3
Es gilt das gesprochene Wort http://www.akademie-st-paul.org / Lukas Kapitel 11, 27-28 Solus Christus AUGUST 2008 EXERZITIEN AUF DEM SCHWANBERG PREDIGT NR. 4 Leitung: Exerzitenmeister Prof. Dr. Dr. Paul Imhof und Sr. Edith Krug CCR Tonscript: Elisabeth Wiest Edition und Grafik: © Heinz D. Müller [email protected] Zwei Seligpreisungen Die Frau aus dem Volk und Jesus von Nazareth Und es begab sich als er so redete, da hob eine Frau in dem Volk ihre Stimme und sprach zu ihm: “Selig ist der Leib, der dich getragen hat und selig die Brüste, an denen du gesogen hast!“ Er nun sprach: „Ja, selig sind die, die das Wort Gottes hören und befolgen!“ Zwei Seligpreisungen bilden den roten Faden für jenes Geschehen, das sich in unserem Geist, in unserem Herzen während des Gottesdienstes ereignen kann. Zunächst ein Blick in den redaktionsgeschichtlichen Kontext. Da geht es um die öffentlich akzeptierte bzw. nicht akzeptierte spirituelle Kompetenz Jesu Christi. Ein paar Verse vorher: Die Schriftgelehrten sind der Meinung, er sei von Beelzebul besessen, mit dem Teufel treibe er Unterteufel aus. Er ist im Bund mit Baal, dem Herrn, dem Ursprung jener Feuerfliegen, die einst von oben her in das Gebälk des Tempels geflogen sind, um ihn zu zerstören, als die Babylonier Jerusalem belagerten. Reißt Jesus das Haus Gottes nieder? Zerstört er Israel, wenn er den Bund für die Völker öffnet? Bei einer solchen Perspektive auf Jesus wird der Konflikt nicht ausbleiben. Im Duktus des Lukasevangeliums kommt anschließend die Geschichte der Rückkehr böser Geister, von denen jemand befreit wurde. Dämonen finden nirgendwo einen besseren Platz als bei Menschen, die gerade frisch aus Exerzitien kommen, aus geistlichen Übungen mit Jesus. Und wieder etwas später im Lukastext, wollen die Menschen Zeichen, Beweise, Argumente – hat er nun recht oder nicht? Mitten aus dieser

04-20080814-Lk. 11, 27-28 - geistliche-begleiter.de · Bei einer solchen Perspektive auf Jesus wird der Konflikt nicht ausbleiben. Im Im Duktus des Lukasevangeliums kommt anschließend

Embed Size (px)

Citation preview

Es gilt das gesprochene Wort

http://www.akademie-st-paul.org/

Lukas Kapitel 11, 27-28

Solus ChristusAUGUST 2008 EXERZITIEN AUF DEM SCHWANBERG PREDIGT NR. 4

Leitung:Exerzitenmeister Prof. Dr. Dr. Paul Imhof undSr. Edith Krug CCR

Tonscript: Elisabeth Wiest

Edition und Grafik: © Heinz D. Mü[email protected]

Zwei SeligpreisungenDie Frau aus dem Volk und Jesus von Nazareth

Und es begab sich als er so redete, da hob eine Frau in dem Volk ihre Stimme und sprach zu ihm: “Selig ist der Leib, der dich getragen hat und selig die Brüste, an denen du gesogen hast!“ Er nun sprach: „Ja,

selig sind die, die das Wort Gottes hören und befolgen!“

Zwei Seligpreisungen bilden den roten Faden für jenes Geschehen, das sich in unserem Geist, in unserem Herzen während des Gottesdienstes ereignen kann. Zunächst ein Blick in den redaktionsgeschichtlichen Kontext. Da geht es um die öffentlich akzeptierte bzw. nicht akzeptierte spirituelle Kompetenz Jesu Christi. Ein paar Verse vorher: Die Schriftgelehrten sind der Meinung, er sei von Beelzebul besessen, mit dem Teufel treibe er Unterteufel aus. Er ist im Bund mit Baal, dem Herrn, dem Ursprung jener Feuerfliegen, die einst von oben her in das Gebälk des Tempels geflogen sind, um ihn zu zerstören, als die Babylonier Jerusalem belagerten. Reißt Jesus das Haus Gottes nieder? Zerstört er Israel, wenn er den Bund

für die Völker öffnet? Bei einer solchen Perspektive auf Jesus wird der Konflikt nicht ausbleiben. Im Duktus des Lukasevangeliums kommt anschließend die Geschichte der Rückkehr böser Geister, von denen jemand befreit wurde. Dämonen finden nirgendwo einen besseren Platz als bei Menschen, die gerade frisch aus Exerzitien kommen, aus geistlichen Übungen mit Jesus. Und wieder etwas später im Lukastext, wollen die Menschen Zeichen, Beweise, Argumente – hat er nun recht oder nicht? Mitten aus dieser

Seite 2

Gemengelage ruft eine Frau aus dem Volk. Selig, glücklich, wie im Himmel so auf Erden! Eine Frau aus dem Volk preist die Mutter Jesu. Selig, der Leib, der dich getragen hat und die Brüste, die dich genährt haben. Und Jesus widerspricht nicht. Er antwortet mit einer weiteren Seligpreisung, alle im Blick behaltend: Ja selig sind, die das Wort Gottes hören, es bewahren und befolgen.

Zunächst zur ersten Seligpreisung, eine Seligpreisung die sich mit einer langen Dogmengeschichte verknüpfen lässt. Jedes Jahrhundert, das geistig halbwegs wach war, gab dazu einen Kommentar ab. Selig die Materie, die Mater? Was ist das für ein Glück, dass die Materie so ist oder doch nicht ganz und gar von Erbsünde durchfurcht, so die Katholiken. Ich erinnere an die Diskussion im letzten Jahrhundert und im vorletzten Jahrhundert, die ja in diversen ideologischen Schulen noch anhält.

Wer oder was ist Materie? Keiner weiß es genau, aber immerhin hat man dazu Theorien, etwa Karl Marx und Friedrich Engels. Im Jahre 1848 flatterten beiden die Druckfahnen des kommunistischen Manifests in London auf den Schreibtisch. Woran glaubten sie, als ein Gespenst umging und mit der einfachsten Form der Materie Schindluder getrieben wurde, nämlich dem Kapital? Die Zeche zahlten die Proletarier. Sie glaubten an den positiven Humanismus. Das Ja zum Humanen - welche Religion! Der positive Humanismus, grundlos, nicht weiter begründbar. Ja zum Menschen, zur Menschlichkeit von Anfang an, kommunistisch, materialistisch. Und Darwin setzt im Jahr 1859 gleich noch eins drauf. Das Leben setzt sich reel, materiell durch. Die Entwicklung der Arten findet statt. Ist der Materialismus - darinnen steckt die Frage nach der Mater, der Mutter, der Materie - ein intellektueller Mutterkomplex? Sucht man das Mütterliche nur im Gegenständlichen? Immerhin, das Thema ist auf der Bühne der Weltgeschichte. Wie lautet die Antwort auf die Frage nach der Materie in personaler Gestalt, nach dem mütterlichen Prinzip, nach der Mutter, aus der das Leben weitergeht: reell, materiell vermittelt? Eva lässt grüßen.

In einer solchen zeitgeschichtlichen Situation meldet sich natürlich auch ein Papst zu Wort.Was formuliert er aus seiner Tradition? Im Jahre 1854 konzipiert Papst Pius IX. auf Grund seiner Überzeugungen ein eigenes Fest für den 8. Dezember. An Maria wird offensichtlich, sie ist die Immaculata conceptio, das unverdorbene Konzept vom geschaffenen Menschen, empfangen ohne Erbsünde. Ex opere operato, natürlich muss man das hinzufügen, auf Grund des Heilswirkens Jesu Christi. Bei aller Liebe zur Materie, zu Maria als Mutter, muss man christologisch klar bei Sinnen bleiben. Wie kommt die Wirklichkeit Mariens zustande? Aufgrund des Heilswillens Gottes, des Wirkens des Heiligen Geistes und des Erlösungswerkes Jesu Christi. Durch Gott wird die Materie gut. Der Riss durch die Schöpfung ist prinzipiell wieder geheilt. Marxisten und Katholiken kamen nur selten miteinander ins Gespräch, geschweige denn Marx und Pius IX.

Im Jahre 1950 kommt es bezüglich der Zukunft der Materie wieder einmal zu einem missglückten, bzw. gar nicht stattfindenden Dialog. Diesmal in neoscholastischer Ghettosprache formuliert: mit Leib und Seele ist Maria in den Himmel aufgenommen. Es wird verkündet, dass es für Maria, den Prototyp der Materie, die geschaffen ist, eine absolute Zukunft in Gottes Nähe gibt. Auf Grund des Heilswirkens Gottes ist sie mit ihrem Leib, ihrer durchgeistigten Körperlichkeit, und ihrer Seele, ihrem Individuationsprinzip ganz und gar in der Herrlichkeit Gottes angekommen. Wie ist das zu verstehen?

Wo läuft die Sinnspur? Selig, sagt die Frau aus dem Volk, welches Glück, dass Maria der Herkunftsort Jesu Christi in Raum und Zeit ist. Jesus Christus ist gleichsam doppelt geboren, aus dem Schoß des Ewigen Vaters, herkünftig aus Ewigkeit und erschienen aus dem Zelt, dem Leib seiner Mutter. Dies ist von spiritueller Relevanz für Menschen, die meditieren, ja beten wollen in ihrer Leiblichkeit. Sie

Seite 3

können sich im Kontext des Geistes Gottes und einer Materie vorfinden, die wirklicher ist als man gemeinhin denkt. Geist und Seele existieren in der körperlichen Verfasstheit des Menschen, zumindest eine Zeit lang, viele Jahrzehnte, wenn es hoch kommt. Und die Frage ist gestellt: woher und wohin, wer ist der Ursprung und das Ziel des Menschen?

Selig der Leib und die Brüste, die dich genährt haben. Origenes fällt ein: Die Milch der frommen Denkungsart nährt den Menschen. Dazu gibt es manche kunstgeschichtlichen Irrläufer. So etwa auf einem vorreformatorischen Frömmigkeitsbild im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Man sieht eine arme, betende Seele, hungrig nach dem Kelch des Heiles. Und da ist - etwas unappetitlich - ein Kelch, in den aus der Seite Jesu sein Blut und ein Milchstrahl aus seiner Mutter Brust springen. Da wurde es Zeit für eine Reformation und allfälligen Entmischung synkretistischer Frömmigkeitsphantasien. Frömmigkeitsgeschichtlich war emotional manches gewachsen, kunstgeschichtlich greifbar, wozu man den Geist der Unterscheidung braucht. Aber immerhin, die Problemanzeige gibt zu denken, zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Selig also der Mensch, aus dem durch den Geist reell, materiell vermittelt Jesu Christus in Raum und Zeit geboren wurde. Je mehr vom Heiligen Geist empfangen, desto mehr glückt das Christum treiben. Und das ist selbstverständlich, auch Luther rekurriert in dieser Fragestellung auf das Evangelium. Es ist die gemeinsame Wurzel verschiedener Bekenntnisse und Konfessionen, die daraus entstanden sind.

Jesus sagt Ja zu der Seligpreisung seiner Mutter durch die Frau aus dem Volk und fügt hinzu: Selig sind, die das Wort Gottes hören und es bewahren: das Wort der ewigen Liebe im Menschenwort, das Wort Gottes, das letztlich und zutiefst er selbst ist. Man lese in der Offenbarung des Johannes nach. Der Spitzentitel für Jesus von Nazareth als dem Christus lautet: das Wort Gottes (vgl. Offb. 19, 13). So kommt es während Geistlicher Übungen sehr darauf an, unmittelbar mit ihm selbst in Beziehung zu treten. Er ist Gottes Antlitz, Gottes Auswortung in Raum und Zeit. Jesus spricht menschlich, und darinnen zutiefst verborgen und sich entbergend als Wort Gottes. Jesus Christus ist der gültige Kommentar Gottes zu seiner Thora, zu seiner Weisung vom Berg. Er ist das Wort Gottes, das Gottes Thora auslegt. Dass Jesus Christus das Wort Gottes in Fleisch und Blut ist, dies ist der Dreh- und Angelpunkt des Christentums. Der ewige Geist ist in ihm inkarniert.

Was nicht angenommen ist, ist nicht erlöst. Da das Wort Gottes sich nun aber in unser Menschenwort eingelassen hat, besteht begründete Hoffnung für den Ausstieg des Menschenwortes, das mit Jesus Christus untrennbar verknüpft ist, von dieser Welt in Gottes Ewigkeit. Dorthin ist das Wort Gottes, Jesus Christus, das Menschenwort, auferstanden, auferweckt, schon zurückgekehrt. Und wie die Frömmigkeit bekennt - die Frau aus dem Volk - fand in dieser Spur Maria ihr ewiges Sein, nicht aus eigener Macht und Autonomie, sondern auf Grund des Heilswillens Gottes, des Wirkens des Heiligen Geistes und des Erlösungswerkes Jesu Christi.

Hören wir noch einmal in unseren Herzen diese Seligpreisungen, so dass das Glück und die Freude in uns wachsen. Denn selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren, selig die Frau die ihn genährt hat. Amen

Paul Imhof