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24 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ciuz.200400294 Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 24 – 35 Die Welt der vernachlässigten Dimensionen Kolloide T HILO HOFMANN Kolloide in der Wasserchemie – sie sind klein und schwierig zu untersuchen. Und doch nehmen sie in vielen aquatischen Systemen eine wichtige Rolle im Übergang zwischen gelösten Stoffen und der festen Materie ein. Sie beeinflussen die Speziation, können Schadstoffe „Huckepack“ transportieren oder sind selbst unerwünscht. Zu den aquatischen Kolloiden zählen anorganische und organische Kolloide natürlichen und anthropogenen Ursprungs, z.B. Tonkolloide, Huminstoffe, Rußpartikel, Tenside oder Mikroorganismen. Aus dem großen Forschungsbereich der Kolloide in Physik und Chemie soll in diesem Beitrag der Bereich der aquatischen Kolloide in natürlichen Gewässern, also Ozeanen, Flüssen, Seen und Grundwässern vorgestellt werden. Abb. 1 a, b, c, d Grundwasserkolloide, a = Netzwerk von kleinen anorgani- schen Kolloiden, welches vermutlich bei der Präparation der Probe für die Elektronenmikroskopie entstanden ist. Die einzelnen Kolloide haben eine Größe von 10 – 50 nm. b = Eisenkolloi- de, die bei der Oxidation von anaero- ben Grundwasser mit 50 mg/L Fe 2+ ent- standen sind und ein Netzwerk bilden (röntgenmikroskopische Aufnahme in Zusammenarbeit mit Dr. J. Thieme, Röntgenphysik, Göttingen). c = organi- sches Kolloid („Biokolloid“) aus einer anaeroben Grundwasserprobe im Rasterelektronenmikroskop. d = Ton- kolloid (Illit), welches bei einer Grund- wasserprobenahme mobilisiert wurde. K olloide sind ein intensiv untersuchtes und spannendes Forschungsfeld der Chemie. Das Wort Kolloid kommt aus dem Griechischen von „κολλα= Leim. Eine charak- teristische Eigenschaft der Kolloide ist ihre trübe, leimar- tige Beschaffenheit, die zum Beispiel bei Rauch, Nebel, Schaum, Milch, Blut, Kaffee, Tinten und Farben beobachtet wird. Sie begegnen uns im täglichen Leben als Reinigungs- mittel, Schmierstoffe, Kosmetika, Nahrungsmittel oder Arz- neimittel. In der Industrie haben sie in Flotationsmitteln, Gummis, Ledern, Kunststoffen, Leimen, Farben, Spreng- stoffen, und Seifen große Bedeutung. Traurige Bekanntheit erlangten die Kolloide 2002 als Träger von Anthraxsporen bei Terroranschlägen.

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24 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ciuz.200400294 Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 24 – 35

Die Welt der vernachlässigten Dimensionen

Kolloide THILO HOFMANN

Kolloide in der Wasserchemie – sie sind klein und schwierig zuuntersuchen. Und doch nehmen sie in vielen aquatischen Systemen eine wichtige Rolle im Übergang zwischen gelöstenStoffen und der festen Materie ein. Sie beeinflussen die Speziation, können Schadstoffe „Huckepack“ transportierenoder sind selbst unerwünscht. Zu den aquatischen Kolloidenzählen anorganische und organische Kolloide natürlichen und anthropogenen Ursprungs, z.B. Tonkolloide, Huminstoffe,Rußpartikel, Tenside oder Mikroorganismen.

Aus dem großen Forschungsbereich der Kolloide in Physik und Chemie soll in diesem Beitrag der Bereich der aquatischenKolloide in natürlichen Gewässern, alsoOzeanen, Flüssen, Seen und Grundwässernvorgestellt werden.

Abb. 1 a, b, c, d Grundwasserkolloide, a = Netzwerk von kleinen anorgani-schen Kolloiden, welches vermutlich bei der Präparation der Probe für dieElektronenmikroskopie entstanden ist.Die einzelnen Kolloide haben eineGröße von 10 – 50 nm. b = Eisenkolloi-de, die bei der Oxidation von anaero-ben Grundwasser mit 50 mg/L Fe2+ ent-standen sind und ein Netzwerk bilden(röntgenmikroskopische Aufnahme inZusammenarbeit mit Dr. J. Thieme,Röntgenphysik, Göttingen). c = organi-sches Kolloid („Biokolloid“) aus eineranaeroben Grundwasserprobe im Rasterelektronenmikroskop. d = Ton-kolloid (Illit), welches bei einer Grund-wasserprobenahme mobilisiert wurde.

Kolloide sind ein intensiv untersuchtes und spannendesForschungsfeld der Chemie. Das Wort Kolloid kommt

aus dem Griechischen von „κολλα“ = Leim. Eine charak-teristische Eigenschaft der Kolloide ist ihre trübe, leimar-tige Beschaffenheit, die zum Beispiel bei Rauch, Nebel,Schaum, Milch, Blut, Kaffee, Tinten und Farben beobachtetwird. Sie begegnen uns im täglichen Leben als Reinigungs-mittel, Schmierstoffe, Kosmetika, Nahrungsmittel oder Arz-neimittel. In der Industrie haben sie in Flotationsmitteln,Gummis, Ledern, Kunststoffen, Leimen, Farben, Spreng-stoffen, und Seifen große Bedeutung. Traurige Bekanntheiterlangten die Kolloide 2002 als Träger von Anthraxsporenbei Terroranschlägen.

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Ein kolloidales System besteht aus einem Dispersions-medium, meist Luft oder Wasser, in dem eine disperse Pha-se, beispielsweise ein Feststoff, Luft oder Wasser, gleich-mäßig verteilt ist. Der blaue Dunst von Zigarettenrauch istein anschauliches Beispiel des Faraday-Tyndall-Effektes, wodie kolloiden Rauchpartikel in dem Dispersionsmittel Luftverteilt sind.

Kolloide in der ForschungKolloide haben eine lange Geschichte in der Forschung.1827 beobachtete der Botaniker Brown erstmals die irre-guläre Bewegung von Bärlappsporen im Wasser. Graham,der „Vater der Kolloide“, definierte 1861 den Begriff Kollo-id als die Eigenschaft von Stoffen, durch Membranen zu diffundieren. Bei seinen Forschungen entdeckte er, dass Lö-sungen wie Kupfersulfat durch eine Membran diffundieren,während andere wie Leim, Stärke oder Gelantine zurück-gehalten werden [1]. Auf Grund dieser mechanischen Ei-genschaft teilte er die erste Gruppe der genannten Stoffein Kristalloide und die zweite Gruppe in Kolloide ein. Ein-stein, später Smoluchowski und Langevin, arbeiteten dieTheorie der Brownschen Bewegung aus. Für die Messungder Avogadrokonstanten anhand des Sedimentationsprofilseiner kolloidalen Dispersion erhielt Perrin 1926 den No-belpreis [2]. Derjaguin und Landau in Russland sowie Ver-wey und Overbeek in den Niederlanden entwickelten dienach ihnen benannte klassische DLVO-Theorie, welche dieWechselwirkung zwischen geladenen Objekten beschreibt[3, 4].

Die Kolloidchemie ist nicht nur in Deutschland mit den Namen Wolfgang Ostwald (1883-1943) und HerrmannStaudinger (1881-1965) verbunden. Wo. Ostwald (Wo. zurUnterscheidung von seinem Vater W. Ostwald) gilt als einerder Begründer der Kolloidchemie. Er übernahm 1907 dieLeitung der ersten Kolloidzeitschrift, heute Polymer andColloid Science, und veröffentlichte 1914 das bedeutendeBuch „Die Welt der vernachlässigten Dimensionen“ [1].

„Ich weiß keinen Zweig der heutigen Naturwissen-schaften, der derartig viele und verschiedenartige Interes-senkreise berührt, wie die Kolloidchemie. Gewiß, auchAtomtheorie und Radioaktivität interessieren heute jeden in-tellektuell wachen Menschen. Aber dies sind geistige Deli-katessen verglichen mit der Kolloidchemie, die für vieletheoretische und praktische Gebiete nötig ist heute wie dasliebe Brot.“( Wo. Ostwald)

Zeitgleich mit Ostwald, ihm jedoch kritisch gegen-überstehend, arbeitete der Nobelpreisträger Staudinger ankolloidalen Systemen. Er teilte diese unter Berücksichtigungder Bindungsart zwischen den Atomen der Kolloidteilchenin drei Gruppen ein: die Dispersionskolloide wie Farbenund mineralische Kolloide in Gewässern; die Molekülkol-loide, dazu zählen Polymere und natürliche organische Makromoleküle wie Huminstoffe; die Assoziationskolloide,beispielsweise Tenside und Waschmittel [5].

Nachdem die Kolloid- und Polymerwissenschaften lan-ge Jahre eine Domäne der Chemiker waren, haben sich die

Physiker in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit die-sem Forschungsgebiet befasst. Ein Comeback erlebte diePolymerphysik in den letzten 10 – 20 Jahren, welches sichin der Verleihung des Nobelpreises für Physik im Jahre 1991an De Gennes manifestierte. In den letzten ein bis zweiJahrzehnten hat sich das Studium der Selbstorganisationvon Tensidsystemen unter dem Einfluss neuer Ideen undMethoden aus der Physik, der Chemie und den Material-wissenschaften grundlegend gewandelt [6]. Weicher kon-densierter Materie, von Polymer-Werkstoffen bis zu kom-plexen Flüssigkeiten, kommt große Bedeutung in Grundla-genforschung und Technik zu. Hierzu zählen Nahrungs-

W I E W E R D E N KO L LO I DA L E S YS T E M E D E F I N I E R T U N D E I N G E T E I LT ?|IIUUPPAACC DDeeffiinniittiioonn vvoonn 11997711::Mindestens eine Dimension im Bereich von 1 – 1000 nm

EEiinntteeiilluunngg nnaacchh ddeemm AAggggrreeggaattzzuussttaanndd ddeerr ddiissppeerrggiieerrtteenn SSuubbssttaannzz uunndd ddeess DDiissppeerrssiioonnss--mmiitttteellss::Bezeichnung Kolloid Dispersionsmittel BeispieleFeste Sole Fest Fest Blaues Steinsalz, GoldrubinglasSuspensionen Fest Flüssig Kolloide in GewässernFeste Aerosole Fest Gas Tabakrauch, StaubFeste Emulsionen Flüssig Fest Milchquarz, Opal, PerlenEmulsionen Flüssig Flüssig Milch, Mayonnaise, ButterFlüssige Aerosole Flüssig Gas Nebel, HaarsprayFeste Schäume Gas Fest Bimsstein, StyroporFlüssige Schäume Gas Flüssig Seifenschaum, Flotation

EEiinntteeiilluunngg nnaacchh ddeerr BBiinndduunnggssaarrtt zzwwiisscchheenn ddeenn AAttoommeenn ddeerr KKoollllooiiddee ((SSttaauuddiinnggeerr))::DDiissppeerrssiioonnsskkoollllooiiddee = Der kolloidale Zustand stellt hier eine Zerteilungsform der Materiedar, der sich durch geeignete Methoden wie Zerkleinerung, Kondensation und Peptisati-on für die meisten Stoffe erreichen lässt, sofern sie nicht im Dispersionsmedium löslichsind (alle lyophoben Kolloide, z.B. Tonkolloide im Gewässern). Sie befinden sich thermo-dynamisch nicht im Gleichgewicht und neigen zur Auflösung oder Aggregation, so dasseine elektrostatische oder sterische Stabilisierung mit Schutzkolloiden zur Aufrechterhal-tung des kolloidalen Zustandes notwendig ist.MMoolleekküüllkkoollllooiiddee = Die Bindung der ca. 100 Atome, welche ein Kolloidteilchen aufbauen, erfolgt über Hauptvalenzen, z.B. Heteropolysäuren, Polysaccharide, Polyphosphate. DerAufbau ist prinzipiell gleich wie der einer niedermolekularen Substanz.AAssssoozziiaattiioonnsskkoollllooiiddee ((MMiizzeellllkkoollllooiiddee)) == Kolloide mit einem besonderen Molekülaufbau,die sich erst ab einer bestimmten Konzentration einstellt (Mizellen). Sie werden beim Auflösen der reinen Substanzen gebildet, ohne dass Schutzkolloide oder Peptisatorennotwendig sind. Bekannte Beispiele sind Seifen, Tenside oder Farbstoffe.

ÄÄlltteerree DDeeffiinniittiioonn nnaacchh KKeetttteenngglliieeddeerrnn ((SSttaauuddiinnggeerr))::Hemikolloide 50 – 500 KettengliederMesokolloide 500 – 2500 KettengliederEukolloide 2500 – 6000 Kettenglieder

Weitere Einteilungen existieren nach den geometrischen Abmessungen (FFiillmmee,, FFääddeenn,,KKoorrppuusskkeell, Wo. Ostwald), der Teilchenform (gglloobbuulläärr,, ffiibbrriilllläärr,, lliinneeaarr), der chemischenZusammensetzung (aannoorrggaanniisscchh,, oorrggaanniisscchh,, bbiioollooggiisscchh), der Herkunft (aannttrroopphhooggeenn,,ggeeooggeenn,, ssyynntthheettiisscchh), dem Verhalten gegenüber dem Dispersionsmittel (llyyoopphhoobbee KKoolllloo--iiddee = nur in solchen flüssigen Dispersionsmitteln herstellbar, in denen das Kolloid un-löslich ist und llyyoopphhiillee KKoollllooiiddee = Kolloide, die sich durch direktes Lösen bilden und durchdas Lösungsmittel solvatisiert werden) oder der beliebigen Widerherstellbarkeit deskolloidalen Zustandes nach Entfernung des Dispersionsmittels (rreevveerrssiibbllee Kolloide wieSeife und iirrrreevveerrssiibbllee Kolloide wie Latex).

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mittel, Farben, Kosmetika und Flüssigkristallanzeigen. DieEntwicklung gezielter Synthesen, moderner Charakterisie-rungsmethoden und neuer Konzepte der statistischen Phy-sik machen daher „soft condensed matter-Physik“ zu einemaktuellen, anwendungsnahen Forschungsgebiet, welchesBiomaterialien und lebende Biomasse umfasst [7].

Heutige Definition der KolloideKolloide werden dem Vorschlag der International Union ofPure and Applied Chemistry (IUPAC) von 1971 folgend alsObjekte definiert, bei denen mindestens eine Dimensionim Bereich von 1 nm bis zu 1000 nm liegt (d.h., auch eineSeite dieses Heftes würde als Kolloid bezeichnet werden, so-fern die Dicke des Papiers < 1 µm wäre). Kolloide sind ei-nerseits so klein, dass man sie mit dem bloßen Auge nichtmehr sehen kann, zum anderen aber bedeutend größer alsdie atomare Dimension. Unter Kolloiden versteht man je-doch nicht nur eine Stoffeigenschaft, wie es die von der IUPAC definierte Größe bestimmt, sondern auch einen Systemzustand. Die reine Größendimension wird um diemakroskopisch zu beobachtende Systemeigenschaft der Kol-loide ergänzt, nämlich dass ein kolloidales System einegleichmäßige Verteilung zeigt, die sich in einem definiertenBeobachtungszeitraum nicht verändert (Abbildung 1).

Kolloide sind Teilchen, bei denen die Oberflächen-eigenschaften gegenüber den Festkörpereigenschaften dominieren. Dies lässt sich an einem einfachen Beispiel ver-deutlichen: Während 1 g Sand, aufgeteilt in kugelförmigeTeilchen (Partikel) von 1 mm Durchmesser eine Gesamt-oberfläche von 30 cm2 aufweist, besitzt dieselbe Menge beieiner Aufteilung in 10 nm große Teilchen (Kolloide) eineGesamtoberfläche von 30 m2. Das Verhältnis von Ober-flächen- zu Festkörpermolekülen ist bei den 1 mm großenPartikeln sehr gering, erreicht aber bei den 10 nm großenTeilchen 20 %. Reaktionen an der Oberfläche von Kolloidenspielen also eine wichtige Rolle [8].

Warum interessieren sich Wasserchemiker für Kolloide?Trinkwasseraufbereitung

Neben gelösten Stoffen, die die Wasserqualität beeinflus-sen können, sind in allen natürlichen Gewässern Kolloideund häufig auch Partikel (Teilchen > 1 µm) enthalten. Ab-bildung 2 verdeutlicht die Größenverhältnisse von Kollo-iden. Zu beachten ist, dass die in der Wasserchemie klassischverwendete Trenngrenze von 0,45 µm zwischen gelöst und partikulär mitten durch den Bereich der Kolloideschneidet.

Größenspektrumnatürlicher undanthropogenerBodenbestandtei-le. Grau unterlegtist der Bereichder kolloidalenKomponenten(zur Verfügung gestellt von PD Dr. K.U. Totsche, TU München-Weihenstephan).

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Kolloide sind so klein, dass sie bei der Filtration im Was-serwerk nicht immer zurückgehalten werden. Infolge ihrergroßen Oberfläche können sie Stoffe ad- oder absorbierenund diese „Huckepack“ transportieren [9]. Das Kolloidselbst kann dabei völlig unbedenklich für die Wasserqualitätsein, z.B. Tonkolloide. Jedoch sind Stoffe, die an dieses Kol-loid sorbieren können, wie hochsorptive polare organischeSchadstoffe, im Trinkwasser unerwünscht (z.B. PAK, PCB,Doxine/Furane). Man kennt aber auch Kolloide, welcheselbst die Wasserqualität ungünstig beeinflussen. Hierzugehören biologische Kolloide, wie Bakterien, Sporen und Viren, die für die Trinkwasserhygiene relevant sind. Uner-wünschte Effekte durch Kolloide entstehen nicht zuletzt imBereich der Wassergewinnung. Sie können die Effektivitäteines Sandfilters verringern oder ein Förderbrunnen durchPoren-Verblockung in seiner Leistung mindern.

Kolloide haben auch positive Eigenschaften im Hinblickauf die Wasserqualität. Sie können die Mobilität von Schad-stoffen verringern sowie die Aktivität von Schadstoffen ver-ändern und so die Bioverfügbarkeit und die Toxizität be-einflussen. Deshalb werden sie zur Sanierung von Grund-wasserschadensfällen, insbesondere Tenside, und zurFlockung bei der Wasseraufbereitung eingesetzt.

Kolloide und RadionuklideDie Untersuchung des Transportes von Radionukliden imZuge der Endlagerung und die Betrachtung von atomarenTestgeländen und Forschungslabors (z.B. Nevada Test Site[8, 10]) gab einen Anstoß zur Untersuchung des Kolloid-transportes. Radioaktive Substanzen sind selbst in kleinstenKonzentrationen unerwünscht. Sie sorbieren stark an Kol-loide oder neigen zur Eigenkolloidbildung. Da der Verbleibder Radionuklide bei der Endlagerung über mehrerer Jahr-hunderte vorausgesagt werden soll, ist die Einbeziehungdes kolloidalen Transportpfades unabdingbar. Forschungs-arbeiten zu diesem Gebiet werden in Deutschland seit vielen Jahren am Institut für Nukleare Entsorgung (For-schungszentrum Karlsruhe) sowie am Institut für Radio-chemie (Forschungszentrum Rossendorf) durchgeführt [11,12].

Kolloide und SpurenmetalleKolloide beeinflussen den Transport von Spurenmetallen.Generell können Spurenmetalle an Kolloide adsorbierenoder – bei Überschreiten ihrer Löslichkeit – selbst Kolloidebilden. Furrer et al. berichteten über die kolloidgebundeneVerlagerung von Spurenmetallen durch Aluminiumkolloide[13]. Die Autoren beschäftigten sich mit den Auswirkun-gen von sauren Grubenwässern durch Bergbauaktivitäten,welche weltweit eine Fläche von 240.000 km2 einnehmenund auch in Deutschland eine bedeutende Rolle spielen. Siebeobachteten, dass bei dem Austritt der Grubenwässer ausden Stollen und bei der Mischung mit dem Flusswasser Aluminium-Oxyhydroxid-Flocken entstehen, die mehrereKilometer zusammen mit adsorbierten Schwermetallentransportiert wurden.

Entstehung von Kolloiden im Boden durch einen geochemischen Gradienten. Kollo-ide können durch die Oxidation von zweiwertigem Eisen entstehen. Dieser Prozessist dann von Bedeutung, wenn anoxisches eisenreiches Grundwasser mit oxischemGrundwasser gemischt wird. Bei der reduktiven Lösung von Eisen- oder Mangan-zementen, welche ein häufiger Überzug von Mineralkörnern im Boden sind, könneneingeschlossene Tonpartikel freigesetzt werden.

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Neben der Sorption an anorganische Kolloide spielen innatürlichen Systemen bei der kolloidalen Stoffverlagerungvon Radionukliden, Schwermetallen und organischenSchadstoffen auch organische Substanzen eine wichtige Rolle [14,15,16]. Schadstoffe können in die organische Sub-stanz eingeschlossen und somit weitgehend irreversibel andas Trägermaterial gebunden werden.

Kolloide in Seen und OzeanenKolloide sind für die Stoffbilanzen von Seen und Ozeanenwichtig. Eine Vielzahl von Nährstoffen wie Phosphor, Stick-stoff oder für den Stoffwechsel von Phytoplankton wichti-ge Elemente wie Eisen können kolloidal gebunden sein. Wuet al. konnten z.B. zeigen, dass der überwiegende Anteildes Eisens im Nordatlantik und Nordpazifik kolloidal ge-bunden und nicht gelöst vorliegt [17]. Diese Ergebnissesind von Bedeutung, da das Wachstum von Phytoplanktonund die Fixierung von Stickstoff und Kohlenstoff (besondersder Treibhausgases CO2) von der Speziation und Biover-fügbarkeit des Eisens abhängen können. Kolloidales Eisenist schlechter bioverfügbar und kann so das Wachstum limi-tieren. Auch der Verbleib der organischen Biomasse undsomit des Kohlenstoffes in den Ozeanen wird von der Koagulation und Sedimentation der Kolloide beeinflusst[18, 19].

Stoffverlagerung im BodenIn der Bodenzone können Kolloide ganz entscheidend zurStoffverlagerung beitragen. Zum einen wird die Bodenbil-

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dung durch die Verlagerung von Tonkolloiden beeinflusst.Zum anderen können Nährstoffe, organische Substanzenund Schadstoffe im Boden kolloidal transportiert werden.Für die Kolloidverlagerung im Boden spielt insbesonderedessen heterogenes Gefüge eine Rolle. Bevorzugte Fließ-wege wie Risse, Makroporen, Wurm- oder Wurzellöcher er-lauben einen schnellen und nahezu ungehinderten Kol-loidtransport, da die Abscheidung nur sehr gering ist. Be-günstigt wird der Transport im Boden dadurch, dass diehydraulischen Fließbedingungen sehr stark in Abhängigkeitder Regenereignisse variieren. Die Abscheidung von Kol-loiden an der Gas-Wasser-Grenzfläche im Boden ist Gegen-stand aktueller Forschung [20].

Wie entstehen aquatische Kolloide?Kolloide können auf vielfältige Weise entstehen. Es ist sinn-voll, zwischen anthropogenen, biologischen, organischenund anorganischen Kolloiden zu unterscheiden, auch wenndie Trenngrenzen hierbei nicht scharf sind.

Anthropogene KolloideAnthropogene Kolloide wie Rußpartikel oder Platinkolloideaus Katalysatoren werden atmosphärisch in die aquatischeUmwelt eingetragen. Rußpartikel können für die Schad-stoffverlagerung in Böden und die Zurückhaltung von hy-drophoben organischen Schadstoffen eine große Rolle spie-len. Insbesondere in industriell intensiv genutzten Gebietenwie dem Ruhrgebiet sind hohe Konzentrationen an Rußpar-tikeln in den Oberböden zu finden. Seit Einführung der Katalysatoren in Kraftfahrzeugen werden Platinkolloide inhöherer Konzentration in die Umwelt emittiert. Über denNiederschlag können sie in Oberflächen- oder Grundwäs-ser eingetragen werden.

Biologische KolloideBiologische Kolloide (Mikroorganismen), wie Bakterien, Viren oder Sporen kommen in allen natürlichen aquatischenSystemen vor. Sie sind Bestandteil und Indikator für ein belebtes System und katalysieren eine Vielzahl von geo-chemischen Prozessen und Abbauprozessen. Sie sind für eine gute Wasserqualität unabdingbar, da sonst eine Vielzahlvon Stoffen nicht zurückgehalten oder abgebaut würde. Je-doch sind sie im Trinkwasser weitgehend unerwünscht, sodass vor der Einspeisung ins Rohrnetz filtriert und/oderdesinfiziert wird. Es kann hierbei auch der natürlicheGrundwasserleiter als Filter dienen.

Organische KolloideOrganische Kolloide (ohne Mikroorganismen) entstehendurch den Abbau organischer Restsubstanzen oder durchHumifizierung. Zu den organischen Kolloiden gehören auchStoffe, die von Mikroorganismen ausgeschieden werden.Die Größenordnung dieser Kolloide liegt im Übergang zuden Molekülen und es lässt sich keine scharfe Trenngrenzedefinieren. Substanzen < 1.000 Dalton können als gelöst(z.B. Fulvinsäuren) und Substanzen > 1.000 Dalton (vieleHuminsäuren) als kolloidal bezeichnet werden. Die Unter-scheidung zwischen gelöst und kolloidal ist an Aggregati-onseigenschaften und Konformationsänderungen gebundenund nicht vollständig verstanden. Der SummenparameterDOC (Dissolved Organic Carbon) ist diesbezüglich durchdie Bezeichnung „gelöst“ irreführend, da die Einteilung aufGrund einer willkürlichen Trenngrenze von 0,45 µm (Fil-tration) gewählt wird. Für den Stofftransport können orga-nische Kolloide auf Grund ihres hohen Sorptionsvermögensfür organische Schadstoffe sowie der Komplexierung an-organischer Stoffe eine große Rolle spielen.

Anorganische KolloideAnorganische Kolloide entstehen beispielsweise durch Gesteinsverwitterung, Erosion, Sekundärmineralbildung,Lösungs- und Fällungsprozesse sowie hydrochemische undhydraulische Mobilisierung. Böden können zu einemgroßen Anteil aus feinkörnigem Sediment im Größenbe-reich der Tonfraktion < 2 µm bestehen. Diese Feinfraktionkann sowohl der Sedimentation entstammen (detrisch) alsauch eine Neubildung an Oberflächen aus thermodyna-misch instabilen Primärmineralen sein (authigen). Zu derGruppe der detrischen Kolloide gehören vor allem Sili-kate, Schichtsilikate, Fe- und Al-Oxide und Hydroxide. Zur Gruppe der authigenen Neubildungen gehören sekundäreHydroxide, Tonminerale, Silikate und komplexe Mischun-gen aus diesen Phasen. Dieser Feinanteil der Bodenmatrixkann durch erhöhte Scherkräfte bei hydraulischen Schwan-kungen oder hydrochemischen Veränderungen mobilisiertwerden.

Anorganische Kolloide können durch einen geochemi-schen Gradienten entstehen oder mobilisiert werden. Sowerden durch den Abbau von organischer Substanz undder damit verbundenen Reduktion der Elektronenakzepto-

Eintrag von Kolloiden mit dem Oberflächenwasser in den Boden. Bei der Trinkwas-seranreicherung (links) werden meist große Wassermengen infiltriert, so dass derKolloideintrag wahrscheinlicher ist und von der Filtereffizienz abhängt. Bei dernatürlichen Infiltration aus Flüssen oder der Uferfiltration wird ein Eindringen vonKolloiden oder suspendierten Partikel meist durch eine Kolmationsschicht (Schlamm-/Tonschicht) am Boden des Flusses verhindert.

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ren (O2, NO3–, NO2

–, MnO2, Fe(III)-Oxid, SO42–, CO2) Eisen-

Mangan-Zemente gelöst und die in ihnen eingeschlossenenKolloide mobilisiert. Durch heterogene Lösung könnenauch Teile der Zemente selbst als Kolloid mobil sein (Ab-bildung 3). Durch die Lösung von Fe-Mn-Zementen unter reduzierenden Bedingungen werden Fe2+ und Mn2+ freige-setzt. Deren Löslichkeit ist jedoch durch das Sättigungs-gleichgewicht ihrer Carbonate und Sulfide begrenzt, so dasses bei einer Übersättigung zum Ausfallen der jeweiligenPhasen und zur Kolloidbildung kommen kann.

Verhalten von Kolloiden in GewässernKolloidmobilisierung

Eine geochemische Kolloid-Mobilisierung kann durch Ef-fekte hervorgerufen werden, welche die elektrochemischenEigenschaften der Kolloide verändern. So führt die Verrin-gerung der Ionenstärke oder eine Verschiebung der Ionenzusammensetzung von bivalenten zu monovalentenIonen zu einer Expansion der elektrischen Doppelschichtum geladene Kolloide. Die Wirkung von bivalenten Katio-nen wie Calcium auf die elektrische Doppelschicht um ein

Kolloid ist nach der Schulz-Hardy-Regel stärker als die vonmonovalenten Kationen wie Natrium. Hierdurch werdendie abstoßenden Kräfte zwischen Kolloiden erhöht und eine Mobilisierung erleichtert.

Ähnliche Effekte können bei der Sorption von ober-flächenaktiven Substanzen beobachtet werden, welche einen Einfluss auf die Ladung der Kolloide haben wie Ten-side oder Huminstoffe.

Kolloide können über die natürliche Versickerung vonFlusswasser oder bei der künstlichen Infiltration von Fluss-wasser zur Trinkwassergewinnung in den Untergrund ein-getragen werden. Die Zurückhaltung der Kolloide hängt beider natürlichen Infiltration von der Beschaffenheit des Fluss-bettes ab, bei der künstlichen Infiltration von der Effizienzder Filter (Abbildung 4).

StabilitätUm das Verhalten von Kolloiden zu beschreiben, ist vor allem das Verständnis der Stabilität in einem aquatischen System wichtig. Der Begriff Stabilität bedeutet in der Kol-loidchemie etwas grundlegend anderes als in der Thermo-

A1) Eine hohe Oberflächenladung begünstigt starke abstoßende Kräfte zwischen den Kolloiden, geringe Oberflächenladungenführen zur Destabilisierung. Dies ist in Teil A2 anhand des Potenzialverlaufs im Dispersionsmittel dargestellt. Je höher die Ober-flächenladung, desto höher ist auch das Potenzial in der Umgebung des Kolloids. B1 und B2 zeigen den Einfluss der Ionenstärke.Gegenionen kompensieren die Oberflächenladung eines Kolloids. In Abhängigkeit der Zusammensetzung des Dispersionsmittelsreichen die elektrostatisch abstoßenden Kräfte relativ weit in die Umgebung des Kolloids (niedrige Ionenstärke) oder klingenbei hohen Ionenstärken, welche durch bivalente Kationen wie Calcium begünstigt werden, schnell ab (B2).

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dynamik. Stabilität ist die Eigenschaft der Kolloide, währendeiner Beobachtungsphase den Dispersionsgrad nicht zu ver-ändern. Instabile Lösungen neigen zum Agglomerieren undab dem Erreichen einer kritischen Kolloidgröße zum Sedi-mentieren.

Dispergierte Kolloide weisen eine große Oberflächeund somit eine hohe freie Oberflächenenergie auf. DurchAgglomeration wird die Oberfläche verkleinert und derthermodynamisch stabilere Zustand einer kleineren Ober-fläche erreicht [21].

Man unterscheidet zwei Mechanismen der Stabilisie-rung von Kolloiden, die sterische und die elektrostatischeStabilisierung.

Sterische StabilisierungEine sterische Stabilisierung kann aus der Adsorption vonPolymeren an die Kolloidoberfläche resultieren. Diese Po-lymere weisen häufig Endglieder verschiedener Affinitätauf. Sie haben ein Endglied mit hoher Affinität zur Kolloid-oberfläche und ein zweites, welches als hydrophile Grup-pe in das umgebende Medium reicht. Die Stabilisierung erfolgt durch eine Erhöhung der freien Energie für dieAnnäherung von zwei sterisch stabilisierten Kolloidendurch strukturelle oder osmotische Kräfte. Dies führt zu einer gesamtabstoßenden Wechselwirkung, da ein Kolloid-Kolloid-Kontakt entweder die Polymerschichten kompri-mieren müsste (Verringerung der Entropie) oder die hydro-

philen Polymerendglieder nun anstelle des Dispersions-mediums von anderen Polymerendgliedern umgeben werden [21, 23].

Elektrostatische StabilisierungAquatische Kolloide weisen meist eine negative Ober-flächenladung auf. Diese Ladung ist für die elektrostatischeStabilisierung von Bedeutung und kann durch drei unter-schiedliche Mechanismen entstehen. Chemische Reaktio-nen beeinflussen die funktionellen Gruppen der Kolloide(-OH, -COOH, -OPO3H2 oder –SH). Die Ladung der Kollo-idoberfläche ist abhängig vom Ionisierungsgrad der Ober-fläche und dementsprechend vom pH-Wert des Mediums(z.B. für Metall-Oxide und -Hydroxide). Die Ladung ist ne-gativ für hohe pH-Werte und positiv für niedrige pH-Werte.Eine permanente Ladung kann durch den isomorphen, abernicht ladungsgleichen Austausch von beispielsweise Aldurch Mg oder Si durch Al aufgebaut werden. Die meistenTonminerale mit Ausnahme von Talk und Phyrophyllit sindBeispiele für diesen Ladungstyp. Die Ladung an den Ton-mineralkanten ist von nicht abgesättigten Valenzen an denSeitenflächen der Oktaederschichten pH-abhängig. Dies ent-spricht dem vorherigen Mechanismus.

Nicht zuletzt kann eine Oberflächenladung durch Adsorption einer hydrophoben Spezies oder eines ober-flächenaktiven Ions entstehen, zum Beispiel die Sorptionvon Tensiden. Der Adsorptionsmechanismus kann auf hyd-rophoben Bindungen, Wasserstoffbrückenbindungen oderauf van-der-Waals-Interaktionen beruhen. Die verschiedenen Anteile der Oberflächenladung tragenzur Netto-Kolloidgesamtladung bei. Die Ladung von aqua-tischen Kolloiden wird durch die Ladung der diffus verteil-ten, frei beweglichen Ionen in der Lösung ausgeglichen.Obwohl frei beweglich, verbleiben diese diffus verteilten Ionen nah genug am Kolloid, um dessen Ladung abzu-schirmen und eine neutrale Gesamtladung (Kolloidladung+ Ladung der diffusen Schicht) hervorzurufen. In der Um-gebung des Partikels fällt das Potenzial nach diesem Modellexponentiell mit der Entfernung von der Oberfläche ab (Abbildung 5, A2 und B2).

In einem klassischen physikalischen Modell lassen sichauf Grund der Ladung zwei entgegengesetzt wirkende Kräf-te beschreiben: abstoßende elektrostatische Kräfte VR, siewerden auch Born- und Doppelschicht-Kräfte genannt; an-ziehende van-der-Waals-Kräfte VA.

Die Gesamtwechselwirkung VT zwischen zwei gela-denen Kolloiden lässt sich durch Addition der abstoßendenund anziehenden Kräfte beschreiben. Sterische Kräfte undBrückenkräfte werden hierbei nicht berücksichtigt, van- der-Waals- und elektrostatische Kräfte werden getrennt voneinander betrachtet. Sie kann nach der DLVO-Theorie berechnet werden, die es ermöglicht, eine Vielzahl von experimentellen Befunden zumindest semiquantitativ zu erklären [3, 4].

In Abbildung 6 ist die Summe der anziehenden und ab-stoßenden Kräfte gegen den Abstand zweier Kolloide auf-

Berechnung der Gesamtwechselwirkung nach der klassischen DLVO-Theorie zwi-schen zwei geladenen Kolloiden oder einem geladenen Kolloid und einer geladenenOberfläche. Die meisten Kolloide und Oberflächen sind in aquatischen Systemen negativ geladen. Eine Ausnahme hiervon bilden z.B. Eisenoxide unterhalb ihres Ladungsnullpunktes, sofern sie nicht durch Sorptionseffekte, insbesondere Humin-stoffe, eine negative Oberflächenladung aufweisen. Je höher die Energiebarriere ineinem kolloidalen System ist, desto stabiler ist die Dispersion. Eine Koagulationkann im sekundären Minimum (reversible durch Scherkräfte) oder im primären Minimum (stabile Anlagerung) erfolgen.

A B B . 6 | A N Z I E H U N G U N D A B S TOSS U N G

Abstand Partikel-Kollektor/nm

Ges

amtw

echs

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ng/V

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T

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getragen. Per Definition steht hierbei (–) für anziehendeKräfte und (+) für abstoßende Kräfte. Die anziehende van-der-Waals-Kraft ist eine Funktion des Abstandes vom Kollo-id. Sie ist in erster Näherung umgekehrt proportional zumQuadrat des Kolloidabstandes.

Die abstoßende elektrostatische Kraft ist eine Funktiondes Oberflächenpotentials, welches nach der Gouy-Chap-man-Theorie aus der Oberflächenladung, dem Kolloid-abstand und der Elektrolytkonzentration in der Lösung er-rechnet werden kann. Die abstoßende Born-Kraft berück-sichtigt die Nahkräfte im Bereich weniger Ångström zwischenden Kolloiden und begrenzt das primäre Minimum.

Ein Kolloid, welches sich einer geladenen Oberflächeannähert, muss zu seiner vollständigen Anlagerung imprimären Minimum die Energiebarriere überwinden. Beisehr kleinen Abständen (in Abbildung 6 ca. 2,9 Å) wird dieWirkung zwischen den Elektronenwolken, die Born-Ab-stoßung, deutlich, so dass eine weitere Annäherung ver-hindert wird. Im Abstand der größten Annäherung be-stimmt ein tiefes Energieminimum (primäres Minimum) dieKolloidanlagerung. Kolloide, die sich auf den Abstand dessekundären Minimums annähern, weisen schwache Bin-dungskräfte auf und können durch Scherkräfte, wie Rühren,voneinander getrennt werden. Das sekundäre Minimum ent-steht durch einen Überschuss der van-der-Waals-Kraft imVergleich zu den elektrostatischen Kräften in einiger Ent-fernung von der Kolloidoberfläche. Die Höhe der Ener-giebarriere entscheidet über eine Annäherung der Kolloideund bestimmt somit die Kolloidstabilisierung. Ihr Betragwird durch die Elektrolytkonzentration, die Oberflächenla-dung sowie Sorptionsprozesse verändert [22].

Eine hohe Oberflächenladung und eine geringe Ionen-stärke stabilisieren Kolloide. Niedrige Oberflächenladungenoder hohe Ionenstärken führen zu einem schnellen Abfalldes Potenzials in der diffusen Doppelschicht und somit zueiner geringen oder vollständig fehlenden Energiebarriere(Abbildung 5).

Neben den klassischen DLVO-Kräften sind für die Sta-bilität von Kolloiden und deren Verhalten in der aquati-schen Umwelt auch Nicht-DLVO-Kräfte wie Wasserstoff-brückenbindungen, hydrophobe Kräfte, Hydratationsdruck,Lewis-Säure-Base-Wechselwirkungen ohne Ladungstransferund sterische Interaktionen wichtig [23].

KolloidanalytikUnsere Kenntnisse über das Verhalten von aquatischen Kol-loiden, deren Beitrag zum Stofftransport oder Einfluss aufStoffkreisläufe sind in den letzten Jahren durch eine Vielzahlvon neuen Analysetechniken erweitert worden. Auch wennbisher noch keine Universalmethode existiert, die gleich-zeitig Größe, Konzentration und Beschaffenheit der Kollo-ide messen kann, erlauben moderne Techniken den Nach-weis immer geringerer Konzentrationen. Bei der Endlage-rung von radioaktiven Stoffen können so beispielsweise Kol-loidkonzentrationen im untersten µg/L-Bereich bestimmtwerden. Grundsätzlich ist immer eine Kombination mehrer

Methoden für die Untersuchung aquatischer Kolloide not-wendig.

Interessante Eigenschaften sind die Größe und Form,die Konzentration, die chemische/mineralogische Beschaf-fenheit sowie die Oberflächeneigenschaften der Kolloide.Ein entscheidender Vorteil einer Analysentechnik kann diedirekte Messung der Kolloide in dem Dispersionsmittel sein.Eine aufwändige Aufbereitung ist nicht notwendig. Solch ei-ne Präparation, z.B. das Filtrieren, Trocknen und Beschich-ten von Proben für die Untersuchung im Elektronenmikros-kop, kann die natürliche Struktur und den Aggregations-zustand verändern. Dies muss bei der Interpretation vonBildern, wie in Abbildung 1a, 1c und 1d, berücksichtigtwerden.

GrößenmessungDie Größe von Kolloiden kann direkt oder nach einerGrößenfraktionierung mit separater Detektion bestimmtwerden. Geeignet sind mikroskopische Methoden wie Licht-,Elektronen-, Rasterkraft-, Röntgenmikroskop. Laserlichtab-schattung, Streulichtverfahren mit statischer und dyna-mischer Lichtstreuung sowie die Coulter-Methode oder dieLaser-induzierte Breakdown-Detektion (LIBD) werden eben-falls eingesetzt. Bei den meisten Methoden wird nicht dertatsächliche Durchmesser, sondern nur ein Äquivalent-durchmesser bestimmt, der bei plättchenförmigen Kollo-iden nur bedingt die tatsächlichen Größenverhältnisse be-schreibt (z.B. hydrodynamischer Durchmesser, Gyrations-radius, Projektionsradius).

Die Probe wird durch einen dünnen Kanal gepumpt, an den ein externes Feld ange-legt wird (Fluss, Gravitation, elektrisch, magnetisch). Kleine Kolloide diffundierenleichter in die Mitte des Kanals zurück, wo die Strömungsgeschwindigkeit am höch-sten ist. Hierdurch eluieren sie zuerst und werden anschließend mit unterschied-lichsten Detektionstechniken analysiert, welche auch miteinander kombiniert wer-den können (zur Verfügung gestellt von Herrn F. v.d. Kammer, Arbeitsbereich Umwelt-schutztechnik, TU Hamburg Harburg).

ABB. 7 | FUNK TIONSPRINZIP DER FELD -FLUSS -FRAK TIONIERUNG (FFF)

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Bei Größenmessungen muss zwischen einer Anzahl-,Massen- und Oberflächenverteilung unterschieden werden.Betrachtet man die Anzahlverteilung natürlicher Wasser-proben, wird das Maximum im Bereich der kleinsten Kol-loide liegen. Transformiert man diese Verteilung jedoch ineine Volumenverteilung, können wenige große Kolloide die Verteilung bestimmen [24].

Masse und AnzahlDie Massen-Konzentration von Kolloiden kann gravimet-risch ermittelt werden. Die Anzahl-Konzentration kann direkt durch Auszählen im Mikroskop, Laserlichtabschat-tung, Coulter Methode oder indirekt durch Trübungsmes-sung, Lichtstreuung und LIBD erfolgen. Für die indirektenMethoden ist eine Kalibrierung mit geeigneter Standard-kolloide notwendig. Anzahl-Konzentrationen können überdie Annahme der Kolloiddichte bei bekannter Größenver-teilung in Massen-Konzentrationen umgerechnet werden.Insbesondere im untersten Konzentrationsbereich könnennur wenige Methoden wie die LIBD eingesetzt werden [24].

Chemische ZusammensetzungDie chemische Zusammensetzung von Kolloiden kanndurch spektroskopische Methoden und chemische sowiemineralogische Analysenverfahren bestimmt werden. Fürdie meisten Methoden ist ein Abtrennen der Kolloide undeine Aufkonzentration notwendig, so dass die Gesamtzu-sammensetzung und nicht die des Einzelkolloids bestimmtwird [24].

Von der Vielzahl der Methoden, die in der Kolloidana-lytik angewendet werden, sollen drei kurz vorgestellt wer-den, da sie in den letzten Jahren besonders intensiv wei-terentwickelt wurden und Kolloide direkt in der aquati-schen Matrix und ohne Probenaufbereitung messen.Mit der Feld-Fluss-Fraktionierung (FFF) können Makro-moleküle, Kolloide und Partikel separiert und in Abhän-gigkeit des Systems Größen zwischen einigen Nanometernbis hin zu mehreren Mikrometern untersucht werden. DieFFF trennt die Kolloide auf Grund ihrer chemischen undphysikalischen Eigenschaften in einem externen Feld. Andiese Trennung schließt sich die Detektion an. Dies erlaubteine vielfältige Kombination von Möglichkeiten (Abbildung7). Als Feld kann ein Querfluss (Trennung nach hydrody-namischen Durchmesser), ein elektrisches Feld (Trennungnach Ladung), ein Gravitations-/Sedimentationsfeld (Tren-nung nach Masse) oder magnetisches Feld angelegt wer-den. Die Trennung erfolgt in einem sehr dünnen Kanal, wodie Kolloide durch das angelegte Feld an die Kanalinnen-seite gedrückt werden. Mit einem laminaren Trägerstromwerden sie durch den Kanal transportiert. Durch das para-belförmige Strömungsprofil in dem Kanal eluieren die Kol-loide am schnellsten, die am wenigsten von den angelegtemFeld beeinflusst werden. Für den Fall der Fluss- und Sedi-mentations-FFF sind das die kleinsten Kolloide, da sie sichin Folge ihres höheren Diffusionskoeffizienten eher in derMitte des Kanals aufhalten.

Eine recht neue Methode ist die Laser-induzierte Breakdown-Detektion (LIBD). Sie basiert auf der Erzeu-gung von dielektrischen Zusammenbrüchen, den Breakdo-wn-Ereignissen, die gezählt und räumlich detektiert wer-den (Abbildung 8). Ein Breakdown entsteht durch die Wech-selwirkung von Materie mit Licht hoher Intensität. Für dieMessung wird ein gepulster Laser verwendet. Die für einenBreakdown notwendige Laserpulsleistungsdichte ist in Ga-sen, Flüssigkeiten und Feststoffen unterschiedlich. Der La-ser wird so eingestellt, dass in kolloidfreiem Wasser keineBreakdown-Ereignisse beobachtet werden können. Kommtein Kolloid in den Fokusbereich des Laserstrahls, wird eindielektrischer Zusammenbruch ausgelöst. Dieser kann so-wohl akustisch als auch optisch detektiert werden. Die An-zahl der Breakdown-Ereignisse hängt von der Kolloidkon-zentration ab. Die Größenverteilung der Kolloide kann ausder Verteilung der Ereignisse längs der Achse des Laser-strahls statistisch berechnet werden. Kleine Kolloide kön-nen nur im hochenergetischen, fokussierten Zentrum desLaserstrahls zünden, größere Kolloide auch außerhalb. DieLIBD ist die einzige momentan verfügbare Technik, die Kol-

Durch einen gepulsten Laser wird ein dielektrischer Zusammenbruch, ein Break-down erzeugt, der über eine piezoelektrische oder kameragestützte Detektion re-gistriert wird. Die Breakdownhäufigkeit korreliert mit der Kolloidkonzentration,aus der optischen Detektion längs der Laserstrahlachse kann die Partikelgrößenver-teilung abgeleitet werden. Die LIBD arbeitet bis in den untersten µµg/L Bereich. Bei höheren Kolloidkonzentrationen kann gleichzeitig eine Elementanalyse durchAufnahme der Spektren erfolgen (zur Verfügung gestellt von Herrn Dr. T. Bundschuh, ITC-WGT, Forschungszentrum Karlsruhe).

ABB. 8 | L A S E R- I N D U Z I E R T E B R E A K D OW N - D E T E K T I O N ( L I B D )

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loide in einem Größenbereich von wenigen Nanometernauch im untersten µg/L Bereich detektieren kann. Die la-serinduzierte Plasmabildung ist mit der Emission von Lichtverbunden. Mit dem Abkühlen des Plasmas werden Ato-memissionslinien aus angeregten atomaren Zuständen be-obachtet. Diese Linien sind elementspezifisch und könnenzur spektroskopischen Analyse (LIBS) der elementarenHauptkomponenten der Kolloide im optischen Fokus her-angezogen werden [24, 25].

Nicht zuletzt soll hier die Transmissions-Röntgen-mikroskopie (TXM) vorgestellt werden (Abbildung 9). Fürdie Röntgenmikroskopie ist eine hochenergetische, quasi-

monochromatische Strahlenquelle notwendig, wie sie vonSynchrotron-Quellen zur Verfügung gestellt wird. Die Strah-lung der gewünschten Wellenlänge wird fokussiert und diewässrige Probe durchstrahlt. Auch bei dieser Methode istkeine Aufbereitung notwendig, es wird direkt in der wäss-rigen Matrix gemessen. Nachdem die Probe durchstrahltwurde, wird das Röntgendbild mit einer hinter der Probeliegenden Mikrozonenplatte vergrößert abgebildet und miteiner CCD-Kamera aufgenommen. Die Auflösung liegt inAbhängigkeit der Wellenlänge der Röntgenstrahlung undder Mikrozonenplatte bei 20 – 30 nm. Mittlerweile ist dieAufnahme von 3-D-Bildern und die Kopplung von TXM und

Transmissions-Röntgenmikroskopie (TXM) am Bessy II, Berlin. Die kontinuierliche Röntgenstrahlung aus dem Synchrotron wirdauf die Kondensorzonenplatte geleitet, die Strahlung der gewünschten Wellenlänge fokussiert und die zu untersuchende wäss-rige Probe mit den darin enthaltenen Kolloiden durchstrahlt. Die rotierenden Spiegel erzeugen eine Hohlkegelbeleuchtung. Die Strahlung trifft auf die dahinter liegende Mikrozonenplatte, welche als hochauflösende Röntgenlinse das Objekt vergrößertabbildet. Das Röntgenbild wird mit einer CCD-Kamera aufgenommen, wobei durch Rotation der Probe und anschließende Bearbeitung im Computer dreidimensionale Darstellungen möglich sind. (Zur Verfügung gestellt von Dr. J. Thieme, Röntgenphysik,Göttingen, [26-28]).

ABB. 9 | T R A N S M I S S I O N S - R Ö N TG E N M I K ROS KO PI E

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Spektroskopie möglich. In Deutschland wird aktuell einRöntgenmikroskop am Bessy II in Berlin betrieben [26 – 28].

ZusammenfassungAquatische Kolloide sind in allen natürlichen Gewässern vor-handen. Sie umfassen anorganische Kolloide wie Tonminera-le, organische Kolloide wie Huminstoffe, Mikroorganismenund anthropogen eingetragene Kolloide wie Ruß oder Platinaus Katalysatoren. Kolloide können hydrophobe organischeSchadstoffe sorbieren und transportieren oder nachteilig dieWasserqualität beeinflussen (z.B. pathogene Keime). Sie kön-nen die Leistung von Brunnen durch Verblockung der Poren-räume im Grundwasser mindern. Kolloide können jedochauch zur Sanierung von Grundwasserschadensfällen einge-setzt (Tenside) oder in der Wasseraufbereitung verwendetwerden (Flockungsmittel, Katalysatoren). Kolloide entstehenoder werden mobilisiert durch Verwitterungsprozesse, Um-setzung organischer Substanzen, Auflösungs- und Fällungs-prozesse sowie hydrochemische und hydraulische Verände-rungen. Ihre Stabilität wird maßgeblich von den Oberfläche-neigenschaften bestimmt. Viel versprechende neue analyti-sche Techniken wie die Feld-Fluss-Fraktionierung, Laser-

induzierte Breakdown-Detektion oder Röntgenmikroskopiewerden unser Verständnis von aquatischen Kolloiden in denkommenden Jahren erweitern.

SummaryAquatic colloids are abundant in all natural aquatic systems.Aquatic colloids consist of clay minerals, micro-organisms,humic substances, and anthropogenic colloids like soot andplatinum (from catalysts in motor vehicles). Colloids may en-hance contaminant transport due to sorption of hydrophobicorganic compounds. They can have negative effects on water quality, especially micro-organisms like pathogens orviruses. Colloids also can cause pore blocking and subsequenthead loss in groundwater production wells. However, colloidscan be useful in groundwater remediation or waster watertreatment (e.g. tensides, flocculation, catalysts). The origin ofcolloids is due to weathering, degradation of organic com-pounds, dissolution or precipitation as well as hydrochemicalor hydraulic gradients. Colloid stability is dominated by sur-face properties. New analytical tools like field flow fractiona-tion, laser induced breakdown detection and scanning x-raymicroscopy will provide new insight into the behaviour ofaquatic colloids.

Schlagworte Kolloide, Partikel, Stofftransport, Wasserchemie, Schad-

stoffe, Stabilität, Kolloidanalytik

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D E R A R B E I T S K R E I S KO L LO I D E I N D E R WA S S E RC H E M I S C H E N G E S E L L S C H A F T |Ziel dieses Arbeitskreises ist die Zusam-menarbeit und der Wissensaustausch vonForschern, die sich dem Thema aquatischeKolloide angenommen haben. EinenSchwerpunkt der Arbeit bildet der The-menkomplex kolloidgebundener Schad-stofftransport. Fragestellungen sind dieUmwelt-Relevanz des trägervermitteltenTransportes, die mineralogische Zusam-mensetzung der Kolloide, die Bedeutungvon organischen Kolloiden, die Prozessezur Mobilisation/Bildung von Kolloiden,die Interaktion von Schadstoffen und Kol-loiden, die Bioverfügbarkeit von kolloid-gebundenen Schadstoffen sowie Wechsel-wirkungen zwischen organischen/anorga-nischen Kolloiden. Ergänzt wird dieser Bereich durch Fragen zur Sanierungstech-nologie.

Einen weiteren Kern der Aktivitäten bil-det die Bedeutung von Kolloiden bei derWasseraufbereitung. Hierbei ist deren Ein-fluss auf die Wasserbeschaffenheit, derenAbhängigkeit von der Wassergewinnungs-technik sowie das Rückhalte- bzw. Ab-scheidevermögen von unterschiedlichenAufbereitungstechniken bedeutend.Den dritten Arbeitsbereich bildet die Mess-technik und Probenahmetechnik. Bisherkönnen Kolloide nur unzureichend charak-terisiert werden. Keine der vorhandenenMesstechniken reicht in der Regel für eine

hinreichend genaue Beschreibung der mo-bilen Feststoffe hinsichtlich Konzentra-tion, Art und Größe aus. Meist müssenmehrere Verfahren kombiniert werden,wobei zwischen in-situ, on-site und off-site unterschieden wird. Die Probenahme-technik von aquatischen Kolloiden ist insofern relevant, da hierdurch die natür-liche Beschaffenheit und Konzentrationder Kolloide verändert werden kann. Neben Übersichtbeiträgen [8, 24] undthemenspezifischen Seminaren verstehtsich der Arbeitskreis auch als Ansprech-partner zu aktuellen Fragen im Bereich derWasserqualität. Im Jahr 2003 wurde eininternationaler Unter-Arbeitskreis gegrün-det, welcher sich dem Thema der Feld-Fluss-Fraktionierung annimmt. Nebendem Autor dieses Beitrages, welcher Obmann des Arbeitskreises ist, arbeitenDr. Thomas Baumann (TU München), Dr. Tobias Bundschuh (FZ Karlsruhe, ITC-WGT), Frank v.d. Kammer (TU Hamburg-Harburg), Dr. Andrew Leis (IWW Mül-heim), Markus Delay (Engler-Bunte-Insti-tut Karlsruhe), Dr. Thorsten Schäfer (FZ Karlsruhe, INE), Dr. Jürgen Thieme(Universität Göttingen), PD Dr. Kai UweTotsche (TU München-Weihenstephan)und Dr. Harald Zänker (FZ Rossendorf,Inst. F. Radiochemie) aktiv in dieser Grup-pe der Wasserchemischen Gesellschaft mit.

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Der Autor Dr. habil. Thilo Hofmann, geb. 1967, Promotion inGeochemie an der Universität Bremen zum ThemaKolloidtransport im Grundwasser, 1999 – 2002wissenschaftlicher Assistent an der UniversitätMainz, Arbeitsbereich Angewandte Geologie, 2002Habilitationsschrift zum Thema Sickerwasserprog-nose, seit 2003 Hochschuldozent an der UniversitätMainz und Leiter der Arbeitsgruppe Hydrogeologie,Obmann des Arbeitskreises Kolloide in der Wasser-chemischen Gesellschaft.

Korrespondenzadresse:

Dr. habil. Thilo Hofmann, Institut für Geowissen-schaften, Universität Mainz, 55099 Mainz, E-Mail: [email protected]