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kleineSuhler Reihe ( 25 ) üdisches Leben in Suhl J

TitelLeben.qxp 09.10.2008 12:06 Uhr Seite 1 Jüdisches … · Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr ... Anni

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Page 1: TitelLeben.qxp 09.10.2008 12:06 Uhr Seite 1 Jüdisches … · Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr ... Anni

Die vorliegende Broschüre ist erhältlich in der Galerie im CCS, 0 36 81/78 83 01.

kleineSuhler Reihe ( 25 )

ImpressumHerausgeber Stadtverwaltung Suhl, Telefon: 0 36 81/74 22 16

in Zusammenarbeit mit H. Aderhold u. A. Wiedemann Redaktionsschluss September 2008Layout Text & DesignDruck Druckerei Foerster, SchleusingenPreis E 6,– für Abonnenten

E 7,– im normalen Verkauf

Die AbonnentenBarbara Albert • Harry Albrecht • Dieter Anschütz • Hella Auerswald • Dietmar Baumann • Helmut Bessner •Irmgard Braeck • Roslinde Brandt • Wolfgang Brix • Dieter Bruhn • Margit Brzezinski • Jürgen Conrad • KlausDeckert • Jens Dietz • Georg Dürmeyer • Ingrid Ehrhardt • Klaus-Peter Endter • Ulrich Endter • Werner Endter •Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr. Hans-JürgenFritze • Prof. Dr. Siegfried Fröhlich • Heinz Gedwart • Tilo Götz • Vera Grotkowski • OMR Dr. Herbert Hanf • UweHartung • Ralph Haseneyer • Frank Haspel • Gunter Hennig • Dr. Birgit Herzog • Bernd Heyder • Petra Heym •Joachim Heym • Rolf Heym • Dietrich Hucke • B. Kelber • Katrin Kihr • Gertraud Kirchner • Edith Krauße • Ralf-Dieter Krauße • Dr. Rainer Kraußlach • Günter Krempel • Marion Kunze • Charlotte Leser • Anni Lorenz • KarinLuther • Christa u. Ellen Mangold • Gerd Manig • Rolf Menschner • Dr. Moczarski • Irene Munsche • GerhardPopp • Annett Raute • Michael Rebhan • Rainer Recknagel • Dieter Reinelt • Horst Reinhardt • Horst Ritschel •Ingrid Röhner • Matthias Rolfs • Wolfgang Schafft • Dieter Schellenberger • Gerhard Schilling • Ralf Schilling •Ingrid Schlegel •Walter Schlegelmilch • Jutta Schlossarek • Martina Schlott • Irma Schmidt • Axel Schmidt • MariaSchoch • Werner Schwarz • Ralf Seiffarth • Hildegund Sennwald • Martin Sielaff • Günther Stäblein • MichaelStobbe • Margitta Stolper • Ullrich Strom • H. Taubmann • Christine Thorwald • Dr. Jens Triebel • Holger Uske •Peter von Vogt • Andrea Walther • Ingelore Weber • Klaus Weber • Rolf Weinbrecht • Jochen Weiß • Fritz Wenig• Klaus-Jürgen Werner • Horst Wetzl • Herbert Wiedemann • Marion Wittmann

Bisher sind in der „Kleinen Suhler Reihe“ erschienen:(1) Bordwaffen – von den Anfängen bis heute(2) Andreas M. Reyher(3) Paul Greifzu(4) Waltraut Schulz (vergriffen)(5) Suhler Bürgermeister seit 1832(6) Bedeutsame Frauen aus Suhl und Umgebung(7) 500 Jahre Kirche St. Ulrich in Suhl-Heinrichs

(vergriffen)(8) Suhler Ärzte(9) Julius Kober – ein deutscher Lebensweg,

1894–1970(10) Historisches Leitbild der Stadt Suhl(11) Suhler Porträts (vergriffen)(12) Ernst Fischer – ein Suhler Forscher und Techniker

(vergriffen)

(13) Alte Suhler Straßen, Teil 1 (14) Spangenberg – Genealogie einer Suhler Familie(15) Wilhelm Cuno – ein Reichskanzler aus Suhl(16) Fritz Sattler – eine biografische Skizze,

1896–1964(17) 80 Jahre Polizeipräsidium Suhl(18) Alte Suhler Straßen, Teil 2(19) Alte Suhler Motorräder(20) Das Suhler Stadtgefängnis, 1860–1989 (21) Alte Suhler Straßen, Teil 3(22) Suhls Entwicklung unter den Hennebergern (vergr.)(23) Suhler Pfarrer(24) Schilling – eine Familie – eine Schmiede(25) Jüdisches Leben in Suhl

In Vorbereitung: Alte Suhler Straßen, Teil 4

üdisches Leben

in Suhl

JSuhler Geschichte für viele Interessenten erlebbar zu ma-chen, ist ein wichtiges Anliegen der Kleinen Suhler Reihe.Dieser Band verfolgt auf vielfältige Weise Spuren jüdischenLebens in unserer Stadt. Da sind nicht nur die Biografienzu nennen, von Schülern erforscht und aufgeschrieben,die nun Einblicke in konkrete Lebensumstände erlauben. Ein Rundgang vorüber an Häusern einstiger Mitbürgerbietet die Chance, sich selbst von der Gegenwart jüdischenWirkens in Suhl zu überzeugen. Auch die künstlerischenAktivitäten junger Menschen folgen diesen Spuren. DieErgebnisse sind im Kunstkabinett der Galerie im CongressCentrum Suhl im Umfeld des 9. Novembers zu sehen.

Galerieleiterin Annette Wiedemann setzte sich zielstrebigfür die Umsetzung entsprechender Projekte ein, Geschichts-lehrerin Heidemarie Schwalbe engagierte sich immer aufsNeue, um Jugendliche für die Beschäftigung mit der Ge-schichte ihrer Stadt zu begeistern. Ältere Menschen bringenihre Erinnerungen zur Sprache. Erlebnisberichte von Begeg-nungen mit emigrierten jüdischen Suhlern fließen ebensoein wie informative Kapitel. So entsteht in diesem Band einMosaik jüdischen Lebens in unserer Stadt, das der Vergan-genheit angehört. Doch die zahlreichen Aktionen anlässlichder 70. Wiederkehr des nationalsozialistischen Pogromsvon 1938 verdeutlichen auch, wie Bürgerinnen und Bürgeraller Altersstufen versuchen, Brücken zu schlagen vom Ges-tern ins Heute. Sie reden damit einem Miteinander dasWort, das Suhl einst bereichert hat und das wir auch heutebrauchen, um für unsere Stadt eine Zukunft in Vielfalt undWürde zu gewinnen.

Holger Uske

Zum Geleit 2Ein Rundgang 4Friedhöfe oder der „Gute Ort“ 6Sammelstelle in der Hohelohstraße 9Die Synagoge 12Familie Goldmann 16Dr. Fritz Siegfried Marcus 19Familie Sander, Steinweg 26 21Was ich über die Juden in Suhl weiß 26Hugo Rehbock 28Dr. Iwan Saphra 30Isaac Nußbaum 34Familie Herzberg 35Familie Mühlfelder 38Die Jüdengasse 43Familie Brylewski 46Judenhäuser 49Abraham Levi 51Maria Jacoby 55Die Simsons 58Max Friedmann 61Anlässlich einer Ausstellung... 64Bin nachdenklicher geworden... 67Es geht weiter... 70Quellen 72

Die Broschüre wurde gefördert aus Mitteln des LokalenAktionsplanes „Suhl bekennt Farbe“, unterstützt vomKirchenkreis Henneberger Land.

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Die vorliegende Broschüre ist erhältlich in der Galerie im CCS, 0 36 81/78 83 01.

kleineSuhler Reihe ( 25 )

ImpressumHerausgeber Stadtverwaltung Suhl, Telefon: 0 36 81/74 22 16

in Zusammenarbeit mit H. Aderhold u. A. Wiedemann Redaktionsschluss September 2008Layout Text & DesignDruck Druckerei Foerster, SchleusingenPreis E 6,– für Abonnenten

E 7,– im normalen Verkauf

Die AbonnentenBarbara Albert • Harry Albrecht • Dieter Anschütz • Hella Auerswald • Dietmar Baumann • Helmut Bessner •Irmgard Braeck • Roslinde Brandt • Wolfgang Brix • Dieter Bruhn • Margit Brzezinski • Jürgen Conrad • KlausDeckert • Jens Dietz • Georg Dürmeyer • Ingrid Ehrhardt • Klaus-Peter Endter • Ulrich Endter • Werner Endter •Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr. Hans-JürgenFritze • Prof. Dr. Siegfried Fröhlich • Heinz Gedwart • Tilo Götz • Vera Grotkowski • OMR Dr. Herbert Hanf • UweHartung • Ralph Haseneyer • Frank Haspel • Gunter Hennig • Dr. Birgit Herzog • Bernd Heyder • Petra Heym •Joachim Heym • Rolf Heym • Dietrich Hucke • B. Kelber • Katrin Kihr • Gertraud Kirchner • Edith Krauße • Ralf-Dieter Krauße • Dr. Rainer Kraußlach • Günter Krempel • Marion Kunze • Charlotte Leser • Anni Lorenz • KarinLuther • Christa u. Ellen Mangold • Gerd Manig • Rolf Menschner • Dr. Moczarski • Irene Munsche • GerhardPopp • Annett Raute • Michael Rebhan • Rainer Recknagel • Dieter Reinelt • Horst Reinhardt • Horst Ritschel •Ingrid Röhner • Matthias Rolfs • Wolfgang Schafft • Dieter Schellenberger • Gerhard Schilling • Ralf Schilling •Ingrid Schlegel •Walter Schlegelmilch • Jutta Schlossarek • Martina Schlott • Irma Schmidt • Axel Schmidt • MariaSchoch • Werner Schwarz • Ralf Seiffarth • Hildegund Sennwald • Martin Sielaff • Günther Stäblein • MichaelStobbe • Margitta Stolper • Ullrich Strom • H. Taubmann • Christine Thorwald • Dr. Jens Triebel • Holger Uske •Peter von Vogt • Andrea Walther • Ingelore Weber • Klaus Weber • Rolf Weinbrecht • Jochen Weiß • Fritz Wenig• Klaus-Jürgen Werner • Horst Wetzl • Herbert Wiedemann • Marion Wittmann

Bisher sind in der „Kleinen Suhler Reihe“ erschienen:(1) Bordwaffen – von den Anfängen bis heute(2) Andreas M. Reyher(3) Paul Greifzu(4) Waltraut Schulz (vergriffen)(5) Suhler Bürgermeister seit 1832(6) Bedeutsame Frauen aus Suhl und Umgebung(7) 500 Jahre Kirche St. Ulrich in Suhl-Heinrichs

(vergriffen)(8) Suhler Ärzte(9) Julius Kober – ein deutscher Lebensweg,

1894–1970(10) Historisches Leitbild der Stadt Suhl(11) Suhler Porträts (vergriffen)(12) Ernst Fischer – ein Suhler Forscher und Techniker

(vergriffen)

(13) Alte Suhler Straßen, Teil 1 (14) Spangenberg – Genealogie einer Suhler Familie(15) Wilhelm Cuno – ein Reichskanzler aus Suhl(16) Fritz Sattler – eine biografische Skizze,

1896–1964(17) 80 Jahre Polizeipräsidium Suhl(18) Alte Suhler Straßen, Teil 2(19) Alte Suhler Motorräder(20) Das Suhler Stadtgefängnis, 1860–1989 (21) Alte Suhler Straßen, Teil 3(22) Suhls Entwicklung unter den Hennebergern (vergr.)(23) Suhler Pfarrer(24) Schilling – eine Familie – eine Schmiede(25) Jüdisches Leben in Suhl

In Vorbereitung: Alte Suhler Straßen, Teil 4

üdisches Leben

in Suhl

JSuhler Geschichte für viele Interessenten erlebbar zu ma-chen, ist ein wichtiges Anliegen der Kleinen Suhler Reihe.Dieser Band verfolgt auf vielfältige Weise Spuren jüdischenLebens in unserer Stadt. Da sind nicht nur die Biografienzu nennen, von Schülern erforscht und aufgeschrieben,die nun Einblicke in konkrete Lebensumstände erlauben. Ein Rundgang vorüber an Häusern einstiger Mitbürgerbietet die Chance, sich selbst von der Gegenwart jüdischenWirkens in Suhl zu überzeugen. Auch die künstlerischenAktivitäten junger Menschen folgen diesen Spuren. DieErgebnisse sind im Kunstkabinett der Galerie im CongressCentrum Suhl im Umfeld des 9. Novembers zu sehen.

Galerieleiterin Annette Wiedemann setzte sich zielstrebigfür die Umsetzung entsprechender Projekte ein, Geschichts-lehrerin Heidemarie Schwalbe engagierte sich immer aufsNeue, um Jugendliche für die Beschäftigung mit der Ge-schichte ihrer Stadt zu begeistern. Ältere Menschen bringenihre Erinnerungen zur Sprache. Erlebnisberichte von Begeg-nungen mit emigrierten jüdischen Suhlern fließen ebensoein wie informative Kapitel. So entsteht in diesem Band einMosaik jüdischen Lebens in unserer Stadt, das der Vergan-genheit angehört. Doch die zahlreichen Aktionen anlässlichder 70. Wiederkehr des nationalsozialistischen Pogromsvon 1938 verdeutlichen auch, wie Bürgerinnen und Bürgeraller Altersstufen versuchen, Brücken zu schlagen vom Ges-tern ins Heute. Sie reden damit einem Miteinander dasWort, das Suhl einst bereichert hat und das wir auch heutebrauchen, um für unsere Stadt eine Zukunft in Vielfalt undWürde zu gewinnen.

Holger Uske

Zum Geleit 2Ein Rundgang 4Friedhöfe oder der „Gute Ort“ 6Sammelstelle in der Hohelohstraße 9Die Synagoge 12Familie Goldmann 16Dr. Fritz Siegfried Marcus 19Familie Sander, Steinweg 26 21Was ich über die Juden in Suhl weiß 26Hugo Rehbock 28Dr. Iwan Saphra 30Isaac Nußbaum 34Familie Herzberg 35Familie Mühlfelder 38Die Jüdengasse 43Familie Brylewski 46Judenhäuser 49Abraham Levi 51Maria Jacoby 55Die Simsons 58Max Friedmann 61Anlässlich einer Ausstellung... 64Bin nachdenklicher geworden... 67Es geht weiter... 70Quellen 72

Die Broschüre wurde gefördert aus Mitteln des LokalenAktionsplanes „Suhl bekennt Farbe“, unterstützt vomKirchenkreis Henneberger Land.

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Es ist noch nicht lange her, da wohnten Juden Tür an Türmit Deutschen ohne jüdische Herkunft. Suhl war keinejüdische Stadt, aber eine Stadt, in der Juden gut lebenkonnten, sich wohl fühlten, die Stadt und ihre Bewohnerliebten. Einige von ihnen waren sehr aktiv, sie brachtenihre Ideen, ihre Hilfsbereitschaft, ihren Unternehmergeist,ihr Wissen ein in das Leben in Suhl. Es ist noch nicht langeher und ist doch unwiederbringlich vorbei.Der leise vorhandene dumpfe Antisemitismus traf sich mitdem „von oben“, vom Nazi-Staat verordneten Antisemitis-mus und wurde brüllend laut. Und dann brandschatzend,prügelnd und pöbelnd. Und schließlich mörderisch. Nichts blieb übrig. Nur die Erinnerung. Aber es ist einekostbare Erinnerung. Sie zeigt, was alles möglich war, wiefruchtbar das Zusammenleben war. Sie hilft trauern, dennsie zeigt, was wir verloren haben. Und sie ist kostbar, weilsie Mut macht: Das Zusammenleben von verschiedenenMenschen aus verschiedenen Traditionen ist spannend,ist bereichernd, ist lohnend.

Alte Menschen erzählen ihre Erinnerungen. Junge Men-schen befragen Zeugen und suchen in Archiven. Lebens-geschichten werden so dem Vergessen entrissen. Verbin-dungen entstehen zu heute lebenden Nachfahren. Stol-persteine werden in die Stadt gelegt, zum Innehalten,Aufmerken, wieder Hervorputzen, wenn sie lange über-sehen wurden. Diese Schrift ist eine Zwischenstation, ander Erinnerungswege dokumentiert werden, eine Anre-gung, diese Wege weiter zu gehen. Sie zeigt beispielhaft,

wie Menschen unserer Stadt sich anstecken lassen, mitnach Spuren zu suchen und mit Verbindungen zu knüpfenund sich an vergangener Lebendigkeit zu freuen, nichtnur zu trauern. Diese Schrift ist eine Zwischenstation, weildie Suche in der Vergangenheit ja weitergeht, und dieArbeit an einer lebendigen Zukunft sich nicht ermüdenlässt. Darum allen, die daran mitgewirkt haben, herzlichenDank!

Für uns Christen in Suhl ist es aus einem weiteren Grundwichtig, gerade über das jüdische Leben mehr zu erfah-ren: Es gäbe keinen christlichen Glauben und keine christ-lichen Kirchen ohne Juden. Ohne Christen kann es Judengeben, umgekehrt nicht. Denn Jesus war Jude. Der größteTeil der Bibel ist in der Sprache der Juden, in hebräischgeschrieben. Der lebendige und unsichtbare Gott, an denwir glauben und den wir verehren, ist der Gott des jüdi-schen Volkes. Wir wissen nichts über unsere Wurzeln, wennwir uns dem jüdischen Wissen verweigern. Das aber gilt für alle, Christen und Andersgläubige undAtheisten in dieser Stadt: Wir lernen viel über uns selbst,wenn wir uns dem jüdischen Wissen öffnen. So sei der Weg dieser Schrift gesegnet. Gepriesen seiGott, der uns die Augen des Herzens öffnet und unserenVerstand erleuchtet.

Martin Herzfeld

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Die Suhler Synagoge.„Der israelitischen Gemeinde zur Ehreund der ganzen Stadt zur Zierde“ wa-ren die herzlichen Worte des SuhlerOberbürgermeisters Janssen zur Ein-weihung der Synagoge im Jahr 1906.

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straße. Letzte Stationen, bevor sich der Rundgang fastwieder am „Guten Ort“ vollendet, sind die Kellerstraße,das Wohnhaus der Familie Brylewski, und die Riemen-schneiderstraße mit dem Haus der Familie Levi. Die Wohn-stätten der Familien Rehbock, Saphra, Nußbaum, Jacoby,Simson und Friedmann sind nicht Stationen des Rund-gangs, da sie teilweise abgelegen oder nicht mehr vor-handen sind.

1 Guter Ort2 Haus der Deportation, Straße der Opfer des

Faschismus3 Stele am Ort der Synagoge,

Gang durch den Stadtpark4 Haus Goldmannn in der Friedensstraße5 Haus Dr. Marcus in der Bahnhofstraße6 Haus Sander im Steinweg,7 Blick zur ehemaligen Poststraße

mit Haus Familie Rehbock 8 Blick zur ehemaligen Herrenstraße, jetzt Lauterbo-

gencenter, Beschreibung Haus Dr. Saphra9 Blick zur Mühltorstraße mit Haus der Familie

Nußbaum10 Haus Herzberg am Markt11 Haus Leschziner am Markt12 Wohnung der Familie Mühlfelder13 Judithstraße14 Haus Brylewski in der Kellerstraße15 Haus Levi in der Riemenschneiderstraße

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Seit nunmehr 70 Jahren gibt es die jüdische GemeindeSuhl mit Heinrichs nicht mehr, und trotzdem ist jüdischesLeben in den letzten Jahren in Suhl sehr präsent, den Bür-gern sehr nah. Sei es durch die Publikationen in den1990er Jahren von Ludwig Mühlfelder und Hans Noth-nagel oder durch das jüngste Projekt in der Stadt: die„Stolpersteine“. Diese Broschüre enthält erste Ergebnisse der Forschungenvon Schülern und Suhler Bürgern. Lassen Sie sich ein aufeinen kleinen Rundgang zu Stätten jüdischen Lebens inSuhl ...

Wo sollte dieser beginnen, wenn nicht auf dem „GutenOrt“ am Hoheloh. Der Weg geht weiter zur Deportati-onssammelstelle und dann zur Stele für die 1938 abge-brannte Synagoge. Nachdem der geschichtsträchtigeStadtpark durchquert ist, wird die Villa der Familie Gold-mann in der Kaleyßstraße, heute Friedensstraße, sichtbar.An den Besuch bei Dr. Marcus, einem jüdischen Zahnarztin der Bahnhofstraße, schließt sich der Gang in RichtungSteinweg an. Einige jüdische Bürger hatten hier ihre Ge-schäfte, Büros und Wohnungen. Das wunderschöne Ro-kokohaus verweist auf die Familie Sander, die hier in den1930er Jahren eine Lederwarenhandlung betrieb. DenSteinweg entlang wartet schon der Marktplatz mit denehemaligen jüdischen Kaufhäusern Herzberg und Lesch-ziner. An der Hauptkirche und am Wohnhaus der FamilieMühlfelder in der Rimbachstraße vorbei geht es in dasjüdische Viertel von Suhl in die Judengasse, heute Judith-

in Rundgang – Jüdisches Leben in Suhl im Jahr 2008? E

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Osten ausgerichtet also in Richtung der heiligen Stadt Je-rusalem. Bisweilen kommen jedoch auch Abweichungenvor. Ältere Friedhöfe weisen meist Grabsteine ohne Sockelund Grabeinfassungen in regelmäßigen Reihen auf. DieGrabsteine wurden in Deutschland zunächst vorne mithebräischen Buchstaben beschriftet, später, etwa seit dem19. Jahrhundert, auf der Vorderseite in deutscher Schrift.Auf der Rückseite findet man dann die hebräischen Schrift-zeichen. Ab dem 17./18. Jahrhundert gibt es auch sym-bolische Darstellungen aus der jüdischen Glaubenswelt,z. B. den Davidstern, segnende Hände, Kannen oder flo-rale Motive. Die Grabsteine sind in der Regel aus Sand-stein oder einem anderen einheimischen Gestein gefertigt.Im Rahmen der Beerdigungsrituale wurde und wird z. T.noch der Grabstein in einer Zeremonie enthüllt. Ein Kinddes Verstorbenen spricht das Kaddisch (Totengebet), undder Grabstein liegt von da an in seiner ewigen Ruhe. Die Toten werden beerdigt, nicht verbrannt. Doch auchhier gibt es Ausnahmen. Der Talmud (die Auslegungender Thora, überliefert von Rabbinern) diskutiert die Frageder Beerdigung, und es steht in der Thora geschrieben:„Begraben, begraben sollst du ihn!“ (5. Mose 21,23) Ein ausdrückliches Gesetz gibt es jedoch nicht. Das Ju-dentum lehnt im Allgemeinen Verbrennungen ab, ja ver-abscheut sie. Wir können so nur ahnen, wie viel Abscheuund Schmerz die Shoah für jüdische Menschen bedeutet.

Friedhöfe und jüdische Grabmale in Thüringen findet manseit dem 15. Jahrhundert oft zerstört und die Grabmale

Friedhöfe sind die ältesten Zeugnisse jüdischer Besiedlungund belegen das Vorhandensein einer größeren Anzahlvon Juden in der Nähe dieses Ortes. Der Friedhof ist fürdie Juden von zentraler Bedeutung. Es ist der so genann-te „Gute Ort“. Im Hebräischen wird er auch „Beth Olam“(Haus der Ewigkeit) oder „Beth Hachajim“ (Haus der Le-ben) genannt, er ist das „Haus des ewigen Lebens“. Inder Thora steht geschrieben, dass Abraham einen Ortsuchte, an dem er seine Frau Sara begraben konnte. Erfand die Höhle von Machpela (1. Mose 23 ). Diese warsein erster und einziger Grundbesitz. So wurde Sara inder Nähe von Hebron begraben und dies macht die Stadtzu einer besonderen Stätte. Nach Hebron gewann Beth-lehem an Bedeutung, denn dort begrub Jakob seine Ra-chel und kennzeichnete das Grab mit einem Grabmal,einer Mazewah (1. Mose 35, 20). Genaue Vorschriftenfür ein solches gibt es nicht. Die jüdischen Grabsteine ha-ben recht unterschiedliche Formen. Für Menschen jüdischen Glaubens ist es das Schlimmste,zu wissen, dass Angehörige kein Grab haben. Die Erdenimmt die Toten in ihrem Schoß auf und diese Ruhe darfnicht gestört werden. Dieser Ort, diese Erde gehört vonnun an für immer dem Toten. Als besonders widerwärtiggilt die Öffnung oder Schändung eines Grabes. Aus die-sem Grund wurden und werden die Orte für „Beth Olam“genau ausgesucht und liegen meist außerhalb der Städte.Alle Grabsteine müssen für alle Zeit erhalten bleiben. Meistumgrenzt den Friedhof eine lebende Hecke, ein Zaunoder eine Mauer. Die Toten werden mit den Füßen nach

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Der erste jüdische Friedhof in Suhl/Heinrichs wurde um1720 „an der Haardt“ begründet. Er wurde mit wachsen-der jüdischer Gemeinde 1861 erweitert. Die letzte Be-erdigung geht auf das Jahr 1917 zurück. Die jüdischeGemeinde hatte sich mehr nach Suhl verlagert und such-te ab Anfang des 20. Jahrhunderts nun dort nach einemgeeigneten „Guten Ort“. 1903 wurde in der Nähe des

wurden als Bausteine verwendet. Nur einige sind nocherhalten geblieben. Ab dem 19. Jahrhundert, also mitder Gleichstellung der Juden, stellt man Veränderungenin der Gestaltung fest. Es gibt Abweichungen von denalten Traditionen und christliche Friedhofsgestaltungennehmen zu. So auch hier in Suhl auf dem Friedhof am„Mittelloh“.

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September 2008: Geschichtsunterricht einer 10. Klasse des Staatlichen Gymnasiums Suhl. Für Lehrerin Hedemarie Schwalbe ein ge-wohnter „Guter Ort“, war sie doch schon mit vielen Schülerinnen und Schülern im Laufe der letzten Jahre hier. In Folge entstanden diemeisten Schülerbeiträge dieser Broschüre.

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bestattet. Frau Rehbock hatte ihren jüdischen Gatten durchdie Zeit des Nationalsozialismus begleitet und ihn so vorder Deportation gerettet. Hugo Rehbock verstarb 1966,seine Frau folgte ihm 1976.„Gesegnet sei das Andenken der Gerechten. Mögen sieder ewigen Seelenruhe teilhaftig werden.“So lauten die letzten Worte der Beerdigungszeremonie,die durch den Menachem Awel (Tröster der Trauernden)gesprochen werden, und das Tor des „ewigen Hauses“schließt sich.

christlichen Friedhofes der zweite jüdische Friedhof am„Mittelloh“ geweiht. Der jüdische Friedhof an der Haardtsteht seit 1982 unter Denkmalschutz. Auf dem zweiten jüdischen Friedhof mischten sich jüdischeund christliche Traditionen. Mitte der dreißiger Jahre ent-standen das kleine Gebetshaus (Leichenhalle) und dieWasserentnahmestelle. Auch auf diesem Friedhof suchenwir Blumen vergeblich. Blumen sind vergänglich und ge-hörten lange Zeit nicht auf einen jüdischen Friedhof. In derletzten Zeit kann man jedoch auch das finden. Die Totenwerden durch kleine Steine, die auf die Gräber gelegtwerden, geehrt. Manchmal liegen unter den Steinen klei-ne Zettelchen mit Wünschen oder Gebeten.

Auf dem jüdischen Friedhof am „Mittelloh“ sind nicht alleToten nach Jerusalem ausgerichtet. Schwarzer Granit ver-drängte den Sandstein für die Grabsteine. Wir findensehr schlichte Grabsteine, aber auch Grabmonumentewie z. B. für die Simson-Familie. Jüdische Symbole gibtes wenige (Davidstern und Tintenfass).In einem Grab finden wir sogar eine Urne. Es ist die Ur-ne von Emma „Martel“ Rehbock geb. Kummer, der Frauvon Hugo Rehbock. Sie wurde im Grab ihres Mannes

1985: Schülerinnen und Schüler haben den jüdischen Friedhof inSuhl-Heinrichs von umgefallenen Bäumen, Zweigen und Erdreichgereinigt.

Holocaust-Gedenktag 27. Januar 2008: Christian Meißner, AnneliePfannschmidt, Alexander Koberstein und Rico Schubert gestaltetenmit Lehrerin Heidemarie Schwalbe (v.l.n.r.) einen Rundgang vorbeian Stätten jüdischen Lebens in Suhl.

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Im April 1942 ging eine Information der „Reichsvereini-gung der Juden in Deutschland“ Außenstelle Erfurt heraus,in der 29 Menschen im Suhler Raum davon in Kenntnisgesetzt wurden, dass sie für einen „Umsiedlungstransport“vorgesehen sind. Bei diesem Schreiben befanden sichMerkblätter über die Mitnahme von Gepäck und überzu machende Vermögenserklärungen.Die betroffenen jüdischen Bürger mussten Nachweise er-bringen über ihr Vermögen und ihre Sparkassen- undBankbücher. Im Falle, dass sie dies nicht täten, wurdendrastische Maßnahmen angedroht. Die Menschen wur-den außerdem aufgefordert, alle Sachwerte, die sie nochbesaßen, abzuliefern und bis zum 5. Mai 1942 Trans-portkosten in der Höhe von 50 Reichsmark auf ein Son-derkonto zu überweisen. Auf den Transport durften 50 kg Gepäck in einem Koffermitgenommen werden. Als Handgepäck wurde befohlen,für 3–4 Tage Verpflegung, Essgeschirr, Besteck, eine De-cke, ein Kissen und ein Handtuch mitzubringen. Am 10. Mai 1942 mussten sich folgende Suhler Bürgerin der Hohelohstraße, am Standort der abgebranntenSynagoge einfinden:Alfred BrylewskiEmma BrylewskiMax FriedmannClothilde GoldmannLilly GoldmannLizzi HamburgerMargarete Jacobi mit ihren zwei Kindern

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Max Friedmann aus Heinrichs hatten die Nazis besondersübel mitgespielt, allen voran der berüchtigte Gestapo-Beamte Reese. Herr Friedmann wurde gehunfähig ge-schlagen und auf einem Karren zur Sammelstelle gebracht.Er hatte ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: „Dieletzten Juden verlassen Suhl!“Außerdem wurden am 20. 9. 1942 deportiert:Adele GoldmannMartha LeviDeborah LeviJenny Nußbaum Wolf NußbaumDina MannheimerFrau Rothschild sen.Frau Rothschild jr.Herr RothschildJenny RothschildFrau Stern sen.

Frau Käthe Kessel berichtete als Zeitzeugin über den Ab-transport von Jenny Rosenbaum. Die gehbehinderte Frauwurde regelrecht auf den LKW geworfen, wo sie fastleblos liegen blieb. Frau Kessel musste diese Szene alsjunges Mädchen beobachten, da sie zufällig am Marktvorbeikam, wo der LKW beladen wurde.In diesen Septembertagen 1942 hörte die jüdische Ge-meinde Suhl mit Heinrichs auf zu existieren.

Dolly MannheimerErich MannheimerMartha MannheimerMax MannheimerElse NußbaumHanna NußbaumSelma NußbaumKarl Nußbaum

Ihr Bestimmungsort war das Vernichtungslager Belzec inPolen. Außerdem wurden an diesem Tag vom Suhler Bahn-hof mit unbestimmtem Ziel abtransportiert:Charlotte LeviLeopold LeviSerry MannheimerTilly Mannheimer Jakob Goldmann und andere.

Nicht alle Betroffenen waren stark genug, sich an derSammelstelle einzufinden. Im September, kurz vor demletzten Transport gab sich Isaac Nußbaum selbst den Tod,um der Deportation zu entgehen.

Im September 1942 gingen die letzten jüdischen Bürgerunserer Heimatstadt schweren Herzens zur Sammelstelle,um zunächst nach Theresienstadt gebracht zu werdenund von da aus in die Vernichtungslager wie Auschwitzund Sobibor.

Sammelstelle zur Deportation: Das Haus Ecke Grünewaldstraße/Straße der Opfer des Faschismus heute.

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Transportpapiere und Totenschein von Ella Sara Ziegler, Amtmannsweg 9 in Suhl. Sie wurde 54 Jahre alt.

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die „Synagogengemeinde Heinrichs mit Suhl“. Zu dieserGemeinde gehörten 19 Familien aus Heinrichs und 10 jü-dische Familien aus Suhl. Das Haus Nr. 26 in Heinrichsfungierte als Betraum. Der seit 1720 bestehende „GuteOrt“ an der Haardt wurde 1861 erweitert.Durch die fortschreitende industrielle Revolution verlager-te sich die jüdische Gemeinde mehr und mehr in die Fa-brikstadt Suhl, bis der Sitz der Gemeinde ganz nach Suhlverlegt wurde. Von nun an gab es die „Jüdische Gemein-de Suhl mit Heinrichs“. Nun musste auch eine geeignetereligiöse Heimstatt gefunden werden. Zunächst war esein Saal in der Färberei Harraß am Mühlplatz, der alsBetraum angemietet wurde. 1905 kaufte die jüdische Ge-meinde den Bornmüllerschen Garten in der Nähe derKreuzkirche und beauftragte Baumeister Büttner mit derPlanung und dem Bau einer Synagoge. Alles wurde mitSpenden der jüdischen Bürger von Suhl finanziert.

Die feierliche Einweihung fand 1906 statt. Suhl war umein architektonisches Kleinod reicher. Ein wunderschönesGotteshaus im byzantinisch-maurischen Stil und Jugend-stilelementen war entstanden. Der Bürgermeister von Suhlwürdigte dies in seiner Ansprache zur Einweihung undübergab den Schlüssel der jüdischen Gemeinde.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkten sich jedochauch in Suhl antisemitische Tendenzen. Die Deutsch-sozi-ale Antisemitenpartei war entstanden. Fabrikbesitzer wieCarl Haenel und Franz Sauer erklärten den Kampf gegen

Gleich nach der Suche und dem Einrichten des „GutenOrtes“ kümmerte sich die jüdische Gemeinde um einenBetraum bzw. eine Synagoge. Der Betraum bzw. die Sy-nagoge bildet den religiösen, kulturellen, erzieherischenund politischen Mittelpunkt jüdischen Lebens. Es gibt rechtunterschiedlich gestaltete Synagogen, doch überall gibtes einen Thoraschrein, einen Pult für den Vorleser, dasEwige Licht und meistens einen Frauenraum oder eineFrauenempore. Die Synagoge kennt keinen Altar und bisauf einige Reform-Synagogen keine Orgel.Die Alte Synagoge in Erfurt ist mit ihren ältesten Bauteilenaus dem 11. Jahrhundert die älteste, bis zum Dach erhal-tene Synagoge in Mitteleuropa. Die Bauteile der Alten Sy-nagoge konnten dendrochronologisch auf das Jahr 1094datiert werden. Wie im Mittelalter üblich lag der ursprüng-liche Fußboden unter dem Straßenniveau. Zum Zeichender Demut sollte man beim Betreten des Gotteshauseseinige Schritte hinabsteigen. Die erhaltenen Synagogenin Berkach und Aschenhausen wurden im 18./19. Jahr-hundert errichtet.

Die ersten Beträume befanden sich meistens in Privathäu-sern von Juden. Gründe hierfür waren meist die fehlendenfinanziellen Mittel und die Verwehrung des Erwerbs einesentsprechenden Grundstückes. Ab Mitte des 19. Jahrhun-derts wurden im Zusammenhang mit der Integration derJuden Synagogenbezirke gebildet. Schleusingen, Hein-richs und Schwarza wurden zur Synagogengemeindezusammengefasst. Ab dem 17. 1. 1856 existierte dann

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Der Innenraum der Suhler Synagoge. Que

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wurde unerträglich. Gewalt war an der Tagesordnung.Die Regierung in Berlin und der Reichstag hatten demnichts entgegenzusetzen. Die demokratischen Parteienwaren machtlos. Der seit 1925 amtierende Bürgermeistervon Suhl, Hermann Engel, Mitglied der DVP (DeutscheVolkspartei) und andere Vertreter bürgerlicher Parteiensowie die SPD konnten auch in Suhl dieser Entwicklungnicht Einhalt gebieten.

Die jüdische Gemeinde zählte in den Zwanziger Jahrenca. 150 Mitglieder. Die Verwaltung der Gemeinde be-stand aus einem Vorstand von drei Mitgliedern (DanielMeyer, Daniel Nußbaum und O. Ottensoser) und siebenRepräsentanten ( J. Sommer, I. Nußbaum, S. Sander, I. Sander, S. Mannheimer, Alfred Brylewski) und einemRendanten. An Wohlfahrtseinrichtungen hatte die Gemein-de einen Frauenverein sowie einen Unterstützungsvereinfür bedürftige Durchreisende. Abraham Levi fungierte alsLehrer und Prediger der jüdischen Gemeinde.

Im März 1933 wurden alle Mandatsträger außer die derNSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)aus dem Stadtparlament ausgeschaltet, um freie Handauch für die Verfolgung von Juden zu haben.Nach den Boykotten jüdischer Geschäfte im März undApril 1933 verließen die ersten Suhler Juden die Stadt.Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam-tentums wurden Lehrer an der Kaiser-Wilhelm-Oberreal-schule (Käte Sander) sowie Mittelschullehrer (Max Levi

die Sozialdemokraten und gegen das „Judentum“ zuihren wichtigsten Zielen. Sie lagen damit im Trend der Zeit.Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland durchden Versailler Vertrag in seiner Waffenproduktion sehreingeschränkt. Kleine Waffenproduzenten litten dadurchunter Auftragsmangel, mussten Arbeiter entlassen. Diejüdische Firma Simson hatte ein Privileg auf die Waffen-produktion bekommen. Das rief natürlich den Neid deranderen Unternehmer hervor. Gerüchte steigerten denHass auf die Firma. Militante Verbände wie der „Stahl-helm“, der eng an die DNVP (Deutschnationale Volkspar-tei) gebunden und dessen Führer im Suhler Raum der Waf-fenfabrikant Sauer war, hetzten Ende der Zwanziger Jah-re die Menschen zunehmend auf. Das politische Klima

Vor 70 Jahren: Auch die Suhler Synagoge brennt in der Nachtvom 9. zum 10. November 1938.

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goge öffentlich verkündet. Die jüdische Gemeinde muss-te dafür Sorge tragen, dass die Trümmerreste abgetragenwurden. Der Suhler Maler Alexander Gerbig, der engefreundschaftliche Kontakte mit der jüdischen Gemeindepflegte, hatte mehrere Zeichnungen der Synagoge ge-widmet. Auf den Zeichnungen war deutlich sichtbar, wieeng beieinander die christliche Kirche, die weltliche Schu-le und die Synagoge standen. In der Pogromnacht zeich-nete er in großer Erregung das brennende Gotteshaus.Suhl war um ein architektonisches Kleinod ärmer.

und Abraham Jaffe) entlassen. Suhls Bürgermeister Dr. En-gel wurde 1937 entlassen und das fanatische NSDAP-Mitglied Adolf König trat an seine Stelle. Dieser veran-lasste sofort Arisierungen, half beim Erfassen des jüdischenVermögens. Der traurige Höhepunkt dieser ersten Phaseder Verfolgung war die Pogromnacht vom 9. zum 10. No-vember 1938. SA-Männer zerschlugen das Inventar derSuhler Synagoge und steckten sie in Brand. Die Feuer-wehr erhielt den Befehl, keine Löscharbeiten vorzuneh-men. Noch in der Nacht wurde die Zerstörung der Syna-

9. November 2007: Nach der Festveranstaltung im Oberrathaussaal gedenken Suhler Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der jüdi-schen Künstlerin Jalda Rebling und dem Vorsitzenden der jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Wolfgang Nossen, am einstigen Stand-ort der Suhler Synagoge der Verfolgten.

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und verstarb am 14. 5. 1918 im Lazarett in Frankfurt amMain.Am 5. 11. 1903 gebar Adele Goldmann ihre einzigeTochter Isabella. Diese heiratete den Kaufmann HansMeyer, geb. am 31. 8. 1897 in Burgdorf. Er war der Sohnvon Emil und Mathilde Meyer, geb. Lindenbaum, und leb-te in Nieder-Wöllstadt. Auch Isabella gelang es zu emi-grieren. Ihre Spur findet sich ab 1946 in Großbritannienwieder.

Der jüngste Sohn Fritz, der am 2. 4. 1905 geboren wurde,begann nach seiner Schulzeit in der Kaiserlichen Ober-realschule, dem heutigen Staatlichen Gymansium, Anfangder dreißiger Jahre mit einem Kunststudium in Berlin und

Isaac Goldmann wurde am 29. 7. 1855 in Marisfeld ge-boren. Er heiratete Henriette Heilbrunn und aus der Ehegingen drei Kinder hervor. Clothilde Goldmann wurde am 2. 1. 1882 in Suhl gebo-ren, Bertha Goldmann am 7. 4. 1888 und Henriette Gold-mann am 3. 9. 1889. Bertha starb bereits am 23. 3. 1891und Henriette am 21. 10. 1889 in Suhl. Beide fanden ihreletzte Ruhestätte auf dem „Guten Ort“ in Heinrichs.Es ist nicht genau nachzuvollziehen, wie Frau HenrietteGoldmann starb. Vermutlich war es bei bzw. an den Fol-gen der Geburt der jüngsten Tochter Henriette.

Am 19. 2. 1890 ging Isaac Goldmann eine zweite Eheein. Er heiratete in Fürth Adele Hendle. Adele Hendle wur-de am 11. 4. 1862 in Fürth geboren. Sie folgte ihremMann nach Suhl, wo sie 1905 ein Haus im Jugendstil inder Kaleyßstraße 6 bauten. Adele schenkte Isaac Gold-mann fünf Kinder und zog auch Clothilde, die Tochter auserster Ehe mit auf.Der älteste Sohn Martin Goldmann wurde am 4. 4. 1891in Suhl geboren. Dieser heiratete Frau Irma Lublinski undkonnte während der Nazi-Zeit nach Amerika auswandern.Sein Wohnort war New York.Siegfried Goldmann wurde am 3. 5. 1892 geboren. Erheiratete Frau Lilli Sander. Auch Siegfried gelang es, zu-nächst nach Großbritannien und ab 1947 in die USAauszuwandern.Der dritte Sohn Julius wurde am 12. 1. 1896 geboren. Erkämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg, wurde verwundet

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Den Lebensunterhalt bestritt die Familie mit einer Kohlen-und Baumaterialienhandlung. Der Sitz der Firma befandsich in den 1930er Jahren in der Bahnhofstraße 25. Sieg-fried Goldmann erlernte den Beruf eines Kaufmanns undwohnte im Steinweg 33.

Am 22. 3. 1925 verstarb Isaac Goldmann und Adele undihre Tochter Clothilde führten unterstützt von Siegfried

Bonn. Bevor er nach Palästina auswanderte, promovier-te er als einer der letzten jüdischen Bürger in Deutsch-land. Ab 1947 lebte er in Haifa. Noch lange nach seinemwohlverdienten Ruhestand war er als Leiter eines Muse-ums in Jerusalem tätig. Dr. Fritz (Zeev) Goldmann besuch-te Suhl im Jahr 1993, um sein Elternhaus wieder zu sehen.Die Familie Goldmann wohnte bis in die 1930er Jahre inder Kaleyßstraße 6.

Juli 2006: Verlegung von Stolpersteinen vor dem Haus der Goldmanns.

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Goldmann die Kohlehandlung weiter. Adele und Clothildeblieben in der Kaleyßstraße wohnen. Die Familie war sehrkunstbegeistert und wie viele jüdische Bürger kauften sieBilder von Suhler Künstlern, besonders von AlexanderGerbig. So manche Ausstellung richteten sie für den Suh-ler Maler aus. Gerbig war mit einigen jüdischen Bürgerneng befreundet und hat sie auch liebevoll in seinen Bildernund Zeichnungen festgehalten. Ob es die kleine Feder-zeichnung, die den kartenspielenden Max Friedmanndarstellt, ist, oder auch die eindrucksvolle Kohlezeichnung„Mutter Goldmann“, immer spürt man die Achtung undVerbundenheit des Malers mit diesen Menschen. Vergeb-lich versuchte er Adele Goldmann zu überreden, auch insAusland zu gehen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dasseiner alten Frau, wie sie es war, etwas passieren könnte.

1938 wurde Adele Goldmann von den Nationalsozia-listen um ihr Hab und Gut gebracht. Das Haus in der Ka-leyßstraße wurde arisiert. Adele zog mit ihrer ZiehtochterClothilde zu den Sanders in die Herrenstraße. Hier ereilteClothilde im Mai 1942 die Aufforderung, sich an derSammelstelle in der Hohelohstraße/Ecke Lilistraße ein-zufinden. Am 10. 5. 1942 wurde Clothilde nach Belzecdeportiert und fand dort den Tod. Der letzte TransportSuhler Juden in Vernichtungslager fand im September1942 statt. Fast 80-jährig war nun auch Adele Goldmannunter den Deportierten. Am 20. 9. 1942 wurde sie unterder Transportnummer XVIII 856 nach Theresienstadt ge-bracht und verstarb dort am 30. 9. 1942.

Mutter Goldmann, Zeichnung von Alexander Gerbig.

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Dr. Fritz Siegfried Marcus, geb. am 31. August 1889 inSüdthüringen, verbrachte den Großteil seines Lebens inSuhl. Seine Eltern waren Juden und erzogen ihn auch indiesem Glauben. Als Mann mittleren Alters und mit ärzt-licher Ausbildung musste und wollte Dr. Marcus Deutsch-land im Ersten Weltkrieg unterstützen, kämpfte an vorders-ter Front und half dabei auch vielen Soldaten mit seinemWissen und Können. Er selbst überlebte den Krieg schwerverwundet und galt nach dem Krieg als 100 Prozentschwer beschädigt. Er erlitt Einschüsse in Beine und dieUnterleibsgegend. So konnte er als Zahnarzt weiter ar-beiten. Wahrscheinlich noch vor dem Ersten Weltkrieglernte er seine spätere Frau Erika, geb. Laves kennen. Ihrzuliebe wechselte Dr. Marcus zum evangelischen Glau-ben, vergaß aber nie seine jüdischen Wurzeln.

Seine Zahnarztpraxis betrieb er in der Bahnhofstraße 17a,dem Haus, das heute noch unter derselben Adresse exis-tiert. Die Praxisräume befanden sich im Untergeschossund seine Wohnung in den oberen Stockwerken. VieleSuhler kamen über Jahre gerne zu ihm. Bis 1933 hatteDr. Marcus keine Probleme mit seinen Mitbürgern undKollegen, er war sehr angesehen. Doch nach der Macht-übernahme Hitlers gab es vor allem unter den NSDAP-Mitgliedern in der Zahnärzteschaft erste Neider, auf Grundder gut laufenden Praxis des Doktors. Gerüchte kamenauf, häuften sich bis 1936 und wurden immer schlimmer.Der Ruf seiner Praxis wurde dadurch schwer geschädigtund immer weniger Patienten suchten ihn auf. Der Ehrenrat

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Das Haus von Dr. Marcus in der Bahnhofstraße.

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Schmerzen nicht sitzen durfte. Die nationalsozialistischenSchergen sagten ihm, dass trotz seiner Dienste im ErstenWeltkrieg Deutschland nicht sein Vaterland sei, und ernur entlassen werden würde, wenn er Suhl sofort verließe.Dr. Marcus willigte ein und wurde frei gelassen. Er nahmjedoch seine Tätigkeit als Zahnarzt wieder auf und ver-ließ Suhl nicht. Doch seit dem 17. 1. 1939 durften Juden keine Heilbe-rufe mehr ausüben. Da Dr. Marcus sich jedoch als nichtbetroffen sah, arbeitete er weiter. Im Februar wurde ererneut verhaftet und wieder kam die Forderung an ihn,Deutschland zu verlassen. Jetzt drohte die Gestapo mitGewahrsam und Deportation, falls er seinen Besitz nichtverkaufen und ausreisen würde.

Noch während er im Gefängnis saß, regelte seine Fraugroße Teile des Verkaufs und organisierte die Ausreise.Die Praxiseinrichtung ging zum größten Teil an die NSDAP-Mitglieder der Zahnärzteschaft. Sein Haus konnte an ei-nen befreundeten Fleischer verkauft werden.

Mitte 1939 emigrierte die Familie Marcus nach Bussum,einer kleinen Stadt in den Niederlanden. Dort überstandsie den Zweiten Weltkrieg. 1946 stellte Dr. Marcus inSuhl den Antrag auf Rückerstattung aller zwangsverkauf-ten Besitztümer, was sofort genehmigt wurde. Nach Suhlkehrte Dr. Marcus trotz eines Antrages auf Wiederauf-nahme nicht zurück und verbrachte seinen Lebensabendbis in die 50er Jahre wohl in Bussum.

der Thüringer Zahnärzteschaft sprach Dr. Marcus von allden Anschuldigungen und Gerüchten zwar frei, dennochkamen die Patienten nicht wieder. Auf Dauer bedeutetedas den wirtschaftlichen Ruin der Praxis.

Bis auf den Patientenschwund gab es mit den Suhler Bür-gern keine Probleme, doch in der Pogromnacht vom 9. 11.zum 10. 11. 1938 rüttelte und schlug es an der Haustür.SA-Männer brüllten immer wieder: „Sofort aufmachen“und „Schutzhaft“. Nachdem sie in das Haus eingedrun-gen waren, stürmten sie in das obere Geschoss und hol-ten Dr. Marcus aus seiner Wohnung. Trotz des Wissensum seine schweren Kriegsverletzungen stießen die SA-Männer ihn die Treppen hinunter und prügelten ihn imLaufschritt ins Gefängnis.

Von dort aus wurde er mit mehreren anderen Gefange-nen per LKW nach Buchenwald gebracht und dort inhaf-tiert. Auf Grund der Bemühungen seiner Frau Erika kames am 12. 12. 1938 zu einem Entlassungsgespräch, beidem er in den Raum gestoßen wurde und trotz großer

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Bekannt ist, dass die Sanders, vor allem Frau Sander, so-zial sehr engagiert waren und innerhalb der jüdischenGemeinde halfen, wo sie konnten.

Isidor Sandergeb.: 25. 5. 1881 in Suhlgest.: 1. 7. 1936 Mutter: MinnaVater: Simon (nach ihm wurde das Geschäft benannt)

Meta Sander geb. Sichelgeb.: 20. 10. 1887gest.: 13. 4. 1936 (nach schwerer Krankheit)

Isidor und Meta Sander heirateten am 12. 9. 1910 inWürzburg.

KinderHelmut geb.: 2. 5. 1912

gest.: 3. 12. 2004Helene geb.: 31. 12. 1914Ilse-Marion geb.: 1. 1. 1920

Das Geschäft der Sanders befand sich im Erdgeschossdes Hauses im Steinweg 26 (Rokokohaus). Die FamilieSander selbst wohnte im ersten Stock und im zweiten Stockwohnte Familie Rehfeldt (keine jüdische Familie). Die Toch-ter der Rehfeldts erinnerte sich Jahre danach an einigeDetails dieser Zeit (siehe Seite 26).Die Familie Sander war in der jüdischen Gemeinde sehraktiv. Frau Sander war die Vorsitzende des IsraelitischenFrauenvereins, zu dem noch fünf andere Frauen gehörten.Isidor Sander war im Synagogenvorstand aktiv.

amilie Sander, Steinweg 26F

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rung bestand, Frau Sander Dr. Saphra holte und diesenauch bezahlte. Auch sorgte diese dafür, dass die Kinderder Rehfeldts etwas zu essen bekamen. 1932 schickte die Familie Sander Tochter Helene nachEngland. Sie sollte ihre Sprachkenntnisse vervollkommnen.Diese Entscheidung rettete ihr wohl das Leben. Helene

Sie besaßen z. B. eine Laubhütte, die sie den anderen Ge-meindemitgliedern für das Laubhüttenfest zur Verfügungstellten. Aber auch gegenüber den Sorgen und Nötenanderer Suhler Bürger hatten sie immer ein offenes Ohr.So berichtete die Tochter der Familie Rehfeldt, dass alsihre Mutter schwer krank war und keine Krankenversiche-

Stets erregt die Verlegung von Stolpersteinen viel Aufmerksamkeit wie hier vor dem Haus der Sanders, Steinweg 26, im Juli 2006.

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seine Frau Nichtjüdin war und ihn so vor der Deportationbewahrte. Hugo Rehbock starb 1966.1939 wanderten Ilse und Helmut aus. Ilse starb 1997 inEngland. Helmut lebte einige Zeit in Israel und war dortals Architekt tätig. Helmut heiratete im Jahr 1938. 1942wurde sein Sohn Mike geboren und 1953 ein weitererSohn. 1948 zog die Familie nach Los Angeles. 2002starb Helmut Sander.Es gibt heute noch Verbindungen zu Mrs. Helen Sanderund Mr. Mike Sander.

Sander, heute Mrs. Helen Freeland, kam aufgrund derschweren Krankheit der Mutter noch einmal nach Suhl.In diesen Tagen machte sie die Bekanntschaft mit der Ge-stapo (Geheime Staatspolizei), die Briefe an die Elternabgefangen hatte und nun Helene zur Rede stellte, dasie kritische Äußerungen über die nationalsozialistischeHerrschaft gemacht hatte. Die Briefe brachten die Männermit und hatten diese Sätze rot angestrichen, wie Mrs. Free-land berichtete. Daraufhin wurde sie von der Mutter ge-rettet, indem diese ihr eine schallende Ohrfeige gab undihr verbot, je wieder so etwas zu äußern. Überraschendzogen die Gestapomänner daraufhin ab. Die Tochterreiste am nächsten Tag sofort wieder nach England.

Die schwer erkrankte Frau Sander starb im April 1936.Ihr Mann überlebte sie nicht lange. Sei es der schwereVerlust oder die schwere Zeit, die für die jüdischen Bürgerauch in Suhl gekommen war. So wurde eines Tages eingroßer Galgen auf einem Wagen durch den Steinweggefahren, an dem eine lebensgroße Puppe baumelte. SA-Männer brüllten: „Hängt die Juden, stellt die Ketzer andie Wand.“ Im Juli 1936 konnte Isidor Sander sein Schick-sal nicht mehr ertragen und verzweifelt ging er aus demLeben.

Die Tochter Ilse wohnte dann eine Zeit lang in der Kaleyß-straße 6 (heute Friedensstraße). Sie war das Mündel vonEmil Sichel (Großvater), der in Hannover wohnte, ihr Vor-mund war Hugo Rehbock, der die Shoah überlebte, da

Mrs. Freeland, geb. Sander mit der Suhlerin Frau Lorenz.

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Post von Helen Freeland, Birmingham, an Heidemarie Schwalbe.

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sich Herr Sander in dem Raum, der vom Laden in dashintere Büro führte. Ich hatte immer eine Gänsehaut, wennich durchs Treppenhaus ging und an dem Raum vorbei-kam, wo dies passiert war.

Ein Bild ist mir von den Judenverfolgungen immer vor Au-gen: Durch den Steinweg wurde ein Wagen gefahren,auf dem an einem Galgen eine lebensgroße Puppe bau-melte. Dazu brüllten SA-Männer: „Hängt die Juden, stelltdie Ketzer an die Wand!“In der Reichskristallnacht wurden wir durch Lärm geweckt,und als wir aus dem Fenster sahen, erblickten wir denFeuerschein von der brennenden Synagoge.

An weitere jüdische Namen kann ich mich noch erinnern:MANNHEIMER, MEYER, BRYLEWSKI (auch Geschäfts-leute), FRIEDMANN, LEVY, NUSSBAUM, MÜHLFELDER.Der Sohn von Mühlfelder, Ludwig, ging in meine Klasse.Die um vier Jahre jüngere Schwester, Ellen, hätte wohl1935 in die Schule kommen sollen, konnte aber wegeneiner Hüftgelenkverrenkung nicht gehen, da beide Ober-schenkel in Gips lagen. Als sie ein Jahr später noch im-mer in Gips lag, fragte mich Frau Mühlfelder, ob ich ihremTöchterchen nicht Schreiben, Lesen und Rechnen beibrin-gen könne. So gab ich täglich, von Montag bis Freitag,eine Stunde und bekam dafür, ca. 20 Stunden, ein 5-Mark-Stück, das ich stolzgeschwellt meiner Mutter gab. Aufdie Idee, das Geld als Taschengeld für mich zu behalten,kam ich gar nicht!

Zur Zeit der „Machtübernahme“ 1933 war ich geradeneun Jahre alt. Als Kind habe ich mich um Politik und der-gleichen nicht gekümmert und auch über Einzelheiten be-züglich der Juden nicht viel behalten. Wir hatten abereinige persönliche Erlebnisse bzw. Berührungen mit Juden,die mir in Erinnerung geblieben sind.Mir sind noch Namen von Juden bekannt, u. a. folgendeGeschäftsleute: Kaufhaus HERZBERG am Markt, Herren-bekleidungsgeschäft REHBOCK in der Poststraße, Eisen-warenhandlung MEYER in der Gothaer Straße, Lederwa-renhandlung SANDER im Steinweg. Das Geschäft von Isi-dor Sander befand sich im Erdgeschoß Steinweg 26, imersten Stock wohnte die Familie SANDER, im zweiten Stockwohnten wir, meine Eltern, mein Bruder und ich, etwa seitAnfang der 1930er Jahre. Die Sanders, Vater, Mutter,zwei Töchter, einige Jahre älter als ich, und der Sohn Hel-muth, an den ich aber keine Erinnerung mehr habe. Ichweiß nur, daß er irgendwann nach Palästina ausgewan-dert ist. Die Sanders waren immer sehr nett zu uns, beson-ders Frau Sander. Als meine Mutter einmal schwer krankwar (Gelbsucht), ließ Frau Sander den jüdischen Arzt Dr. Saphra kommen. Ich nehme an, daß sie ihn bezahlthat. Meine Eltern waren nicht krankenversichert und hat-ten auch kein Geld für einen Arzt. Sie sorgte auch dafür,dass wir etwas zu essen bekamen, solange meine Mutterkrank war. Irgendwann, vielleicht 1936 oder auch spä-ter, erkrankte auch Frau Sander schwer und starb. Wohlaus Verzweiflung darüber und auch angesichts der im-mer stärker einsetzenden Judenverfolgungen, erhängte

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Ach ja, die einflussreichsten und mächtigsten jüdischenGeschäftsleute habe ich ganz vergessen, da war die Fir-ma Simson, die große Fabrik in Heinrichs, die vielen Leu-ten Arbeit und Brot gab.

Gisela Brand, geb. Rehfeldt

Dunkel ist mir noch in Erinnerung, als die Schaufenster derjüdischen Geschäfte eingeworfen wurden. Auch weiß ich,dass mehr und mehr die jüdischen Geschäfte boykottiertwurden und diejenigen, die trotzdem einkauften, notiertund teilweise sogar fotografiert wurden.

Die Suhler Synagoge am 10. November 1938.

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Leidensgenossen, alle Maßnahmen der Ausgrenzungund Diskriminierung. Einigen Nationalsozialisten war Hu-go Rehbock ein Dorn im Auge. Wie konnte es sein, dassein „Volljude“ hier in Suhl überleben konnte?Am 6. 10. 1942, kaum dass der letzte Transport von jü-dischen Bürgern aus Suhl abgegangen war, und die Zei-tungen prahlten: „Suhl ist judenfrei“, erhielt der Bürger-meister Adolf König einen Brief vom NS-Kreisleiter: „...wie-so es möglich sein kann, dass der mit einer Arierin ver-heiratete Jude Rehbock in Suhl, kinderlos, noch eine Acht-Zimmerwohnung bewohnen kann?“

Hugo Rehbock wurde am 22. 2. 1880 als Sohn der Ehe-leute Meyer und Henriette Rehbock in Gehaus geboren.Schon als junger Mann kam er nach Suhl und trat am7. 7. 1911 als persönlich haftender Gesellschafter in dasLadengeschäft von Hugo Simson ein. Am 2. 11. 1911 wur-de er Alleininhaber des Ladens, der noch unter der Fir-menbezeichnung „Hugo Simson“ weitergeführt wurde.Später nahm das Geschäft die Firmenbeziechnung „Hu-go Rehbock“ an. Der wohlsituierte Geschäftsmann hei-ratete die Tochter des Büchsenmachers Kummer, EmmaKummer. Liebevoll nannte Hugo Rehbock seine Frau „Mar-tel“ und „mein Hühnchen“. Emma Rehbock wurde am9. 4. 1886 als jüngstes von zehn Kindern geboren.Gemeinsam mit seiner Frau betrieb Hugo Rehbock ab dem1. 7. 1927 ein größeres Geschäft in der Poststraße 7, wosich auch die Wohnung der Eheleute befand. Vorher be-fand sich hier das Kaufhaus Zschocke. Das Angebot derManufakturwarenhandlung war vielfältig, von Herrenstof-fen, Kleider- und Seidenstoffen zu Baumwollwaren, Tisch-decken, Leib- und Bettwäsche, Gardinen, Teppichen, Läu-fern bis hin zu Bettfedern und Daunen bester Qualität.

1938 wurde das jüdische Geschäft „arisiert“, trotz derTatsache, dass seine Frau Emma eine sogenannte „Ari-erin“ war. Nach 18-jähriger Existenz wurde die Firma„Hugo Rehbock“ aus dem Handelsregister gestrichen.

In den Jahren nach 1938 trafen ihn und seine Frau, dieihm immer zur Seite stand, wie die anderen jüdischen

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Rassenschänder verurteilt: Gefunden in Zella-Mehliser Zeitungund Oberhofer Tageblatt vom 18. Dezember 1935.

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Andere Mitglieder der Familie hatten nicht so viel „Glück“.So traf die Shoah den Bruder Hugo Rehbocks und sogardessen dreijähriges Söhnchen.Hugo Rehbock verstarb am 11. 10. 1966 und wurde aufdem jüdischen Friedhof in Suhl beerdigt. Seine Frau folg-te ihm 1976. Ihre Urne wurde in das Grab Hugo Reh-bocks verbracht und so ruht sie neben ihrem Mann auchauf dem jüdischen Friedhof.

Seitdem fanden dort keine Bestattungen mehr statt.

Denunzianten aus Suhl hatten diese Falschmeldung wei-tergegeben und der Bürgermeister beeilte sich, das richtigzu stellen und wies auf die vorhandene Vier-Raumwoh-nung hin, die aber nun auch auf zwei Zimmer reduziertwerden würde. Die Eheleute mussten sämtliche Räumeaußer Schlafzimmer und Küche räumen und sie „Volks-genossen“ zur Verfügung stellen. Hugo Rehbock war schwer krank und dadurch auch starkauf seine Frau angewiesen, die ihn liebevoll und mit Hin-gabe pflegte und so über die schlimme Zeit rettete.

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Dr. Saphras ist nichts sicher bekannt. Allerdings kann manannehmen, dass er um 1909/10 sein Abitur ablegte, da-nach wahrscheinlich seinen Wehrdienst leistete, über ei-nen Einsatz im Ersten Weltkrieg ist jedoch nichts zu finden.Die fehlenden Quellen über diese Zeit seines Lebens spre-chen wiederum dafür, dass Dr. Saphra erst nach seinemStudium der Medizin nach Suhl kam, um sich als Allge-meinarzt niederzulassen. Er ist in den Adressbüchern derStadt ab 1925 aufgeführt, war aber wohl bereits ab ca.1920 in Suhl tätig, denn es existieren Atteste und Impf-scheine mit seiner Unterschrift von 192l. Er kam bereits als verheirateter Mann nach Suhl. Wanner seine Frau Margarete Saphra, geborene Rose gehei-ratet hatte, ist allerdings nicht bekannt. Margarete wurdeam 22. 2. 1895 in Dornum/Ostfriesland geboren, dergemeinsame Sohn Friedrich, genannt Fritz, erblickte am28. 4. 1921 in Suhl das Licht der Welt. Die Praxis Dr. Saphras befand sich im Haus, das er mitseiner Familie bewohnte, in der Nummer 22 der heutenicht mehr existierenden Herrenstraße. (Foto des Hausessiehe „Kleine Suhler Reihe“ Bd. 8) Dr. Iwan Saphra war zwar Mitglied der jüdischen Ge-meinde, mehr am Herzen lagen ihm aber wohl die Sozi-aldemokratische Partei und der bürgerliche TurnvereinSuhls, in dessen Vorstand er saß. Durch diese Beispielewird Dr. Saphras Integration in Suhl unterstrichen, die mehrweltlich als religiös orientiert war. Seine Akzeptanz undBeliebtheit in der Stadt bestätigen Berichte von Zeitzeugen,die stets seine Hilfsbereitschaft hervorheben. Die häufig

Iwan Saphra wurde am 27. 1. 1890 geboren, der Ortseiner Geburt ist den verfügbaren Quellen nicht zu ent-nehmen. Suhl ist es jedoch nicht, denn seine Eltern zogenerst 1929 nach Suhl, als ihr Sohn Iwan bereits einige Jah-re in der Stadt gelebt hatte. Der Vater, Friedrich Saphra,wurde am 5. 9. 1861 in Emden geboren, er verstarb imAlter von 71 Jahren 1932 in Suhl. Die Mutter kam alsPaula Fuchs am 15. 8. 1866 an unbekanntem Ort zurWelt. Über den Beruf der Eltern sowie über die Jugend

Dr. wan Saphra – Arzt und SozialdemokratI

Dr. Iwan Saphra mit Krankenschwester.Q

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den Leuten zu jeder Tages- und Nachtzeit geholfen undArmen sogar manchmal die Arznei geschenkt. Es gibtnicht wenige Anekdoten, die Zeitzeugen über ihn erzäh-len, doch auch seine Frau Margarete war beliebt. Siewird als hübsch und kinderlieb beschrieben. Sie war wohlnicht berufstätig, arbeitete aber häufig in oben erwähn-tem Garten „An der Kunigunde“. Sie liebte den Gartensehr, wie aus dem Brief hervorgeht, den Saphras 1946aus New York an Herrn Menz, den Vermieter des Grund-stücks, schickten. Der Brief lässt aber noch weit mehr überSaphras und ihr Leben in Suhl erkennen: In dem von Dr.Saphra geschriebenen Teil zeigt sich seine Dankbarkeitgegenüber den Bürgern der Stadt, die sich „bis zuletzthöchst anständig“ ihm gegenüber verhalten hatten. Erscherte die Suhler nicht alle über einen Kamm, differen-zierte, stellte aber niemanden bloß. Die Nationalsozialis-ten bezeichnete er lediglich allgemein als „Lumpen“. Ver-glichen mit seiner allgemeinen Ausdrucksweise, drückteer mit diesem Wort das Höchstmaß an Abscheu aus. DerBrief zeugt auch von der Integration der Saphras in einenFreundeskreis, der sich hauptsächlich aus Nichtjuden zu-sammensetzt. Vor allem Margarete Saphra schien die

genannte Hilfsbereitschaft weist daraufhin, dass Dr. Saph-ra sich und seine Mitbürger als eine Gemeinschaft begriff,sich vollkommen integriert fühlte. So hielt er während desDritten Reiches bis zu seiner Flucht neben seiner eigentli-chen Praxis auch Sprechstunden in seiner Gartenhütte,„An der Kunigunde“, für nichtjüdische Patienten ab. Diesehatten Angst, im „Stürmer“ zu erscheinen, einem wöchent-lich erscheinenden antisemitischen Hetzblatt, das der pro-pagandistischen Vorbereitung und Begründung der Ju-denvernichtung diente. In den sogenannten Stürmerkäs-ten, die es auch in Suhl gab, erschienen namentlich dieBürger, die z. B. dabei beobachtet wurden, zu einem jü-dischen Arzt zu gehen. Patienten, die Angst vor dieserKonsequenz hatten, aber nicht auf Dr. Saphras Behand-lung verzichten wollten, konnten diese Sprechstunden nut-zen. In diesem Angebot erkennt man das große Verständ-nis, das Dr. Saphra für seine Mitmenschen hatte und daser selbst im Nationalsozialismus nicht verlor. Dass seinePatienten auf seine Behandlung nicht verzichten wollten,zeigt einerseits, dass der Nationalsozialismus zumindestbei einigen Bürgern nicht zur totalen Ablehnung und Aus-grenzung der Juden führte, andererseits, dass Dr. Saphraein wirklich guter Arzt gewesen sein muss. Die 1922 geborene Suhlerin Irma Frank beschreibt ihn,ebenso wie andere Zeitzeugen, als „sehr guten Arzt“, beidem man sich immer „aufgehoben“ fühlte. Fest steht, dassDr. Saphra als Arzt und Mensch einen sehr guten Ruf inSuhl hatte. Er sei ein schlanker, großer, hilfsbereiter Mannund ein Idealist gewesen, beinahe aufopferungsvoll, habe

Dr. Iwan Saphra in seiner Praxis in der Herrenstraße.

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durch die Nationalsozialisten war natürlich auch Dr. Saph-ra betroffen: es gab Anpöbeleien, über die allerdingsnichts näher bekannt ist. Im Jahre 1939 mussten alle Ju-den in Deutschland, also auch in Suhl, ihr Vermögen offenlegen. Daraufhin erschien eine Liste, auf der die SuhlerJuden mit einem Vermögen über 5000 Reichsmark auf-geführt waren. Auf der Liste war auch Dr. Saphra zu fin-den. Auch diese Liste diente der Ausgrenzung, sie solltebei der Bevölkerung Neid und Hass auf die „reichen“ Ju-den schüren. In den Jahren 1938 und 1939 wurden jüdische Ärzte ausdem deutschen Gesundheitswesen ausgeschlossen, siedurften nicht mehr praktizieren. Von dieser Regelung warauch Dr. Saphra betroffen. Ab diesem Zeitpunkt hattendie Saphras keinerlei Lebensgrundlage mehr in Suhl undtrafen Vorbereitungen für das Verlassen Deutschlands. Siebeantragten eine Unbedenklichkeitserklärung des Finanz-amts, ließen sich bestätigen, die Grund- und Bürgersteu-er bezahlt zu haben. Über den genauen Ablauf der Flucht der Saphras ist vie-les unklar. Eine Zeitzeugin erzählt, die Praxis Dr. Saphrassei eines Tages, im Jahre 1939 nicht mehr aufgeschlossengewesen und von da an habe man gewusst, dass er undseine Familie die Stadt verlassen hatten. Auf ihrer Fluchtjedoch muss Margarete Saphra von ihrem Mann getrenntworden sein, denn in dem Brief von 1946 schrieb sie, sieund ihr Mann seien nun nach mancher Irrfahrt wieder zu-sammen und sie sei doch drei Jahre allein in England ge-wesen. Da sie ihren Sohn in Zusammenhang mit den drei

alten Bekannten und Freunde zu vermissen, ihre Sehnsuchtnach dem Garten, in dem sie sich früher trafen, steht quasials Symbol dafür.

Über das Leben des Sohnes Friedrich in Suhl ist wenigbekannt, er besuchte die Schule wie alle anderen, konn-te sie allerdings in Suhl nicht mehr beenden. Von der sys-tematischen Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft

Rechnung an einen Berliner Patienten, der sich 1933 mehrereMonate lang von Dr. Saphra behandeln ließ.

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Jahren in England nicht erwähnte, liegt die Vermutung na-he, dieser sei bei seinem Vater oder von beiden getrenntgewesen. Sicher ist, dass die Familie ab ca. 1942 gemein-sam in New York lebte. Der Brief, den die Saphras 1946 nach Suhl schickten, ver-rät auch einiges über ihr Leben in New York. Dr. Saphraarbeitete am Beth Israel Hospital mit fester Anstellung undbildete nebenher Schwestern aus. Später forschte er inder Abteilung für Bakteriologie des Beth Israel Hospitalan Salmonellen. Er schrieb, dass er an den Wochenen-den in die Berge ginge und im Winter seine Schneeschu-he nähme „wie in alten Zeiten“. Er erwähnte auch, dasssie es zu Beginn in Amerika nicht leicht gehabt hätten, undnicht gerne von Suhl weggegangen wären, sich aber in-zwischen „eine neue Heimat geschaffen“ hätten und inNew York zuhause wären. Margarete Saphra schrieb,auch sie sei zufrieden, vermisse aber ihre alten SuhlerBekannten.

Friedrich Saphra, der Sohn, war in Amerika zwei Jahrein der US-Marine und in Japan, heiratete um 1946 undhatte später eine Tochter namens Marianne. Dies berich-tete Frau Saphra bei ihrem einzigen Besuch in Suhl, derspätestens 1964 stattfand. Friedrich arbeitete in einer Reiß-zweckenfabrik als Werkzeugmacher und Maschinenein-richter.Dr. Saphra starb vor 1964 in New York, die Spur seinesSohnes und seiner Frau verliert sich nach deren letztemBesuch in Suhl.

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briefes des Reichswirtschaftsministers, in dem angeordnetwurde: „Juden müssen endgültig ab 1. 1. 1939 als Unter-nehmer aus dem Einzelhandel, dem Handwerk und demMarktverkehr ausscheiden“ am 31. 3. 1939 abgemeldet.

Im Mai 1942 erhielten die jüdischen Einwohner der Stadtden Transportbefehl, in dem es hieß: „Hierdurch gebenwir Ihnen davon Kenntnis, dass Sie behördlicherseits füreinen Umsiedlungstransport vorgesehen sind.“ Nicht allekonnten die Zumutungen eines Transports verkraften undwählten den Freitod. So auch Isaac Nußbaum am 2. 6. 1942. Die Umständesind jedoch sehr zweifelhaft und nicht geklärt. HerbertNußbaum emigrierte und wurde zuletzt in Palästina ge-sehen. Johanna wurde nach Belzec deportiert, Else undGrete sind verschollen.

Isaac Nußbaum wurde am 13. 2. 1866 in Mansbach,Kreis Hünfeld geboren. Die Eltern waren Isaac und BettyNußbaum, geb. Schiff. Seine Frau Pauline geb. Schwarz,wurde am 22. 1. 1871 geboren. Sie heirateten am 12. 2. 1894 in Hersbruck (Bayern). Pau-line Nußbaum verstarb am 18. 3. 1937 in Suhl. Die Kin-der hießen Johanna (geb. 20. 4. 1900), Karl (geb. 23. 6.1902), Herbert (13. 10. 1904), Margarete (26. 11. 1905)und Else (19. 6. 1907). Von Beruf war Isaac NußbaumKaufmann und besaß einen Ledergroßhandel in der Mühl-torstraße 12. Als er diesen aufgeben musste, übernahmer einen Schuhhandel in der Herrenstraße 17. Sein SohnKarl führte ebenfalls einen Ledergroßhandel in der Bahn-hofstraße 23. Er wurde am 10. 4. 1938 nach Buchen-wald gebracht und später nach Polen deportiert. DasGeschäft Herrenstraße 17 wurde auf Grund des Schnell-

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Inzwischen abgerissenes Haus von Isaac Nußbaum in der Mühltor-straße.

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1918 kamen Margot und Alfred Herzberg mit ihren bei-den Töchtern Erika und Ingelene nach Suhl. Erika gingmit Ludwig Mühlfelder in eine Klasse. Alfred Herzbergengagierte sich für die jüdische Gemeinde im Synago-genvorstand. Die Familie wohnte in einer kleinen Villa amBahnhof. 1920 gründete Herr Herzberg das Kaufhaus Herzbergam Markt/Ecke Bleymüllerstraße. Das Kaufhaus hatte meh-rere Etagen und zwei Eingänge, einen gegenüber derDeutschen Bank (Poststraße) und einen zum Markt hin.Bald hatten die Herzbergs einen treuen Kundenstamm.Die Angebote waren sehr gut und der Service hervorra-gend. Es gab sogar eine kleine Kinderzeitschrift „DerPapagei“, die man sich an der Kasse aushändigen lassenkonnte. 1930 konnte die Familie ihr 10-jähriges Geschäfts-jubiläum feiern. Im Henneberger Kreisblatt vom 4. 11. 1930wurden die „Arbeitsfreudigkeit“, der „beispiellose Auf-schwung“ und das „gute Einvernehmen zwischen Kund-schaft und Geschäftsleuten“ gelobt. Die Herzbergs wuss-ten, was die Suhler gerne kauften, ließen Ratenzahlungzu und wurden so zum „ersten Haus am Platze“.1933, mit dem Machtantritt Hitlers, begannnen die Boy-kotte jüdischer Geschäfte in ganz Deutschland. Es gabzwar auch in Suhl Aufrufe zum Boykott, aber die Einwoh-ner hielten sich zunächst nicht daran. Erst als SA-Männersich vor den Eingangstüren postierten und die Einkaufen-den fotografierten, um die Fotos in der Zeitung zu veröf-fentlichen, wurde es ruhiger im Kaufhaus Herzberg. Am4. 5. 1937 konnte man in der Suhler Zeitung lesen, dass

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1965: Das Gebäude des Kaufhaus Herzberg in der Bleymüller-straße, nunmehr HO-Kaufhaus. Heute steht hier ein neues Gebäude.

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Dann kam die Pogromnacht vom 9. zum 10. November1938. Die Synagogen brannten in Deutschland. In derBayrischen Straße 10 schrillte die Klingel und SA-Män-ner drangen in die Wohnung der Herzbergs ein. Sie ver-wüsteten alles und stießen den herzkranken Mann dieTreppe hinunter. Vor den Augen Erika Herzbergs wurdendie Brüder von Alfred Herzberg erschossen. Viele Berliner Juden kamen zunächst nach Dachau, soauch Alfred Herzberg. In diesem Konzentrationslager wur-de er grausam misshandelt und dann mit der Maßgabe,aus Deutschland auszuwandern, freigelassen. Einige Mo-nate nach seiner Entlassung starb Alfred Herzberg an ei-nem Herzschlag. Er saß auf einer Bank „Nur für Juden“.Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Weißensee.

das Kaufhaus in „arische Hände“ übergeben wurde. Ei-nem Kaufmann Horn aus Halle gehörte nun das renom-mierte Haus.1937 zogen Margot und Alfred Herzberg nach Berlinund lebten dort in der Bayrischen Straße 10. Die TöchterErika und Ingelene hatten sie bereits dort in einem Kinder-heim untergebracht. Und immer war da die Angst vordem Morgen. Der Auswanderungsantrag war gestellt,aber wann würden sie ihre Pässe bekommen?

Foto aus friedlichen Zeiten: Nachbarskinder feiern, die Herzberg-Kin-der mittendrin.

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Auch Erika Herzberg besuchte Suhl. 1996 sah sie ihreHeimatstadt aus Anlass eines Klassentreffens wieder. DieThüringer Allgemeine schrieb am 14. 9. 1996: „Eigent-lich wollte sie nie mehr nach Suhl zurück. Es war ein zu,unerfreuliches Kapitel’ und sie hatte auch ,ein bisschenAngst’, das alles wiederzusehen. Jetzt lacht Erika Herz-berg, wenn sie sagt, dass das einzige, was sich in Suhlnicht verändert hat, der Bahnhof ist. Sie sei so freundlichaufgenommen worden, habe Thüringen gesehen undendlich wieder richtige Bratwürste essen können...“

Sechs Monate später, 1939, konnten Margot Herzbergund die Töchter endlich Deutschland verlassen. Ein ita-lienisches Schiff brachte sie nach Chile. Der Anfang warmühsam. Frau Herzberg arbeitete zunächst als „Kinder-fräulein“ und eröffnete dann eine Konditorei. Die Töchterlernten Schneiderin und Fotografin. Frau Herzberg heiratete wieder und hieß danach FrauWallach. Die Töchter heirateten ebenfalls und Erika lebtein Chile und Ingelene in Israel. Erika Herzberg bekam zwei Kinder. Ihr Sohn Tommy wur-de Autoverkäufer und die Tochter Monika Lehrerin. Erikaselbst arbeitete als Bekleidungsvertreterin.

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Ludwig Mühlfelder wurde am 13. 6. 1924 in Suhl gebo-ren. Seine Mutter, Minna Mühlfelder geb. Frank, war alsKindermädchen beschäftigt und sein Vater Julius Mühl-felder war Kaufmann. 1928 wurde den Mühlfelders eineTochter, Ellen, geboren. 1930 wurde Ludwig in die Ho-helohschule eingeschult und wechselte dann 1934 in dieMittelschule. Am 22. 5. 1937 feierte Ludwig „Bar Mizwa“in der Suhler Synagoge. 1938 verließ er die Mittelschule,war er dort doch Repressalien seiner Mitschüler ausge-setzt. So bezog er einmal Prügel, nachdem der Lehrerüber den Absturz des Luftschiffes „Hindenburg“ berich-tete, weil er als Jude selbstverständlich mitschuldig amAbsturz war. 1930 hatte der Vater eine Ledergroßhand-lung in Suhl übernommen.

Nachdem Adolf Hitler im Januar 1933 an die Macht ge-kommen war, brach auch für die Familie Mühlfelder eineschreckliche Zeit an. Der Boykott jüdischer Geschäfte imApril 1933 machte vor dem Geschäft von Julius Mühlfel-der nicht halt. SA-Leute standen davor und verboten denKunden, das Geschäft zu betreten. 1936 verhaftete dieGestapo den Bruder von Julius Mühlfelder, Lothar Mühl-felder, wegen staatskritischer Äußerungen. Nach Entlas-sung aus der „Schutzhaft“ kam dieser ins Konzentrations-lager Dachau und kam nach sechs Monaten abgemagertund kahl geschoren wieder. Lothar emigrierte drei Tagenach seiner Entlassung nach Palästina.In der Nacht vom 9. zum 10. 11. 1938 brannte wie invielen deutschen Städten auch die Suhler Synagoge. DieReichspogromnacht forderte ihre Opfer. Die jüdischenMänner in Suhl wurden in der Nacht verhaftet und insKonzentrationslager nach Buchenwald gebracht. JuliusMühlfelder hatten die Nazis auf einer Dienstreise in sei-nem Hotel verhaftet und ebenfalls in dieses Lager gebracht.Im Dezember 1938 wurde er entlassen und konnte imJanuar in die USA emigrieren. Dem Rest der Familie wur-de die Einreise vom US-Konsulat in Berlin aufgrund derBehinderung von Ellen Mühlfelder verweigert. Minna Mühl-felder, ihr Sohn Ludwig und die Tochter Ellen zogen zuLilly Goldmann und ihrer Mutter. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatten dieMühlfelders kaum noch Hoffnung auf eine Emigration.Doch am 12. 9. 1939 erhielten Minna, Ellen und LudwigMühlfelder die Visa zur Ausreise in die USA. Julius Mühl-

1938 wohnten die Mühlfelders im Haus Rimbachstraße 4.

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felder und Carl Lämmle, ebenfalls Jude, hatten für die bei-den gebürgt. Ab Sommer 1939 wurde jüdischen Bürgern befohlen, in„Judenhäuser“ zu ziehen. In Suhl war das die Kellerstra-ße 4. Die Familie Mühlfelder, die Familie Mannheimerund andere waren davon betroffen. Jede hatte ein Zim-mer bekommen. Am 9. 11. 1939, dem ersten Jahrestagder Reichspogromnacht, wurden jüdische Männer von SAund SS grausam misshandelt. In der Kellerstraße 4 wurdeHerr Brylewski so brutal zusammengeschlagen, dass sei-ne Schreie weit zu hören waren. Aufs Schwerste verletzt,wünschte er vollkommen einbandagiert der Familie Mühl-felder „Alles Gute“ für Amerika, denn am 21. 11. 1939konnten die drei endlich Deutschland verlassen, und am24. 11. 1939 von Rotterdam nach New York übersetzen.Am 5. 12. 1939 lag sich die Familie in New York in denArmen. Ludwig wurde in die Weequahic Highschool in Newark,New Jersey eingeschult. Der Vater arbeitete in einer Le-dergroßhandlung und die Mutter als Haushaltshilfe. IhrVermögen jedoch war in Deutschland geblieben. 1942schloss Ludwig die Highschool ab und wurde in der Be-dienung von Werkzeugmaschinen ausgebildet. Währenddes Tages arbeitete er als Maschinist und abends besuch-te er das Newark College of Engenieering, eine Techni-sche Universität. Ein Jahr später ließ sich Ludwig freiwillig in die US-Armyeinziehen und wurde mit dem 288. Field Artillery Obser-vation Battalion nach Frankreich transportiert. Im Winter

1944/45 nahm er an der Ardennenschlacht teil und wur-de zum Feldwebel befördert. Das Kriegsende erlebte Lud-wig Mühlfelder südlich von München. Im März 1946 kehr-te er in die USA zurück und nahm sein Ingenieurstudiumwieder auf. Vier Jahre später schloss er es als Elektroin-genieur ab und bekam eine Anstellung bei der Firma„Curtis-Wright-Corporation“. 1951 verlobte er sich mitBeatrice Bravmann, die wie er aus einer deutschen Flücht-lingsfamilie stammte. Die beiden heirateten am 6. 8. 1952im „Temple Bnei Jeshurun“ in Newark und wohnten in Ir-vington, New Jersey. 1954 wurde Ludwig Abteilungslei-ter bei Curtis-Wright und am 7. 3. 1955 wurde sein SohnDaniel James geboren. Am 6. 11. 1956 folgten der SohnBarry Frank und am 19. 8. 1959 die Tochter Leslie Flora.

Ab 1962 arbeitete Ludwig Mühlfelder als „Senior Inge-nieur“ bei der Firma „Astro Elektronic Division, RCA“ inPrinceton für den Entwurf und die Entwicklung der Stabi-lisierung und Richtungskontrolle von Satelliten. Im Jahr

August 1996: Ludwig Mühlfelder (r.) mit seiner Frau Beatrice undOberbürgermeister Dr. Martin Kummer vor dem Haus „Philhar-monie“.

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1964 wurde er in den Vorstand der jüdischen GemeindeEmanu-El gewählt, war später Vizepräsident und schließ-lich Präsident der Gemeinde. 1970 wurde er Gruppen-leiter der Satellitenkontrolle und Stabilisierung im RCARaumfahrt-Zentrum, um 1980 zum Abteilungsleiter vonSatelliten Prepulsion, Raumführung, Kontrolle und Stabili-sierung ernannt zu werden. 1972 begann auch seineTätigkeit in der New Jersey Abteilung der „Union of Ame-

rican Hebrew Congregations“ (UAHC) des liberalen Ju-dentums, gleichzeitig war er Mitglied der Katholisch-Jü-dischen Dialog-Gruppe von New Jersey. 1988 und 1989heirateten die Söhne Danny und Barry und 1991 wurdeer Großvater, seine Enkelin Joanna Esther, und seineEnkel Joshua Jacob und Jeremy Micah wurden geboren.1994 feierte Ludwig Mühlfelder seinen 70. Geburtstag.Zu seiner großen Freude wurde genau an diesem Tag

Familie Mühlfelder 2008 vor dem Suhler Malzhaus.

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in der „Suhler Zeitung“ sein Vorwort zum Buch „Juden inSuhl“ veröffentlicht, und er erhielt Gratulationsbriefe vonDr. Martin Kummer und Hans Nothnagel.

Am letzten Oktoberwochenende 1994 besuchte ErhardRoy Wiehn, Professor der Geschichte und Soziologie inKonstanz und Herausgeber zahlreicher Bücher zur Ge-schichte der Juden in Europa, die Stadt Suhl. Die Ab-schlussbesprechung zum Buch „Juden in Suhl“ fand statt.Getagt wurde in der geschichtsträchtigen Simson-Villa.Roy Wiehn konnte von seinem Fenster aus auf die Innen-stadt von Suhl blicken, auf all die Straßen und Orte derErinnerung. Die Synagoge, in der die Thora-Rollen, Mühl-felders Bar-Mitzwa-Tallit und sein Gebetbuch verbranntwaren, konnte er nicht mehr sehen.Im März 1995 folgte Wiehns zweiter Besuch in Suhl. Dies-mal wurde das Buch „Juden in Suhl – Ein historischerÜberblick“ vorgestellt. Er entdeckte diesmal das HausNr. 4 in der Rimbachstraße, in dem die Mühlfelders 1938wohnten, das schöne Rokoko-Haus der Sanders im Stein-weg, die Hohelohschule und was vom Herrenteich nochübrig geblieben ist. Am 19. 3. 1995 fand schließlich dieBuchvorstellung statt. Insgesamt rund 100 Bürger aus Suhlwaren gekommen und die Präsentation wurde zu einerArt Gedenkveranstaltung für jüdische Opfer und Überle-bende der Stadt Suhl. Am 10. April übergab Wiehn dasBuch „Juden in Suhl“ Ludwig und Beatrice Mühlfelder so-wie ihren Kindern in Livingston/New Jersey.

Schüler des Leistungskurses Geschichte

Vermittelt durch den Konstanzer Professor Erhard RoyWiehn konnte also ein Kontakt zwischen der Stadt Suhlund der Familie Mühlfelder in Amerika entstehen. Ihm istes maßgeblich zu verdanken, was in den nächsten Jah-ren an persönlicher Aussöhnung erreicht werden konnte. Nachdem Ludwig Mühlfelder im Jahr 1994 Geburtstags-glückwünsche aus der Stadt Suhl übermittelt worden wa-ren, erhielt er im Frühjahr 1995 erneut einen Brief ausseiner einstigen Heimatstadt: Diesmal mit einer Einladung.Der damalige Oberbürgermeister Dr. Martin Kummer batLudwig Mühlfelder darin „zu einer erneuten Begegnungmit Ihrer Stadt“, die eine andere geworden sei wie auchderen Menschen. Mühlfelder, der sich einst geschworenhatte, nie mehr nach Deutschland und seiner Heimat zu-rückzukehren, kündigte sich für August 1996 in Suhl an.Ein Entschluss, dem Jahrzehnte mit quälenden Erinnerun-gen an Nazi-Deutschland vorausgingen. Der erste BesuchMühlfelders vom 12. bis 15. August 1996 wird für beideSeiten, den ehemaligen Suhler Bürger und die Stadt selbst,zu einem überwältigenden Erlebnis. Ludwig Mühlfelderkonnte nun selbst vor einem Suhler Publikum aus seinerAutobiographie „Weil ich übrig geblieben bin“ lesen. Die Resonanz: riesig. Das Suhler Buchhaus war bis aufden letzten Platz besetzt. Mit dieser Autobiographie gehtMühlfelder durch die vielen lokalen Einzelheiten zur Suh-ler Geschichte auf eine ganz besondere Weise gegendas Vergessen an. Neben der Lesung aus seiner Autobiographie hatte Lud-wig Mühlfelder, der in Begleitung seiner Frau und seiner

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Tochter gereist war, ein ausfüllendes Programm in dendrei Tagen seines ersten Besuches: Im Haus Philharmoniewurden die Ausstellungen „Suhler Zeitzeugnisse 1933 bis‘45“ und „Juden in Thüringen“ eröffnet. Die Ausstellun-gen zeigten Original-Dokumente, die Suhler Schüler imRahmen eines Forschungsprojektes nach zahlreichen Stun-den im Stadtarchiv zusammengetragen haben. Darunterwar auch der Brandbericht der Suhler Synagoge vom10. November 1938, in dem es unter anderem heißt, dass„lediglich nur noch zur Verteidigung der anliegendenGrundstücke [...] übergegangen werden“ konnte. Auchdiese Ausstellungen, eröffnet von Ludwig Mühlfelder selbst,erfuhren große Resonanz. Mit den Schülern trat der wie-der gewonnene „Sohn“ der Stadt ebenfalls in Kontakt.Er berichtete vor einer Klasse des Herder-Gymnasiumsvon seinen Erlebnissen und der Flucht aus der Stadt undantwortete in der anschließenden Diskussionsrunde aufdie Frage einer Schülerin: „Ich wäre nicht gekommen,wenn ich Hass auf die Deutschen hätte.“ In seiner neuen Heimat in Amerika berichtete LudwigMühlfelder nach seiner Heimreise vom herzlichen Empfangin Suhl und initiierte sogar eine von der Stadt Suhl bereitgestellte Ausstellung zur lokalen Geschichte seiner Ge-burtsstadt. Die Welt war wieder ein wenig näher zusam-mengerückt.

Der zweite Besuch in Suhl im Juli 1999 fand auf WunschLudwig Mühlfelders mit weniger offiziellen Programmpunk-ten statt. Begleitet wurde er diesmal von seiner Frau undseinen beiden Söhnen, die nun ebenfalls die einstige Hei-matstadt des Vaters kennen lernen sollten. In einer Veran-staltung mit Schülern der beiden Gymnasien stellte er sicherneut den neugierigen Fragen der Jugendlichen und be-kannte, wie viele Emotionen ein Gang durch die Straßenseiner ehemaligen Heimatstadt auslöst. Weiterhin nahmMühlfelder während seines Besuches zum ersten Malnach fast 60 Jahren an einem Klassentreffen teil, zu demKlassenkameraden aus ganz Deutschland zusammen ge-kommen waren. Dies war Ludwig Mühlfelders letzter Besuch in Suhl. Am9. Januar 2004 verstarb er 79-jährig in Livingston/USA.Der Stadt Suhl wird er in mahnender, aber auch dank-barer Erinnerung bleiben. Seine Witwe Beatrice Mühlfelder fand im Sommer 2008erneut den Weg nach Suhl, um gemeinsam mit ihren Kin-dern auch den Enkelkindern die Geburtsstadt des Groß-vaters näher zu bringen. Dabei besuchte die Familie auchdas ehemalige Wohnhaus der Mühlfelders in der Rim-bachstraße, auf dessen Gehweg inzwischen „Stolperstei-ne“ an die Familie erinnern.

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Die Mühlfelders 2008 auf dem jüdischen Friedhof und an der Stele zum Gedenken an die Pogromnacht 1938.

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Die frühesten Spuren jüdischen Lebens in Thüringen ge-hen auf das 12. Jahrhundert zurück. Dies lässt sich anhanddes „Erfurter Judeneides“ von Erzbischof Konrad I. vonMainz nachweisen.Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscherNation bemühte sich nach dem Pogrom von 1096 (imZusammenhang mit dem ersten Kreuzzug) um einen ver-stärkten Judenschutz. Die vielen Stadtgründungen im 12. und 13. Jahrhunderthatten eine Ausbreitung jüdischer Gemeinden zur Folge.In diesem Zusammenhang stießen die jüdischen Gemein-den nun auch bis Thüringen, Sachsen und Schlesien vor.Doch die Ausgrenzungsstrategien, vor allem der Kirche,waren stets zu spüren. Ab dem 12. Jahrhundert wurde anDomen und Kirchen die Synagoga mit einer Binde vorden Augen dargestellt und so auf ihre angebliche „Ver-blendung“ hingewiesen. Ab 1230 ist die Gegenüberstel-lung von Ecclesia (Christentum) und Synagoga (Judentum)ein beliebtes Motiv (kluge Jungfrau, törichte Jungfrau).

Im 13. Jahrhundert gipfelte das Ganze in den Beschlüs-sen des 4. Laterankonzils: Juden sollten sich von nun andurch ihre Kleidung deutlich von Christen unterscheiden,den Juden wurden öffentliche Ämter verwehrt.

Immer wieder wurden Juden als „Christusmörder“ ver-leumdet. In einem Privileg Friedrichs II. (1215–1250) wirdvon „ungläubigen“ Juden gesprochen, und sie werdenals „Kammerknechte“ bezeichnet.

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Badetag und ein vorgeschriebener Backtag im Backhausin der Backstraße waren weitere Einschränkungen für dieJuden in Suhl. Im ganzen Reich war den Juden verboten, Grundbesitzzu erwerben und handwerkliche Tätigkeiten auszuführen.So verlegten sie sich auf den Vieh- und Hausierhandel.In unserer Gegend kannte man den Satz „Ich wart bisder Jüd kommt“, der das besondere Gespür der jüdischenHändler für ihre Kundschaft sehr gut belegt. Auch in unserer Stadt diente die Ansiedlung von Judenhauptsächlich dem Zwecke zusätzlicher Steuereinnahmen.Juden mussten, um einen Schutzbrief zu erhalten, ein ge-wisses Vermögen nachweisen. Auch in Thüringen littendie verschwenderischen Adligen oft unter Geldmangelund versuchten dies unter anderem durch Schutzbriefefür Juden auszugleichen. Ein Judenregal war sehr einträg-lich.

Die ersten Judenverfolgungen und -vernichtungen lassensich im 14. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich deut-scher Nation nachweisen. Anlässe waren Feuersbrünsteund andere Katastrophen. Sündenböcke wurden gesucht,und man fand sie in Minderheiten. Ob es nun unschuldi-ge, als Hexen verschrieene Frauen waren oder Juden,das 14. Jahrhundert war von sozialer und politischer Un-sicherheit geprägt und die Menschen brauchten Erklärun-gen und Schuldige. In vielen deutschen Städten brann-ten die Scheiterhaufen, Tausende unschuldige Menschenfielen den Pogromen zum Opfer.

Ende des 13. Jahrhunderts wurden den Juden neue Steu-ern auferlegt und ihnen das Recht auf Freizügigkeit ge-nommen. Die Kammerknechtschaft diente zunehmend derBereicherung des Adels.Das Gebot, den „gelben Fleck“ zu tragen, setzte sich inDeutschland im 13./14. Jahrhundert noch nicht durch. Vie-le jüdische Gemeinden kauften sich auch davon frei.

In Suhl ist die Erstniederlassung von Juden nicht mehr nach-weisbar. Im 13. Jahrhundert gehörte Suhl zum Territoriumder Grafschaft Henneberg-Schleusingen. 1315 wurdeBerthold VII. (1284–1340) das kaiserliche „Judenregal“übertragen. Bis in diese Zeit geht auch die Geschichtedes jüdischen Viertels bzw. der Jüdengasse in Suhl zurück.Das Viertel befand sich am Rand der heutigen Innenstadt.Ob es deutlich, vielleicht durch Schranken oder Mauernabgegrenzt war, lässt sich nicht genau sagen. Man weißaber, dass die Juden zu bestimmten Zeiten, wie Osternz. B., das Viertel nicht verlassen durften. Ein gesonderter

Suhler Ansicht vor 1938: Vorn links ist die Synagoge und vornrechts ist der Verlauf der Judithstraße zu sehen.

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den jüdischen Bürgern aus, hatte doch eine preußischeReform 1812 die Judenemanzipation festgelegt. Ab Mittedes 19. Jahrhunderts gab es die Weisung, dass Judenfeste Familiennamen annehmen müssen. Bis dahin wares üblich, dass die Kinder den Vornamen des Vaters alsNachnamen führten. Die von den Heinrichser Juden ge-wählten Nachnamen wurden durch die königliche Regie-rung in Erfurt 1847 bestätigt. Im gleichen Jahr erhieltendie jüdischen Bürger auch ihre Freizügigkeit. In diesemZusammenhang siedelten auch wieder Juden in Suhl. Bis1856 hatten zehn jüdische Familien Suhl als Wohnsitzgewählt. 1877 waren in der Wahlliste 16 wahlberechtig-te Juden eingetragen. Mit der Integration der Juden wurdedie Bildung von Synagogenbezirken angeordnet. Wasgeschah mit der „Jüdengasse“? Sie wurde im 19. Jahr-hundert in Judithgasse umbenannt und erhielt schließlichim 20. Jahrhundert den Namen, den sie heute noch hat:Judithstraße.

In Erfurt hetzten die Patrizier gegen Juden und heiztendie Stimmung auf zu einem Pogrom. An ihm beteiligtensich auch die Vertreter der großen Zünfte.Die Angst der Menschen löste Aggressionen gegen Außen-seiter der Gesellschaft aus. Als die großen Pestwellen Eu-ropa überzogen, wurden die Juden beschuldigt, durchVergiftung der Brunnen die Pest ausgelöst zu haben. Mitden folgenden Pestpogromen endete die erste Etappe derjüdischen Geschichte in Deutschland.

1527 bestätigte Graf Wilhelm von Henneberg die Stadt-statuten. Ab 1530 gab es ein kaiserliches Mandat, dasdie Ausweisung der Juden aus den Städten vorsah. Dochder dadurch zu erwartende Geldverlust ließ die Henne-berger davon keinen Gebrauch machen. Außerdem woll-ten sie ihre Macht gegenüber den Landständen demon-strieren. Es wurden sogar weitere Schutzbriefe ausgestellt,in Suhl für die Juden Itzig und Weiß.1552 jedoch rebellierten die Landstände gegen die Vor-gehensweise der Grafen, nach ihrem eigenen Ermessenmehr Juden in die Grafschaft zu lassen. So mussten Mittedes 16. Jahrhunderts die Suhler Juden ihre Jüdengasseräumen und Suhl verlassen. Viele siedelten sich nun imOsten Europas an.

1708 entstand in Heinrichs eine jüdische Gemeinde. 1720registrierte diese sieben Familien. Mit dem Wiener Kon-gress 1815 kam Henneberg-Schleusingen zum KönigreichPreußen. Große Erwartungen löste diese Tatsache bei

Diskriminierung und Hetze gegen die Juden gab es sehr aggressivund manchmal „nur“ latent seit dem Mittelalter in ganz Europa.Mit dem Ansprechen unterschwelliger Ängste waren die entspre-chenden Interessengruppen am erfolgreichsten.

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weil dieser den Gottesdienst in der Synagoge nicht biszum Schluss leiten konnte.Am 26. 4. 1938 gab es auch in Suhl eine Verordnung,die besagte, dass jeder jüdische Bürger, der ein Vermö-gen über 5000 Reichsmark besaß, dies in Erfurt anzeigenmusste. So wurde das Vermögen jüdischer Bürger erfasst.Aron Brylweski kam dieser Forderung nach. Der damalige nationalsozialistische Bürgermeister AdolfKönig war wütend darüber, dass er aus seinem Amtszim-mer auf ein jüdisches Kaufhaus blicken musste. So wurdeim Frühsommer 1938 bereits die Liquidierung des Ge-schäftes verfügt, noch bevor es eine regierungsamtliche

Aron (Adolf) Brylewski wurde am 3. 11. 1877 in Inowrac-law in Polen geboren. Seine Ehefrau Emma Brylewski geb.Schaye kam am 28. 12. 1877 in Schönlake zur Welt.Mitte der 1920er Jahre zogen die Brylewskis nach Suhl.Das Ehepaar lebte in einer Villa in der Kellerstraße 4.Emma Brylewski bekam drei Kinder. Die Tochter Elfriede Brylewski wurde am 9. 4. 1906 inSuhl geboren. Sie heiratete am 11. 10. 1926 in Suhl Lud-wig Spangenthal. Dieser wurde am 22. 2. 1894 in Span-genberg/Kreis Melsungen geboren. Die Familie zog nachEisenach und Elfriede gebar dort zwei Söhne, Hans-Gün-ther am 9. 1. 1930 und Ernst-Jochen am 27. 6. 1935. Der älteste Sohn von Aron und Emma Brylewski hießWerner und erblickte am 19. 7. 1907 das Licht der Welt.Werner Brylewski starb am 21. 11. 1961. Das Geburtsdatum des zweiten Sohnes, Heinz Brylewski,ist nicht bekannt. Er emigrierte wahrscheinlich 1937 nachDänemark und absolvierte dort bis Februar 1938 einelandwirtschaftliche Ausbildung. Anschließend ging ernach Südamerika.

Aron Brylewski übernahm das im 19. Jahrhundert ent-standene Warenhaus am Markt von Herrn Leschziner. DasSortiment bestand aus Herren- und Knabenkleidung. DasKaufhaus besaß einen großen und treuen Kundenstamm.Neben dieser Tätigkeit war Aron Brylewski auch gesell-schaftlich aktiv. Er gehörte zur Repräsentanz der Syna-gogengemeinde und assistierte oftmals zusammen mitWolf und Daniel Nußbaum dem Lehrer Abraham Levi,

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Adolf Brylewski wird 1931 Vorstandsmitglied derSynagogengemeinde Suhl. Q

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Die Schikanen nahmen kein Ende. Am 9. 5. 1942 schließ-lich wurden auf Befehl Himmlers Aron Brylewski und seineEhefrau Emma verhaftet. Einen Tag später wurden Aronund Emma Brylewski zusammen mit anderen Suhler Judennach Belzec bei Lublin in Polen deportiert und dort er-mordet.

Auf dem selben Transport gingen auch Elfriede Spangen-thal und ihre Kinder in den Tod.

Verordnung gab. Aron Brylewski musste sein Kaufhausschließen. Im gleichen Jahr wurde den Suhler Juden be-fohlen, ihre Wohnungen zu verlassen und in „Judenhäu-ser“ umzuziehen. Dies wurde in Suhl das Haus der Fami-lie Brylewski in der Kellerstraße 4. Die Familien Mann-heimer und Mühlfelder zogen bei Brylewskis ein. Späterkamen weitere jüdische Bürger dazu.In der Pogromnacht wurde Aron Brylewski brutal zusam-mengeschlagen und eingesperrt. Am nächsten Tag wurdeer wieder frei gelassen.

Das Haus der Familie Brylewski in der Kellerstraße 4 wurde als Judenhaus genutzt.

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bisher nur jeder siebte an Auswanderung gedacht, be-gannen nach diesen Maßnahmen nun viele deutsche Ju-den, diese zu organisieren. Bis zum Auswanderungsver-bot 1941 verließen mehr als die Hälfte das Land. Von denca. 500.000 Juden lebten nur noch 180.000 in Deutsch-land.

Mit dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom30. 4. 1939 wurde der Mieterschutz aufgehoben unddie Juden gezwungen, in sogenannte „Judenhäuser“ zuziehen. Jüdische Mieter wurden meist durch die Gestapoangewiesen, weitere Juden in ihre Wohnungen aufzuneh-men.

In Suhl war das vor allem das Haus der Familie Brylewskiin der Kellerstraße 4. Jede der dort eingewiesenen Fa-milien erhielt ein Zimmer, die Wohnverhältnisse waren al-so sehr beengt. Bei der Familie Brylewski lebten nebender Tochter Elfriede Spangenthal die Familien Mühlfelderund Mannheimer.

Mit dem Erlass der Judensternverfügung ab dem 15. 9.1941, in dem angeordnet wurde, dass jeder Jude an derlinken Brustseite des Kleidungsstücks fest angenäht einenhandtellergroßen schwarz ausgezogenen Sechsstern mitder schwarzen Aufschrift „Jude“ für 10 Pfennig pro Stückzu tragen hatte, trug nun jeder sein „Judenhaus“ mit sich.Sehr oft wird von Überlebenden der Shoah diese Fest-legung als die für sie schlimmste bezeichnet.

Während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur gabes kein einheitliches „Judengesetz“. Etwa 2000 Gesetzeund Erlasse machten Juden von 1933 bis 1941 schritt-weise rechtlos, was von Seiten der anderen Bevölkerungkaum auf Widerstand stieß. Ob es das „Gesetz zur Wie-derherstellung des Berufsbeamtentums“ 1933 war oderdie „Nürnberger Gesetze“ 1935, durch die die Judenvollkommen außerhalb der Gesellschaft gestellt wurden,ob es die Verdrängung von jüdischen Bürgern aus Verei-nen und Gesellschaften, aus den Universitäten 1937/38oder aus dem Börsenhandel 1938 war – mangelnde Zi-vilcourage, Wegschauen, eventuell stille Missbilligungwaren vorherrschend.

Die Liste der Verbote war schier endlos: Theater- und Kon-zertverbot, das Verbot des Haltens von Haustieren, dasVerbot des Benutzens von Bibliotheken und öffentlichenVerkehrsmitteln. Ab April 1938 wurden alle Juden mit einem Vermögenüber 5000 Reichsmark gezwungen, ihre Vermögensver-hältnisse zu offenbaren, jüdische Kaufhäuser wurden „ari-siert“. 1938 nach der Reichspogromnacht legten die Nazis denjüdischen Bürgern eine „Sühneleistung“ von einer Milliar-de Reichsmark auf. 26.000 wohlhabende jüdische Män-ner wurden verhaftet, 91 Menschen ermordet, viele brutalschikaniert.Ab Januar 1939 mussten Jüdinnen und Juden die Namen„Sara“ und „Israel“ ihren Vornamen hinzufügen. Hatte

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Belzec, Chelmno, Majdanek, Sobibor und Treblinka. ÜberSammellager wie Theresienstadt oder Westerbork kamenauch viele Suhler Juden dort hin.

Von den elf Millionen europäischen Juden überlebtensechs Millionen die Shoah nicht.

Mit der Wannsee-Konferenz am 21. 1. 1942 wurde die„Endlösung der Judenfrage“ beschlossen. Die Ghettoswurden wegen Überfüllung geschlossen und die Depor-tation in die Vernichtungslager, die bereits 1940 begon-nen hatten, wurden nun forciert. Sechs solcher „Todesfa-briken“ gab es im Osten Europas: Auschwitz-Birkenau,

In einer Schrift des Centralvereins Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens von 1932 weisen die Herausgeber ausdrücklich darauf hin,dass sie sich als Deutsche und als Teil der deutschen Kultur und Geschichte fühlen. Immerhin waren in den Rheingebieten, z. B. in Köln, schonim Jahr 321 Juden ansässig, als es dort noch keine germanischen Ansiedlungen gab.

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Abraham Levi – jüdischer Lehrer und Prediger

Abraham Levi wurde am 13. 8. 1857 als Sohn des jüdi-schen Kaufmannes David Abraham Levi und seiner FrauJette, geborene Rosenbaum, in Braunschweig geboren.Seine Eltern zogen später nach Hannover um. Wahrscheinlich besuchte Abraham gute Schulen, sonstwäre es ihm nicht möglich gewesen, in der jüdischen Ge-meinde Suhl eine Stellung ähnlich der eines Rabbinerseinzunehmen. Am 24. 11. 1885 heiratete er Deborah Levi,geborene Ehrlich, in Meiningen. Deborah stammte auseiner kleinen jüdischen Gemeinde in Thüringen – Glei-cherwiesen. Sie wurde dort am 20. 4. 1863 geboren. Spätestens ab 1887 wohnten sie in Suhl. Am 28. 2. die-ses Jahres wurde ihre Tochter Jenni geboren. Sie ehelich-te 1907 Herman Rosenbaum, allerdings wurde diese Ehe1912 wieder geschieden. Aus der Ehe ging eine Tochterhervor. Ruth Rosenbaum wurde am 16. 6. 1908 geboren.Jennis Bruder Max Levi kam am 27. 2. 1891 auf die Welt.Zunächst lebte die Familie in einer Wohnung in der Sta-delstraße, sie zog dann jedoch, vermutlich weil sich dieFamilie vergrößert hatte, in die Schillingstraße, heute Rie-menschneiderstraße, um. Sie wohnten dort wiederum zurMiete in unmittelbarer Nachbarschaft zu anderen jüdi-schen Familien. Dies deutet auf eine gewisse Tendenz zurGruppenbildung hin. Jedoch war Abraham Mitglied imGewerbeverein Suhl. Dieser hatte 1914 zirca vierhundertMitglieder und nahezu alle waren Nichtjuden. Der Vereinverfügte über eine Bibliothek und man lud regelmäßigRedner für wissenschaftliche Vorträge ein. Die Mitglied-schaft in diesem Verein ist Indiz für seine Integration in

Wohnsitz der Familie Levi in der heutigen Riemenschneiderstraße.

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So schlossen Herrn Levi seine religiösen Aufgaben ver-mutlich auch nicht aus und er hat sich trotz seiner Religi-on als Deutscher gefühlt. Bei der feierlichen Einweihungder Synagoge hielt er nicht nur mit „kräftigen, schönenund ernsten Worten“ die Festpredigt, sondern brachteauch den Weihspruch und das Gebet für den Kaiser aus.Bei den Gottesdiensten assistierten ihm zumeist Männerder Gemeinde. Vor allem an Feiertagen war die Hilfedieser Männer als Vorbeter wichtig. Ihm halfen häufigHerr Wolf, Daniel Nußbaum und Herr Brylewsky. Manchmal hielt er Predigten. Diese sind zwar kein Pflicht-bestandteil des jüdischen Gottesdienstes, gehen jedochauf alte Traditionen zurück. Zu seinen Pflichten gehörteauch die Vorbereitung der Jungen und Mädchen auf ihre„Bar Mizwa“ bzw. „Bath Mizwa“. Übersetzt bedeutet dassoviel wie Sohn bzw. Tochter des Gebots und ist eine sy-nagogale Feier. Mit dieser Feier werden die Jungen nachdem 13. Geburtstag, die Mädchen nach dem 12. Ge-burtstag als religionsmündige Mitglieder in die Gemeindeaufgenommen. Sie sind danach verpflichtet, die Gebotedes Judentums einzuhalten und können religiöse Aufga-ben im Gottesdienst übernehmen. Auf diesen besonderenTag bereitete Herr Levi die Kinder mit ein- bis zweimalwöchentlichem Privatunterricht in seiner Wohnung vor.Dabei wurden die Broches (Segenssprüche), die Parascha(Wochenabschnitte der Thora) und die Haftarah (Lesungeines Propheten) auf Hebräisch zu lesen geübt, um diesbei der Feier fehlerfrei zu beherrschen. Außerdem wurdegemeinsam eine Rede für den feierlichen Gottesdienst

Suhl. Vermutlich knüpfte er bei den gemeinsamen Aktivi-täten im Verein Bekanntschaften und Freundschaften zuNichtjuden. Die Familie Levi pflegte aber auch Freund-schaften zu anderen jüdischen Familien wie zu FamilieSander.

Abraham Levi übernahm in der Suhler Gemeinde einebesondere Rolle, er wurde jüdischer Lehrer und Prediger.Seine Wahl erfolgte durch die Gemeinde nach Stimmen-mehrheit. Er musste in der Lage sein, die Kinder zu unter-richten, Tiere zu schächten (rituelles Schlachten) und alsVorbeter zu agieren. Dass ihn die Gemeinde als dazufähig betrachtete, weist auf Intelligenz und gute religiö-se Kenntnisse hin. Abraham Levi unterrichtete einmal inder Woche in der Religionsschule die jüdischen Kinderin Hebräisch und der Geschichte des jüdischen Volkes.Zu seinen Pflichten als Prediger gehörte die Durchführungvon Gottesdiensten. Ein besonderer Tag war die Einwei-hung der neuen Synagoge in Suhl am 7. 8. 1906, bei derAbraham Levi mitwirkte. Auf diesen Tag hatte die jüdischeGemeinde sehr lange hingearbeitet und es war auch einTag, an dem sich der herrschende Frieden zwischen denverschiedenen Religionen zeigte. In einem Zeitungsartikelder Henneberger Zeitung wird der Wunsch des Bürger-meisters so beschrieben, dass „der Friede zwischen denverschiedenen Religionsgemeinschaften, wie es in Suhlder Fall ist, daß dies stets der Fall sein möge.“ Die Judenin Suhl schienen sehr gut integriert und ihre Religion grenz-te sie scheinbar nicht ab.

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Berufsgrundlage festlegte, entlassen. Die Familie Levi warvon der immer mehr zunehmenden Ausgrenzung genau-so betroffen wie alle anderen Juden, die nicht emigrierten.So mussten auch sie die zweiten Vornamen Israel bzw.Sara annehmen. Und Abraham musste sich an der Süh-neleistung, die den Juden nach der Reichspogromnachtals zusätzliche Demütigung auferlegt wurde, beteiligen.Die zunehmende Ausgrenzung und Diskriminierung führ-te dazu, dass die Suhler Juden den Kontakt zu anderen,nichtjüdischen Bürgern verloren. Diese mieden ihre jüdi-schen Bekannten und Freunde aus Angst. „Am Samstag-abend trafen sich die wenigen [jüdischen] Familien inihren Wohnungen, die Männer spielten Skat (...)“. Eine

und eine für die sich anschließende Familienfeier vorbe-reitet. Bei diesen Privatstunden war seine Frau anwesend. Ende 1937 ging Abraham Levi achtzigjährig in den Ru-hestand und seine Tätigkeit wurde durch den jungen Leh-rer Herrn Färber fortgeführt.

Die Familie Levi war als eine der ersten jüdischen Familienvon den judenfeindlichen Gesetzen des Nationalsozialis-mus betroffen. Abraham Levis Sohn, Max Levi, hatte denBeruf des Mittelschullehrers ergriffen. Er wurde gemein-sam mit Abraham Jaffe auf Grundlage des 1933 in Kraftgetretenen „Gesetz[es] zur Wiederherstellung des Beruf-beamtentums“, welches einen „arischen“ Nachweis als

Gefunden zwischen Hinweisen zu Organisationen und Gemeinschaften in der Festschrift des Suhler Magistrats von 1927.

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Die Bedingungen glichen denen eines Konzentrationsla-gers. 1942 kamen Transporte aus ganz Europa dort anund das Ghetto war mit über 53.000 Menschen überfüllt,die Folgen waren Seuchen. Deborah verstarb dort, viel-leicht an einer Seuche. Ihre Leiche wurde im Krematoriumverbrannt und sie erhielt kein Grab. Dies ist entgegen derjüdischen Bestattungsriten und sollte Ausdruck der Wert-losigkeit des Judentums, seiner Riten und Anhänger sein.Es ist ein deutlicher Beweis dafür, dass der Umgang desNationalsozialismus mit den Juden über eine Ausgrenzung,Verfolgung und Vernichtung hinausging.

Die Tochter Jenni wurde von Theresienstadt nach Ausch-witz oder Treblinka deportiert. Dort starb sie in einer Gas-kammer. Max Levi konnte noch rechtzeitig nach Amerikaemigrieren, ebenso wie Jennis Tochter Ruth.

Währenddessen sie in Amerika blieb und dort heiratete,kehrte Max bereits im Mai 1945 nach Deutschland zu-rück. Damit steht er im extremen Kontrast zu den meistenemigrierten Juden, denn die Mehrzahl kehrte nicht nachDeutschland zurück. Die Shoah machte es ihnen unmög-lich, Deutschland wieder als Heimatland anzunehmen.Dass Max Levi zurückkehrte, zeugte von seiner Verbun-denheit zu Deutschland. In einem 1945 an den Bürger-meister der Stadt Suhl verfassten Brief äußerte er die Ab-sicht nach Suhl zu kommen, um das Grab seines Vatersherzurichten. Er hat dies allerdings nicht getan, sein wei-teres Schicksal ist unklar.

Abgrenzung, die vorher so nicht existierte, war von au-ßen erzwungen worden und Abraham Levi verlor seinenichtjüdischen Freunde. Als der Mieterschutz für Juden1939 aufgehoben wurde, mussten sie in Judenhäuser zie-hen. So wurden sie noch mehr isoliert und verloren dieletzten Kontakte zu Nichtjuden, ihren ehemaligen Nach-barn. Familie Levi zog zusammen mit anderen Familienwie der Familie Mühlfelder und der Familie Mannheimerin die Kellerstraße 4, in die Villa der Familie Brylewski.Dort hatte jede Familie nur ein Zimmer zur Verfügung,man lebte auf engstem Raum zusammen. Abraham Leviverstarb am 28. 9. 1940 durch einen Herzschlag und erwurde am 1. 10. 1940 auf dem jüdischen Friedhof be-stattet. Wegen der herrschenden Kriegszustände erhielter keinen Grabstein. Seine Frau Deborah und seine Toch-ter Jenni wurden mit dem letzten „Umsiedlungstransport“von Suhl nach Theresienstadt deportiert. Theresienstadtwar ein Ghetto in der ehemaligen Tschechischen Republik,dem damaligen Protektorat Böhmen und Mähren.

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nahmen wir mit – zum Glück. Die Fahrräder ließen wirda. Dann hatten wir lange Jahre nicht mehr das Geld, unsneue zu kaufen. Mein Vater schulte um, wurde Farmer.So kamen wir nach Tel Adashim. Das Dorf liegt im fruchtbarsten Teil von Israel, in Galiläa.Man blickt auf hohe Berge ringsum. Das sechs Kilometerentfernte Nazareth kann man mit bloßem Auge erkennen.Neubauten schieben ihre kantige Silhouette über die Berg-kontur hinaus. Und kalt ist es auch in diesem März desJahres 2000. Einen Spruch allerdings nehmen wir aus

Zu Gast bei einer vormaligen Suhlerin in Tel Adashim/Israel im März 2000

Als vor zwei Jahren eine „Amerikanerin“ meine Überset-zungshilfe benötigte, wusste ich noch nicht, dass ich sieeines Tages besuchen würde: in Israel. Denn Galia Alefkam 1998 auf den Spuren ihrer Mutter nach Suhl. Wirfanden das vormalige Wohnhaus in der jetzigen Pusch-kinstraße. Wir sprachen darüber, was wir in Suhl bishergetan haben, um an das Andenken der einstigen Mitbür-ger zu erinnern. Und wir sprachen über Israel, das Land,in dem sie seit ihrer Geburt wohnt. Ihre Mutter hingegenging fünfjährig aus Suhl fort, 1936: Maria Jacoby hießsie damals. Das mit dem Namen war noch das einfachste, sagt dieknapp 70-jährige heute. Die Namen wurden einfach insHebräische übersetzt. Aus Maria wurde Miriam. Das warich fortan. Vater Kurt Jacoby war der Notar von Suhl. Nicht ohneStolz erzählt Miriam das. In dem alten Buch von Suhl, ineiner Reihe neben Bürgermeister Engel, das ist mein Va-ter, denn der war auch Stadtrat. Aber den beiden älterenBrüdern Miriams sei in der Schule schon heftig zugesetztworden, formuliert sie das heute. So beschlossen die El-tern, nach Palästina auszuwandern. Und wie berieten sieuns da bei der Einwanderungsbehörde: Betten bräuchtenwir nicht, in Palästina sei es immer warm, und Fahrräderkönne man sowieso nicht nutzen, weil es keine Wege ge-be. Bei den Betten setzte sich meine Mutter durch, die

us Maria ist längst Miriam geworden – Maria Jacoby

Annelie und Tobias Uske mit Miriam Eitan (Mitte) in Israel.

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Jahren, der andere mit 26 bei einem Flugzeugabsturz,einer Übung. Und der Mann war selten zu Hause: RafulEitan brachte es bis zum Generalstabschef der israelischenArmee. Heute lebt das Paar geschieden. Miriam immer-hin wohnt in dem Haus, das sie in den 60ern neu bauten,groß genug für die Familie. Die Heizung ist auch die Küh-lung, je nach Wetterlage. Was meint ihr, wie heiß es hierim Sommer ist. Jetzt aber gehen die Temperaturen nachtsbeinahe bis auf Null Grad hinab. Da muss die Klimaan-lage eben heizen...

Ihre Mutter brachte Miriam dazu, weiter deutsch zu spre-chen. Nein, Mutter habe zwar sehr gut Hebräisch gespro-chen, aber nicht mehr schreiben gelernt. Ihr Vater schon.Aber in der neuen Sprache und mit dem anderen, damalsnoch englischen Recht als Notar wieder arbeiten? Nein,das ging nicht. Für Miriam hingegen war die Sprache keinProblem. Ich war doch erst fünf, als wir hierher kamen,sagt sie. Und 1948, als Hebräisch Staatssprache wurde,was meint ihr, was wir da für Wörter neu erfinden muss-ten. Wir hatten doch nur die Texte aus der Bibel.

Die Eltern sind beide sehr alt geworden, erzählt sie spä-ter. Vater wurde 80, Mutter 86. Und sie haben nie vonSuhl erzählt. Mit ihrem Bruder sei sie 1995 noch einmalin Suhl gewesen. Der wusste noch mehr als sie und zeig-te ihr, wo die Nazis damals wohnten. Sie glaube nicht,dass sie noch einmal hinfahre. Dann eher zu den Ver-wandten. Die Mutter stammte aus einer norddeutschen

dem Gelobten Land mit: Schlechtes Wetter gibt es hiernicht. Denn der Regen, der uns bald einholt, ist höchst will-kommen. Der Winter sei zu trocken gewesen, die Wasser-reservoire nicht mal richtig voll. Der Lebensspender desLandes, der See Genezareth, liegt hinter der nächstenBergkette. Dann steigt schon der Golan empor. Schilderkünden am Straßenrand vom Protest der dort Wohnen-den: bis hierher will Syrien...

Vom Notar der Stadt zum Bauern – Wir wuchsen arm,aber glücklich auf, sagt Miriam von dieser Zeit. Ein Bru-der habe nur studieren können. Der fiel am 15. Mai 1948,just am Tage der Unabhängigkeit. Der andere musste aufden Feldern helfen. Fünf Kühe, 200 Hühner und Land-wirtschaft. Sie konnte Krankenschwester lernen, arbeitete26 Jahre in diesem Beruf im benachbarten Afula. Klarhabe man sie auch zum Militär eingezogen, dort abergleich gesagt, wir brauchen Krankenschwestern dringen-der. Wir wurden ja sofort in einen Krieg hineingezogen...

Krieg verfolgte Miriam das ganze Leben hindurch. 1952heiratete sie. Fünf Kinder kamen zur Welt. Die drei Töch-ter leben mit nunmehr zehn Enkeln – das jüngste kam vorvier Wochen zur Welt – im Lande. Ein Sohn starb mit zehn

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Das Haus der Familie Jacoby in der Puschkinstraße 11, Ecke Rosa-Luxemburg-Straße.

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Jahren nach Palästina gekommen. Mit 17 die GründungIsraels miterlebt. Und mit fast 70 erstmals wieder Suhlerbei sich zu Gast. Als wir zurückfahren, sind auch Adres-sen mit den Familien der Töchter getauscht. Galia, da binich mir sicher, wird wieder einmal hier sein, mit ihrer Fa-milie. Denn für die Kinder sind beides beinahe ganz nor-male Länder geworden. Auch dank solcher Menschenwie Miriam Eitan in Tel Adashim, Israel.

Heute, im Jahr 2008, lebt Miriam Eitam bei guter Ge-sundheit in einem Seniorenheim in Kiryat Motzkin. Durchuns wurde bereits ein Stolperstein zur Erinnerung an dieNotarfamilie Jacoby erworben, der allerdings noch nichtvor der ehemaligen Notarsvilla in der Puschkinstraßeverlegt wurde.

Hier noch einmal die Angaben von Galia Alef zur Familie:Kurt Jacoby, geb. 28. 2. 1890 in Stolp/Pommern, gest. 1970 in IsraelElisabeth Jacoby geb. Toenissen, geb. 21. 3. 1895 in Esensham/Oldenburg, gest. 1981 in IsraelHermann Jacoby, geb. 23. 10. 1926 in Suhl, gest. 1995 in IsraelHans Jacoby, geb. 4. 3. 1929 in Suhl, gefallen im Unabhängigkeitskrieg 1948Maria (Miriam) Jacoby, geb. 19. 7. 1930 in Suhl

Holger Uske

Pastorenfamilie. Von da aus sei Galia vor zwei Jahrenauch allein nach Suhl aufgebrochen. Nun, es sei dochaber gut, dass jetzt jemand von Suhl hier sei.Ein paar Erinnerungsstücke gibt es noch. Fotos aus derKindheit. Die meisten zeigen ihren großen Bruder. Sie warja erst die dritte. Den Bruder habe übrigens noch Alexan-der Gerbig gemalt. Die Eltern waren befreundet mit ihm,weiß Miriam. Das Gemälde konnten wir mitnehmen. Nein,auch sonst kaum von Deutschland gesprochen, von derZeit davor... Die Schwester des Vaters besuchte die Familie Jacoby1937 in Palästina. Wir wohnten damals in einer Blech-hütte, erinnert sich Miriam. Mein Vater versuchte sie zuüberzeugen, hier zu bleiben. Aber Tante Clara meinte,sie habe doch all ihre Bekannten, ihre Freunde in Berlin.Und fuhr zurück. Wir haben sie nie wieder gesehen. Daswar das einzige, was sich mein Vater vorwarf. Er habesie nicht überzeugen können...

Ständig klingelt das Telefon. Wenn es die Töchter nichtsind, sind es Bekannte. Der eine holt sich einen Rat. Derandere fragt, wann wieder Treff der Parkinson-Gruppe ist.Da ist sie noch aktiv beteiligt. Als wir fragen, ob man nichtauch einen Kibbuz besuchen könne, ruft sie gleich eineFreundin an. Klar, los, lasst uns fahren. Sie steht mitten im Leben. Ihr trockener Humor überrasch-te uns schon vorher am Telefon, als wir fragten, was wirals kleines Geschenk mitbringen könnten. Wieso klein?,entgegnete sie. Miriam, geboren 1931 in Suhl. Mit fünf

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Wenn man Anfang und Ende der Familiengeschichte derSimsons miteinander vergleicht, so ist nicht zu übersehen,dass der erste der Familie, Liebmann Simson, der von Mell-richstadt 1765 nach Heinrichs übersiedelte, und die letz-ten, Julius und Arthur Simson, nichts miteinander verbin-det als der Name.Der erste hatte am Ende seines Lebens schließlich müh-sam 1000 Taler erspart. Die letzten verfügten über einigeMillionen und über ein Betriebsimperium, in dem zeitwei-lig bis zu 7000 Menschen beschäftigt waren. Der ersteschlief, wie es im 18. Jahrhundert für einen Knecht üblichwar, im Pferdestall seines Herrn, des Heinrichser Schutz-juden Moses Meyer. Die letzten Simsons residierten in derherrschaftlichen Villa am Suhler Domberg.Was wissen wir noch über die bekannte jüdische Fami-lie Suhls? Um 1850 kauften Löb und Moses Simson dasHaus Nr. 116 (jetzt Nr. 8) am Suhler Markt für 812 Taler,und 1856 erwarben sie die Mehrheit der Anteile am Hein-richser Alten Stahl-Hammer und begründeten damit jenesFamilien-Imperium, das unter der umsichtigen Leitung vonGerson Simson 1890 zum Großbetrieb avancierte. Überdiesen beeindruckenden Aufstieg der Familie darf mansich Gedanken machen.Es gibt von den Simsons eines der im 20. Jahrhundert sobeliebten Familienfotos. Es dürfte auf der Terrasse derDomberg-Villa entstanden sein: Fröhliche Männer undFrauen in trauter Gemeinsamkeit. Das übliche also. Manschaut, wenn einem so etwas gezeigt wird, einmal unin-teressiert drauf und vergisst es wieder. Bekommt man aber

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Gerson Simson (14. 7. 1845–16. 6. 1904)Unter seiner Leitung begann der Aufstieg der Simson-Werke zumGroßbetrieb.

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als Gelegenheitshistoriker noch einige Informationen zuden Menschen, die da in die Kamera lächeln, wird esinteressant. Von den sieben Männern auf dem Foto habenvier promoviert. Ein fünfter, Dr. Julius Simson, ist abwesend.Von den sechs Frauen der Simsons promovierten zwei(auf dem Foto ist eine von ihnen zu sehen) und weiteredrei hatten eine höhere Schule absolviert. Die Führungs-mannschaft des Unternehmens zu Beginn der 1920er Jah-re, in einer Zeit, da die deutsche Wirtschaft immer wiedermit Depressionen zu kämpfen hatte, war jung. Auch dasein Vorteil im Wettbewerb mit anderen Suhler Unterneh-men.Man war flexibel, hatte neue Ideen und setzte sie unkon-ventionell um. Ein weiterer Vorteil: Die exakte Arbeitstei-lung im Familienunternehmen. Während Max Simson dieLobbyarbeit in einem eigens zu diesem Zweck in Berlineingerichteten Büro betrieb, leitete Leonhard Simson dasUnternehmen als Prokurist, Arthur Simson, ausgebildeterIngenieur, war Technischer Direktor, und Julius Simsonübernahm nach seiner Promotion zum Dr. jur. die Gesamt-leitung.

Der Simson-Supra – außerordentlich beliebtes Sammlerstück heute –in der Blütezeit der Simson-Werke das Symbol für innovatives Firmen-management.

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für andere da. Ihr karitatives Engagement war bekannt.Und wenn Arbeiter nach der Enteignung der Familie inden 30er Jahren und nach der im Jahr 1946 weder in denGustloffwerken noch bei Awtowelo arbeiteten, sondernnach wie vor bei Simson, oder die älteren beim „Jüd“, sospricht das für sich und für die ungebrochene Traditions-linie, die den Namen eines Unternehmens trug, das be-liebt war.

Siegfried Schütt

Das im Kontext mit den unternehmerischen Fähigkeitender Simsons gesehen, die sie sich über Generationen hin-weg angeeignet hatten, dürfte nicht unerheblich zum Er-folg der Firma beigetragen haben.Im Talmud heißt es: „Wenn ich nicht für mich bin, wer solldann für mich sein? Wenn ich aber nur für mich bin, werbin ich dann?“Dieses ethische Prinzip haben die Simsons offenbar gelebt,denn sie waren eben nicht nur „für sich“, sondern auch

Am 5. Januar 2004 besuchten die Amerikanerinnen Dianne und Carol Heß und die Tochter von Carol die Heimatstadt ihrer Vorfahren. Siesind Nachfahrinnen von Moses Simson. Nach der Besichtigung des Firmensitzes der Simsons in Heinrichs, dem Besuch der Schilling-Schmiedeund dem Stadtarchiv wurde die Familiengeschichte auf dem jüdischen Friedhof fast greifbar.

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ax Friedmann - Fleischer und Viehhändler aus HeinrichsM

Bräuchen und der jüdischen Kultur aufgewachsen. Mit sei-nem älteren Bruder Alfred (geb. 2. 4. 1859) und seinerkleineren Schwester Hedwig (geb. 29. 11. 1866–12. 3.1937) hatte er sicherlich viel Freude, aber bestimmt auchab und zu Ärger. Als er größer wurde, lernte er seine zu-künftige Frau Selma Backmann kennen. Aus späteren Do-kumenten geht hervor, dass die beiden sich sehr geliebthaben müssen. Sie bekamen zusammen fünf Kinder, da-von drei Jungs und zwei Mädchen. Die Söhne hießenKurt (geb. 10. 10. 1904), Walter (geb. 24. 2. 1906) undArnold (geb. 28. 8. 1908). Die Töchter der Friedmannshießen Marta (geb. 26. 12. 1907) und Margarete (geb.28. 5. 1910). Da sie zusammen eine Viehhandlung und Fleischerei be-saßen, in der sie auch wohnten, ist davon auszugehen,dass sie gut von ihrem Verdienst leben konnten. Ihr Grund-stück mit Haus und Viehhandlung befand und befindetsich in der Meininger Straße 102 in Heinrichs. Dort, wieauch in den Nachbarorten einschließlich der Stadt Suhl,genossen sie einen guten Ruf, Friedmanns Fleischerei warbei den Suhlern und Heinrichsern nicht nur sehr beliebt,sie wurde sogar zeitweise förmlich „überlaufen“. Dies istein deutliches Indiz für Integration. Max Friedmann ver-kaufte seine Ware unter allen Bürgern, egal welcher Re-ligion sie sich zugehörig fühlten. Sich ein solches Geschäftzur damaligen Zeit aufzubauen, zeugte von Seiten derFriedmanns von großem Fleiß, Durchsetzungsvermögenund auch Mut. So war in Heinrichs ein beachtlicher Um-schlagplatz entstanden, der zur Fleischversorgung für

Max Friedmann wurde am 8. 2. 1861 in Heinrichs gebo-ren. Seine Eltern waren Wolf Friedmann (14. 7. 1859–26. 10. 1900) und Marianne Meyer. Zusammen mit ih-nen wuchs er in einer Großfamilie in der „Synagogenge-meinde Heinrichs mit Suhl“ auf. In Heinrichs existierte bisdahin nur das als Synagoge benutzte Haus 26. Wahr-scheinlich hat Max hier seinen ersten Unterricht erfahrenund ist wie andere jüdische Kinder mit den jüdischen

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angeordnete Entjudung. Auch dieses Geschäft sollte durchArisierung gereinigt werden. So wurde Max genötigt seinGeschäft aufzugeben und zu verkaufen. Auch duldetedie SS nicht, dass die Familie in ihrem Haus wohnen blieb.Aufgrund dessen mussten die Friedrnanns mit samt ihrerschönen Möbel ihr Haus verlassen. Ihnen wurde das städti-sche Grundstück in der Meininger Straße 96 käuflich über-lassen. Ihr „altes“ Haus ging aufgrund der Judengesetzean Warhold Hilpert. Am 20. 9. 1942 erschien vor der Türdes neuen Hauses der Gestapo-Beamte Reese. Dieserwurde von mehreren Suhlern als brutal und gnadenlosbeschrieben. Er machte den Friedmanns auf seine Art klar,dass sie Suhl sofort zu verlassen hätten. „Seine Art“ äu-ßerte sich, indem er Max gehunfähig schlug. Danach wur-de er demütigend auf einem Tafelwagen zur Transport-meldestelle in Suhl gekarrt. Zu alledem hängte man ihmein Schild um den Hals, wo daraufstand: „Die letzten Ju-den verlassen Suhl!“. Diese Verachtung und Gewaltein-wirkung, abgesehen von psychischen Schmerzen, dieMax und seiner gesamten Familie an diesem Tag ange-tan wurden, zeigen höchstes Maß an Ausgrenzung.

Suhl und dessen Umfeld diente. Zahlreiche HeinrichserFamilien erinnerten sich, dass Friedmann Mitte der 1920erJahre bis in die 1930er Jahre hinein für viele Notleiden-den eine große Hilfe war. Neben einem größeren Geld-betrag, den er 1928 als „Winterhilfe“ zur Verfügung stell-te, übergab er Gutscheine an die Armenkommission inHeinrichs, die sie an Bedürftige verteilte. Gegen Abgabedieser Gutscheine konnte kostenlos Wurst- und Fleischsup-pe in seinem Laden abgeholt werden. Auf den Gutschei-nen befand sich auch der Firmenstempel der FleischereiFriedmann. Dieser Aspekt verdeutlicht einerseits wie mo-dern Familie Friedmann Werbung machte, andererseitsauch, dass sie sich um ihre Mitmenschen bemühte. Um eine Fleischerei dieses Umfangs unterhalten und sovortrefflich verwalten zu können, musste die Familie zu-sammenhalten und gemeinsam ihre Kraft einsetzen. EineKarikatur zeigt, dass man mit viel Spaß dabei war undanscheinend gerne Skat spielte. Vielleicht nach einemanstrengenden Arbeitstag?Archivunterlagen zeigen, dass Friedmanns Gewerbe am29. 12. 1938 eingestellt wurde. Grund war die staatlich

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Möglichkeit mir solches zu schicken?“ Mit einer nochma-ligen Bitte an den Bürgermeister, sich zu erkundigen undihr über ihr Haus und die bestehenden Möglichkeiten zuschreiben, endete sie den Brief.

Anscheinend wurde dennoch nichts in die Wege geleitet,denn am 20. 10. 1946, also vier Monate später kam einerneuter Brief beim Bürgermeister an. Diesmal aber vonWalter, indem er kurz die Lage erklärte. Er und seine Brü-der seien in Kenntnis gesetzt worden, dass ihre MutterTheresienstadt überstanden hatte. Da sie „als alte Frau“nicht mehr in der Lage sei sich vollständig um die Vermö-gensansprüche zu kümmern, schrieb er mehrmals an HerrnGünther von der Dresdner Bank, mit der Bitte, ihm nä-here Auskunft zu erteilen. Da jedoch keine Antwort kam,solle der Bürgermeister doch seinen Brief an die zustän-dige Behörde weiterleiten. Damit diese ihn „unterrichten“kann, welche Vermögensteile noch vorhanden und wel-che Schritte ihrerseits zu unternehmen sind. Das soll mög-lichst schnell auch zu ihrer Mutter geleitet werden, damit„diese keine Not leidet“. Außerdem wünschten die dreiBrüder noch, dass irgendwelche Einsprüche durch Zeit-verlust weder verloren gehen noch gefährdet werden. Aufdiesen Brief erhielt Walter am 30. 10. 1946 die Antwort,dass das Wiedergutmachungsgesetz auf Anregung seinerMutter „in Fluss“ gekommen wäre.

Eine Bestätigung über eine vollständige Entschädigungliegt nicht im Archiv vor.

Von der Transportstelle in der Kellerstraße 4 aus wurdenMax und Selma in das Internierungslager Theresienstadtgebracht. Max erlag wahrscheinlich seinen Verletzungen,denn er starb bereits acht Tage später. Seine Tochter Mart-a und ihr Ehemann kamen auch nach Theresienstadt.

Kindergedichte aus dieser Zeit erläutern ansatzweise dieLebensbedingungen an diesem Ort. Tochter und Schwie-gersohn überlebten es nicht. Am 8. 5. 1945 erreichte dieRote Armee Theresienstadt. Selma hatte es überlebt. Sieschrieb am 15. 5. 1946 aus einem Heim in Frankfurt amMain an den Suhler Bürgermeister und schilderte ihm, wasam 20. 9. 1942 in Suhl geschehen war. Zugleich erhobsie mit diesem Brief die Ansprüche der Familie auf diefrüheren Besitztümer und Bankguthaben der Familie. Selbstkonnte sie leider nicht kommen, da sie sich erst erholenmusste und hier in Frankfurt am Main die Verwandtenihres „seligen“ Mannes wohnten. Der Bezirkswart Friebelleitete Selmas Anliegen an August Köhler, der für die Ver-waltung ehemaliger jüdischer Vermögen verantwortlichwar, weiter. Dieser versprach sofortige Schritte zu unter-nehmen, um ihr helfen zu können. Sieben Tage später trafein erneuter Brief von Selma beim Bürgermeister ein. Indem schrieb sie „aber den Söhnen soll es in Australiensoweit ganz gut gehen“. Sie haben ihr sogar schon diePapiere zu Einreise geschickt, aber sie möchte gerne zuihrer jüngsten Tochter Grete, sie „besitzt in Haifa eine Flei-scherei und zwei liebe Kinderchen“. Mit der Erklärung,dass es ihr hier an Geld fehlt, bittet sie: „Gibt es keine

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„Auschwitz mahnt – wir müssen etwas tun“ war das Mottoder Ausstellung, die im Juni 2008 im Foyer des Staatli-chen Gymnasiums Suhl stattfand. Die Besucher sahen be-eindruckende Dokumente, unter anderem ein Fenstergitteraus dem Arbeitslager Peenemünde, an dem Stacheldrahtbefestigt war: ein Zeitzeugnis, das die Schüler nicht un-berührt ließ.

Als nach der Eröffnung der Ausstellung gelbe Rosen imStacheldraht zurückblieben, war die künstlerische Ideezu einer Beschäftigung mit dem Thema geboren. Immer intensiver befassten sich die Schüler der Kunstkur-se 1/2008 und 2/2008 mit der Symbolsprache. Sach-zeichnungen und Studien folgten. Im Ergebnis finden sicheigene Aussagen in oft eigenwilliger Formensprache.

Die Darstellung in dieser Broschüre kann nur eine kleine,willkürliche Auswahl der insgesamt über 40 Arbeiten derSuhler Gymnasiasten zeigen. In einer Ausstellung in derGalerie im Congress Centrum Suhl, die zur Präsentationder Broschüre am 9. November 2008 eröffnet wird, wer-den viele dieser Zeichnungen vertreten sein.Die Bilder sind abgeschlossen, eine gedankliche Ausein-andersetzung geht weiter.

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Rosen und Stacheldraht – welch weit reichendeSymbolik. Oder aber das Thema Schwarz-Weiß als Zeichenfür Ausgrenzung, Schülerinnen und Schüler derKunstkurse fanden starke Metaphern.Q

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in nachdenklicher geworden...B

keine Details behalten, aber sie haben alle verstanden,welche Grausamkeiten in Auschwitz unter dem Nazire-gime stattgefunden haben.Nachdem die Schüler alle wieder wohlbehalten in Suhlzurück waren, wurden die Fahrt und das Erlebte noch-mal gemeinsam mit ihnen besprochen. Es stellte sich her-aus, dass die Fahrt insgesamt ein großer Erfolg war. Eswar uns vor allem wichtig, den Schülern des Förderzen-trums die Geschichte der NS-Zeit durch die Besichtigungvon Originalschauplätzen näher zu bringen und sie so-mit zum Nachdenken zu bewegen. Finanziert wurde diese Fahrt durch den Landesaktions-plan „Suhl bekennt Farbe“.

Sylvester Widur

Vom 17. bis 21. Juni 2008 wurde für 25 Schüler des staat-lichen regionalen Förderzentrums eine Bildungsfahrt nachKrakau veranstaltet. Vor Beginn dieser Fahrt haben sichdie Schüler an einem Projekttag in Kleingruppen mit denThemen Auschwitz, Judentum, Polen und Drittes Reich in-tensiv auseinandergesetzt. Nach der Präsentation dieserThemenfelder schauten sich alle Schüler den Film „Schind-lers Liste“ an, um einen Bezug zu den Geschehnissen inAuschwitz und Umgebung zu bekommen. Die Schüler kamen aus den Klassen 7 bis 9 und wurdenunter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewählt. DasHauptaugenmerk lag darauf, dass die Teilnehmer ihreErlebnisse als Multiplikatoren in ihre Klassen und Freun-deskreise weiter tragen. Es sollten aber auch Schüler andieser Fahrt teilnehmen, die nach Ansicht der Lehrer unddes Schulsozialarbeiters von rechten Tendenzen bedrohtsind.Der Schwerpunkt dieser Fahrt lag darauf, die Schüler fürdie schlimmen Taten des Naziregimes anhand von Ausch-witz zu sensibilisieren, sie über die Geschichte des Juden-tums aufzuklären und ihnen das Thema näher zu bringen.In dieser Woche gab es sehr viel zu sehen und zu erle-ben. Auf dem Wochenplan standen folgende Programm-punkte:Die Krakauer Altstadt, die Wawelburg und das traditio-nelle jüdische Viertel mit seinen Läden und Synagogen.Auch das Salzbergwerk Wieliczka wurde besichtigt. DenHöhepunkt am Ende der Woche bildete die Besichtigungdes Lagers Auschwitz. Sicherlich konnten die Schüler

Juni 2008: Schülerinnen und Schüler mit ihren Erziehern in derKrakauer Altstadt.

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Während der Fahrt nachKrakau und Auschwitzführten viele Schülerinnenund Schüler Tagebuch.Nebenstehendes Blatt solldafür exemplarisch stehen.

Anhand der Tagebuchauf-zeichnungen ist ersichtlich,dass die Schüler eine an-dere Kultur eines anderenLandes kennen gelernthaben und ihnen das The-ma der Judenverfolgungund Vernichtung in Ausch-witz sehr nahe gegangenist.

Um Jugendlichen Geschich-te wirklich nahe zu bringenund in ihnen etwas zu be-wegen, ist es wichtig, dassgerade die Schüler einerFörderschule an Original-schauplätzen sehen, wel-che Grausamkeiten sichereignet haben. So kannman eine Änderung ihrerEinstellung zu Themen wieAusgrenzung und Gewalterreichen. Q

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Es geht weiter...

Entgegen vieler Stimmen wie „nicht schon wieder“ be-handeln in Suhl einige engagierte Lehrerinnen im Deutsch-oder Geschichtsunterricht immer wieder die Geschichtevon Auschwitz. Da bleibt es auch nicht aus, mit Schülernauf Projektfahrten dorthin zu gehen, wo sie dann vor Ortnicht nur als Außenstehende mal kurz durch die Lager„geführt“ werden, sondern sich über einen längeren Zeit-raum selbst intensiv mit Einzelschicksalen beschäftigen.

Die für Jugendliche zunehmend unfassbaren Gräueltatenkönnen dort durch noch „fassbare“ persönliche Gegen-stände, wie z. B. einen Kamm, die Situation in Ansätzenvorstellbar machen. Wenn den Jugendlichen klar wird,wie wichtig es war, einen Kamm zu besitzen, sich damitdie Haare zurechtmachen zu können und damit wenigs-tens einen Rest seiner persönlichen Freiheit zu erhalten,treten auch Fragen nach den „richtigen“ Gefühlen beimBesuch solcher Stätten in den Hintergrund, weil jeder mit-empfinden kann.

Den Ausdruck persönlicher Empfindungen tragen dannTexte der Schüler, die z. B. 1999 entstanden sind, nacheinem Auschwitz-Projekt von damals 15-jährigen Schülernder Rimbachschule Suhl.

Seminarfacharbeiten am Beruflichen Gymnasium Suhlwerden die Auseinandersetzung mit dem Thema Holo-caust fortführen.

Heike Rieger

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Spaziergang durch Auschwitz

Versehentlich atme ich zu tiefUnd schauIch wurde zur Urne.

Karola Wagner (15), 1999

J unge Frauen, MännerU nd KinderD enen Ungeahntes widerfuhrE ine schreckliche ZeitN iemand wollte davon wissenV erzweiflung und Angst bei den VerfolgtenE hre und Ruhm bei der SSR ufende MenschenF olter ohne EndeO hne MitleidL eben oder TodG rausame ZeitU nter der ErdeN iemand hörte die SchreieG erechtigkeit?

Dorina Pallarz (15), Janine Schilling (15), 1999

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ßenlager Zeitz innerhalb weniger Monate um Jahre altert. Der Roman hinterließ im Deutschunterricht am BeruflichenGymnasium Suhl bei Tina Hollandt, Jessica Linß und Fran-ziska Hahne so tiefe Eindrücke, dass sie sich von ihrerLehrerin Frau Rieger immer wieder neue Bücher zum The-ma der Judenverfolgung durch die Nazis ausborgten, ummehr darüber zu erfahren.

Als sich dann auch noch eine persönliche Begegnung mitder Suhlerin Leonore Bästlein, die einer Schweizer jüdi-schen Familie entstammt, ergab, „griffen“ die Mädchensofort zu. Im Rahmen ihrer Seminarfacharbeit werden sienun mit der Aufarbeitung des außergewöhnlichen Lebensder heute 86-jährigen Frau beitragen zur Spurensuchejüdischen Lebens in Suhl.

„Doch weder Eigensinn noch Beten, noch sonst irgendei-ne Art von Flucht hätten mich von einem befreien können:vom Hunger. Auch zu Hause war ich hungrig gewesen –oder hatte zumindest geglaubt, es zu sein, hungrig warich auch in der Ziegelei, in der Eisenbahn, in Auschwitzund sogar in Buchenwald gewesen – so andauernd aber,auf so lange Frist, sozusagen, hatte ich dieses Gefühl nochnicht gekannt. Ich verwandelte mich in ein Loch, in Leere,und mein ganzes Bemühen, mein ganzes Bestreben gingdahin, diese bodenlose, diese unablässig fordernde Leereaufzuheben, zu stopfen, zum Schweigen zu bringen.“Das erzählt die Hauptfigur des „Roman eines Schicksal-losen“ von Imre Kertesz, die im Mai 1944 als vierzehn-jähriger Jude von Budapest abgeschleppt wird und nacheiner Odyssee durch Auschwitz und Buchenwald im Au-

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Leonore Bästlein in der CCS-Galerie mit Tina Hollandt, Jessica Linß und Franziska Hahne vor ihren eigenen Bildern.

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Quellen

Suhl 1527–1927Zum 400-jährigen StadtjubiläumDari-Verlag, Berlin-Hallensee 1927

125 Jahre Suhler Zeitung 1802–1927Illustrierte Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der Suhler Zeitung 1927Druck und Verlag von Z. W. Müllers Buchdruckerei

Adressbuch der Stadt Suhl 1932

Hans Nothnagel, Ewald DähnJuden in Suhl, Ein geschichtlicher ÜberblickHartung-Gorre-Verlag, Konstanz 1995

Wolfgang Knop„Schaut her – ich bin ’s!“Eigenverlag Dr. Wolfgang Knop, Suhl 1998

Arno HerzigJüdische Geschichte in DeutschlandVerlag C. H. Beck, München 2002

AutorenkollektivWas jeder vom Judentum wissen mussGütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh 1983

Nutzung der Archive:Stadt SuhlKonzentrationslager Auschwitz und TheresienstadtStandesamt SuhlYad Vashem

Zeitzeugenberichte von Mrs. Helen Freeland, Mr. Mike Sander, Frau Brand, Tochter von Familie Rehfeldt, Erinnerungen von Suhler Bürgern: Herr Rolf Müller, Frau Käthe Kessel, Frau Claire Noessler

Wir Deutschen Juden, 321–1932 Herausgegeben vom Centralverein Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Berlin 1932

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Kleine Suhler Reihe, Bd. 8: Suhler Ärzte Herausgegeben von der Stadtverwaltung Suhl 2004Beitrag von Ingrid Ehrhardt

Ludwig MühlfelderWeil ich übrig geblieben binHerausgegeben von Erhard Roy WiehnHartung-Gorre Verlag Konstanz 1995

Juden in ThüringenBeiträge anlässlich des Gedenkens an die Pogromnacht 1938Thüringer Staatskanzlei, Thüringer Kultusministerium,Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

Jüdische Riten und SymboleS. Ph. de VriesRowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1981

Juliane Raupich, Siegfried WolfDie Entjudung ThüringensMaterialien des Thillm, Heft 68

Nicht namentlich gekennzeichnete Beiträge wurden u. a. von denSchülerinnen und Schülern

Christoph HertzschChristin KummerPhilipp GutbierMaria BühnerClaudia MüllerFranziska PertigChristian Meißner Annelie Pfannschmidt Alexander KobersteinRico Schubert

und der Lehrerin Heidemarie Schwalbe in den Leistungskursen Ge-schichte des Staatlichen Gymnasiums seit 2005 als Projekt erarbeitet.

Page 75: TitelLeben.qxp 09.10.2008 12:06 Uhr Seite 1 Jüdisches … · Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr ... Anni

Die vorliegende Broschüre ist erhältlich in der Galerie im CCS, 0 36 81/78 83 01.

kleineSuhler Reihe ( 25 )

ImpressumHerausgeber Stadtverwaltung Suhl, Telefon: 0 36 81/74 22 16

in Zusammenarbeit mit H. Aderhold u. A. Wiedemann Redaktionsschluss September 2008Layout Text & DesignDruck Druckerei Foerster, SchleusingenPreis E 6,– für Abonnenten

E 7,– im normalen Verkauf

Die AbonnentenBarbara Albert • Harry Albrecht • Dieter Anschütz • Hella Auerswald • Dietmar Baumann • Helmut Bessner •Irmgard Braeck • Roslinde Brandt • Wolfgang Brix • Dieter Bruhn • Margit Brzezinski • Jürgen Conrad • KlausDeckert • Jens Dietz • Georg Dürmeyer • Ingrid Ehrhardt • Klaus-Peter Endter • Ulrich Endter • Werner Endter •Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr. Hans-JürgenFritze • Prof. Dr. Siegfried Fröhlich • Heinz Gedwart • Tilo Götz • Vera Grotkowski • OMR Dr. Herbert Hanf • UweHartung • Ralph Haseneyer • Frank Haspel • Gunter Hennig • Dr. Birgit Herzog • Bernd Heyder • Petra Heym •Joachim Heym • Rolf Heym • Dietrich Hucke • B. Kelber • Katrin Kihr • Gertraud Kirchner • Edith Krauße • Ralf-Dieter Krauße • Dr. Rainer Kraußlach • Günter Krempel • Marion Kunze • Charlotte Leser • Anni Lorenz • KarinLuther • Christa u. Ellen Mangold • Gerd Manig • Rolf Menschner • Dr. Moczarski • Irene Munsche • GerhardPopp • Annett Raute • Michael Rebhan • Rainer Recknagel • Dieter Reinelt • Horst Reinhardt • Horst Ritschel •Ingrid Röhner • Matthias Rolfs • Wolfgang Schafft • Dieter Schellenberger • Gerhard Schilling • Ralf Schilling •Ingrid Schlegel •Walter Schlegelmilch • Jutta Schlossarek • Martina Schlott • Irma Schmidt • Axel Schmidt • MariaSchoch • Werner Schwarz • Ralf Seiffarth • Hildegund Sennwald • Martin Sielaff • Günther Stäblein • MichaelStobbe • Margitta Stolper • Ullrich Strom • H. Taubmann • Christine Thorwald • Dr. Jens Triebel • Holger Uske •Peter von Vogt • Andrea Walther • Ingelore Weber • Klaus Weber • Rolf Weinbrecht • Jochen Weiß • Fritz Wenig• Klaus-Jürgen Werner • Horst Wetzl • Herbert Wiedemann • Marion Wittmann

Bisher sind in der „Kleinen Suhler Reihe“ erschienen:(1) Bordwaffen – von den Anfängen bis heute(2) Andreas M. Reyher(3) Paul Greifzu(4) Waltraut Schulz (vergriffen)(5) Suhler Bürgermeister seit 1832(6) Bedeutsame Frauen aus Suhl und Umgebung(7) 500 Jahre Kirche St. Ulrich in Suhl-Heinrichs

(vergriffen)(8) Suhler Ärzte(9) Julius Kober – ein deutscher Lebensweg,

1894–1970(10) Historisches Leitbild der Stadt Suhl(11) Suhler Porträts (vergriffen)(12) Ernst Fischer – ein Suhler Forscher und Techniker

(vergriffen)

(13) Alte Suhler Straßen, Teil 1 (14) Spangenberg – Genealogie einer Suhler Familie(15) Wilhelm Cuno – ein Reichskanzler aus Suhl(16) Fritz Sattler – eine biografische Skizze,

1896–1964(17) 80 Jahre Polizeipräsidium Suhl(18) Alte Suhler Straßen, Teil 2(19) Alte Suhler Motorräder(20) Das Suhler Stadtgefängnis, 1860–1989 (21) Alte Suhler Straßen, Teil 3(22) Suhls Entwicklung unter den Hennebergern (vergr.)(23) Suhler Pfarrer(24) Schilling – eine Familie – eine Schmiede(25) Jüdisches Leben in Suhl

In Vorbereitung: Alte Suhler Straßen, Teil 4

üdisches Leben

in Suhl

JSuhler Geschichte für viele Interessenten erlebbar zu ma-chen, ist ein wichtiges Anliegen der Kleinen Suhler Reihe.Dieser Band verfolgt auf vielfältige Weise Spuren jüdischenLebens in unserer Stadt. Da sind nicht nur die Biografienzu nennen, von Schülern erforscht und aufgeschrieben,die nun Einblicke in konkrete Lebensumstände erlauben. Ein Rundgang vorüber an Häusern einstiger Mitbürgerbietet die Chance, sich selbst von der Gegenwart jüdischenWirkens in Suhl zu überzeugen. Auch die künstlerischenAktivitäten junger Menschen folgen diesen Spuren. DieErgebnisse sind im Kunstkabinett der Galerie im CongressCentrum Suhl im Umfeld des 9. Novembers zu sehen.

Galerieleiterin Annette Wiedemann setzte sich zielstrebigfür die Umsetzung entsprechender Projekte ein, Geschichts-lehrerin Heidemarie Schwalbe engagierte sich immer aufsNeue, um Jugendliche für die Beschäftigung mit der Ge-schichte ihrer Stadt zu begeistern. Ältere Menschen bringenihre Erinnerungen zur Sprache. Erlebnisberichte von Begeg-nungen mit emigrierten jüdischen Suhlern fließen ebensoein wie informative Kapitel. So entsteht in diesem Band einMosaik jüdischen Lebens in unserer Stadt, das der Vergan-genheit angehört. Doch die zahlreichen Aktionen anlässlichder 70. Wiederkehr des nationalsozialistischen Pogromsvon 1938 verdeutlichen auch, wie Bürgerinnen und Bürgeraller Altersstufen versuchen, Brücken zu schlagen vom Ges-tern ins Heute. Sie reden damit einem Miteinander dasWort, das Suhl einst bereichert hat und das wir auch heutebrauchen, um für unsere Stadt eine Zukunft in Vielfalt undWürde zu gewinnen.

Holger Uske

Zum Geleit 2Ein Rundgang 4Friedhöfe oder der „Gute Ort“ 6Sammelstelle in der Hohelohstraße 9Die Synagoge 12Familie Goldmann 16Dr. Fritz Siegfried Marcus 19Familie Sander, Steinweg 26 21Was ich über die Juden in Suhl weiß 26Hugo Rehbock 28Dr. Iwan Saphra 30Isaac Nußbaum 34Familie Herzberg 35Familie Mühlfelder 38Die Jüdengasse 43Familie Brylewski 46Judenhäuser 49Abraham Levi 51Maria Jacoby 55Die Simsons 58Max Friedmann 61Anlässlich einer Ausstellung... 64Bin nachdenklicher geworden... 67Es geht weiter... 70Quellen 72

Die Broschüre wurde gefördert aus Mitteln des LokalenAktionsplanes „Suhl bekennt Farbe“, unterstützt vomKirchenkreis Henneberger Land.

TitelLeben.qxp 09.10.2008 12:06 Uhr Seite 1

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Die vorliegende Broschüre ist erhältlich in der Galerie im CCS, 0 36 81/78 83 01.

kleineSuhler Reihe ( 25 )

ImpressumHerausgeber Stadtverwaltung Suhl, Telefon: 0 36 81/74 22 16

in Zusammenarbeit mit H. Aderhold u. A. Wiedemann Redaktionsschluss September 2008Layout Text & DesignDruck Druckerei Foerster, SchleusingenPreis E 6,– für Abonnenten

E 7,– im normalen Verkauf

Die AbonnentenBarbara Albert • Harry Albrecht • Dieter Anschütz • Hella Auerswald • Dietmar Baumann • Helmut Bessner •Irmgard Braeck • Roslinde Brandt • Wolfgang Brix • Dieter Bruhn • Margit Brzezinski • Jürgen Conrad • KlausDeckert • Jens Dietz • Georg Dürmeyer • Ingrid Ehrhardt • Klaus-Peter Endter • Ulrich Endter • Werner Endter •Horst Erdmann • Heidemarie Fischer • Roland Fleischhauer • Kl.-D. Fleischmann • Ingrid Foitzik • Dr. Hans-JürgenFritze • Prof. Dr. Siegfried Fröhlich • Heinz Gedwart • Tilo Götz • Vera Grotkowski • OMR Dr. Herbert Hanf • UweHartung • Ralph Haseneyer • Frank Haspel • Gunter Hennig • Dr. Birgit Herzog • Bernd Heyder • Petra Heym •Joachim Heym • Rolf Heym • Dietrich Hucke • B. Kelber • Katrin Kihr • Gertraud Kirchner • Edith Krauße • Ralf-Dieter Krauße • Dr. Rainer Kraußlach • Günter Krempel • Marion Kunze • Charlotte Leser • Anni Lorenz • KarinLuther • Christa u. Ellen Mangold • Gerd Manig • Rolf Menschner • Dr. Moczarski • Irene Munsche • GerhardPopp • Annett Raute • Michael Rebhan • Rainer Recknagel • Dieter Reinelt • Horst Reinhardt • Horst Ritschel •Ingrid Röhner • Matthias Rolfs • Wolfgang Schafft • Dieter Schellenberger • Gerhard Schilling • Ralf Schilling •Ingrid Schlegel •Walter Schlegelmilch • Jutta Schlossarek • Martina Schlott • Irma Schmidt • Axel Schmidt • MariaSchoch • Werner Schwarz • Ralf Seiffarth • Hildegund Sennwald • Martin Sielaff • Günther Stäblein • MichaelStobbe • Margitta Stolper • Ullrich Strom • H. Taubmann • Christine Thorwald • Dr. Jens Triebel • Holger Uske •Peter von Vogt • Andrea Walther • Ingelore Weber • Klaus Weber • Rolf Weinbrecht • Jochen Weiß • Fritz Wenig• Klaus-Jürgen Werner • Horst Wetzl • Herbert Wiedemann • Marion Wittmann

Bisher sind in der „Kleinen Suhler Reihe“ erschienen:(1) Bordwaffen – von den Anfängen bis heute(2) Andreas M. Reyher(3) Paul Greifzu(4) Waltraut Schulz (vergriffen)(5) Suhler Bürgermeister seit 1832(6) Bedeutsame Frauen aus Suhl und Umgebung(7) 500 Jahre Kirche St. Ulrich in Suhl-Heinrichs

(vergriffen)(8) Suhler Ärzte(9) Julius Kober – ein deutscher Lebensweg,

1894–1970(10) Historisches Leitbild der Stadt Suhl(11) Suhler Porträts (vergriffen)(12) Ernst Fischer – ein Suhler Forscher und Techniker

(vergriffen)

(13) Alte Suhler Straßen, Teil 1 (14) Spangenberg – Genealogie einer Suhler Familie(15) Wilhelm Cuno – ein Reichskanzler aus Suhl(16) Fritz Sattler – eine biografische Skizze,

1896–1964(17) 80 Jahre Polizeipräsidium Suhl(18) Alte Suhler Straßen, Teil 2(19) Alte Suhler Motorräder(20) Das Suhler Stadtgefängnis, 1860–1989 (21) Alte Suhler Straßen, Teil 3(22) Suhls Entwicklung unter den Hennebergern (vergr.)(23) Suhler Pfarrer(24) Schilling – eine Familie – eine Schmiede(25) Jüdisches Leben in Suhl

In Vorbereitung: Alte Suhler Straßen, Teil 4

üdisches Leben

in Suhl

JSuhler Geschichte für viele Interessenten erlebbar zu ma-chen, ist ein wichtiges Anliegen der Kleinen Suhler Reihe.Dieser Band verfolgt auf vielfältige Weise Spuren jüdischenLebens in unserer Stadt. Da sind nicht nur die Biografienzu nennen, von Schülern erforscht und aufgeschrieben,die nun Einblicke in konkrete Lebensumstände erlauben. Ein Rundgang vorüber an Häusern einstiger Mitbürgerbietet die Chance, sich selbst von der Gegenwart jüdischenWirkens in Suhl zu überzeugen. Auch die künstlerischenAktivitäten junger Menschen folgen diesen Spuren. DieErgebnisse sind im Kunstkabinett der Galerie im CongressCentrum Suhl im Umfeld des 9. Novembers zu sehen.

Galerieleiterin Annette Wiedemann setzte sich zielstrebigfür die Umsetzung entsprechender Projekte ein, Geschichts-lehrerin Heidemarie Schwalbe engagierte sich immer aufsNeue, um Jugendliche für die Beschäftigung mit der Ge-schichte ihrer Stadt zu begeistern. Ältere Menschen bringenihre Erinnerungen zur Sprache. Erlebnisberichte von Begeg-nungen mit emigrierten jüdischen Suhlern fließen ebensoein wie informative Kapitel. So entsteht in diesem Band einMosaik jüdischen Lebens in unserer Stadt, das der Vergan-genheit angehört. Doch die zahlreichen Aktionen anlässlichder 70. Wiederkehr des nationalsozialistischen Pogromsvon 1938 verdeutlichen auch, wie Bürgerinnen und Bürgeraller Altersstufen versuchen, Brücken zu schlagen vom Ges-tern ins Heute. Sie reden damit einem Miteinander dasWort, das Suhl einst bereichert hat und das wir auch heutebrauchen, um für unsere Stadt eine Zukunft in Vielfalt undWürde zu gewinnen.

Holger Uske

Zum Geleit 2Ein Rundgang 4Friedhöfe oder der „Gute Ort“ 6Sammelstelle in der Hohelohstraße 9Die Synagoge 12Familie Goldmann 16Dr. Fritz Siegfried Marcus 19Familie Sander, Steinweg 26 21Was ich über die Juden in Suhl weiß 26Hugo Rehbock 28Dr. Iwan Saphra 30Isaac Nußbaum 34Familie Herzberg 35Familie Mühlfelder 38Die Jüdengasse 43Familie Brylewski 46Judenhäuser 49Abraham Levi 51Maria Jacoby 55Die Simsons 58Max Friedmann 61Anlässlich einer Ausstellung... 64Bin nachdenklicher geworden... 67Es geht weiter... 70Quellen 72

Die Broschüre wurde gefördert aus Mitteln des LokalenAktionsplanes „Suhl bekennt Farbe“, unterstützt vomKirchenkreis Henneberger Land.

TitelLeben.qxp 09.10.2008 12:06 Uhr Seite 1