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Elena Sotres Zapatero Berlin, den 1. Juni 2008Bevollmächtigte des Königreichs Spaniens
ZustellungsanschriftHumboldt Universität zu Berlin
Juristische Fakultät D-10099 Berlin
Zustellungen per E-mail möglichan E-Mail Adresse [email protected]
(Art 38 § 2 VerfO EUGH)Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften- Kanzlei -L – 2925 Luxemburg
Stellungnahme
In der Rs. C-550/07
Akzo Nobel Chemicals Ltd und Akcros Chemicals Ltd
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
betreffend das von der im Ausgangsverfahren (Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz vom 17. September 2007 in der RS. T-253/03) unterlegenen Partei eingelegte Rechtsmittelverfahren nehme ich im Namen des Königreichs Spanien und ausgewiesen durch die beiliegende Vollmacht wie folgt Stellung:
Model European Union Conference 2008Stellungnahme Königreich Spanien
I
Abkürzungs- und Übersetzungsverzeichnis
Art. Artikel
CE Constitución Española (spanische Verfassung von 1978)
CP Código Penal (spanisches Strafgesetzbuch)
EGV Vertrag der Europäischen Gemeinschaften
EuG Europäisches Gericht erster Instanz
EuGH Europäischer Gerichtshof
EUV Vertrag der Europäischen Union
f. die darauf folgende Seite
ff. die darauf folgenden Seiten
LOPJ Ley Orgánica del Poder Judicial (Organgesetz der
Gerichtsgewalt)
RD 658/2001 Estatuto General de la Abogacía Espanola
(Allgemeine Satzung der spanischen Rechtsanwaltschaft)
RD Real Decreto (Rechtsverordnung)
RM Rechtsmittelschrift
Rn. Randnote
RS Rechtssache
STS Sentencia del Tribunal Supremo (Urteil des spanischen
Bundesgerichtshof)
S. Seite
VO Verordnung
Model European Union Conference 2008Stellungnahme Königreich Spanien
II
1.) Vorläufige Erwägungen zu den von den Rechtsmittelführern und -gegnern vorgebrachten Rechtsmittelgründen
Zur Interpretation des Anwaltsprivilegs
(1) Sowohl in der RM-Schrift als auch in der RM-Beantwortung werden die Begriffe
Syndikusanwalt, Anwalt und Unternehmensanwalt verwendet. Die Kommission unterscheidet
dabei zutreffenderweise zwischen Syndikus und Syndikusanwalt und hebt hervor, dass nur
der letztgenannte den Status als zugelassener Rechtsanwalt aufweist.
(2) Es ist für das Verständnis dieses Schriftsatzes wichtig zu bemerken, dass solch eine
Unterscheidung in Spanien nicht zu finden ist und dass die Terminologie auf dem Gebiet sich
auf „Unternehmensjurist“ (oder im Folgenden auch als Synonym: Syndikusanwalt)
beschränkt. Dies ist teilweise wegen des frühen Entwicklungsstadiums des
Gesellschaftsrechts in diesem Land, der mangelnden einheitlichen Regulierung1 dieses
Rechtsgebiets in Spanien und wegen des Ursprungs des „Company Law“ im englischen
„common law“ Fall.
(3) Während es in den USA ungefähr zwölf Unternehmen gibt, die anderen Betrieben und
Firmen ihre Dienste anbieten, um sich ausschliesslich und spezifisch mit der Auswahl der
geeinigten Syndikusanwälte zu beschäftigen, gibt es in Europa nur eines: First Law and Legal
Bench Market International B.V. Diese Tatsache allein zeigt, wie wenig diese Tradition in
Europa – und besonders in Ländern wie Spanien, dessen Recht sich dem common law
überhaupt nicht ähnelt – verwurzelt ist. Trotzdem gehört die APJE (Asociación Profesional de
Juristas de Empresa oder Berufsvereinigung der Unternehmensjuristen ) seit dem 11. April
2008 zur European Company Law Association (ECLA).
1 Der Derecho de Sociedades (das Gesellschaftsrecht) wird im Gesetzbuch (CC. 1889), Handelsbuch (Código de Comercio de 1885), GmbH-Gesetz (Ley de Sociedades de Responsabilidad Limitada 2/1995, de 23 de marzo) und RD 1564/1989 reguliert.
Model European Union Conference 2008Stellungnahme Königreich Spanien
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(4) Diese „Juristas de Empresa“ oder Syndikusanwälte sind im Rahmen des
Unternehmens in Spanien in zwei verschiedenen Formen zu finden: reine
Unternehmensberatung (die Mehrzahl) und formelle und dauerhafte Verbindung mit dem
Unternehmen. Im letzten Fall ist das Unternehmen mit den Worten des Dekans der
Anwaltskammer, Pedrol Rius, ihr “einziger Kunde”.
(5) Obwohl Spanien in dieser Rechtssache die Position und Forderungen von Akzo Nobel
Chemicals Ltd und Akcros Chemicals Ltd unterstützt, scheint es nötig zu präzisieren, dass der
Ausgangspunkt in den Bezeichnungen unterschiedlich ist. Denn alle Syndikusanwälte sind
auch Mitglieder der Anwaltskammer und gerade deshalb kommen in unserem Recht
Erwägungen zu ihrer Unabhängigkeit nicht in Betracht.
(6) Voraussetzung für die Ausübung der Rechtanwaltschaft ist naemlich die
Einschreibung in eine Anwaltskammer (Colegio de Abogados). Die Bestimmungen des RD
658/2001 wirken ipso iure auf ihre Mitglieder und jeder Rechtsanwalt ist laut Art. 1.1.
unabhängig, darunter auch die Syndikusanwälte (s. Punkt 2).
(7) Der Feststellung des EuGH, dass nur Anwälte das zentrale Kriterium der
Unabhängigkeit erfüllen, „die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden
sind“2, wird deshalb von Anfang an widersprochen. In Spanien wird der Unternehmensjurist
per Gesetz als unabhängig (und damit auch als Besitzer des Privilegs des Berufsgeheimnisses)
behandelt, und zwar trotz Dienstvertrags und trotz der hierarchischen und funktionellen
Einbindung in Firma oder Betrieb.
1.) Zum Rechtsrahmen in Spanien (8) Das Anwaltsprivileg hat in Spanien schon vor der Verabschiedung der spanischen
Verfassung 1978 existiert, die in ihren Artikeln 18 und 24 die Rechtsgrundsaetze zur
Wahrung des Verteidigungsrechts und des Rechts auf die Privatsphäre beinhaltet. Damit kann
gesagt werden, dass die Institution des Anwaltgeheimnisses schon lange als freiheitlich-
2 EuGH AM&S Rn.21, bestätigt duech EuG Hilti/Kommission, Rn13f. Und EuG Akzo/Akcris Rn.166Model European Union Conference 2008
Stellungnahme Königreich Spanien4
rechtsstaatliche Garantie der Sicherheit im Informationsaustausch zwischen Anwalt und
Kunde konfiguriert ist.
(9) Das Berufsgeheimnis wird im spanischen Recht garantiert. Gemäß Art. 542.3 der Ley
Orgánica del Poder Judicial (LOPJ) sind Anwälte verpflichtet, alle Tatsachen oder
Nachrichten (in Abwesenheit weiterer Spezifizierungen werden selbstverständlich Dokumente
aller Art darunter verstanden) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für sich zu behalten, um
damit das Recht der Vertraulichkeit ihrer Kunden zu sichern. Es wird darin weiter ausgeführt,
dass die Anwälte nicht gezwungen werden können, Aussagen darüber zu machen. Diese
Auffassung ist auch mehrmals von der Judikative durch ihre Rechtsprechung bestätigt
worden.3 Der Verhaltenskodex (durch den Generalrat der spanischen Rechtsanwaltschaft
verabschiedet) konkretisiert den Begriff des Berufsgeheimnisses und legt fest, dass es die
vertraulichen Mitteilungen und Vorschläge des Kunden, der gegnerischen Partei, deren
Mitarbeiter und alle Tatsachen und Dokumente, von denen der Anwalt im Rahmen seiner
Tätigkeit erfahren hat, umfasst.- Ausserdem darf der Anwalt der Justizbehörde oder seinem
Kunden nicht die Briefe, Korrespondenz oder Notizen übermitteln, die er vom Anwalt der
anderen Partei bekommen hat, ausser im Falle einer expliziten Berechtigung.
Das Berufsgeheimnis bleibt sogar nach der Beendigung der Dienstleistung ohne jegliche
zeitliche Eingrenzung gültig.
(10) Sogar das spanische Strafgesetzbuch bestraft die Nichterfüllung dieser Pflicht als
Delikt gegen die Justizverwaltung (Art. 467.2 CP). Dazu ist auch der Estatuto General de la
Abogacía Española (RD 658/01) nennenswert, dessen Art. 27.4 genau den gleichen Inhalt
aufweist und das Verfahren im Fall einer genehmigten Untersuchung eines professionellen
Büros unter Anwesenheit des Dekans der Anwaltskammer regelt.
(11) Wie schon erwähnt, findet im spanischen Recht keine explizite Unterscheidung
zwischen Syndikusanwalt, Anwalt und Unternehmensanwalt statt. Vielmehr betrachtet die
3 S.T.S., Sala 3ª, Sección 6ª, de 17 de febrero de 1998.
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Satzung der Anwaltschaft diese verschiedenen Spezialisierungen auf einheitliche Weise: in
Art. 27 werden sowohl die individuelle, die kollektive und die durch multiprofessionelle
Zusammenarbeit durchgeführte Ausübung der Rechtsanwaltschaft einbezogen. Abs. 4 bezieht
sich auf die Anwaltschaft, die durch einen schriftlichen Dienstvertrag eingerichtet wird und
wiederholt, dass in solchen Fällen die grundlegende Freiheit und Unabhängigkeit des Berufs
berücksichtigt werden muss.
(12) In Art. 25.3 des RD 658/01 wird explizit auf die Unternehmensjuristen Bezug
genommen, womit kein Zweifel besteht, dass diese Regelung auch auf diesen Fall anwendbar
ist. In Abwesenheit jeglicher konkreter Regulierung dieses Gebiets gilt die allgemeine Regel,
dass jede Art von Kommunikation, Unterlagen oder Korrespondenz zwischen einem Anwalt
und seinem Kunden vertraulich behandelt werden muss. Durch die Interpretationsregel der
Analogie wird eine solche Orientierung auch für den Fall des Syndikusanwalt anwendbar.
Damit wird eine potentielle Rechtslücke vermieden, indem die Regelung eines ähnlichen
Sachbgebiets übertragen wird.
(13) Eine weitere Bestätigung dieser Orientierung im spanischen Recht ist in der Sentencia
STS. 673/2001 vom 31. Mai zu finden: in diesem Verfahren wird der Anwalt einer
Genossenschaft wegen Verletzung des Anwaltsprivilegs zu einem Monat Berufsverbot
verurteilt.
(14) Die einzige im Moment gültige Ausnahme von diesem Normenkatalog ist das Gesetz
19/1993 vom 28. Dezember zu gewissen Massnahmen für die Prävention von Geldwäsche,
das die Richtlinie 91/308/CEE des Rats der Europäischen Union umsetzt. Laut dieser Norm
besteht für Anwälte die Pflicht, den SEPBLAC (Servicio Ejecutivo para la Prevención de
Blanqueamiento) über solche Tätigkeiten zu informieren.
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