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1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

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Page 1: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

I ~ I

_____1

I

BUDDHISMUS J600 SHINSHU CHRISTENTUM

SCHLAumlGT JOOO SHINSHUuml EINE BRUumlCKE ZWISCHEN BUDDHISMUS

UND CHRISTENTUM

von fan V AN BRAGT

Joumldo Shinshuuml kann keine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum schlagen wenn er nicht vom Wesen her buddhistisch ist

Joumldo Shinshu kann keine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum schlagen wenn er nicht in sich christliche Anliegen enthaumllt und dadurch zwischen Buddhismus und Christenshytum anzusiedeln ist

Das Reine Land oder der Amidismus gilt als die im Westen am wenigsten beshykannte Schule des Buddhismus und mir scheint diese Einschaumltzung gerechtshyfertigt Dafuumlr gibt es ohne Zweifel historische sozusagen zufaumlllige Gruumlnde doch scheint mir weit wesentlicher der folgende Grund zu sein Der Westen ist vom Buddhismus fasziniert weil er in ihm seinen Antipoden erkennt zum Teil in Abkehr von seiner eigenen religioumlsen Tradition Deshalb fuumlhlt er sich von jenen Formen des Buddhismus angezogen die diesen Gegensatz am deutshylichsten zeigen Theravaumlda Zen und tibetanischer Buddhismus Die Schule des Reinen Landes aber wird empfunden als in der Naumlhe des Christentums anzusiedeln und daher weit vom Hauptstrom des Buddhismus entfernt

Diese westliche Auffassung von der Schule des Reinen Landes wird in diesem Aufsatz in Frage gestellt und der Versuch unternommen die Bezieshyhung dieser Tradition zum Buddhismus einerseits zum Christentum andershyseits neu zu sehen Es geht dabei um das Anliegen die Schule des Reinen Landes als echten Partner im Dialog anzuerkennen und als Folge seine Ershyforschung als wertvoll zu erweisen

StATUS QUAESTIONIS

Vor zwanzig Jahren wies Douglas Fox auf ein verbluumlffendes Phaumlnomen hin Christliche Forscher machten oft auf die auszligerordentliche Aumlhnlichkeit zwishy

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sehen JOOo Shinshuuml und Christentum aufmerksam besonders in ihrer Erloumlshysungslehre C) Doch erregt die Idee daszlig uumlberraschend deutliche Parallelen zwischen den beiden Traditionen bestehen anscheinend Anstoszlig bei manchen Anhaumlngern des Shin die sich Muumlhe geben die Unterschiede wirkliche oder vermeintliche hervorzuheben1 Dieses Phaumlnomen verdient eine genauere Betrachtung

Auf der Seite des Shinshuuml scheint der Wunsch zum Christentum Distanz zu halten einen allgemeinen Charakterzug im Schrifttum der ShinshuumlshyTheologen zu bilden wenigstens seit Ende der Meiji-Zeit und weist alle Eigenschaften einer apologetischen Stellungnahme auf Fuumlr diese Haltung kann die moderne Geschichte Japans verschiedene Erklaumlrungen bieten aber die fuumlr unser Problem wichtigste und zugleich die fundamentalste ist vielshyleicht die folgende Mit der Rezeption westlicher Wissenschaften im Japan der Meiji-Zeit wurde auch die europaumlische Buddhologie des 19 Jahrhunderts mit ihrer Konzentration auf Pali-Texte uumlbernommen Damit war der japanishysche Buddhismus der in Jahrhunderten der Isolation von Indien seine eigenen Wege eingeschlagen hatte ploumltzlich mit der Frage nach seiner Beziehung zu Shaumlkyamuni und zum Urbuddhismus konfrontiert und muszligte sich mit der Auffassung auseinandersetzen Mahayana ist nicht die Lehre des Buddha Man kann sich leicht vorstellen wie die Shinshuuml-Anhaumlnger sich dem Vorwurf ausgesetzt fanden Erloumlsung durch die Andere Kraft ist unvereinbar mit dem Geist des Urbuddhismus der auf die eigene Kraft vertraute diese Ershyloumlsungslehre wurde eher vom Christentum uumlbernommen und daszlig sie sich gezwungen sahen die gegenteilige Position mit allen Mitteln zu erhaumlrten

Eine genauere Analyse fuumlr diese apologetische Reaktion waumlre hier angeshybracht doch muszlig ich mich mit zwei Bemerkungen begnuumlgen In allgemeishynen Ausfuumlhrungen der Shinshuuml-Lehre findet sich oft das Argument Das Christentum lehrf das aber Shinsho lehrt dies (etwas wesentlich Anderes) Zumeist aber vermag ich in dem was hier unter der Flagge des Christentums dahersegelt in keiner Weise meine eigene Religion zu erkenshynen stattdessen deutlich einen Popanz der als Antithese zum Shinshuuml fuumlr apologetische Zwecke konstruiert wurde

Ein anderes Argument in diesem Versuch die Distanz zum Christentum zu betonen ist subtiler Man erkennt zunaumlchst die Aumlhnlichkeiten zum Chrishystentum gesamtheitlieh an beeilt sich aber zu betonen daszlig sie nur aumluszligerlich und oberflaumlchlich seien weil die buddhistischen Zuumlge des Shinshuuml zu seinem innersten Wesen gehoumlren Der groszlige Shinshuuml-Gelehrte Ishida Mitsuyuki moumlge mir verzeihen wenn ich ihn hier zum Suumlndenbock erwaumlhle Er schreibt zum Beispiel Die Lehre des JOOo Shinshuuml wie sie von Shinran Shoumlnin verkuumlnshydet wurde kann vorzuumlglich als Verbindung zwischen Buddhismus (speziell Zen) und Christentum gelten Dabei aber kann ShinshU leicht im Lichte des Christentums mit dem er oberflaumlchliche Aumlhnlichkeiten aufweist miszligdeutet

bull werden waumlhrend sein Wesen als Buddhismus durch das er sich vom Chrishystentum unterscheidet uumlbersehen werden kann2 Ich waumlhlte diesen Satz gerade weil ich ihm ganz zustimmen koumlnnte waumlren nicht die Worte obershyflaumlchlich und Wesen darin enthalten

Keine Dokumentation scheint vonnoumlten fuumlr die im Westen betonte Aumlhnshylichkeit zwischen Shinshuuml und Christentum oder fuumlr die oft ausgesprochene Uumlberraschung in Shinshuuml-Texten spezifisch christliche Lehren oft geradezu woumlrtlich zu entdecken Im Himmel werden Luther und Shinran wohl des oumlfteren ihre Lotosthrone zueinanderruumlcken um sich daruumlber zu unterhalten Falls ich eine persoumlnliche Erfahrung beifuumlgen darf Wenn ich den ShinshuumlshyTheologen Soga Ryoumljin lese finde ich bei ihm oft Formulierungen die christshyliche Lehren aufs gluumlcklichste ausdruumlcken und mein geistliches Leben aufs beste naumlhren

Nishitani Keiji aber hat recht mit der Feststellung westliche Beurteilunshygen Shinrans verrieten oft Vorurteile die das Urteil truumlbten Wenn ich geshylegentlich einen Aufsatz uumlber Shinran von einem westlichen Gelehrten lese gewinne ich den Eindruck daszlig fuumlr ihn Shinran dem Christentum aumlhnelt aber doch nicht ganz daran heranreicht Zugrunde liegt die Uumlberzeugung Shinshuuml sollte eigentlich genauso sein wie das Christentum obgleich dies wegen seiner Unzulaumlnglichkeit doch nicht ganz der Fall ist ( ) Dagegen vershyteidigte Suzuki Daisetz die Gegenposition Darnach sind Shinshft und Chrishystentum aumluszligerst verschieden und wir muumlssen dem Westen klar machen daszlig Shinshuuml voumlllig auf dem Buddhismus aufruht und im Gegenteil dem Chrishystentum uumlberlegen ist3 Es ist zu erwaumlgen daszlig beide Positionen auf Vorurshyteilen beruhen und daszlig die Zeit zu einer objektiveren Diskussion gekommen ist

Bei der Behandlung westlicher Annaumlherungen an die Schule des Reinen Landes darf ich die Ansicht jenes Forschers nicht uumlbersehen der meines Wissens die genaueste und tiefgruumlndigste Analyse vom christlichen Standshypunkt aus unternommen hat Ich meine damit den franzoumlsischen Theologen Henri de Lubac dessen Buch allerdings in Amerika und Japan kaum zur Kenntnis genommen wurde Ich bedaure berichten zu muumlssen daszlig seine Schluszligfolgerungen denen von Ishida Mitsuyuki die oben zitiert wurden aumlhneln Er entdeckt im Reinen Land an der Oberflaumlche oder in der religioumlshysen Praxis Punkt fuumlr Punkt viele Schoumlnheiten des Christentums nur um sie dann bei naumlherer Untersuchung und auf dem Niveau der Lehre zum Geshygensatz reduziert zu sehen naumlmlich zu den allgemeinen Doktrinen des Mashyhayana Die Tatsache zwingt sich einem auf je tiefer man in die Lehre einshydringt die dem Amidismus zugrundeliegt desto mehr sieht man alle weshysentlichen Differenzen zu andern Formen des Mahayana dahinschwinden waumlhrend der Graben zum Christentum sich mehr und mehr vertieft 4

Wenn ich es wage gegen die Ansicht dieses hervorragenden Gelehrten

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wenigstens teilweise eine andere zu aumluszligern stuumltze ich mich erstens darauf daszlig das obige Zitat nicht sein letztes Wort zu diesem Problem ist (daruumlber spaumlter mehr) und zweitens auf die Tatsache daszlig de Lubac einem doppelten handicap ausgesetzt war Das erste war meiner Ansicht nach die traditioshynelle christliche Uumlberzeugung von der Einzigartigkeit des Christentums die automatisch zum Schluszlig fuumlhrt Unbeschadet aller Aumlhnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmoumlglich die gleiche (uumlbernatuumlrliche) Realitaumlt meinen Das zweite war sein begrenzter Zugang zu japanischen Quellen so daszlig sich sein Bild vom Reinen Land meist aus chinesischen Quellen formte und keine Differenz zwischen dem chinesischen und japanischen Amidismus sich zeigt5

Zum ersten Punkt ist zu sagen daszlig sich in den letzten 30 Jahren die Beshyreitschaft des Christentums andere Religionen anzuerkennen sehr verbesshysert hat Hier moumlchte ich nur festhalten daszlig die Schule des Reinen Landes seit Honen in der Tat im chinesischen Buddhismus des Reinen Landes wurzelt aber durchaus nicht darauf reduziert werden kann Man darf nicht vergessen daszlig mit Honen diese Schule ihre Unabhaumlngigkeitserklaumlrung vom uumlbrigen Mahaumlyaumlna (Weg der Weisen shszligdomon) vorlegte und seither diese unabhaumlngige Natur reflektierte und daraus Folgerungen zur Staumlrkung der eigenen Art zog selbst wenn daraus nie eine wahrhaft originale Theologie hervorging6 Um nur einen Beweis anzufuumlhren naumlmlich ein Argument das haumlufig anzutreffen ist 11 Das Christentum lehrt dies der Buddhismus lehrt das aber ShinshO lehrt das folgende 7

REFLEXIONEN

Wir muumlssen uns zunaumlchst die Tatsache bewuszligt machen daszlig die Animositaumlt die unser Problem hervorruft auf der falschen Ansicht beruht eine Religion sei auf eine einfache Wesenheit zu reduzieren die keinem Wandel in der Zeit unterworfen und wodurch sie scharf von allen andern Religionen untershyscheidbar sei Diese Auffassung liegt dem Argument zugrunde ShinshO kann nicht innerlich und tief mit dem Christentum uumlbereinstimmen weil er dem innersten Wesen nach buddhistisch ist Eines der Hauptergebnisse der Relishygionswissenschaft fuumlr uns ist der immer wieder erhaumlrtete Beweis daszlig diese Auffassung von Religion eine Chimaumlre ist und daszlig jede echte Religion ein lebender und komplexer Organismus ist der sich im Zeitenlauf entwickelt und neuen Reizen und Einfluumlssen anpaszligt

Bekanntlich sah Wilfred Cantwell Smith seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die llreification CVerdinglichung) der verschiedenen Religionen Ohne mit ihm in allem uumlbereinzustimmen seien einige Zitate angefuumlhrt What is profoundly important in the religious life of any people and elemental to all

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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BUDDHISMUS J600 SHINSHU CHRISTENTUM

SCHLAumlGT JOOO SHINSHUuml EINE BRUumlCKE ZWISCHEN BUDDHISMUS

UND CHRISTENTUM

von fan V AN BRAGT

Joumldo Shinshuuml kann keine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum schlagen wenn er nicht vom Wesen her buddhistisch ist

Joumldo Shinshu kann keine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum schlagen wenn er nicht in sich christliche Anliegen enthaumllt und dadurch zwischen Buddhismus und Christenshytum anzusiedeln ist

Das Reine Land oder der Amidismus gilt als die im Westen am wenigsten beshykannte Schule des Buddhismus und mir scheint diese Einschaumltzung gerechtshyfertigt Dafuumlr gibt es ohne Zweifel historische sozusagen zufaumlllige Gruumlnde doch scheint mir weit wesentlicher der folgende Grund zu sein Der Westen ist vom Buddhismus fasziniert weil er in ihm seinen Antipoden erkennt zum Teil in Abkehr von seiner eigenen religioumlsen Tradition Deshalb fuumlhlt er sich von jenen Formen des Buddhismus angezogen die diesen Gegensatz am deutshylichsten zeigen Theravaumlda Zen und tibetanischer Buddhismus Die Schule des Reinen Landes aber wird empfunden als in der Naumlhe des Christentums anzusiedeln und daher weit vom Hauptstrom des Buddhismus entfernt

Diese westliche Auffassung von der Schule des Reinen Landes wird in diesem Aufsatz in Frage gestellt und der Versuch unternommen die Bezieshyhung dieser Tradition zum Buddhismus einerseits zum Christentum andershyseits neu zu sehen Es geht dabei um das Anliegen die Schule des Reinen Landes als echten Partner im Dialog anzuerkennen und als Folge seine Ershyforschung als wertvoll zu erweisen

StATUS QUAESTIONIS

Vor zwanzig Jahren wies Douglas Fox auf ein verbluumlffendes Phaumlnomen hin Christliche Forscher machten oft auf die auszligerordentliche Aumlhnlichkeit zwishy

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sehen JOOo Shinshuuml und Christentum aufmerksam besonders in ihrer Erloumlshysungslehre C) Doch erregt die Idee daszlig uumlberraschend deutliche Parallelen zwischen den beiden Traditionen bestehen anscheinend Anstoszlig bei manchen Anhaumlngern des Shin die sich Muumlhe geben die Unterschiede wirkliche oder vermeintliche hervorzuheben1 Dieses Phaumlnomen verdient eine genauere Betrachtung

Auf der Seite des Shinshuuml scheint der Wunsch zum Christentum Distanz zu halten einen allgemeinen Charakterzug im Schrifttum der ShinshuumlshyTheologen zu bilden wenigstens seit Ende der Meiji-Zeit und weist alle Eigenschaften einer apologetischen Stellungnahme auf Fuumlr diese Haltung kann die moderne Geschichte Japans verschiedene Erklaumlrungen bieten aber die fuumlr unser Problem wichtigste und zugleich die fundamentalste ist vielshyleicht die folgende Mit der Rezeption westlicher Wissenschaften im Japan der Meiji-Zeit wurde auch die europaumlische Buddhologie des 19 Jahrhunderts mit ihrer Konzentration auf Pali-Texte uumlbernommen Damit war der japanishysche Buddhismus der in Jahrhunderten der Isolation von Indien seine eigenen Wege eingeschlagen hatte ploumltzlich mit der Frage nach seiner Beziehung zu Shaumlkyamuni und zum Urbuddhismus konfrontiert und muszligte sich mit der Auffassung auseinandersetzen Mahayana ist nicht die Lehre des Buddha Man kann sich leicht vorstellen wie die Shinshuuml-Anhaumlnger sich dem Vorwurf ausgesetzt fanden Erloumlsung durch die Andere Kraft ist unvereinbar mit dem Geist des Urbuddhismus der auf die eigene Kraft vertraute diese Ershyloumlsungslehre wurde eher vom Christentum uumlbernommen und daszlig sie sich gezwungen sahen die gegenteilige Position mit allen Mitteln zu erhaumlrten

Eine genauere Analyse fuumlr diese apologetische Reaktion waumlre hier angeshybracht doch muszlig ich mich mit zwei Bemerkungen begnuumlgen In allgemeishynen Ausfuumlhrungen der Shinshuuml-Lehre findet sich oft das Argument Das Christentum lehrf das aber Shinsho lehrt dies (etwas wesentlich Anderes) Zumeist aber vermag ich in dem was hier unter der Flagge des Christentums dahersegelt in keiner Weise meine eigene Religion zu erkenshynen stattdessen deutlich einen Popanz der als Antithese zum Shinshuuml fuumlr apologetische Zwecke konstruiert wurde

Ein anderes Argument in diesem Versuch die Distanz zum Christentum zu betonen ist subtiler Man erkennt zunaumlchst die Aumlhnlichkeiten zum Chrishystentum gesamtheitlieh an beeilt sich aber zu betonen daszlig sie nur aumluszligerlich und oberflaumlchlich seien weil die buddhistischen Zuumlge des Shinshuuml zu seinem innersten Wesen gehoumlren Der groszlige Shinshuuml-Gelehrte Ishida Mitsuyuki moumlge mir verzeihen wenn ich ihn hier zum Suumlndenbock erwaumlhle Er schreibt zum Beispiel Die Lehre des JOOo Shinshuuml wie sie von Shinran Shoumlnin verkuumlnshydet wurde kann vorzuumlglich als Verbindung zwischen Buddhismus (speziell Zen) und Christentum gelten Dabei aber kann ShinshU leicht im Lichte des Christentums mit dem er oberflaumlchliche Aumlhnlichkeiten aufweist miszligdeutet

bull werden waumlhrend sein Wesen als Buddhismus durch das er sich vom Chrishystentum unterscheidet uumlbersehen werden kann2 Ich waumlhlte diesen Satz gerade weil ich ihm ganz zustimmen koumlnnte waumlren nicht die Worte obershyflaumlchlich und Wesen darin enthalten

Keine Dokumentation scheint vonnoumlten fuumlr die im Westen betonte Aumlhnshylichkeit zwischen Shinshuuml und Christentum oder fuumlr die oft ausgesprochene Uumlberraschung in Shinshuuml-Texten spezifisch christliche Lehren oft geradezu woumlrtlich zu entdecken Im Himmel werden Luther und Shinran wohl des oumlfteren ihre Lotosthrone zueinanderruumlcken um sich daruumlber zu unterhalten Falls ich eine persoumlnliche Erfahrung beifuumlgen darf Wenn ich den ShinshuumlshyTheologen Soga Ryoumljin lese finde ich bei ihm oft Formulierungen die christshyliche Lehren aufs gluumlcklichste ausdruumlcken und mein geistliches Leben aufs beste naumlhren

Nishitani Keiji aber hat recht mit der Feststellung westliche Beurteilunshygen Shinrans verrieten oft Vorurteile die das Urteil truumlbten Wenn ich geshylegentlich einen Aufsatz uumlber Shinran von einem westlichen Gelehrten lese gewinne ich den Eindruck daszlig fuumlr ihn Shinran dem Christentum aumlhnelt aber doch nicht ganz daran heranreicht Zugrunde liegt die Uumlberzeugung Shinshuuml sollte eigentlich genauso sein wie das Christentum obgleich dies wegen seiner Unzulaumlnglichkeit doch nicht ganz der Fall ist ( ) Dagegen vershyteidigte Suzuki Daisetz die Gegenposition Darnach sind Shinshft und Chrishystentum aumluszligerst verschieden und wir muumlssen dem Westen klar machen daszlig Shinshuuml voumlllig auf dem Buddhismus aufruht und im Gegenteil dem Chrishystentum uumlberlegen ist3 Es ist zu erwaumlgen daszlig beide Positionen auf Vorurshyteilen beruhen und daszlig die Zeit zu einer objektiveren Diskussion gekommen ist

Bei der Behandlung westlicher Annaumlherungen an die Schule des Reinen Landes darf ich die Ansicht jenes Forschers nicht uumlbersehen der meines Wissens die genaueste und tiefgruumlndigste Analyse vom christlichen Standshypunkt aus unternommen hat Ich meine damit den franzoumlsischen Theologen Henri de Lubac dessen Buch allerdings in Amerika und Japan kaum zur Kenntnis genommen wurde Ich bedaure berichten zu muumlssen daszlig seine Schluszligfolgerungen denen von Ishida Mitsuyuki die oben zitiert wurden aumlhneln Er entdeckt im Reinen Land an der Oberflaumlche oder in der religioumlshysen Praxis Punkt fuumlr Punkt viele Schoumlnheiten des Christentums nur um sie dann bei naumlherer Untersuchung und auf dem Niveau der Lehre zum Geshygensatz reduziert zu sehen naumlmlich zu den allgemeinen Doktrinen des Mashyhayana Die Tatsache zwingt sich einem auf je tiefer man in die Lehre einshydringt die dem Amidismus zugrundeliegt desto mehr sieht man alle weshysentlichen Differenzen zu andern Formen des Mahayana dahinschwinden waumlhrend der Graben zum Christentum sich mehr und mehr vertieft 4

Wenn ich es wage gegen die Ansicht dieses hervorragenden Gelehrten

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wenigstens teilweise eine andere zu aumluszligern stuumltze ich mich erstens darauf daszlig das obige Zitat nicht sein letztes Wort zu diesem Problem ist (daruumlber spaumlter mehr) und zweitens auf die Tatsache daszlig de Lubac einem doppelten handicap ausgesetzt war Das erste war meiner Ansicht nach die traditioshynelle christliche Uumlberzeugung von der Einzigartigkeit des Christentums die automatisch zum Schluszlig fuumlhrt Unbeschadet aller Aumlhnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmoumlglich die gleiche (uumlbernatuumlrliche) Realitaumlt meinen Das zweite war sein begrenzter Zugang zu japanischen Quellen so daszlig sich sein Bild vom Reinen Land meist aus chinesischen Quellen formte und keine Differenz zwischen dem chinesischen und japanischen Amidismus sich zeigt5

Zum ersten Punkt ist zu sagen daszlig sich in den letzten 30 Jahren die Beshyreitschaft des Christentums andere Religionen anzuerkennen sehr verbesshysert hat Hier moumlchte ich nur festhalten daszlig die Schule des Reinen Landes seit Honen in der Tat im chinesischen Buddhismus des Reinen Landes wurzelt aber durchaus nicht darauf reduziert werden kann Man darf nicht vergessen daszlig mit Honen diese Schule ihre Unabhaumlngigkeitserklaumlrung vom uumlbrigen Mahaumlyaumlna (Weg der Weisen shszligdomon) vorlegte und seither diese unabhaumlngige Natur reflektierte und daraus Folgerungen zur Staumlrkung der eigenen Art zog selbst wenn daraus nie eine wahrhaft originale Theologie hervorging6 Um nur einen Beweis anzufuumlhren naumlmlich ein Argument das haumlufig anzutreffen ist 11 Das Christentum lehrt dies der Buddhismus lehrt das aber ShinshO lehrt das folgende 7

REFLEXIONEN

Wir muumlssen uns zunaumlchst die Tatsache bewuszligt machen daszlig die Animositaumlt die unser Problem hervorruft auf der falschen Ansicht beruht eine Religion sei auf eine einfache Wesenheit zu reduzieren die keinem Wandel in der Zeit unterworfen und wodurch sie scharf von allen andern Religionen untershyscheidbar sei Diese Auffassung liegt dem Argument zugrunde ShinshO kann nicht innerlich und tief mit dem Christentum uumlbereinstimmen weil er dem innersten Wesen nach buddhistisch ist Eines der Hauptergebnisse der Relishygionswissenschaft fuumlr uns ist der immer wieder erhaumlrtete Beweis daszlig diese Auffassung von Religion eine Chimaumlre ist und daszlig jede echte Religion ein lebender und komplexer Organismus ist der sich im Zeitenlauf entwickelt und neuen Reizen und Einfluumlssen anpaszligt

Bekanntlich sah Wilfred Cantwell Smith seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die llreification CVerdinglichung) der verschiedenen Religionen Ohne mit ihm in allem uumlbereinzustimmen seien einige Zitate angefuumlhrt What is profoundly important in the religious life of any people and elemental to all

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 3: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

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sehen JOOo Shinshuuml und Christentum aufmerksam besonders in ihrer Erloumlshysungslehre C) Doch erregt die Idee daszlig uumlberraschend deutliche Parallelen zwischen den beiden Traditionen bestehen anscheinend Anstoszlig bei manchen Anhaumlngern des Shin die sich Muumlhe geben die Unterschiede wirkliche oder vermeintliche hervorzuheben1 Dieses Phaumlnomen verdient eine genauere Betrachtung

Auf der Seite des Shinshuuml scheint der Wunsch zum Christentum Distanz zu halten einen allgemeinen Charakterzug im Schrifttum der ShinshuumlshyTheologen zu bilden wenigstens seit Ende der Meiji-Zeit und weist alle Eigenschaften einer apologetischen Stellungnahme auf Fuumlr diese Haltung kann die moderne Geschichte Japans verschiedene Erklaumlrungen bieten aber die fuumlr unser Problem wichtigste und zugleich die fundamentalste ist vielshyleicht die folgende Mit der Rezeption westlicher Wissenschaften im Japan der Meiji-Zeit wurde auch die europaumlische Buddhologie des 19 Jahrhunderts mit ihrer Konzentration auf Pali-Texte uumlbernommen Damit war der japanishysche Buddhismus der in Jahrhunderten der Isolation von Indien seine eigenen Wege eingeschlagen hatte ploumltzlich mit der Frage nach seiner Beziehung zu Shaumlkyamuni und zum Urbuddhismus konfrontiert und muszligte sich mit der Auffassung auseinandersetzen Mahayana ist nicht die Lehre des Buddha Man kann sich leicht vorstellen wie die Shinshuuml-Anhaumlnger sich dem Vorwurf ausgesetzt fanden Erloumlsung durch die Andere Kraft ist unvereinbar mit dem Geist des Urbuddhismus der auf die eigene Kraft vertraute diese Ershyloumlsungslehre wurde eher vom Christentum uumlbernommen und daszlig sie sich gezwungen sahen die gegenteilige Position mit allen Mitteln zu erhaumlrten

Eine genauere Analyse fuumlr diese apologetische Reaktion waumlre hier angeshybracht doch muszlig ich mich mit zwei Bemerkungen begnuumlgen In allgemeishynen Ausfuumlhrungen der Shinshuuml-Lehre findet sich oft das Argument Das Christentum lehrf das aber Shinsho lehrt dies (etwas wesentlich Anderes) Zumeist aber vermag ich in dem was hier unter der Flagge des Christentums dahersegelt in keiner Weise meine eigene Religion zu erkenshynen stattdessen deutlich einen Popanz der als Antithese zum Shinshuuml fuumlr apologetische Zwecke konstruiert wurde

Ein anderes Argument in diesem Versuch die Distanz zum Christentum zu betonen ist subtiler Man erkennt zunaumlchst die Aumlhnlichkeiten zum Chrishystentum gesamtheitlieh an beeilt sich aber zu betonen daszlig sie nur aumluszligerlich und oberflaumlchlich seien weil die buddhistischen Zuumlge des Shinshuuml zu seinem innersten Wesen gehoumlren Der groszlige Shinshuuml-Gelehrte Ishida Mitsuyuki moumlge mir verzeihen wenn ich ihn hier zum Suumlndenbock erwaumlhle Er schreibt zum Beispiel Die Lehre des JOOo Shinshuuml wie sie von Shinran Shoumlnin verkuumlnshydet wurde kann vorzuumlglich als Verbindung zwischen Buddhismus (speziell Zen) und Christentum gelten Dabei aber kann ShinshU leicht im Lichte des Christentums mit dem er oberflaumlchliche Aumlhnlichkeiten aufweist miszligdeutet

bull werden waumlhrend sein Wesen als Buddhismus durch das er sich vom Chrishystentum unterscheidet uumlbersehen werden kann2 Ich waumlhlte diesen Satz gerade weil ich ihm ganz zustimmen koumlnnte waumlren nicht die Worte obershyflaumlchlich und Wesen darin enthalten

Keine Dokumentation scheint vonnoumlten fuumlr die im Westen betonte Aumlhnshylichkeit zwischen Shinshuuml und Christentum oder fuumlr die oft ausgesprochene Uumlberraschung in Shinshuuml-Texten spezifisch christliche Lehren oft geradezu woumlrtlich zu entdecken Im Himmel werden Luther und Shinran wohl des oumlfteren ihre Lotosthrone zueinanderruumlcken um sich daruumlber zu unterhalten Falls ich eine persoumlnliche Erfahrung beifuumlgen darf Wenn ich den ShinshuumlshyTheologen Soga Ryoumljin lese finde ich bei ihm oft Formulierungen die christshyliche Lehren aufs gluumlcklichste ausdruumlcken und mein geistliches Leben aufs beste naumlhren

Nishitani Keiji aber hat recht mit der Feststellung westliche Beurteilunshygen Shinrans verrieten oft Vorurteile die das Urteil truumlbten Wenn ich geshylegentlich einen Aufsatz uumlber Shinran von einem westlichen Gelehrten lese gewinne ich den Eindruck daszlig fuumlr ihn Shinran dem Christentum aumlhnelt aber doch nicht ganz daran heranreicht Zugrunde liegt die Uumlberzeugung Shinshuuml sollte eigentlich genauso sein wie das Christentum obgleich dies wegen seiner Unzulaumlnglichkeit doch nicht ganz der Fall ist ( ) Dagegen vershyteidigte Suzuki Daisetz die Gegenposition Darnach sind Shinshft und Chrishystentum aumluszligerst verschieden und wir muumlssen dem Westen klar machen daszlig Shinshuuml voumlllig auf dem Buddhismus aufruht und im Gegenteil dem Chrishystentum uumlberlegen ist3 Es ist zu erwaumlgen daszlig beide Positionen auf Vorurshyteilen beruhen und daszlig die Zeit zu einer objektiveren Diskussion gekommen ist

Bei der Behandlung westlicher Annaumlherungen an die Schule des Reinen Landes darf ich die Ansicht jenes Forschers nicht uumlbersehen der meines Wissens die genaueste und tiefgruumlndigste Analyse vom christlichen Standshypunkt aus unternommen hat Ich meine damit den franzoumlsischen Theologen Henri de Lubac dessen Buch allerdings in Amerika und Japan kaum zur Kenntnis genommen wurde Ich bedaure berichten zu muumlssen daszlig seine Schluszligfolgerungen denen von Ishida Mitsuyuki die oben zitiert wurden aumlhneln Er entdeckt im Reinen Land an der Oberflaumlche oder in der religioumlshysen Praxis Punkt fuumlr Punkt viele Schoumlnheiten des Christentums nur um sie dann bei naumlherer Untersuchung und auf dem Niveau der Lehre zum Geshygensatz reduziert zu sehen naumlmlich zu den allgemeinen Doktrinen des Mashyhayana Die Tatsache zwingt sich einem auf je tiefer man in die Lehre einshydringt die dem Amidismus zugrundeliegt desto mehr sieht man alle weshysentlichen Differenzen zu andern Formen des Mahayana dahinschwinden waumlhrend der Graben zum Christentum sich mehr und mehr vertieft 4

Wenn ich es wage gegen die Ansicht dieses hervorragenden Gelehrten

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wenigstens teilweise eine andere zu aumluszligern stuumltze ich mich erstens darauf daszlig das obige Zitat nicht sein letztes Wort zu diesem Problem ist (daruumlber spaumlter mehr) und zweitens auf die Tatsache daszlig de Lubac einem doppelten handicap ausgesetzt war Das erste war meiner Ansicht nach die traditioshynelle christliche Uumlberzeugung von der Einzigartigkeit des Christentums die automatisch zum Schluszlig fuumlhrt Unbeschadet aller Aumlhnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmoumlglich die gleiche (uumlbernatuumlrliche) Realitaumlt meinen Das zweite war sein begrenzter Zugang zu japanischen Quellen so daszlig sich sein Bild vom Reinen Land meist aus chinesischen Quellen formte und keine Differenz zwischen dem chinesischen und japanischen Amidismus sich zeigt5

Zum ersten Punkt ist zu sagen daszlig sich in den letzten 30 Jahren die Beshyreitschaft des Christentums andere Religionen anzuerkennen sehr verbesshysert hat Hier moumlchte ich nur festhalten daszlig die Schule des Reinen Landes seit Honen in der Tat im chinesischen Buddhismus des Reinen Landes wurzelt aber durchaus nicht darauf reduziert werden kann Man darf nicht vergessen daszlig mit Honen diese Schule ihre Unabhaumlngigkeitserklaumlrung vom uumlbrigen Mahaumlyaumlna (Weg der Weisen shszligdomon) vorlegte und seither diese unabhaumlngige Natur reflektierte und daraus Folgerungen zur Staumlrkung der eigenen Art zog selbst wenn daraus nie eine wahrhaft originale Theologie hervorging6 Um nur einen Beweis anzufuumlhren naumlmlich ein Argument das haumlufig anzutreffen ist 11 Das Christentum lehrt dies der Buddhismus lehrt das aber ShinshO lehrt das folgende 7

REFLEXIONEN

Wir muumlssen uns zunaumlchst die Tatsache bewuszligt machen daszlig die Animositaumlt die unser Problem hervorruft auf der falschen Ansicht beruht eine Religion sei auf eine einfache Wesenheit zu reduzieren die keinem Wandel in der Zeit unterworfen und wodurch sie scharf von allen andern Religionen untershyscheidbar sei Diese Auffassung liegt dem Argument zugrunde ShinshO kann nicht innerlich und tief mit dem Christentum uumlbereinstimmen weil er dem innersten Wesen nach buddhistisch ist Eines der Hauptergebnisse der Relishygionswissenschaft fuumlr uns ist der immer wieder erhaumlrtete Beweis daszlig diese Auffassung von Religion eine Chimaumlre ist und daszlig jede echte Religion ein lebender und komplexer Organismus ist der sich im Zeitenlauf entwickelt und neuen Reizen und Einfluumlssen anpaszligt

Bekanntlich sah Wilfred Cantwell Smith seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die llreification CVerdinglichung) der verschiedenen Religionen Ohne mit ihm in allem uumlbereinzustimmen seien einige Zitate angefuumlhrt What is profoundly important in the religious life of any people and elemental to all

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 4: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

bull werden waumlhrend sein Wesen als Buddhismus durch das er sich vom Chrishystentum unterscheidet uumlbersehen werden kann2 Ich waumlhlte diesen Satz gerade weil ich ihm ganz zustimmen koumlnnte waumlren nicht die Worte obershyflaumlchlich und Wesen darin enthalten

Keine Dokumentation scheint vonnoumlten fuumlr die im Westen betonte Aumlhnshylichkeit zwischen Shinshuuml und Christentum oder fuumlr die oft ausgesprochene Uumlberraschung in Shinshuuml-Texten spezifisch christliche Lehren oft geradezu woumlrtlich zu entdecken Im Himmel werden Luther und Shinran wohl des oumlfteren ihre Lotosthrone zueinanderruumlcken um sich daruumlber zu unterhalten Falls ich eine persoumlnliche Erfahrung beifuumlgen darf Wenn ich den ShinshuumlshyTheologen Soga Ryoumljin lese finde ich bei ihm oft Formulierungen die christshyliche Lehren aufs gluumlcklichste ausdruumlcken und mein geistliches Leben aufs beste naumlhren

Nishitani Keiji aber hat recht mit der Feststellung westliche Beurteilunshygen Shinrans verrieten oft Vorurteile die das Urteil truumlbten Wenn ich geshylegentlich einen Aufsatz uumlber Shinran von einem westlichen Gelehrten lese gewinne ich den Eindruck daszlig fuumlr ihn Shinran dem Christentum aumlhnelt aber doch nicht ganz daran heranreicht Zugrunde liegt die Uumlberzeugung Shinshuuml sollte eigentlich genauso sein wie das Christentum obgleich dies wegen seiner Unzulaumlnglichkeit doch nicht ganz der Fall ist ( ) Dagegen vershyteidigte Suzuki Daisetz die Gegenposition Darnach sind Shinshft und Chrishystentum aumluszligerst verschieden und wir muumlssen dem Westen klar machen daszlig Shinshuuml voumlllig auf dem Buddhismus aufruht und im Gegenteil dem Chrishystentum uumlberlegen ist3 Es ist zu erwaumlgen daszlig beide Positionen auf Vorurshyteilen beruhen und daszlig die Zeit zu einer objektiveren Diskussion gekommen ist

Bei der Behandlung westlicher Annaumlherungen an die Schule des Reinen Landes darf ich die Ansicht jenes Forschers nicht uumlbersehen der meines Wissens die genaueste und tiefgruumlndigste Analyse vom christlichen Standshypunkt aus unternommen hat Ich meine damit den franzoumlsischen Theologen Henri de Lubac dessen Buch allerdings in Amerika und Japan kaum zur Kenntnis genommen wurde Ich bedaure berichten zu muumlssen daszlig seine Schluszligfolgerungen denen von Ishida Mitsuyuki die oben zitiert wurden aumlhneln Er entdeckt im Reinen Land an der Oberflaumlche oder in der religioumlshysen Praxis Punkt fuumlr Punkt viele Schoumlnheiten des Christentums nur um sie dann bei naumlherer Untersuchung und auf dem Niveau der Lehre zum Geshygensatz reduziert zu sehen naumlmlich zu den allgemeinen Doktrinen des Mashyhayana Die Tatsache zwingt sich einem auf je tiefer man in die Lehre einshydringt die dem Amidismus zugrundeliegt desto mehr sieht man alle weshysentlichen Differenzen zu andern Formen des Mahayana dahinschwinden waumlhrend der Graben zum Christentum sich mehr und mehr vertieft 4

Wenn ich es wage gegen die Ansicht dieses hervorragenden Gelehrten

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wenigstens teilweise eine andere zu aumluszligern stuumltze ich mich erstens darauf daszlig das obige Zitat nicht sein letztes Wort zu diesem Problem ist (daruumlber spaumlter mehr) und zweitens auf die Tatsache daszlig de Lubac einem doppelten handicap ausgesetzt war Das erste war meiner Ansicht nach die traditioshynelle christliche Uumlberzeugung von der Einzigartigkeit des Christentums die automatisch zum Schluszlig fuumlhrt Unbeschadet aller Aumlhnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmoumlglich die gleiche (uumlbernatuumlrliche) Realitaumlt meinen Das zweite war sein begrenzter Zugang zu japanischen Quellen so daszlig sich sein Bild vom Reinen Land meist aus chinesischen Quellen formte und keine Differenz zwischen dem chinesischen und japanischen Amidismus sich zeigt5

Zum ersten Punkt ist zu sagen daszlig sich in den letzten 30 Jahren die Beshyreitschaft des Christentums andere Religionen anzuerkennen sehr verbesshysert hat Hier moumlchte ich nur festhalten daszlig die Schule des Reinen Landes seit Honen in der Tat im chinesischen Buddhismus des Reinen Landes wurzelt aber durchaus nicht darauf reduziert werden kann Man darf nicht vergessen daszlig mit Honen diese Schule ihre Unabhaumlngigkeitserklaumlrung vom uumlbrigen Mahaumlyaumlna (Weg der Weisen shszligdomon) vorlegte und seither diese unabhaumlngige Natur reflektierte und daraus Folgerungen zur Staumlrkung der eigenen Art zog selbst wenn daraus nie eine wahrhaft originale Theologie hervorging6 Um nur einen Beweis anzufuumlhren naumlmlich ein Argument das haumlufig anzutreffen ist 11 Das Christentum lehrt dies der Buddhismus lehrt das aber ShinshO lehrt das folgende 7

REFLEXIONEN

Wir muumlssen uns zunaumlchst die Tatsache bewuszligt machen daszlig die Animositaumlt die unser Problem hervorruft auf der falschen Ansicht beruht eine Religion sei auf eine einfache Wesenheit zu reduzieren die keinem Wandel in der Zeit unterworfen und wodurch sie scharf von allen andern Religionen untershyscheidbar sei Diese Auffassung liegt dem Argument zugrunde ShinshO kann nicht innerlich und tief mit dem Christentum uumlbereinstimmen weil er dem innersten Wesen nach buddhistisch ist Eines der Hauptergebnisse der Relishygionswissenschaft fuumlr uns ist der immer wieder erhaumlrtete Beweis daszlig diese Auffassung von Religion eine Chimaumlre ist und daszlig jede echte Religion ein lebender und komplexer Organismus ist der sich im Zeitenlauf entwickelt und neuen Reizen und Einfluumlssen anpaszligt

Bekanntlich sah Wilfred Cantwell Smith seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die llreification CVerdinglichung) der verschiedenen Religionen Ohne mit ihm in allem uumlbereinzustimmen seien einige Zitate angefuumlhrt What is profoundly important in the religious life of any people and elemental to all

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 5: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

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wenigstens teilweise eine andere zu aumluszligern stuumltze ich mich erstens darauf daszlig das obige Zitat nicht sein letztes Wort zu diesem Problem ist (daruumlber spaumlter mehr) und zweitens auf die Tatsache daszlig de Lubac einem doppelten handicap ausgesetzt war Das erste war meiner Ansicht nach die traditioshynelle christliche Uumlberzeugung von der Einzigartigkeit des Christentums die automatisch zum Schluszlig fuumlhrt Unbeschadet aller Aumlhnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmoumlglich die gleiche (uumlbernatuumlrliche) Realitaumlt meinen Das zweite war sein begrenzter Zugang zu japanischen Quellen so daszlig sich sein Bild vom Reinen Land meist aus chinesischen Quellen formte und keine Differenz zwischen dem chinesischen und japanischen Amidismus sich zeigt5

Zum ersten Punkt ist zu sagen daszlig sich in den letzten 30 Jahren die Beshyreitschaft des Christentums andere Religionen anzuerkennen sehr verbesshysert hat Hier moumlchte ich nur festhalten daszlig die Schule des Reinen Landes seit Honen in der Tat im chinesischen Buddhismus des Reinen Landes wurzelt aber durchaus nicht darauf reduziert werden kann Man darf nicht vergessen daszlig mit Honen diese Schule ihre Unabhaumlngigkeitserklaumlrung vom uumlbrigen Mahaumlyaumlna (Weg der Weisen shszligdomon) vorlegte und seither diese unabhaumlngige Natur reflektierte und daraus Folgerungen zur Staumlrkung der eigenen Art zog selbst wenn daraus nie eine wahrhaft originale Theologie hervorging6 Um nur einen Beweis anzufuumlhren naumlmlich ein Argument das haumlufig anzutreffen ist 11 Das Christentum lehrt dies der Buddhismus lehrt das aber ShinshO lehrt das folgende 7

REFLEXIONEN

Wir muumlssen uns zunaumlchst die Tatsache bewuszligt machen daszlig die Animositaumlt die unser Problem hervorruft auf der falschen Ansicht beruht eine Religion sei auf eine einfache Wesenheit zu reduzieren die keinem Wandel in der Zeit unterworfen und wodurch sie scharf von allen andern Religionen untershyscheidbar sei Diese Auffassung liegt dem Argument zugrunde ShinshO kann nicht innerlich und tief mit dem Christentum uumlbereinstimmen weil er dem innersten Wesen nach buddhistisch ist Eines der Hauptergebnisse der Relishygionswissenschaft fuumlr uns ist der immer wieder erhaumlrtete Beweis daszlig diese Auffassung von Religion eine Chimaumlre ist und daszlig jede echte Religion ein lebender und komplexer Organismus ist der sich im Zeitenlauf entwickelt und neuen Reizen und Einfluumlssen anpaszligt

Bekanntlich sah Wilfred Cantwell Smith seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die llreification CVerdinglichung) der verschiedenen Religionen Ohne mit ihm in allem uumlbereinzustimmen seien einige Zitate angefuumlhrt What is profoundly important in the religious life of any people and elemental to all

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

462

6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

463

Page 6: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

bull

our discussions is thitt whatever else it may be religious life is a kind of life

u bull We are participants in an overt tradition that has become rich and

varied because men at successive stages in its accumulating development have contributed each his share to making it so 8 Pluralism and the need to come to terms with it conceptually and spiritually confront us in our day in the intra-religious level also not only globally Religious diversity is a problem within as weIl as among communities If one ask what it has meant to be Buddhist the only possible answer from anyone even reasonshyably informed is that it has meant different things at different times and places9

Der letzte Satz der fuumlr uns so relevant ist muszlig natuumlrlich ausbalanciert werden durch die ergaumlnzende Einsicht daszlig alle Formen des Buddhismus im dynamischen Prozeszlig der Geschichte miteinander verknuumlpft sindlO in einer Art pratftyasamutptida und dadurch eine kumulative Tradition bilden und eine wirkliche Einheit oder Kontinuitaumlt darstellen selbst wenn sie nicht in logische Formeln zu fassen ist Das Bewuszligtsein von dieser historischen Verbindung und das daraus resultierende Zusammengehoumlrigkeits- und Loyashylitaumltsgefuumlhl spielen in unserer Frage eine groszlige und legitime Rolle Andershyseits sollte eine realistische Einschaumltzung der Komplexitaumlt und Historizitaumlt jeder religioumlsen Tradition das Odium beseitigen das jeder Abweichung oder jeder Unreduzierbarkeit von einer eng gefaszligten normativen Wesenheit der eigenen Tradition anhaftet Das wuumlrde eine differenzierende Wertung und Haltung gegenuumlber der eigenen Tradition ermoumlglichen naumlmlich Wir wurzeln in und formen einen integralen Teil dieser Tradition (zB Buddhisshymus) und sind stolz darauf doch nehmen wir darin einen speziellen Platz ein weil wir wertvolle religioumlse Elemente verkoumlrpern und zugleich leben die nicht auf einen gemeinsamen Nenner in unserer Tradition reduziert werden koumlnnen und moumlglicherweise starke Affinitaumlten zu andern Traditionen zeigen (zB Christentum)

Indem ich nun diese Gedanken offen auf unser Dreieck BuddhismusshyShinshuuml-Christentum anwende moumlchte ich eine kuumlhne Formulierung zur Diskussion stellen wobei ich mir wohl bewuszligt bin daszlig manche der darin verwendeten Begriffe Widerspruch erregen koumlnnen und sicher weiterer Klaumlrung beduumlrfen

Shinshuuml ist vom innersten Wesen her Buddhismus Die Quellen seiner Reinheit und Tiefe liegen in der Tradition des Buddhismus Dennoch kann Shinshuuml nicht einfach reduziert werden auf das was man oft die urspruumlngliche Inspiration oder die Quintessenz des Buddhismus heiszligt Er kristallisiert in sich eine Flut religioumlser Impulse - von denen die meisten wenngleich mehr untergruumlndig auch in andern Schulen des Buddhismus existieren moumlgen - in eine Gestalt die sich von dem sogeshynannten Hauptstrom des Buddhismus unterscheidet

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 7: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

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Einige Worte der Abklaumlrung sollen die am naumlchsten liegenden Miszligverstaumlndshynisse und Objektionen auffangen Zur Illustration des ersten Teils meiner These moumlchte ich einen Satz von H de Lubac anfuumlhren Durch die Lehre auf die er fundiert ist nimmt der Amida-Kult eine Sinnrichtung an die ihn von aller wesentlichen Aumlhnlichkeit mit der christlichen Religion scheidet und die ihn auszligerdem von der Vulgaumlrreligion oder einer bloszligen Sammlung von Aberglauben differenziert Dieser Kult gehoumlrt daher zum Buddhismus er ist Teil der buddhistischen Orthodoxien

Im zweiten Teil betone ich frei heraus die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml (oder im weitem Sinn des Reinen Landes) und schlieszlige mich weitgehend jenen Forshyschern an die zwischen der Schule des Reinen Landes und andern Formen des Buddhismus groszlige Unterschiede hervorheben oft bis zur Schluszligfolgerung Shinshuuml sei uumlberhaupt kein Buddhismus entspreche nicht dem Urbuddhisshymus oder dem wesentlichen Buddhismus - gerade weil ich nicht an ein solches einfaches Wesen glaube und daher nicht auf eine solche Folgerung festgelegt sein will Ich verwende bewuszligt den Begriff Hauptstrom des Buddhismus selbst wenn ich damit in ein Wespennest stoszlige weil er nicht zu umgehen ist und wir seiner beduumlrfen um die eigentliche Problematik unserer Frage in den Blickpunkt zu bringen Dafuumlr habe ich folgende Gruumlnde

1 Das Studium der Religionsgeschichte kann uns uumlberzeugen vom Forshymenreichtum des Buddhismus und von der Unmoumlglichkeit diesen Reichtum auf einen gemeinsamen logischen Nenner zu reduzieren doch verlangt unser systematisierender Geist der nach Synthese strebt zum mindesten ein Ordshynungsprinzip eine Figur oder ein Mandala Deshalb bedienen wir uns alle wenn auch oft unbewuszligt der Idee einer Hauptlinie eines Hauptstroms des Buddhismus Ich bin zwar kein Buddhologe aber ich gewinne den Eindruck daszlig die meisten soweit das Mahayana zur Diskussion steht diesen Hauptshystrom auf der philosophischen Linie finden welche die Logik der Leere Formlosigkeit (Unpersoumlnlichkeit) hervorhebt Ich neige zwar zur Ansicht daszlig wir zu einem wirklichen Verstaumlndnis des inneren Lebens des MahayaumlnashyBuddhismus gelangen koumlnnen wenn wir uns nur dieses einzigen Ordnungsshyprinzips bedienen aber das koumlnnte fuumlr unsern Zweck von sekundaumlrer Beshydeutung sein

2 Shinshuuml-Theologen selbst arbeiten in der Darlegung ihres Glaubens anshyscheinend als wahre Buddhisten mit der Idee vom Hauptstrom des Buddhisshymus oder des wesentlichen Buddhismus und beziehen sich dabei auf die Philosophie der Leere als Maszligstab Man kann in ihren Werken zwei Grundshyrichtungen erkennen obwohl ich ihre relative Staumlrke oder Haumlufigkeit noch nicht naumlher abschaumltzen kann

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

461

koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

462

6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

463

Page 8: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

bull a die Annahme der Philosophie der Leere als Kennzeichen der buddhishy

stischen Orthodoxie und dann die Beweisfuumlhrung daszlig letzten Endes der Amidakult damit nicht im Widerspruch steht

b die Hervorhebung jener religioumlsen Impulse innerhalb der Hauptstoszligshyrichtung des Mahayana-Buddhismus die schlieszliglich zu Shinrans Religiositaumlt fuumlhrten In der Konsequenz endet diese Richtung in der Statuierung einer spezifischen Shinshuuml-Interpretation der Geschichte des Buddhismus

Wahrscheinlich kann man folgern daszlig die meisten Darstellungen des Shinshuuml durch seine Theologen beide Tendenzen verraten wenn auch in vershyschiedenen Dosierungen Diese Uumlberlegungen fuumlhrten mich zu einer weiteshyren Formulierung die ich hiermit vorlegen moumlchte

Die buddhistische Denomination des Reinen Landes enthaumllt in sich eine unaufloumlsliche lebendige und moumlglicherweise kreative Spannung zwishyschen ihrer eigentuumlmlichen Religiositaumlt und dem Hauptstrom des Buddhismus Wenn sie sich davon zu weit entfernt degeneriert sie in eine Art von Volksreligion die kaum mehr als Buddhismus zu erkennen ist Wenn sie anderseits sich zu eng der Logik dieses Hauptstroms anshyschlieszligt verliert sie ihre Originalitaumlt und ihre religioumlse Dynamik wie auch die innere Affinitaumlt zum Christentum

Diese stringente Formulierung sei durch ein paar Erwaumlgungen ergaumlnzt Ich zweifle nicht im geringsten daszlig diese innere Spannung im Shinshuuml existiert und moumlchte sie sogar als konstitutiv bezeichnen Meine Schwierigkeit ruumlhrt von der richtigen Charakterisierung der zwei Pole dieser Spannung her Geshygenuumlber dem Pol des Hauptstromes wie er im Bewuszligtsein der Shinshuuml-Inshytellektuellen wirkt und seiner Natur nach philosophisch ist erscheint der andere Pol verantwortlich fuumlr die Eigentuumlmlichkeit des Shinshuuml innerhalb des Buddhismus In meiner provisorischen Charakterisierung kommt dabei dem Wort religioumls ein hoher Stellenwert zu Das ruumlhrt natuumlrlich vom ersten Eindruck des Beobachters her der das Religioumlse in einer Figur (oder Person) wie der des Amida als Objekt des Glaubens leichter wahrnimmt als im Begriff der Leere Zudem stimmt das uumlberein mit der Analyse durch einige hervorshyragende Shinshuuml-Theologen Nur zwei seien zitiert Ishida Mitsuyuki setzt was er als letzte Schicht oder innerstes Wesen des Shinshuuml betrachtet in Geshygensatz zum praktischen religioumlsen Verhalten12

und Soga Ryoumljin den ich leider nicht ausfuumlhrlich zitieren kann schreibt Saumltze wie folgt Zen steht der Philosophie nahe Shingon zeigt Affinitaumlt zur Kunst Ritsu ist Ethik nur Nenshybutsu besitzt die Kennzeichen einer Religion In dieser Affinitaumlt lauert ein maumlchtiger Feind vor dem wir immer auf der Hut sein muumlssen Darin liegt der Grund warum Nenbutsu oft als Aberglaube bezeichnet wird13 Wenn diese Charakterisierung zutrifft waumlren Aussagen wie die folgende sinnvoll Christentum und Shinshuuml zeigen starke innere Affinitaumlt in dem Typus ihrer Religiositaumlt unterscheiden sich aber sehr in ihrer Logik

459

460

Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

461

koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

462

6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 9: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

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Die Naumlhe dieses religioumlsen Elements zur Volksreligion - zur Religion nicht der Weisen sondern der kleinen Leute wurde angedeutet Dazu schreibt H de Lubac Bei diesen kleinen Leuten der Schule des Reinen Landes die alle Spitzfindigkeiten der Doktrin ignorieren kann sich ein Christ sehr wohl zu Hause fuumlhlen14 Von diesem Standpunkt aus kann die Spannung innershyhalb des Shinshuuml beschrieben werden als Tauziehen zwischen einerseits dem legitimen Wunsch nach logischer Kohaumlrenz mit den Prinzipien der Rationashylitaumlt die der Mahaumlyaumlna-Buddhismus anerkennt (wobei alle aberglaumlubischen Braumluche im Amidakult zu eliminieren sind) und auf der andem Seite der Anerkennung der religioumlsen Impulse die aus dem Herzen stammen und in ihren rauhesten Formen bei den kleinen Leuten vorkommen wo sie ihre eigenen Rechte und Werte besitzen Von hier aus koumlnnen wir nochmals darauf hinweisen daszlig diese beiden Tendenzen bei verschiedenen Shinshuuml-Theoloshygen in unterschiedlichen Dosierungen sich aumluszligern Mein Eindruck ist daszlig zB Ishida Mitsuyuki vor allem Wert legt auf philosophische Respektabilitaumlt waumlhrend Kaneko Daiei oder Takeuchi Yoshinori ihre theologische Spekulashytion am einfachen Glauben der Anhaumlnger messen15

Daraus sollte klar hervorgehen daszlig ich keine negativen Konnotationen oder Werturteile in meiner Auffassung von der Komplexitaumlt des Shinshuuml und seiner inneren Spannungen einschlieszlige Um jedem Verdacht zuvorzukomshymen gestehe ich daszlig ich aumlhnliche (oder sogar viel komplexere) Widerspruumlshyche und ein ewiges Hin und Her in meiner eigenen Religion im katholishyschen Christentum feststelle zwischen seinen semitischen und griechischen Komponenten zwischen seinem profanen Charakter als Doktrin der taumltigen Liebe (nach Matth 25 31--46) und seinen froumlmrnigkeitsgebundenen rituellen und kontemplativen Elementen Gerade wie ich diese Spannung fuumlr das Chrishystentum als konstitutiv erachte selbst wenn sie zuweilen unbequem sein mag und wie ich nicht als meine Religion eine Doktrin anerkennen mag die einen dieser Pole mit dem andern zusammenfallen lieszlige - so vertrete ich die Auffassung daszlig auch fuumlr Shinshuuml beide Pole und die Spannung zwischen ihnen wesentlich ist und daszlig wahrer Shinshuuml immer im Ausgleich der beiden besteht waumlhrend fuumlr dieDosis ein weiter Spielraum besteht solange beide ernst genommen werden Uumlbrigens spuumlre ich daszlig die Vertreter dieser Religion der kleinen Leute fuumlr die kleinen Leute die sie auf den Hauptshystrom des Buddhismus zu reduzieren wissen den Glauben dieser kleinen Leute nicht ernst nehmen

Das bringt mich zur letzten Frage die H de Lubac stellt aber nicht beshyantwortet Sein Hauptargument war durchgehend oberflaumlchlich und in der religioumlsen Praxis der Glaumlubigen aumlhneln sich Amidismus und Christentum aber eine genauere Untersuchung der Doktrin enthuumlllt diese Aumlhnlichkeiten als lllusion Nach dieser strengen Argumentation aber fuumlgt er hinzu Und doch Ist dieser Rekurs von den Phaumlnomenen der Praxis zur Doktrin richtig

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

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koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

462

6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 10: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

( ) Eine Frage bleibt die nicht nur auf Psychologie eingegrenzt ist Welches von beiden beherrscht das Bewuszligtsein der Menschen welches ist authentishyscher und staumlrker Diese oder jene (wenigstens virtuelle) Erklaumlrung des Glaushybensobjekts oder der Glaube selbst als erster spontaner Impuls C) Wir stellen hier einen Dualismus fest der in unseren Augen wenn nicht einen logischen Widerspruch so doch wenigstens ein lebendiges Paradox darstellt und wir versuchen es aufzuloumlsen durch Abklaumlrung des Hauptelementes das es zur Einheit zuruumlckfuumlhren muszlig Geschieht das aber nur in einer Richtung Ist es richtig um die Einheit zu erreichen alle updyas als unberechtigt aufshyzuloumlsen Ist es unabdingbar und apriori so daszlig Nenbutsu die Betriebskosten aufbringen muszlig16

Ich zitiere diesen langen Absatz wegen der Suggestionskraft in der Forshymulierung der zwei Pole der Spannung aber auch deshalb weil er mir einen guten Ausgangspunkt fuumlr die Zusammenfassung meiner These bietet In den 303 Seiten die vorausgehen hat de Lubac in der Tat alle amidistisehen updyas als unberechtigt aufgeloumlst und die Tradition des Reinen Landes redushyziert auf die einheitliche Richtung zum Hauptstrom des Buddhismus Dabei beraubte er diese Tradition aller spezifischen Affinitaumlten zum Christentum und hob als Konsequenz jede Motivation fuumlr einen Christen auf sie zu stushydieren und als Dialogpartner ernst zu nehmen Seine Darstellung des Amishydismus unterScheidet sich stark von den meisten christlichen Arbeiten zu dieser Frage und stimmt daher mit vielen Ausfuumlhrungen von Shinshuuml-Geshylehrten uumlberein Das schafft eine maumlchtige Verbindung Trotzdem versuchte ich dagegen die folgende Position zu behaupten

Eine solche Reduktion der Shinshuuml-Realitaumlt auf die logische Einheit einer einfachen Wesenheit des Buddhismus ist apriori unmoumlglich da keine lebenshydige religioumlse Tradition eine einfache Wesenheit besitzt Daher kann es keinen guten Grund - Apologetik oder sonst etwas - geben um eine solche Redukshytion zu versuchen

Uumlberdies zeichnen alle solchen Versuche ein verzerrtes Bild der ShinshuumlshyRealitaumlt weil sie den einen oder andern Pol den Shinshfi in sich schlieszligt als oberflaumlchlich unwesentlich nicht endguumlltig betrachten muumlssen obgleich heide Pole wesentlich sind und ihre Spannung fuumlr eine lebendige Tradition konstitutiv ist

Daher muumlssen beide Tendenzen die Reduktion der Tradition vom Reinen Land auf das Christentum (durch Verlagerung des Wesens auf religioumlse Praxis allein auf spontanen Glauben) auf seiten der Christen und die Reduktion auf das Wesen oder den Hauptstrom des Buddhismus (durch Klassifizierung solcher Elemente als oberflaumlchlich nicht endguumlltig nur upayagt bei ShinshfishyGelehrten abgelehnt werden

Die Bedenken die H de Lubac am Ende seiner Argumentation ausspricht daszlig er schlieszliglich in der Wahl des wesentlichen Elements sich geirrt haben

461

koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 11: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

koumlnnte erscheinen einerseits als uumlberfluumlssig weil eine Wahl gar nicht vonshynoumlten ist anderseits erscheinen sie als heilsame Erinnerung daran dem leshybendigen Glauben selbst wenn er nicht immer letztes Kriterium der Wahrshyheit ist neben der Doktrin Beachtung zu schenken Denn das wirkliche Vershystaumlndnis einer lebenden Tradition verlangt das Studium von Doktrin und Praxis und auszligerdem das Bewuszligtsein von ihrer dialektischen Beziehung

Wenn beide Pole der Shinshuuml-Realitaumlt ernst genommen werden offenbart sich Shinshuuml als beides zuinnerst buddhistisch und wesentlich mit dem Chrishystentum verwandt mit dem ihm viele religioumlse Impulse und Themen gemeinshysam sind

Fuumlr den Christen ist deshalb das Studium des Shinshuuml und der Dialog mit ihm zweifach lohnend Einerseits enthuumlllt Shinshuuml eine der vielen Moumlglichshykeiten des Buddhismus und wirft daher ein Licht auf den Buddhismus als Ganzes Anderseits kann die Untersuchung wie die religioumlsen Themen die Shinshuuml und Christentum gemeinsam sind im Shinshuuml behandelt werden Hinweise liefern wie solche Themen im Christentum korrigiert und bereichert werden koumlnnten durch die buddhistische Logik Ist es Uumlbertreibung wenn man behauptet die Tradition des Reinen Landes habe schon die Haumllfte der Arbeit die fuumlr den buddhistisch-christlichen Dialog gefordert ist geleistet

Wenn das stimmt kann kein Zweifel bestehen daruumlber daszlig Shinshuuml eine Bruumlcke zwischen Buddhismus und Christentum bildet

Anmerkungen

1 Douglas A Fox Soteriology in JOdo Shin and Christianity in Contemporashyry Religions in Japan 9 (1968) 30

2 ISHIDA Mitsuyuki in UEDA Gibun und ISHIDA Yoshikazu (Hrsg) Sekai no naka no Shinran Tokyo (Shunjuumlsha) 1974302

3 NISHITANI Keiji in Soga Ryi5jin Taiwashu (Gesammelte Gespraumlche mit Soga Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) 1973 72-73

4 Henri DE LUBAC Amida Paris (Editions du Seuil) 1955268 - Nach Vollshyendung dieses Manuskripts stieszlig ich auf die Arbeit von Christiane LANGER-KANEKO Das Reine Land Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum Leiden (Btill) 1986 wo ich dieselbe Art der Darstellung fand ebenfalls eindeutig von DT SUZUKl beeinfluszligt Daher ist es nicht zu verwundern daszlig die Begegnung welche die Autorin S 131-161 beshyhandelt de facto eine von Christentum und (allgemeinem) Buddhismus ist ohne irgendeine spezielle Rolle fuumlr Shinshuuml

5 SUZUKl Daisetz mit seinem vorerwaumlhnten Vorurteil wird oft die entshyscheidende Bezugsperson fuumlr ihn

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6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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Page 12: 1 · automatisch zum Schluß führt: Unbeschadet aller Ähnlichkeiten einer Doktrin zum Christentum kann sie unmöglich die gleiche (übernatürliche) Realität meinen. Das zweite

6 Das Problem ist kompliziert durch Shinrans vorsichtige Haltung Wenn Honen den Pfad des Reinen Landes in Opposition zum Pfad der Weisen stellt und eine Wahl zwischen beiden fordert kann man in Shinran den Versuch sehen den Graben wieder zuzuschuumltten und zum Buddhismus zuruumlckzukehren

7 Vgl zB fuGEN Daien Shinshugairon (Shinshuuml-Synopse) Kyoto (Hyakkashyen) 1950 7 37-44 63 68-69 80-81 219 324-328

8 Wilfred CAN1WELL SMmI The Meaning and End of Religion San Francisco ltHarper amp Row) 1978 136 166

9 Wilfred CAN1WELL SMmI Towards a World Theology Philadelphia (The Westminster Press) 1981 23f

10 Aao 25 11 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 257 - Es eruumlbrigt sich ausdruumlcklich festzushy

stellen daszlig ich nicht mit seiner Auffassung uumlbereinstimme daszlig diese Idee alle wesentlichen Unterschiede zum Christentum aufheben wuumlrde

12 ISHIOA Mitsuyuki aaO (Anm 2) 301 - Natuumlrlich stimme ich seiner Klasshysifizierung in wesentlich und oberflaumlchlich nicht zu

13 Soga Ryojin Zenshu (Gesammelte Werke von SOGA Ryoumljin) Tokyo (Yayoi Shobouml) Vol IV 1982 220

14 H OE LUBAC aao (Anm4) 252 15 Fuumlr KANEKO Daiei vgl zB sein Hongan no Shukyo (Die Religion des Urshy

geluumlbdest Nagoya (Shindokaikan) 1936 84-90 164-166 Fuumlr TAKEUCHI Yoshinori vgL zB Y TAKEUCHl The Heart of Buddhism New York (Crossshyroad) 1983 130-135

16 H OE LUBAC aaO (Anm 4) 304

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