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Beilage zu Falter. Stadtzeitung Wien | Steiermark. Nr. 18/08 Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W; Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2146/2008; Coverillustration: Reini Hackl heurek a ! 1–08 Das Wissenschaftsmagazin im Falter Wie Wissenschaft weiblicher wird

heureka 1/08 - Das Wissenschaftsmagazin des FALTER

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Wie Wissenschaft weiblicher wird.

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Page 1: heureka 1/08 - Das Wissenschaftsmagazin des FALTER

Beilage zu Falter. Stadtzeitung Wien | Steiermark.Nr. 18/08 Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W;Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2146/2008;

Coverillustration: Reini Hacklheureka!1–08Das Wissenschaftsmagazin im Falter

Wie Wissenschaft weiblicher wird

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www.bmwf.gv.at Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

Johannes HahnDie mitdenkende Studienbeihilfe >„Die Lebenswelten der Studierenden ernst nehmen unddanach handeln“ (Bundesminister Johannes Hahn) > für

jedes Kind 60 € Zuschlag undVerlängerung der Anspruchs-dauer auf Kinder bis 6 Jahren >verlängerte Förderungsdauerund angehobene Altersgrenzenfür Studierende mit Kind undgesundheitlich beeinträchtigteStudierende > Anhebung derEinkommensgrenzen > An-hebung der Zuverdienstgrenzeauf 8000 € egal ob aus selb-ständiger oder unselbständigerTätigkeit > 2800 zusätzlicheLeistungs- und Förderungs-

stipendien > Erleichterungen bei Studienwechsel undMasterstudium > Stipendium ins EU-Ausland mitnehmenAb Herbst 2008 4000 Beihilfenbezieher/innen mehr: 4000 x mehr Realitätsnähe.

GO

stip. A4 kind 22.04.2008 13:45 Uhr Seite 1

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NIEMALS AUFGEBEN 4 Ingela Bruner diskutiert mit

Renée Schroeder, wie noch mehr

Frauen Karriere machen könnten.

VENUS UND MARS 12Was die Wissenschaft über die

Unterschiede im Verhalten der

Geschlechter wirklich weiß.

AB NACH AMERIKA 18Fünf Österreicherinnen berichten,

warum sie es an den Unis in den

USA und Kanada besser haben.

DOPPELT GEMOPPELT 20

Österreich bietet wenig, damit

Forscherpaare Kind und Karriere

unter einen Hut bringen.

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Wie männlich ist die Alma mater?“,fragten wir bereits 1998 an dieser Stel-le. Wir beklagten, dass die gläserne

Decke für Frauen an den Universitäten offen-sichtlich besonders dick ist. Und obwohl Öster-reich seit Oktober 2007 (und 642 Jahre nachGründung der ersten Universität) mit IngelaBruner seine erste Rektorin hat (s. S. 4) undsich die Lage der Frauen in der Forschung lang-sam verbessert, sind sie in vielen Fächern undinsbesondere auf Professorenebene nach wie vorkrass unterrepräsentiert. Die stereotype Vorstel-lung, dass Wissenschaft eine männliche Sachesei, ist nur schwer aus der Welt zu schaffen, zu-mal die Sprache und die Medien dieses Klischeenoch verstärken. Deshalb weisen wir explizit darauf hin, dass indiesem Heft die Verwendung von Begriffen wie„Professoren“ geschlechtsneutral gemeint ist.Wir sind uns aber auch bewusst, dass wir in derVergangenenheit – auch und zumal bei den be-fragten Expertinnen und Experten – einen ge-wissen Gender-Bias hatten (s. S. 16). Wir gelo-ben Besserung. Mit der Ö1-Wissenschaftsjour-nalistin Birgit Dalheimer sitzt nun jedenfallsauch eine Frau im heureka!-Redaktionsteam.Das wurde nach zehn Jahren auch wirklich Zeit. Danke für Ihre Treue!

Die Redaktion

Impressum: Beilage zu Falter Nr. 18/08; Herausgeber: Falter Verlags GmbH, Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH,Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T.: 01/536 60-0, F.: 01/536 60-912, E.: [email protected], DVR-Nr.: 0476986; Redaktion: Birgit Dalheimer, Klaus Taschwer, Oliver Hochadel; Satz, Layout, Grafik: Reinhard Hackl; Druck: Berger, Horn

heureka! erscheint mit Unterstützungdes Bundesministeriums für

Wissenschaft und Forschnung

ZAHLEN 7 Gender-Schere | KARRIEREFALLEN 8 Eine Nobelpreisträgerin macht Vorschläge | KOLLEGENVEREIN 10 Benachteiligt

Peer-Review die Frauen? | GENDERMEDIZIN 14 Herz-liche Unterschiede | LARA CROFT & CO. 15 Wie Wissenschaftlerinnen im Film

inszeniert werden | EHER SENDEPAUSE 16 Forscherinnen in den Medien | HOOLIGÄNSE 22 Weibliche Fans von Frauen erforscht

Sie ist wohl die einzige Frau mit einem Body-Mass-Index über fünfzig, die weltweit Be-wunderung hervorruft. Und sie ist fest in Forscherinnenhand. Seit vielen Jahren untersuchtund hütet die Prähistorikerin Walpurga Antl-Weiser vom Naturhistorischen Museum Wiendie 27.000 Jahre alte Steinfigur. Vor hundet Jahren wurde die Venus von Willendorf ent-deckt. Das Jubiläum nehmen wir zum Anlass für das nächste Heft: heureka! wird sich derVor- und Frühgeschichte des Menschen widmen und am 18. Juni erscheinen.

INHALT

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heureka!: Es gibt in Österreich nach wievor verhältnismäßig wenige Forscherin-nen, auch und zumal in Spitzenpositio-nen. Wo und wann gehen die Frauen, dieja bei den Studierenden noch die Mehrheitstellen, der Wissenschaft verloren?

Renée Schroeder: Meinen Beobachtungennach beginnt das bereits bei der Dissertati-on. Zwar gibt es ungefähr gleich vielemännliche wie weibliche Doktoranden.Aber bei den finanzierten Doktorarbeiten –das sind zurzeit ungefähr 2000 von insge-samt 16.000 – fallen die Frauen schon aufein Drittel zurück. Das heißt, die Frauenschreiben mehr unbezahlte Dissertationen.

Ingela Bruner: Nach der Dissertation gehtdas in ähnlicher Tonart weiter. Es scheint jaso zu sein – wir arbeiten an der Boku gera-de an einer diesbezüglichen Bestandsauf-nahme – dass junge Frauen eher auf Stellenlanden, die durch Drittmittel finanziertoder befristet sind – und daher prekär sind.

Seit einigen Jahren gibt es in Österreichspezielle Förderungsschienen wie die Lise-Meitner-Stipendien, das Elise-Richter-Programm oder die Hertha-Firnberg-Stel-len. Was bringen die?

Bruner: Forschungsförderschienen speziellfür Frauen können tatsächlich auch in eine

Sackgasse führen, wenn die Frauen nachAblauf der Spezialprogramme keine festeStelle an der Uni haben. Ich wäre deshalbunbedingt dafür – obwohl es meinen Ent-scheidungsfreiraum als Rektorin einengt –,dass die Unis dazu verpflichtet werden, jeneFrauen definitiv zu stellen, die bei solchenhochkompetitiven Programmen reüssieren.

Schroeder: Hart formuliert könnte man sa-gen, dass das zu viel zum Sterben, aber zuwenig zum Leben ist. Bei uns am Campusdes Vienna BioCenter gibt es viele Frauen,die auf diese Form – aber auch durch ande-re Drittmittel – ihre Forschungen und gan-ze Gruppen finanzieren. Diese Frauen sindsehr gut, aber weniger kompetitiv, weil sieihre eigene Finanzierung auch immer wie-der einwerben müssen.

Die Jahre zwischen dreißig und vierzig,wo Frauen dann oft aus der Wissenschaftaussteigen, sind im Normalfall auch die

Boku-Rektorin Ingela Bruner

und Biochemikerin Renée

Schroeder sind Ausnahmen in

der österreichischen Wissen-

schaft. Eine Diskussion über die

Gründe, wo und wann Frauen

der Forschung verloren gehen

und was dagegen getan

werden kann. Moderation: Birgit Dalheimer & Klaus Taschwer

heureka 1/2008 | Wissenschaft, weiblich4 …

Niemals aufgeben – nur mit diesem Motto gelang es Ingela Bruner und Renée Schroeder, die gläserne Decke für Wissenschafterinnen zu durchbrechen

Nevergive up!

Julia

Fuc

hs (3

)

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der Familiengründung. Lassen sich Kinder undWissenschaft überhaupt vereinbaren?

Schroeder: Ich denke, dass Kinder im Prinzipnicht unbedingt ein Problem für die wissenschaft-liche Karriere sein müssen. Das sind eher diemännlichen Partner, auf die ihre Frauen oft viel zuviel Rücksicht nehmen. Ich kenne Frauen, die zu-rückstecken, weil sie dachten, dass ihre Ehe inBrüche gehen würde, wenn sie erfolgreicher wärenals ihre Männer. Faktum ist auch, dass Väter hier-zulande zumeist nicht dieselbe Leistung bei derKindererziehung erbringen. Wir werden amCampus bald einen eigenen Kindergarten haben –und erleben gerade einen sensationellen Baby-boom. Aber es gibt natürlich auch Probleme, zumTeil aber auch künstlich geschaffene.

Zum Beispiel?Schroeder: Wenn frau schwanger wird, muss sieim Prinzip sofort aus dem Labor raus. Das sindheute die Schutzbestimmungen, die Frauen quasientmündigen. Ich habe damals noch bis zu denWehen gearbeitet. Das geht heute nicht mehr.Und die Projektleiter müssen trotzdem das Geldfür diese Zeit zahlen.

Nach wie vor besonders gering ist in Österreichder Anteil der Professorinnen. In der Novellezum UG 2002 ist nun eine vierzigprozentigeFrauenquote in allen Gremien vorgesehen. Istdas nicht eine etwas zahnlose Methode, um dieAnzahl der Professorinnen zu erhöhen?

Schroeder: Ich bin da auch skeptisch. Mehr Frau-en in den Gremien bringen meiner Erfahrungnach relativ wenig, weil Frauen viel kritischer ur-teilen als Männer. Dazu kommt das Problem, dasseinige Frauen jetzt nur mehr in den Gremien sit-zen werden, statt die Arbeiten zu erledigen, dieder Karriere zugutekommen. Ich lehne solcheJobs immer öfter ab, einfach weil ich nicht dieZeit dafür habe.

Bruner: Ich bin da etwas anderer Meinung. Ichhabe mich über die 40-Prozent-Quote sehr ge-freut, auch wenn ich noch lieber eine 50-Prozent-Parität gehabt hätte. Wichtig wäre, diese Positio-nen auch für den Mittelbau zu öffnen. Dann hät-ten wir nämlich genügend Frauen. Wir müssenaber noch etwas tun: Wir müssen jenen Personenstärkere Anerkennung entgegenbringen, die dieseFormen von Gremialarbeit übernehmen.

Warum eigentlich? Wäre es nicht für die Karrie-re besser, mehr zu forschen?

Bruner: Ja, das ist ja auch ein Teil des Problems.Wenn wir nur nach Publikationslisten und Im-paktfaktoren gehen, dann wird niemand mehrsolche Gremialjobs annehmen. In angelsächsi-schen Ländern oder in Skandinavien wird ein En-gagement für die „Zivilgesellschaft Universität“oder auch die Leitung von Departments viel stär-

ker anerkannt als hier. Das möchte ich ändern.Wenn eine Person Verantwortung an der Bokuübernimmt oder sich „zivilgesellschaftlich“ an derUniversität engagiert, dann wird diese die entspre-chende Wertschätzung erhalten.

Aber wie kann man den Anteil der Professorin-nen nun erhöhen?

Schroeder: Also, ich wäre durchaus dafür, dassman eine bestimmte Anzahl von Professuren ein-fach für Frauen ausschreibt. Das wäre ehrlich.Frauen sind in Sachen Quoten oft skeptisch.Männer nennen es halt einfach anders. WennMänner über Beziehungen zu einem Job kom-men, dann haben sie kein Problem damit, Frauenhingegen schon. Als ein grundsätzliches Problembei Berufungsverfahren sehe ich heute, dassQuantitätskriterien die Qualitätskriterien abgelösthaben. Es geht nur mehr um Impaktfaktoren, undman schaut gar nicht mehr auf die Arbeit selbst.Das macht es für Frauen auch nicht leichter.

Aber das trifft doch Frauen und Männer glei-chermaßen?

Schroeder: Nicht unbedingt. Wenn ich mir an-schaue, was Männer alles tun, damit sie in eineZeitschrift kommen, die einen hohen Impaktfak-tor hat – das wäre vielen Frauen nur peinlich.Wenn ihre Arbeit abgelehnt wird, fangen Männeran, mit dem Herausgeber zu streiten oder bittenbefreundete Kollegen um Interventionen. Diemeisten Frauen hingegen reichen dann einfach beieiner anderen Zeitschrift ein, die weniger Impakt-punkte hat.

Bruner: Ich denke, wir sind uns einig,dass es bei den Entscheidungen darumgehen muss, die bestmöglichen Kandi-daten und Kandidatinnen auszuwäh-len. Als Rektorin bin ich ja glücklicher-weise in der Lage, bei Berufungen dasletzte Wort zu haben. Und ich wehremich dagegen, dass mir mein Denkendurch Impaktfaktoren abgenommenwird. Kennzahlen mögen wichtig sein,aber eine gute Führung muss auch aufdie Persönlichkeit der Bewerber undBewerberinnen achten – sowie auf ihreFähigkeit, zu lehren und eine Gruppezu leiten. Wenn wir das wieder gleich-berechtigt mitbewerten, dann bin ichmir sicher, dass viele starke Frauen zumZug kommen werden.

Lässt sich das an Ihrer Uni schon ab-schätzen?

Bruner: Zu meiner Freude sehe ich,dass wir eine Frau nach der anderen inleitende Positionen bringen können,was uns aber gewissermaßen – offen-sichtlich bedingt durch ihre hervorra-

heureka 1/2008 | Wissenschaft, weiblich … 5

ZUR PERSON

Renée Schroeder

ist international renommierte

Biochemikerin (Spezialgebiet

RNA-Forschung) und Universi-

tätsprofessorin am Department

für Biochemie der Max F. Perutz

Laboratories, ein Joint Venture

der Universität Wien und der

Medizinischen Universität Wien.

Die 55-Jährige war von 2001 bis

2005 Mitglied der Bioethikkom-

mission und ist seit 2005 Vize-

präsidentin des FWF. Sie hat

zwei Söhne. 2001 erhielt sie den

Unesco Special Honor Award

„For Women in Science“, 2002

wurde sie zur Wissenschaftlerin

des Jahres gewählt. Anfang 2003

wurde sie (damals als einzige

Frau) wirkliches Mitglied der

mathematisch-naturwissen-

schaftlichen Klasse der Österrei-

chischen Akademie der Wissen-

schaften. �

»Was Männer alles tun,um in eine Zeitschrift mit

einem hohen Impaktfaktorzu kommen – das wäreFrauen nur peinlich. «

Renée Schroeder

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genden Qualifikationen – passiert ist!Die erste Professur wurde mit einerFrau besetzt, bei der nächsten ist eineFrau sehr gut im Rennen. Wir solltenauch nicht vergessen, dass es Uni-Führungspositionen nicht nur in derWissenschaft, sondern auch in denServiceeinrichtungen gibt: Das Zen-trum für Lehre wurde auf der Bokumit einer Frau besetzt, die eindeutigam besten geeignet war. Ebenso dieBibliotheksleitung und das Strategi-sche Controlling. Und jede dieser er-folgreichen Frauen bewirkt etwas,weil sie selbst zum Vorbild wird.

Frau Schroeder, an Ihnen könntensich Frauen doch auch ein Vorbildnehmen?Schroeder: Ich glaube nicht, dass ichein gutes Rollenmodell bin. Denn wermacht das schon, so viele Jahre langzu kämpfen und immer wieder Ohr-feigen dafür zu bekommen. Ich habe

halt einfach nie aufgegeben. 2002 war eine Pro-fessur für Biochemie ausgeschrieben. Beim Drei-ervorschlag war ich der Meinung, dass die alledrei schlechter qualifiziert sind als ich und ichdrohte, die Universität zu klagen, wenn sie einender drei beruft. Dann hat der Rektor die Profes-sur einfach nicht nachbesetzt. Die volle Professurhabe ich ja erst vor einem halben Jahr erhalten.

Hatten Sie selbst Vorbilder?Schroeder: Ich habe in Wien Chemie studiert.Damals gab es überhaupt keine Professorinnen.Nur eine Assistentin, die sich das Leben genom-men hat, als ich im zweiten Semester war. Beimeinem Post-Doc in Frankreich hatte ich mitFrauen zu tun, die selbst Forschergruppen leite-ten und für mich extrem wichtig waren. Meinendritten Post-Doc machte ich in den USA, und dahatte ich eine Frau als Chefin, die ich gerade wie-der in den USA besucht habe. Die ging damalsdurch eine Krise, und ich sagte ihr, dass siekämpfen soll, was sie auch getan hat. In Öster-reich zurück hatte ich dann die Probleme, die siehatte.

Bruner: Ich hatte keine so direkten Vorbilderund Mentoren. Aber es gab viele Menschen, vondenen ich viel gelernt habe, von denen Einzelsät-ze sich bei mir tief eingeprägt haben. In meinerschwedischen Familie mütterlicherseits gab eseine ganze Reihe toller Frauen, die für uns jungeMädchen durchaus Vorbilder des Aufbegehrenswaren. Eine Person, die wichtig war für mich,war Dr. Manfred Winterheller in Graz. Der be-stärkte mich darin, große Ziele zu haben. Undnach einem Seminar 1996 beschloss ich, ganzehrlich zu mir selbst zu sein und mir gegenüber

zuzugeben: Ja, ich will Rektorin werden. Eineandere wichtige Einstellung, die ich von ihm ver-mittelt bekommen habe, war: Never give up!

Für wie wichtig halten Sie Mentorenpro-gramme?

Bruner: Das ist etwas ganz Wichtiges. WobeiProgramme, um Frauen am Beginn der Karrierezu begleiten, nur ein Teil sind. Sie brauchen auchUnterstützung, wenn sie es zu einer Professur ge-bracht haben, weil solche Frauen es oft nichtleicht haben. An der MedUni Wien zum Beispieltreffen sich die Professorinnen regelmäßig zumNetzwerken und erarbeiten gemeinsame Strate-gien. So etwas will ich auch hier an der Boku un-terstützen. Darüber hinaus freue ich mich überdas Kooperationsangebot von Renée Schroeder,verantwortliche Boku-Frauen mit ihren Kolle-ginnen an den Max-Perutz-Laboratorien zusam-menzubringen. Wie Sie sehen, hat das heutigeGespräch bereits etwas ausgelöst!

Schroeder: Ich bin selbst auch eine Mentorin undich denke, dass meine Mentees schon davon pro-fitiert haben. Und ich finde auch internationaleMentorinnenprogramme wie WISE-Net, was für„Women in Science and Education“ steht, sehrwichtig – auch um Dinge zu besprechen, die sonstnicht besprochen werden. Und dafür gehen wiralle 14 Tage – wie die Männer – auch ordentlichwas trinken. Unser zweites Hauptanliegen ist es,die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen.

Apropos Sichtbarkeit. Sie stehen beide als Wis-senschaftlerinnen sehr stark in der Öffentlich-keit. Wie wichtig ist Ihnen das selbst?

Schroeder: Mir ist diese Medienpräsenz eindeu-tig passiert. Begonnen hat das mit dem Gentech-nik-Volksbegehren im Jahr 1997. Da dachte ichmir, dass ich eine Botschaft habe, die ich vermit-teln möchte. Und da bekam ich sehr viel Feed-back, und ich entdeckte, dass ich eine gewisseBegabung habe, Dinge zu erklären. Außerdemmacht es mir Spaß. Ich glaube nicht, dass ich alsFrau gefragt werde, sondern als Expertin. AufPodien hab ich oft drei Rollen: die Frau, die Wis-senschaftlerin und die Atheistin. Ich soll alle dreiRollen verkörpern – nicht selten gegen dreiMänner. Das ist oft recht anstrengend.

Bruner: Ich war von der großen medialen Auf-merksamkeit, die meine Wahl zur Rektorin un-mittelbar danach auf sich zog, ziemlich über-rascht, werde aber an der Uni durch eine sehrgute Medienspezialistin, mit der ich mich berate,wunderbar unterstützt. Außerdem habe ichenorm viel Freude daran, in Interviews und Dis-kussionen zu bildungspolitischen Fragen Stel-lung zu nehmen – so wie jetzt gerade. Die Inter-viewenden lösen bei mir immer wieder einen in-teressanten Nachdenkprozess aus. �

»Jede erfolgreiche Fraubewegt etwas, weil sieselbst zum Vorbild wird. «Ingela Bruner

ZUR PERSON

Ingela Bruner

wurde in Schweden als Tochter

einer Schwedin und eines kana-

dischen UNO-Beamten geboren.

Die 56-Jährige studierte in Ka-

nada und Wien, wo sie 1979 als

erste Frau Österreichs im Fach

Maschinenbau promovierte. An-

schließend war sie Assistentin

an der TU Wien, bei der OMV

(u.a. als Direktorin und For-

schungsleiterin) und an der

Donauuniversität in Krems (als

geschäftsführende Präsidentin)

tätig. Seit 2007 bekleidet sie als

erste Frau das Rektorsamt einer

öffentlichen österreichischen

Universität, nämlich der Univer-

sität für Bodenkultur Wien. Sie

hat eine Tochter. 1979 erhielt sie

den Staatspreis für Energiefor-

schung und 1996 die österrei-

chische Staatsbürgerschaft für

besondere Verdienste um die

Republik Österreich.�

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… 7

ZAHLEN BITTE! 2,7 beträgt laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2006 die Stärke des sogenannten „Glass Ceiling Index“ in Österreich.

Damit wird ermittelt, wie schwer es Frauen haben, eine Professur zu bekommen. Diese „gläserne Decke“ ist hier damit wesentlichdicker als in den meisten anderen Ländern der EU. Im Schnitt der EU-25 beträgt der Index 2,1. Neuere Zahlen sind erst für 2009angekündigt.

4 der acht US-amerikanischen Ivy-League-Universitäten – nämlich die Eliteschmieden Harvard, Princeton, Brown und University ofPennsylvania – haben zurzeit einen weiblichen Präsidenten. Das gilt zum Beispiel auch für das M.I.T., die beste Technische Universi-tät der Welt, und insgesamt 23 Prozent der US-amerikanischen Universitäten (vgl. S. 18–19).

26 Prozent beträgt der Anteil der Frauen an den Gewinnern der prestigeträchtigen Starting Grants des European Research Councils(ERC), für die sich über 9000 Nachwuchsforscher um die 35 beworben hatten. Bei den Bewerbungen betrug der Frauenanteil noch30 Prozent. Das vergleichbare START-Programm des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, das seit 1996 besteht, brachte es bislang nur auf 6,25 Prozent weibliche Preisträger.

83 Prozent der österreichischen Forscherinnen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten weniger als 35 Stunden pro Woche. Ziemlichanders sieht das bei den männlichen Kollegen aus: Bloß zwölf Prozent der forschenden Väter mit Kindern betreiben Wissenschaft alsTeilzeitjob (vgl. S. 20–21).

642 Jahre lang dauerte es, ehe nach Gründung der ersten österreichischenUniversität endlich die erste Hohe Schule des Landes eineRektorin bekam: Ingela Bruner, die seit dem 1. Oktober 2007 die Geschicke der Universität für Bodenkultur leitet.

4739 Forscherinnen gab es im Jahr 2004 in Österreich (jüngste verfügbare Zahlen). Macht eine schlanke Frauenquote von 18 Prozent,denn insgesamt sind hierzulande 26.000 Personen in Forschung und Entwicklung beschäftigt. Immerhin stieg die absolute Zahl der inÖsterreich beschäftigten Wissenschafterinnen zwischen 1998 und 2004 um gleich 80 Prozent von 2626 auf 4739.

16.000 Wörter brauchen Frauen im Schnitt, um ihr tägliches Redebedürfnis zu befriedigen. Die Studie, die das feststellte (Science,Bd. 317, S. 82, 2007), widerlegte zugleich aber auch das Klischee von den geschwätzigen Frauen und den schweigsamen Männern.Die Männer kamen nämlich ziemlich genau auf dieselbe Anzahl von Wörtern (vgl. S. 12–13).

Absolventen Assistenten Professoren RektorenStudienanfänger

57%

43%

56%

44%

65%

35%

15%

85%

95%

5%

Bei der Anzahl der Studienanfänger und der Ab-solventen stellen die Frauen in Österreich längstdie Mehrheit. Doch je höher es in der Hierarchienach oben geht, desto weiter geht die Gender-Schere zugunsten der Männer (blaue Punkte) auf:Mit knapp 15 Prozent bei den Professoren undfünf Prozent bei den Rektoren gehört Österreichzu den europäischen Schlusslichtern beim uni-versitären Frauenanteil.Grafik: Hackl; APA

Erhebliche Geschlechterdifferenzen gibt es auchbei den Erstabschlüssen in naturwissenschaftli-chen und technischen Studienrichtungen. Beson-ders stark unterrepräsentiert sind Frauen in Fä-chern wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder In-formatik, in denen ihr Anteil weiterhin wenigerals 15 Prozent beträgt. In der Pharmazie, aberauch in der Biologie sind sie mittlerweile deut-lich in der Mehrheit.Grafik: Hackl; Zahlen aus d. Hochschulbericht 2005Informatik Physik Chemie Biologie PharmazieMaschinenbau

95%

5%

13%

87%

77%

23%

48%52%

22%

35%

78%

65%

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Leben im Ausnahmezustand. Wissenschaftli-che Forschung erfordert spezielle Talente,wie Intelligenz, Leidenschaft und Fleiß.Diese allgemein anerkannten Tatsachengelten für Männer und Frauen gleicherma-ßen. Gemessen an ihrem Potenzial warenund sind Frauen aber in der Wissenschaftimmer noch unterrepräsentiert, speziellwenn es um Professuren oder leitende For-schungspositionen geht. In Deutschlandbeispielsweise sind nur rund elf Prozent al-ler Professoren Frauen. In der Max-Planck-Gesellschaft ist der Anteil von Frauen unterden Direktoren mit etwa sieben Prozentnoch geringer. Früher habe ich mich als Repräsentantin ei-ner kleinen Minderheit vielfach unwohl ge-fühlt, ungeschützt und oft übersehen. Die-ses Leben im Ausnahmezustand, als Rollen-bild war nicht immer angenehm.Als man mir seinerzeit am EuropäischenLabor für Molekularbiologie (EMBL) inHeidelberg eine Gruppenleiterstelle anbot,musste ein jüngerer männlicher Kollege dasLabor mit mir teilen. Eine Frau alleine hät-te kein eigenes Labor überantwortet be-kommen. Das funktionierte jedoch sehr gut, der jun-ge Kollege war Eric Wieschaus. Unsere „er-zwungene“ Zusammenarbeit war Aus-gangspunkt eines fantastischen Projekts,für das wir 15 Jahre später den Nobelpreiserhielten. 1985 wurde ich zur Direktorin eines Max-Planck-Instituts ernannt. Ich erachtete dasals großen Erfolg – bis ich herausfand, dassnie zuvor oder danach ein neuer Direktorso wenig Geld und Platz bekommen hatwie ich. Aber das sollte sich bald ändern:Dank sehr guter Arbeitsbedingungen undexzellenter Mitarbeiter war mein Laborsehr erfolgreich. Die Anerkennung ermu-tigte mich, den Präsidenten um eine Auf-stockung zu bitten, und schließlich wurdeauch mir zugeteilt, was meine männlichenKollegen von vornherein erhalten hatten.

Bewunderung und Ablehnung. Ich denke, dieSituation für Frauen in der Wissenschafthat sich inzwischen entscheidend verän-dert. Offene Diskriminierung ist sehr selten

geworden. Im Gegenteil, in vielen Länderngibt es enormen politischen Druck aufUniversitäten und Forschungseinrichtun-gen, den Anteil an Wissenschaftlerinnen inLeitungspositionen zu erhöhen. Damit er-hebt sich die Frage nach möglichen Zieleneiner Politik für Frauen in der Wissen-schaft: Sollten etwa fünfzig Prozent allerPosten mit Frauen besetzt sein? Ich halte dieses Ziel zugegebenermaßen fürnicht sehr vernünftig. Viele Frauen bewun-dern mich zwar für meinen Erfolg, würdenaber gleichzeitig meinen Job nicht habenwollen. Männer und Frauen sind einfachverschieden. Das ist selbstverständlich kei-ne Frage von Intelligenz, Fähigkeiten oderTalenten. Aber nach meinen Beobachtun-gen unterscheiden sich die Stärken, Zieleund Interessen von Frauen – zumindest imDurchschnitt – von denen ihrer männli-chen Zeitgenossen.

Die Eitelkeit der Männer. Ich kenne vieleFrauen, die meine Abneigung gegen denpersönlichen Stolz, die Eitelkeit und denengen Fokus mancher erfolgreicher männ-licher Kollegen teilen. Ich verstehe Frauen,die es nicht ausstehen können, wenn sich

jemand in den Vordergrund spielt, und dienicht willens sind, das Spektrum ihrer In-teressen, inklusive Familie und Freunde,einzuengen. Ich persönlich habe während meiner Schul-und Studienzeit breite Interessen verfolgt,mich dann aber notwendigerweise weitge-hend auf mein wissenschaftliches Lebenkonzentriert. Ich habe keine Familie, wasviele mögliche Konflikte vermeiden hilft. In meiner wissenschaftlichen Karriere hatteich mehr Glück und Erfolg, als man erwar-ten kann. Nichtsdestotrotz wären nicht alleals Wissenschaftlerinnen ausgebildetenFrauen gern an meiner Stelle. Das mussman respektieren. Offensichtlich ist aller-dings auch, dass viele talentierte Frauen mitgroßem Potenzial keine wissenschaftlicheKarriere machen, obwohl sie es wollten.Und zwar aus einer komplizierten Mi-schung verschiedener Gründe.

Geschlecht und Charakter. So mangelt es Frau-en vielfach an Selbstvertrauen, sie sind zuzurückhaltend und bescheiden. Auf der an-deren Seite aber werden Frauen mit Eigen-schaften, die generell eher Männern zuge-ordnet werden – wie eine laute Stimme, do-minant-aggressives Verhalten oder offenesZur-Schau-Stellen von Selbstvertrauen – inunserer Gesellschaft auch nicht geschätzt.Oft hilft es, Arbeitssituationen im Geistdurchzugehen und zu erkunden, ob diesel-ben Erwartungen und Fragen, die man anFrauen stellt, auch für einen männlichenWissenschaftler gelten würden.Eine erfolgreiche Wissenschaftlerin wirdvon ihren Mitmenschen oft als Bedrohungund ehrfurchtgebietend empfunden – so-wohl von Männern wie von Frauen. AlsAttraktivitätsmerkmale gelten bei Frauenim Allgemeinen eher Schönheit und sozia-le Fähigkeiten als intellektuelle Errungen-schaften. Im Rückblick erkenne ich, dass ich mei-nen Erfolg intuitiv so weit wie möglichvor meinen Kollegen und Freunden ver-borgen habe, um nicht zu provozieren.Vielen Männern fällt es deutlich schwerer,die Überlegenheit einer Frau zu akzeptie-ren als die eines männlichen Kollegen.

Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen sind nach wie vor eine Minderheit. Das hat eine ganze

Reihe von Gründen. Doch etliche dieser typischen Karrierefallen könnten entschärft werden.

Christiane Nüsslein-Volhard

Leidenschaft und Vorurteile

ZUR PERSON

Christiane Nüsslein-Volhard

ist Biologin und seit 1985 Di-

rektorin der Abteilung Gene-

tik des Max-Panck-Instituts

für Entwicklungsbiologie in

Tübingen. 1995 erhielt sie

mit Eric Wieschaus und Ed-

ward Lewis den Nobelpreis

für Medizin für „ihre Entdeckungen betreffend

die genetische Kontrolle früher Embryonalent-

wicklung“. Mit Eric Wieschaus hatte sie Gene

identifiziert, die im Ei der Taufliege die Anlage

des Körperplans und der Segmente steuern. Im

Jahr 2004 gründete sie die Christiane Nüsslein-

Volhard Stiftung, die begabten jungen Wissen-

schaftlerinnen durch finanzielle Zuschüsse die

Kinderbetreuung erleichtert

(www.cnv-stiftung.de).�

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heureka 1/2008 | Wissenschaft, weiblich … 9

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Karriere auch mit Kindern. Das Problem, Fa-milienleben und Karriere zu vereinen, be-trifft meistens die Frauen. Viele Wissen-schaftlerinnen entscheiden sich deshalb ge-gen Kinder. Wir sollten daher alles tun,um talentierten und ehrgeizigen Wissen-schaftlerinnen auch mit Familie eine unab-hängige, erfolgreiche Karriere zu ermögli-chen. Die Vorbehalte mancher männlicherWissenschaftler gegenüber ihren Mitarbei-terinnen mit Kindern kommen vielleichteinfach daher, dass sie sich nicht vorstellenkönnen, wie sie selbst ihre Karrieren ohnedie ständige Unterstützung ihrer Frauengeschafft hätten. Eine typische Karrierefalle für Frauen ist,dass sie lange Karenzzeiten nehmen und inTeilzeitpositionen zurückkehren. Das istoft das Ende unabhängiger wissenschaftli-cher Arbeit. Talent, Fähigkeiten und Qua-lifikation reichen nicht – eine wissen-schaftliche Karriere verlangt auch eigen-ständige wissenschaftliche Arbeit und Pu-blikationen. Das wiederum braucht Zeitund Energie, anders geht es nicht. Mankann Frauen mit Kindern Zugeständnissein Bezug auf ihr Alter machen, aber nicht,was die Qualität und Bedeutung ihrer Pu-blikationen betrifft. Frauen haben oft große emotionale Pro-bleme, einen Teil der Erziehung und Be-treuung ihrer Kinder anderen zu überant-worten, selbst wenn es geschultes Personalist. In vielen europäischen Ländern machtder gesellschaftliche Druck Frauen ein

schlechtes Gewissen, nicht ausreichendZeit mit ihren Kindern zu verbringen.Tatsächlich ist es aber so, dass Kinderneine qualitätsvolle Tagesbetreuung und dieGesellschaft anderer Kinder zumeist vielFreude macht.

Laborarbeit statt Hausarbeit. Manche Frauen– speziell in Österreich, der Schweiz oderDeutschland – weigern sich, Haushaltshil-fen in Anspruch zu nehmen, auch wenn sie

so mehr Zeit mit ihrer Familie oder im La-bor verbringen könnten statt damit, Wä-sche zu waschen. Für Frauen am Beginnihrer Karriere ist das klarerweise oft zu teu-er. Ich habe gemeinsam mit meiner Kolle-gin Maria Leptin deshalb eine Stiftung ge-gründet, die talentierte junge Mütter mitFörderungen für Haushaltshilfen unter-stützt. Unsere ersten Erfahrungen sind po-sitiv, nicht zuletzt wegen der moralischenUnterstützung, die wir diesen Frauen ge-ben können.

Ein weiteres Problem, das Frauen mehr be-trifft als Männer, ist ihre Bereitschaft, or-ganisatorische Arbeiten in ihrer Institutio-nen zu übernehmen, wenn immer sie dar-um gebeten werden. Zusätzlich werdenFrauen, weil sie in der Wissenschaft immernoch eine Minderheit sind, gerne mit Ein-ladungen zu Mitgliedschaften in verschie-densten Gremien überhäuft. Frauen müs-sen solche Anfragen häufiger ablehnen alsMänner, und sie müssen es aushalten, da-für nicht immer geliebt zu werden. WärenMänner sensibler gegenüber Genderfra-gen, wäre die verpflichtende Teilnahme ei-ner Frau in Kommissionen unnötig.

Ende der Diskussion. Die Aussichten fürWissenschaftlerinnen waren zwar nie bes-ser als jetzt, aber immer noch haben Frau-en nicht die gleichen Möglichkeiten wieMänner, ihre Leidenschaft für die Wissen-schaft in eine erfolgreiche Karriere zu ver-wandeln. Ich hoffe, dass all die Bemühun-gen, das zu ändern, bald zu einer Situationführen, in der das Thema Frauen in füh-renden Positionen in der Wissenschaftnicht mehr ständig diskutiert werdenmuss. �

Übersetzung: Birgit Dalheimer

Der Text ist eine gekürzte Fassung des Ar-tikels: „Women in science – passion andprejudice“, erschienen in Current Biology(Bd. 18, Nr. 5, 2008). Nachdruck mitfreundlicher Genehmigung von Elsevier.

»Sollten tatsächlich 50Prozent aller Posten mitFrauen besetzt sein? Ichhalte dieses Ziel für nichtsehr vernünftig. «Christiane Nüsslein-Volhard

„Man kann Frauen mit Kindern Zugeständnisse in Bezug auf ihr Alter machen, aber nicht auf die Qualität ihrer Arbeiten.“ Christiane Nüsslein-Volhard (m.)

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Sturm der Entrüstung. Das Vorhaben vonChristine Wennerås und Agnes Wold klangeinfach und musste dennoch bei Gericht ein-geklagt werden: Bewerbungen von Frauenum Post-Doc-Stipendien beim Schwedi-schen Forschungsrat für Medizin wurdendoppelt so häufig abgelehnt wie jene ihrermännlichen Kollegen. Die beiden Medizine-rinnen wollten den Grund wissen und dieBewertungen der Frauenanträge im Rahmendes Peer-Review analysieren – und lösten da-mit einen Sturm der Entrüstung aus. Das Verfahren sei geheim, eine Einsicht des-halb nicht möglich, und außerdem sei alleshöchst objektiv abgelaufen, so die Argumen-tation. Die Forscherinnen klagten. Laut ei-nem schwedischen Gesetz haben alle BürgerZugang zu Dokumenten, die sich im Besitzvon staatlichen und regionalen Behörden be-finden. Das Gericht verpflichtete den For-schungsrat, die Dokumente herauszurücken.Die Analyse von Wennerås und Wold er-schien bereits 1997 im britischen Wissen-schaftsmagazin Nature (Bd. 387, S. 341–343; begutachtet von drei Männern, wie Na-ture anmerkte). Bis heute wird sie als der Be-leg schlechthin dafür zitiert, was die Verzer-rung des scheinbar objektiven Peer-Review-Verfahrens zum Nachteil der Frauen betrifft:

Es konnte nämlich erstmals eindeutig belegtwerden, dass männliche Gutachter die wis-senschaftliche Kompetenz von Forscherin-nen geringer einschätzten als die der Ge-schlechtsgenossen – und zwar unabhängigvon Zahl und Ort der Publikationen.

Beste Qualitätsprüfung? Das Peer-Review-Ver-fahren gilt als die beste Methode, um die in-haltliche Qualität von Projektanträgen, aberauch von Publikationen zu prüfen. Dabei istdas Verfahren noch gar nicht so alt: „Erfun-den“ im England des 18. Jahrhunderts,konnte sich die Methode erst nach demZweiten Weltkrieg durch die Förderungsein-richtungen und Magazine im englischspra-chigen Raum richtig etablieren. Nicht ohneFunktionsverschiebung: Während ursprüng-lich die Klärung inhaltlicher Fragen im Mit-telpunkt stand, wurde es zu einem Schiedsge-richt, das über Geld und Publizität entschei-det. Genau darin liegt aber auch die Problematikvon Verzerrungen, etwa hinsichtlich des Ge-schlechts. Wer weniger bewilligte Projekteund eine geringere Anzahl von Veröffentli-chungen vorzuweisen hat, bekommt wiederweniger Geld und Öffentlichkeit in Formvon Publikationen: ein Teufelskreis, der von

einem Peer-Review-Verfahren mit ge-schlechtsspezifischer Voreingenommenheitam Leben erhalten wird.Aber wie lässt sich diese Verzerrung festma-chen? Renommierte Zeitschriften weisen je-denfalls entrüstet von sich, dass es bei ihnenso etwas wie einen Gender-Bias gebe.

Nachfragen bei Nature. Anfragen von heureka!bei den einflussreichen Wissenschaftsjourna-len Nature und Science zeigen jedenfalls, dasssie auch kein Interesse daran haben, der Fra-ge nachzugehen: Ruth Francis, Pressespre-cherin von Nature, betont, dass sie keineAussagen dazu machen kann, weil es bei ih-rer Zeitschrift keine Aufzeichnungen zumGeschlecht ihrer Autoren gibt. Wie das Männer-Frauen-Verhältnis bei denGutachtern aussieht, dazu könne sie sowiesonichts sagen, denn das sei alles „streng ver-traulich“. Gleichlautend die Aussage von Na-tasha Pinol von Science: Man wolle schlichtdie „beste Forschung“ publizieren, ohne da-bei auf das Geschlecht zu achten, so der Te-nor beider Journale.„Das ist genau das Problem: Man erfährt ein-fach nichts, und das Peer-Review-Verfahrenbleibt unangetastet als objektiv bestehen“,kritisiert Brigitte Ratzer, Leiterin der Koordi-

Peer-Review ist das Standardverfahren zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität von Studien

und Projekten. Doch diese Form der Begutachtung geht immer wieder zuungusten von Frauen aus.

Elke Ziegler

Schiedsgericht mit Schlagseite

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nationsstelle für Frauenförderung und Gender Stu-dies an der Technischen Universität (TU) Wien. Dass akademische Leistungen von Frauen undMännern unterschiedlich bewertet werden, habesie hauptsächlich in Berufungsverfahren erlebt: „Dawird beim Herrn Kollegen die lange Publikations-liste gelobt, während man bei der Frau Kolleginkritisiert, dass man bei den vielen Publikationen garnicht wissen kann, was sie tatsächlich zu den Studi-en beigetragen hat“, erzählt Ratzer, die viele Jahreals Gleichstellungsbeauftragte der TU tätig war.

Matthäus und Matilda. Sie bestätigt damit aus derPraxis den sogenannten „Matthäus-Effekt“ und sei-ne Gender-Variante „Mathilda“: „Wer hat, demwird gegeben werden“, heißt es im Matthäus-Evan-gelium. In der Wissenschaft gilt das offenbar vor al-lem für Männer. Ihre Publikationen werden häufigzitiert, ihre Forschung damit angesehener, wodurchsie bei Gutachten besser abschneiden. Der „Mathil-da-Effekt“ führt hingegen dazu, dass die Arbeit vonFrauen Männern zugerechnet wird und die positi-ve Aufmerksamkeitsspirale nie in Gang kommt.Trotz der Geheimniskrämerei gibt es doch immerwieder Belege, dass Peer-Review eine Frauen be-nachteiligende Schlagseite haben kann. Zuletztmachte ein Versuch des Fachjournals BehavioralEcology Schlagzeilen: Die Zeitschrift stellte ihr Be-gutachtungsverfahren im Jahr 2001 von „single-blind“ auf „double-blind“ um: Plötzlich warennicht mehr nur die Gutachter anonym, sondernauch die Namen der Autorinnen und Autoren wur-den so verändert, dass kein Geschlecht mehr abge-lesen werden konnte – beide Seiten waren also„blind“.

Doppelblind macht’s sichtbar. Die Veränderungenwaren erstaunlich: In den vier Jahren vor 2001stammten in Behavioral Ecology 220 Veröffentli-chungen von männlichen Erstautoren und 84 vonweiblichen, in den vier Jahren nach der Umstellungwaren es 277 Studien von Männern und 162 vonFrauen. Ein klarer Fall von Gender-Bias, heißt es inder heuer veröffentlichten Analyse (Trends in Eco-logy and Evolution, Bd. 23, S. 4). Denn auch dieAnzahl von Ökologie-Absolventinnen ist in denanalysierten Jahren nicht so stark gestiegen, dasssich damit der sprunghafte Zuwachs bei den Erst-autorinnen erklären ließe.„Doppelblindverfahren sollten eigentlich Standardbei Peer-Reviews sein“, meint auch der Wissen-schaftsforscher Gerhard Fröhlich von der Universi-tät Linz. Zeitschriften rühmen sich gerne mit pro-minenten Forschern, deshalb sei eigentlich die drei-fache Blindheit angesagt, um systematische Verzer-rungen zu verhindern, so Fröhlich: Auch die Her-ausgeber sollten nicht erfahren, wer Studien zur Pu-blikation einreicht. Dann könnten sie nicht etwadurch die Wahl besonders strenger oder milderGutachter das Ergebnis weitgehend vorherbestim-men.

Mit seinem Vorstoß wird Fröhlich aber wohl unge-hört bleiben: Nature hat sich kürzlich erst sogar ge-gen die Einführung von Double-Blind ausgespro-chen – das sei einfach nicht nötig, die Objektivitätauch so gesichert, wurde argumentiert.

Antragsteller ohne Anonymität. Auch bei den For-schungsförderungseinrichtungen hält man bishernicht viel von einer Anonymisierung der Antrag-steller: Man brauche die Angaben zur Person unddie Publikationslisten, um die Ansuchen in ihrerQualität beurteilen zu können, erklärt GerhardKratky, Geschäftsführer des Forschungsförderungs-fonds FWF. Angesichts der nahe beieinanderliegen-

den Bewilligungsraten von Frauen und Männern(40,6 Prozent der Frauenanträge wurden 2007 be-willigt, 41,8 von jenen der Männer) könne mannicht von einem Gender-Bias bei der Begutachtungsprechen. Beim START-Programm, das sich an junge Spit-zenforscherinnen und -forscher wendet, weisendie Zahlen für 2007 sogar einen Vorteil für Wis-senschaftlerinnen aus: Frauen stellten 18,7 Pro-zent der Bewerbungen und bekamen 25 Prozentder Bewilligungen. Für die Jahre zuvor sieht dieSache allerdings etwas anders aus: von den 1996bis 2006 von einer Fachjury (also per Peer-Re-view) ausgewählten 54 Preisträgern waren nurzwei Frauen, also 3,7 Prozent. Bei den Anträgenstellten Frauen indes (immer noch schwache) 13Prozent, nämlich 46 von 354. Kratky meint dazu,dass der FWF sensibler geworden sei für dieSchwierigkeiten von Frauen in der Forschung –indem man unter anderem das strikte Alterslimitvon 35 Jahren aufweichte.

Systematische Unterschiede. Bei der Deutschen For-schungsgemeinschaft (DFG) ist man in einer Ana-lyse auf nur kleine, aber als systematisch bewerteteUnterschiede nach Geschlecht und Alter gestoßen.Dort vermutet man im Peer-Review-Verfahren dieUrsachen und denkt ein Experiment an: Durch ei-nen vorübergehenden Blind-Review könnte über-prüft werden, ob Gutachten durch die Reputationder Einreichenden beeinflusst werden – sprich: obder Matthäus-Effekt auch hier gilt. Es könnte sein, dass – analog zur Analyse derSchwedinnen Wennerås und Wold – Antragstelle-rinnen höhere Nachweise wissenschaftlicher Kom-petenz abverlangt werden als männlichen Kollegen.Im Reich des geheimnisumwitterten Peer-Reviewklingt das fast schon wie ein Offenbarungseid. �

Renommierte Zeitschriften wieScience und Nature weisen entrüstet von sich, dass es beiihnen so etwas wie einen Gender-Bias gebe.

Zum Nachlesen

Wennerås, Christine/Wold, Agnes(1997): Vetternwirtschaft und Se-xismus im Gutachterwesen. In:

Beate Krais (Hg.) (2000): Wissenschaftskul-tur und Geschlechterordnung. Über dieverborgenen Mechanismen männlicherDominanz in der akademischen Welt.Frankfurt, New York: Campus, S. 107–120(dt. Fassung des Nature-Artikels)

Gerhard Fröhlich (2006): „Informed PeerReview“ – Ausgleich der Fehler und Ver-zerrungen? In: HRK (Hochschulrektoren-konferenz) (Hg.): Von der Qualitätssiche-rung der Lehre zur Qualitätsentwicklungals Prinzip der Hochschulsteuerung. Bonn,S. 193–204

Deutsche Forschungsgemeinschaft (2008):Wissenschaftlerinnen in der DFG. Förder-programme, Förderchancen und Funktio-nen (1991–2004). Weinheim, WILEY-VCH

Bornmann, Lutz/Daniel, Hans-Dieter(2003): Begutachtung durch Fachkollegenin der Wissenschaft. Stand der Forschungzur Reliabilität, Fairness und Validität desPeer-Review-Verfahrens. In: S. Schwarz &U. Teichler (Hg.): Universität auf dem Prüf-stand. Konzepte und Befunde der Hoch-schulforschung. Frankfurt a. M.: Campus,S. 211–230

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USGS

Sind Frauen auch nur Männer? Sie werfenweiter und schneller, masturbieren öfter,sind aufgeschlossener gegenüber One-Night-Stands und neigen etwas mehr zukörperlicher Aggression. Das ist es aberauch schon, worin sich Männer im Durch-schnitt nachweislich von Frauen unter-scheiden. Diesen Schluss hat sich die Psy-chologin Janet S. Hyde von der Universityof Wisconsin nicht leicht gemacht. Sie ver-glich insgesamt 46 Meta-Analysen überGeschlechterunterschiede, die wiederumauf Einzeluntersuchungen über Intelli-genz, Sprachvermögen, soziale undpsychologische Eigenschaften,motorische Fähigkeiten bis hinzu moralischem Empfindenberuhten (American Psy-chologist, Bd. 60, S. 581–592, 2005).Und siehe da: Die lan-ge Liste angeblich an-geborener Unter-schiede ist laut Hy-des Meta-Meta-Ana-lyse schlichtweg völ-lig übertrieben. AusBehauptungen wie:Frauen können vonNatur aus schlechtereinparken und nichträumlich denken, Män-ner lernen weniger leichtSprachen und sind über-haupt nicht so kommunikativ– kurz, Frauen kämen von derVenus und Männer vom Mars –,mögen sich zwar einträgliche Bestsellerbasteln lassen, sie sind nur einfach groß-teils falsch. Bis vor etwa zwanzig Jahren galt die prin-zipielle Gleichheit der Geschlechter – ab-gesehen von den offensichtlichen körperli-chen Unterschieden. Dann traten vor al-lem Psychologie und Neurowissenschaftauf den Plan. Und plötzlich mehrten sichUntersuchungsergebnisse, die vermeintli-che naturgegebene Unterschiede im Ver-halten der Geschlechter herausarbeitetenund diese mit evolutionär bedingten Not-wendigkeiten zu begründen suchten.

Was taten Frauen in der Steinzeit? Versuche,menschliches Verhalten als Folge evolutio-när notwendiger Anpassungen vor langer,langer Zeit zu erklären, sind bestechend.Die Eigenschaften, die vor zehntausendenJahren notwendig waren, um zu überlebenund sich fortzupflanzen, so der Grundtenorder Evolutionspsychologie, die hätten sichseither in die menschliche Natur einge-schrieben. Erklärt wird damit alles vom

männlichen Seitensprung bis zum fehlen-den Orientierungssinn der Frauen. Allerdings stellen Archäologen immer öfterdas klassische Bild der Jäger-und-Sammler-Gesellschaften, das diesen Erklärungsmo-dellen meist zugrunde liegt, infrage. Dasfängt damit an, dass die altsteinzeitlicheFrau wahrscheinlich gar nicht nur in ihrerHöhle oder ihrem Zelt saß, Kinder hüteteoder Beeren sammelte. Sondern sie beteilig-te sich vermutlich ebenso sehr an der Jagd

wie die Männer. Nomadisierend durch dieLande gezogen sind unabhängig von Ge-schlecht und Alter sowieso alle. Weshalbsollte man eigentlich annehmen, dass dieFrauen dabei mit Kind und Kegel blindlingsden Männern folgten, die immer wussten,wo’s langgeht?Und was die Mutterrolle betrifft, schreibtdie US-amerikanische NeuropsychologinLouann Brizendine in ihrem umstrittenenBestseller „Das weibliche Gehirn. WarumFrauen anders sind als Männer“ (2007)zwar, dass die Frau durch das Kinderkrie-

gen seit jeher ein anderer Mensch wür-de, weil sich ihr Gehirn verändere.

Gut, das tut das Hirn einerseitsimmer wieder als Reaktion auf

einschneidende Veränderun-gen – und zu denen gehörtwohl unbestritten auchdie Mutterschaft. Andererseits bedeutetdas noch lange nicht,dass die vornehmlichin patriarchalischenGesellschaften gelten-den Rollenbilder vonFrauen als Wesen, de-ren Bestimmung einzig

und allein in der liebe-vollen Aufzucht ihres

Nachwuchses liegt, „natur-gegeben“ wären. Mutter-

schaft ist überall in der Naturein ununterbrochener Entschei-

dungsprozess, zu dem im Extrem-fall auch Kindstötung, Kinder im Stich

zu lassen, Fremdgehen und Promiskuitätgehören – keine Spur von zurückhaltenden,leidenschaftslosen Weibchen ohne eigeneInteressen, argumentiert die AnthropologinSarah Blaffer Hrdy in ihrem Monumental-werk „Mutter Natur“ (2000).

Ticken Frauenhirne anders? Die Diskussionüber naturgegebene Geschlechterdifferen-zen verlagerte sich zuletzt – auch durch denSiegeszug der Hirnforschung – immermehr in das Gehirn. Da gibt es tatsächlichanatomische Unterschiede zwischen Frauenund Männern. Das Gehirn einer Frau ist

Frauen können sich nicht orientieren, Männer nicht zuhören. Solche Thesen à la „Frau kommt von

der Venus, Mann vom Mars“ verkaufen sich gut. Wissenschaftlich haltbar sind sie aber meist nicht.

Birgit Dalheimer

Verschieden und doch gleich

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Nasa

ein bisschen kleiner und leichter als das ei-nes gleich großen Mannes. Was aber bedeu-ten diese durchschnittlich hundert GrammGewichtsdifferenz? „Rückschlüsse auf dieIntelligenz lassen sich daraus auf jeden Fallnicht ziehen. Das zeigen unzählige Unter-suchungen“, sagt der Neuropsychologe Al-joscha Neubauer von der Universtität Graz.Der britische Psychologe Simon Baron-Co-hen (der Cousin des Komikers Sacha BaronCohen) sieht freilich schon Unterschiede:und zwar in der Verschaltung des weibli-chen Gehirns, das eher auf Empathieangelegt sei, „während im männli-chen Gehirn die Netzwerke fürdas Verstehen und Bauen vonSystemen die Fundamentebilden“. Diese Behaup-tung untermauerte erdurch ein Experimentmit Neugeborenen:Männliche Babysschauten eher aufein Mobile, wäh-rend kleine Mäd-chen das lächelndeGesicht einer Mit-arbeiterin bevorzug-ten.Bleibt die Frage, wasdas bedeutet. Dennschließlich entwickelnsich neunzig Prozent derVerknüpfungen im Gehirnerst in den ersten Lebensjah-ren, und zwar in Reaktion aufErfahrungen in und mit der Um-welt. Die wenigsten Unterschiede zwi-schen den Gehirnen der Geschlechter sindalso wirklich angeboren. Und selbst wennes Unterschiede gibt, kann niemand sagen,ob oder wie sie mit dem Verhalten zusam-menhängen, gibt etwa der NeuropsychiaterLutz Jäncke von der Universität Zürich zubedenken.

Haben Frauen keinen Orientierungssinn? Obwir in einer fremden Stadt anhand vonkonkreten Orientierungshilfen wie Wirts-häusern oder Schuhgeschäften oder anhandabstrakterer Richtungsangaben wie Nor-

den, Süden oder 500 Meter geradeausnachhause finden, ist keine Frage der Na-tur. Der angeblich schlechtere Orientie-rungssinn von Frauen ist Folge geschlechts-stereotyper Sozialisation, darin stimmendie meisten einschlägigen Untersuchungenüberein. Der einzig signifikante Unterschied findetsich beim sogenannten mentalen Rotati-onstest. Dabei wird das räumliche Vorstel-

lungsvermögen gefordert, indem man drei-dimensionale Figuren im Geist auf Über-einstimmungen prüft. Das scheint Män-nern leichter zu fallen als Frauen. Verantwortlich dafür könnte das Testoste-ron sein. Die Sexualhormone sind beiMann und Frau zwar nicht grundverschie-den: Sowohl das männertypische HormonTestosteron als auch das frauentypischeÖstrogen kommen bei beiden Geschlech-tern vor – nur eben in deutlich unterschied-

lichen Mengen. Männer haben durch-schnittlich zehnmal so viel Testosteron wieFrauen. Das viele weibliche Östrogenscheint den Frauen die Sicht beim mentalenRotieren zu vernebeln. Wenn indes derÖstrogenspiegel während der Menstruationsinkt, dreht die Frau dreidimensionale Ob-jekte im Kopf fast so gewandt wie der Mann. Eine andere Folge der hormonellenSchwankungen hat der Psychologe MarkusHausmann von der Durham University ent-deckt: Anstatt wie sonst mit beiden Gehirn-hälften gleichzeitig verarbeitet das weibliche

Gehirn Aufgaben während der Men-struation und im fortgeschrittenen

Alter, wenn die weiblichen Hor-monspiegel sinken, asymme-

trisch. Zum Beispiel Spracherechts, Raum links – wieMänner. Während der Re-gel und nach den Wech-seljahren nähert sich dasDenken der Frau alsodem des Durchschnitts-manns an.

Und was folgt daraus? Ins-gesamt gibt es deutlichmehr Studien, die bele-

gen, dass die Unterschiedeim Verhalten innerhalb ei-

nes Geschlechts statistischgrößer sind als die zwischen

den Geschlechtern. Was könnendie Untersuchungen über behaup-

tete Unterschiede zwischen Frau undMann für die Einzelne und den Einzel-

nen dann überhaupt erklären? Eigentlichnicht besonders viel, lautet ein weitererSchluss aus Janet Hydes Meta-Analyse. Umso größere Vorsicht sei bei griffig for-mulierten Mars-Venus-Thesen geboten,meint die Psychologin. „Diese Behauptun-gen können die Möglichkeiten von Frauenam Arbeitsplatz einschränken, sie bringenPaare davon ab zu versuchen, ihre Konflik-te und Kommunikationsprobleme zu lösen,und sie führen zu völlig unnötigen Er-schwernissen, die das Selbstvertrauen vonKindern und Heranwachsenden verletztenkönnen.“�

Während der Regel und nachden Wechseljahren nähert sichdas Denken der Frau dem des

Durchschnittsmanns an.

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Aspirin und Aids. Was wäre die Medizindoch ohne Acetylsalicylsäure? Nicht nur,dass Aspirin Kopfschmerzen lindert undFieber senkt. Als Blutverdünner reduziertes auch gleich noch die Risiken für Herzin-farkte und Schlaganfälle. Das haben Dut-zende Studien über viele Jahre zwar eindeu-tig belegt. Ganz entspricht das dennochnicht der Wahrheit. Erst neuere Untersuchungen fanden einenkleinen Unterschied in der Wirkung: Wäh-rend bei Männern hundert Milligramm desWirkstoffes die Gefahr eines Infarkts um 32Prozent und die eines Schlaganfalls um 16Prozent verringern, senken sie bei Frauenzwar das Schlaganfallrisiko um dreißig Pro-

zent, haben aber überhaupt keinen Einflussauf die Entstehung eines Herzinfarktes.Schlagen Frauenherzen also nicht nur lite-rarisch anders? Es dauerte verblüffend lang,ehe die Medizin begriff, dass es nebenMännern noch andere Menschen gibt. Undes bedurfte eines Anlasses: Aids. Als man inden 1990er-Jahren die antivirale Therapiegegen HIV einführte, waren Ärzte über-rascht, dass Männer sehr gut darauf anspra-chen, bei Frauen hingegen die Sterblich-keitsrate um dreißig Prozent hinaufschnell-te. Die Dosis war zu hoch. Diese Tragödiestellte die Geburtsstunde der Gendermedi-zin dar, bis dahin waren Frauen nichts an-deres als Männer.

Männerdomäne Medizin. Medizin ist inEuropa und den USA kulturell bedingtmännlich. Die geschichtlichen Faktoren

dafür beginnen beim Hochschulzugangund enden bei tradierten Rollenbildern, dienoch heute an Gesundheitsstatistiken abzu-lesen sind: Nicht einmal zehn Prozent des„starken“ Geschlechts gehen zu Vorsorge-untersuchungen, während fast doppelt soviele Frauen dieses Angebot in Anspruchnehmen. Entsprechend werden Frauen umfast dreißig Prozent mehr Arzneien ver-schrieben als Männern. Freilich sind nur die wenigsten Medikamen-te (jene gegen Erkrankungen der Brust, Ge-bärmutter und Eierstöcke) an Frauen getestetworden: „Zum einen, um Frauen im gebärfä-higen Alter vor den Risken zu schützen. Zumanderen, um eine Beeinflussung der Ergeb-

nisse durch den hormonellen Zyklus zu ver-meiden“, erklärt die Wiener Internistin undKardiologin Jeanette Strametz-Juranek, Vor-sitzende der Österreichischen Gesellschaftfür Geschlechtsspezifische Medizin. Und nach dem Unglück mit dem Beruhi-gungsmittel Contergan, das Embryos imMutterleib schädigte, verbot die US-Ge-sundheitsbehörde FDA in den 1960er-Jah-ren sogar die Teilnahme von Frauen an Me-dikamententests. Was Pharmafirmen nurrecht war. Denn die rekrutierten ihre Pro-banden für die Studien primär aus dem Mi-litär. Die Ergebnisse wurden dann einfachauf Frauen übertragen.

Differenzen der Verdauung. Dabei war da-mals schon bekannt, dass beispielsweise derVerdauungstrakt je nach Geschlecht unter-schiedlich funktioniert: Frauen haben we-

niger Magensäure und ihr Magen entleertsich langsamer, weshalb Medikamente län-ger im Magen bleiben und sich so die Wir-kung verstärken kann. Auch die HormoneÖstrogen und Progesteron haben einenmitunter erheblichen Einfluss auf die Wir-kung der Präparate. „Ein Spezialthema sind Herzinfarkte undSchlaganfälle“, sagt Strametz-Juranek. Frau-en haben von Natur aus eine höhere Herz-frequenz. Etliche Medikamente (Neurolepti-ka, Betablocker, Kalziumantagonisten) kön-nen bei ihnen deshalb zu Rhythmusstörun-gen führen. Bei Frauen unterscheiden sich die Risikengenerell von jenen der Männer. So erhöheMigräne mit Aura das Risiko für einenSchlaganfall um das 2,8-Fache, jenes für ei-nen Infarkt um das 2,4-Fache, so Strametz-Juranek. Und sogar eine Depression erhöhedie Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankun-gen. „In diesem Fall wissen wir zwar, dass esso ist, haben aber keine Ahnung, warum“,gibt die Kardiologin unumwunden zu.

Forschung mit Frauenanteil. Weitere ge-schlechtssensitive Forschung tue also not –und sie passiert mittlerweile auch: Seit 2003verlangt die FDA für die Zulassung eines fürMänner und Frauen konzipierten Medika-ments einen mindestens vierzigprozentigenFrauenanteil in den Studien. Auch ihr euro-päisches Pendant, die EMEA, legt bei Zulas-sungen nun Wert auf eine Frauenquote. Was die Bewältigung der Vergangenheit an-belangt, ist Strametz-Juranek weniger zuver-sichtlich: „Es wäre wünschenswert, dass alldie vielen Medikamente, die uns Frauen seitJahrzehnten verordnet werden, endlich auchan Frauen getestet würden. Aber wer soll dasbezahlen?“ Apropos Geld: Die nunmehr verpflichten-de Einbeziehung von Frauen in klinischeStudien werde voraussichtlich die Medika-mentenkosten erhöhen, prophezeit dieInternistin. „Auf Dauer jedoch werden dieGesundheitsausgaben dadurch sinken, weilweniger Überdosierungen verabreicht undweniger Nebenwirkungen behandelt wer-den müssen.“�

Viele Jahrzehnte lang haben Forschung und Pharmaindustrie den Mann als medizinisches Maß für

den Menschen genommen – mitunter mit letalen Folgen für Frauen. Die Gendermedizin schafft seit

ein paar Jahren Abhilfe Andreas Feiertag

Frauenherzen schlagen anders

Etliche Medikamente können bei Frauen zu Rhythmusstörungen führen.

Wik

imed

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Vertauschte Rollen. „He’s got the girl’s part“,witzelte Jodie Foster über Matthew McCo-naughey. Der spielte nämlich im Holly-woodstreifen „Contact“ den etwas ängstli-chen und emotional weichgezeichnetenTheologen Palmer Joss. Foster selbst gabden „boy’s part“: Dr. Eleanor „Ellie“ AnnArroway, eine mutige und entschlosseneAstrophysikerin in leitender Position, dieversucht, Kontakt mit außerirdischer Intel-ligenz aufzunehmen.„Ellie“ ist die Lieblingsfilmforscherin vonEva Flicker. Die Wiener Soziologin hatüber 150 Filme, von den Dreißigerjahrenbis heute, daraufhin analysiert, wie sieWissenschaftlerinnen ins Bild rücken. Wie

sehr das Kino unsere Vorstellung von Weltprägt, könne man nicht in Prozenten ange-ben, sagt Flicker. Aber der Einfluss der Fil-me sei kaum zu unterschätzen, zumalwenn es um Bereiche wie die Forschunggeht, zu der die meisten Menschen keinendirekten Zugang haben.Dass das Labor vermeintlich eine männlicheDomäne ist, legen allein schon die von Fli-cker erhobenen Zahlen nahe. Nur in elf vonsechzig Filmen mit Wissenschaftsbezug (Zeit-raum 1929 bis 2003) kommen überhauptWissenschaftlerinnen vor, also in 18 Prozent.Die US-KommunikationswissenschaftlerinJocelyn Steinke von der Western MichiganUniversity kam für 74 Filme aus den Jahren1991 bis 2001 auf immerhin schon 25 Wis-senschaftlerinnen, sprich: 34 Prozent.

Hauptsache hübsch. In Flickers Typologievon Filmcharakteren gibt es die Assisten-tin, deren Arbeitsplatz sich aufs Bett redu-

ziert, oder die ruppige Emanze, die durchihr ungepflegtes Äußeres besticht. Weib-lichkeit und Intelligenz schließen sich vorallem in den älteren Filmen gegenseitigaus. Die Traumfabrik wurde zum Verstär-ker von althergebrachten Geschlechterrol-len. In der bis vor kurzem völlig männlichdominierten Filmkultur gab es ja auchkaum eine Drehbuchschreiberin, Regisseu-rin oder Kamerafrau.Da ist es ein schwacher Trost, dass Wissen-schaftlerinnen im Film im Gegensatz zuihren männlichen Kollegen nur selten ver-rückt spielen und durch Klonieren dieWelt beherrschen oder gleich ganz in dieLuft sprengen wollen. Und wenn sie böse

sind, wie die Historikerin und Nazi-An-hängerin Dr. Elsa Schneider (Alison Doo-dy) in „Indiana Jones and the Last Crusa-de“ (1989), setzen sie nicht Viren, sondernVerführungskünste ein, um ihre nieder-trächtigen Ziele zu erreichen.

Attraktiv und emotional. Auch wenn Wis-senschaftlerinnen ab den Neunzigerjahrenhäufiger über die Leinwand flimmern,selbstbewusster auftreten, nicht mehr nurassistieren, sondern nun auch Projekte lei-ten, sind sie doch noch längst nicht freivon Stereotypen. Sie tragen immer noch knappe Tops oderStrapse unterm weißen Laborkittel. Undbei aller Intelligenz lassen sie sich von Ge-fühlen leiten. In „The Lost World: JurassicPark“ (1997) kümmert sich die Figur derSarah Harding (Julianne Moore) – ganz

Frau – um ein verletztes Tyrannosaurus-Junges, sorgt für ein Schlamassel und mussvon einem Mann gerettet werden.Das 21. Jahrhundert brachte mit LaraCroft einen neuen Typus. In „Tomb Rai-der“ (2001 ff.) vereint Angelina Joliemännlichen Kämpfer und weibliche Sex-bombe in einer Figur. Croft ist aber emo-tional unreif, laboriert an einem Vater-komplex und hat nur männliche Bezugs-personen. Und ihre wissenschaftlicheKompetenz als Archäologin verkommezum Anhängsel, so Flicker.Als Rollenmodell für Teenagerinnen aufBerufssuche scheidet sie damit wohl aus.Jocelyn Steinke verweist in ihrer Analyse

darauf, dass die meisten Film-Forscherin-nen Singles sind und nur ganz selten Müt-ter. Die Work-Life-Balance ist wohl keinThema für Blockbuster.Wie wäre eine ideale Wissenschaftlerin imFilm darzustellen? Genau so wie ein männ-licher Wissenschaftler? Oder eben dochanders – auf die Gefahr hin, Klischees von„Weiblichkeit“ fortzuschreiben? In derSprache der feministischen Theorie:Gleichheit oder Differenz?Die Wunschliste von Eva Flicker ist lang:Klug sollte sie sein, sie sollte Beruflichesund Privates unter einen Hut kriegen, sozi-al und fachlich kompetent sein, wissen-schaftlich innovativ, humorvoll, feminis-tisch, konfliktfreudig, mit durchschnittli-chem Äußeren und doch attraktiv. Da kann selbst Ellie Arroway nicht mehrmithalten. �

Im Kino haben Frauen schön zu sein und dürfen kreischen. Das gilt auch für Forscherinnen made in

Hollywood. Aber die Filme verändern sich. Und Lara Croft ist nicht das letzte Wort. Oliver Hochadel

Strapse unterm Laborkittel

Als Rollenmodell für Teenagerinnen auf Berufssuche scheidet Lara Croft leider eher aus.

Viele Filmforscherinnensind Singles und nur inAusnahmefällen Mütter.Work-Life-Balance ist keinThema für Blockbuster.

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Augenöffner. Das Resultat war ernüchternd.Bei der Analyse von sechs Ausgaben einesösterreichischen Wissenschaftsmagazinszeigte sich, dass Forscherinnen darin ehernur selten zu Wort kommen. 83Prozent der zitierten

F a c h -leute waren Män-

ner und nur 17 Prozent Frauen.Ähnlich niedrig war die Quote bei den Au-torinnen, die ganz überwiegende Anzahl anArtikeln war von männlichen Journalistenverfasst worden.Einen starken Bias gab es auch auf der Bild-ebene. Auf sieben (von insgesamt 49) Co-vers war eine einzelne Person zu sehen: sechsMänner und nur eine Frau. Diese aber warwiederum keine Wissenschaftlerin, sonderneine Wahrsagerin!Dies ist keine Kollegenschelte, sondernbeinharte Selbstkasteiung. Die Wissen-schaftsjournalistin Sabina Auckenthalernahm vor zwei Jahren in ihrer Abschlussar-beit im Rahmen des Universitätslehrgangs

SciMedia jene Zeitschrift unter die Gender-lupe, die Sie gerade lesen, heureka!Das Ergebnis tat weh, und Mann könnteversuchen, sich herauszureden: Medienspiegeln ja lediglich die Realität wider, undje nach Fach und Hierarchieebene sindmeist nur ein Viertel oder weniger Wissen-schaftler Frauen. Das aber entspricht nichtgerade unserem Selbstverständnis, einenaufgeklärten Wissenschaftsjournalismus zubetreiben, dem es auch um Geschlechter-gerechtigkeit geht. Es ist eine Binsenweis-heit: Medien reflektieren Wirklichkeitnicht nur, sie konstruieren sie mit. Inso-fern ist die Unterrepräsentanz vonFrauen in der Wissenschaft sicherlichnicht nur, aber auch eine Folge ihrermangelnden Präsenz in den Medien.

Forschungslücke. Behaupten wirjetzt einfach einmal, denn solchequantitativen Studien wie jeneüber heureka! sind Mangelware,trotz einer seit Jahren boomen-den Forschung zur Darstellung

von Frauen in den Medien. Eine der weni-gen Ausnahmen ist die fast abgeschlosseneDissertation der Wiener Wissenschaftsfor-scherin Martina Erlemann. Sie erhob, dassin den Jahren 1999 bis 2001 in fünf deut-schen Zeitungen und Zeitschriften der An-teil von Physikerinnen je nach Mediumzwischen null und 13 Prozent lag. ImSchnitt waren es fünf Prozent – genauso vielwie der Anteil der Physikerinnen am pro-movierten Personal an deutschen Unis imJahr 2000.Erlemann untersuchte auch die Art derDarstellung von Physikern beiderlei Ge-schlechts. Journalisten wie auch männlicheWissenschaftler beschreiben Forschung im-mer wieder als Abenteuer, Kampf oder Jagd.So wird Physik zu einem eindeutig männ-lich konnotierten Bereich.

Physikerinnen werden hingegen als Ausnah-meerscheinungen und Exotinnen porträ-tiert. Würden ihnen überhaupt mehr als einoder zwei Sätze gewidmet, interessiertensich Spiegel und GEO eher für deren Privat-leben und Aussehen, so Erlemann. Bei Phy-sikern wird allenfalls der weiße Rauschebarterwähnt, aber der ist ja ein Zeichen derWeisheit.

Die Astrophysikerin Jill Tarter – Vorbild je-ner Ellie, die im Spielfilm „Contact“ nachextraterrestrischem Leben sucht – beschriebder Spiegel so: „Tarters Haar ist grau, blassdie Haut, die Augen schmal hinter der Bril-le. Einst, das sitzt noch in den Zügen der55-Jährigen, muss sie schön gewesen sein.Jetzt liegt Mattigkeit um sie. Denn sie hatschon ein halbes Leben lang gekämpft undnie gewonnen.“ Auf gut Deutsch: Frauen,lasst das Forschen sein, es ist weder euremAussehen zuträglich noch springt etwas da-bei heraus.Schon die US-amerikanische Wissen-schaftsforscherin Marcel LaFollette kam inihrer Pionierstudie zur Darstellung von Na-turwissenschaftlerinnen in Zeitschriften inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts(„Making Science Our Own“, 1989) zumgleichen Befund: Sie werden im fachlichenoder im persönlichen Bereich als Mängel-wesen konstruiert. Keine richtige Frau undkeine richtige Forscherin oder gar keinesvon beiden: nicht gerade ein ideales Identi-fikationsangebot für Maturantinnen auf derSuche nach einem Studienfach.

Ursachengestrüpp. Die mediale Unterreprä-sentanz von Forscherinnen hat vielfältigeGründe. „Die Medien hinken gesellschaftli-chen Entwicklungen meist hinterher“, be-

In den Medien sind Wissenschaftlerinnen kaum präsent. Und wenn, dann werden sie häufig mit

Klischees befrachtet. Was tun? Über Backrezepte, das Sprechen im Konjunktiv und Medienquotenfrauen.

Oliver Hochadel

„Graues Haar, blasse Haut ...“

Frau = parawissenschaftlich?Cover von heureka! 1/2003 zumThema „Ist das noch Wissen-schaft?“

Wird Physikerinnen mehrals ein Satz gewidmet, danninteressieren sich die Medienfür deren Privatleben undderen Aussehen.

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nennt die Salzburger Kommunikationswis-senschaftlerin Elisabeth Klaus eine Ursache.Auch in Bereichen wie der Politik, wo derAnteil der Frauen steigt, werde dies von Zei-tungen und Fernsehen oft nicht entspre-chend berücksichtigt.Ein weiterer Grund ist der Fokus des Wis-senschaftsjournalismus auf Naturwissen-schaften und Medizin. In diesen Feldern istder Anteil der Frauen vor allem auf Profes-sorenebene bekanntlich noch geringer alsim Durchschnitt aller Fächer.Informelle Männerbünde, und zwar sowohlim Journalismus als auch in der Wissen-schaft, sind sicherlich auch kein Rezept füreine geschlechtergerechte Berichterstattung.Damit ist freilich keine maskuline Ver-schwörung zum Ausschluss von Frauen ge-meint, sondern vielmehr unbewusste Ver-haltensmuster. Elisabeth Klaus glaubt, „dassJournalistinnen eher Frauen bemerken,Journalisten sie oft schlichtweg übersehen“.

Weiblicher Konjunktiv. Dies mag auch damitzusammenhängen, dass Frauen vorsichtigerin der Kommunikation ihrer Ergebnissesind. Claudia Wild, die Leiterin des Lud-wig-Boltzmann-Instituts für Health Tech-nology Assessment, verweist auf linguisti-sche Analysen. Demnach sprechen Wissen-schaftler häufiger im Indikativ als Wissen-schaftlerinnen, die immer wieder ein „Eskönnte aber auch anders sein“ einflechten.Weil Männer vermeintlich mehr zu sagenhaben, dürfen sie eher in die Mikrofonesprechen als Frauen, die dazu neigen, sichselbst infrage zu stellen.

Dem ist gar nicht so leicht abzuhelfen, gibtElisabeth Klaus zu bedenken. Sie lese in denMedien immer wieder, dass Wissenschaftle-rinnen „selbstbewusst“ oder „kompetent“seien. Das sei zwar gut gemeint. Dass diesbetont wird, säe aber zugleich Zweifel, obdenn Frauen allgemein überhaupt zu her-ausragenden wissenschaftlichen Leistungenfähig seien.Eine kleine Umfrage unter einem halbenDutzend österreichischer Forscherinnen mitgroßer Medienerfahrung, ob Journalisten siemit Stereotypen bedacht hätten, ergab fastunisono ein Nein. Ja, sie sei schon öftersnach Backrezepten gefragt worden, aber ihreäußere Erscheinung sei jedenfalls vor ihrnoch nie thematisiert worden, so die Mikro-biologin Renée Schroeder. Mit weiblichenKlischees sei sie genauso wenig bedacht wor-den wie mit Fragen zu ihrer Forschung, kon-statiert die Onkologin Angelika Riemer et-was ernüchtert. Von ihr wollen die Medien-leute immer nur wissen, wie sie es schaffte,zweimal sub auspiciis zu promovieren.Elisabeth Klaus gibt allerdings zu bedenken,dass Frauen in Leitungspositionen nur un-gern zugäben, dass sie selber Diskriminie-rungen durch Medien oder auch Arbeitskol-

legen ausgesetzt seien: „Wir wollen ja aner-kannt werden, ohne dass ständig unserFrausein thematisiert wird. Also tun wir esauch selber nicht.“

Medienquotenfrauen? Quasi alle Förderungs-schienen, denen es um die Erhöhung desAnteils von Frauen in der Forschung geht,haben mittlerweile eine mediale Flankie-rung. Das auf die außeruniversitäre For-schung zugeschnittene bm:vit-Programm„FEMtech – Frauen in Forschung undTechnologie“ etwa stellt jeden Monat eine„FEMtech-Expertin“ vor. Genaue Datenzur Medienpräsenz von FEMtech liegen imMoment nicht vor, so ProgrammleiterinAndrea Rainer, aber die Nachfrage von Me-dien, etwa wenn sie Teilnehmer für eine Po-diumsdiskussion suchen, sei groß.Nur, wie viel können solche Programmelangfristig bewirken? Denn die über Me-dienkooperationen erzielte Öffentlichkeitist ja eine gekaufte und somit eine künstli-che. Ohne öffentliche Zeichen gehe esnicht, entgegnet Andrea Rainer. Gerade inUnternehmen sei noch viel Bewusstseinsbil-dung erforderlich, etwa dass gemischtge-schlechtliche Teams kreativer seien.Auch von den Wissenschaftsjournalisten istmehr Gendersensibilität einzufordern. Hiersollte schon in der Ausbildung angesetztwerden, die in Österreich freilich nur rudi-mentär vorhanden ist. Und vonseiten derMedienkonsumenten? Liebe Leserin undlieber Leser, falls heureka! wieder einmal inGeschlechterschieflage geraten sollte, bittenwir um Beschwerden. �

Wissenschaftler sprechenhäufiger im Indikativ alsWissenschaftlerinnen, dieöfters ein „es könnte auchander sein“ einflechten.

Weil Männer vermeintlich mehr zu sagen haben, dürfen sie eher in die Mikrofone sprechen als Frauen, die dazu neigen, sich selbst infrage zu stellen.

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Lesen Sie Langfassungen dieser Testimonials

sowie zahlreiche weitere „Briefe aus Nord-

amerika“ unter www.heurekablog.at

Warum ich in dieUSA ging, hattemehrere Gründe:Als ich noch an derUniversität Wien ar-

beitete, war Forschung während des Studien-jahres immer erst nach 17 Uhr möglich.Dazu kamen unterschwellige Bevorzugungenvon männlichen Kollegen, mangelnde wis-senschaftliche Karriereaussichten und das Se-nioritätsprinzip. Ich bin seit acht Jahren an der University ofCalifornia tätig. Berufungsentscheidungensind hier transparent und erfolgen nach rela-tiv durchschaubaren Kriterien. Bei jedemKarriereschritt gibt es ausschließlich externe,anonyme und immer auch einige internatio-nale Gutachten. Das Ergebnis davon ist, dassproduktive Leute belohnt werden und dassFrauen keine systematischen Nachteile erfah-ren.Diese Abwesenheit von systemimmanentenNachteilen für Frauen ist meiner Meinungnach der größte Vorteil der Strukturen hier.Darüber hinaus sieht wohl auch die Karriere-und-Kinder-Frage etwas anders aus als inÖsterreich. Wenn man hier ein Kind schonals Baby in eine Kinderkrippe gibt, wird mannicht gleich als Rabenmutter betrachtet. Esgibt auch Kindergärten, die entsprechendlange offen haben, aber auch teuer sind. Generell habe ich den Eindruck, dass es einerecht große Toleranz für kinderbedingte„Ausfälle“ gibt: Man darf sich als Elternteilschon einmal von einer Kommissionssitzungfrüher verdrücken oder erst gar nicht erschei-nen, ohne gleich schief angeschaut zu wer-den. Für Full Professors weht der Windschon etwas frischer. Aber bis dahin sind diemeisten Frauen, die ich kenne, einigermaßenabgehärtet. Mutter sein lehrt einen auch, In-teressen und Ziele durchzusetzen, die nichtjeder teilt.

Nach dem Medizinstudium in Wien habeich etwas mehr als zwei Jahre am DeutschenHerzzentrum in München als Assistenzärz-tin gearbeitet. Dort war jede klinische undwissenschaftlich engagierte Ärztin kinderlosund/oder geschieden und mit ihrer Lebens-situation ausgesprochen unzufrieden. Kin-der waren unerwünscht.In Kanada, wo ich die letzten zwei Jahre ver-bracht habe – seit kurzem arbeite ich in derSchweiz – nehmen Frauen dagegen ganzselbstverständlich leitende Positionen ein.Mein Chef in Toronto ist mit einer sehr er-folgreichen Ärztin verheiratet. Für ihn wares selbstverständlich, eine Zeitlang die Er-ziehung der Kinder zu übernehmen. Mutterzu sein ist kein Hindernis für eine glänzen-de universitäre Karriere, im Gegenteil, inNordamerika zählt die Leistung, kommt sienun von einem Mann oder einer Frau. An-dererseits habe ich in Kanada erstmalig einnatürliches und selbstverständliches Zusam-menhalten und etwas wie Loyalität unterFrauen erlebt. Frauen unterstützen Frauen.Das war mir neu. Frauen sind jedoch auchin allen gesellschaftlichen und beruflichenEbenen vertreten, daher entsteht nicht die-ser Kampf um einen bestimmten Rang. Ich würde sehr gerne nachÖsterreich zurückkommen.Für innovative, weltoffeneFrauen wie mich ist freilich ineinem von Männern domi-nierten, ausgesprochen hierar-chischen System kaum Platz.Interessanterweise sieht das inder Industrie im Gegensatz zuruniversitären Wissenschaft an-ders aus. Die hat mir bereits ei-nige Stellen angeboten.

»Produktive Leute werdenbelohnt, und Frauen erfahren keine systemati-schen Nachteile.«Sabine Frühstück,

University of California Santa Barbara

»Mutter zu sein, ist hierkein Hindernis für eineglänzende universitäre Karriere, im Gegenteil.«Judith Höfer,

University of Toronto

Viele hervorragende österreichische Wissenschaftlerinnen arbeiten in Nordamerika. „heureka!“ fragte

nach, warum sie ihre Heimat verließen und was für Forscherinnen drüben besser ist als herüben.

Living in America

Sabine Frühstück (42) studierte Japanologie,

Soziologie und Philosophie in Wien. Seit 1999

an der University of California, Santa Barbara,

Gastprofessur in Kyoto 2004, seit 2006 Full

Professor für moderne japanische

Kulturwissenschaft. Sie hat eine Tochter.�

Judith Höfer (28) Studium der Medizin

an der Universität Wien (in zehn

Semestern), für zwei Jahre in Kanada

für einen Master of Science. Sie ist seit

kurzem in Zürich an der Kardiologie des

Universitätsspitals tätig.�

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»Wir sind keine Exotenmehr und müssen nichtständig beweisen, dass wirdas Zeug dazu haben.«Karolin Luger,

Colorado State University

»Es ist vor allem die fort-schrittlichere Einstellung derMänner, die es uns hierleichter macht.«Elisabeth Maurer,

Univ. of British Columbia, Vancouver

»In den USA habe ich gelernt, selbstsicher zu sein,und erkannt, dass alle Wegeoffenstehen.«Dorothea Strozyk,

Harvard Medical School, Boston

t

es

Karolin Luger (45) Strukturbiologin und

Röntgenkristallografin, Professorin an

der Colorado State University, seit 2007

University Distinguished Professor. Sie

ist verheiratet und hat eine vierjährige

Tochter.�

Elisabeth Maurer (Spurej) (43)

Physikalische Chemikerin. Zurzeit

ist sie Clinical Associate Professor

am Department of Pathology and

Laboratory Medicine. Sie ist ver-

heiratet und hat zwei Söhne.�

Frauen in den Naturwissenschaften – be-sonders auf der Ebene der Professoren,Dekane und Präsidenten – sind auch inden USA immer noch in der Minderheit.Aber wir sind keine Exoten mehr und müs-sen nicht ständig beweisen, dass wir dasZeug dazu haben, obwohl uns das Y-Chro-mosom fehlt. Ich denke, die USA sindEuropa einfach zeitlich ein wenig voraus. Meiner Meinung nach müsste schon im

Gymnasium angesetzt werden. Bu-ben und Mädchen sollte klarge-macht werden, dass ein Wissen-schaftler nicht zwangsläufig ein„Herr Professor“ ist. Noch wich-

tiger ist es, jungen Frauen zu zei-gen, dass eine Karriere in den Wis-

senschaften nicht unbedingt bedeutet, aufdas Familienleben verzichten zu müssenund dass beides sehr gut vereinbar ist.Kinderbetreuung ist auch in den USA einProblem, da sie teuer ist. Was hinzu-kommt, ist, dass Mutterschaftsurlaub be-sonders für Doktorandinnen und Post-Docs nicht geregelt ist und vom gutenWillen des jeweiligen Mentors abhängt. Ich selbst bin anfangs von etablierten Wis-senschaftlerinnen unter die Fittiche ge-nommen worden, und das hat mir sichergeholfen. Ich versuche das weiterzugeben.Frauenförderung kann aber auch ganz tri-vial sein: Zum Beispiel werden hier diemeisten wissenschaftlichen Kongresse voneinem Komitee organisiert, in dem Frauenstark vertreten sind. Ich denke, dass in Österreich immer nochein verdeckter Sexismus (bei Männern wiebei Frauen) existiert. Den auszutreibenbraucht viel Zeit und Geduld. Aber ichdenke, dass Österreich auf einem gutenWeg ist.

Der Grund warum ich in Vancouver lebe undarbeite, hatte zunächst nichts mit meiner ei-genen Karriere zu tun: Wir sind als Familiemit den kleinen Kindern nach Vancouver ge-kommen, weil mein Mann hier eine Post-Doc-Stelle bekommen hat. Da ich selber von der Physikalischen Chemiein die Medizin wechselte, war es nie beson-ders leicht, Drittmittel für meine Forschun-gen zu bekommen. Ich glaube aber nicht,dass das damit zu tun hat, dass ich eine Fraubin. Weder im Umgang mit Patentanwältennoch mit Ingenieuren hatte ich hier jemalsdas Gefühl, als Frau für nicht ganz voll ge-nommen zu werden. Das war in Österreichanders.Kinderbetreuung ist anders hier, sehr teueraber zumindest öffentlich und zugänglich –im Vergleich zu den Möglichkeiten, die es vor13 Jahren in Graz (nicht) gegeben hat, keinVergleich!Es ist wahr, dass viele Universitäten und Be-triebe hier von Frauen geleitet werden oder

Frauen dort in hohen Positio-nen sind. Aber das Verhält-nis ist noch lange nichtausgeglichen. Es ist vor al-lem die fortschrittlichere

Einstellung der Männer ge-genüber Frauen in der Wissen-

schaft, die es uns hier in Kanada leichtermacht. Was jetzt nicht heißt, dass das immeralles einfach ist. Wir haben wohl wegen des allgemeinen ge-sellschaftlichen Umfelds in den letzten Jahrenkeine Anstrengungen mehr unternommen,wieder nach Österreich zu gehen. Wenn aberirgendwo zwei gutbezahlte, interessante Stel-len zu haben wären, würden wir wahrschein-lich schon zurückkehren.

Ich bin in die USA ge-gangen, weil ich keineMöglichkeit sah, an derUniversität Wien eineStelle zu bekommen.Außerdem fehlte mir inÖsterreich die Inspiration.Zynisch gesagt war die Ausbil-dung insofern „ausgezeichnet“, als es einemschwergemacht wurde, kreative Ideendurchzusetzen. Diese Erfahrung hilft mirsehr, mich in den USA zu behaupten.Hier wird Frauen in der Wissenschaft Re-spekt entgegengebracht. Ich bin schon alsPost-Doc von meiner Vorgesetzten, einerFrau, sehr gefördert worden. Es war fürmich am Anfang sehr ungewöhnlich, dassmeine Ideen ernst genommen wurden. Inden USA habe ich gelernt, selbstsicher zusein, auf mein Inneres zu hören, habe er-kannt, dass alle Wege offenstehen. Dieseneugefundene Inspiration führte mich andie Harvard Medical School anstatt zurücknachhause.Ich bin auf meinem Weg hier in den USAvielen erfolgreichen Frauen begegnet. Frau-en in der Wissenschaft haben mich moti-viert, haben mir aber auch die Grenzen ge-zeigt. Kolleginnen in Leitungspositionensind ein absolutes Vorbild für mich, und ichhole mir gerne Rat von diesen Frauen.Als Frau in einem chirurgischen Fach hatteich noch kein Problem. Aber ich weiß, dassQuoten eine Rolle spielen, denn man hattemir bei den Interviews gesagt, dass man ger-ne einmal eine Frau einstellen würde, umden Anteil zu erhöhen. Ich möchte gern nach Österreich zurück-kehren, das wird aber nicht in den nächstenzehn Jahren sein, da ich gerne in einer hö-heren Position einsteigen würde. Dazu binich noch nicht gut genug.

Dorothea Strozyk (32) Neurologin, lebt

und forscht seit sieben Jahren in den

USA und arbeitet an der Harvard Me-

dical School in Boston. Sie macht eine

Ausbildung zur minimal-invasiven

Neurochirurgin und ist Single.�

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Jobsuche zu zweit. Die Umzugskisten sindgepackt, der Mietvertrag in Heidelberg istgekündigt und der neue Kindergartenplatzin Wien für die einjährige Tochter Merlindbereits gesichert. Ende Mai wird das deut-sche Biologenehepaar Raible das Europäi-sche Laboratorium für Molekularbiologie,ihren gemeinsamen Arbeitsplatz, verlassen.Sie und er gehen als Nachwuchsgruppenlei-ter an die vor fünf Jahren gegründeten MaxF. Perutz Laboratories (MFPL) am CampusVienna Biocenter. „Wir hatten zunächst räumlich getrennteAngebote, aber dann haben die Instituteauch den jeweiligen Partner mit eingeladenund Doppellösungen diskutiert“, sagt dieZellbiologin Kristin Tessmar-Raible, drei-ßig, über die nicht leichte, aber letztendlicherfolgreiche Jobsuche zu zweit. Dem Mann die Karriere, der Frau auch:Dieses Partnerschaftsmodell gibt es zwarschon seit langem, man denke nur an dasEhepaar Curie, es wird aber immer häufigerund wichtiger. In den USA sind die „DualCareer Couples“ (kurz DCC) spätestens seitden 1990er-Jahren ein wichtiges universi-täts- und forschungspolitisches Thema. Mit Wissenschaftlerpaaren ist jedenfalls ver-stärkt zu rechnen. Laut US-Studien habenim naturwissenschaftlichen Bereich – jenach Fach – zwischen vierzig und achtzigProzent der Wissenschaftlerinnen forschen-de Partner, berichtete die britische Wissen-schaftszeitschrift Nature im Vorjahr.

Doppelberufung als Tabu. Bis vor wenigenJahren war es noch ein Tabu, Familienange-hörige gemeinsam einzustellen – vor allem,um dem Verdacht des Nepotismus zu entge-hen. Heute zeichnet sich ein Umdenken ab,auch wenn Doppelberufungen an Öster-reichs Universitäten noch eher informell ge-handhabt werden. Dabei kann sich ein dop-peltes Jobangebot laut Studien auszahlen,ist doch mit besonderer Standorttreue derBerufenen und großem Engagement zurechnen. Christa Schleper, 45, Professorin für Ökoge-netik, wurde im Vorjahr von der UniversitätBergen an die Universität Wien als Leiterindes Departments für Ökogenetik berufen.

Ihr Ehemann Ulrich Technau übernahm eineProfessur für Entwicklungsbiologie. „Wirhatten Glück, dass die Fakultät an unserenbeiden Forschungsprofilen interessiert warund daher die Bereitschaft hatte, eine zusätz-liche Professur auszuschreiben“, sagt dieMutter zweier Kinder. Wäre das nicht so ge-wesen, hätte das Ehepaar ein attraktivesDoppelangebot aus München angenommen. „Es muss eine Flexibilität in den Entwick-lungs- und Strukturplänen an den Unis ge-ben“, so Schleper. Mit der Autonomie derUniversitäten wäre eigentlich der Weg frei.Fehlt die Flexibilität, lässt sich Österreicheinige Top-Forscher entgehen. „In der Wissenschaft herrscht globaler Wett-bewerb. Wer da sagt, er kann kategorischnur eine Stelle bieten oder er möchte aus

Prinzipgründen keine Partner einstellen, derschränkt damit auch seine eigene Wettbe-werbsfähigkeit ein“, so der künftige MFPL-Nachwuchsgruppenleiter Florian Raible, 34,Ehemann von Kristin Tessmar-Raible. DieMFPL erkannten die Zeichen der Zeit unterder Leitung des britischen Molekularbiolo-gen Graham Warren sehr früh.

Fragwürdige Versprechungen. Doppelberu-fungen und optimale Jobwechsel für beidePartner sind aber längst nicht die Regel.Werden Wissenschaftlerpaare mit Verspre-chen der Unis angelockt, werden diese nichtimmer eingehalten. Oder es fehlt das pas-sende Angebot für ihn oder sie. So folgteetwa die 41-jährige Physikerin Silke Bühler-Paschen, zuvor am Max-Planck-Institut fürChemische Physik fester Stoffe in Dresden,im Jahr 2005 einem Ruf an die TU Wien.Ihr Ehemann, der Physiker Paul Bühler,

und ihre drei Kinder zogen mit. Zwarschaffte es das Paar bisher über sechs Orts-und vier Länderwechsel immer wieder, inder gleichen Stadt zu arbeiten. „Aber dasist alles ein Riesenglücksfall.“ Und beidezeigten viel Flexibilität bei der Ausrichtungihrer Forschungstätigkeit. Für seine Stellein Wien musste Ehemann Bühler – derzeitam Stefan-Meyer-Institut für subatomarePhysik der ÖAW – sein Forschungsfeldnoch einmal wechseln. Auch seine Frauhatte in Sachen Karriere schon zurückstek-ken müssen.

Karriere, Kinder und Karenz. Die Karrierepla-nung ist nur eine Herausforderung derDoppelkarrierepaare, die zweite bringt derNachwuchs mit sich. Sie wurde meistensnur mithilfe privater Kinderbetreuung oderdes Horts gelöst. „Karenz gab es bei unsnicht“, ist die häufige Antwort der for-schenden Wissenschaftlerpaare. Dagegensprechen etwa befristete Verträge, die Ge-schwindigkeit des Forschungsfortschrittsund das kompetitive Umfeld.Auch für die deutsche Anglistin und Kul-turwissenschaftlerin Aleida Assmann, 61,war die Karenz keine Auszeit. Die Frau desÄgyptologen Jan Assmann verlegte zur Be-treuung der fünf Kinder ihr Büro – nachAuslaufen einer Stelle an der Uni Heidel-berg – zwölf Jahre lang ins Kinderzimmer:„Ich hatte zwar keinen Arbeitgeber, aber ichhabe meine Sachen dennoch weiterbetrie-ben, weil ich daran interessiert war.“ In je-ner Zeit gründete sie mit ihrem Mann einenkulturwissenschaftlichen Arbeitskreis. Sokam sie zum Schreiben, Publizieren undForschen.„Für Geisteswissenschaftler gilt: Man kannsehr gut zuhause arbeiten. Man kann diewenige Zeit, die man hat, nutzen, aber manmuss sie mit Gelegenheiten verknüpften,wo man sich austauscht. Denn Forschengeht nicht ohne Kommunikation. Manbraucht Netzwerke.“ Ihr Netzwerk moti-vierte Assmann, korrespondierendes Mit-glied der philosophisch-historischen Klasseder ÖAW, sich im Anschluss an die Karenzzu habilitieren. Heute ist sie Professorin ander Universität Konstanz.

Laut US-Studien haben inden Naturwissenschaften –je nach Fach – zwischenvierzig und achtzig Prozentder Wissenschaftlerinnenforschende Partner.

Immer mehr Wissenschaftlerpaare wollen weder auf berufliches Weiterkommen noch auf Familie

verzichten. Doch wie kann das gelingen? Österreich bietet wenig, damit forschende Eltern Beruf,

Partnerschaft und Kinder unter einen Hut bringen. Lena Yadlapalli

Karrieren im Doppelpack

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heureka 1/2008 | Wissenschaft, weiblich … 21

LINKTIPPS

Die erste Studie über die Behandlung von DCC anUS-Unis:www.press.jhu.edu/books/title_pages/2884.html

Die Servicezentrale für Forscher mit Kindern an derUni Wienhttp://kinder.univie.ac.at/kinder.html

Das Researcher’s Mobility Portal Austria:www.researchinaustria.info

Organisationstalent, Belastbarkeit, Durchhalte-vermögen und vor allem die Liebe zum Job sinddie Eigenschaften der Doppelkarrierepaare mitKindern. Kindergärtenplätze auch schon für un-ter Zweijährige, qualitätsvolle Hortbetreuung, ge-sellschaftliche Akzeptanz und auch mehr Einfüh-lungsvermögen bei den männlichen Kollegen anden Instituten, die nicht nur die Kinderbetreuungbei der Frau ansiedeln, würden den forschendenEltern vieles erleichtern.

Bessere Bedingungen. „Kinderbetreuung auf beidePartner gleichmäßiger aufzuteilen, ist eine Aufga-be der Gesellschaft bzw. Politik. Das muss in dieKöpfe rein und vom Gesetzgeber kommen“, sodie Physikerin Bühler-Paschen mit Verweis aufdie skandinavischen Vorbilder Norwegen undSchweden. Was dort etwa auch ein Tabu ist, aberin Österreich nach wie vor Usus: dass Gremien,Sitzungen und Ehrungen an den Hochschulen ofterst am späten Nachmittag angesetzt sind. Auf die Doppelkarrierepaare reagierte die ETHZürich als eine der ersten Unis in Europa 1999mit der Schaffung eines „Dual Career AdviceBüro“. Die Servicezentrale bemüht sich u.a. umdie Jobvermittlung für Partner. Ins Leben gerufenwurde jüngst auch ein Netzwerkprojekt zur För-derung dualer Karrieren an der Universität Kon-stanz unter Kooperation von sieben Unis aus demsüddeutschen Raum und der Schweiz. Für Süd-Ost-Niedersachsen plant die Technische Universi-

tät Braunschweig das Netzwerk „Dual CareerCouples“. Im Rahmen eines Förderprogrammsreagierte der Stifterverband für die Deutsche Wis-senschaft und die Claussen-Simon-Stiftung mitdem Aktionsprogramm „Doppelkarrierepaare“(2005 bis 2007).

Doppelkarrierebarrieren. Mit ähnlichen Netzwerk-projekten oder Budgettöpfen unter dem explizitenLabel „Doppelkarrierepaare“ ließ die österreichi-sche Forschungslandschaft bisher noch nicht auf-horchen. „Generell betrachten wir die Bestimmun-gen des heimischen Fremdenrechtes bei der Rekru-tierung von internationalen Spitzenkräften alsnicht förderlich“, sagt Gerhard Riemer, Bereichslei-ter für Bildung, Innovation und Forschung der In-dustriellenvereinigung. Um die international anerkannten Forscherinnenund Forscher zu gewinnen, müsste Österreich alskleines Land viel mehr dafür tun, „um diese um-worbenen Talente dazu zu bewegen, sich dauer-haft in Österreich niederzulassen“. Immerhinmacht man auch hierzulande Fortschritte: Mitdem Inkrafttreten einer Novelle des Ausländerbe-schäftigungsgesetzes dürfen seit dem 1. Jänner2008 erstmals auch die Partner von ausländischenForschern ohne Einschränkung in Österreich ar-beiten. �

Lesen Sie eine Langfassung des Texts unterwww.heurekablog.at

Julia

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„Wir hatten Glück, dass die Fakul-tät bereit war, eine zusätzlicheProfessur auszuschreiben.“ DieÖkogenetikerin Christa Schlepererhielt mit ihrem Mann UlrichTechnau ein Doppelangebot derUni Wien.

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Frechheit. Alle zwei Jahre fragen JournalistenFrauen nach der Abseitsregel. Bei Männerntun sie das nie. Wann immer ein Fußball-großereignis ansteht, „entdecken“ die Me-dien das vermeintlich zarte Geschlecht als„neue Zielgruppe“. So lauten die immerglei-chen Schlagzeilen seit den Neunzigerjahren.Dabei sind bei Länderspielen schon seit min-destens 15 Jahren fünfzig Prozent der Fern-sehzuschauer Frauen. Im Stadion selbst wur-den bei der WM 2006 immerhin knapp drei-ßig Prozent Frauen gezählt, ähnlich viele wiebei den Spielen der deutschen Bundesliga.Auch wenn es seit langem hip ist, sich alsKulturwissenschaftler mit dem runden Le-der zu beschäftigen, wurde dieses Phäno-men übersehen. Die Forscher sind ebenselbst oft Männer. So wurden Frauen als

Fußballfans erst in den letzten Jahren alsForschungsthema entdeckt – von ihresglei-chen. Wobei Almut Sülzle und Nicole Sel-mer von der jeweils entgegengesetzten Seitekamen: die eine von der Wissenschaft, dieandere vom Fußball.

Feldforscherin und Fan. Die deutsche Ethno-login Almut Sülzle hatte sich zuvor mit demThema Mädchen und Technik beschäftigtund mit Fußball nichts am Hut. Für ihrnächstes Forschungsprojekt suchte sie einen

Bereich, der kulturell ebenso starkmit Männlichkeit belegt ist. Sie be-trieb drei Jahre Feldforschung im Sta-dion von Kickers Offenbach. Deren Fansgelten als besonders treu, einen weiblichenFanklub gibt es auch. „Der Verein spieltedamals in der Regionalliga, und ich durfteden Aufstieg in die zweite Liga miterleben.“Und Sülzle lernte als teilnehmende Beob-achterin, was ihr früher fremd war: Freudedurch Schreien und Jubeln auszudrücken.Auch Nicole Selmer ist kein stiller Fan: „ImStadion rede ich lauter und rufe. ,Gesprächemit der Mannschaft‘ nenne ich das.“ DieHamburgerin verbindet seit Anfang derNeunzigerjahre eine Fernbeziehung mit Bo-russia Dortmund. „Ein paar Spiele pro Sai-son schaue ich mir an. Dass wir derzeit nur

auf dem 13. Platz stehen, ist natürlich de-primierend.“

Sexismus unterlaufen. Die studierte Germa-nistin Selmer arbeitet als Übersetzerin undJournalistin. „Ich bin an sich keine Fußball-forscherin. Aber irgendwie hat es mich danninteressiert, wie es anderen Frauen geht.“2004 erschien ihr Buch „Watching the BoysPlay“, und seitdem findet sie sich auf somanchem Podium wieder. Dort sitzt siedann oft auch neben Almut Sülzle. In den

meisten Punkten sind sie sich einig.Nicht zuletzt aufgrund der Eventisie-

rung und damit auch der Ökonomisie-rung des Fußballs versuchen die Vereine dasweibliche Marktsegment zu erschließen.Gleichzeitig wird Frauen aber Verständnisund echtes Interesse abgesprochen.Im Stadion wollen sie ja nur die feschenSpieler auf dem Rasen anhimmeln. DieFußballwirtschaft, die Fanaccessoires inRosa und Frauen ermäßigten Eintritt anbie-tet, schreibt so die vermeintliche „Wesens-verschiedenheit“ vor.Dabei genießen es weibliche Fußballfans jagerade, einmal nicht auf die Rolle der Fraufestgeschrieben zu sein. Sie können das aus-probieren, was eigentlich für Männer reser-viert ist, zum Beispiel auch mal wüst schrei-en und fluchen. Dazu gehört auch das Spie-len mit Klischees. Ausgerechnet die Sexis-mushochburg Stadion wird da unversehenszum Ort feministischer Interventionen.Frauenfanklubs nennen sich provokativ„Titten auswärts“ oder „Hooligänse“.Durch diesen „vorweggenommenen Sexis-mus“ sollen abwertende Begriffe durch dieÜbernahme aufgewertet werden. Homose-xuellen gelang dies mit dem Begriff„schwul“. Ob „Titte“ einmal für selbstbe-wusste Frau stehen wird?

Streitfrage. Sülzle glaubt nicht, dass Fußballohne Männlichkeitskult und den Aus-schluss von Weiblichkeit möglich ist. „Sonstwäre er nicht Nationalsport, sondern nureine Sportart unter vielen – so wie Frauen-fußball zum Beispiel.“ Selmer hingegen be-tont das historisch Flüssige: „Der Fußball istso männlich dominiert nicht auf die Weltgekommen.“ Er verändere sich ständig, undwarum soll ihm nicht auch der Sexismusausgetrieben werden. Bei der Bekämpfung des Rassismus im Sta-dion wurden auch Fortschritte erzielt, ist erdoch mittlerweile von Verbänden und Me-dien geächtet. Freilich, und da sind sichSülzle und Selmer wieder einig, ob Fußballohne Sexismus funktioniert, wird nicht amSchreibtisch, sondern auf dem Platz ent-schieden. �

Fußball gilt als die Männerdomäne schlechthin: auf dem Platz, auf den Rängen und auch in der

Wissenschaft. Aber die Frauen sind längst da, als Fans und Forscherinnen. Und nutzen das Stadion

für feministische Interventionen. Oliver Hochadel

Titten auswärts

Feministische Streitfrage: Kann dem Fußball der Sexismus ausgetrieben werden?

dpa/

lby

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