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24 results Deutsche Bank 1,2 Milliarden Autofans Immer mehr Inder können sich ein Auto leisten – und immer öfter sind deutsche Hersteller und Zulieferer an dessen Produktion beteiligt. Doch im Wachstumsmarkt gibt es auch Hindernisse Segnung für das neue Familien- mitglied: Inder holen ihre Autos traditionell nur an Glückstagen beim Händler ab. Die erste Fahrt geht meist zum Tempel die in den Hochburgen der indischen Auto- mobilbranche rund um Pune , Delhi und Chennai eigene Werke aufgebaut haben. Die Pkw-Branche ist ein maßgeblicher Treiber des gewaltigen Investitionsbooms, der das indi- sche Wirtschaftswachstum in den vergange- nen Jahren befeuert hat. Allein 2010 haben ausländische Unternehmen 23,7 Milliarden US-Dollar in Indien investiert. 2009 waren es sogar 34,6 Milliarden. Indien wächst mit atemberaubendem Tem- po. Seit 2007 hat das Bruttoinlandspr odukt jedes Jahr um dur chschnittlich 8,6 Prozent zugelegt. „Mit dem Wirtschaftswachstum sind die Löhne gestiegen und damit das Eink om- mensniveau der Bevölkerung, die sich immer mehr leisten kann“, sagt Wilfried A ulbur, Managing Partner bei der Strategieberatung D amals, Mitte der 1970er Jahre, war Indien echtes Neuland. „So gut wie kein auslän- disches Unternehmen interessierte sich für den Markt“ , erinnert sich Horst Kaiser, heute Leiter Indien-Vertrieb beim Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle. Kein Wunder: Der Subkontinent war damals fast komplett abge- schottet. Dennoch wagte Mahle sich als einer der Ersten vor, gründete ein Joint Venture und begann, vor Ort Kolben für indische Autobauer herzustellen. Der Pioniergeist sollte sich aus- zahlen: Heute ist M ahle an sechs Standorten mit insgesamt 2100 Mitarbeitern in Indien ver- treten. Längst sind den Stuttgartern andere deut- sche Automobilzulieferer gefolgt. Sie arbeiten für indische Marken wie Tata oder Maruti, vor allem aber für westliche Pkw-Hersteller, Weitere Informationen Kontakt Ute Bottcher, Deutsche Bank Indien, E-Mail [email protected] Hans Remsing, Leiter Automotive Team, Deutsche Bank, E-Mail [email protected] Wilfried Aulbur, Roland Berger Strategy Consultants, Telefon +49 89 9230-8282 Literatur 3 „Global Automotive Supplier Study 2011“, downloadbar bei www.rolandberger.com 3 Ch. Vairavanathan: „Die Marktsituation in Indien für die deutsche Automobilindustrie“. Grin 2011, ISBN 978-3640786350, 39,90 Euro

1 ,2 Milliarden Autofans - Deutsche Bank · Mercedes-Benz, Volkswagen sind lediglich einen Steinwurf voneinander entfernt. Eberspächer plant bereits ein weiteres Werk in Chennai,

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Page 1: 1 ,2 Milliarden Autofans - Deutsche Bank · Mercedes-Benz, Volkswagen sind lediglich einen Steinwurf voneinander entfernt. Eberspächer plant bereits ein weiteres Werk in Chennai,

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1,2 Milliarden AutofansImmer mehr Inder können sich ein Auto leisten – und immer öfter sind deutsche Hersteller und Zulieferer an dessen Produktion beteiligt. Doch im Wachstumsmarkt gibt es auch Hindernisse

Segnung für das neue Familien-mitglied: Inder holen ihre Autos traditionell nur an Glückstagen beim Händler ab. Die erste Fahrt geht meist zum Tempel

die in den Hochburgen der indischen Auto-mobilbranche rund um Pune , Delhi und Chennai eigene Werke aufgebaut haben. Die Pkw-Branche ist ein maßgeblicher Treiber des gewaltigen Investitionsbooms, der das indi-sche Wirtschaftswachstum in den vergange-nen Jahren befeuert hat. Allein 2 010 haben ausländische Unternehmen 23,7 Milliarden US-Dollar in Indien investiert. 2009 waren es sogar 34,6 Milliarden.

Indien wächst mit atemberaubendem Tem-po. Seit 2007 hat das Bruttoinlandsprodukt jedes Jahr um durchschnittlich 8,6 Prozent zugelegt. „Mit dem Wirtschaftswachstum sind die Löhne gestiegen und damit das Eink om-mensniveau der Bevölkerung, die sich immer mehr leisten k ann“, sagt Wilfried A ulbur, Managing Partner bei der Strategieberatung

Damals, Mitte der 1970er Jahre, war Indien echtes Neuland. „So gut wie kein auslän-disches Unternehmen interessierte sich

für den Markt“ , erinnert sich Horst Kaiser, heute Leiter Indien-Vertrieb beim Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle. Kein Wunder: Der Subkontinent war damals fast komplett abge-schottet. Dennoch wagte Mahle sich als einer der Ersten vor, gründete ein Joint Venture und begann, vor Ort Kolben für indische Autobauer herzustellen. Der Pioniergeist sollte sich aus-zahlen: Heute ist Mahle an sechs Standorten mit insgesamt 2100 Mitarbeitern in Indien ver-treten.

Längst sind den Stuttgartern andere deut-sche Automobilzulieferer gefolgt. Sie arbeiten für indische Marken wie Tata oder Maruti, vor allem aber für w estliche Pkw-Hersteller,

Weitere InformationenKontakt Ute Bottcher, Deutsche Bank Indien, E-Mail [email protected]

Hans Remsing, Leiter Automotive Team, Deutsche Bank, E-Mail [email protected]

Wilfried Aulbur, Roland Berger Strategy Consultants, Telefon +49 89 9230-8282

Literatur3 „Global Automotive Supplier Study 2011“,

downloadbar bei www.rolandberger.com

3 Ch. Vairavanathan: „Die Marktsituation in Indien für die deutsche Automobilindustrie“. Grin 2011, ISBN 978-3640786350, 39,90 Euro

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Roland Berger in Mumbai und Spezialist für die Automobilindustrie in Indien. Auch die Nachfrage nach Pkws wachse immer weiter: „Viele Menschen sind bisher Motorrad gefah-ren, steigen jetzt auf A utos um.“ Der Trend lässt sich an der Zahl der jährlichen Neuzu-lassungen ablesen: 2000 waren es 580 000, 2011 schon 2,6 Millionen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2010 mit 2,9 Millionen nur wenig mehr Pkws neu zugelassen.

KEIN WUNDER, dass in den v ergangenen Jahren immer mehr Automobilhersteller in Indien Produktionsstätten aufgebaut haben. Pionier war Suzuki, Mitte der 1990er Jahr e kamen andere asiatische Autohersteller, in den Jahren nach 2005 dann die Europäer. Im Schlepptau hatten sie ihre Zulieferer. Auf die-

Thesen3 Wachstumsbranche: Ein wichtiger Treiber

des indischen Wirtschaftswachstums ist die Autobranche. Westliche Hersteller spielen dabei eine wichtige Rolle.

3 Zulieferer: Im Schatten der großen Hersteller sind in den vergangenen Jahren zahlreiche deutsche Mittelständler nach Indien gekommen. Sie zieht es vor allem in die Auto-Cluster.

3 Aussichten: Der Wissensvorsprung west-licher Unternehmen zahlt sich noch aus. Doch langfristig werden einheimische Zulieferer aufholen.

schnelleren Wachstumstempo der Branche deut-lich schwerer als ihre in der Massenfertigung geübten westlichen Konkurrenten. „Wir liefern einen Wissensvorsprung, der bei indischen wie internationalen Herstellern gefragt ist“, sagt Wil-dermuth. Für globale Hersteller gelten schließ-lich überall dieselben Qualitätsstandards, „egal ob in Europa, Lateinamerika oder eben Indien“.

Allerdings baut Witzenmann in Indien nicht die gleichen Produkte wie im Westen. „Dafür ist der indische Markt zu sehr v on Kosten getrieben“, sagt Manager Wildermuth. Metallschläuche und Kondensatoren etwa be-stehen aus weniger hartem Stahl – Schnee und Streusalz sind in Indien schließlich unbekannt.

Auch Eberspächer, Abgastechnik-Spezialist aus Esslingen am Neckar, produziert für den in-dischen Markt zum Teil andere Produkte als da-heim, allein schon wegen der weniger strengen Emissionsgrenzen. „Für Europa arbeiten wir mit den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6“, erklärt Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesell-schafter bei Eberspächer. „Die indischen Gesetze entsprechen der Euro 3 und 4.“ Das F amilien-unternehmen ist seit Anfang der 2 000er Jahre in Indien, zunächst für den Bereich Abgastech-nik über ein Joint Venture mit einem indischen Unternehmen in Pune. 2008 folgte eine eigene Tochter in Bangalore. „Der Start war gut“, sagt Baumann. „Die Dichte der Automobilindustrie ist immens.“ Die größten Hersteller wie Renault, R

sem Weg fand auch die Firma Witzenmann aus dem baden-württembergischen Pforz-heim nach Indien. Das Familienunternehmen ist seit Anfang 2006 mit einem eigenen Werk in Chennai im Südosten des Landes vertreten, produziert Metallschläuche und Kompensato-ren. Witzenmann hatte den koreanischen Au-tobauer Hyundai beliefert. Und als Hyundai nach Indien ging, kam der deutsche Partner mit. „So konnten wir ohne großes Risiko Fuß fassen“, sagt Eberhard Wildermuth, Leiter des Geschäftsbereichs Fahrzeugteile.

Witzenmann fi ng klein an, v erlegte zu-nächst nur die Montage nach Indien. Später ließ der Mittelständler wichtige indische An-gestellte zum Unternehmenssitz nach Pforz-heim einfl iegen, wo die deutschen Kollegen sie vier Monate lang im Umgang mit Maschi-nen schulten und sie mit dem Logistiksystem vertraut machten. Inzwischen stellt die indi-sche Witzenmann-Dependance jährlich rund 550 000 Teile her, 35 Angestellte arbeiten für Hyundai, inzwischen aber auch für Volkswa-gen und die indischen Her steller Tata und Mahindra & Mahindra. Lediglich den Edel-stahl für die Bauteile bezieht Witzenmann aus anderen Ländern.

Die indische Zulieferindustrie , berichtet Witzenmann-Manager Wildermuth, ist stark mittelständisch geprägt. Die oft kleinen hei-mischen Lieferanten tun sich mit dem immer

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Mercedes-Benz, Volkswagen sind lediglich einen Steinwurf voneinander entfernt.

Eberspächer plant bereits ein weiteres Werk in Chennai, etwa 1000 Kilometer von Pune entfernt. Keine große Entfernung in Indien, doch so kann das Unternehmen nicht nur den Nutzfahrzeug-Cluster in Chennai erschließen, sondern spart auch die vergleichsweise hohen Transportkosten, die in Indien um die zehn Prozent des Verkaufspreises ausmachen. In Deutschland liegt der Wert bei gerade mal einem Prozent. Der Grund: Die Str aßen in Indien sind überfüllt und mar ode, sagt Bau-mann. „Man kann sich in Deutschland nicht vorstellen, wie tief Schlaglöcher sein kön-nen.“ Deshalb produziert Tata das Massen-fahrzeug Nano etwa an mehreren Standorten. Außerdem haben die 28 Bundesstaaten und sieben „Union Territories“ der Republik In-dien zum Teil recht unterschiedliche Steuer-systeme. Das erschwert grenzüberschreitende Geschäfte.

DIE HÖCHSTEN HÜRD EN für Unternehmen in Indien liegen aber in der überbor denden Bürokratie – und der K orruption. „Geneh-migungen dauern ewig“, sagt Eberspächer-Chef Baumann. Wer eine Firma gründen will, muss den Behörden über jedes Mitglied der Geschäftsleitung genauestens Auskunft geben. Und nicht nur das: „Ich sollte auch die Namen meiner Eltern, Geschwister und Schwäger an-geben sowie deren Berufe“, erzählt Baumann. Der Grund: Indische Behörden wollen prüfen, ob womöglich Interessenskonfl ikte bestehen. Unternehmen müssen auch nachweisen, dass Beirat oder Aufsichtsrat pro Quartal einmal vor Ort tagen. „Manchmal fi nden Treffen nur statt, um der F orm zu genügen“, sagt Bau-mann. Als Eberspächer gemeinsam mit einem einheimischen Joint-Venture-Partner einen Kre-dit aufnehmen wollte, mussten beide Firmen für den gesamten Betrag bürgen. „Dabei geht

Hella aus Lippstadt tat im Jahr 1959 einen Glücksgriff: Das Unternehmen vergab Lizenzen für die Produktion von Hupen an einen indischen Automobilzulieferer. Dieser baute das Geschäft immer weiter auf – und schon Ende der 1970er Jahre zählte Hella in Indien zu den führenden Unternehmen für Licht- und Signalsysteme für Pkws und Lkws. „Unsere Marke ist seitdem ein Begriff“, sagt Geschäfts-führer Rolf Breidenbach. Anfang der 1980er Jahre eröffnete Hella dann das erste eigene Werk, in Haryana, rund 130 Kilometer nordwestlich von Delhi.

Heute arbeiten fast 1300 Mitarbeiter an fünf Standorten. Das Unternehmen hat sich wie die meisten Zulieferer in den drei Automobil-Clustern niedergelassen, in Chennai, Pune und rund um Delhi. Dort sind nicht nur die Hersteller, sondern auch gut ausgebildete Fachkräfte.

Auf die Expertise vor Ort setzt das Unter-nehmen aus Lippstadt seit rund zehn Jahren. Im Jahr 2001 eröffnete Hella in Chennai das erste Entwicklungszentrum des Unternehmens in Indien. Im Südosten des Landes arbeiten heute 90 Mitarbeiter, vor allem Ingenieure, die für die Scheinwerfer sparte des Unterneh-mens forschen. Anfangs betraute der deutsche Zulieferer das Forschungszentrum nur mit kleineren Aufgaben. Das zahlte sich aus. Im vergangenen Jahre erhielt das Forschungsteam in Chennai den internen Zuschlag für die

Entwicklung eines kompletten Scheinwerfers. Die alleinige Verantwortung für ein ganzes Projekt hat einen immensen Motivationsschub gebracht. „Unsere Mitarbeiter haben vollen Einsatz gezeigt“, sagt Breidenbach.

Die guten Erfahrungen mit dem indischen Entwicklungsteam aus Chennai haben das Unternehmen veranlasst, noch mehr auf die Forschungsarbeit der Inder zu setzen. In Pune forschen inzwischen 170 Mitarbeiter für die Elektrosparte des Unternehmens, übernehmen Teilaufgaben in der Hard- und Softwareentwicklung oder testen zuge-lieferte Ingenieurslösungen.

Langfristig sollen die Ingenieure Produkte für den indischen Markt vollständig allein entwickeln. „Der indische Markt stellt unser Unternehmen vor ganz andere Herausfor-derungen als der Westen“, sagt Breidenbach.

„Es sind also neue Lösungen gefragt, die zu den indischen Anforderungen passen.“

Die Hoffnung des Zulieferers: Hella will den indischen Markt unter anderem mit Funk-schlüsseln, Gaspedalen und Lichtsensoren durchdringen. „Für diese Produkte er-warten wir weiterhin eine große Nachfrage“, sagt Breidenbach. „Die Plattformen der indischen Kunden unterscheiden sich häufi g, ebenso die sogenannten Bordnetze für die Elektronik.“ Deshalb ist es strategisch sinnvoll, Produkte für den indischen Markt vor Ort zu entwickeln.

Fallstudie Hella

Von der verlängerten Werkbank zum EntwicklungsstandortDer Automobilzulieferer Hella aus dem nordrhein-westfälischen Lippstadt ist seit dem Jahr 1959 in Indien aktiv. Seit zehn Jahren entwickeln Ingenieure vor Ort Teile für den indischen Markt

Produktion von Hella-Lichtsystemen in Indien: 1300 Mitarbeiter arbeiten an fünf Standorten für Hella. Mehr als 250 sind allein mit Forschung und Entwicklung betraut

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es in einem solchen Fall ja darum, Risiken zu halbieren“, sagt Baumann.

Die vielen Hürden trüben allerdings nicht die Euphorie der meisten Unternehmen. Der Eberspächer-Chef ist sicher, dass der Automo-bilmarkt weiter wächst. Die Strategieberatung Roland Berger geht davon aus, dass sich der Verkauf von Pkws zwischen 2010 und 2020 zumindest verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen wird. „Indien wird dann welt-weit der drittgrößte Markt für A utos sein“, sagt Roland-Berger-Partner Aulbur. Die größten Wachstumschancen sieht er im Klein wagen-sektor, auch die Nachfrage in der Mittel- und Oberklasse dürfte steigen. Indien wir d mehr und mehr auch A utoexporteur, produziert kostengünstige Kleinwagen für den Einsatz in anderen Schwellenländern.

Während Autobauer im Westen langfristig stag nierende oder gar schrumpfende Märkte erwarten müssen, steckt Indien also voller Chan-cen. Davon werden vor allem Automobilherstel-ler und Zulieferer profi tieren, die jetzt schon vor Ort sind, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive in Bergisch Gladbach. Der Exper-te rechnet damit, dass der indische Pkw-Markt im Jahr 2012 um 5,9 Prozent zulegt.

Das stetige Wachstum bleibt allerdings nicht ohne Folgen: Indische Angestellte, vor allem gut ausgebildete Manager, handeln fast immer satte Lohnerhöhungen aus, wenn die üblichen Zwei-

Jahres-Verträge auslaufen, berichtet Mahle-Indien experte Horst Kaiser. „Ein Plus von 25 bis 30 Prozent ist nicht selten.“ Wenn hochqualifi -zierte Inder den Arbeitgeber wechseln, erhalten sie auf ihrem neuen Posten mitunter das dop-pelte Gehalt. „Gerade in der Automobilbran-che kämpft jeder um Fachkräfte, die bereits für einen deutschen oder globalen Zuliefer er gearbeitet haben“, sagt Kaiser. Ein Trostpfl as-

ter: Trotz des Wettbewerbs um die besten Köp-fe liegt das indische Lohnniveau immer noch rund 20 Prozent unter dem in China.

Bei aller Euphorie ist Kaiser mit seinen Prog-nosen für Indien vorsichtig. Er traut den Vorher-sagen nicht. „Wenn ich aus dem Fenster schaue, bin ich mir nicht sicher, wohin all die neuen Fahrzeuge überhaupt sollen“, sagt der Mah le-Manager. „Der Traum von Tata, alle indischen Familien mit einem Kleinwagen zu versorgen, ist löblich, aber v ollkommen unrealistisch.“ Überall fehle es an Straßen. Außerdem gebe es keine gezielte Planung, um das Verkehrspro-blem langfristig zu lösen. „Die Inf rastruktur hinkt dem Wachstum immens hinterher.“

Das bekommen Unternehmer auch in der Produktion zu spüren. Mehrmals täglich fällt der Strom aus – egal, wo die Fabrik liegt. „Das ist im Büro nicht weiter schlimm“, sagt Kaiser. „Die Produktion bleibt aber mitten in den Ar-beitsschritten stehen. Arbeitet man mit diamant-besetzten Werkzeugen, sind die hinüber.“ Auch Eberspächer kennt das Problem. Wegen der häu-fi gen Stromausfälle verfügt jeder Standort über ein Notstromaggregat. Ein Dieselmotor versorgt das ganze Werk während des Ausfalls mit Strom.

Zu solchen Mitteln muss Eberspächer an kei-nem anderen Standort weltweit greifen. Und Besserung ist nicht in Sicht. Mit dem W achs-tum Indiens steigt schließlich auch der Energie-bedarf. O SIBY LLE S C HIKOR A

Frau Kaul, sollten deutsche Mittelständler heute in Indien investieren? Indien war und ist ein empfehlens-wertes Ziel, das gilt vor allem für die Automobil-, Telekommunikations- und Energiebranche. Seit langer Zeit pfl egen deutsche und indische Unternehmen enge Partnerschaften, die teilweise ein ganzes Jahr-hundert zurückreichen. Im Moment durchlebt Indien zwar eine Phase mit hoher Infl ation und hohen Zinsen, außerdem wurden notwendige politische Reformen verzögert. Ich

bin aber überzeugt davon, dass der Turnaround bereits begonnen hat. Die fundamentalen Daten in Indien sind robust, es gibt qualifi zier-te Arbeitskräfte, ein belastbares Rechtssystem, eine positive demo-grafi sche Entwicklung und klare Wachstumsperspektiven. Das alles macht Indien zum idealen Standort für den deutschen Mittelstand. Aber Finanzierung und Wechsel-kurse sind stark reglementiert. Welche Folgen hat das?Anders als Europa reglementiert Indien grenzüberschreitende

Zahlungen tatsächlich sehr stark. So sind innerbetriebliche Kredite nur für Investitionen gestattet. Für den wirtschaftlichen Erfolg ist das aber nicht entscheidend. Es gibt vor Ort eine ganze Bandbreite von Finanzie-rungsprodukten. Zum Thema Wäh-rung: Indien hat komplizierte Regeln bei der Dokumentation. Wir transfe-rieren aber täglich hohe Beträge in andere Länder, unsere erfahrenen Teams können deutsche Mittelständ-ler deshalb gut unterstützen. Was kann die Deutsche Bank außerdem für Mittelständler tun?

Wir sind seit 1980 in Indien vertre-ten und beschäftigen inzwischen rund 8500 Mitarbeiter. Die Deutsche Bank gewann hier unter anderem Auszeichnungen als beste Bank für Transaktionen, beste Bank für den Devisenmarkt, beste Investment-bank. Unsere breite Produktpalette wird von einem gut ausgebilde-ten Team gemanagt, das den lokalen Markt und die regulatorischen Bestimmungen sehr genau kennt. All diese Vorteile können wir natürlich an unsere mittelständi-schen Kunden weitergeben.

Interview

„Bei der Finanzierung müssen viele lokale Besonderheiten beachtet werden“

Namrata Kaul leitet das Firmenkundengeschäft der

Deutschen Bank in Indien

Geballtes ExpertenwissenSeit mehr als zehn Jahren gibt es bei der Deutschen Bank das Expertenteam Automotive & Engineering, zuständig für Zulieferer und Maschinenbauer mit Schwerpunkt in der Automobilbranche. Das Team setzt sich aus Branchenspezialisten mit langjähriger Industrie-praxis zusammen und agiert innerhalb eines bank- und industrieübergreifenden Netzwerks. Jedes Jahr werden gemeinsam mit der Firmenkundenbetreuung bis zu 130 Markt- und Strategiedialoge mit Kunden und Nicht-kunden geführt. „Durch den branchen- und technologie orientierten Ansatz verstehen wir das Ge schäftsmodell und die Bedürfnisse unserer Kunden besser und können maßge-schneiderte Lösungen anbieten“, sagt Teamleiter Hans Remsing. Zulieferer und Maschinen-bauer können sich mit Fragen oder für Markt-informationen direkt an Remsing und seine Kollegen wenden.

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