als Chance für die
industrie. „Es ist neben harten Fakten ebenfalls eine Frage der Einstellung.“ Zahl-
reiche Hebel sah das Gremium als relevant an, um den demografischen Wandel
erfolgreich zu managen, zum beispiel ein weniger schneller übergang in die Pen-
sionierung, um das Know-how älterer Experten weiter nutzen zu können. Auch
die bessere Nutzung des Potenzials von weiblichen Arbeitskräften die Nutzbar-
machung des Potenzials von Geringqualifizierten sowie eine klare Einwanderungs-
strategie sind ebenso notwendig. „Wachstum wird immer von menschen voran-
getrieben“, so Jürgen vormann. Prof. dr. Hannes utikal von der Provadis
Hochschule unterstützt diese These: „Wir brauchen mehr Kreativität, mehr maß-
geschneiderte Lösungen und müssen allgemein mehr Aufmerksamkeit auf dieses
Thema lenken.“
topthema innovation
Auch das Thema innovation wird zukünftig eine noch wichtigere Rolle spielen.
„die gute Sache an megatrends ist, dass sich unterschiedliche disziplinen damit
identifizieren können und so Kooperationen über klassische ‚Silo‘-Grenzen hinweg
befördert werden. das ist der Schlüssel, um die innovationslücke zu schließen“,
sagte Prof. dr. Hannes utikal. Einig war sich das Plenum, dass besonders die
Kommunikation der Chemieindustrie nach außen verbessert und vor allem deut-
lich emotionaler werden muss, wenn innovationen positiv wahrgenommen werden
sollen und der Nachwuchs für die industrie begeistert werden soll.
nachhaltigkeit 2.0
All die Nachhaltigkeitsreports der deutschen chemischen industrie seien im
Großen und Ganzen ziemlich gut, seien einander aber auch sonst sehr ähnlich,
führte dr. Jung aus. „Hier muss ein neues Niveau erreicht werden, das Nach-
haltigkeit zum Teil des Geschäftsmodells macht“, meinte er. marc Schmitz, mit-
eigner der Corporate Finance boutique bergmann zur Hausen & Cie. beobachtet,
dass der umgang mit Nachhaltigkeit zunehmend besser gelingt. die Entwicklung
wird auch durch die Finanzmärkte befördert: „die Finanzmärkte versuchen, Nach-
haltigkeitsaspekte in ihre bewertungsmodelle zu integrieren.“ Jürgen vormann
erläuterte, dass es wichtig sei, alle relevanten Aspekte nachhaltiger Entwicklung
abzudecken, nicht nur umweltaspekte allein. insgesamt ist der infraserv-Höchst-
Geschäftsführer sehr optimistisch. die chemische industrie ist immer nachhaltig
gewesen und wird es auch immer sein. der industriepark Höchst wird im kom-
menden Jahr 150 Jahre alt – ein gutes beispiel für nachhaltige Entwicklung.
EiNE ANREGENdE diSKuSSiON übER diE ER-FOLGSFAKTOREN dER CHEmiE- uNd PHARmA-iNduSTRiE iN dEuTSCHLANd FüHRTEN:v. L. N. R. PROF. dR. HANNES uTiKAL, mARC SCHmiTZ, dR. udO JuNG, dR. miCHAEL REubOLd, dR. JOACHim WALdi uNd JüRGEN vORmANN.
perspectives magazin18 >> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – HR SPOTLiGHT
>> QuALiFiZiERTER naCHWuCHS WiRD KnaPP fachkräftemangel ist eine Herausforderung für die Chemie- und Pharmabranche
zu den unbestrittenen Wettbewerbsvorteilen des Wirtschaftsstand-
ortes Deutschland im internationalen Vergleich gehört nicht zuletzt
das hohe Qualifikationsniveau der Mitarbeiter. gut ausgebildete fach-
kräfte sind für unternehmen aller branchen ein entscheidender
erfolgsfaktor. Dies gilt in besonderer Weise für den Chemie- und
Pharmasektor, in dem die hohen Qualitätsanforderungen der produ-
zierenden unternehmen auch entsprechende anforderungen an die
Mitarbeiter mit sich bringen. Demzufolge ist dieser industriebereich
schon heute stark von dem fachkräftemangel betroffen, der den
arbeits markt längst beeinflusst und die zukunft der chemischen und
pharmazeutischen industrie in Deutschland massiv beeinflussen kann.
Doch es gibt Lösungsansätze: die kontinuierliche Qualifikation von
Mitarbeitern, attraktive aus- und Weiterbildungsangebote und vor
allem die frühzeitige Rekrutierung von nachwuchskräften am aus-
bildungsmarkt.
die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Zwischen dem Jahr 2000 und dem
Jahr 2010 ging die Gesamtzahl der potenziellen Erwerbsbevölkerung (21- bis
65-Jährige) in deutschland um rund 2,5 millionen auf rund 47,5 millionen zurück,
2020 wird die Zahl nur noch etwa 45 millionen betragen. der bedarf an Arbeits-
kräften in deutschland ist hingegen von 2000 bis 2010 angestiegen. in der darauf-
folgenden dekade wird die Zahl der potenziell Erwerbstätigen deutlich schneller
zurückgehen – 2030 wird es etwa 7,5 millionen Arbeitskräfte weniger geben als
zehn Jahre zuvor. in weniger als 20 Jahren wird die Ressource mensch voraus-
sichtlich derart knapp, dass manchen unternehmen trotz neuer technologischer
Entwicklungen und einer Erhöhung der Produktivität kaum noch genügend mit-
arbeiter zur verfügung stehen werden.
Zudem wird sich die Zusammensetzung der belegschaften verändern.
modell rechnungen belegen, dass das durchschnittsalter auch bei großen unter-
nehmen, die Nachwuchskräfte ausbilden und Fachleute akquirieren, zwangs-
läufig ansteigt. die gesamtgesellschaftliche Altersentwicklung macht natürlich
auch vor Produktionsbetrieben, Werkstätten und büros nicht Halt: Hier sind die
über 50-Jährigen bald in der überzahl, der Anteil der unter 30-Jährigen sinkt
rapide. der Kampf um die fähigsten Köpfe wird für den unternehmenserfolg
zunehmend wichtiger und folglich härter – kleine und mittelständische unter-
nehmen, die bei diesem Wettbewerb nicht mithalten können, werden auf der
Strecke bleiben.
Was können unternehmen tun, um den Anforderungen der Zukunft gerecht
zu werden? Ausbildung muss professioneller werden. die Zusammenarbeit mit
einem dienstleister, der von der Auswahl der geeigneten bewerber über die be-
gleitung während der eigentlichen Ausbildungszeit bis hin zur Prüfungsvorberei-
tung wichtige Aufgaben übernehmen kann, ist für viele unternehmen zweifellos
sinnvoll. um die berufliche Ausbildung gegenüber dem klassischen Hochschul-
studium attraktiver zu machen, können auch alternative Qualifizierungswege
beschritten werden. unternehmen, die duale Studiengänge fördern und ihre
mitarbeiter bei ausbildungs- oder berufsbegleitenden Studiengängen unter stützen,
sichern sich auf diese Weise ihren Führungskräftenachwuchs.
perspectives magazin 19>> ERFOLGSFAKTOREN FüR dEN STANdORT dEuTSCHLANd – HR SPOTLiGHT
ganzheitliches bildungsmanagement
über die Ausbildung von Nachwuchskräften hinausgehend gilt es, die Weiter-
bildung der belegschaft zu forcieren und ein individuelles, flexibles und ganz-
heitliches bildungsmanagement zu implementieren. „Lebenslanges Lernen“ darf
sich nicht nur auf gelegentliche Seminare oder Weiterbildungsangebote erstrecken.
Zukunftsorientierte unternehmen analysieren den Weiterbildungsbedarf der
eigenen mitarbeiter auch vor dem Hintergrund der strategischen Weiterentwick-
lung der Firma, entwickeln auf dieser Grundlage idealerweise zusammen mit einem
erfahrenen Partner geeignete Weiter bildungsangebote und implementieren ein
bildungscontrolling, das Lern fortschritte dokumentiert und den Wissenstransfer
sichert. die Provadis Partner für bildung und beratung GmbH in Frankfurt hat als
größter privater Aus- und Weiterbildungsdienstleister in Hessen mit rund 1.400
Auszubildenden in mehr als 40 verschiedenen berufen und mit 10.000 Teilnehmern
bei den rund 250 Weiter bildungsangeboten entsprechende Systeme entwickelt,
um über eine „Wissensdiagnostik“ den Erfolg von
Weiterbildungsmaßnahmen messbar zu machen.
im bereich der Ausbildung gehört die enge
Kooperation mit den Kunden, die auch den ex-
akten Abgleich der Ausbildungsinhalte sowie der
bewerberprofile mit den Anforderungen des
unternehmens beinhaltet, zu den Stärken von
Provadis. Eine detaillierte Analyse der ist-Situation sowie der zu erwartenden
unternehmensentwicklung in den nächsten Jahren in bezug auf den Fachkräfte-
bedarf in bestimmten bereichen gewährleistet, dass genau die erforderlichen
Ausbildungsplätze besetzt werden und die Qualifizierung der neuen, aber auch
der bereits vorhandenen mitarbeiter rechtzeitig und zielgerichtet erfolgt.
die professionelle Auswahl geeigneter bewerber ist ein wichtiger Erfolgsfak-
tor für Ausbildungsunternehmen. Jeder Abbrecher verursacht hohe Kosten für
das unternehmen, und für die jungen menschen kann es eine frustrierende
Erfahrung sein, wenn sie zunächst den falschen beruf wählen. Provadis hat hier
umfangreiche Erfahrungen und verfügt über viele möglichkeiten, damit auch
wirklich nur geeignete bewerber ausgewählt werden: die Palette reicht von
berufsorientierungstests über intensive interviews und Assessment-Center bis
hin zu einer wissenschaftlichen Eignungsdiagnostik.
Neben den rein fachlichen inhalten, die durch den ständigen Kontakt mit den
Ausbildungsunternehmen kontinuierlich weiterentwickelt und an den sich ver-
ändernden bedarf angepasst werden, gehört auch die kompetenzorientierte
Ausbildung junger menschen zur Provadis-Philosophie. die vermittlung von
Sozial- und methodenkompetenz, aber auch von Selbst- und Handlungskompetenz
ist fester bestandteil der Ausbildung.
Qualifizierung als bestandteil der unternehmensstrategie
Ebenso wichtig wie die Ausbildung junger menschen ist die permanente Qualifi-
zierung der vorhandenen mitarbeiter. Zum einen durch viele Weiterbildungsan-
geboten und E-Learning-Tools, die Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
ohne zeitaufwändige Präsenz-Seminare ermöglichen. Zum anderen bietet die
Provadis School of international management and Technology die möglichkeit,
international anerkannte bachelor-Abschlüsse in den Studiengängen business
Administration, business informa tion management, Chemical Engineering und
biopharma ceutical Science und master-Abschlüsse in den Studiengängen indus-
trial management und industrial Chemistry zu erwerben. Auf diese Weise können
sich motivierte und leistungsfähige mit arbeiter zusätz liche Qualifikationen aneig-
nen und sich damit neue Perspektiven für die eigene Karriere schaffen, ohne dass
sie eine berufliche Zwangspause einlegen und auf Einkommen verzichten müssen.
die unternehmen haben den vorteil, dass die Studierenden der Firma erhalten
bleiben, ihr neues Wissen bereits in den Ar-
beitsalltag einbringen und nach beendigung des
in der Regel drei einhalbjährigen Studiums für
neue, anspruchsvollere Aufgaben eingesetzt
werden können. die Provadis-Hochschule ist mit
derzeit rund 700 Studierenden ein Erfolgsmodell,
die Nachfrage nach den Studienplätzen ist groß.
mit dieser bandbreite an Aktivitäten und Angeboten ist Provadis gut auf gestellt,
um beim Kampf gegen den Fachkräf temangel für unternehmen der
Chemie- und Pharmabranche ein wertvoller Partner zu sein – ein Partner, der
aufgrund der veränderungen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu einem
wichtigen Erfolgsfaktor für Chemie- und Pharmaunternehmen werden kann.
„KaMPf uM Die fäHig Sten KöPfe WiRD HäRteR.“
Provadis Partner für bildung und beratung
Provadis Partner für bildung und beratung ist ein unternehmen der infraserv-Höchst-
Gruppe. mit rund 1.400 Auszubildenden und über 10.000 Weiterbildungsteilnehmern
an den Standorten Frankfurt und marburg gehört Provadis zu den führenden Anbie-
tern von bildungsdienstleistungen in Hessen. Rund 400 internationale Kunden nutzen
in Partnerschaften und Kooperationen das Know-how von Provadis auf den Gebieten
der Aus- und Weiterbildung, der Personal- und Organisationsentwicklung und bei
der Entwicklung von E-Learning-Konzepten.
An der Provadis School of international management and Technology studieren über
700 Studenten in dualen und berufsbegleitenden Studiengängen mit inter national
anerkannten bachelor- und masterabschlüssen.
perspectives magazin20 >> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – mANAGiNG iNNOvATiON
>> vON dER foRSCHung ZuR MaRKtReife Clariant bündelt innovationen im industriepark Höchst
Wie bei einem guten gericht braucht es für ein erfolgreiches
unternehmen die rechten zutaten in der richtigen Menge. Kosten-
effizienz ist eine solche zutat. „Wir sind jedoch davon überzeugt, dass
der Schwerpunkt spezifisch auf innovation gelegt werden muss, um
nachhaltig erfolg zu haben“, eröffnete Dr. ulrich ott, geschäftsführer
der Clariant Verwaltungsgesellschaft und der Clariant Produkte, sei-
nen Vortrag. Der Schweizer Clariant-Konzern ist ein führender Her-
steller von Spezialchemikalien.
Klarer Weg von der idee zum Produkt
„Solides Wachstum entsteht jedoch nicht wie ein Wunder durch ein paar gute
ideen“, erläuterte Ott. „vielmehr muss dazu auf die genaue Erkundung angrenzen-
der Technologien, märkte und neuer Wachstumsfelder gesetzt werden.“ 2010
startete Clariant daher die „Clariant Excellence initiative“ (Cix), um für Forschung
und Entwicklung sowie den innovationsprozess
optimale bedingungen zu schaffen. durch Cix
wird jedes Segment in der Portfoliomatrix aus
Kerntechnologie, angrenzenden und ganz neu-
en Technologien mit den nötigen Ressourcen
ausgestattet. Prioritäten setzt Clariant dabei auf
Gebieten, von denen das unter nehmen einen
deutlichen beitrag zu profitablem Wachstum und nachhaltigen Erfolg erwartet.
„Kaufmännisch ausgedrückt heißt das: F&E wandelt Geld in Wissen – und innova-
tionen machen aus Wissen wieder Gewinne für das unternehmen“, so dr. Ott.
die verwaltung von derzeit rund 370 Forschungsprojekten mit einem um-
satzpotenzial von einer milliarde Schweizer Franken erfordert einen exakt defi-
nierten „idea-to-market-Prozess“. im ersten Schritt (Scout) werden ideen gesucht
und zu Geschäftschancen entwickelt. danach werden diese zu einem Service
oder Produkt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf kommerzielle verwertbarkeit aus-
gebaut (Scope). Schritt drei ist die überführung in ein kommerzielles Produkt
(Execute).
in der anschließenden vierten „Commercialize“-Phase bleibt das Projektteam
bis zu 24 monate zusammen, um die markteinführungsphase zu begleiten und
gegebenenfalls korrektiv einzugreifen. Alle Phasen werden über definierte Kenn-
zahlen (KPis) auch kaufmännisch überwacht.
innovation Center ist neuer think-tank
Cix ist aber nicht nur eine strukturierte vorgehensweise innerhalb des
unternehmens. Ab 2013 hat innovation bei Clariant auch ein neues Zuhause: das
„Clariant innovation Center“. mit einer investit ionssumme von rund
100 millionen Euro werden auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern Forschung
und Entwicklung, technische Applikationslabors und das technische marketing
für mehrere bereiche unter einem dach zusammengefasst. 500 Personen werden
dort an modernsten Arbeitsplätzen in offener Atmosphäre die innovationen vor-
antreiben. Standort des Centers ist der industriepark Höchst. „Natürlich hätte
man ein solches Zentrum auch an einem Ort außerhalb deutschlands errichten
können, wo bau- und Personalkosten geringer sind. Aber wir wollten die Nähe
zur starken Technologie- und Wissensbasis im Rhein-main-Gebiet sowie eine
zukunftsorientierte infrastruktur am Standort – und wollten gleichzeitig ein klares
bekenntnis zum innovationsstandort deutschland abgeben“, betonte dr. Ott.
bekenntnis zu „tank und teller“
um den Ansatz der Forschung zu verdeutlichen,
stellte dr. Ott beispielhaft aktuelle innovationen von
Clariant vor: die geschätzte Lebensdauer einer mit
dem neuen Kathodenmaterial Life Power® P2 auf
basis von Lithium-Eisenphosphat hergestellten
batterie beträgt etwa 4.000 Ladezyklen oder zehn
Jahre. mit Exolit®, einem nicht halogenierten Flammschutzmittel, versehene ma-
terialien verhindern oder verlangsamen die Entstehung und Ausbreitung von
bränden. „State of the Art“ ist auch die zweite Generation bioethanol: dabei wird
Stroh anstelle von Nahrungsmitteln eingesetzt. „die Frage ‚Tank oder Teller‘ be-
antwortet Clariant so ganz klar mit ‚Tank und Teller‘“, hob der Geschäftsführer
hervor.
„bei Clariant gibt es drei wesentliche Erfolgsfaktoren für eine nachhaltig er-
folgreiche innovation“, fasste Ott zusammen. Zum einen die verpflichtung der
unternehmensspitze zu einem klaren strategischen Schwerpunkt auf innovation.
Zweitens ist die initiative Cix eng mit der Strategie und einer strukturierten Ein-
bindung der mitarbeiter verbunden. Ott schloss seinen vortrag mit den Worten:
„drittens sind die menschen der Schlüssel. Wir leben unsere Werte, fördern kon-
tinuierlich unsere Fähigkeiten und nutzen die vielfalt und Kreativität in unserem
unternehmen.“
DR. uLRiCH ott
GESCHäFTSFüHRER dER
CLARiANT vERWALTuNGSGESELLSCHAFT
uNd dER CLARiANT PROduKTE
HiGH-TECH-FORSCHuNGSPROJEKTE ERFORdERN EiNEN ExAKT dEFiNiERTEN „idEA-TO-mARKET-PROZESS“.
>> STRuCTuRE ANd PROCESSES – “iDea-to-MaRKet” AT CLARiANT.
ideation Scouting evaluationDeep divingProof of concept
DevelopmentPilotingLaunching
MeasurementMonitoring
SCOuT SCOPE ExECuTE COmmERCiALiZE
Project & Portfolio management is key 370 R&d projects across Clariant Pipeline value (Sales@maturity) > CHF 1 billion
„SoLiDeS WaCHStuM entSteHt niCHt DuRCH ein
PaaR gute iDeen.“
perspectives magazin 21>> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – mANAGiNG SiTE RELOCATiON
>> JAHRHuNdERTPROJEKT „tigeR ReLoCation“ticona: erfolgreiche Produktionsverlagerung in den industriepark Höchst
70 Meter flughöhe über dem Chemiewerk ticona beim Lande-
anflug – ein zu hohes Sicherheitsrisiko. nach einem mehrjährigen
interessenkonflikt um den bau der neuen nordwest-Landebahn wur-
de ende 2006 schließlich eine Lösung zwischen der hessischen Landes-
regierung, der fraport ag als betreiber des flughafens Rhein-Main
sowie der ticona, einer 100-prozentigen tochter des amerikanischen
Chemiekonzerns Celanese, erzielt: Das Kelsterbacher Werk der
ticona wird auf Kosten der fraport umgesiedelt, um den ausbau des
frankfurter flughafens zu ermöglichen. Das „tiger-Relocation-Projekt“
– tiger steht für „ticona germany“ – konnte starten. 2011 wurde die
neue Produktionsanlage schließlich in betrieb genommen.
industriepark Höchst macht das Rennen
„Zunächst stellte sich die Frage, wohin die Produktionsbetriebe überhaupt um-
ziehen können“, sagte Arno Rockmann in seinem vortrag. Er ist Site director von
Celanese im industriepark Höchst. „Klar war von Anfang an, dass der neue Stand-
ort in deutschland liegen sollte.“ Ticona fertigt Polyoxymethylen, abgekürzt POm.
basis des Stoffes ist methanol. POm wird unter den markennamen Hostaform©
und Celcon© vertrieben und wird unter anderem in der Automobilindustrie, in der
medizintechnik und im Flugzeugbau eingesetzt. Ende 2006 wurden 56 Chemieparks
in deutschland identifiziert, die als Standort der neuen Produktionsanlage in
Frage kamen. Zunächst wurden die Grundparameter festgelegt. Hierzu gehörten
Flächenbedarf, verfügbarkeit des Rohstoffs methanol, benötigte mengen an
Elektrizität und dampf sowie genügend Kapazitäten für die Abfallbehandlung.
Wichtig war zudem, zeitnah alle erforderlichen Genehmigungen zu erhalten. Acht
Standorte kamen in die engere Auswahl.
diese potenziellen Standorte wurden nun genau unter die Lupe genommen.
bewertet wurden die Kosten, die infrastruktur und die möglichkeit, mit dem vor-
handenen qualifizierten Personal weiterproduzieren zu können. Nach sorgfältiger
Abwägung aller Faktoren fiel mitte 2007 die Entscheidung: der industriepark
Höchst sollte neuer Produktionsstandort der Ticona werden.
Mehr als 8.000 tonnen Stahl
So begann ein „Jahrhundertprojekt“ – vergleichbare Engineering-maßnahmen
hat es in der europäischen Chemieindustrie in den letzten 15 Jahren nicht ge geben.
über 400 ingenieure erbrachten rund eine million Engineering-Stunden, bis die
neue Anlage gebaut werden konnte. mit dabei waren auch 20 Spezialisten von
Celanese, die den Know-how-Transfer für den Relocator gewährleisteten.
Schon die nackten Zahlen beeindrucken: 40.000 Kubikmeter beton, 800 Kilo-
meter Kabel, 8.000 Tonnen Stahl und 82 Kilometer Pipeline wurden verbaut und
3.800 Apparate und Geräte bewegt. infraserv Höchst war zuständig für die infra-
strukturelle Erschließung. „Wir waren mit der professionellen unterstützung der
Kollegen von infraserv Höchst in allen bereichen und über den gesamten Projekt-
zeitraum sehr zufrieden“, bescheinigte Rockmann die gute Leistung.
Reibungslosen Produktionsübergang sicherstellen
Eine der großen Herausforderungen des umzugs bestand darin, 2011 einen weit-
gehend reibungslosen übergang zwischen dem Herunterfahren der alten Produk-
tion in Kelsterbach und der inbetriebnahme der neuen Anlage sicherzustellen – vor
allem wenn man bedenkt, das Ticona rund 2.000 verschiedene Produkttypen fertigt.
besonderes Augenmerk richteten vertrieb und marketing von Ticona auf ihre
Kunden, die während der verlagerung stets betreut wurden. Hier stand ein spe-
zielles Team bereit, um sich um alle belange zu kümmern und jederzeit den gewohnt
hohen Standard an Kundennähe und Service sicherzustellen.
Während der gesamten bau- und inbetriebnahmephase hatte das Thema
Sicherheit für Celanese allerhöchste Priorität. „Wir machen dinge auf sichere Art
und Weise oder gar nicht“, betonte Rockmann ausdrücklich. dies ist kein Lippen-
bekenntnis, wie die 1.000-mann-Quote von nur 1,5 zeigt: die durchschnittliche
Kennzahl für Arbeitsausfälle durch unfälle liegt in der deutschen Chemieindustrie
fast zehn mal so hoch. diese Sicherheitsleistung wird besonders deutlich, wenn
man sich vor Augen führt, dass täglich bis zu 1.200 Personen aus zahlreichen
Ländern und Kulturkreisen auf der baustelle gearbeitet haben und in dieser Zeit
mehr als fünf millionen Arbeitsstunden erbracht haben.
mit der inbetriebnahme der neuen Produktionsanlage im industriepark Höchst
wurde ein einmaliges Jahrhundertprojekt erfolgreich zum Abschluss gebracht.
aRno RoCKMann
SiTE HEAd vON CELANESE
Am iNduSTRiEPARK HöCHST
>> PROJECT MiLeStoneS.
nov 2006 Fraport and Celanese agreed to
S/d Kelsterbach site until mid-2011 Site selection process started
May 2008 Construction permit received
end 2010 mechanical completion Start functional checks
Sep 2011 Grand opening ceremony Continuous operations at iPH
Jul 2007 Site selection process completed Permit approval process started
Sep 2008 Ground breaking
Jul 2011 Trial operations mode S/d operations at Kelsterbach
diE PROduKTiONSvERLAGERuNG vON TiCONA – EiN JAHRHuNdERTPROJEKT miT STRAFFEm ZEiTPLAN.
perspectives magazin22 >> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – mANAGiNG SuSTAiNAbLE dEvELOPmENT
>> mACHE naCHHaLtigKeit Zu dEiNEm geSCHäftSMoDeLL!Perspektiven eines Standortbetreibers über den erfolg von morgen
„Die grenzen unserer industrieparks dürfen nicht zu den grenzen des
Wachstums werden“, so formulierte es Dr. Roland Mohr, geschäfts-
führer von infraserv Höchst. Die nachhaltige entwicklung des unter-
nehmens in den Dimensionen Mitarbeiter, umwelt, gesellschaft und
Wirtschaftlichkeit bietet dabei viele Chancen, denn: „Das thema
nachhaltigkeit wird durch die endlichkeit der Rohstoffe oberste
Priorität erhalten und sich in allen erfolgreichen geschäftsmodellen
wiederfinden.“ für Standortbetreiber heißt das im Klartext: nur wenn
es gelingt, Synergieeffekte in Verbünden jenseits der eigenen unter-
nehmens- und Werkstore aufzubauen, kann nachhaltiger und wachs-
tumsorientiert produziert werden.
erfolgsbeispiel industriepark Höchst
infraserv Höchst hat in diesem bereich Erfahrung. das unternehmen ist ein füh-
render Standortbetreiber für die chemische industrie, die Pharmaindustrie und
verwandte Prozessindustrien. Größte Referenz ist der industriepark Frankfurt-
Höchst. Auf 460 Hektar Fläche sind mehr als 90 Gesellschaften angesiedelt, rund
22.000 menschen arbeiten in etwa 800 Gebäuden und 120 Produktionsanlagen.
viele Kunden gehören zu den Top 10 der beiden branchen. die Leistungen von
infraserv Höchst reichen von der beratung über den betrieb bis hin zum manage-
ment ganzer Standorte. mit ihrem integrierten Portfolio aus Site-Services,
Energien, Entsorgung und Logistik gewährleistet infraserv Höchst den sicheren,
effizienten und nachhaltigen Standortbetrieb; Kunden können sich ganz auf ihr
Kerngeschäft konzentrieren.
zukunftssichere energieversorgung als Chance
die Energiefrage ist einer der größten Hebel in bezug auf Ressourcenschonung
und Klimaschutz, aber für unternehmen auch die größte Herausforderung. das
eigene beispiel zeigt: infraserv Höchst sorgt im Auftrag der Kunden für rund ein
Prozent des deutschen Strombedarfs. da ist es wichtig, alle Optimierungs-
möglichkeiten zu nutzen, auch bei den Sekundärprozessen und der Standort-
infrastruktur. „Gerade hier ruht ein oft unterschätztes Potenzial“, so dr. mohr. dies
umso mehr, als sich gerade in deutschland die Struktur der Energieversorgung
rasant verändert, und das zunehmend getrieben durch Regulierung. „Regulierung
ist nicht hilfreich für märkte, aber sie ist vielleicht gut für das Geschäft“, meint
dr. mohr. denn die Ansprüche der Chemieindustrie ändern sich durch die
Energiewende nicht: Sie fordert weiterhin eine versorgungssichere und bezahl-
bare Energieversorgung. und hier liegt die Chance für Standortbetreiber wie
infraserv Höchst.
flexibilität in der energienutzung ist trumpf
infraserv Höchst sieht kurzfristig drei Hebel, dem Energiewandel erfolgreich zu
begegnen: Zunächst gilt es, erneuerbare Energien durch die verwendung von
biogas oder Abfallenergie-Konzepte zu nutzen. „Es ist unwichtig, ob man diese
Entwicklung mag. Aber man kann zumindest ein Geschäftsmodell daraus machen“,
so der Geschäftsführer. der zweite Hebel heißt Energieeinsparung. Es ist der
effizienteste Weg, die Kosten zu senken, indem man Energie gar nicht erst ver-
braucht. Während einzelne betriebe bereits für sich optimiert sind, liegen die
Potenziale häufig an den Schnittstellen, sprich zwischen betrieb A und betrieb b,
zwischen Lieferant und Kunde. Gemeinsame Projekte helfen, ein Gesamtoptimum
zu erzielen.
Energieeffizienz schließlich ist Hebel Nummer drei. Für industrieparks bei-
spielsweise lohnt sich die Energieerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung, wie
es infraserv Höchst vormacht: die Effizienz liegt bei mehr als 90 Prozent. im
industriepark Höchst konnten trotz Anstieg in der Energienachfrage so die ge-
samten CO2-Emissionen um 160.000 Tonnen pro Jahr gesenkt werden.
Verbund über eigene grenzen hinweg
Schon heute sind industrieparks häufig Teil eines effizienten Energieverbunds.
mittelfristig können durch die integration in die Region, also z. b. die Kooperation
mit Städten und Gemeinden, weitere Synergien hergestellt werden. infraserv treibt
diese Entwicklung heute bereits voran, etwa durch die Aufarbeitung von biogas
für das öffentliche Netz, eine Wasserstofftankstelle und die Entsorgung kommu-
naler Klärschlämme. So lassen sich infrastrukturen und Stoffströme effizient und
nachhaltig nutzen. Geplant ist darüber hinaus, Wärme- und Kältenetze zu koppeln
und auch die Stadt damit zum Teil zu versorgen. Solche verbünde, die durch neue
Technologien zukünftig wirtschaftlich noch attraktiver werden können, ermöglichen
eine nachhaltige Entwicklung. denn nur eine solche ist der Schlüssel, um in deutsch-
land langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. dr. mohr bringt es auf den Punkt:
„die Champions von morgen setzen schon heute auf einen nachhaltigen Kurs.“
DR. RoLanD MoHR
GESCHäFTSFüHRER vON
iNFRASERv HöCHST
>> FuTuRE iNduSTRY NEEdS CALL FOR
sustainable energy use and generation – TOdAY.
actions today Emissions monitoring Reduce of carbon footprint Self-reliant energy production:
decoupling from volatile markets Explore and testing of new technologies Strengthen of energy networks Reuse of material integrated energy and disposal system:
Waste-to-energy Help customers: Consulting services investment in efficiency:
Low energy buildings
needs in 2020ENviRONmENT Higher efficiency increased share of renewables
SOCiETY Less emissions and less waste New technologies
EmPLOYEES Attractive sector to work in
ECONOmY Stable and secure prices New business opportunities
diE WEiCHEN FüR EiNE NACHHALTiGE ENERGiEERZEuGuNG WERdEN bEREiTS HEuTE GESTELLT.
„EFFiZiENTE ENERGiEvERbüNdE SCHAFFEN SYNERGiEN.“
perspectives magazin 23
Was bedeutet „nachhaltigkeit“ für ein industrieunternehmen wie
infraserv Höchst und wie geht man erfolgreich damit um? im interview
steht Dr. Roland Mohr Rede und antwort.
Handelt es sich um den Megatrend der nächsten Jahre, geht es um
Marktchancen für unternehmen oder vielleicht doch nur um einen
Modebegriff?
>> Dr. Roland Mohr: der begriff Nachhaltigkeit wird für meinen Geschmack
etwas inflationär in sehr vielen und zuweilen sehr unterschiedlichen Zusammen-
hängen gebraucht. dennoch ist die bezeichnung megatrend auf alle Fälle zutref-
fend. Wir alle werden uns verstärkt mit den Auswirkungen unseres Handelns
beschäftigen, als unternehmen wie auch im privaten bereich, in Wirtschaft und
Politik. Für uns als unternehmen bedeutet Nachhaltigkeit, dass wir die Notwen-
digkeit sehen, den langfristig angelegten wirtschaftlichen Erfolg mit den ökono-
mischen, ökologischen und sozialen bedürfnissen der Gesellschaft in Einklang zu
bringen, und diese vorgabe bei allen Projekten berücksichtigen, in allen bereichen
des unternehmens. mit dieser Grundhaltung, die in ähnlicher Form auch heute
schon bei anderen unternehmen anzutreffen ist und die sich sicherlich immer
mehr durchsetzen wird, sind auch Chancen verbunden.
Welche Chancen sprechen Sie konkret an?
>> Dr. Roland Mohr: das beginnt bei der Ak-
zeptanz für unternehmerisches Handeln. Firmen,
die das Prinzip der Nachhaltigkeit berücksichti-
gen, werden von Politik und Gesellschaft sicher-
lich ganz anders wahrgenommen als jene unter-
nehmen, die nur in Quartalen und nicht in
dekaden denken und handeln. Es gibt aber auch
ganz handfeste wirtschaftliche vorteile, die sich durch nachhaltiges Handeln re-
alisieren lassen. Energieeffizienz ist da ein zentrales Stichwort: der effiziente
umgang mit Energie ist schon heute für unternehmen in energie intensiven bran-
chen ein zentraler Kosten- und Wettbewerbsfaktor. Ein hohes maß an Energie-
effizienz ist auch gleichbedeutend mit Ressourcenschonung und Klimaschutz.
Wer hier konsequent auf innovative Konzepte setzt, hat Wettbewerbs vorteile.
Wird der Megatrend „nachhaltigkeit“ die industrielandschaft in
Deutschland verändern?
>> Dr. Roland Mohr: Wir werden in deutschland in bezug auf die industries-
tandorte klassischer branchen einen Wandel erleben, der primär vom Wettbewerb
ausgehen wird, aber bei dem der Aspekt der Nachhaltigkeit auch von bedeutung
ist. Es wird eine Konsolidierung geben, da die Kosten für die infrastruktur, die
produzierende unternehmen benötigen, an kleinen Standorten unverhältnismäßig
hoch sind. dagegen bieten große industriestandorte mit möglichst vielen Nutzern
und einer gemeinsamen infrastruktur enorme Kostenvorteile. Ein Entsorgungs-
verbund oder eine gemeinsam genutzte Energieerzeugung kann sehr viel effizi-
enter betrieben werden, was natürlich auch unter ökologischen Gesichtspunkten
Sinn macht. Nachhaltigkeit heißt in diesem Zusammenhang: die gemeinsame
Nutzung einer industriellen infrastruktur reduziert die Auswirkungen auf die
umwelt, sorgt für optimale Kostenstrukturen und trägt über die Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit aller beteiligten unternehmen zur Sicherung der Arbeits-
plätze bei.
Können Sie die nachhaltigkeit im unternehmerischen Handeln belegen
oder messen?
>> Dr. Roland Mohr: Ja. Wir haben ein System
implementiert, bei dem alle investitionsentschei-
dungen auf verschiedene Nachhaltigkeits aspekte
hin überprüft und bewertet werden. investitionen
müssen wirtschaftlich Sinn machen, aber wir
bewerten nicht allein Einsparpotenziale und
Kapitalrücklaufzeiten, sondern auch Auswir kungen auf unsere Nachhaltigkeits-
ziele. dieser Nachhaltigkeits-Check wird bei allen Projekten mit einer Größenord-
nung ab 25.000 Euro angewendet.
gibt es auch im industriellen bereich Möglichkeiten, alternative
energien einzusetzen?
>> Dr. Roland Mohr: Wir haben ein für den industriellen bereich zukunftswei-
sendes Waste-to-Energy-Konzept realisiert, bei dem wir heizwertreiche Fraktio-
nen von Siedlungs- und Gewerbeabfällen zur Energieerzeugung nutzen und in
einer der größten biogasanlagen deutschlands aus organischen Abfällen und
Klärschlämmen biogas produzieren. mit diesem erfolgreichen Energiekonzept
sind wir zweifellos vorreiter in Sachen Energieeffizienz im industriellen umfeld.
Auf diese Weise praktizieren wir Nachhaltigkeit – Tag für Tag, Jahr für Jahr – und
wir sorgen nicht zuletzt gemeinsam mit unseren Kunden dafür, dass sich der
industrie park Höchst nachhaltig positiv entwickelt. Wir können unsere erfolgrei-
chen Konzepte auch auf andere Standorte übertragen, so dass viele unternehmen
von unseren Erfahrungen profitieren können.
>> naCHHaLtigKeit ALS TAGESGESCHäFTinfraserv Höchst realisiert innovative Konzepte für industrieunternehmen
DR. RoLanD MoHR, GESCHäFTSFüHRER vON iNFRASERv HöCHST
„ein naCHHaLtigKeitS-CHeCK WiRD bei aLLen gRoSSen PRoJeKten angeWenDet.“
>> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – SuSTAiNAbiLiTY SPOTLiGHT
perspectives magazin24 >> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – mANAGiNG THE ENERGY SHiFT
>> effizienz SiCHERT WETTbEWERbSFäHiGKEiT optimierung und Kooperation als entscheidende erfolgsfaktoren
„energieeffizienz“ gehörte in der chemischen industrie bereits zum
tagesgeschäft, als der begriff noch lange nicht in aller Munde war.
Die branche hat in den vergangenen 20 Jahren bereits sehr viel getan,
um den eigenen energieverbrauch zu senken. Das gilt in besonderer
Weise für Deutschland, aber auch insgesamt für europa und die uSa.
Dabei steht die Chemieindustrie im Vergleich zu anderen industrie-
zweigen überdurchschnittlich gut da.
der Grund für das Sparen: die ständig steigenden Energiekosten und daraus
resultierende wirtschaftliche Zwänge. doch die Effizienzverbesserungen reichten
nicht aus, um steigende Energiepreise zu kompensieren. Stattdessen stieg der
Energiekostenanteil weiter an. „daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern“,
sagte dr. Alexander Keller, Partner im beratungshaus Roland berger Strategy
Consultants. Rohstoffe, die nur begrenzt zur verfügung stehen, werden teurer
und Regularien wie beispielsweise das Erneuerbare-Energien-Gesetz in deutsch-
land können weitere Kosten verursachen.
neue technologien in der Produktion
Energie bleibt daher auch weiterhin ein wichtiges Thema auf der Agenda der
chemischen industrie. um Energie zu sparen, kann ein unternehmen grundsätz-
lich in zwei bereichen ansetzen. „die beiden Stellhebel liegen ‚inside battery limits‘,
also innerhalb der eigenen Produktion, und ‚outside battery limits‘, außerhalb des
eigenen Firmenzauns“, erläuterte dr. Keller.
der Großteil der von der Chemieindustrie verbrauchten Elektrizität wird für
die Kernprozesse benötigt. mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs entfällt
allein auf maschinenantriebe. und bereits heute werden Technologien genutzt,
die den verbrauch senken. beispiele sind etwa Elektromotoren mit kontrollierter
Rotationsgeschwindigkeit oder Techniken, die kinetische Energie von motoren
zurückgewinnen.
untersuchungen von Roland berger zeigen, dass die Energieeffizienz inner-
halb der Produktion in den kommenden 40 Jahren um rund 37 Prozent gesteigert
werden kann. 16 Prozent ergeben sich dabei aus der konsequenten Nutzung
bereits vorhandener effizienter Technologien. 21 Prozent versprechen sich die
unternehmen von technischen möglichkeiten, die noch zu entwickeln sind.
industrieparks steigern effizienz
der zweite Hebel zur Kostensenkung liegt außerhalb der eigenen Produktion und
umfasst etwa die versorgung mit erforderlicher Energie in Form von Strom, dampf
oder Kühlwasser. um diese möglichst effizient und kostengünstig zu beschaffen,
bieten sich Kooperationen in industrieparks an. dabei fußt die Entstehung dieser
Parks in deutschland auf einem umfassenden strukturellen Wandel innerhalb der
chemischen industrie. Nach der ersten veränderungswelle in den 90er Jahren, in
der große Konzerne umstrukturiert wurden und unter anderem der industriepark
Höchst als einer der ersten branchenspezifischen industriestandorte entstand,
und einer zweiten Phase, in der große Konzerne ihre Standorte für externe un-
ternehmen öffneten, läuft nach den Worten Kellers derzeit die dritte Phase:
Neue unternehmen und insbesondere Start-ups nutzen industrieparks nun ganz
gezielt wegen deren Standortqualitäten. Eine Studie von Roland berger zeigt, dass
die versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Preise für unternehmen die
wichtigsten Gründe sind, um sich in industrieparks niederzulassen. beide Aspek-
te sind mit dem Thema Energie eng verbunden.
Verbünde haben größtes Potenzial
Ein Paradebeispiel, um die Effizienz der Energieerzeugung zu steigern, sind Kraft-
werke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Für ein einzelnes unternehmen ist es meistens
ökonomisch wenig sinnvoll, ein solches Kraftwerk zu betreiben. Für einen indus-
triepark mit mehreren Nutzern rechnet sich ein derartiges versorgungskonzept
jedoch – und senkt die Energiepreise für alle unternehmen, die dort angesiedelt
sind. doch der reine Energiespargedanke greift noch zu kurz. Konsequent weiter-
gedacht, senken umfassende verbundstrukturen weitere Kosten: die Neben- und
Abfallprodukte eines unternehmens können durchaus ein begehrter Rohstoff für
eine andere Firma sein und auf kurzem Weg weitergegeben werden.
Gerade durch solche Kooperationen in industrieparks kann die chemische
industrie nachhaltig sparen. „Optimierung und Kooperation sind demnach zwei
Seiten einer medaille“, resümierte dr. Alexander Keller.
DR. aLexanDeR KeLLeR
PARTNER im bERATuNGSHAuS
ROLANd bERGER STRATEGY
CONSuLTANTS
dAS ERFOLGSmOdELL „iNduSTRiEPARK“ SETZT SiCH WEiTER duRCH.
>> iN GERmANY, TOdAY‘S muLTi-uSER CHEmiCAL PARK ANd SiTE LANdSCAPE
iS SHAPEd bY THE ReSuLt of tHRee tRanSfoRMation WaVeS.
1. Wave ~1990–2000 Split-up of large companies Reorganization of large integrated companies
(e.g., Hoechst AG, Hüls AG) Legal spin-off of infrastructure entities, mostly
under the umbrella of a major user
2. Wave ~2000–2010 opening of former single-user locations Settlement of third companies at former single user
locations (e.g., bASF, bayer, Henkel) for
– reducing indirect costs
– optimizing material flows majority of industry parks still focused on
a major user Further opening of locations for third companies
expected
3. Wave since ~ 2000 business incubation for new ventures Park operators starting to attract start-up
companies beside attracting capacities from
incumbent players Access to well-developed chemical park infra-
structure and full portfolio of services if necessary, start-ups get connected with external
service providers and experts – thus access to
product and technology networks, research and
development groups, universities and colleges,
other companies and markets is offered
iNCREASiNG COOPERATiON
bETWEEN iNduSTRY PLAYERS
perspectives magazin 25>> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – ENERGY SPOTLiGHT
>> dER iNduSTRiEPARK HöCHST iST eneRgieautaRKinnovativer energiemix stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Standortfirmen
Der industriepark Höchst ist nicht mehr auf externe energielieferungen
angewiesen. Seit ende 2011 kann der Standort mit seinen
90 unternehmen und rund 120 Produktionsanlagen durch eigene er-
zeugungsanlagen versorgt werden. Dabei ist der energiebedarf des
Standortes gewaltig: Mit rund 1.800 gigawattstunden verbrauchen
die unternehmen am Standort etwa so viel Strom wie eine Stadt mit
600.000 Haushalten, und der Wärmebedarf von 2.850 gigawattstunden
entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 140.000 ein-
familienhäusern.
70 Millionen euro für neue gasturbinenanlage
infraserv Höchst, als Standortbetreibergesellschaft unter anderem auch für die
Energieversorgung des Standortes verantwortlich, betreibt das Heizkraftwerk
des industrieparks, das bereits vor einigen Jahren um eine moderne Gasturbinen-
anlage erweitert wurde. So können die vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung kon-
sequent genutzt werden. Ende 2011 wurde eine weitere Anlage mit zwei 45-mega-
watt-Gasturbinen in betrieb genommen. infraserv
Höchst investierte 70 millionen Euro in diese Ein-
richtung, mit der die Effizienz bei der Energiever-
sorgung der Standortgesellschaften weiter gestei-
gert wird. So liegt der Energieausnutzungsgrad
bei den von infraserv Höchst in Kraft-Wärme-
Kopplung betriebenen Anlagen bei mehr als 90
Prozent, während klassische Kohlekraftwerke, die
nur der Stromproduktion dienen, lediglich auf 40
bis 45 Prozent kommen. dieser effiziente umgang
mit natürlichen Energieträgern spiegelt sich auch
beim Kohlendioxidausstoß wider: im vergleich zu
herkömmlichen Energieerzeugungsanlagen spart
infraserv Höchst allein durch die Kraft-Wärme-
Kopplung pro Jahr rund 224.000 Tonnen CO2 ein.
Weitere 210.000 Tonnen Kohlendioxid werden pro
Jahr durch die Abwärmenutzung vermieden. denn
im industriepark Höchst wird die Abwärme aus den
verbrennungs- und Produktionsanlagen konse-
quent genutzt – fast ein Fünftel des gesamten
Wärmebedarfs kann auf diese Weise gedeckt
werden.
infraserv Höchst nutzt alternative
energieträger
infraserv Höchst setzt zudem auch auf alternative
Energieträger. So entstand im Südwesten des
Standortes eine Ersatzbrennstoffanlage, in der heizwertreiche bestandteile von
Siedlungs- und Gewerbeabfällen thermisch verwertet werden. der industriepark
Höchst ist auch Standort einer der größten biogasanlagen deutschlands. 15 mil-
lionen Euro investierte das unternehmen in den bau dieser Einrichtung, in der
organische Abfälle wie Fermentationsrückstände oder überlagerte Lebensmittel
zusammen mit einem Teil der am Standort anfallenden Klärschlämme in biogas
umgewandelt werden. Hierfür entwickelten die Entsorgungsexperten von infraserv
Höchst eigens ein neues verfahren, da industrielle Klärschlämme bislang als un-
geeignet für die biogasproduktion galten.
in der vergangenheit wurde das biogas verstromt und für die Energieversor-
gung des Standortes genutzt. Effizienter ist es allerdings, das biogas auf Erdgas-
qualität aufzubereiten und in das öffentliche versorgungsnetz einzuspeisen. Seit
2011 ist dies mit Hilfe einer bioerdgas-Aufbereitungsanlage möglich, die infraserv
Höchst gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger mainova errichtet hat
und betreibt – die Frankfurter Erdgasverbraucher können nun umweltfreundlich
erzeugtes bioerdgas aus dem industriepark Höchst beziehen.
erfolgsfaktor energiepreise
Kohle und Gas, Ersatzbrennstoffe und biogas, Ab-
wärmenutzung und Energieeffizienz – infraserv
Höchst setzt bei der Energieversorgung der
unternehmen im industriepark Höchst auf einen
breiten mix verschiedener Energieträger und Er-
zeugungsmethoden, um auf diese Weise die
Abhängigkeit von den marktentwicklungen im
Energiebereich zu reduzieren. Ein entscheidender
Erfolgsfaktor für die produzierenden unternehmen,
die auf diese Weise international wettbewerbsfä-
hige Energiepreise in Anspruch nehmen können.
die unabhängigkeit von den externen Energie-
märkten, die durch den kontinuierlichen Ausbau
der eigenen Erzeugungskapazitäten erreicht wer-
den konnte, trägt zur versorgungssicherheit
der Standortgesellschaften bei und sichert ein
relativ stabiles Preisniveau. Gleichzeitig bringt das
Energie konzept die Aspekte der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit und der Nachhaltigkeit, der
dynamik und der Ressourcenschonung in Einklang.
mit einem innovativen Energiemix und professio-
nellen versorgungskonzepten können industrie-
standorte nachhaltig betrieben werden und es
entstehen gleichzeitig Rahmenbedingungen, mit
denen die Wettbewerbsfähigkeit von unternehmen
gestärkt wird.
perspectives magazin26 >> mANAGEmENT uNd bETRiEb vON iNduSTRiESTANdORTEN – COmbiNiNG PERSPECTivES
>> PROFESSiONELLER STANdORTbETRiEb SCHAFFT StanDoRtVoRteiLeStandortkonsolidierung erfordert fokus auf Kernkompetenzen
gesellschaftlich akzeptiert, professionell arbeitsteilig organisiert und
international wettbewerbsfähig: So stellen sich experten der branche
in der zweiten Diskussionsrunde auf der >> PeRSPeCtiVeS 2012 die
erfolgreichen Standorte der zukunft vor. Die im ersten Panel
diskutierten entwicklungen wie beispielsweise globalisierung und
die Verknappung der Rohstoffe wirken sich natürlich auf die deutschen
Produktions- und forschungsstandorte aus; insgesamt ist mit
einer Konsolidierung zu rechnen. fazit der Diskussion: Professio nelle
Standortbetreiber können einen erheblichen beitrag dazu leisten, den
Wandel der branche erfolgreich zu gestalten.
industrieparkmodell ist global wettbewerbsfähig
„deutsche industrieparks können sich im internationalen Wettbewerb behaupten“,
stellte dr. ulrich Ott, Geschäftsführer der Clariant verwaltungsgesellschaft und
der Clariant Produkte fest. deutschland habe eine solide basis an Technologie,
die künftig weiterentwickelt werden kann, um effiziente und kosteneffiziente
Werkzeuge zu haben. dr. Alexander Keller, Partner im beratungshaus Roland
berger Strategy Consultants, gab allerdings zu bedenken, dass es jenseits der
Grenzen Europas durchaus andere Ansätze gibt, mit denen industrieparks Kunden
gewinnen wollen. „Gerade in China gibt es industrieparks, die mehr aus politischen
und weniger aus ökonomischen Gründen gebaut werden. diese Art von neuem
Wettbewerb könnte zukünftig bei Standortentscheidungen durchaus auch eine
Rolle spielen“, so Keller.
Herausforderungen gemeinsam meistern
die Frage, warum ein Chemieunternehmen einen industriepark als Standort
wähle, beantwortete Arno Rockmann, Site director von Celanese am industriepark
Höchst: „Wir möchten am Standort keine Heizkessel und keine Abfallbehand-
lungsanlage betreiben, sondern uns auf das Kerngeschäft konzentrieren.“ Neben
diesem technischen Aspekt gebe es jedoch auch eine gesellschaftliche Kompo-
nente: um die Akzeptanz der industriellen Aktivitäten von Chemieunternehmen
zu steigern, sei ein einheitliches Auftreten nicht nur gegenüber den Kunden,
sondern auch gegenüber den Nachbarn im unmittelbaren umfeld von Produk-
tionsstandorten und der öffentlichkeit wichtig. Hier könne ein Standortbetreiber
interessen bündeln und die Kommunikation effektiv gestalten. dies gelingt auf
kommunaler und landespolitischer Ebene schon sehr gut. Für die branche wird
es jedoch zunehmend entscheidend sein, die Perspektive der Chemieindustrie
auch auf europäischer Ebene einzubringen. denn: „Wenn man auf der bundes- und
Landesebene interagieren muss, ist es bereits zu spät“, so infraserv-Geschäfts-
führer dr. mohr.
auf den richtigen Partner kommt es an
Auch wenn in manchen bereichen ein reines Kunden-Lieferanten-verhältnis vor-
herrscht, gibt es jedoch viele Themen, bei denen die Zusammenarbeit sehr weit-
reichend ist. „insbesondere bei der Gesundheits- und Notfallversorgung reden
wir über eine echte Partnerschaft“, betont Arno Rockmann. unter stützung bei
der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen – zusammen mit dem Out sourcing
von Aktivitäten, die Clariant nicht als Kerngeschäft ansieht – ist laut dr. Ott ein
wichtiger vorteil von industrieparkbetreibern. „infraserv Höchst zeigt im industrie-
park, dass auf diese Weise Wettbewerbsvorteile entstehen können. Nicht zuletzt
deswegen haben wir unser Clariant innovation Center dort angesiedelt“, erläutert
dr. ulrich Ott.
Chancen auch im Strukturwandel
„Es wird eine Konsolidierung der deutschen Chemie- und Pharmastandorte geben“,
ist dr. mohr überzeugt. Ausschlaggebend sind aus seiner Sicht die steigenden
infrastrukturausgaben, die aufgrund genehmigungsrechtlicher Rahmenbedingun-
gen erforderlich werden. Aber jede veränderung birgt Chancen in sich. „Auch
ein Site-Exit muss angemessen gemanagt werden, Flächen müssen konvertiert
und nach möglichkeit wertstiftend entwickelt werden.“
Ein professionelles Asset Lifecycle management für immobilien und
infra struktureinrichtungen kann nach den Worten von dr. mohr dafür sorgen,
dass unternehmen in bezug auf die Kapitalsituation sehr viel flexibler und hand-
lungsfähiger werden. Klar ist: Einen „One size fits all“-Ansatz gibt es hier nicht.
„Jedes unternehmen muss für sich seine richtige Kerngeschäftsabgrenzung und
Asset-Strategie entwickeln.“ Standortbetreiber können und müssen individuelle,
integrierte Lösungen bieten, einhergehend mit deutlichen Kosten- und
Flexi bilitätsvorteilen. „diese Flexibilität auf allen Ebenen ist ein Kernbaustein für
den Erfolg der Chemieindustrie“, erklärte dr. mohr.
„WiR möCHTEN uNS AuF dAS KERNGESCHäFT KONZENTRiEREN.“
AN dER AbSCHLiESSENdEN diSKuSSiONS-RuNdE dER >> PERSPECTivES 2012 NAHmEN v.L.N.R. ARNO ROCKmANN, dR. ALExANdER KELLER, dR. uLRiCH OTT, dR. miCHAEL REubOLd, dR. ROLANd mOHR TEiL.
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7. Wettbewerbsrunde: Noch bis 10. August bewerben!
Standortbetrieb. Site ServiceS. energien. entSorgung. LogiStik.
>> Ihr VorteIl:UnSer Standortbetrieb.ob Site Services, energien, entsorgung, logistik oder kompletter Standortbetrieb: Profitieren Sie
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