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Immer mehr Stress bei der Arbeit: Ursachen. Folgen. Prävention. Toujours plus de stress au travail: Causes. Conséquences. Prévention. 1 2012 PUNTO Mitgliederzeitschrift Angestellte Schweiz / Revue des membres Employés Suisse Beachten Sie bitte die Beilage: Weiterbildungsbroschüre der Angestellten Schweiz

1 2012 PUNTO - Angestellte · 2012. 12. 7. · Mut zur Musse könnte daher das Motto fürs 2012 heissen. In diesem Sinne wünsche ich IHNEN viel Musse und Ruhe beim Lesen des ersten

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  • Immer mehr Stress bei der Arbeit:Ursachen. Folgen. Prävention.

    Toujours plus de stress au travail:Causes. Conséquences. Prévention.

    1 2012

    PUNTOMitgliederzeitschrift Angestellte Schweiz / Revue des membres Employés Suisse

    Beachten Sie bitte die Beilage:Weiterbildungsbroschüre der Angestellten Schweiz

  • Davantage de justice sociale, un contrôlerenforcé des banques, moins de stress et debousculade, davantage de temps pour vivre.Ce sont là quelques-unes des revendica-tions des mouvements mondiaux Occupy.Selon eux, la société est pervertie et rendmalade, sous le dictat de l’économie etdévorée par le capitalisme.

    Nul ne peut le contester. Notre vie souspression et notre quotidien toujours plusexigeant ont laissé des traces. Le stress autravail a augmenté et s’est installé commeune constante dans notre société – il estmême accepté comme un compagnon. Je stresse, donc je suis. Telle est la devised’aujourd’hui. Ceux qui ne sont pas stresséssont considérés comme des fainéants ou desquantités négligeables. Le mouvementOccupy n’est cependant pas le seul à constater les dégâts collatéraux de cetteévolution. Médecins et psychologues tirentla sonnette d’alarme, eu égard au nombre

    toujours plus élevé de cas de «burnout». Il n’est pas si facile de ralentir une

    société en mouvement. Même les revendi-cations bienveillantes du mouvementOccupy n’y changeront rien. Pourtant, toutle monde a besoin de temps libres pour s’extraire un peu de la bousculade du quoti-dien. C’est exactement ce que réclame l’initiative «six semaines de vacances pourtous» de Travail Suisse (qui doit être sou-mise au vote populaire le 11 mars prochain).Les poètes grecs puisaient déjà l’essentielde leur inspiration dans leurs loisirs.Aujourd’hui, on parle de Work LifeBalance. Seuls ceux qui ont suffisammentde loisirs peuvent compenser le stress autravail. Ayons le courage de nous accorderdes temps libres. Tel pourrait être le sloganpour l’année 2012.

    C’est dans cet esprit que je vous souhaite une lecture reposante et récréativeavec le premier numéro Apunto de l’année.

    Mehr soziale Gleichheit, stärkere Kontrolleder Banken, weniger Stress und Hektik,mehr Zeit zum Leben. Das sind einige For-derungen der weltweiten Occupy-Bewe-gungen. Die Gesellschaft sei in eine Rich-tung pervertiert, die krank mache, unterdem Diktat der Wirtschaft stehe und vomKapitalismus zerfressen sei, monieren sie.Die Ideen dieser jungen Bewegung sind allegut gemeint; konkrete Verbesserungsvor-schläge haben die Aktivisten jedoch kaumim Köcher – das könnte ihnen zum Ver-hängnis werden. Lesen Sie den Bericht zurOccupy-Bewegung in dieser Ausgabe.

    Leugnen können wir es nicht. Unserhektisches Leben und der immer anspruchs-vollere Arbeitsalltag haben Spuren hinter-lassen. Der Stress in der Arbeitswelt hatzugenommen und sich in unserer Gesell-schaft als Konstante eingenistet – und wird

    gar als Begleiter akzeptiert. Ich stresse, alsobin ich, lautet das Motto heute. Wer keinenStress hat, wird gar als unwichtig oderarbeitsfaul stigmatisiert. Doch die Kollate-ralschäden dieser Entwicklung hat nicht nurdie Occupy-Bewegung erkannt – Ärzte undPsychologen schlagen Alarm ob der zuneh-menden Zahl an Burnout-Fällen.

    So leicht lässt sich eine in Bewegunggeratene Gesellschaft nicht entschleunigen– da können auch die wohlwollenden For-derungen der Occupy-Bewegung nichtsdaran ändern. Doch Auszeiten von der Hek-tik braucht jeder. Die 6 Wochen Ferien-Initiative von Travail.Suisse (sie kommt am11. März vors Volk) fördert genau dies.Bereits die griechischen Dichter bezogeneinen grossen Teil ihrer Inspiration aus derMusse. Work-Life-Balance heisst dasheute. Nur wer genügend Musse hat, kannauch den Stress bei der Arbeit aushalten.Mut zur Musse könnte daher das Motto fürs2012 heissen.

    In diesem Sinne wünsche ich IHNENviel Musse und Ruhe beim Lesen des erstenApunto im neuen Jahr.

    I n h a l t

    Immer mehr Stress bei der Arbeit:Ursachen. Folgen. Prävention.

    Toujours plus de stress au travail:Causes. Conséquences. Prévention.

    04 Stress:Befeuert – überhitzt – ausgebrannt07 Stress au travail:

    ne pas être prisonnier de son poste

    09 Burnout:Berg-und-Talfahrt der Gefühle12 Burnout:

    les montagnes russes des sentiments

    13 Interview mit Margot Vanis:Kurzfristiger Stress ist motivierend,wird er zum Dauerzustand, ist er gefährlich

    14 Interview avec Margot Vanis.Un stress de courte durée est stimulant.Un stress permanent est dangereux.

    15 6 Wochen Ferien für alle, das leuchtet ein – Interview mit Martin Flügel und Susanne Blank

    17 6 semaines de vacances pour tous,ça tombe sous le sens –interview avec Martin Flügel et Susanne Blank

    18 100 Jahre Gesamtarbeitsvertrag

    21 Mehr Weiterbildungsangebote bei den Angestellten Schweiz

    22 Occupy-Bewegung:Träume einer besseren Welt

    24 Social Media – nur die Resonanz zählt

    25 Buchtipp:Der Irrtum Powerpoint

    26 Mit der «Prince Abbas» auf dem Nassersee

    28 News

    32 Erfolg aus der Rechtsabteilung

    Reto LinigerRedaktor Apunto

    Recht:Undank ist derWelten Lohn – wennman sich nicht wehrt – Seite 34

    Le courage de s’accorder du temps libre

    Conseil juridique:Avec l’ingratitude pourtoute récompense – si on ne se défend pas – page 35

    Mut zur Musse

    Editorial Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 02 | 03

  • Befeuert – überhitzt – ausgebranntNichts prägt die moderne Arbeitswelt so sehr wie der Stress.Haben wir ihn im Griff oder er uns?

  • Stress Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 04 | 05

  • Es gibt für die News-Redaktorin Rita nichts Langweiligeres alsArbeitstage, an denen nichts läuft. Sie hat lie-ber zu viel als zu wenig zu tun. Erst wenn dieMeldungen in grosser Zahl eintrudeln, läuftsie zu Hochform auf. Ohne etwas Hektik istsie nicht kreativ.

    Auch der Laborant Peter ist keiner, derbei der Arbeit Daumen drehen will. Aber imMoment gibt es so viel zu tun, dass er zu kei-ner ruhigen Minute mehr kommt. Er fürchtet,dass er vor lauter Pressieren einen schlimmenFehler machen könnte. Seit Wochen plagt ihnein hartnäckiges Kopfweh.

    Seit sie die Leitung des Projekts über-nommen hat, ist Ingenieurin Priska nur nocham Reagieren. Sie schiebt Abend für Abendund oft auch an Wochenenden Überstunden.Wenn sie nach Hause kommt, sinkt sie, ohneihrem Mann berichtet zu haben, wie der Tagwar und ohne Nachtessen ins Bett. Sie hat dasGefühl, es am Morgen bald nicht mehr zurArbeit zu schaffen.

    Die drei Beispiele zeigen: Stress ist nichtgleich Stress. Während Rita ein gewissesMass davon braucht, damit sie überhaupt inFahrt kommt, empfindet Peter den Stress alszu viel. Priska fühlt sich von ihm ganz über-mannt. Den positiven Stress, den Rita erlebt,nennt man Eustress. Er beflügelt und machtnicht krank. Sehr wohl aber der Distress, denPeter und Priska erleben. Beim Laborantenzeigen sich als erste Symptome Angst undKopfweh, Priska steht kurz vor dem Zusam-menbruch.

    Volkskrankheit StressEine Studie des Staatssekretariats für Wirt-schaft Seco bringt es an den Tag: Der Stressam Arbeitsplatz hat in der Schweiz in denletzten Jahren massiv zugenommen (siehedazu das Interview auf Seite 13). Ein Drittelder Erwerbstätigen fühlt sich häufig oder sehrhäufig gestresst. Nur 13% sind nie gestresst.Dazu kommt, dass auch mehr Arbeitende denStress schlecht oder gar nicht mehr bewälti-gen können (7%).

    Als Hauptursache des Stresses geben dieBefragten Unterbrechungen an. Aber auchder Zeitdruck in Form von Arbeiten mithohem Tempo und Termindruck ist ein häufi-ger Stressor. Erst dann folgen Umstrukturie-rungen und Neuorganisationen. Weniger insGewicht fallen lange Arbeitszeiten undArbeitsplatzunsicherheit. Das sind, ausserdem letztgenannten, organisatorische Fakto-ren. Stress auslösen können aber auch innereKonflikte eines Menschen aufgrund derArbeitsbedingungen. Unser auf Seite 9 dar-gestelltes Beispiel zeigt, wie eine Entfrem-dung vom Job schliesslich zu einem Burnoutgeführt hat.

    Dass das Seco eine umfassende Stress-studie durchgeführt hat, war notwendig undrichtig. Aber was nützt sie, wenn daraus jetztkeine konkreten Anti-Stress-Projekte entste-hen? Nur mit einer informativen Website hatman den Stress noch lange nicht bekämpft. Erwird unsere Volkswirtschaft weitere Milliar-den jährlich kosten (für das Jahr 2000 –damals war der Stress noch klar weniger ver-breitet – wurden die Kosten auf vier Milliar-den Franken geschätzt. Für 2010 wurde schongar keine Schätzung mehr gemacht). DerWille, an der Situation etwas zu ändern,scheint beim Seco nur begrenzt vorhanden.Sinnvoll wären griffige und konkrete Mass-nahmen, die Arbeitgeber und Mitarbeitendezu konstruktiven Lösungen ermutigen würden.

    Stress macht krankAls Karoshi – Tod durch Überarbeiten –bezeichnet man in Japan einen plötzlichenberufsbezogenen Tod. In Frankreich sindmehrere Fälle von Selbstmord am Arbeits-platz bekannt geworden. Der Tod ist dieschlimmstmögliche Folge von Stress. Aberauch wenn man am Leben bleibt, sind dieStressfolgen höchst unangenehm. BrigittaDanuser, die Leiterin des Institut universitaireromand de santé au travail (IST), zählt imApunto-Interview (Seite 7 ) als Stressfolgenu. a. Schlafstörungen, Skelett- und Muskeler-krankungen und Herzprobleme auf. Dazukommen psychische Leiden wie Angststörun-gen, Depressionen, Gereiztheit oder Schwer-mütigkeit. Dass Stress krank macht, steht fürsie ausser Zweifel. «Man kann aber auchsagen, dass das Krankheitsrisiko mit derIntensität des Stresses steigt», ergänzt sie.

    Zwischendurch kurz mal Stress zu habenschadet dem Organismus nicht. «Es ist derchronische Stress, der schadet», sagt Danuser.«Man legt Pendenzenlisten an, man beginntzu grübeln, man zweifelt an der eigenen Leis-tungsfähigkeit, man schläft nicht mehr gutund man nimmt zu oder ab.» Als einen derHauptfaktoren sieht die Arbeitsgesundheits-expertin die Angst um den Arbeitsplatz.

    Wenn gar nichts mehr geht: BurnoutDie Projektleiterin Priska, von Natur ausfröhlich und sozial, mag nicht mehr erzählen

    Länger arbeiten muss nicht krank machenViele Unternehmen haben wegen des starken Frankens im letzten Jahr die Arbeitszeiterhöht. Ökonomisch macht das Sinn, wie eine Studie von Professor George Sheldon von derUniversität Basel zeigt. Sie kommt zum Schluss, dass «eine Verlängerung der Regelarbeits-zeit ein gangbarer Weg ist, um drohende Entlassungen zu vermeiden». Aber was sind dieAuswirkungen auf die Gesundheit? Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt keine Studien,die das schlüssig beantworten würden.

    Vor allem gibt es nur ganz wenige Untersuchungen, welche die Auswirkungen von 1 bis 3 Mehrstunden pro Woche, und davon sprechen wir, zum Gegenstand haben. Eine ein-deutige Aussage gibt es lediglich für den Blutdruck, der bereits ab einem Pensum von mehrals 40 Wochenstunden signifikant zunimmt. Bezüglich Herzkrankheiten, Diabetes, Schlaf-losigkeit, Unfällen oder Einschränkungen des Gedächtnisses kann ein gewisser Einflussvermutet werden.

    Umgekehrt kann auch Kurzarbeit, die aktuell wieder zum Thema wird, Stress undKrankheiten auslösen – weil man Angst hat, den Arbeitsplatz ganz zu verlieren oder weilman sich schämt, wenn einen die Nachbarn an Wochentagen zu Hause beobachten.

    Nützliche LinksWenn Sie zu viel Stress haben, lassen Sie sich beraten! Infos finden Sie hier:> Gesundheitsförderung Schweiz: www.gesundheitsfoerderung.ch> Institut für Arbeitsmedizin: www.arbeitsmedizin.ch> Institut universitaire romand de santé au travail: www.i-s-t.ch

  • Stress Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 06 | 07

    Subissez-vous du stress dans votre travail?Je subis passablement de stress, en

    effet. Le stress est toujours lié à des contraintes. Mais j’ai aussi des ressources,notamment dans le domaine de l’organisa-tion. Je peux planifier ma manière de travailler. Le fait de rencontrer du succèsdans mes projets, de participer à des réseaux nationaux et internationaux m’aideégalement à gérer le stress.

    Une nouvelle étude du Seco le constate clairement: le niveau de stress a nettementaugmenté depuis 2000. Etes-vous surprise?

    Non, je ne suis pas surprise. Le mondedu travail devient de plus en plus concurren-tiel. Aujourd’hui, une seule personne seretrouve à faire le travail qui était effectuépar deux ou trois autres en 2000. La souffrance a augmenté et elle se manifestede diverses façons. Certains deviennent nerveux. D’autres ne savent plus par quelle tâche commencer. Les symptômes physiques sont fréquents: troubles du som-meil, du squelette et des muscles, problè-mes cardio-vasculaires. Les symptômespsychiques apparaissent également: trou-bles anxio-dépressifs, irritabilité, troublesdu sommeil, troubles de l’humeur.

    Donc, on peut mourir de trop travailler,comme le karoshi des Japonais?

    Les suicides au travail, par exemple en France, montrent qu’on peut mourir au travail. Pour ce qui est de mourir du stress lui-même, le karoshi est connu, mais il n’y apas de cas répertorié en Europe. En Grande-Bretagne, les Whitehall Studies ont montréque les personnes stressées ont un risque 2 fois plus élevé de voir apparaître unemaladie liée au stress sur une période decinq ans. C’est l’une des études les pluscitées, mais il y en a d’autres. On peut direaussi que le risque de maladie augmenteavec l’intensité du stress. Il est donc question de dose-réponse: plus il y a destress, plus grand est l’effet.

    Quelles sont les conséquences à long terme du stress?

    Un stress de courte durée n’a pas vraiment d’effet sur l’organisme, à moinsde subir un choc très important qui com-porte le risque de mourir d’un excès d’adré-naline. C’est le stress chronique qui a uneffet sur l’organisme avec les conséquencessuivantes: on se met à faire des listes, onrumine, on doute de ses performances et deses capacités, des symptômes physiques ou

    Un entretien avec la Professeur Brigitta Danuser

    Stress au travail:ne pas être prisonnier de son posteSpécialiste en médecine du travail, Brigitta Danuser dirige l’Institut universitaire romand de santé au travail (IST). Situé à Lausanne depuis1994, il regroupe les structures pré-existantes de Lausanne et Genève.Après des années d’assistanat en médecine générale à Zürich et enen Suisse orientale, elle s’est consacrée à la médecine du travail à l’Institut de l’EPFZ,dès 1987, et à Londres (1991).Titulaire de la chairede médecine du travail de l’Université de Lausanne depuis 2003, elle dirige l’IST depuis octobre 2005.Elle a présidé l’Association des médecins du travail suisses jusqu’en 2010.

    und nicht mehr essen; sie zieht sich zurück.Magenweh und Verdauungsbeschwerdensind stetige Begleiter, und den Schlaf, den sieso dringend nötig hätte, findet sie fast nichtmehr. Laut Danuser sind dies alles möglicheHinweise auf ein Burnout. Medizinisch gese-hen ist ein solches nichts anderes als eineErschöpfungsdepression. Wenn die Arbeit dieUrsache ist, spricht man aber von Burnout –das klingt schliesslich mehr nach Einsatz undLeistung und kann darum auch von Managernakzeptiert werden. (Mehr zu Burnout in denInterviews auf Seite 9 und 13.)

    Vorbeugen ist besser als heilenBevor er zum Problem wird, soll man denStress vermeiden, rät Brigitta Danuser. Wennman ihn am Arbeitsplatz nicht abbauen kann,soll man sich einen Arbeitsplatzwechsel über-legen. Aushalten soll man ihn nur, wenn vor-aussehbar ist, dass er bald verschwinden wird– z. B. weil der mühsame Chef in einem hal-ben Jahr pensioniert wird.

    Der Arbeitgeber, der die Persönlichkeitdes Angestellten schützen muss, hat für klareArbeitsverhältnisse zu sorgen. Wenn einArbeitnehmer z. B. zwei Chefs hat, sind Kon-flikte vorprogrammiert. Für Anliegen desAngestellten muss der Arbeitgeber ein offe-nes Ohr und Verständnis haben.

    Brigitta Danuser kritisiert, dass Ange-stellte dauernd beurteilt werden, häufig auf-grund zweifelhafter Kriterien. «Wir solltenauch unsere Beziehung zur Arbeit überden-ken», fordert sie zudem, «Arbeit ist nur eineunserer Rollen im Leben.» Auf der Ebene derGesellschaft sieht sie eine dringende Notwen-digkeit, dem Einzelnen mehr Autonomie,mehr Handlungsspielraum zu geben:«Jede(m) könnte man z. B. das Recht geben,zwei oder drei bezahlte Jahre zu beziehen fürWeiterbildung oder Kinderbetreuung.»

    Hansjörg Schmid

  • psychiques apparaissent tels que troubles dusommeil, gain ou perte de poids. Ensuite, desmaladies peuvent apparaître, comme déjàévoquées plus haut. Un des plus grands facteurs de stress est la peur de perdre sonemploi. Or, celle-ci est devenue chronique, etl’enquête de santé de 2002 a montré que lessalariés qui craignent de perdre leur emploiprésentent plus de problèmes de santé. Perdreson emploi est une menace pour ce qui consti-tue la base même de la vie, tant le travail estimportant au niveau du statut social.

    Lorsqu’on a mal au dos, on peut compter sur la sympathie de ses collègues. Mais celui qui s’avoue victime de dépressionsuscite la méfiance…

    Il est vrai que les maladies psychiquessont mal perçues. Si l’on dit d’un vendeurqu’il est dépressif, la question va se poser sur son attitude face au client. La peur desmaladies mentales est liée à l’idée que la per-sonne concernée n’est pas totalement fiable.Il faudrait faire une campagne d’informationà ce sujet et les personnes qui sont passées parlà devraient pouvoir témoigner.

    Quelle est la différence entre dépression et burn-out?

    En principe, le burn-out est une dépres-sion d’épuisement. Les deux diagnostics ontbeaucoup de choses en commun et le traite-ment est pratiquement le même. Le burn-outse traite comme une dépression, avec des antidépresseurs et une psychothérapie qui aidela personne à mieux gérer sa vie. Il reste quel’élément déclencheur du burn-out est le travail, alors que la dépression est liée à beau-coup d’autres éléments. Dans la thérapie duburn-out, il faut donc d’abord corriger la relation avec le travail. Mais cela ne suffit pastoujours: je connais des médecins qui n’ont paspu reprendre leur activité médicale, ou seulement après quatre ou cinq ans. Normale-ment, le burn-out dure environ une année.Mais en fin de compte, il y a des gens qui doi-vent tout de même changer de travail.

    Existe-t-il des signes avant-coureurs de burn-out?

    Le burn-out se caractérise par 1. un épui-sement physique ou émotionnel, 2. une déper-sonnalisation: perte d’empathie, détachementexcessif dans les rapports avec autrui,cynisme et 3. un manque d’accomplissementpersonnel: plus le sujet fait d’efforts pourfaire face, plus il s’épuise, plus il se démotive

    et il commence a avoir des doute sur ses capacités. Ses performances s’en ressententégalement. Les problèmes de santé associéssont les maux de tête, les douleurs d’estomac,les rhumes à répétition, les troubles intestinaux, les perturbations du sommeil. Lechangement de personnalité comme c’est lecas par exemple d’une personne empathiqueet sociale qui montrerait progressivement undétachement excessif dans son rapport avecautrui est un vrai signe d’alarme.

    Qu’en est-il du mobbing?Le mobbing ou harcèlement moral, c’est

    compliqué. C’est toujours problématiqued’intervenir dans les relations entre person-nes. Il est dès lors conseillé de s’adresser à descentres spécialisés pour cela. Il n’y a pas tou-jours de solution, et je pense qu’il faut parfoisse résoudre à quitter son emploi. On nedevrait jamais être prisonnier de son poste.Bien sûr, les gens voudraient porter leur casdevant la justice. Mais la Suisse n’est pas lesEtats-Unis. Chez nous, celui qui a gain decause reçoit 3000 ou 4000 CHF et le cheminpour y arriver est long.

    Les Romands se trouvent, selon une étude du Seco, deux fois plus souvent hors d’état degérer leur stress. Est-ce dû à des conditionsde travail plus dures ou au fait que lesRomands se plaignent plus?

    La crise a touché la Suisse romande plusfortement que la partie alémanique. Il y aaussi la plus grande proximité de la frontière,surtout à Genève.

    Que conseillez-vous à ceux qui sont déjà malades du stress et que les médicaments n’aident plus beaucoup?

    Qu’ils viennent à notre consultation«souffrance au travail», ouverte depuis mai2011! Ils recevront des conseils et desrecommandations sur la base d’une analyse de leur situation. Présentent-ils déjà des symptômes induits par le stress? Nous évaluons également leurs ressources avant de déboucher sur l’une ou l’autre des trois possibilités qui leur est donnée. En effet, lapersonne a le choix entre réduire son stress,quitter son poste ou supporter la situation.Cette dernière solution peut par exemple êtreprivilégiée si le stress est lié à un supérieur quiva prendre sa retraite dans les six mois. Notreconsultation, prise en charge par la l’assurancemaladie de base, permet de discuter ces troispossibilités et d’évaluer les solutions.

    Que peuvent faire les employeurs pour faire en sorte de réduire les sources de stressinutile au travail?

    Des mesures peuvent être prises auniveau de l’organisation du travail. Il faut faire en sorte d’éviter les demandes

  • conflictuelles, par exemple s’il y a deuxchefs. Une fois les exigences clairementposées, l’employé doit être en mesure de lesremplir. Enfin, l’employé doit aussi avoirl’impression qu’il sera entendu et soutenu encas de problème.

    Que faudrait-il faire pour que, d’ici 2021, il soit possible de dire que les Suisses souffrentsignificativement moins dans leur travail?

    Une des choses à faire serait d’arrêterl’évaluation permanente des employés, souvent basée sur des critères qui ne sont pasbons. Deuxièmement, il conviendrait dechanger notre relation au travail qui est seulement un de nos rôles dans la vie. D’unemanière générale, il serait bon de donner unemarge de manœuvre à l’individu. On pourraitdire par exemple que chacun a le droit de prendre deux à trois ans payés par la Con-fédération pour se consacrer à sa formationou à ses enfants. Donner plus d’autonomie autravailleur est une recette contre le stress. Certes, cette approche contredit la volontéactuelle de toujours intervenir au niveau de l’entreprise, de changer l’organisation.Donner plus de flexibilité à l’individu seraitfinalement plus efficace.

    Propos recueillis par Mohammad Farrokh

    Stress Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 08 | 09

    An jenem Morgen fühlte sich HartmutLamott so übermannt von Niedergeschlagen-heit, aber auch Angst, dass er beschloss, sei-nen Hausarzt aufzusuchen. «Ich hatte Panik.Vielleicht, dachte ich, stimmt mit meinemHerzen etwas nicht. Ich zitterte, hatteSchweissausbrüche. Ich war nicht mehr inder Lage, Auto zu fahren. Wäre ich zur Arbeitgegangen, ich wäre nur dagesessen und hätteteilnahmslos auf den Bildschirm gestarrt.»Der Arzt sagte schliesslich zu ihm: «Sie wis-sen sicher selber, was Sie haben.» «Nein»,erwiderte der Patient. Da eröffnete ihm derArzt, dass er ein Burnout habe. HartmutLamott war baff. Ihn, den Psychologen, dersich selber für die Burnout-Prophylaxe ein-gesetzt hatte, hatte diese Krankheit getroffen.Und er hatte es nicht einmal realisiert.

    Das war vor knapp zwei Jahren,Lamott stand kurz vor dem 57. Geburtstag.Mit ruhiger, leiser Stimme erzählt dergebürtige Deutsche, wie er den Zusammen-bruch damals erlebt hat. Er wählt seineWorte mit Bedacht und formuliert druck-reife Sätze. Man spürt, wie ihm das drama-tische Erlebnis eingefahren ist, aber es wirdauch sofort offensichtlich, dass er sich vieleGedanken darüber gemacht und Konse-quenzen gezogen hat. Hartmut Lamott, eingrosser, gepflegter Mann, wirkt heutegefasst und wieder im Leben angekommen.

    Entfremdung von der ArbeitUm zu verstehen, warum er in ein Burnout,respektive eine Erschöpfungsdepression,wie er es lieber nennt, geraten sei, müsseman zwei Ebenen betrachten, sagt HartmutLamott: die Persönlichkeit und das struktu-relle Umfeld. Er schildert sich als neugieri-gen, analytischen und gründlichen Men-schen, der sich nicht mit der erstbestenErklärung zufrieden gibt. Entscheidungenfällt er, wenn er ein gutes Bild der Situationhat. Dieser Persönlichkeitszug sei mehr undmehr in Konflikt mit dem Arbeitsumfeldgeraten. Lamott arbeitete viele Jahre als Per-sonalentwickler in einem grossen, globaltätigen IT-Unternehmen. Dieses richtete sichimmer mehr auf Prozesse aus, die Weiterbil-dungsbudgets wurden zusammengestrichen,Entscheidungen immer kurzfristiger gefällt.In den letzten eineinhalb Jahren hatte derHR-Mann, der in einer Matrix eingeordnetwar, auf der internationalen Ebene vier ver-schiedene Vorgesetzte an vier Orten auf derWelt, nämlich Singapur, Kanada, Belgienund United Kingdom. Persönlich getroffenhatte er sie entweder einmal oder nie. So zuarbeiten ging Hartmut Lamott, dem Bezie-hungen sehr wichtig sind, immer mehr gegenden Strich. Es entsprach nicht seinen Über-zeugungen. Aber er machte weiter. «Ich hätteauf die Bremse treten, mal innehalten sol-

    Brigitta Danuser.

    Berg-und-Talfahrt der GefühleErst als ihm der Hausarzt die Diagnose stellte, realisierte Hartmut Lamott,warum er sich so schlapp und antriebslos fühlte:Er war in ein Burnout gefallen.Ausgerechnet er als ausgebildeter Psychologe! Lesen Sie,wie und warum es passierte und wie Hartmut Lamott wieder aus dem Tief fand.

  • Burnoutgefährdet? So verhalten Sie sich richtigHartmut Lamott rät allen, die Gefahr laufen könnten, in ein Burnout zu geraten oder schoneines haben, sich selbstkritisch mit folgenden Fragen auseinander zu setzen:

    > Nehme ich in meinem Arbeitsumfeld mehr und mehr zynische und sarkastische Bemerkungen wahr, auch bei mir selber?

    > Fühle ich mich im Team isoliert?> Erhalte ich mein Gehalt für meine gern erbrachte Leistung oder ist es ein Schmerzensgeld?> Hat sich mein Verhalten gegenüber Freunden und/oder der Familie verändert?

    Hat sich das Verhalten der Freunde oder der Familie mir gegenüber verändert?> Habe ich Zukunftsängste? Nehme ich sie ernst, setzt ich mich mit ihnen auseinander?> Welchen Stellenwert hat mein jetziges Einkommen?

    Wie könnte ein Leben mit finanziellen Einbussen, aber mehr Lebensqualität aussehen?

    Wenn die Antworten auf diese Fragen kritisch sind, holen Sie sich Hilfe. Haben Sie keinefalsche Scham. Es geht um Ihre Gesundheit, Ihre Arbeitsfähigkeit ist Ihr Kapital. Das Lebenliegt noch vor Ihnen!

    len», sagt er im Nachhinein. «Aber ich hatteden Mut nicht, die Firma rechtzeitig zu verlas-sen.» Er erinnert sich, wie er sich sogar vor sei-ner Frau für seinen Job rechtfertigte, obwohler selbst nicht mehr überzeugt war, dass es derrichtige für ihn war.

    ExistenzangstSo kam der Tag, an dem alles anders wurde.Der Hausarzt erklärte dem Ausgebrannten,dass er nichts mehr für ihn tun könne. Er brauche Hilfe von einem Spezialisten. Via einKriseninterventionszentrum trat Lamottumgehend in eine Klinik mit einer Abteilungfür Stressfolgeerkrankungen ein. «Jetzt warich das erste Mal als Patient in einer solchenInstitution, und es hat grosse Verunsicherungausgelöst», erinnert er sich an diesen Tag.«Zuerst war es schwierig. Ich habe ständiggegrübelt und mich gefragt, ob ich je wiederso funktionieren werde wie vorher. Ich hattegrosse Existenzängste.» Die Klinik stellte einspeziell auf ihn zugeschnittenes Programm

    mit Massnahmen wie Gesprächstherapie,Gruppentherapie, Stresspräventionstraining,Ergotherapie, Akupunktur, autogenes Trai-ning, aber auch einem leichten Medikamentfür einen besseren Schlaf zusammen.

    Nachdem Hartmut Lamott nicht einmaleine Woche in der Klinik war, bekam seineFrau ein Telefon von seinem Chef. Er erklärteihr, dass ihr Mann angedeutet habe, er wollenicht bis zur Altersgrenze im Unternehmenbleiben. Darum wolle er ihm ein Austrittsan-gebot machen. Er müsse sich aber in zwei bisdrei Wochen entscheiden. «Meine Frau warblank entsetzt», erinnert sich Lamott. «Sieärgerte sich darüber, dass man mich schonnach einer Woche Absenz loshaben wolle. Sieredete, um mich zu schützen, zuerst gar nichtmit mir darüber. Ich glaube zwar nicht, dasses vom Chef so gedacht war, aber es kam imdümmsten Moment. Einen solchen Entscheidfällen zu müssen, störte den Heilungsprozessmassiv.»

    Acht Wochen verbrachte Lamott in derKlinik. Den Aufenthalt und die Therapie-massnahmen schätzt er als sehr hilfreich ein, insbesondere die Gespräche. «In derGesprächsgruppe musste ich zuerst meine

    «Es war ernüchternd festzustellen,dass ich mir nicht mehr als drei, vier Begriffe merken konnte.»

    Auf hoher See tankt Hartmut Lamott jeden Sommer neue Kraft.

  • Stress Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 10 | 11

    Rolle finden», denkt er belustigt zurück, «ichwar ja nicht als Psychologe da, sondern als Patient.» Am Schlimmsten findet er imRückblick die Einschränkung der kognitivenFähigkeiten: «Ich bekam ein Training fürKonzentration und Gedächtnis. Es war er-nüchternd festzustellen, dass ich mir zuerstnicht mehr als drei, vier Begriffe merkenkonnte. Es hat sehr lange gedauert, bis dasbesser wurde.»

    NeuorientierungAuf die Entlassung wurde der Patient vor-bereitet, indem u. a. ein Tagesablauf geplantwurde. So toll funktionierte das dann allerdings in der Praxis nicht. Tage, die zuvor durch Arbeit, respektive Therapien

    ausgefüllt waren, waren jetzt ziemlich leer.Fixpunkte blieben wenigstens eine Zeit langdie Gespräche mit dem Oberarzt, die weiter-geführt wurden.

    Hartmut Lamott gab sich schliesslich selberein handwerkliches Projekt – er strich zweiMonate lang das Haus neu und verbrachteeinen Teil des Sommers auf der Ostsee.Gleichzeitig begann er, sein Berufsleben neuzu ordnen. Er arbeitet heute als selbstständi-

    ger Berater in der Personal- und Organisati-onsentwicklung. Das Pensum hat er reduziert.«Das kann so bleiben oder mehr werden»,sagt er. Finanziell muss er eine empfindlicheEinbusse hinnehmen, da er keine Invaliden-rente bezieht.

    Für die Frau und die Kinder sei es aucheine harte Zeit gewesen, betont Lamott. Siehätten es plötzlich mit einem anderen Men-schen zu tun gehabt und sie hätten ihm nichthelfen können. Nach dem Klinikaufenthaltseien Themen aufgetaucht, über die man sichgar nicht so richtig zu reden traute.

    Die Frage, ob er denke, dass es be-stimmte Typen von Menschen gebe, die burn-outgefährdet seinen, stimmt Hartmut Lamottsehr nachdenklich. Er glaubt, dass es vor

    «Das Gefühl von Hilflosigkeit,Unsicherheit und Selbstzweifelnkann man nicht einfach abduschen.»

  • allem Menschen treffe, die sich mit der Firmaidentifizieren, die ein hohes Mass an Verbind-lichkeit haben und die nachdenken über das,was sie tun. Er äussert die klare Meinung,dass die Chefs viel mehr darüber wissenmüssten, wie Menschen funktionieren. «DasMBA qualifiziert nicht für die Führung vonMenschen», ist er überzeugt. «Die üblichgewordene Reduktion von Mitarbeitern aufProzess-Schnittstellen und Erfüller vonPflichtenheften ist menschenfeindlich undschadet letztlich dem Unternehmen.»

    Ein anderer Mensch«Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, fah-ren einem so in die Knochen, das vergisst mannie mehr», sagt Lamott rückblickend. «DasGefühl von Hilflosigkeit, Unsicherheit undSelbstzweifeln kann man nicht einfach abdu-schen.» Aber das Erlebnis hatte für ihn auchsein Positives: «Ich bin heute ein andererMensch. Ich habe gelernt, und lerne nochimmer, Nein zu sagen, in allen Lebensberei-chen. Ich versuche, nur noch das zu tun, wasich möchte. Und ich arbeite nur noch mit Leu-ten zusammen, bei denen ich das Gefühlhabe, dass ich etwas bewirken kann.»

    Hansjörg Schmid

    Il aura fallu que son médecin pose le diagnostic de «burnout» pour que MarcLamott comprenne pourquoi il se sentaitépuisé, comme s’il était vidé. Pour en cernerles motifs, il faut prendre deux aspects enconsidération, explique-t-il, à savoir la personnalité et l’environnement structurel.Marc Lamott se présente comme un espritcurieux, rationnel et scrupuleux. Il prend desdécisions lorsqu’il a une vision claire de lasituation. Selon lui, ce trait de caractère estde plus en plus souvent en conflit avec sonmilieu professionnel.

    Marc Lamott travaille depuis de nombreuses années dans le domaine dudéveloppement personnel au sein d’unesociété informatique de taille mondiale.Mais l’organisation est de plus en plus orientée vers les processus, des budgets deformation ont été supprimés, les décisionssont prises dans des délais toujours plusbrefs. Travailler dans ces conditions ne correspond plus aux convictions de MarcLamott. Pourtant, il continue. «J’aurais dû ralentir, lever le pied», explique-t-il rétrospectivement. Mais je n’ai pas eu lecourage de quitter l’entreprise lorsque celaaurait été le bon moment.»

    L’aide d’un spécialistePuis est venu le jour où tout a basculé. Lemédecin expliqua à son patient exténué qu’ilavait besoin de l’aide d’un spécialiste. Par lebiais d’un centre d’intervention de crise,Marc Lamott a été admis sans délai dans uneclinique dotée d’un service qui soigne lesmaladies liées au stress. Un programme surmesure lui a alors été proposé.

    Moins d’une semaine après son admission en clinique, la femme de MarcLamott recevait un appel téléphonique deson supérieur lui expliquant son intention desoumettre une offre de démission. Marc

    Lamott disposait d’un délai de deux à troissemaines pour prendre sa décision. «Mafemme était hors d’elle», se souvient-il. «Je ne pense pas que cela était intentionnelde la part de mon chef, mais cette demandearrivait au plus mauvais moment. L’obligation de prendre une telle décision a perturbé gravement le processus de guérison.»

    Marc Lamott a passé huit semaines enclinique. Il considère que son séjour et letraitement thérapeutique lui ont été d’un précieux secours, les entretiens en particulier.

    Devenu un autre hommeAujourd’hui, Marc Lamott est consultantindépendant dans le domaine du développe-ment personnel et de l’organisation. Il aréduit le champ de son activité. «Mes expé-riences passées sont restées gravées en moi,je ne suis pas près de les oublier», explique-t-il rétrospectivement. «Le sentiment dedétresse, d’incertitude, l’absence de confi-ance en soi, tout cela ne peut pas être balayéd’un revers de main.» Mais ce vécu a eu aussi son côté positif. «Je suis devenu un autre homme. J’ai appris à dire non. Jem’efforce de faire ce que j’ai envie.»

    Hansjörg Schmid

    Les montagnes russes des sentiments

  • Stress Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 12 | 13

    Die Stressstudie 2010 hat festgestellt: Mehr Leute sind heute wegen ihrer Arbeitgestresst. Sind Sie überrascht?

    Nein. Der Zeitdruck hat zugenommen.Erwerbstätige müssen vermehrt unter Ter-mindruck arbeiten. Auch die zunehmendeUnternehmensführung mit Zielen ist proble-matisch. Ziele sollten den vorhandenen Res-sourcen angepasst werden. Wer jedes Jahranspruchsvollere Ziele setzt, die Erwerbstäti-gen nur an den gesetzten Zielen misst und diegeleisteten Arbeitszeiten in Vergessenheitgeraten, fördert die so genannte interessierteSelbstgefährdung. Das heisst, der Arbeitneh-mende lässt alles ausser Acht, nur um diegesteckten Ziele zu erreichen. So kommen dieLeute wirklich in Stress und arbeiten rund umdie Uhr, um die Ziele zu erreichen.

    Welches sind weitere konkrete Belastungsfaktoren?

    Weitere Stressoren sind Unterbrechun-gen und Umstrukturierungen. Wichtig scheintmir auch die Effort-Reward Imbalance. Dasheisst, der eigene Aufwand und die dafürerhaltene Belohnung stehen für die Erwerbs-tätigen in einem Missverhältnis. Es geht nichtnur um Lohn, sondern auch um Immaterielleswie Wertschätzung und Anerkennung. Orga-nisatorische Probleme sind auch gewichtigeStressoren. Unklare Aufträge wirken belas-

    tend, werden diese hingegen klar und nach-vollziehbar formuliert, gibt das Sicherheitund Struktur. Auch die emotionale Dissonanzgeneriert Stress; dies als Folge unserer zuneh-menden Dienstleistungsgesellschaft. Man istgezwungen Gefühle zu zeigen, die nicht denwahren entsprechen, z. B. wenn jemand dau-ernd lächelt im Umgang mit unzufriedenenKunden oder Kontrolleure im Bus und Zugfreundlich bleiben müssen, auch wenn sie aufaggressive Kundschaft treffen.

    Welche Folgen kann übermässiger Stress haben?

    Kurzfristiger Stress kann motivierendwirken. Problematisch wird es, wenn derStress ein Dauerzustand ist. Man wird zuerstweniger freundlich und reagiert genervt. Spä-ter kann er zu Ängsten, Depressionen undHerz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Stressführt also nicht nur zu psychischen Erkran-kungen, sondern auch zu physischen. Im Pri-vatleben vernachlässigt man Beziehungen,obwohl Beziehungen eigentlich wichtig

    «Kurzfristiger Stress ist motivierend, wird erzum Dauerzustand,ist er gefährlich»Die aktuelle Stressstudie 2010 des Seco bestätigt die Annahme:Der Stress am Arbeitsplatz hat massiv zugenommen.Margot Vanis war Koordinatorin der Studie. Im Interview zeigt sie auf,wo die Gründe für die Zunahme liegen und wie man Stress reduzieren kann.

    wären, um Stress abzufedern. Wenn manweniger Sport macht, weil man Stress hat,kommt man in einen Teufelskreis.

    Wie kann man sich denn vom Stress befreien? Pausen machen. Und den Ursachen von

    Stress nachgehen. Erst wenn man genau hin-schaut, kann man auch Massnahmen dagegenentwerfen. Wichtig wäre auch, das Gesprächmit Mitarbeitern und dem Chef zu suchen.Nicht nur die grosse Arbeitsmenge stresst. Essind auch organisatorische Abläufe, die eineRolle spielen. Man muss auch Prioritäten set-zen, für Ruhezeiten sorgen, sich bewegen undBeziehungen pflegen.

    Was müssten Arbeitgeber tun, damit ihre Angestellten sich nicht unnötig stressen?

    Er sollte die Mitarbeitenden bei wichti-gen Entscheidungen einbeziehen und sieArbeitsabläufe selber organisieren lassen.Der Arbeitgeber sollte ein gewisses Mass anAutonomie gewähren und ein kooperativesKlima im Arbeitsteam fördern. Es brauchtauch eine gute Arbeitsplanung. ÜbermässigerStress wirkt sich immer auf die Qualität derArbeit aus. Der Arbeitgeber hat also ein gros-ses Interesse daran, dass die Belastungsfakto-ren möglichst reduziert werden. Vorgesetztesollten respektvoll sein und unterstützendwirken, Rückmeldungen zur geleisteten

    StressstudieDie aktuelle Stressstudie finden Sie aufder Homepage des Seco. Weitere Infos zuStress und Massnahmen dagegen findenSie unter: www.stressnostress.ch

    Margot Vanis.

  • L’étude 2010 du Seco sur le stress confirmecette hypothèse: le stress au travail a consi-dérablement augmenté. Margot Vanis, coor-dinatrice de l’étude, nous expose dans cetentretien les motifs de cette évolution et nouslivre quelques pistes pour réduire le stress.

    Selon le constat de cette étude 2010 sur lestress, les gens stressés par leur travail sontde plus en plus nombreux. Cela vous surprend-il?

    Non. C’est de plus en plus la course con-tre la montre. La population active doit faireface à une pression des délais toujours plusgrande dans leur travail. La tendance à gérerl’entreprise à partir d’objectifs est égalementproblématique. Il serait préférable d'ajusterles objectifs aux ressources disponibles.Fixer chaque année des objectifs plus élevés,évaluer les individus par rapport à des objectifs, et ne pas tenir compte des heureseffectuées, cela revient à encourager la miseen danger de soi par intérêt. Autrement dit,l’employé délaisse tout, à la seule fin d’atteindre les objectifs imposés. C’est alorsque les personnes deviennent réellementstressées et travaillent 24 heures sur 24 pourréaliser les objectifs.

    Quels peuvent être d’autres facteurs concrets de surmenage?

    Les interruptions et les restructurationsconstituent d’autres facteurs de stress. Ledéséquilibre entre l’effort fourni et la récom-pense (Effort Reward Imbalance) me sembleégalement important. Autrement dit, il y asouvent un décalage entre l’investissementindividuel et le salaire reçu en contrepartie. Ilne s’agit pas uniquement d’argent, mais ausside valeurs immatérielles telles que l’estimeet la reconnaissance. Les problèmes d’organisation sont d’autres facteurs significatifs de stress. Des tâches mal défi-

    nies sont une source de fatigue, tandis quedes tâches formulées de façon claire et com-préhensible sont structurantes et donnent del'assurance. Les dissonances émotionnelles,une conséquence de notre société de plus enplus tournée vers le service, génèrent aussidu stress. De plus en plus, il nous estdemandé de montrer des sentiments qui necorrespondent pas à ceux que l’on éprouveréellement, comme telle personne qui gardetoujours le sourire, même avec des clientsinsatisfaits, ou encore les contrôleurs dans le bus ou dans le train, qui doivent rester aimables, y compris face à une clientèleagressive.

    Quelles peuvent être les conséquences d’un stress excessif?

    Un stress de courte durée peut être stimulant. Cela devient problématique lors-que le stress est un état permanent. On est toutd’abord moins aimable et on réagit avec éner-vement. Ensuite, cela peut conduire à desangoisses, des dépressions et des maladiescardiaques et circulatoires. Le stress provo-que des maladies non seulement psychiques,mais également physiques. Dans la vie privée,on néglige les relations, bien que celles-ci soient essentielles pour amortir le stress. Si onfait moins de sport pour cause de stress, celarevient à entretenir un cercle vicieux.

    Que peut-on faire pour se libérer du stress? Faire des pauses. S’intéresser aux raci-

    nes du stress. Identifier les causes du stresspour trouver les moyens de l’éradiquer. Il estessentiel de rechercher le dialogue avec lesemployés et le chef. Un gros volume de tra-vail a également un effet stressant. Mais lesprocessus organisationnels jouent égalementun rôle. Il convient aussi de fixer des priori-tés, de prévoir des temps de repos, de bougeret d’entretenir des relations.

    Que devrait faire l’employeur pour ne pas stresser inutilement ses employés?

    Il devrait impliquer les salariés dans lesdécisions importantes et leur permettre d’organiser eux-mêmes leur travail. L’employeur devrait accorder un certaindegré d’autonomie et favoriser une ambiancede coopération au sein des équipes. Celaexige une planification efficace des activités.Un stress excessif se répercute toujours surla qualité du travail. L’employeur a donc toutintérêt à réduire au maximum les facteurs desurmenage. Les supérieurs devraient se mon-trer respectueux, apporter un soutien, fournirdes feedbacks sur le travail accompli etencourager les employés à prendre part auxdécisions importantes.

    Cette étude sur le stress a représenté un travail colossal. Que sera-t-il fait, concrètement, à partir des conclusions decette enquête, pour prévenir une nouvelleaggravation du stress dans l’entreprise dans dix ans?

    Si nous parvenons à maintenir le nombre des stressés chroniques à sonniveau actuel, ce sera déjà bien, dans lamesure où les exigences vont continuer de croître. Nous souhaitons sensibiliser les entreprises à des actions de prévention et d’élimination du stress. Le sitewww.stressnostress.ch fournit un exempled’action concrète. Vous pouvez y faire undiagnostic individuel de votre charge destress. Ce site propose aussi une check-listpour permettre aux cadres d’évaluer le stressde leurs collaborateurs.

    > L’étude sur le stress est disponible sur le site du Seco. D’autres informations sur le stress et l'élimination du stress sont publiées à cette adresse: www.stressnostress.ch

    «Un stress de courte durée est stimulant. Un stress permanent est dangereux.»

    Arbeit geben sowie die Mitarbeitenden ermu-tigen, bei wichtigen Entscheidungen mitzu-wirken.

    Diese Stressstudie war ein riesiger Aufwand.Was wird nun basierend auf dieser Studiekonkret gemacht, um zu verhindern, dass in10 Jahren der Stress in den Betrieben nochgrösser ist?

    Wenn wir die Zahl der chronischGestressten auf diesen Niveau halten können, ist es gut, da die Ansprüche weiter steigen werden. Wir wollen dieBetriebe für Massnahmen zur Prävention undzum Abbau von Stress sensibilisieren. Einekonkrete Massnahme ist die Website www.Stressnostress.ch. Dort können sieeine persönliche Standortbestimmung in

    Bezug auf ihre Stressbelastung machen. Esgibt auf der Seite auch eine Checkliste, mitwelcher Führungskräfte eine Einschätzungder Stressbelastung ihrer Mitarbeitenden vor-nehmen können.

  • Politik Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 14 | 15

    «6 Wochen Ferien für alle – das leuchtet ein!»Gegen mehr Ferien ist aus Angestelltensicht eigentlich nichts einzuwenden.Aber was erwidert man dem Arbeitgeber,der jammert, dass er sich das nicht leisten könne oder sogar droht, dass er die Löhne senken müsse? Die Apunto-Redaktorenhaben die Initianten der Ferieninitiative mit solchen und anderen kritischen Fragen konfrontiert. Interviewpartner waren Martin Flügel, Präsident von Travail.Suisse, und Susanne Blank,Leiterin Wirtschaftspolitik.

    Travail.Suisse fordert zusammen mit denMitgliedsverbänden 6 Wochen Ferien. Bietet ihr euren Mitarbeitern so viel Ferien?

    Martin Flügel (MF): Unsere Mitarbeiterkönnen über 5 Wochen Ferien so frei verfügen, wie es die betrieblichen Notwen-digkeiten zulassen. Dazu kommt eine Woche Ferien zwischen Weihnachten undNeujahr für alle.

    Die Konjunkturaussichten sind trübe. Der Euro und der Dollar bleiben gegenüberdem Franken schwach – und ihr wollt mehrFerien. Das kann sich doch gar niemand leisten. Verschliesst ihr die Augen vor den wirtschaftlichen Tatsachen?

    Susanne Blank (SB): Man darf nicht sokurzfristig denken. Als wir die Initiative lan-cierten, war Hochkonjunktur. Wenn sie 2018in Kraft tritt, wird dies wohl auch wieder sosein. 6 Wochen Ferien sind ein langfristigesProjekt.

    MF: Initiativen, die etwas für die Arbeit-nehmenden verlangen, kommen nie zum rich-tigen Zeitpunkt… . Es gibt eine sechsjährigeÜbergangsfrist, dann wird die sich jetztanbahnende Krise sicher vorbei sein.

    Mehr Ferien, das wünscht sich sicherjeder Angestellte. Aber wie soll er noch mehrFerien beziehen, wenn er schon nicht recht

    dazu kommt, das jetzige Mass an Ferien ein-zuziehen und Überstunden zu kompensieren?

    MF: Mögliche Schwierigkeiten beimBezug der Ferien ändern nichts an der Rich-tigkeit der Initiative. Es ist eine Tatsache, dasszu wenig Erholungszeit die Gesundheit schä-digt. Die Belastung hat massiv zugenommen,was zu jährlich 10 Milliarden FrankenGesundheitskosten führt. Es liegt in der Ver-antwortung der Arbeitgeber, dass die Ange-stellten die Ferien beziehen können. Vielenehmen sie leider nicht wahr.

    Es kommt aber noch ein Aspekt dazu:Die Hälfte der Angestellten arbeitet heute garnicht mehr bis zur ordentlichen Pensionie-rung. Diese Menschen sind ausgebrannt oderdemotiviert. Das ist besorgniserregend, dennin Zukunft werden uns Arbeitskräfte fehlen.Darum sollen alle Angestellten genug Ferienhaben, um sich zu erholen. Das kommtsowohl dem Arbeitsmarkt zugute wie auchden Sozialwerken.

    Wenn es aber nun der Arbeitgeber einfachnicht schafft, weil er so viel Arbeit hat?

    MF: Wir haben im Moment das Problem,dass die Unternehmen mit Unterbeständenarbeiten. Daran ändert eine Woche mehrFerien nichts. Ein Arbeitgeber, der seine Ange-stellten nicht in die Ferien schicken kann,muss so oder so Arbeitskräfte einstellen.

  • «Mehr Ferien könnt ihr haben», wird sichder eine oder andere Arbeitgeber sagen,«aber dann verdient ihr weniger Lohn,schliesslich muss ich mehr Personal einstel-len, damit die Arbeit gemacht wird.» Ist dasder Preis, den die Angestellten für mehrFerien bezahlen müssten?

    SB: In den letzten 20 Jahren ist die Produk-tivität rund 5-mal mehr gestiegen als die Löhne.Diese Lücke wollen wir mit unserer Initiativeein Stück weit schliessen. Lohnsenkungen sinddarum überhaupt nicht angebracht.

    MF: Wie gesagt haben die Arbeitgeber 6 Jahre Zeit, sich auf die neue Situation ein-zustellen.

    Was rät ihr dem Kleinunternehmer, der sagt, dass er den Betrieb nicht mehr halten kann, wenn seine drei Spezialistenzwingend mehr Ferien beziehen müssen?

    MF: Wenn das so schwierig wäre, dürftedieser Unternehmer auch niemanden einstel-len, der Militärdienst leisten muss. Ferienhaben einen klaren Mehrwert: Erholte Ange-stellte arbeiten produktiver und motivierterund sie sind gesünder, werden also wenigerAusfälle haben.

    SB: Es werden alle gleich lange Spiessehaben, auch die Konkurrenten. Eine zusätzli-che Woche Ferien muss zudem nicht unbe-

    Ja zur Initiative «6 Wochen Ferien für alle» am 11. MärzNur mit gesunden Angestellten kann die Schweizer Wirtschaft auf dem Erfolgspfad bleiben. Der Druck auf die Angestellten hat sich in den letzten Jahren allerdings massiverhöht, und er wird sich weiter erhöhen, da müssen wir uns keine Illusionen machen. Die Gesundheit der Angestellten ist heute akut gefährdet! Mehr Ferien für alle ist ein hervorragendes Rezept, dieser Entwicklung Gegensteuer zu geben. Die AngestelltenSchweiz empfehlen darum den Mitgliedern, am 11. März der Initiative zuzustimmen.

    Und: Dass die Angestellten mehr Ferien mehr als verdient haben, darüber müssen wir garnicht diskutieren (siehe Interview)!

    Verfolgen Sie die Kampagne auf der Facebook-Seite der Angestellten Schweiz!

    Sämtliche Infos finden Sie auch auf www.sechswochenferien.ch

    uns mit voller Kraft für den Abstimmungs-kampf einsetzen.

    Was stimmt euch zuversichtlich, dass das Volk Ja sagt zu sechs Wochen Ferien?

    SB: Es ist allseits bekannt, dass der Druckam Arbeitsplatz zunimmt, dass Arbeitneh-mende immer flexibler werden müssen unddass Arbeits- und Privatleben sich immermehr vermischen. Unsere Lösung leuchtet indiesem Zusammenhang ein – darum bin ichzuversichtlich, dass das Anliegen ankommt.Eine Umfrage letztes Jahr hat gezeigt, dass 60Prozent die Initiative annehmen würden.

    MF: Wir holen die Leute in ihrer Lebens-wirklichkeit ab, darum bin ich ebenfallszuversichtlich.

    Bei der Waffeninitiative war die Zustimmungim Volk einige Monate vor der Abstimmungauch sehr gross und ist dann letztlich aufunter 50 Prozent gesunken. Was unternehmtihr, damit das mit der Ferieninitiative nichtauch passiert?

    MF: Initiativen haben es in der Schweizimmer schwer, das ist uns bewusst. Wir wer-den aber eine gute Kampagne führen, zusam-men mit allen Travail.Suisse-Verbänden. Sowerden wir die Leute überzeugen, dass eineWoche mehr Ferien eine gute Sache ist.

    Interview:Hansjörg Schmid,Reto Liniger

    «In den letzten 20 Jahren ist die Produktivität rund 5-mal mehrgestiegen als die Löhne. DieseLücke wollen wir mit unserer Initiative ein Stück weit schliessen.»Susanne Blank

    Martin Flügel,Präsident Travail.Suisse.

    dingt bedeuten, dass ein Mitarbeiter übereinen längeren Zeitraum abwesend ist. Mankann Ferien ja auch tageweise beziehen, dannfällt das weniger ins Gewicht. Man sollte abernicht die ganzen Ferien so verstückelt bezie-hen, mindestens ein längerer Block musssein, sonst erholt man sich zu wenig.

    Man kann sicher davon ausgehen, dass ausgeruhtere Angestellte produktiver sind.Könnt ihr aber belegen, dass die Produktivi-tät so stark steigt, dass die verlorenenArbeitsstunden voll kompensiert werden?

    MF: Ich kenne keine Studie, die das ein-fach so aufzeigen würde. Dass es aber posi-tive Effekte gibt, ist erwiesen. Aber es muss janicht immer alles in Zukunft kompensiertwerden. Die Angestellten haben nach 20 Jah-ren massiver Produktionssteigerung jetzt ein-fach eine Verbesserung zugute. Ich sehe kei-nerlei Anzeichen, dass eine Woche mehrFerien die Schweizer Wirtschaft in denAbgrund stürzen würde…

    Der Bundesrat, der Nationalrat und derStänderat, alle lehnen die Initiative «6 Wochen Ferien für alle» ab. Es wurdenicht einmal ein Gegenvorschlag ausgearbeitet. Wie wollt ihr da die Abstimmung gewinnen?

    SB: Wir waren nicht erstaunt, dass dieRäte die Initiative ablehnten. Aber: Die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger sindArbeitnehmende oder waren es. Wir werden

    «Ich sehe keinerlei Anzeichen,dass eine Woche mehr Ferien die Schweizer Wirtschaft in den Abgrund stürzen würde.» Martin Flügel

  • Politik Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 16 | 17

    Du point de vue des salariés, un allongementde la durée des vacances ne suscite aucuneobjection. Mais que répondre à l’employeurqui se lamente en affirmant qu'il n'en a pasles moyens et menace d’abaisser les salaires,une mesure inévitable à ses yeux? Apunto aposé quelques questions critiques aux prota-gonistes de l’initiative vacances.

    Avons-nous les moyens de nous offrirdavantage de vacances en ces temps de conjoncture économique difficile? MartinFlügel, président de Travail Suisse, répond àcette question par un clin d’œil: «les initia-tives qui demandent un effort en faveur dessalariés n'arrivent jamais au moment oppor-tun.» Susanne Blank, responsable de la poli-tique économique, insiste sur la nécessité dese garder d'une réflexion à court terme dansle cas présent: «Lorsque nous avons lancécette initiative, l’économie était en pleinboom. Si l’initiative entre en vigueur en2018, il faut espérer que la conjoncture serarétablie d’ici là. Six semaines de vacances,cela correspond à un projet à long terme.»

    Le harcèlement a augmentéSelon Martin Flügel, le fait que beaucoup desalariés ne puissent profiter actuellement de la totalité de leurs congés n’est pas un argument opposable à l’initiative. «Il est vraiqu’un temps de repos insuffisant est préjudiciable à la santé. Le harcèlement aconsidérablement augmenté, entraînantainsi des dépenses de santé de l’ordre de 10 milliards de francs environ. Il est de laresponsabilité des patrons que les salariéspuissent prendre leurs vacances. Malheureu-sement, bon nombre d’entre eux ne s’en soucient guère.» Un autre aspect s’ajouteencore à cela. La moitié des salariés ne travaille plus jusqu’à l’âge normal du départen retraite. Toutes ces personnes sont exténuées ou démotivées. C’est préoccupantdans la mesure où nous manquerons de

    personnel dans les années à venir», soulignele président de Travail.Suisse.

    Susanne Blank n’accorde aucun intérêtà un «deal» qui consisterait à allonger ladurée des congés moyennant une réductiondes salaires. «Au cours des vingt dernièresannées, la productivité a progressé environcinq fois plus que les salaires. Par le biais denotre initiative, nous souhaitons combler unpeu ce fossé. Un abaissement des salairesserait par conséquent inconvenant.»

    Employés reposés sont plus productifsA un directeur de PME s’affirmant dans l’incapacité de poursuivre son activité si sestrois spécialistes doivent impérativementprendre deux semaines de congés supplé-mentaires, Martin Flügel réplique: «Si cela était réellement si difficile, vous nepourriez pas non plus employer de salariés susceptibles d’accomplir le service militaire.Les congés sont porteurs d’une réelle valeurajoutée. Des employés reposés sont plus productifs et plus motivés, et ils sont aussien meilleure santé, ce qui se traduit par unediminution des absences.» Même si aucuneétude ne permettrait de démontrer ce surcroîtde productivité dans un rapport de 1/1, il convient de ne pas tout compenser systématiquement. Pour Martin Flügel, unechose est claire: «Aujourd’hui, après 20années de croissance massive de la produc-tivité, les salariés bénéficient simplementd’une amélioration de leur situation.» Selonlui, aucun signe n’annonce un effondrementde l’économie suisse s’il leur est accordé unesemaine de congés supplémentaires.»

    Susanne Blank ne s’est pas étonnée durejet de l’initiative par les chambres fédérales,mais elle reste confiante: «la majorité descitoyens suisses avec le droit de vote sont ouont été des salariés. Notre solution tombe sousle sens. Un sondage nous montre que 60%seraient actuellement favorables à l’initiative.»

    «Six semaines de vacances pour tous, ça tombe sous le sens.»

    Susanne Blank,Leiterin Wirtschaftspolitik Travail.Suisse.

    Oui à l’initiative «six semaines de vacances pour tous» le 11 mars.L’économie suisse a besoin de salariés en bonne santé pour maintenir le cap du succès. La pression que subissent les employés s'est fortement accrue au cours des dernièresannées et, ne nous faisons pas d’illusion, elle augmentera encore. La santé des salariés est aujourd’hui en péril. Davantage de vacances pour tous, ce serait là un excellent moyende contrecarrer cette évolution. Employés Suisse recommande à ses membres d’approuverl’initiative le 11 mars.

    Informations sur l’initiative vacances sur www..travailsuisse.ch/fr/6semainesdevacances

  • Loblied auf den GAVDer Gesamtarbeitsvertrag ist bei den Sozialpartnern beliebt.Das 100-jährige Bestehen feierten sie gemeinsam an einer Tagung in Bern.

    «100 Jahre Gesamtarbeitsvertrag – wir wol-len feiern.» Mit diesen Worten begrüsste derSGB-Chefökonom Daniel Lampart EndeNovember die zahlreichen Anwesenden imprall gefüllten Rittersaal des Weltpostvereinsin Bern. Zwar verspätete sich mit BundesratJohann Schneider-Ammann der Haupt-protagonist für das Eingangsreferat – diesermusste im Bundeshaus noch Budgetfragenbeantworten. Die Absenz trübte die von den

    Sozialpartnern organisierte Jubiläumsveran-staltung zum 100-jährigen Bestehen desGesamtarbeitsvertrages jedoch kaum.

    SGB-Präsident Paul Rechsteiner hättezwar in seinem Referat gerne einige Appellean den Bundesrat gerichtet. Doch Rechsteinerwirkte zufrieden. Die Schweiz sei 1911 daserste Land gewesen, das einen GAV gesetz-lich verankerte. Diese Pioniertat sorge fürRuhe und helfe dank spezifischen Mindest-

    Das Bauhauptgewerbe schwebt wieder in Gefahr, in vertragslosen

    Zustand zu geraten.

  • löhnen, die Situation von Arbeitnehmendenzu verbessern. «Gute Arbeitsbedingungensind Voraussetzungen für wirtschaftlichesFortkommen», sagte Rechsteiner.

    Arbeitsfriede darf Konkurrenzfähigkeit nicht gefährdenAuch der Direktor des Arbeitgeberverbands,Thomas Daum, betonte die positive Wirkungdes GAV. Auch wenn seine Gründe für dieHuldigung des Vertragswerks von denenRechsteiners leicht abwichen. An Stelle«archaischer Arbeitskämpfe» seien im Laufeder Jahre «zivilisierte Verhandlungen» getre-ten – das sei für alle Beteiligten ein Vorteil undstärke den Wirtschaftsstandort. «Vor allem ineiner offenen und stark vom Export abhängi-gen Wirtschaft sind die Vorteile geordneterund konstruktiver Beziehungen wichtig.» DerArbeitsfriede dürfe aber die Konkurrenzfä-higkeit nicht gefährden, er müsse vielmehr zuwirtschaftlicher Stabilität und qualitativ guterArbeit führen. Daum warnte auch davor, dieArbeitsbedingungen zu verrechtlichen; der

    Staat dürfe nicht zu viel regulieren. «StarreGesetze erdrosseln den GAV.»

    «Der GAV ist der Königsweg»Und dann kam Bundesrat Schneider-Ammann doch noch. «Der GAV ist derKönigsweg», sagte er. Mit dem GAV könneman schnell und branchenspezifisch auf Kri-sen reagieren. Er habe die Möglichkeitgeschaffen, Kapazitäten voll auszulasten unddie Arbeitslosigkeit zu senken. Dies sei abernur möglich, wenn die Sozialpartnerschaftgelebt und Lösungen am Tisch gefunden würden. Das sagte Schneider-Ammann mitBlick auf die düsteren Konjunkturaussichtenund den Konflikt im Baugewerbe. Er rief diebeiden Parteien auf, den Gesamtarbeits-vertrag (Landesmantelvertag) zu erneuern.Eine Verlängerung des bestehenden seiimmer noch die bessere Lösung als ein ver-tragsloser Zustand, sagte der Bundesrat.«Geben Sie sich einen Ruck.»

    Reto Liniger

    Angestellte Schweiz Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 18 | 19

    100 Jahre GAVIn der Frühjahrssession 1911 fügten dieeidgenössischen Räte mit dem Gesamtar-beitsvertrag eine grundlegende Neuerungins Obligationenrecht ein. Doch die Ver-breitung ging zaghaft. Eine erste amtlicheErhebung erfolgte 1929: Damals waren65 000 Arbeiter und Arbeiterinnengesamthaft 303 GAV unterstellt. DerDurchbruch gelang erst gegen Ende desZweiten Weltkrieges.

    Der Abdeckungsgrad der GAV lagauch nach dem Zweiten Weltkrieg meistunter der Hälfte der Arbeitnehmerschaft,womit die Schweiz in der OECD einen der hinteren Ränge bekleidet. Die neusteStatistik erfasste 2007 insgesamt 615 GAV mit fast 1,7 Millionen Unter-stellten. (BD)

    > Den ganzen Text zur Geschichte desGAV finden Sie auf www.facebook.com/angestellte.schweiz

  • Weiterbildung

    Mehr Angebote bei denAngestellten SchweizFür die Angestellten Schweiz ist klar:Weiterbildung ist der zentrale Faktor für den Erfolg im Beruf.Darum bietet der Verband seinen Mitgliedern,Arbeitnehmervertretern und Mitgliedorganisationen in diesem Jahr noch mehr Fort-bildungskurse an.Die wichtigsten Neuigkeiten finden Sie in diesem Beitrag.Das gesamte Kursangebot für die Deutsch-schweiz liegt diesem Apunto bei, die Kurse für die Französisch sprechenden Angestellten folgen in der März-Ausgabe.

    Vier Säulen der WeiterbildungDas Weiterbildungsangebot der AngestelltenSchweiz ist auf folgenden vier Säulen auf-gebaut:> Säule 1: Kurse für Arbeitnehmer-

    vertretungen und Vorstände derMitgliedorganisationen

    > Säule 2: Veranstaltungen für alle Mitglieder

    > Säule 3: Berufsspezifische Schulungen> Säule 4: Neue und innovative

    Veranstaltungen

    Unterstützung für aktive Arbeitnehmervertre-tungen und Vorstände der Mitgliedorganisa-tionen (1. Säule)

    Die Angestellten Schweiz bieten einer-seits On-Demand-Schulungen an, welche aufAnfrage der Mitgliedorganisation oderArbeitnehmervertretung modular aufgebautund spezifisch auf die Bedürfnisse der anfra-genden Organisation zugeschnitten sind.Diese Kurse beinhalten in den meisten Fälleneinen juristischen Teil und ein oder mehrereVertiefungsmodule. Die interessierten Arbeit-nehmervertretungen und Mitgliedorganisatio-nen wenden sich bitte direkt an den BereichWeiterbildung der Angestellten Schweiz: [email protected].

    Andererseits werden für Arbeitnehmer-vertretende und Vorstände der Mitglied-organisationen folgende Standardkurse angeboten:

    AAA-Schulungen (MEM-Industrie)> Lohnverhandlungsseminar > Feindbild Jahresabschluss > Effektiv wirken > Vereins- und Vorstandsführung> Neu: Altersdiversität in Unternehmen > Neu: Verhandlungsmethodik

    Weiterbildung für alle Angestellten (2. Säule)Unter der zweiten Säule – Veranstaltungen für alle Angestellten – sind Kurse an denStandorten Zürich, Winterthur, Olten, Baselund Brugg zusammengefasst. Die Angestell-ten Schweiz setzen dabei Schwerpunkte inden Themen Kommunikation, Motivation,Ressourcen und Generationenmanagement. Neu befinden sich folgende Kurse im Angebot 2012:> Älter werden im Beruf –

    Persönliche Finanzplanung> Auftreten: sicher und souverän> Energiemanagement optimieren> Frau tritt auf und überzeugt> Home Office> Konfliktmanagement mit dem

    Mediations-Ansatz> Mind Maps> Motivation – vom Schlagwort zum

    Werkzeug> Stimmtraining – Grundlagenkurs> Teamkompetenzen stärken> Wie bewerbe ich mich richtig?

    Berufsspezifische Kurse (3. Säule)Die berufsspezifischen Kurse der drittenSäule werden zusammen mit den Bildungsin-stitutionen sfb (Bildungszentrum für Techno-logie und Management) und Sekulab (Kursefür Laborpersonal) angeboten.

    Innovation (4. Säule)In der vierten Säule werden die Kurse derZukunft entwickelt und ausgetestet. Für 2012bieten die Angestellten Schweiz folgendeOnline-Schulungen an:> Erfolgsstrategien für persönliche Verände-

    rungen (Dauer 2 Monate)> Work-Life-Balance: Online-Standardkurs

    (Dauer 6 Monate)> Work-Life-Balance: Online-Intensivkurs

    (Dauer 12 Monate)Innerhalb der angegebenen Zeitperiode wer-den die Kursteilnehmenden bei der Gestaltungder eigenen Work-Life-Balance und beim Auf-bau von Veränderungsstrategien begleitet. DieNachhaltigkeit wird durch die Dauer der Aus-bildung gesteigert. Zudem kann der Kursbequem von zu Hause oder vom Büro ausbesucht werden. Durch die Internet-Schulungwird der Mensch jedoch nicht durch eine Lern-maschine ersetzt. Zentral ist die Unterstützungund Beratung durch kompetente Lerntrainer.Mehr über diese innovativen Kurse können Siein der nächsten Apunto-Ausgabe lesen.

    Die Angestellten Schweiz wüschen allenKurteilnehmenden schon jetzt viel Erfolg!

    Weiterbildung Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 20 | 21

    Die Weiterbildungsbroschüre mit allen Kursen inder Deutschschweiz liegt diesem Apunto bei.

  • Träume von einer besseren Welt Die aus den wirtschaftlichen und sozialen Missständen geborenen Occupy-Bewegungen stecken in der Existenzkrise.Weiterhin fehlt eine klare Strategie, und die Mobilisierung der Massen hat nicht stattgefunden. Einer träumerischen Bewegung droht die Marginalisierung.

    Am 15. Mai besetzten Jugendliche denbekanntesten Platz in Madrid – die Puerta delSol. «No nos representan» (sie vertreten unsnicht), schrien sie. Gemeint sind die demo-kratisch gewählten Politiker. Diese seien kor-rupt, manipuliert und gekauft durch die über-mächtige Finanzwelt. «Echte Demokratie,jetzt», ist die revolutionäre Forderung derProtestbewegung. Beeinflusst von den Protes-ten auf dem Tahrir-Platz fordern die Demons-tranten einen grundlegenden Wandel derGesellschaft, eine gerechtere Verteilung derVermögen und mehr soziale Gerechtigkeit:«Juventud sin futuro» (Jugend ohne Zukunft)steht auf einem Transparent und immer wie-der: «Ohne Haus. Ohne Job. Ohne Rente.Ohne Angst.»

    99 Prozent der GesellschaftIm September war es auch in den USA so weit.Empörte besetzten in New York das Herz derweltweiten Finanzwelt – die Wall Street.«Wir sind die 99 Prozent», skandieren sieunverdrossen in den Strassen Manhattans.Mit diesem Slogan akzentuieren sie ein welt-weites Problem – und treffen damit gleichzei-tig den Kern der Probleme Amerikas. DieUngleichheit in den Vereinigten Staaten ist sogross wie seit fast hundert Jahren nicht mehr:Die Ein-Prozent-Partei der amerikanischenGesellschaft kontrolliert inzwischen über dieHälfte aller Aktien und Wertpapiere im Land.Fast zwei Drittel des privaten Nettovermö-gens konzentrieren sich in den Händen vonfünf Prozent der Amerikaner. Während Ame-

    rika von Massenentlassungen erschüttertwurde, stieg aber 2009 die Zahl der Millio-näre drastisch an. Der Mittelstand dagegengeht wieder einmal leer aus. Nicht ohne Fol-gen für die Wirtschaft: Experten haben nunerstmals belegt, dass die Wirtschaft von Län-dern in Zeiten ausgeprägter Ungleichheit ofterheblich weniger Wachstum aufweist unddestabilisiert wird – aber auch, dass Volks-wirtschaften schneller wachsen, wenn dieEinkommen gleichmässiger verteilt sind.

    Für den Samstag, 15. Oktober, rief dieBewegung in den USA zu einem weltweitenProtesttag auf. Ihr Ruf blieb nicht ungehört.Es kam zu Kundgebungen in über 1000 Städ-ten. Nach den Protesten in Madrid, Santiagode Chile, New York und Tel Aviv entstandauch in der Schweiz eine «Occupy»-Bewe-gung. Pünktlich zum weltweiten Protesttagfanden sich rund tausend Menschen auf demZürcher Paradeplatz ein. Es wurde debattiert,gekocht, Musik gemacht und protestiert:gegen die Finanzwelt, gegen Boni, gegen dieaufklaffende Lohnschere und für mehrsoziale Gerechtigkeit.

    Am Montagmorgen war Katerstimmungangesagt – der Platz wurde geräumt. Die Ban-ker mussten zwar noch einige Holzpalisadenübersteigen. Doch die Welt auf dem Parade-platz war wieder in ihren alten Fugen. DieProtestbewegung musste auf den nahgelege-nen Lindenhof umsiedeln und schlug dortuntern den Bäumen ihre Zelte und Transpa-rente auf. Nun diskutierten die Demonstran-ten am knisternden Lagerfeuer auf dem Lin-

    denhof die Lage der weltweiten Situation.Passanten und Zaungäste wurden mit Flyernversehen und gleich in die Diskussion einbe-zogen. In der ersten Woche auf dem Linden-hof war man sich ganz sicher: ein Gespenstgeht um in der ganzen Welt – die Bewegungder Empörten. Der anfänglich kollektiveEnthusiasmus wich jedoch langsam derErnüchterung.

    Zahl der Demonstranten sankDie romantischen Debatten am Lagerfeuerbewirkten ausser Träumereien und kaltenFüssen nicht viel. Allmählich schwand auchdie Basis. Mit zunehmender Kälte sank dieZahl der Demonstranten – der Winter kommtsehr ungelegen. Die Bewegung droht nunzum Selbstzweck zu werden. Weiterhin fehltein konkretes und scharfes Manifest, denn dieForderungen sind so zahlreich wie unklar.Natürlich fehle es noch an klaren Statements,und auch eine klare Lösung gebe es nicht, sagtMike Aporter, 37. Er ist einer der Köpfe derBewegung in Zürich und sitzt an diesem kal-ten Freitagnachmittag im November am run-den Holztisch vor dem improvisiertenKüchenzelt. Es stünden zwar Themen imRaum wie die Finanztransaktionssteuer oderdie Too big to fail-Idee, sagt Mike und stochertgedankenversunken in einer warmen Gemü-sesuppe. «Aber das Problem ist grösser. Esreicht nicht, einzelne Symptome mit Pflästerlizu bekämpfen.» Zurzeit gehe es darum «dasVolk zu wecken» und zu mobilisieren, sagt ermit einem Enthusiasmus, der ansteckend

    «Wir haben einen weltweiten Auftrag.»

  • Politik Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 22 | 23

    wirkt – selbst in dieser Novemberkälte. «DieMenschheit ist pervertiert in eine Richtung,die ungesund ist. Das müssen sich die Leutezuerst bewusst werden.»

    Neben Mike sitzt Ehlias Eliano, 67. Auf-merksam hört er zu und isst dabei einen Apfel.«Die Menschen leben heute nicht mehr, son-dern folgen nur noch dem Takt der Wirtschaftund damit den Lockungen des Geldes. DasGlitzern der Kristalle ist zur Sucht der Men-schen geworden. Die Raffgier bestimmt unse-ren Lebensrhythmus. Die Leute müssen wie-der genügsamer werden», sagt Ehlias. DerSchriftsteller und Philosoph ist Deutsch-Hol-länder und nur wegen der Bewegung auf demLindenhof von Amsterdam nach Zürichgereist. Es brauche wieder andere Werte imLeben; mehr Gefühle, mehr Herzen, mehrGemächlichkeit und Liebe. Um das zu leben,sei er hier, sagt Ehlias.

    Fundamentale Veränderung ist nötigDas tönt alles gut und schön. Einem Hund dasSprechen beizubringen, erscheint aber nebendiesen Forderungen als eine Kleinigkeit. Wiesollen diese Forderungen Realität werden?Sie liegen diametral dem Sein des Menschengegenüber. «Wir haben einen weltweiten undrevolutionären Aufrag», sagt Mike, der mitt-lerweilen seine Suppe ausgelöffelt hat. «Wirwerden so lange bleiben, bis wir die Leuteüberzeugt haben, dass eine fundamentale Ver-änderung unbedingt nötig ist – ein Evolu-tionssprung steht an. Haben wir die Leute ersteinmal geweckt, wollen wir über die Massen

    unsere Forderungen durchsetzen. Nicht überdie Politik. Denn von einer Demokratie sindwir weit entfernt», sagt Mike und macht mitdieser Aussage den Schulterschluss zurBewegung in Madrid. «No nos representan.Die Politiker sind blosse Marionetten derFinanzwelt. Wir setzten unsere Forderungenübers Volk durch. Nicht das Parlament darfdie Gesetze machen, sondern das Volk musssie machen.»

    Gleichheit – ein guter AnsatzAuch Darius, 25, sitzt am Tisch. Bisher hat ernur zugehört. Seit 5 Jahren arbeitet er als Pfle-ger im Unispital. Warum er bei dieser Kälteauf dem Lindenhof sei? «Es gibt viel Unge-rechtigkeit auf der Welt. Diese Bewegungsetzt sich für mehr Gleichheit ein. Das istdoch ein guter Ansatz?», sagt Darius. Ihnstöre, dass mit Lebensmitteln spekuliertwerde. Diese Spekulanten seien verantwort-lich, dass Leute verhungern. Das müsste ver-boten werden. «Schön wäre es, wenn alle ein-fach einen Hof hätten, für sich Getreideanbauen und in bescheidenen Verhältnissenleben könnten.»

    Ebenfalls am Tisch sitzt ein junger Stu-dent und büffelt Physik. Die Kappe hat er weitüber die Ohren gezogen. Plötzlich hebt er denKopf. «Ach, ich kann mich nicht konzentrie-ren», sagt er. Wer kann es ihm verübeln.Neben ihm wird gerade die Welt neu erfun-den. «Wichtig ist, dass die Bewegung weitermacht. Wir müssen wachsen», sagt er unterseiner Kappe hervor. «Das Vermögen ist zu

    einseitig verteilt. Dazu kommt, dass Zweit-einkommen in der Familie zu stark besteuertwird. Meine Mutter will auch arbeiten, esbringt ihr aber nichts, weil die Steuern wiederalles wegfressen.» Dass alle jemals gleichwerden, glaubt der Student dann aber auchnicht. «Nein», sagt er. «Das glaube ich nicht.Aber zurzeit ist es einfach zu ungleich.»

    Man will weitermachenAm Dienstag, 15. November 2011, liess NewYorks Bürgermeister die Zeltstadt derDemonstranten in Lower Manhattan räumen– fast zeitgleich wurde auch der Lindenhofgeräumt. Doch aufgeben will niemand. Manwill weitermachen. Die Bewegung zog wei-ter. Doch die Luft scheint etwas draussen zusein – auch bei der Bruder-Bewegung in NewYork. Der US-Historiker Gary Gerstle dia-gnostiziert im «Spiegel» einen «Mangel anWiderstand». Die Mobilisierung habe kaumstattgefunden. Zwar ist die Bewegung poli-tisch heimatlos, was ein breites Rekrutie-rungspotenzial darstellt. Doch konnte darauskein Profit geschlagen werden. Im Gegenteil:Zunehmend mischen sich Obdachlose undTrinker unter die Empörten. Was einmal eineMassenbewegung werden sollte, scheintheute zunehmend ein bunter Haufen vonJugendlichen, der kaum repräsentativ für die99 Prozent ist.

    Schon von Beginn an hatten die Demons-tranten Mühe, sich auf konkrete Forderungenund Ziele zu einigen. Die Strategielosigkeitdroht ihr jetzt das Genick zu brechen – schöneIdeen hin oder her. Die Botschaften derDemonstranten, ihre Kritik an den Invest-mentgeschäften, der wachsenden Ungleich-heit und den sozialen Missständen geratenzunehmend in den Hintergrund – und glei-chen noch schönen Träumereien. An derBahnhofstrasse, im Zentrum Madrids und inLower Manhattan steht jetzt die Weihnachts-beleuchtung im Zentrum. Sie hypnotisiertund animiert; der Weihnachtsverkauf hatbegonnen. Die Geschäfte machen in dieserZeit fast 60 Prozent ihres jährlichen Umsat-zes. Die Leute strömen in die vielen Kaufhäu-ser, lassen sich Geschenke einpacken undrennen mit ihren vollen Einkaufstaschendurch die Strassen. – Aber das ist wieder eineandere Geschichte.

    Reto Liniger

  • Social Media – nur die Resonanz zähltJeder kann heute Informationen verbreiten – möglich machen das die sozialen Medien. Erregt eine Nachricht viel Aufmerk-samkeit, kann sie sich dank Facebook und Co. in Sekunden-schnelle um den Globus verbreiten und Menschen mobilisieren.Wir leben heute in einer Resonanzwelt; zentral ist nicht mehr der Anbieter von Information, sondern der Leser.

    Früher war alles einfacher. Wer die Medienbeherrschte und wer in ihnen präsent war,hatte die Macht. Einseitig durfte ein Absen-der seine Propaganda ins Volk husten undkonnte damit die Stimmung in der Bevölke-rung nachhaltig beeinflussen. Erstmalsmachte dies Joseph Goebbels vor. Durch ein-seitige Kontrolle der Medien half der Propa-gandaminister der Nazis massgebend mit, dieMacht der Partei zu konsolidieren. Fidel undCo. versuchen dies noch heute und üben sichunablässig in seichter Einbahn-Propaganda.Die Medien in Kuba sind staatlich kontrolliert– unabhängigen Journalismus gibt es kaum.

    Nur vereinzelt gibt es Kritiker, die demRegime gefährlich werden. Die 36-jährigeYoani Sanchez ist so eine Kritikerin. Sie istdie berühmteste Bloggerin Lateinamerikasund kritisiert in ihrem Blog beherzt das All-tagsleben und politische System Kubas.Einen eigenen Internetzugang besitzt sie zwar

    nicht. Um ihre Texte im Internet publizierenzu können, schleicht sie sich als spanischeTouristin getarnt in Hotels und aktualisiertauf den antiquierten Hotelcomputern ihrenBlog. Mit ihren Texten erntete sie riesigenZuspruch in der ganzen Welt – und verwirrtedas Regime um die alternden Castros ganzgewaltig. Das Times Magazin wählte sie 2008unter die 100 einflussreichsten Menschen.

    Es kann jeder Nachrichten verbreitenWie ist es möglich, dass eine junge Kubane-rin, die nur einen Blog schreibt, derart vielZuspruch erhält? Yoani Sanchez und auch dievielen kleinen Leute auf dem Tahrir-Platz inKairo sind Exponenten eines Paradigmen-wechsels. Die Anzahl der Medien ist in letzterZeit exponentiell gestiegen. Und mit demWeb 2.0 kann heute jeder Information ver-breiten. Es reicht heute nicht mehr, blosseAufmerksamkeit in den Medien zu erzeugen,

    Angestellten Schweiz auf Facebook Auch die Angestellten Schweiz sind aufFacebook. Auf der Plattform kann mansich über arbeitsrelevante Themen infor-mieren, man kann sich bei Problemenberaten lassen oder zu aktuellen Themenseine Meinung posten. Werden Sie Fander Angestellten Schweiz auf Facebook:www.facebook.com/angestellte.schweiz

    Demonstrantin auf dem Tahrir-Platz in Kairo.

  • Jürgen Dormann ist derManager, der die schlin-gernde ABB vor rund achtJahren wieder auf Erfolgs-kurs gebracht hat. Von ihmwird folgende Geschichteerzählt: Ihm war aufgefal-len, dass bald an jeder inter-nen Sitzung, und sei sie innoch so kleinem Rahmen,eine Powerpoint-Präsenta-tion abgehalten wurde. Er klemmte diesmit einem Verbot kurzerhand ab.

    Das war sicher nicht der Hauptgrunddafür, dass die ABB heute wieder einerfolgreiches Unternehmen ist, aber esmag einen Beitrag geleistet haben. Zu die-sem Schluss kommt man, wenn man dasBuch «Der Irrtum PowerPoint» des Rhetorik-Trainers Matthias Pöhm gelesenhat. Der Autor zeigt in seinem sehr süffiggeschriebenen Werk auf, wie dieses welt-weit millionenfach eingesetzte Werkzeuggute Vorträge, statt sie zu unterstützen,zunichte macht. Wie es die Zuschauerdemotiviert und einschläfert, statt ihreAufmerksamkeit zu wecken. Wie es hochgesteckte Ziele zu erreichen geradezu verhindert.

    Hand aufs Herz, wer ist nicht schonbei einer dieser meist heillos überfrachte-ten Powerpoint-Präsentationen einge-schlafen oder mindestens in die Tag-traumwelt abgedriftet? Meist geschiehtdas schon nach wenigen Minuten! Dasbedeutet nicht nur für die Betroffenen ver-lorene Arbeitszeit, sondern auch für dieArbeitgeber. Pöhm hat ausgerechnet, dass

    in Deutschland durch lang-weilige Powerpoint-Prä-sentationen 1,6 MilliardenEuro vernichtet werden.Die Kritik an Powerpointist aber gar nicht der wich-tige Teil des Buches. Derwichtige Teil sind die vie-len Tipps und Tricks, dieder Autor preisgibt. Diesesind einfach anzuwenden

    und sie zeitigen grosse Wirkung. Und siefunktionieren, wie die vielen spannendenBeispiele aus dem Alltag des Rhetorik-Trainers zeigen.

    Das Sendungsbewusstsein von Mat-thias Pöhm ist sehr gross. Er bezeichnetsich auf dem Buchcover selbst als «derbeste Rhetoriktrainer im deutschsprachi-gen Raum», und er will in der Schweiz perInitiative Powerpoint und ähnliche Pro-gramme verbieten lassen. In den Natio-nalratswahlen vom letzten Herbst kandi-dierte er im Kanton Zürich als Einzelkan-didat auf der Liste der Anti-Powerpoint-Partei (er wurde nicht gewählt). SolchesAuftreten mag abschrecken, aber wer dasBuch liest, wird mit unterhaltendenGeschichten, verblüffenden Erkenntnis-sen und Einsichten ins eigene Unterbe-wusstsein belohnt. Und erhält unzähligeAnregungen, wie man bei Vorträgen ohnePowerpoint viel besser punkten kann.

    Hansjörg Schmid

    um Leute zu mobilisieren – die Informations-dichte ist zu hoch.

    Und auch die herkömmliche Mund-zu-Mund-Propaganda ist zu träge. Mit den sozia-len Medien ist nicht mehr bloss die Nachrichtzentral. Relevant ist, ob die Information vonden Lesern weiterverbreitet wird. Das Wesender Sozialen Medien besteht darin, aktiv imNetz zu kommunizieren, Inhalte weiterzu-empfehlen und damit über deren Relevanz zuentscheiden. Trifft man mit einer Informationdas Herz vieler Menschen, generiert sie Reso-nanz und wird weitergeleitet – sie verbreitetsich so unter den Usern und wird auch vonanderen Medien aufgenommen und wie-derum weiterverbreitet.

    Die Vernetzungsdichte ist sehr hochDie vielen Demonstranten in Kairo haben mitihren Smartphones in SekundenschnelleFilme, Statements und Fotos auf Twitter undFacebook gepostet – die ägyptischen Macht-haber haben zu spät die Internetverbindungengekappt. Da es heute über 750 Millionen Face-book-User gibt, ist die Vernetzungsdichte sehrhoch – Infos können sich schnell und lücken-los verbreiten. Damit hat mit Facebook, Twit-ter und Co. eine Machtverschiebung stattge-funden: vom Anbieter auf den Nachfrager.

    Der Nutzer entscheidet, ob eine Informa-tion relevant ist oder nicht. Die Kardinalfragelautet also: Ist eine Thematik fähig, Resonanzzu erzeugen? Denn nur wenn sie das kann, hatsie auch eine Chance, auf fruchtbaren Bodenzu treffen und damit Massen für einebestimmte Sache zu mobilisieren. Die Men-schen im arabischen Raum waren lange schonunzufrieden. Mit der viralen Verbreitungrevolutionärer Inhalte kam zum Ausbruch,was lange latent vorhanden war: der Wunschnach einer Demokratie.

    Doch müssen nicht gleich immer Dikta-turen fallen. Die Möglichkeiten, Menschenzu mobilisieren und damit die eigene Situa-tion aktiv mitzugestalten, sind mit den Sozia-len Medien riesig geworden. Und sie könnensich auch im Kleinen auswirken: 1995 nahmZweifel die «Zwiebelringli» aus dem Sorti-ment. Letztes Jahr hat eine Facebook-Gruppedie Wiedereinführung dieses Produktesgefordert. Diese Forderung stiess auf breitesInteresse, mobilisierte und sorgte für Reso-nanz, die vom Hersteller Zweifel auch aufge-nommen wurde. Heute stehen die «Zwiebel-ringli» wieder in fast jedem Regal.

    Reto Liniger

    Social Media Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 24 | 25

    Buchtipp

    Mit Rhetorik stattPowerpoint punkten

  • Mit der «Prince Abbas» auf dem NasserseeFür Schiffreisen ist in Ägypten der Nil bekannt.Weniger populär ist der Nassersee – jedoch nicht weniger einzigartig.Kulturbegeisterte kommen ebenso auf ihre Rechnung.Doch die Reise zeigt auch die Kraft der Natur.Und die Schönheit der Einsamkeit.

    Schwach erinnert sie an die «Titanic». Maje-stätisch liegt sie im Wasser. Eine gewisseRuhe und Schönheit strahlt sie aus. Die«Prince Abbas» ist eine wahre Perle. Erbautist sie im Stil der ersten englischen Nilschiffedes 19. Jahrhunderts. Deutlich erkennbar sinddie Spuren: Entlang den Treppen dekorierengewölbte und wellenförmige Verzierungendie Geländer. Relikte des ersten Nildampferszieren die Wände.

    Im orientalischen Stil ist das Oberdeckhergerichtet. Gemütliche Liegebetten, Kissenund zahlreiche Sitzgelegenheiten laden dieGäste zum Träumen, Lesen und Debattieren ein.Elegant verbindet sich auf der «Prince Abbas»englischer Jugendstil mit orientalischen undmodernen Elementen. Übernachtet wird in denverschiedenen Kabinen. Gemütlich und gross-zügig sind sie eingerichtet und in Kombinationmit dem feinen Schaukeln der «Prince Abbas»bürgen sie für einen erholsamen Schlaf.

    Start der 3-tägigen Schifffahrt ist AbuSimbel. Ein kleiner Fleck unweit der sudane-sischen Grenze. Ein kleiner Fleck, der aberjährlich tausende von Touristen aus aller Weltanzieht: Nur wenige Schritte entfernt desSchiffstegs liegen die riesigen Tempel-anlagen des Pharao Ramses II (1303 – 1213v. Chr.) und seiner Gemahlin Nefertari.

    Tempelanlage nach hinten versetztDie Tempel befinden sich nicht mehr anihrem ursprünglichen Ort. Um sie vor demsteigenden Wasserspiegel des Nassersees zuschützen, wurde die ganze Tempelanlage inihre Einzelteile zerlegt. Danach 64 Meterweiter oben auf der Hochebene von Abu Sim-bel wieder zusammengesetzt – ein Husaren-stück. Doch es hat sich gelohnt. Neben denPyramiden von Gizeh sind die Tempelanla-gen von Abu Simbel sicher etwas vom Ein-zigartigsten, was Ägypten zu bieten hat.

    «Amazing», «Incredible» ist denn auchimmer wieder zu vernehmen.

    Mit Fotoausrüstung, Sonnenhut undTouristenführer tummeln sich, teils etwasungelenk, die zahlreichen Besucher zwischenden pharaonischen Tempeln. Am späterenNachmittag senkt sich langsam die Sonne,und die Götter Ptah, Amun, Re und Ramseswerfen ihre langen Schatten über den heissenSand. Erfrischend weht der kühle Wind überdie Tempelanlage. Der richtige Moment füreinen gemütlichen Spaziergang an einer derbemerkenswertesten Kulturstätten der Welt.

    Am nächsten Tag begibt sich die «PrinceAbbas» auf ihre Reise über den Nassersee.Ziel ist das 500 Kilometer entfernte Assuan.Die Strecke führt mitten durch die nubischeWüste. Während dieser Fahrt haben die Passagiere viel Zeit zum Verweilen. Diebequemen Sitzgelegenheiten auf dem viertenund fünften Deck laden zum Träumen, Stau-

    Tempelanlage in Assuan. Ein austrocknender Flusslauf – ein Wadi.

  • Reisen Apunto | Nr. 1 | Januar 2012 26 | 27

    Einige FactsDer Nassersee wurde nach dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasserbenannt. Der Stausee ist über 600 Km lang und zwischen fünf und 35 Km breit. Die Staumauerin Assuan ist 4 km lang und 110 Meter hoch. Sie wurde zwischen 1960 und 1971 mit russischerHilfe gebaut. Die Überschwemmung des Tals führte dazu, dass der Wasserpegel über 100 Meter anstieg. Zahlreiche Kulturschätze und Dörfer mussten deshalb verlegt werden.

    Die SchiffsreiseDie «Prince Abbas» verkehrt dreimal monatlich zwischen Abu Simbel und Assuan bzw. umge-kehrt. Das Schiff hat 43 Standardkabinen, 18 Junior Suites und vier Royal Suites. Die «PrinceAbbas» wurde 2007 zum besten Schiff des Nassersees gekürt. Neben ausgezeichnetem Essenbürgen ein Swimming Pool, ein Fitnessraum und zwei schöne Bars für das leibliche Wohl.

    KlimaIm Süden Ägyptens liegt die Nubische Wüste. Dort kann es im Sommer gerne mal 40 Gradwerden. Die beste Reisezeit ist zwischen September und April. Die Temperaturen bewegensich ab September um 25 Grad.

    nen oder Lesen geradezu ein. Hier trifft mansich. Trinkt einen erfrischenden Tee.

    Spricht über die ägyptischen Kultur-schätze oder ergibt sich einer verfrühten Siesta. Das Leben an Bord wird gemächlich.Man hat es nicht eilig. Die Kombination zwi-schen Musse an Bord und Besichtigung vonpharaonischer Kultur begeistert die Leute.Das merkt man. An Bord sind gut 100 Passa-giere. Meist ab 50. Kulturbegeisterte, Ägyp-tenfans oder einfach Leute, welche die ruhigeZeit an Deck suchen. Die Küsten sind meistgut sichtbar.

    Kaum Regen in den letzten JahrenIm Vergleich zum nördlich gelegenen Nil sinddie angrenzenden Küstenstreifen aber karge,sandige Hügelketten. In den letzten zehn Jah-ren hat es hier einmal geregnet. Nur spärlichgibt es denn auch Leben zu sehen. Meist tuckert die «Prince Abbas» ganz einsam den

    Tempelanlage in Abu Simbel.

    Nassersee entlang. Auf dem Nil kurven zur-zeit über 350 Schiffe auf und ab. Im Nasser-see tun dies bis heute nur deren fünf. Dement-sprechend ruhig ist es. Manchmal ist ein klei-ner Fischkutter zu sehen.

    Wer Glück hat, kann auch mal ein Kro-kodil im Wasser beobachten. Die Luft ist ent-sprechend frisch und rein – kaum Verschmut-zung. Um 17 Uhr senkt sich die wärmendeSonne und projiziert ihre farbigen Strahlenauf den ruhigen See – dann wird es ganz dunkel. Weder nah noch fern sind Lichter zu sehen. Die Einsamkeit und Ruhe werdenfühl- und sehbar.

    Die «Prince Abbas» hält überall dort, woes etwas zu sehen gibt. Meist werden die Rei-senden mit kleinen Bötchen ans nahe Ufergefahren. Bis zur nächsten Sehenswürdigkeitsteht meist ein kurzer Marsch durch die Wüstean. Wem dies zu viel wird, sitzt auf eines derKamele, welche wie Taxis am Ufer warten.

    Nach drei Nächten auf dem Wassererreicht die «Prince Abbas» Assuan. Das Ziel der Reise. Mit den Tempelanlagen vonKalabscha gibt es auch hier nochmals vielägyptische Geschichte zu sehen.

    Wenig unterhalb liegt der riesige Assu-anstaudamm. Nach viel alter Kultur beginntunweigerlich in Assuan wieder das Moderneüberhand zu nehmen. Die Passagiere verlas-sen langsam die «Prince Abbas». Ein weitererKontrast wird sichtbar: Die Ruhe und Ein-samkeit sind vorbei. Autos und Lärm werdensofort spürbar. Die Leute kehren von ihrereinsamen Insel zurück ins gewöhnlich