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Das Herz der Industrie Die Teil 3 unserer Serie zum Chemcoastpark Vor etwas mehr als 40 Jahren ist in Brunsbüttel der Grundstein für ein Industriegebiet auf beiden Seiten der Elbe gelegt worden. Heute ist es das größte zusammenhängende Industriegebiet des Landes. Wir stellen in loser Reihenfolge vor, welche Unternehmen dort ihren Geschäften nachgehen. Olefinen, hochreinen Paraffinen und langkettigen Ethern 2007: Umsetzung eines Investiti- onspakets von rund 70 Millionen Euro zur Modernisierung und An- bindung des Werks an das Ethylen- Pipeline-Netz in Stade 2009: Rezertifizierung durch die Stiftung Beruf und Familie 2010: Unternehmensinterne Aus- zeichnungen mit dem globalen Sa- sol O & S Award für Innovation 2010: Pastillierlinie für Pharma- produktion Good Manufacturing Pratice (GMP) 2011: 50-jähriges Jubiläum: „50 Jahre Werk Brunsbüttel – Darauf bauen wir.“ 2012: Inbetriebnahme einer Anla- ge zur Produktion von hochreinem Triethylaluminium (TEAL) 2013: Inbetriebnahme einer Anla- ge zur Herstellung ultrahochreiner Tonerden (UHPA) 2014: Erweiterung der Formkör- peranlage (FKA) zur Herstellung von Katalysatorträgern 2014: Bau einer Produktionsanla- ge zur Herstellung von Siralox M1-Tonerden 2015–2018: Stete Erweiterung der Tonerde-Produktion 28. März 1961: Gründung der Condea-Petrochemie-GmbH 1964: Inbetriebnahme der Ziegler- Fettalkohol-Anlage 1980: Inbetriebnahme der Nati- ven Fettalkohol-Anlage (NFA) 1983: Inbetriebnahme der ersten TAM-Anlage (Tonerde aus Metall) 1988: Inbetriebnahme der ersten Gasturbine (Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung) 1990: Inbetriebnahme der Form- körperanlage (FKA ) und Semikom- merziellen Tonerdeanlage (SKA) 1991: Inbetriebnahme TAM II 1994: Inbetriebnahme der Guer- bet-Alkohol-Anlage 1994: Inbetriebnahme der zweiten Gasturbine 2000: Bau eines Kesselhauses 2000: Inbetriebnahme TAM III 2001: Condea wird Sasol: Einfüh- rung des „Sasol“-Images und Logos 2002: Inbetriebnahme einer Ton- erde-Alterungsanlage 2003: Verhaltensbasierter Sicher- heitsprozess „SAFIR“ (=Safety First) 2005: Sukzessive Erweiterung ei- ner Anlage zur Herstellung von Zeittafel Diese historische Luftbildaufnahme zeigt das damalige Condea-Werk im Jahr 1964. in eine Branche liefern, sondern sehr di- versifiziert aufgestellt sind, sind wir vergleichsweise krisenunempfindlich“, so Luttmann weiter. Lokal, regional, global Der Sasol-Vorläufer ging 1961 und damit schon lange vor der Gründung des Chemcoastparks in Brunsbüttel an den Start: die Condea-Petrochemie- GmbH. 2001 wurde aus ihr Condea Sa- sol. Der Mutterkonzern ist im südafrika- nischen Johannesburg beheimatet, die South African Synthetic Oil Limited, kurz Sasol. Dass die Südafrikaner in Deutschland aktiv geworden sind, hängt mit der Entwicklung der deutschen Che- mie zusammen. Vor dem Zweiten Welt- krieg wurde in Deutschland ein System er- sonnen, mit dem sich aus Kohle syntheti- scher Treib- stoff herstellen ließ. Nach dem Krieg verblass- te das deutsche Interesse an der Kohleverflüssigung. „In Südafrika jedoch gab es kein Rohöl, dafür aber viel Kohle“, sagt Luttmann. Die südafrikani- sche Chemie befasste sich deshalb mit Verfahren zur Kohle- und Gasverflüssi- gung (coal to liquid und gas to liquid, CTL und GTL). „Und da schließt sich der Kreis: Vor circa 20 Jahren haben wir hier in Brunsbüttel gemeinsam mit un- serer Mutter in Johannesburg angefan- Pulverkünstler Sasol investiert in Europa derzeit am meisten in das Brunsbütteler Werk Von Stefan Carl Brunsbüttel – Wer sich in das Wasser des Brunsbütteler Hallenbades stürzt oder bei einem Konzert im Elbeforum die Jacke getrost ablegen kann, der profitiert von überschüssiger Wärme aus dem Sasol-Werk, das diese kostenfrei an Bad und Kulturtempel abgibt. Vor der Wärmeabgabe steht die Herstellung von Chemie- produkten, deren Namen kaum einen Rückschluss darauf zulassen, wofür sie ver- wendet werden. Das Produkt Skifahrer wissen es: Die sportliche Abfahrt mit vielen Schwüngen und Schussfahrten ist schweißtreibend. Doch gibt es Bekleidung, die chemische Bestandteile enthält, die im Fall des Schwitzens schmelzen und die vom Kör- per ausgestrahlte Wärme aufnehmen. Verschnauft der Skifahrer in einer Hüt- te, gibt die Bekleidung die Wärme wie- der ab, sodass er nicht auskühlt. „Das liegt dann zum Beispiel an den von uns hergestellten Fettalkoholen und Deriva- ten“, sagt Dr. Kay Luttmann, Werkleiter in Brunsbüttel und Geschäftsführer der Sasol-Germany-GmbH mit Sitz in Ham- burg. Die Produkte finden sich außer in Sportbekleidung in den Bereichen Kos- metik, in Baustoffen und Schmierölen und neuerdings in Latentwärmespei- chern. Die zweite große Produktlinie bei Sa- sol wird durch hoch- und ultrahochrei- ne Aluminiumoxide bestimmt, besser bekannt als Tonerden. Sie werden in der Auto- sowie in der chemischen und der Mineralölindustrie verwendet, finden sich in Hochleistungsschleifmitteln, in LEDs, Lasern, Fotodruckpapier, in kratzfesten Uhrgläsern, Linsen für Smartphones und künstlichen Hüftge- lenken. „Tonerde sieht recht trivial aus, das ist ein weißes Pulver“, sagt Kay Lutt- mann. „Aber wir können daraus bis zu 400 Produktspezifikationen schaffen, die über unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften verfü- gen.“ Wegen der großen Angebotspalet- te erfreut sich Sasol eines weltweiten Absatzmarktes. „Und da wir nicht nur gen, Katalysatorträger für die GTL- Technik zu entwickeln“, sagt Luttmann. Vor drei Jahren erst ist in Brunsbüttel eine neue Anlage gebaut worden, um diese Katalysatorträger herzustellen. Hamburg ist der Hauptsitz der Sasol- Germany-GmbH. Ein Teil der weltwei- ten Vertriebsaktivitäten wird von dort aus gesteuert. „Die Kollegen dort ver- treiben und vermarkten weltweit unse- re Produkte aus allen unseren Standor- ten, beispielsweise in Südafrika, China, USA und Deutschland. Das bedeutet für uns kurze Wege, da alles aus Hamburg gesteuert wird.“ Dass das Mutterschiff in Johannesburg vor Anker liegt, bereite keine Probleme: „Das liegt auf derselben Zeitschiene wie wir“, sagt Luttmann. Die Mitarbeiter Weltweit beschäftigt Sasol circa 30 000 Mitarbeiter, rund 700 sind es in Brunsbüttel. „Wir wachsen relativ stark und haben in den vergangenen drei Jah- ren 100 neue Arbeitsplätze geschaffen. In diesem Jahr waren es 25.“ Damit, so der Werkleiter, sei Sasol der größte Ar- beitgeber im Chemcoast- park. Ausgebil- det werden vor Ort Chemielabo- ranten, Che- mikanten, Elektroni- ker für Au- tomatisie- rungstechnik, Industriemechaniker und Fachkräfte für Lagerlogistik. Wer sich für Forschung im Bereich der chemischen Industrie interessiert, ist bei Sasol gut aufgehoben. „Wir sind kein reiner Produktions-, sondern auch ein Forschungsstandort.“ So werden bei Sasol in Abstimmung mit den Kunden neue Produkte entwickelt und zu- gleich die dafür erforderli- chen Prozessanlagen. „Fast alle Anlagen in unserem Werk sind eigene Entwick- lungen und von uns selbst gebaut.“ Al- leinim Laborbereich und in der Pilotan- lage, in der Sasol Produkte in kleinen Chargen herstellt, sind gut 100 Mitar- beiter beschäftigt. Dem Fachkräftemangel begegnet Sa- sol mit Marketingaktionen auf Personal- messen. Zudem werde aktiv mit Schu- len zusammengearbeitet, beispielsweise Praktika angeboten. „Wir freuen uns deshalb über Rekordbewerberzahlen. Das ist gegen den Trend, doch ebenso ist es eine Frage der Zeit, bis das rückläufig wird.“ Sasol stellt derzeit pro Jahr 40 bis 50 neue Mitarbeiter ein, davon in aller Regel 15 Auszubildende. Zu den eigenen Mitarbeitern kommen noch rund 200 aus Servicefirmen hinzu, beispielsweise Stahl- und Gerüstbauer, Isolier-, Installations- und Planungsfir- men. „Die meisten kommen aus der Region.“ Sicherheit „Wir pflegen eine Null-Unfall-Kultur, und das fängt damit an, ob man mit ei- ner Tasche am Geländer hängen bleiben kann“, sagt Kai Luttmann. Die meisten Unfälle in Deutschland passieren im Haushalt, in aller Regel handelt es sich um Stürze. „Das ist bei uns nicht anders. Die chemietypischen Unfälle werden immer seltener, da geht es eher ums Stürzen und Umknicken.“ Sasol hat eine eige- ne Abteilung, die das Werk auf mögliche Unfallpotenziale über- prüft und die Belegschaft in Si- cherheitsthemen schult. In Sachen Brandschutz ist im Werk vor ein paar Jahren eine neue große Feuerwache gebaut und die Werksfeuerwehr aufge- stockt worden. „Wir beschäftigen 23 hauptamtliche Feuerwehrleute. Hinzu kommen ausgebildete nebenamtliche Feuerwehrleute aus dem Kreis der An- lagenfahrer.“ Ein Vorteil sei zudem die Nähe zur städtischen Feuerwehr. Im März dieses Jahres ist Sasol vom Landesfeuerwehrverband als Partner der Feuerwehr ausgezeichnet wor- den. „Und als wir uns einen besonderen Container zum Üben von Löscheinsät- zen ins Werk gestellt und diesen auch freiwilligen Feuerwehren zur Verfü- gung gestellt haben, ist das schon gut an- gekommen.“ Darüber hinaus pflege Sasol eine enge Zusammenarbeit mit Behörden wie dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Itzehoe. Energie Seinen Energiebedarf deckt Sasol zum größten Teil mit Erdgas und Strom. Zwei Drittel des Strombedarfs produ- ziert Sasol selbst via Kraft-Wärme- Kopplung, das heißt hauptsächlich mit zwei großen Gasturbinen. Die heißen Abgase, die dabei entstehen, nutzt Sasol, um seine Tonerden zu trocknen. „Wir planen gerade eine dritte Gasturbine, um uns von den Stromzukäufen weiter abzukoppeln“, sagt Kay Luttmann. Außerdem verfeuert Sasol Erdölkon- densat, das bei der Rohölförderung auf der Mittelplate freigesetzt wird. Früher wurde bei Sasol zudem noch schweres Heizöl verbrannt. „Das machen wir seit einem Jahr nicht mehr, wodurch wir un- sere Emissionen deutlich reduziert ha- ben.“ Beim Abschied von bisherigen Energieformen belässt Sasol es aber nicht: „Wir arbeiten an Projektideen, wie sich Windstrom sinnvoll nutzen oder puffern lässt.“ Investitionen Derzeit ist Brunsbüttel das einzige eu- ropäische Werk, in das Sasol investiert. Außerhalb Südafrikas hat der kürzlich an der Elbe zu Besuch gewesene Vor- stand drei Schwerpunkte gesetzt. Elf Milliarden Dollar werden in den USA am Golf von Mexiko in ein großes Che- miewerk gesteckt; eine dreistellige Mil- lionensumme fließt nach China, „weil dort die Märkte sind“. Ein höherer dreistelliger Euro-Millio- nenbetrag wird auch in Brunsbüttel verbaut. „Wir haben nicht ein großes Projekt, sondern solche mit einem Volumen von 20 bis 30 Millionen Euro. Davon aber sehr viele“, sagt Luttmann. Zu diesen Projekten gehören der Bau eines 3000 Quadratmeter großen Forschungszentrums, das Ende 2021 fertigstellt werden soll, ein Kalzinier- ofen und ein Sprühtrockner, die beide spätestens 2019 betriebsbereit sein sol- len. Die Produktionskosten sind in Deutschland höher als in anderen Standorten, aber Sasol Brunsbüttel stel- le kein einziges Standardprodukt her, sondern hochpreisige Spezialitäten. „Unsere Forschungsergebnisse nutzen auch den anderen Werken, womit wir in der Sasol-Familie einzigartig sind und derzeit das Werk in Europa, in das am meisten investiert wird“, sagt Kay Lutt- mann nicht ohne Stolz. Platz zum weiteren Wachstum hat Sasol noch reichlich: „Wir haben 60 Hektar bebaut, aber noch mehr als doppelt so viel Flächen in direkter Nachbarschaft für weitere Anlagen.“ Vor- und Nachteile im CCP Als Vorteile des Chemcoastparks nennt Kay Luttmann die Ansiedlung im industriellen Herzen Schleswig-Hol- steins als solche, die Chance zum Wach- sen wegen der verfügbaren Flächen und den Zugang zum Transportweg Wasser. Als besonders betont der Werkleiter die enge Zusammenarbeit der einzelnen Fir- men im CCP: „Das kenne ich von keinem anderen Chemie-Standort.“ Größter Nachteil sei der Zustand der Infrastruktur, B5 und nur ein Bahngleis reichten für die Anforderungen schon längst nicht mehr aus. „Und wir brau- chen unbedingt die westliche Elbque- rung, denn unser Hauptproblem auf der Straße ist Hamburg.“ Der Sasol-Chef in Brunsbüttel hält zudem den LNG-Terminal für wichtig, damit das weltweit verfügbare Erdgas per Schiff in Brunsbüttel angelandet werden kann, „denn wir brauchen kon- kurrenzfähige Erdgaspreise“. Das Sasol-Werk in Brunsbüttel ist unter anderem auf die Herstellung von Tonerde- Produkten spezialisiert. Rechts: Werkleiter Dr. Kay Luttmann. Fotos: Sasol = 20 Mitarbeiter Zahl und Zusammensetzung der im Werk beschäftigten Mitarbeiter circa 700 Mitarbeiter 47 Auszubildende circa 200 Beschäftigte aus Fremdfirmen

01 ZEITUNG DLZ 20171202 Prod-Nr 3683649 Seite 4 1. 12. 2017 … · 2018. 4. 19. · hier in Brunsbüttel gemeinsam mit un-serer Mutter in Johannesburg angefan-Pulverkünstler Sasolinvestiert

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Page 1: 01 ZEITUNG DLZ 20171202 Prod-Nr 3683649 Seite 4 1. 12. 2017 … · 2018. 4. 19. · hier in Brunsbüttel gemeinsam mit un-serer Mutter in Johannesburg angefan-Pulverkünstler Sasolinvestiert

Das Herz derIndustrie

Die

Teil 3 unsererSerie zumChemcoastparkVor etwas mehr als 40 Jahren ist inBrunsbüttel der Grundstein für einIndustriegebiet auf beiden Seiten derElbe gelegt worden. Heute ist es dasgrößte zusammenhängendeIndustriegebiet des Landes. Wirstellen in loser Reihenfolge vor,welche Unternehmen dort ihrenGeschäften nachgehen.

Olefinen, hochreinen Paraffinenund langkettigen Ethern

2007: Umsetzung eines Investiti-onspakets von rund 70 MillionenEuro zur Modernisierung und An-bindung desWerks an das Ethylen-Pipeline-Netz in Stade

2009: Rezertifizierung durch dieStiftung Beruf und Familie

2010: Unternehmensinterne Aus-zeichnungen mit dem globalen Sa-sol O & S Award für Innovation

2010: Pastillierlinie für Pharma-produktion Good ManufacturingPratice (GMP)

2011: 50-jähriges Jubiläum:„50 Jahre Werk Brunsbüttel –Darauf bauen wir.“

2012: Inbetriebnahme einer Anla-ge zur Produktion von hochreinemTriethylaluminium (TEAL)

2013: Inbetriebnahme einer Anla-ge zurHerstellung ultrahochreinerTonerden (UHPA)

2014: Erweiterung der Formkör-peranlage (FKA) zur Herstellungvon Katalysatorträgern

2014: Bau einer Produktionsanla-ge zur Herstellung von SiraloxM1-Tonerden

2015–2018: Stete Erweiterungder Tonerde-Produktion

28. März 1961: Gründung derCondea-Petrochemie-GmbH

1964: Inbetriebnahme der Ziegler-Fettalkohol-Anlage

1980: Inbetriebnahme der Nati-ven Fettalkohol-Anlage (NFA)

1983: Inbetriebnahme der erstenTAM-Anlage (Tonerde aus Metall)

1988: Inbetriebnahme der erstenGasturbine (Stromerzeugungdurch Kraft-Wärme-Kopplung)

1990: Inbetriebnahme der Form-körperanlage (FKA ) und Semikom-merziellen Tonerdeanlage (SKA)

1991: Inbetriebnahme TAM II

1994: Inbetriebnahme der Guer-bet-Alkohol-Anlage

1994: Inbetriebnahme der zweitenGasturbine

2000: Bau eines Kesselhauses

2000: Inbetriebnahme TAM III

2001: Condea wird Sasol: Einfüh-rung des „Sasol“-Images und Logos

2002: Inbetriebnahme einer Ton-erde-Alterungsanlage

2003: Verhaltensbasierter Sicher-heitsprozess „SAFIR“ (=SafetyFirst)

2005: Sukzessive Erweiterung ei-ner Anlage zur Herstellung von

Zeitt

afel

Diese historische Luftbildaufnahme zeigt das damalige Condea-Werk im Jahr 1964.

in eine Branche liefern, sondern sehr di-versifiziert aufgestellt sind, sind wirvergleichsweise krisenunempfindlich“,so Luttmann weiter.

Lokal, regional, global

Der Sasol-Vorläufer ging 1961 unddamit schon lange vor der Gründungdes Chemcoastparks in Brunsbüttel anden Start: die Condea-Petrochemie-GmbH. 2001 wurde aus ihr Condea Sa-sol. DerMutterkonzern ist im südafrika-nischen Johannesburg beheimatet, dieSouth African Synthetic Oil Limited,kurz Sasol. Dass die Südafrikaner inDeutschland aktiv geworden sind, hängtmit der Entwicklung der deutschen Che-mie zusammen. Vor dem Zweiten Welt-krieg wurde inDeutschlandein System er-sonnen, mitdem sich ausKohle syntheti-scher Treib-stoff herstellenließ. Nach demKrieg verblass-te das deutscheInteresse ander Kohleverflüssigung. „In Südafrikajedoch gab es kein Rohöl, dafür aber vielKohle“, sagt Luttmann. Die südafrikani-sche Chemie befasste sich deshalb mitVerfahren zur Kohle- und Gasverflüssi-gung (coal to liquid und gas to liquid,CTL und GTL). „Und da schließt sich derKreis: Vor circa 20 Jahren haben wirhier in Brunsbüttel gemeinsam mit un-serer Mutter in Johannesburg angefan-

PulverkünstlerSasol investiert

in Europa derzeit ammeisten in das

Brunsbütteler Werk

Von Stefan Carl

Brunsbüttel – Wer sich in das Wasser des Brunsbütteler Hallenbades stürzt oderbei einem Konzert im Elbeforum die Jacke getrost ablegen kann, der profitiert vonüberschüssiger Wärme aus dem Sasol-Werk, das diese kostenfrei an Bad undKulturtempel abgibt. Vor der Wärmeabgabe steht die Herstellung von Chemie-produkten, deren Namen kaum einen Rückschluss darauf zulassen, wofür sie ver-wendet werden.

Das Produkt

Skifahrer wissen es: Die sportlicheAbfahrt mit vielen Schwüngen undSchussfahrten ist schweißtreibend.Doch gibt es Bekleidung, die chemischeBestandteile enthält, die im Fall desSchwitzens schmelzen und die vom Kör-per ausgestrahlte Wärme aufnehmen.Verschnauft der Skifahrer in einer Hüt-te, gibt die Bekleidung die Wärme wie-der ab, sodass er nicht auskühlt. „Dasliegt dann zum Beispiel an den von unshergestellten Fettalkoholen und Deriva-ten“, sagt Dr. Kay Luttmann,Werkleiterin Brunsbüttel und Geschäftsführer derSasol-Germany-GmbH mit Sitz in Ham-burg. Die Produkte finden sich außer inSportbekleidung in den Bereichen Kos-metik, in Baustoffen und Schmierölenund neuerdings in Latentwärmespei-chern.

Die zweite große Produktlinie bei Sa-sol wird durch hoch- und ultrahochrei-ne Aluminiumoxide bestimmt, besserbekannt als Tonerden. Sie werden in derAuto- sowie in der chemischen und derMineralölindustrie verwendet, findensich in Hochleistungsschleifmitteln, inLEDs, Lasern, Fotodruckpapier, inkratzfesten Uhrgläsern, Linsen fürSmartphones und künstlichen Hüftge-lenken.

„Tonerde sieht recht trivial aus, dasist ein weißes Pulver“, sagt Kay Lutt-mann. „Aber wir können daraus bis zu400 Produktspezifikationen schaffen,die über unterschiedliche chemischeund physikalische Eigenschaften verfü-gen.“ Wegen der großen Angebotspalet-te erfreut sich Sasol eines weltweitenAbsatzmarktes. „Und da wir nicht nur

gen, Katalysatorträger für die GTL-Technik zu entwickeln“, sagt Luttmann.Vor drei Jahren erst ist in Brunsbütteleine neue Anlage gebaut worden, umdiese Katalysatorträger herzustellen.

Hamburg ist der Hauptsitz der Sasol-Germany-GmbH. Ein Teil der weltwei-ten Vertriebsaktivitäten wird von dortaus gesteuert. „Die Kollegen dort ver-treiben und vermarkten weltweit unse-re Produkte aus allen unseren Standor-ten, beispielsweise in Südafrika, China,USAundDeutschland. Das bedeutet füruns kurze Wege, da alles aus Hamburggesteuert wird.“ Dass das Mutterschiffin Johannesburg vorAnker liegt, bereitekeine Probleme: „Das liegt auf derselbenZeitschiene wie wir“, sagt Luttmann.

Die Mitarbeiter

Weltweit beschäftigt Sasol circa30 000 Mitarbeiter, rund 700 sind es inBrunsbüttel. „Wir wachsen relativ starkund haben in den vergangenen drei Jah-ren 100 neue Arbeitsplätze geschaffen.In diesem Jahr waren es 25.“ Damit, soder Werkleiter, sei Sasol der größte Ar-

beitgeber imChemcoast-park.

Ausgebil-det werdenvor OrtChemielabo-ranten, Che-mikanten,Elektroni-ker für Au-tomatisie-

rungstechnik, Industriemechaniker undFachkräfte für Lagerlogistik.

Wer sich für Forschung im Bereichder chemischen Industrie interessiert,ist bei Sasol gut aufgehoben. „Wir sindkein reiner Produktions-, sondern auchein Forschungsstandort.“ So werden beiSasol in Abstimmung mit den Kundenneue Produkte entwickelt und zu-gleich die dafür erforderli-

chen Prozessanlagen. „Fast alle Anlagenin unserem Werk sind eigene Entwick-lungen und von uns selbst gebaut.“ Al-leinim Laborbereich und in der Pilotan-lage, in der Sasol Produkte in kleinenChargen herstellt, sind gut 100 Mitar-beiter beschäftigt.

Dem Fachkräftemangel begegnet Sa-sol mit Marketingaktionen auf Personal-messen. Zudem werde aktiv mit Schu-len zusammengearbeitet, beispielsweisePraktika angeboten. „Wir freuen unsdeshalb über Rekordbewerberzahlen.Das ist gegen den Trend, doch ebenso istes eine Frage der Zeit, bis das rückläufigwird.“ Sasol stellt derzeit pro Jahr 40 bis50 neue Mitarbeiter ein, davon in allerRegel 15 Auszubildende.

Zu den eigenenMitarbeitern kommennoch rund 200 aus Servicefirmen hinzu,beispielsweise Stahl- und Gerüstbauer,Isolier-, Installations- und Planungsfir-men. „Die meisten kommen aus derRegion.“

Sicherheit

„Wir pflegen eine Null-Unfall-Kultur,und das fängt damit an, ob man mit ei-ner Tasche am Geländer hängen bleibenkann“, sagt Kai Luttmann. Die meistenUnfälle in Deutschland passieren imHaushalt, in aller Regel handelt essich um Stürze. „Das ist bei unsnicht anders. Die chemietypischenUnfälle werden immer seltener,da geht es eher ums Stürzen undUmknicken.“ Sasol hat eine eige-ne Abteilung, die das Werk aufmögliche Unfallpotenziale über-prüft und die Belegschaft in Si-cherheitsthemen schult.In Sachen Brandschutz ist im

Werk vor ein paar Jahren eineneue große Feuerwache gebaut

und die Werksfeuerwehr aufge-stockt worden. „Wir beschäftigen 23

hauptamtliche Feuerwehrleute. Hinzukommen ausgebildete nebenamtlicheFeuerwehrleute aus dem Kreis der An-lagenfahrer.“ Ein Vorteil sei zudem dieNähe zur städtischen Feuerwehr.

Im März dieses Jahres ist Sasol vomLandesfeuerwehrverband als Partnerder Feuerwehr ausgezeichnet wor-den. „Und als wir uns einen besonderenContainer zum Üben von Löscheinsät-zen ins Werk gestellt und diesen auchfreiwilligen Feuerwehren zur Verfü-gung gestellt haben, ist das schon gut an-gekommen.“

Darüber hinaus pflege Sasol eine engeZusammenarbeit mit Behörden wie demLandesamt für Landwirtschaft, Umweltund ländliche Räume in Itzehoe.

Energie

Seinen Energiebedarf deckt Sasolzum größten Teil mit Erdgas und Strom.Zwei Drittel des Strombedarfs produ-ziert Sasol selbst via Kraft-Wärme-Kopplung, das heißt hauptsächlich mitzwei großen Gasturbinen. Die heißenAbgase, die dabei entstehen, nutzt Sasol,um seine Tonerden zu trocknen. „Wirplanen gerade eine dritte Gasturbine,um uns von den Stromzukäufen weiterabzukoppeln“, sagt Kay Luttmann.

Außerdem verfeuert Sasol Erdölkon-densat, das bei der Rohölförderung aufder Mittelplate freigesetzt wird. Früherwurde bei Sasol zudem noch schweresHeizöl verbrannt. „Das machen wir seiteinem Jahr nicht mehr, wodurchwir un-sere Emissionen deutlich reduziert ha-ben.“ Beim Abschied von bisherigenEnergieformen belässt Sasol es abernicht: „Wir arbeiten an Projektideen,wie sich Windstrom sinnvoll nutzenoder puffern lässt.“

Investitionen

Derzeit ist Brunsbüttel das einzige eu-ropäische Werk, in das Sasol investiert.Außerhalb Südafrikas hat der kürzlichan der Elbe zu Besuch gewesene Vor-stand drei Schwerpunkte gesetzt. ElfMilliarden Dollar werden in den USAam Golf von Mexiko in ein großes Che-miewerk gesteckt; eine dreistellige Mil-lionensumme fließt nach China, „weildort die Märkte sind“.

Ein höherer dreistelliger Euro-Millio-nenbetrag wird auch in Brunsbüttelverbaut. „Wir haben nicht ein großesProjekt, sondern solche mit einemVolumen von 20 bis 30 Millionen Euro.Davon aber sehr viele“, sagt Luttmann.Zu diesen Projekten gehören der Baueines 3000 Quadratmeter großenForschungszentrums, das Ende 2021fertigstellt werden soll, ein Kalzinier-ofen und ein Sprühtrockner, die beidespätestens 2019 betriebsbereit sein sol-len. Die Produktionskosten sind inDeutschland höher als in anderenStandorten, aber Sasol Brunsbüttel stel-le kein einziges Standardprodukt her,sondern hochpreisige Spezialitäten.„Unsere Forschungsergebnisse nutzenauch den anderenWerken, womit wir inder Sasol-Familie einzigartig sind undderzeit das Werk in Europa, in das ammeisten investiert wird“, sagt Kay Lutt-mann nicht ohne Stolz.

Platz zum weiteren Wachstum hatSasol noch reichlich: „Wir haben60 Hektar bebaut, aber noch mehr alsdoppelt so viel Flächen in direkterNachbarschaft für weitere Anlagen.“

Vor- und Nachteile im CCP

Als Vorteile des Chemcoastparksnennt Kay Luttmann die Ansiedlung imindustriellen Herzen Schleswig-Hol-steins als solche, die Chance zumWach-sen wegen der verfügbaren Flächen undden Zugang zum Transportweg Wasser.Als besonders betont derWerkleiter dieenge Zusammenarbeit der einzelnen Fir-men imCCP: „Das kenne ich von keinemanderen Chemie-Standort.“

Größter Nachteil sei der Zustand derInfrastruktur, B5 und nur ein Bahngleisreichten für die Anforderungen schonlängst nicht mehr aus. „Und wir brau-chen unbedingt die westliche Elbque-rung, denn unser Hauptproblem auf derStraße ist Hamburg.“

Der Sasol-Chef in Brunsbüttel hältzudem den LNG-Terminal für wichtig,damit das weltweit verfügbare Erdgasper Schiff in Brunsbüttel angelandetwerden kann, „denn wir brauchen kon-kurrenzfähige Erdgaspreise“.

Das Sasol-Werk in Brunsbüttel ist unteranderem auf die Herstellung von Tonerde-Produkten spezialisiert. Rechts: WerkleiterDr. Kay Luttmann. Fotos: Sasol

= 20 Mitarbeiter

Zahl und Zusammensetzungder im Werk beschäftigten Mitarbeiter

circa700 Mitarbeiter

47 Auszubildende

circa200 Beschäftigteaus Fremdfirmen