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Gemeinsam von Martin Zenhäusern ([email protected] ) Die Wahlen sind fast vorbei. Nach dem harten Wahlkampf werden jetzt auf allen Seiten die Wunden geleckt, Sündenböcke gesucht und die eigenen Versäumnisse relativiert. Dieses Spiel wiederholt sich alle vier Jahre, und deshalb sollten wir dies mit Gelassenheit betrachten. Danach wird wieder Politik gemacht. Spätestens wenn es darum geht, vernünftige Mehrheiten zu schaffen, werden auch die Parteien mit dem stärksten Muskelspiel sich Verbündete suchen müssen, da keine Partei alleine regieren kann. Und das ist gut so. Wenn wir die Schweiz in den europäischen Kontext stellen, bezogen auf die Regierungszusammensetzung, dann stellen wir gravierende Unterschiede fest: In fast allen grossen europäischen Nationen stehen sich ungefähr gleich starke Blöcke gegenüber. Die Mehrheiten und damit die politische Ausrichtung wechseln häufig bei den nächsten Wahlen, so dass alles, was vorher gemacht wurde, wieder umgedreht wird. Wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht, versucht man es mit einer grossen Koalition, die jedoch meist ein Tiger ohne Zähne und Klauen ist, weil die Gegensätze zu stark sind und trennend wirken. In der Regel sind solche Gebilde auch nicht von Dauer. In der Schweiz verhält es sich fundamental anders. Dank dem Konkordanzsystem ist immer eine überwiegende Mehrheit in der Regierung vertreten, und zwar von links bis nach rechts. Natürlich hat auch dieses System Schwächen, und es kann nur so stark sein wie die Köpfe, die es repräsentieren. Es hat jedoch auch unübersehbare Stärken: Es kommt häufig zu Kompromissen, wo sich andere Systeme blockieren. Es gibt gute und faule Kompromisse, das ist auch eine Tatsache. Ein funktionierendes System ist jedoch in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu finden, denn eines ist gewiss: Alle grossen Herausforderungen, die sich uns stellen, können wir nur gemeinsam lösen. Alleingänge auf nationaler Ebene können ausnahmsweise erfolgreich sein, nicht jedoch auf Dauer. Das wissen die Partei-Exponenten auch, die sich, je nach Wahlresultat, entweder grosssprecherisch oder warnend über die Zukunft und Leistungsfähigkeit unserer Politik äussern. Gewisse Themen, die hochgeschaukelt werden, erledigen sich ohnehin von selbst, weil nicht wir sie in der Hand haben, sondern weil sie von Fakten abhängen, die nicht auf die Schnelle umgekehrt werden können. Die niedrige Geburtenrate und die weit verbreitete Ablehnung den Immigranten gegenüber wird Europa einholen. Da genügt ein Blick auf die Zahlen: Um die Einwohnerzahl auf dem aktuellen Stand halten zu können, ist ein Minimum von 2,1 Kindern notwendig. Im europäischen Mittel beträgt die Geburtenrate 1,4 Kinder. Bei gleich bleibender Geburtenrate wird Europa in nur zwei Generationen gerade noch über die Hälfte der heutigen Bevölkerung verfügen. Und eine weitere Tatsache ist die, dass nur ein unternehmerfreundliches Umfeld eine intakte Wirtschaft ermöglicht. Deshalb müssen bürokratische Hürden gesenkt und steuerliche Anreize geschaffen werden. Wenn die Schweiz dies tut, dann darf sie sich vom Donnergrollen der EU, die sich mit der Erledigung ihrer eigenen Hausaufgaben mitunter schwer tut, nicht beeindrucken lassen.

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Und eine weitere Tatsache ist die, dass nur ein unternehmerfreundliches Umfeld eine intakte Wirtschaft ermöglicht. Deshalb müssen bürokratische Hürden gesenkt und steuerliche Anreize geschaffen werden. Wenn die Schweiz dies tut, dann darf sie sich vom Donnergrollen der EU, die sich mit der Erledigung ihrer eigenen Hausaufgaben mitunter schwer tut, nicht beeindrucken lassen.

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Gemeinsam von Martin Zenhäusern ([email protected]) Die Wahlen sind fast vorbei. Nach dem harten Wahlkampf werden jetzt auf allen Seiten die Wunden geleckt, Sündenböcke gesucht und die eigenen Versäumnisse relativiert. Dieses Spiel wiederholt sich alle vier Jahre, und deshalb sollten wir dies mit Gelassenheit betrachten. Danach wird wieder Politik gemacht. Spätestens wenn es darum geht, vernünftige Mehrheiten zu schaffen, werden auch die Parteien mit dem stärksten Muskelspiel sich Verbündete suchen müssen, da keine Partei alleine regieren kann. Und das ist gut so. Wenn wir die Schweiz in den europäischen Kontext stellen, bezogen auf die Regierungszusammensetzung, dann stellen wir gravierende Unterschiede fest: In fast allen grossen europäischen Nationen stehen sich ungefähr gleich starke Blöcke gegenüber. Die Mehrheiten und damit die politische Ausrichtung wechseln häufig bei den nächsten Wahlen, so dass alles, was vorher gemacht wurde, wieder umgedreht wird. Wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht, versucht man es mit einer grossen Koalition, die jedoch meist ein Tiger ohne Zähne und Klauen ist, weil die Gegensätze zu stark sind und trennend wirken. In der Regel sind solche Gebilde auch nicht von Dauer. In der Schweiz verhält es sich fundamental anders. Dank dem Konkordanzsystem ist immer eine überwiegende Mehrheit in der Regierung vertreten, und zwar von links bis nach rechts. Natürlich hat auch dieses System Schwächen, und es kann nur so stark sein wie die Köpfe, die es repräsentieren. Es hat jedoch auch unübersehbare Stärken: Es kommt häufig zu Kompromissen, wo sich andere Systeme blockieren. Es gibt gute und faule Kompromisse, das ist auch eine Tatsache. Ein funktionierendes System ist jedoch in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu finden, denn eines ist gewiss: Alle grossen Herausforderungen, die sich uns stellen, können wir nur gemeinsam lösen. Alleingänge auf nationaler Ebene können ausnahmsweise erfolgreich sein, nicht jedoch auf Dauer. Das wissen die Partei-Exponenten auch, die sich, je nach Wahlresultat, entweder grosssprecherisch oder warnend über die Zukunft und Leistungsfähigkeit unserer Politik äussern. Gewisse Themen, die hochgeschaukelt werden, erledigen sich ohnehin von selbst, weil nicht wir sie in der Hand haben, sondern weil sie von Fakten abhängen, die nicht auf die Schnelle umgekehrt werden können. Die niedrige Geburtenrate und die weit verbreitete Ablehnung den Immigranten gegenüber wird Europa einholen. Da genügt ein Blick auf die Zahlen: Um die Einwohnerzahl auf dem aktuellen Stand halten zu können, ist ein Minimum von 2,1 Kindern notwendig. Im europäischen Mittel beträgt die Geburtenrate 1,4 Kinder. Bei gleich bleibender Geburtenrate wird Europa in nur zwei Generationen gerade noch über die Hälfte der heutigen Bevölkerung verfügen. Und eine weitere Tatsache ist die, dass nur ein unternehmerfreundliches Umfeld eine intakte Wirtschaft ermöglicht. Deshalb müssen bürokratische Hürden gesenkt und steuerliche Anreize geschaffen werden. Wenn die Schweiz dies tut, dann darf sie sich vom Donnergrollen der EU, die sich mit der Erledigung ihrer eigenen Hausaufgaben mitunter schwer tut, nicht beeindrucken lassen.

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Und grüne Themen, das haben alle gemerkt, werden in Zukunft entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung unserer Erde haben. Die so genannte Green Tech, also alternative Energien und Umwelttechnologien, wird in den nächsten Jahrzehnten wohl zu einem wesentlichen Wirtschafts- und Wachstumsfaktor werden. Wenn wir uns also die Zusammensetzung des Parlamentes und den daraus arithmetisch errechneten Bundesrat ansehen, dann stellen wir fest, dass alle wesentlichen Themen vertreten sind. Ob wir diese Chance nutzen oder uns in teilweise peinlichen persönlichen Auseinandersetzungen aufreiben oder blockieren wollen, liegt in unserem Ermessen. Das Volk hat die Vorlage geliefert und den Steilpass gespielt. Jetzt liegt es an den gewählten Köpfen, gute und sinnvolle Kompromisse zu finden und Lösungen zu erarbeiten. Noch etwas: Wer sich nicht daran hält, wird zu gegebener Zeit die Quittung erhalten, wie schon der amerikanische Präsident Abraham Lincoln wusste: „Man kann alle Leute eine Zeitlang zum Narren halten, und man kann auch einige Leute die ganze Zeit zum Narren halten, aber man kann nicht alle Leute die ganze Zeit zum Narren halten.“