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-1- Theater- und Kinoorgeln in Wien Vorliegender Artikel stellt eine verkürzte und veränderte Wiedergabe aus dem Buch des Ver- fassers KARL SCHÜTZ, Theater- und Kinoorgeln in Wien, Wien 1991, Verlag der österr. Aka- demie der Wissenschaften dar. Die Fußnotenzählung ist beibehalten, die Rechte an den Photos liegen beim Verfasser. DIE ORGEL IM PROFANEN BEREICH Befangen durch engherzige Vorstellungen von der Orgel als sakralem, ausschließlich der Li- turgie dienendem Instrument, wird einem Aspekt dieses „Königs unter den Instrumenten" viel zu wenig Beachtung geschenkt: der profanen Orgel. Dabei ist dieser Spezies mindestens eben- so viel Faszination abzugewinnen wie der sakralen Orgel. Nirgendwo im Instrumentenbau entfaltet der Spieltrieb des Menschen im Laufe der Geschichte ähnlich zahllose Varianten der Kreativität zur Unterstützung lebensbejahender Äußerungen. Im Grunde genommen gab es diesen Zweig der Orgelentwicklung bereits seit der Erfindung des Instrumentes; die Verwendung als Kultinstrument begann viel später. Hier wäre an die Vielfalt mechanischer Instrumente zu denken, wie beispielsweise an die mechanische Tempel- trompete der Antike, ebenso aber betrifft dies die vielen Zeugnisse aus der Antike über die Beschäftigung mit diesem Instrument 1 . So diente die 1931 entdeckte Orgel von Aquincum aus dem Jahre 228 den Bewohnern als Mittel der Zerstreuung, es war sogar in der II. Hilfslegion ein eigener „hydraularius salariarius" angestellt, dessen junge Gattin eifrig mitwirkte 2 . Von Byzanz her in das Abendland gebracht, schien zunächst das Instrument eher einer sakra- len Verwendung zugeführt zu werden, nie aber konnte die weltliche Komponente, die Ver- wendung des Instruments zur Unterhaltung oder zur Repräsentation, unterdrückt werden. Im- mer dann, wenn menschliche Lebenslust und Freude oder aufklärerisches Gedankengut asketi- sche oder konservative Strömungen zu überwuchern begannen, entfalteten sich auch im Or- gelbau Erfindungen profaner Natur, die dann nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene beheimatet blieben, sondern auch in den Kirchenraum übernommen wurden: 1 HANS HASELBÖCK, Was wissen wir von der antiken Orgel?, in: Singende Kirche 8 (1960) 20 ff. 2 MELINDA KABA S. - E. SEENGER, Die Orgel von Aquincum. Budapest o.O.u.J. 29ff. DIE THEATER- ODER BÜHNENORGEL Die kirchlichen und gesellschaftlichen Veränderungen am Ende des 18. und am Beginn des 19. Jahrhunderts initiierten mit den Neuerungen auf künstlerisch-musikalischer Ebene eben- solche auf der Ebene des menschlichen Empfindens wie auf dem Gebiet der technischen Inno- vation. Das neue Ideal eines vom Streicherchor dominierten Orchesters weckte auch die Kon- frontation des Instrumentes Orgel mit den neuen Ideen. Allerdings begann damit ein Weg vom eigenständigen Klangkörper zum Imitator des Orchesters 5 . Wenngleich auch schon früher sol- che Tendenzen, beispielsweise in der Nachahmung mittelalterlicher Instrumente, spürbar wa- ren, wurde doch die Basis des Instrumentes, der Prinzipal-Plenumaufbau, nie aufgegeben. Hand in Hand mit der nunmehr folgenden Profanierung wurde die sakral-liturgische Bindung gelöst; der Organist, bisher bestenfalls Diener der Liturgie, entwickelte sich zum selbständig konzertierenden Virtuosen. Folgerichtig kam es zur Forderung nach Aufstellung von Orgeln in profanen Räumen. Für die Generalbasspraxis und solistische Verwendung gab es schon bisher Positive und Kammerorgeln, nun aber waren Instrumente zu entwickeln, die dem rein konzer- tanten Spiel sowie der Einbeziehung in die Symphonik dienstbar zu sein hatten und im Kon- zertsaal Aufstellung finden mussten.

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Theater- und Kinoorgeln in Wien

Vorliegender Artikel stellt eine verkürzte und veränderte Wiedergabe aus dem Buch des Ver-fassers KARL SCHÜTZ, Theater- und Kinoorgeln in Wien, Wien 1991, Verlag der österr. Aka-demie der Wissenschaften dar. Die Fußnotenzählung ist beibehalten, die Rechte an den Photosliegen beim Verfasser.

DIE ORGEL IM PROFANEN BEREICH

Befangen durch engherzige Vorstellungen von der Orgel als sakralem, ausschließlich der Li-turgie dienendem Instrument, wird einem Aspekt dieses „Königs unter den Instrumenten" vielzu wenig Beachtung geschenkt: der profanen Orgel. Dabei ist dieser Spezies mindestens eben-so viel Faszination abzugewinnen wie der sakralen Orgel. Nirgendwo im Instrumentenbauentfaltet der Spieltrieb des Menschen im Laufe der Geschichte ähnlich zahllose Varianten derKreativität zur Unterstützung lebensbejahender Äußerungen.Im Grunde genommen gab es diesen Zweig der Orgelentwicklung bereits seit der Erfindungdes Instrumentes; die Verwendung als Kultinstrument begann viel später. Hier wäre an dieVielfalt mechanischer Instrumente zu denken, wie beispielsweise an die mechanische Tempel-trompete der Antike, ebenso aber betrifft dies die vielen Zeugnisse aus der Antike über dieBeschäftigung mit diesem Instrument1. So diente die 1931 entdeckte Orgel von Aquincum ausdem Jahre 228 den Bewohnern als Mittel der Zerstreuung, es war sogar in der II. Hilfslegionein eigener „hydraularius salariarius" angestellt, dessen junge Gattin eifrig mitwirkte2.

Von Byzanz her in das Abendland gebracht, schien zunächst das Instrument eher einer sakra-len Verwendung zugeführt zu werden, nie aber konnte die weltliche Komponente, die Ver-wendung des Instruments zur Unterhaltung oder zur Repräsentation, unterdrückt werden. Im-mer dann, wenn menschliche Lebenslust und Freude oder aufklärerisches Gedankengut asketi-sche oder konservative Strömungen zu überwuchern begannen, entfalteten sich auch im Or-gelbau Erfindungen profaner Natur, die dann nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene beheimatetblieben, sondern auch in den Kirchenraum übernommen wurden:1 HANS HASELBÖCK, Was wissen wir von der antiken Orgel?, in: Singende Kirche 8 (1960) 20 ff.2 MELINDA KABA S. - E. SEENGER, Die Orgel von Aquincum. Budapest o.O.u.J. 29ff.

DIE THEATER- ODER BÜHNENORGEL

Die kirchlichen und gesellschaftlichen Veränderungen am Ende des 18. und am Beginn des19. Jahrhunderts initiierten mit den Neuerungen auf künstlerisch-musikalischer Ebene eben-solche auf der Ebene des menschlichen Empfindens wie auf dem Gebiet der technischen Inno-vation. Das neue Ideal eines vom Streicherchor dominierten Orchesters weckte auch die Kon-frontation des Instrumentes Orgel mit den neuen Ideen. Allerdings begann damit ein Weg vomeigenständigen Klangkörper zum Imitator des Orchesters5. Wenngleich auch schon früher sol-che Tendenzen, beispielsweise in der Nachahmung mittelalterlicher Instrumente, spürbar wa-ren, wurde doch die Basis des Instrumentes, der Prinzipal-Plenumaufbau, nie aufgegeben.Hand in Hand mit der nunmehr folgenden Profanierung wurde die sakral-liturgische Bindunggelöst; der Organist, bisher bestenfalls Diener der Liturgie, entwickelte sich zum selbständigkonzertierenden Virtuosen. Folgerichtig kam es zur Forderung nach Aufstellung von Orgeln inprofanen Räumen. Für die Generalbasspraxis und solistische Verwendung gab es schon bisherPositive und Kammerorgeln, nun aber waren Instrumente zu entwickeln, die dem rein konzer-tanten Spiel sowie der Einbeziehung in die Symphonik dienstbar zu sein hatten und im Kon-zertsaal Aufstellung finden mussten.

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Am Beginn dieser Entwicklung stand der vielzitierte ABBÉ GEORG JOSEF VOGLER6. Seine in-

novativen Ideen, vor allem sein Simplifizierungssystem, nahmen eine Reihe von Entwicklun-gen vorweg, die zu seiner Zeit zwar oftmals missverstanden wurden, aber dann in so manchenErfindungen des beginnenden 20. Jahrhunderts wiederzuerkennen waren. Da im Zusammen-hang mit der Beschreibung der Wiener Kinoorgeln von der Oskalyd-Orgel zu sprechen seinwird, so sei an dieser Stelle nochmals vergleichsweise auf das von Vogler entwickelte trans-portable Orchestrion hingewiesen, das ihn auf seinen Reisen begleitete bzw. nach

5 JOHANNES BLAAS, Die Orgel in der Symphonik, in: Zur Orgelmusik im 19. Jahrhundert. Hrsg. WALTERSALMEN. Innsbruck 1983, 75 ff.

6 HERBERT KELLETAT, Zur Geschichte der deutschen Orgelmusik in der Frühklassik. Kassel 1933.

All diese Entwicklungen, zu denen auch der Publikumserfolg des Virtuosen zu zählen ist. er-klären das immer stärker in Erscheinung tretende, bis weit ins 20. Jahrhundert anhaltende Inte-resse an Orgeln in Konzertsälen, in Synagogen, Orgeln in Wohnungen, Salons, auf Dampfernund last not least als Bühnenorgeln8.GIACOMO MEYERBEER ließ als erster auf Grund seiner finanziellen Möglichkeiten für die Ur-aufführung seiner Oper Robert le Diable 1831 in Paris eine Orgel aufstellen. Dasselbe unter-nahm er 1832 in London und Berlin. MEYERBEER, 1810-1812 in Darmstadt Schüler ABBÉ

VOGLERS, versah die erwähnte Oper ebenso mit größeren Orgelstellen wie später seine OpernLes Huguenots (1836) und vor allem Le Prophète (1848).Er war allerdings nicht der erste Komponist. der in seinen Opern die Verwendung einer Orgelvorsah. LOUIS SPOHR komponierte 1813 im Faust als Nr. 14 ein Orgel-Intermezzo, DANIEL-FRANCOIS-ESPRIT AUBER setzte 1828 die Orgel in seiner Oper La, Muette de Portici ein, ganzzu schweigen von GASPARO SPONTINI 1829 bei der Oper Agnes von Hohenstaufen. Vorwie-gend wurden bei diesen Opern Bläser verwendet, vor allem in der Besetzung 2 Bassetthörnerund 2 Fagotte. Erst Mitte des Jahrhunderts begann man in den großen Opernhäusern, auf derBühne eine Orgel einzubauen. Entsprechend den räumlichen Verhältnissen sah man kleineInstrumente zwischen 4 und 14 Stimmen vor. Dem 20. Jahrhundert blieb es vorbehalten, grö-ßere Instrumente zu bauen. Neben den Opern folgten bald auch Theater dem Beispiel. DerAufbau dieser Instrumente blieb konservativ, vorwiegend einmanualig, Effektregister warennicht vorgesehen, denn die Effekte gehörten zur Bühnentechnik.8 WALTER SALMEN Die Bühnenorgel im 19. Jahrhundert, in: Zur Orgelmusik im 19. Jahrhundert a.a.O. 59ff.

ORGELBAU IN DER WIENER OPER

Über die Anschaffung einer Bühnenorgel für die Wiener Hof- bzw. Staatsoper sind wir konk-ret ab 1867 unterrichtet. Im Vorgängergebäude, dem k.k. Hofoperntheater nächst dem Kärnt-nertor wurde am 7.August 1827 erstmals Faust von LOUIS SPOHR aufgeführt, MEYERBEERS

Robert le Diable am 31.August 1833 und Les Huguenots am 17.Juli 1848. Le Prophète folgteam 28. Februar 1850. Einer Nachricht zufolge kaufte GRAF STEPHAN SZECHENYI im Jahre1860 für seine Patronatskirche in Nagycenk (Ungarn) eine Orgel an, die der Wiener Orgelbau-er PETER TITZ für die „Wiener Oper“ geschaffen haben soll.Das Gebäude des k.k. Hofoperntheaters nächst dem Kärntnertor wurde 1872 veräußert. KurzeZeit davor war offensichtlich eine Orgel in den Besitz des Wiener Orgelbauers CARL HESSE

gelangt, denn er offerierte am 28.Juni 1871 dem Wiener Musikverein einen Umbau unterVerwendung des Materials aus der Orgel des Kärntnertortheaters.

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Die Orgel von 1869

Im Zusammenhang mit dem Neubau der Wiener Hofoper (1860-1869) trat auch die Fragenach einer adäquaten Orgel auf. Aus einem interessanten (im zitierten Buch detailliert geschil-derten) Bieterverfahren ging die Firma E.F.WALCKER als Sieger hervor, die Vertragsunter-zeichnung erfolgte am 6. und 12. August 1868. Das Werk trug die Opuszahl 241 und stelltedas erste Werk der Firma in Österreich dar. Die Schlussabrechnung erfolgte am 26.Februar1869.

Disposition in der Endgestalt (in der heutigen Schreibform) und Plan aus dem Firmenarchiv

Dieses Orgelwerk WALCKERS diente bis 1945, es wurde beim Brand des Opernhauses am12.März vernichtet.

Den Dienst an dieser Orgel versah wie heute offenbar ein Korrepetitor.Für die Verwendung ergeben die Aufführungen folgende Hinweise:

1869, 10. Juli: Giacomo Meyerbeer Die Hugenotten

21. September: Giuseppe Verdi, Der Troubadour

12. Dezember: Giacomo Meyerbeer, Der Prophet

1870, 27. Februar: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg

28. März: Charles Gounod, Margarethe

20. September: Giacomo Meyerbeer, Robert der Teufel

4. Oktober: Richard Wagner, Lohengrin.

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Ebenso wirkte die Orgel vermutlich bei folgenden Konzertaufführungen bzw. feierlichen An-lässen mit:

1870, 31. März: Erstaufführung der Missa Solemnis von Gioacchino Rossini

1873, 18. Oktober: Aufführung von Charles Gounods Margarethe „aus Anlaß der

Anwesenheit des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen

Wilhelm I"

1874 29. März: Erstaufführung des Messias von Georg Friedrich Händel

1875, 16. April: Largo für Violinen, Violen, Harfe, Harmonium und Orgel von

Georg Friedrich Händel, arrangiert von Joseph Hellmesberger sen.

11. Juni: Requiem von Giuseppe Verdi

1879, 2. November: Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms

1880, 29. Juni: Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart

1934 1. November: Requiem von Giuseppe Verdi. Gedächtnisfeier der Bundestheater

für Dr. Engelbert Dollfuß

1935, 6. Juni: Festkonzert unter der Leitung von Victor de Sabata. Im Programm

unter anderem eine Toccata von Girolamo Frescobaldi

Die Orgel von 1955

Mit der Restaurierung bzw. Rekonstruktion des Gebäudes der Wiener Oper ergab sich auchder Wunsch nach einer neuen Orgel. Sie wurde im Ballettsaal des Opernhauses aufgestellt.Nach einer Disposition von FRANZ SCHÜTZ erbaute sie FERDINAND MOLZER, Fertigstellung1955.

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ORGELBAU IM BURGTHEATER

Als das neue Gebäude am 14.Oktober 1888 eröffnet wurde, war auch wie vorher bei der Er-öffnung der Hofoper im Jahre 1869 eine neue Orgel installiert. Wohl besaß das alte Burgthea-ter auf dem Michaelerplatz eine Vorgängerorgel. Sie gelangte bei Abbruch des alten Gebäudes(1888) in den Besitz CONRAD BERGS (1846-1900), dem Vater ALBAN BERGS, und wurde lautmündlicher Überlieferung öfter von ANTON BRUCKNER gespielt. Glücklicherweise ist einePhotographie des Werks erhalten geblieben.

Die Orgel von 1888

Im Juli 1888 stellte die Firma GEBRÜDER RIEGER (Jägerndorf) eine lt. Kostenvoranschlagelectro-pneumatische Orgel mit Kegelwindladen, 12 klingenden Stimmen nach unserem Sys-teme, einem Manuale, Pedal nebst 4 Kollektivtritten auf einem eigens konstruierten Podiumauf.Aufgestellt war das Werk links hinter der Bühnenabschlusswand, ein Heizungsrohr sorgte füreine starke Erwärmung und war in der Folge schuld an Störungen. 1892 versetzte man dieOrgel zur Hinterbühne und baute eine neue mechanische Traktur mit neuem Spieltisch. Beider Gelegenheit wurde auch das Register Register Flute harmonique 8‘ an Stelle des Gedeckt8‘ eingesetzt. Außer einer Verwendung der Orgel in GRILLPARZERS Ahnfrau bzw. Pianospiel„in erhabenen Szenen “ sind über die Verwendung der Orgel keine Aufzeichnungen zu finden.1939 wurde die Orgel kurzzeitig abgetragen und deponiert.

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1940 musste das Werk anlässlich der "Reichstheaterfestwochen" durch den Wiener Orgelbau-er JOHANN M. KAUFFMANN verändert werden. Um Raum zu gewinnen, wurde das Pedalwerkanders aufgestellt, deshalb ersetzte KAUFFMANN die mechanische Steuerung der Pedalwindla-de durch eine elektrische und adaptierte das Podium entsprechend. Gleichzeitig wurde dasWerk instandgesetzt und ein Schleudergebläse eingebaut.Beim der Zerstörung des Burgtheaters im Jahre 1945 wurde auch das Werk vernichtet. Heutesteht nur ein Elektronium zur Verfügung.

DIE ORGEL DES CARLTHEATERS IN DER LEOPOLDSTADT(1020, Praterstraße 31)

Das Carltheater konnte bereits auf ein langjährige, an bekannten Namen reiche Tradition zu-rückblicken, als 1895 der Zuschauerraum umgestaltet wurde.1929 wurde das Theater geschlossen, es entsprach nicht mehr den feuerpolizeilichen Anforde-rungen, eine Konzessionserteilung hätte vieler kostspieliger Umbauten bedurft. 1944 wurdedas Gebäude bei Bombenangriffen schwer beschädigt und 1951 abgetragen.Laut Mitteilung von HANS HASELBÖCK besaß das Theater eine kleine Orgel, über deren Ver-bleib nichts Näheres bekannt ist.

KINOORGELBAU IN WIEN

Für die Vorführung der Stummfilme erwies sich eine musikalische Untermalung als unerlässlich,das wurde zunächst von kleinen Ensembles, Trios oder improvisierenden Pianisten wahrgenom-men. Eine "second hand church organ" initiierte die Entwicklung eines eigenen Orgeltyps. Eineder ältesten Kinoorgeln befand sich im Kino des Electric-Pavilion zu Clapham, S.W., USA. DieCompany des aus Österreich gebürtigen RUDOLPH WURLITZER konstruierte 1910 zusammen mitdem englischen Techniker und Orgelbauer HOPE-JONES den speziellen "Kinoorgel-Typ", der als"Wurlitzerorgel" im anglo-amerikanischen Bereich aber auch in Europa Verbreitung fand und dieEnsembles aus den Kinos verdrängte. Technische Basis bildete das elektrisch gesteuerte Unit-System, das im Multiplexverfahren die mehrfache Ausnützung von Pfeifenreihen ermöglichte.Als elektrisches Schaltelement fungierte fast ausschließlich der Reisnermagnet.

Ein Hervorheben der Melodie ermöglichte der second touch an der Manualtaste:

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Diese Instrumente wurden mit Schwellkästen und Effektregistern angereichert. Amerikanischeund englische Firmen beteiligten sich an dem neuen Markt, insbesondere die englische Gesell-schaft NORMAN AND BEARD ("Christie-Wunderorgel") und die amerikanische Firma KILGEN so-wie beispielsweise JARDIN SMITH und die JOHN COMPTON-Gesellschaft. Für die Organisten wur-den themenbezogene Filmillustrations-Alben geschaffen, s. u. Literaturliste).Mit dem Aufkommen des Tonfilms (1927-1929) endete das Interesse an derartiger Filmbeglei-tung. Von England aus entstand allerdings ein neuer Trend, in jeden größeren Filmpalast wurdeeine umfangreich ausgestattete Kinoorgel als Konzertinstrument eingebaut, die Organisten wur-den als Stars gefeiert. Ihr Repertoire bestand aus Transkriptionen gehobener Unterhaltungsmusik.Ab den Sechzigerjahren wurde der Instrumenttyp von den rein elektrischen bzw. elektronischenInstrumenten abgelöst. Neuerdings werden Kinoorgeln restauriert und in Theatern und Gastro-nomieketten aufgestellt.

Für den Kinoorgelbau in Wien ist folgende Literatur wichtig:

Karl SCHÜTZ, Theater- und Kinoorgeln in Wien, Wien 1991, Verlag d. österr. Akad. d. Wissenschaften

George TOOTELL: How to Play the Cinema Organ. A Practical Book by a Practical Player. Paxton, London1927

ERDMANN, BECCE, BRAV: Allgemeines Handbuch der Film-Musik. 1927

R.FOORT, The Cinema Organ. 2.Aufl. New York 1970

H.BIRETT, Stummfilm-Musik. Berlin 1970

Walter FRITZ, Kino in Österreich 1896-1939. Der Stummfilm. Wien 1981

Karl Heinz DETTKE: Kinoorgeln und Kinomusik in Deutschland. Metzler, Stuttgart, Weimar 1995, ISBN 3-476-01297-2. S. 336

Klangbasis der Kinoorgeln war als kleinstmögliche Form die Pit-Orgel mit den drei RegisternFlute, String und Vox humana.Eine solche Pit-Orgel, also eine Orgel mit Grundausstattung, gelangte aus einem Kino inWiener Neustadt über Landegg bei Pottendorf NÖ80 in der Nähe von Wien ins Filmmuse-um Laxenburg.80 Lt. Pfarrgedenkbuch Pottendorf 1957 aus einem Wiener Neustädter Kino erworben.

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In einem einfachen dreiteiligen und schmalen Gehäuse sind vier Register untergebracht:Clarinette 8`, Flöte 4`, Violine 2`, Bordun 16` Zu den vier Registerzügen gibt es einen Zug"Volles Werk".Wie die Aufzählung der Register beweist, hat der Prinzipal in der Kinoorgel keine dominie-rende Bedeutung als Klangbasis. Für die Kinoorgel stellen eher die Flöten und vor allem dieStreicher jene Basis dar, auf der das Instrument zum Ein-Mann-Orchester wird.Als Erweiterung der dreiregistrigen Klangbasis waren schrittweise denkbar die Register Tuba,Tibia clausa, Diapason, Celeste, Orchestral Reeds, Non-orchestral Reeds und Bright BrassReeds. Diese Aufbaukonzeption wurde weitgehend von den elektronischen Orgelnachahmernübernommen. Die Grundregister werden mit Hilfe des Unit-Systems zu den verschiedenenFußlagen der Unter-und Oberoktaven erweitert, so dass im Grunde nur eine geringe Zahl vontatsächlichen Registern vorhanden ist.

Streicherstimmen in der Orgel gab es bereits am Ende des Barock, allerdings mehr in der Be-deutung von „enger als der Prinzipal" und keineswegs als echte Imitation von Orchesterstrei-chern. Das Nachahmen der Violinen, Violen und Celli blieb den Orgelbauern der Jahrhun-dertwende vorbehalten und wurde damit zum Hauptzweck der Kinoorgel. Enge und engsteRegister entstanden, oftmals schwebend angeordnet. Die Orgelbauer entwickelten eine eigeneKunst, solche Stimmen egal zu intonieren. eine Kunst übrigens, die mit den jüngeren Genera-tionen der Orgelbauer verlorengeht.Aber auch sonst entstanden typische Kinoorgelstimmen. Die wichtigste Neuentwicklung vonHope-Jones auf diesem Gebiet stellte die Tibia Clausa dar, sie ist die vielleicht charakteris-tischste Kinoorgelstimme. Ihr voller, runder. mächtig schöner Flötenton entsteht durch weiteMensuren mit hohem rundem Aufschnitt, meist ist das Oberlabium beledert. Der Kern inBlockform und das nach innen gestochene Unterlabium bilden richtiggehend einen Schnabelfür den Zustrom der Luft zum Oberlabium; man könnte es als weites Holzgedeckt bezeichnen,es war sehr selten in Metall ausgeführt. Ein wichtiges weiteres Register der Flötenfamilie stelltdie Konzertflöte dar. Allein oder in Verbindung mit Streicherstimmen ergibt es eine gute Be-gleitmöglichkeit für die Solomischungen. Aus dem Register werden aber auch die verschiede-nen Auszüge des Multiplexsystems gestaltet, es kann auch zur Imitation der Orchester-Querflöte dienen.Unter den Zungenstimmen unterscheidet man solche, die Orchesterinstrumente nachzuahmenhaben, wie die Oboe oder die Klarinette, aber auch Nachahmungen der Polsterpfeifeninstru-mente wie Tuba und Trompete und solche, die im herkömmlichen Orchester nicht gebräuch-lich sind.Zunächst wäre an die Kinura als Neuschöpfung zu denken. Sie entstand als oboenähnlicheStimme, allerdings hat sie einen wesentlich schlankeren, schärferen, ja fast durchdringendenTon, der zuletzt ähnlich der Tibia Clausa vergröbert wurde.Die Vox humana schließlich erlangte eine ähnliche Bedeutung wie in der barocken und nach-barocken Orgel, sowohl als einzelne Solostimme als auch in Verbindung mit der Tibia Clausa.Ihr charakteristischer, ein wenig quäkend schnarrender Ton ähnelt naturgemäß auch hier niewirklich der „menschlichen Stimme". Gerade zu dieser Stimme, aber auch überhaupt zu demTypus gehören dementsprechende Tremulanten, mit deren Hilfe man ja auch in der Kirchen-orgel seit langer Zeit versucht hatte, den Ton geschmeidiger zu gestalten.

Die Register der Orgel werden meist auf zwei Orgelkammern nach Begleit- und Solostimmenaufgeteilt. Beide Kammern sind durch Jalousieschweller verschlossen, deren Aufgang andersangeordnet ist als bei den meisten europäischen Schwellern. Der erste Kontakt des Schwell-tritts öffnet nur eine Lamelle, erst mit den übrigen Kontakten .werden die restlichen Lamellenschrittweise hinzugefügt. Das ist eine Konstruktion, die eine viel bessere Schwellwirkung her-vorbringt als der gleichzeitige Aufgang aller Teillamellen. Mit Hilfe der beiden Schwellkästenwird eine genaue Abstimmung der Dynamik zwischen Begleitung und Solo erreicht.

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Eine Kinoorgel als solche wäre undenkbar ohne die drei Familien der Effektregister, die tona-le Schlaginstrumente, Perkussions-Instrumente und reine Filmeffekte umfassenReginald Foort stellt eine Tabelle aller einmal gebauten Register dieser Familie vor81:81 FOORT a. 0. 36 ff.

Tonale Register:XylophonGlockenspiel (Metallophon)

Schellenglöckchen (20 bis 25 Lederstreifen, auf denen die ein bis zwölf Schellenmontiert sind): im Glissando kann man das Brechen einer Schaufensterscheibe nach-

ahmen.Glocken: sowohl als Röhrenglocken verschiedener Länge (oft bis zu 25 Tönen) als auch als

echte Glocken ausgeführt, die mit Hämmerchen angeschlagen werden (bis zu30 Tönen). Solche Glocken gab es bereits in der „Opernorgel" der italienischenOrgelbauer Serassi.

Chrysoglott: als Nachahmung der Celesta; der Name wurde als Unterscheidung zu denStreicherstimmen „Celeste" gewählt. Umfang meist 49 Töne.

Carillon: meist in Compton-Orgeln zu finden; hier wird der dritte Teilton der Obertonreiheauf dem Chrysoglott mitangeschlagen.

Vibraphon: in den Resonanzröhren der Celesta werden automatisch Scheiben in Bewegunggesetzt wie beim echten Vibraphon.

Harfe und Marimba: eigentlich ein Xylophon, allerdings unter Verwendung von leichterenHämmerchen und anderen Holzsorten.

Klavier: mit Hilfe einer elektrisch gesteuerten Stösselvorrichtung werden die Tasten einesFlügels oder eines Pianinos vom Orgelspieltisch aus betätigt.FERDINAND MOLZER hatte im Stift Zwettl eine ähnliche Vorrichtung am ersten Manualder Egedacher-Orgel angebracht, um sie von seinem neuen Spieltisch aus mitspielenzu können.

Perkussions- oder Rhythmus-Register:Mit Hilfe einer Reisnermagnetsteuerung werden Keilbälgchen betätigt, an denen Hämmerchenoder Schlegel befestigt sind; Konstruktionen, die bereits an den Drehorgeln des19. Jahrhun-derts in pneumatischer Steuerung verwirklicht waren.

Kleine TrommelTom -Tom: zur Erzeugung orientalischer Stimmung.Holz-Block: Holztrommel, auch Chinesischer Block oder Chinesische Trommel genannt.Sand-BlockTamburinCastagnettenTriangelCymbal = Becken, in verschiedener Art: gedämpft (Cymbal choke), als Schlag

(Crash Cymbal), mit leichten Schlägen (Cymbal tap), wirbelnd (Cymbal roh).Basstrommel: forte und piano, sowie wirbelnd.Pauken: oft in Form einer großen Trommel.Chinesischer Gong.

Kleine technische Wunderwerke als Manifestation des menschlichen Spieltriebs warendie echten Effektregister zur Herstellung der für den Film nötigen Geräusche:Dampfschiffs-PfeifePolizeipfeife

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DonnerBrandungRegenWindesheulenAeroplan: zwei der tiefsten Zungenpfeifen im Halbtonabstand.Klaxon: AutohornTelephonklingelFeuerglockePistolenschussVogelgezwitscher: ähnlich dem Rossignol, aber auch möglich in Form von 18 abgestimmten

Zwitscherpfeifen.Pferdegetrappel: 4 ineinanderschlagende Holzschalen.Scherbengeklirr: ein Holzarm hält an einer Stahlkette befestigte Metallstücke, bei Betätigung

lässt der Arm die Stücke auf eine Metallplatte fallen.SireneLokomotive: Apparat in der Wien-Film-Orgel: Drahtbesen bewegt sich über aufgeworfene

Löcher eines Resonanzkastens.

Diese Effekte sind längst durch Schallplatte und Tonband ersetzt worden, doch findet man siewieder in elektronischen Orgeln.

DIE OSKALYD-ORGEL

Das allzu starre Festhalten an den Töpferschen Mensurprinzipien zu Beginn des 20. Jahrhun-derts erweckte in starkem Maße den Wunsch nach einem geschmeidigeren Orgelklang; solcheGedanken fanden ihren Niederschlag in den Fachartikeln einschlägiger Zeitschriften, insbe-sondere in der Deutschen Instrumentenbau-Zejtung82. DR. HANS LUEDTKE erfand hiezu dasChangierprinzip: die Mensurgestaltung eines einzelnen Registers wird dabei so angelegt, dassBass-, Mittel- und Diskantlage verschiedenen Klangfarben entsprechen. Die Basslage in engs-ter Mensur entspricht beispielsweise einem Geigenprinzipal, die Mittellage in weiter Mensureiner Flöte und die Diskantlage einem Normprinzipal. WINFRIED ELLERHORST betont in sei-nem Handbuch der Orgelkunde83: „Richtig angewendet, sind derartige Register von hohemklanglichen Werte (Reliefstimmen)". In Zusammenarbeit mit dem innovativen Orgelbauer DR.OSCAR WALCKER konnte LUEDTKE sein Prinzip zur Grundlage eines besonderen neuen In-strumenttyps führen - dem Oskalyd. Über die Entstehung dieser Orgel, über ihren Aufbau undüber die Spielweise auf diesem heute vergessenen Typ informiert eingehend die LUEDTKE undHERMANN ERPF verfasste Informationsschrift aus dem Jahre 1923.HANS LÜDTKE fügte 1927 eine kurzgefasste Spielanleitung hinzu. Sie ist im originalen Buchauf den Seiten 86-92 abgedruckt.

82 Vgl. besonders Deutsche Instrumentenbau-Zeitung 39 (1938) 82 f., 117 f.83 WINFRIED ELLERHORST, Handbuch der Orgelkunde. Einsiedeln 1936 (Faksimile-Neudruck, Hilversum1966) 146, 166, 220.

Das kleinste Oskalyd-Modell ähnelte einem Pianino (statt der Pedale mit Rollschwellern aus-gestattet), die mittleren Modelle erreichten Schrankgröße (vgl. Oskalyd-Orgel in Wiener Neu-stadt), die größeren Instrumente waren den amerikanischen und englischen Kinoorgeln ver-gleichbar. Das transportable kleinste Modell „A" nahm 2 m2 Fläche bei einer Höhe von 1.65 mein, eines der größten Instrumente befand sich mit seinen 16 Registern im Berliner FilmtheaterAlhambra, Kurfürstendamm 68. Dort spielte HANS LUEDTKE („im Orchester links") währendder Vorstellungen und gab Interessenten entsprechende Auskünfte. Nach Österreich gelangteein solches Instrument bereits 1923.

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Modell „A“

DIE OSKALYD-ORGEL DES PALASTKINOS (1923)

Das Palastkino, Wien 8., Josefstädter Straße 43 - 45, erhielt im Jahre 1923 einen halbkreisför-migen Orchesterraum; die Inhaber erwarben für die Vorführungen eine Oskalyd-Orgel vomTyp „C" (Opus 2005)88. Laut Opusbuch der Firma WALCKER war dabei BERNHARD COHN (1.,Himmelpfortgasse) als Vermittler tätig:

„Abgeliefert 30. 9. 23Bernhard Cohn, Wien, Klavier-Etablissementin KommissionGebl(äse] No. 662."

Im Oskalyd-Verzeichnis trägt das Instrument die Nummer 7 (vgl. auch nächstes Kapitel). J.Haas, der Inhaber bzw. Leiter des Kinos (auf den verschiedenen Plänen unterzeichnet „SelmaHaas") schrieb an die Firma WALCKER eine begeisterte Stellungnahme über seine Erfahrungenmit dem Instrument; diese fand Eingang in den Firmenprospekt89. „Auf Ihre Anfrage, welcheErfahrungen wir mit Ihrer Oskalydorgel, Type ,C`, bisher machten, gereicht es uns zum be-sonderen Vergnügen mitzuteilen: Die Praxis hat ergeben, daß jeder gute Pianist oder Harmo-niumspieler in wenigen Stunden mit dem Instrument vertraut ist und es innerhalb weniger Ta-ge vollkommen beherrscht; dabei ist es physisch leichter zu handhaben als das Harmonium.Seit eineinhalb Jahren ist die erste Oskalydorgel Österreichs in unserem Theater in ununter-brochener Verwendung und hat sich in jeder Hinsicht bestens bewährt. Ihre Vielseitigkeit,sowohl als Füll- wie Soloinstrument, zum Hervorbringen von Geräuschen wie Sturmheulen,Regen, Donner, Vogelgezwitscher, Schmiede, Zimbel u. a. hat uns das Instrument unentbehr-lich gemacht. Die Soli der Flöte, Klarinette, Oboe und Fagott lassen sich von jenen virtuoserHolzbläser kaum unterscheiden. Ich bin nach obigen Ausführungen in der angenehmen Lage,Ihr ‚Oskalyd' jedem Kollegen eindringlichst zu empfehlen."Die Bezeichnung „C" war gebräuchlich für ein Oskalyd mittlerer Größe in verschiedener Aus-führung.

89 AStW, MA 104 A 11 (Kino): MA 52/2087/23. Oskalyd-Werbeprospekt 8.

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Aus den dreißiger Jahren ist glücklicherweise die Dispositionsaufnahme des OrgelliebhabersANTON WEIß erhalten:

[Anm. durchgestrichen:] Windschalter: 5 StationenMotor 220 Volt Gleichstrom, 1 PSOberoctavkoppel ist auch als weißer Knopf mit d. freien Combination einschaltbar.Windschalter mit 5 schwarzen Knöpfen separat einzustellen (ist kein Motorschaltersondern eine Art Windmaschine)."

1927 erfolgte im Palastkino ein Umbau der Logen. Am 27. Mai erteilte der Wiener Magistratdazu die Genehmigung92. Man überdachte den Orchesterraum mit einem Podium in zwei Me-ter Höhe - für das Orchester blieb der untere Raum erhalten. Der zur Genehmigung vorgelegtePlan im Maßstab 1: 100 zeigt im Grundriss für Parterre und Galerie den Motor „für den Or-gelbetrieb im Orchester". Bei der Kommissionierung am 2. August 1927 wurde beanstandet:„Der Gebläsemotor ist separat zu sichern". Die Orgel wird auch im Bescheid vom 12. März1929 erwähnt93: „Die Lampe und die blaue Fassung im Orchester nächst der Orgel ist miteiner vorschriftsmässigen Fassung zu versehen." 1930 wurde eine Klangfilmanlage eingebautund im Zuge der Umbauten der Orchesterraum endgültig abgedeckt. Die Kollaudierung dieserArbeiten erfolgte am 13. September 1930.

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Nur sieben Jahre nach der Anschaffung war das Instrument nutzlos geworden Über den weite-ren Verbleib ist gegenwärtig nichts bekannt. Vermutungen, bei der im folgenden Abschnittbeschriebenen Oskalyd-Orgel in der Wiener Neustädter Pfarrkirche Herz Mariä könnte es sichum das Instrument aus dem Palastkino handeln, wurden durch die eindeutige Überlieferungder Opuszahlen nicht bestätigt.92 AStW, MA 104 All: Plan des Palast-Kinos (MA 104, A 11/27) MA 52/ K98/7/27 (Parterre und GalerieGrundriß, betreffend Sitzanlagen, Verkehrswege, Beleuchtung, Heizung, Lüftung und Wasserversorgung; fernerSitzvermehrung und Logenänderung. Maßstab = 1:100): MA52/K98/13 v. 2.8.1927.93 AStW. MA I04 All. MA52jK9S/32/28 v. 12. 3. 1929.114 AStW, 31A 104 All. MA52/K98/4S/30 v. 13.9. 1930.

DIE OSKALYD-ORGEL

DER PFARRKIRCHE HERZ MARIÄIN WIENER NEUSTADT (1923)

TECHNISCHES MUSEUM (2000)(1140 Wien, Mariahilfer Straße 212)

Die Pfarrkirche Herz Mariä in Wiener Neustadt zählt zwar nicht zum Wiener Stadtgebiet,wohl aber zum Jurisdiktionsbereich der Wiener Erzdiözese. Da es sich bei dem Instrumentaußerdem um die einzige in Österreich erhaltene (und mit der Palastkino-Orgel vergleichba-re) Oskalyd-Orgel handelt, sei das Instrument im folgenden Abschnitt beschrieben 95.

Im Zuge der Neuerrichtung des Kirchenbaus der Wiener Neustädter Pfarre Herz Mariäwurde die Oskalyd-Orgel des Wiener Neustädter Zentralkinos 1959 auf dem Musikchoraufgestellt. Im Gedenkbuch der Pfarre ist die Übergabe unter dem Titel „Vorbereitung desKirchweihfestes" eingetragen: „Fa. Löckher-Kiener, Zentralkino, Orgelpositiv mit 8 Re-gister. Die Erzdiözese stellte dazu den Motor zur Verfügung."

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Diese Oskalyd-Orgel entspricht dem C-Typ. Laut Firmenschild wurde sie 1923 von E.F. WALCKER & CO. als Opus 2007 gebaut. Unter dieser Nummer verzeichnet aber dasOpusbuch des Hauses WALCKER folgendes: „Palast Lichtspiele Stuttgart [durchgestri-chen] kam 1929 nach, Mannheim israelitische Gemeinde [durchgestrichen] Mai 1937nach Konstanz Synagoge. Gebläse Nr. 1737."

Interessant ist ein Vergleich zwischen dem Opusbuch und dem Oskalyd-Verzeichnisder Firma Walcker

Opusbuch Oskalyd-Verzeichnis

„2004 Direktor Adam's Lichtspiel- 6 . Helsingfors, Apollo-Licht-theater Helsingfors/Finnland spieltheater Modell C(26. 4. 23)

2005 Bernhard Kohn, Wien in 7. Wien, Palastkino, Modell CKommission (30. 9. 23)

2006 Zürich, Universum-Film A.G. 8. Zürich, Orient-Cinema, Modell CBerlin (24. 9. 23)

2007 Palast Lichtspiele Stuttgart (etc.) 9. Stuttgart, Palast-LichtspieleModell C.

Auf welche Art das Instrument Opus 2007 nach Wiener Neustadt kam, konnte nicht geklärtwerden. Nach mündlicher Überlieferung stand eine Kinoorgel im Wiener Neustädter Apollo-kino in Verwendung, sie soll später im Zentralkino aufgestellt worden sein.

Tatsächlich wird in einer Niederschrift des Bundes-Polizeikommissariats Wiener Neu-stadt vom 10. Februar 1937 anlässlich der Untersuchung des Saales im Zentralkino aufseine Eignung als Theatersaal eine Kinoorgel erwähnt96: „Bühne . 3.) Da die in diesemRaum stehende Kinoorgel nicht entfernt werden kann (wegen ihres Gewichtes) sind alledadurch gegebenen Durchgänge bzw. Verkehrshindernisse entsprechend zu beleuchten."Zu diesem Zeitpunkt befand sich aber Opus 2007 noch in Mannheim; es kam ja erst imMai 1937 in die Synagoge nach Konstanz.

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In diesem Zusammenhang sei auf die bereits erwähnte Pit-Orgel in der Filialkirche vonLandegg bei Pottendorf (Niederösterreich) hingewiesen, die 1957 auch aus einem KinoWiener Neustadts übernommen worden war. Es gibt also leider noch einige gegenwärtignicht klärbare Ungereimtheiten in der Geschichte der Oskalyd-Orgeln im Umkreis Wiens.

Das Opus 2007 in der Wiener Neustädter Pfarrkirche wurde dort von unkundiger Handschwer beschädigt. Im Jahre 2000 wurde es vom Technischen Museum erworben und restau-riert. Leider ist es gegenwärtig durch klimatische Probleme wieder unspielbar geworden.

Die Orgel weist an den beiden Seiten klappbare Jalousieschweller auf, in der Mitte des Kas-tens vorne befindet sich der charakteristische Kreissegmentschiebeschweller. Die Spielein-richtung weist folgende Registerwippschalter auf:

Sub (-Koppel)Quintatön 4'Quintatön 8'Gedact 4'Gedact 8'Oboe 8'Voix celeste 8'

Über den Registerwippen befinden sich Pneumatikeinstellknöpfe für die Lagenzuord-nung der Register (Bass, Mitte, Diskant). Manualumfang: C chrom bis a4 (!), b1 = 455Hz/7°.

95 Pfarrarchiv Herz Mariä, Gedenkbuch; freundl. Hinweis auf das Instrument durch Frau JOHANNABLAHA, Sekretärin des ORF-Landesstudios Niederösterreich (Musikabteilung); Untersuchung desInstruments am 22. 12. 1983 mit freundl. Genehmigung durch Dechant Prof. Dr. KARL HOFEGGER.

96 Magistrat der Stadt Wiener Neustadt Abteilung 4 Zl. 569; freundl. Mitteilung Dr. GERTRUD BUTTLAR,Zl. 1410/84 vom 22. 11. 1984.

Unter der Klaviatur befinden sich Schalteinrichtungen für:

Windschalter,g2 gs2 fs g,HolzwippeSireneBeiwerk Tempo.

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Das Pfeifenwerk ist im Gehäuse in zwei Etagen aufgestellt und besteht aus

Gedeckt 8' (+Auszug 4')Quintatön 8' (+Auszug 4'; tiefe Oktav zusammengeführt mit Gedeckt 8')Voix celeste (Diskant labial mit Rollbart)Oboe (16 Pfeifen der Mittellage echte Zungenpfeifen, Rest labial, tiefe

Oktav im Untergehäuse).

Im Untergehäuse sind Glocken untergebracht. Die Steuerung der Klangeffekte entsprechenddem System wird über 3 Rollschweller vorgenommen. Das Windladensystem wird pneuma-tisch gesteuert.Um rascher umregistrieren zu können, aber auch um Stimmen hervortreten zu lassen, besitztdas Instrument eine sinnreich konzipierte, komplizierte Einrichtung, eine Kombination. MitHilfe kleiner Zügchen kann das Instrument in Bass- Mittel und Diskantlage geteilt werden.Die schwarzen Zügchen schalten den Bassteil ein, die roten Zügchen die Mittellage, die wei-ßen den Diskant und die Effekte.Abgerufen wird die vorbereitete Mischung durch ein drehbares Brettchen unter der Klaviatur.

An Effektregistern weist das Instrument auf:

AUTO(hupe), VOGEL(gezwitscher),ZIMBEL, SIRENE, SCHMIEDE, REGEN, TELE-PHON(klingel), )

Die Autohupe besteht aus drei stimmbaren Zungenpfeifen an der Rückseite des Oskalyds. Siewerden von den drei Tasten g', c2 und c3 aus angespielt.

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Das Vogelgezwitscher kommt manchmal auch in Kirchenorgeln vor, es beruht darauf, dasseine Pfeife mit ihrem Körper in einem Gefäß steht, das mit Wasser gefüllt ist. Wie bei denähnlichen Kinderpfeifchen entsteht dann ein schwirrender Ton.

Das Regen- oder auch Wellengeräusch entsteht durch Sandkörner, die in einem hohlen Raduntergebracht sind und bei der Drehung geräuschvoll verschoben werden.

Auch die Zimbel kommt in Kirchenorgeln vor und verbreitet so etwas wie Weihnachtsstim-mung. In diesem Instrument besteht sie aus 4 echten kleinen Glocken; jede einzelne wirddurch ein Hämmerchen angeschlagen.

Die Schmiede: Mit Hilfe von drei Keilbälgchen schlagen drei Hämmerchen in rhythmischerAbfolge auf zwei abgestimmte Metallstäbe.

DAS ORCHESTRION DES EICHINGERKINOS

Eines der kleinsten Kinos in Wien befand sich auf dem Lerchenfelder Gürtel Nr. 45 (16. Be-

zirk)97. Der Zuschauerraum war nur durch einen winzigen Vorraum von der Straße getrennt.

Es hatte einen Fassungsraum von bloß 70 Sitz- und 20 Stehplätzen, der Sitzabstand betrug nur

65 Zentimeter. Verständlicherweise hatte der Besitzer ADOLF EICHINGER auch immer wieder

Schwierigkeiten mit der Magistratsbehörde98. Er besaß das Kino zumindest vom Jahre 1907

an, ein Besitzwechsel dürfte 1918 erfolgt sein. Ein Brand am 27. Juni 1911 machte eine neue

Kollaudierung notwendig, die Lizenz sollte daraufhin 1916 auslaufen.

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Einige Jahre hindurch wurde jährlich die Konzession zwar erneuert, jedes Mal aber mit dem

Hinweis, dass die Verhältnisse der strengen Kinoordnung widersprächen. Dem letzten Kon-

zessionär, ALFRED GRÖGL, wurde nach dem 31. Oktober 1927 die Lizenz nicht mehr erteilt.

An die Stelle des Eichingerkinos trat das Weltspiegelkino (Lerchenfeldergürtel Nr. 55), das

noch heute besteht.

Wie in vielen Kinos der Jahrhundertwende üblich, beschäftigte ADOLF EICHINGER einen Kino-

Ausrufer oder Rekommandeur, der Vorübergehende zum Besuch des Etablissements und der

Vorführungen zu animieren hatte. Die musikalische Untermalung der Filme besorgte ein Pia-

nist, Hauptattraktion des kleinen Lokals stellte aber ein offensichtlich großes Orchestrion dar,

das im Vorraum aufgebaut war und von da sowohl auf der Straße als auch im Zuschauerraum

gehört werden konnte. Betätigt wurde es vom Eigentümer persönlich, einerseits um dem Aus-

rufer oder dem Pianisten eine Pause zu gönnen, anderseits aber auch um passende Szenen des

Films zu untermalen.

Ein Augen- und Ohrenzeuge, OTTO KRAMMER, berichtet davon mit begeisterten Worten: „...

und der alte Aichinger [sic!] setzte das große Orchestrion, ein wahres Wunderwerk in seiner

Art, in Gang. Man hörte diese Macht- und Klangfülle an Musik nicht nur auf der Straße, son-

dern auch im Vorführungsraum des Kinos. Das Einsetzen dieses Spielwerks erfolgte gerade zu

jenen Zeiten, in welchen die besonders spannenden Szenen des Films abliefen. ... Eine derart

schöne und wohlklingende Orgel, oder besser gesagt Orchesterspielwerk, hatte meines Wis-

sens nach außer dem kleinen Aichinger-Kino kein anderes in der weiteren Umgebung."

Es handelte sich hier also um eine Drehorgel, eines jener walzengesteuerten Instrumente, wie

sie in Wien in mehreren Etablissements des Praters Verwendung fanden. Über den weiteren

Verbleib dieses Instruments ist nichts bekannt.

97 OTTO KRAMMER, Wiener Volkstypen. Wien 1983, 46 ff (freundl. Mitteilung Dr. OTTO BIBA).98 AStW MA 104 A 6 Q 4 (Feuer- und Sicherheitspolizei: Theater- und Vergnügungsstätten): MA IV 753/19;

MA IV-4154/18; Kinokatasterblatt des M.B.A. XVI (Adolf Eichinger, 16. Bez. Lerchg. 45); Protokoll M.B.A.XVI v. 16. 6. 1910 ZI. 38365.

DIE ORGEL DES SCHWARZENBERGKINOS

Das Schwarzenbergkino (Kammerlichtspiele), 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 6, wurde an-lässlich der Lizenz-Erneuerung im Jahr 1919 umgestaltet99. Seitlich links neben der Bildflächewar ein kleiner Raum für das Orchester vorhanden, der nicht mehr genügte. Der Raum bliebzwar bestehen, das Orchester erhielt aber einen neuen vertieften Platz vor der Bildfläche. Am23. Jänner 1923 wurde von der Magistratsabteilung 52 die Erlaubnis erteilt, diesen Orchester-raum mit einem transportablen Podium abdecken zu dürfen. Verschiedene Umgestaltungenerforderten im Juni 1927 die Vorlage entsprechender Pläne. Auf einem davon (nicht auf al-len!) ist die Orgel in der vorderen ehemaligen Orchesterkammer deutlich eingetragen. EineReihe Pfeifen und davor die Klaviatur sind eingezeichnet; es handelte sich offenbar um einäußerst kleines Instrument.

Aus den dreißiger Jahren ist glücklicherweise die Dispositionsaufnahme des OrgelliebhabersANTON WEIß erhalten, der über das Instrument folgendes berichtet 100:

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99 AStW MA 104 A 11/15: diverse Schriftstücke und Pläne100 Archiv JOHANN M. KAUFFMANN (Wien)101 AStW MA 104 A 11/10: diverse Schriftstücke.

DIE ORGEL DES ZENTRALKINOS(TABORKINO, 1925)

Das Zentralkino, 1020 Wien, Taborstraße 8, wurde 1916 als Wohlfahrtsunternehmen fürKriegsfürsorgezwecke und die Armen der Stadt Wien erbaut. Die Abgaben wurden für Tages-heimstätten von Kriegerwitwen und deren Kinder verwendet101.Am 21. Dezember 1922 wurde die Errichtung eines Podiums im Orchesterraum für 12 Perso-nen mit der Auflage genehmigt, dass die Durchgangshöhe im Orchestergraben 2 Meter betra-gen müsse. Am 12. März 1925 stellte die Kinoverwaltung an die Polizeidirektion das Ansu-chen, für das große Ereignis der Uraufführung des Monumentalfilms Die zehn Gebote dasKino entsprechend adaptieren zu dürfen. Das Projekt konnte sich sehen lassen102.…der Saal und sowie sein Vorraum (Warteraum) wurde im ägyptischen Stiele ausgeschmückt:Auf dem grossen Vorhang vor der Bildfläche wird eine flammensicher imprägnierte Stoffdeko-ration aufgenäht. Bei den an der Decke angebrachten und aufgehängten Beleuchtungskörpernwerden verschieden gefärbte Bastgehänge mittels Drahtreifen befestigt. Die Galeriepfeilerwerden mit Standarten und Lanzen ausgeschmückt, deren untere Enden über Schulterhöhesich befinden werden. Die Galeriebrüstungen werden ihrer ganzen Länge nach mit flammen-sicher imprägniertem bemalten Papier bespannt… An den Galeriebrüstungen zu beiden Seitender Bildfläche werden Scheinwerfer angebracht, die aus Halbwattlampen mit Blechspiegeln ineinem Blechgehäuse bestehen, und vorne durch ein Glas mit Drahtgittersicherung abge-schlossen werden. In den Logenräumen zu beiden Seiten der Bildfläche wird je eine Opfer-schale mit eingebautem Ventilator aufgestellt, der rote Seidenstreifen in Bewegung setzt, dielodernde Flammen vortäuschen sollen. Ausserdem wird hier je eine ca. 2 Meter hohe Figuraus Papiermaschée auf einem 1 m hohen Sockel aufgestellt. An den Pfeilern im Parterre desSaales werden bemalte Papierplakate befestigt.In der linksseitigen Direktionsloge auf der Galerie wird eine Orgel aufgestellt. Das Buffetwird in die Nische hinter der Kassa verlegt. Im derzeitigen Buffetraum wird ein Grabmal er-richtet zu dessen Seiten 2 Figuren aus Papiermaschée aufgestellt werden. Dieser Raum wirdgegen den Warteraum durch eine gitterartige Brüstung aus Papiermasche abgeschlossen, undwerden in dem Raum noch 2 Beleuchtungskörper an den Wänden befestigt…Und über dieskommen in den seitlichen Nebenräumen des Warteraums Sphinxe und lebende Palmen zurAufstellung…"

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Beim Augenschein durch die Wiener Magistratsabteilung 52 wegen „Feststellung der Feuerund Sicherheitspolizeibedingungen" wurden an sich keine Einwände erhoben, es wurden nureinige Auflagen erteilt, so unter Posten 5: „Die Orgel ist gegen den Zutritt Unberufener stand-sicher abzuschranken, wobei ein mindestens 1.50 m breiter Verkehrweg freizuhalten ist."Wir erfahren aus dieser umfangreichen Darstellung das Errichtungsdatum einer Orgel, die bis1962 bestehen sollte, und für ein sehr bedeutsames Ereignis der Filmgeschichte angeschafftworden war.Es existiert noch ein in Spritztechnik kolorierter Sitzplan, der offenbar die Verhältnisse diesesJahres wiedergibt, denn die Orgel befindet sich tatsächlich auf der hinteren Galerie einge-zeichnet.

Dort blieb sie allerdings nicht. In einer umgestaltenden Planaufnahme vom 11. Dezember1926 wurde die Orgel vorne links neben dem Orchester aufgestellt 113.

Über den Erbauer selbst ist leider nichts ausgesagt, HANS MERTEL könnte - aus später ange-führten Gründen - dafür in Frage kommen.

Die Orgel besaß zuletzt ein etwas verspieltes Aussehen mit jugendstilähnlichen Schleierbret-tern und - was wesentlich erscheint - zwei Pfeifenprospekte. Der Spieltisch befand sich an derBreitseite vor einem dreigeteilten Prospekt, die linke Seitenwand war ebenfalls als Prospektgestaltet104. Dies passte sehr gut zur Galerieloge; der Spieler blickte offenbar nach links zurLeinwand. Bei Aufstellung neben dem Orchester wurde diese Anordnung beibehalten, derSpieler konnte zur Leinwand ebenso wie zum Orchester blicken, die Seitenprospektwandmusste allerdings der Wand zugekehrt sein; die feste Seitenwand rechts blickte zum Publikum.Zu diesem Zeitpunkt, 1925/26, wurde das Kino von der SASCHA FILM A.G. MORITZ GRÜNHUT,1119 Wien , Sieveringer Straße 135, betrieben.

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Nach einer am 17. April 1929 von der Magistratsabteilung 52 durchgeführten Betriebsrevisionwurde dem verantwortlichen Geschäftsführer, HEINRICH LIPSKA, folgender Mängelkatalogbetreffend den Orgelmotor übermittelt105:2.) Der im Spielwerk eingebaute Anlasser für den Orgelmotor ist mit Asbest zu umkleiden; derMotor selbst ist mit einem doppelpoligen Ausschalter zu versehen.3.) Auf den Sicherungen für den Gebläsemotor dürfen keine anderen Stromkreise hängen; esist daher die auf diesen Sicherungen geschaltete Lampe auf die Sicherungen für die Kabinen-beleuchtung umzuschalten.4.) Der Gebläsemotor ist mit einem doppelpoligen Ausschalter zu versehen.So streng waren damals die Gebräuche. Wir aber erfahren daraus, dass die Orgel tatsächlichvorne beim Orchester aufgebaut worden war, nachdem man die ägyptische Dekoration ent-fernt hatte.1929 erfolgte die Umbenennung des Zentralkinos in Ufa-Ton-Kino, da es auch im 11. Bezirkein Zentralkino gab, vor allem aber auch deshalb, weil eine Klangfilm-Apparatur eingebautworden war106. Die Orgel wurde damit überflüssig; am 14. Juni 1930 wurde die Überdeckungdes Orchesterraumes bewilligt107.

Bedarf für eine Orgel aber gab es in der Pfarrkirche Sievering (1190 Wien): Der Festaus-schuss der Pfarre sah sich anlässlich der 600-Jahrfeier um ein bleibendes Geschenk um undkaufte die Orgel des Zentralkinos als „neue Orgel" an. Das Gedenkbuch der Pfarre informierthierüber ausführlich:„Zur bleibenden Erinnerung an die 600 Jahrfeier hatte es sich der Festausschuß zur Aufgabegesetzt, der Kirche ein würdiges Denkmal zu schaffen und zwar in Gestalt einer neuen Orgelmit elektrischem Antrieb. Die alte Orgel, welche mit Blasbalg zum Treten versehen war, konn-te ihren Dienst nur mehr sehr mühsam bewältigen, da einige Pfeifen hie und da ausließen, wasbeim Gottesdienst oft unangenehm und störend empfunden wurde. Diese alte Orgel war in derMitte der Brüstung angebracht, der Organist war dahinter ganz verborgen und konnte nurdurch einen kleinen Ausschnitt auf den Altar sehen. Die hochherzige Entschließung des Fest-ausschusses war daher sehr zeitgemäß.…nach Begutachtung von Fachmännern [wurde die Orgel ]von dem Festausschuß um denPreis von S 2000, - angekauft und in die Pfarrkirche Sievering überführt. Die neue Orgel istnach pneumatischen System mit allen Errungenschaften der modernen Orgelbautechnik aus-gestattet. Der alte Blasbalg wurde in die neue Orgel wieder eingebaut, um für Fälle, wo derelektrische Antrieb versagen sollte, einen Ersatz einschalten zu können. Durch die neue Mon-tierung der Orgel wurde für den Organisten ein freier Ausblick auf den Hochaltar und bedeu-tend mehr Raum für die Sänger geschaffen. Die Durchführung der Neuaufstellung und Mon-tierung der Orgel wurde dem Orgelbaumeister Hans Mertel in Salzburg übertragen. Die Ge-samtkosten für Kauf, Übertragung und Aufmontierung stellten sich auf 5 2980, -……Die Weihe der neuen Orgel nahm ich am Schlußtage des Kirchenjubiläums, am Patrozi-niumsfest, Tag des hl. Severin, Sonntag den 11. Jänner 1931 vor und zwar vor dem Hauptgot-tesdienst. Herr Professor und Hoforganist Louis Dité, VIII. Piaristengasse 12, welcher sichauf meine Einladung bereit erklärt hatte, an diesem Tage zum Abschluß der 600-Jahrfeier denOrgelpart in der Kirche zu übernehmen, gab dann noch zwischen Predigt und Hochamt einkurzes Kirchenkonzert. Beim folgenden Hochamt, bei dem Hochw. Zaussinger und 2 Klerikerdes Stiftes Klosterneuburg assistierten, wurde die Messe in G-Dur von Franz Schubert zurAufführung gebracht."Die Tatsache, dass man sich an HANS MERTEL in Salzburg wandte, die Aufstellung der Orgelin Sievering vorzunehmen, führt zur Hypothese, dass er der Erbauer des Werkes gewesen seinkönnte. Diesbezügliche allfällige Aufzeichnungen in der Werkstätte MERTEL sind bei einemBombenangriff 1945 verlorengegangen108

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Die Aufstellung erfolgte so, dass der Prospekt der linken Schmalseite auf dem Musikchor inRichtung Altar schaute, der Spieltisch befand sich an der dreifeldigen schmalen Vorderseiteder Orgel. Schriftliche Aufzeichnungen über den Aufbau der Orgel haben sich nicht erhalten,doch wurde die Disposition von HANS HEILING, der das Instrument oftmals im Gottesdienstspielte, aufgezeichnet109: das Instrument besaß eine pneumatisch gesteuerte Zwillingslade, diees ermöglichte, verschiedene Register auf jedem der beiden Manuale zu spielen. Die Disposi-tion lautete zuletzt:

1959 genügte dieses Werk den Anforderungen nicht mehr und man sammelte für einen Neu-bau - laut Gedenkbuch der Pfarre - sehr erfolgreich: Am 1. 7. 1961 wurde der Bauauftrag andie Firma EPPEL erteilt. Von den Gesamtkosten im Betrage von S 191.500, - konnte als ersteAnzahlung an diesem Tage 75.000 Schilling geleistet werden. Die Bezahlung der nächsten 2Raten folgte rasch und am 11. Juni 1962 fand die Weihe statt. Die alte Orgel wurde gegen20.000 Schilling Vergütung von der Firma EPPEL übernommen.Am 2. Jänner 1962 wurde der Spieltisch der ehemaligen Kinoorgel durch OrgelbaumeisterPHILIPP EPPEL demontiert, in der Folge auch das rest1icheWerk. Teile der Orgel (u. a. dieWindlade) wurden für den Neubau in Höflein bei Bruck a. d. Leitha wiederverwendet110.

102 AStW MA 104 A 11/10: MA 52/1040/25 v. 21. März 1925 (Aufnahmeschrift)103 AStW MA 104 A 11/10: Planvorlage a. genehmigt am 11. 12. 1926 per Zahl MA 52/K 28/8/26.104 Freundl. Mitteilung HANS HEILING.105 AStW MA 104 A 11/10: MA 52/K 28/47/29 v. 10. 5. 1929. „106 AStW MA 104 A 11/10: MA 52/K 28/51/29 v. 20. 8. 1929.107 AStW MA 104 A 11/10: MA 52/K 28/57/1930 v. 14. 6. 1930.108 Freundl. Mitteilung Orgelbaumeister FRITZ MERTEL (Salzburg).

DIE ORGEL DES LUSTSPIELKINOS (PRATER, 1927)

Das Lustspielkino am Beginn des Praters (1020 Wien, Ausstellungsstraße) befand sich an ei-nem traditionsreichen Platz. Das Gebäude wurde 1873 an der Stelle des Schreyerschen Affen-theaters, das 1862 zur Singspielhalle verändert wurde, errichtet. Zunächst als Theater unter derLeitung des Volkssängers JOHANN FÜRST populär, erlitt es nach dessen Tod von 1882 bis 1892eine starke Stagnation und erholte sich erst ab 1892 nach einer Renovierung unter der neuenLeitung von HEINRICH JANTSCH. Nach einer Reihe häufig wechselnder Direktionen betrieb derSchauspieler JOSEF JARNO das Theater von 1905 bis 31. August 1927 unter dem Namen Lust-spieltheater. Dann wurde das Gebäude zum Kino umgestaltet und am 1. Dezember 1927 alsKino Lustspieltheater bzw. Lustspielkino eröffnet111.Wie die Einreichpläne (genehmigt 30. Dezember 1927) zeigen, war eine Orgel von allem An-fang an fest eingeplant, sie war bei der Eröffnung bereits in Verwendung112

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Für das Instrument war eine große und hohe Kammer vorne rechts neben der Bühne vorgese-hen, die den I. und II. Rang erfasste. Darunter im Erdgeschoß befand sich die Direktionskanz-lei. Ein etwas nach vor geschweifter Prospekt umhüllte das Werk, auf der gegenüberliegendenSeite wahrte ein Scheinprospekt die Symmetrie.Der Orgelliebhaber ANTON WEIß hielt in seiner Dispositionssammlung Erbauer und Disposi-tion der Orgel fest. Demnach handelte es sich um ein von Hans Mertel sen. im Auftrag derSalzburger Firma CÄCILIA aufgestelltes Werk113:

Mit dem Einbau einer Tonfilmanlage im September 1929 verlor das Instrument nur allzubalddie Daseinsberechtigung. Über dessen weiteren Verbleib ist nichts bekannt. Das Gebäudeentging als einziges der Vernichtung des Praters am Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Lust-spielkino wurde zunächst 1949 wieder eröffnet, musste aber bald einer Verkaufsausstellungweichen. Schließlich fiel das überwiegend aus Holz bestehende Gebäude einer Brandkatastro-phe zum Opfer. Möglicherweise befand sich das Instrument zu diesem Zeitpunkt noch in derOrgelkammer und wurde erst damals vernichtet.

111 FELIX CZEIKE, Das große Groner- Wien-Lexikon. Wien - München—Zürich 1974, 488.112 AStW MA 104 A 11/9.113 Archiv JOHANN M. KAUFFMANN (Wien).

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DIE ORGEL DES APOLLOTHEATERS (1929)

Der Gebäudekomplex des Apollotheaters (1060 Wien, Gumpendorfer Straße 63 / Kaunitzgas-se 3) wurde 1904 nach Plänen von EDUARD PRANDL erbaut und umfasste neben einem Ver-gnügungsetablissement ein Hotel und drei Zinshäuser. Inmitten der Wohngebäude befand sichder große Theatersaal. Das Etablissement erreichte als Varietétheater innerhalb kurzer Zeiteinen hohen Bekanntheitsgrad114.. 25 Jahre später baute man unter dem Eindruck des Sieges-zuges des neuen Mediums Film den Komplex um. Der zunächst von Architekt HUBERT GESS-

NER vorgelegte Plan wurde zurückgezogen115, die neuen Pläne von Regierungsrat Prof. CarlWitzmann gelangten zur Ausführung und entsprachen fast einem Neubau.

Der Zuschauerraum fasste 1500 Personen

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Oberhalb der Proszeniumsöffnung wurde eine englische Christie-Orgel untergebracht, einInstrument mit verblüffenden orchestralen Klangwirkungen (lt Stellungnahme des ArchitektenCARL WITZMANN in der Neuen Freien Presse116)..

Ende 1929 wurde ein Aufzug für den Orgelspieltisch im Orchesterraum eingebaut. Eine Be-schreibung von Bau und Funktion eines solchen Liftes hat sich in den Akten des Scala-Theaters erhalten.

Am Donnerstag, den 12. September 1929, konnte der Filmpalast eröffnet werden. Die Pressebefasste sich eingehend mit diesem theater- und kinogeschichtlichen Ereignis121. Nach demFestmarsch von RICHARD STRAUSS tanzte GRETE WIESENTHAL mit ihrem Ballettensemble denDonauwalzer. Der Vorstellung der neuen Kinoorgel folgten Geräuschfilme, wiedergegebenauf dem neuen Western-Electric-Apparat. Erst dann kam es zur Premiere des amerikanischenPrunkfilmes Lady Hamilton die ungekrönte Königin.

Über die neue Kinoorgel bemerkt der Rezensent der Neuen Freien Presse am 12. September,also am Tag der Aufführung: „Vor der Filmpremiere feiert die Christie- Unit-Orgel, von Pro-fessor Dr. Toobel [ = fälschlich für Tootel] künstlerisch gemeistert, ihr Wiener Debüt. Eintechnisches Wunderwerk, dessen mächtig hinströmende Stimme ein ganzes Orchester in derVielfalt seiner Instrumente vorzutäuschen vermag. Das Operpotpourri, das man zu hören be-kommt, gestattet freilich noch kein Urteil über alle musikalischen Möglichkeiten der neuenOrgel."Im Bericht über die Eröffnung in der Wiener Zeitung vom 13. September äußert sich der Kri-tiker offenbar weniger beeindruckt: „Ein Erzeugnis mechanisierter Kunst war die riesenhafteOrgel, eine Christie-Unit-Orgel, die aus der Tiefe emporstieg, gespielt von Professor DoktorTootel. Von Wagner bis zum Jazz kann man alles darauf spielen: sicherlich ein prachtvollesKunststück im Imitieren, im Ersetzen der Klänge eines ganzen Orchesters, dem Halle der Or-gel; seelisch ist dieses Klingen und Tönen aber so weit von der alten Orgel entfernt, wie AntonBruckner von einem Shimmy. Irgendwie wird man an die Grottenbahn erinnert."

Im Auftrag der Firma Christie spielt Dr. GEORGE TOOTEL die Orgel als Einschulung etwa dreiWochen lang, dann übernahm die Vorführungen KARL EISELE. - GEORGE TOOTEL (Lebensda-ten zur Zeit unbekannt) war, nach eigenen Angaben (s. u.) Solo-Organist mehrerer englischerTheater, er nennt ausdrücklich folgende: Stoll Theater in London, Palace in Arrington, Colise-um in Glasgow, Picture House in Douglas und das West End Cinema in Birmingham. DieUniversität von Durham verlieh ihm den Doktorgrad, er bezeichnete sich auch als Mitglied desRoyal College of Organists. Für die Nachvollziehung einer glanzvollen Periode ist seine Pub-likation How to play the Cinema Organ, London o. J., von großer Bedeutung. Im ersten Kapi-tel befasst er sich mit den Instrumententypen (vom Harmonium bis zur Pfeifenorgel) und gibtAnregungen zum Spiel mit dem Orchester bzw. der Heraushebung einzelner Passagen.

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Das zweite Kapitel umfasst Anweisungen für das Solo-Spiel im Kino, für die Zusammenstel-lung einer Filmbegleitung aus passenden Musikstücken und für die frei improvisierende Be-gleitung. Im Anhang sind geeignete Musikstücke für bestimmte Filmszenen aufgelistet.

Als KARL EISELE 1935 die Leitung des Kleinen Rundfunkorchesters erhielt, nahm sich PAUL

EISELE der Apollo-Orgel an, bis er 1939 im Rahmen des Frankreich-Feldzuges als Soldat inden Elsaß versetzt wurde. Als Theaterleiter spielte er ab 1941 wieder an der Christie-Orgel,worüber in einer Reihe von Aufführungsrezensionen berichtet wird. Ab 1942 verbrachte PAUL

EISELE zwei Jahre in Russland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielte KARL EISELE

noch einige Male die Apollo-Orgel122

Im Gegensatz zur Oskalyd-Orgel brachte die neue Orgel im Apollotheater keinen Musiker umdie Existenz, sie stellte für die dort spielende Big-Band Apollo-Jazz eine echte klangliche Be-reicherung dar. Drei Firmen standen damals für den Bau zur Auswahl: KILGEN, WURLIT-ZER und eben CHRISTIE. Die Kosten beliefen sich auf etwa 150 000,- Schilling; die Aufstel-lung der Teile dauerte etwa drei bis vier Wochen. Für PAUL EISELE, der beim Zusammenbauöfter zuschaute, war ein solches elektrisches Werk ein Novum. Als Spieler kannte man dentechnischen Aufbau eines Instruments meist nur am Rande.Die Betreuung der Orgel übertrug die englische Firma dem Wiener Orgelbauer KARL KLIMT

(1ß5ß Wien, Reinprechtsdorfer Straße 9), der entsprechend eingeschult wurde. Beispielsweisewar die Einstellung der freien Kombinationen Sache des Orgelbauers. Diese Kombinations-schieber (vgl. Scalatheater) waren in einem eigenen Relaisschrank unter der Bühne unterge-bracht. Der Organist musste bei den Proben dem Orgelbauer zurufen, welche Kombinationenzu setzen seien.

Der Kinoorgel kam im Programmablauf eine ganz bestimmte Rolle zu, und zwar sollte sieeinen Übergang von der Wochenschau zum Hauptfilm schaffen. Im Apollotheater gab es abereine weitere Attraktion, die zunächst ebenfalls in den Programmablauf integriert war. Am Be-ginn der Veranstaltungen zeigte das Orchester Apollo-Jazz jeweils eine Bühnenschau, ein Mit-telding zwischen musikalischem Sketch und „Lebendem Bild". Es war nicht leicht, zu jedemneuen Programm auch eine attraktive neue Bühnenschau zu gestalten. Besonders unter demDirigenten KARL KRAL entstand eine Reihe von bemerkenswerten musikalischen Bildern.

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Neben Die große Attraktion war Die Schule besonders erfolgreich: KARL KRAL trat als Lehrerauf, verschiedene Musiker mussten mit entsprechenden humoristischen Fehlern Solo spielen.Blütezeit dieser Sketches war die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in den Jahren nach 1922 ließdas Interesse nach; trotzdem wurde die Bühnenschau auch ins Programm des neuen Filmthea-ters aufgenommen.

In den Jahren nach 1929 dauerte eine Filmvorführung etwa 2 1/2 Stunden. Auf die Vorführungder Wochenschau folgte die Bühnenschau. Danach erklang die Orgel in einem 7 bis 10 Minu-ten dauernden solistischen Konzert, erst dann begann der Hauptfilm.

Die Weiterentwicklung des Films und die wirtschaftlichen Probleme brachten bald die Einspa-rung der Bühnenschau mit sich. Ganz plötzlich war zu wenig Zeit vorhanden, allerdings wur-den die Filme auch tatsächlich länger. Einzig und allein die Orgelvorträge zwischen Wochen-schau und Hauptfilm wurden beibehalten; dem setzten die letzten Jahre des Zweiten Welt-kriegs ein Ende.Neben den Filmvorführungen wurden im Apollotheater aber noch andere Veranstaltungendurchgeführt. Die Silvesterveranstaltung 1929 gestalteten beispielsweise u. a. neben demApollo-Jazz-Orchester ALFRED RONER (Zauberer), ARMIN BERG (Komiker), KammersängerALFRED PICCAVER, HERMANN LEOPOLDI und FRITZ SCHÖNHOFF

123.Am Samstag, 18. Jänner 1930, 14.30 Uhr, fand eine große Kinder-und Jugendvorstellungstatt124, die unter der Leitung von RISA ZUGAR stand, die auch Regie führte. Das Motto WasKinder träumen war Anlass für eine Revue in 11 Bildern. Die musikalische Leitung lag in denHänden Kapellmeister KARL EISELES, der persönlich im 1. und 7. Bild mit einem „Orgelvor-trag" mitwirkte. - Am Karfreitag, 3. April 1931, wurde um 19.30 Uhr ein geistliches Konzertunter Mitwirkung der Orgel gestaltet125.Als PAUL EISELE Ende 1940 Theaterleiter des Apollo wurde und auch das Spiel an der Chris-tie-Orgel wiederaufnahm, gelang es, diesem Instrument einen legendären Ruf zu verschaffen,„Paul Eisele auf seiner Christie-Orgel" wurde zu einem Begriff; eine Reihe von Veranstal-tungsrezensionen erschien in den Zeitungen.

Dem Wiederauftreten PAUL EISELES widmete die Wiener Volkszeitung vom 17. Dezember1940 einen langen Bericht, in dem die Christie-Orgel für die Leser ausführlich beschrieben ist:

Ohne Wind kann ich nicht spielen!Was ein unerwarteter Vormittagsbesuch im Apollo ergab

(Morgen, Mittwoch, werden die Besucher des Apollo-Lichtspieltheaters anläßlich der Premiere von ‚Kora Terry'das gepflegte Orgelspiel Paul Eiseles wieder hören.)10 Uhr vormittags! Durch eine kleine Hintertür gelange ich unbemerkt in das Apollo-Lichtspieltheater. Ein selt-sames leises Surren erfüllt den halbdunklen Saal - es sind die Aufräumefrauen, die mit den Staubsaugern arbei-ten. Und in dieses leise Surren klingen weiche Töne. Sie kommen von irgendwo, wie aus weiter, unwahrscheinlichweiter Ferne. Eine zarte Melodie klingt auf, leicht vibrierend.

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Ich taste mich nach vorn - in die erste Reihe - nahe heran an den Spieltisch der großen Orgel. Paul Eisele spieltauf den Manualen, sein Gesicht ist von kleinen Lämpchen mystisch beleuchtet. Es gibt ein freudiges Wiedersehenmit dem nach langem Frontdienst wieder heimgekehrten Organisten.

Paul Eisele ist der Bruder des bekannten Komponisten und Kapellmeisters des kleinen Rundfunkorchesters desReichssenders Wien Karl Eisele, dessen Kompositionen schon so manchen Film begleitet haben. Wir haben ebenjetzt wieder Gelegenheit, in dem neuerlich zur Aufführung gelangenden Wiener Kulturfilm ‚Steine reden' seineMusik zu hören.

Paul Eisele studierte gemeinsam mit seinem Bruder Karl bei Professor Hans Krenn Orgel, Klavier, Violine,Kontrapunkt und Orchesterlehre. Während sich sein Bruder sofort nach dem Studium der ausübenden Musikzuwandte, absolvierte Paul die Lehrerbildungsanstalt. Doch die Musik war stärker als der Lehrberuf. im Jahre1921 fährt Paul Eisele mit einer eigenen Kapelle in die Schweiz und konzertiert in Zürich, Sankt Moritz, Lausan-ne und Davos. Einige Jahre später kehrt er wieder in seine Heimatstadt zurück, und 1935 wird er an das Apollo-kino in das dort bestehende Orchester engagiert. Zwei Jahre später übernimmt er die Orgel, der er bis heute treugeblieben ist.

‚Meine Orgelmusik sind populäre, allgemein verständliche Stücke, die speziell für jeden Film eigens zusammen-gestellt werden. Sie sollen eine Überleitung von der Wochenschau zum Spielfilm darstellen. So werde ich zumBeispiel für den Großfilm ‚Kora Terry' populäre, bekannte Tanzmelodien verwenden.'

Dabei richtet sich unser Blick unwillkürlich wieder auf den großen Spieltisch der Kinoorgel, der für einen Laienso manches Geheimnis birgt. Vor allem zählen wir da zwei Manuale mit je fünf Oktaven, 84 ineinandergekoppel-te Register und 20 ‚Kollektivknöpfe'. Auf einem besonderen Kontaktbrett können mittels eines Schiebers ver-schiedene ‚Kollektive' hergestellt werden. Außer dieser Einrichtung finden wir am Spieltisch verschiedene Knöp-fe zur Erzeugung ganz seltsamer - speziell für eine Orgel - ganz seltsamer Geräusche und Töne. Wir finden:Vogelgezwitscher, Wind- und Meeresrauschen, Sirene, Schellen, Telephonklingel, Lokomotivpfeife, Autohupe,Klaxon, Feuerwehrsignal. Zu den Effekten gehört auch das gesamte Schlagwerk mit großer und kleiner Trommel,Xylophon, Vibraphon, Marimbaphon, großen und kleinen Glocken, Triangel sowie der Klangfarbe sämtlicherHolzinstrumente.

Vom Spieltischschrank führt ein starkes Kabel mit mehr als 150 Drähten zu den Pfeifen. Durch elektrische Kon-takte werden die gewünschten Töne bei den Pfeifen ausgelöst.

Nur in einem Umstand gleicht auch diese Orgel allen Orgeln der Welt, auch ich kann ohne den sogenannten,Wind' nicht spielen, der die Pfeifen zum Tönen bringt.'

Paul Eisele klettert wieder auf den Spieltisch. Durch die tiefe Stille des dunklen Saales schwingen wieder dieweichen Töne einer einschmeichelnden Melodie. Nichts stört uns, das Wort hat einzig und allein - die Musik!" –

Diesem Artikel ist auch das signierte Photo Paul Eiseles beigegeben.

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Die Christie-Orgel wurde während der Jahre 1935/36 durch die Firma JOHANN M. KAUFF-

MANN betreut126. Es waren mehrere Nachhilfen notwendig, eine Überholung schien unaus-bleiblich. JOHANN M. KAUFFMANN erbat sich am 16. Jänner von NORMAN, HILL AND BE-ARD in London Informationen über das Instrument und erhielt tatsächlich einen Schaltplan.

Am 2. Februar 1937 konnte KAUFFMANN mit einem Offert für eine Reinigung und Generalre-paratur an die Theaterleitung herantreten. Laut Absagebrief vom 21. Jänner 1937 wurde aberein Konkurrenzangebot angenommen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Apollokino durch die französische Besat-zungsmacht Vorführungen französischer Spielfilme veranstaltet, vor deren Beginn KARL EI-

SELE wie früher das Publikum mit Orgelspiel einstimmte127

Als 1962 der Apollokinosaal erneut umgebaut und dabei die Anordnung um 180 Grad gedrehtwurde, trug man die Christie-Orgel ab. Vergeblich hatte sich der Orgelbauer JOHANN M.KAUFFMANN bemüht, die Orgel zu erhalten. Er hatte am 24. August ein Offert für Zerlegungund Transport zu einer Lagerungsstätte vorgelegt und am 30. August sogar ein Ankaufsange-bot (S 8.000, -) gemacht. Beides wurde nicht angenommen, das Pfeifenmaterial wurde einemAltwarenhändler übergeben, die übrigen Teile verblieben im Hause. In den Abstellräumen desApollotheaters waren 1979 noch gelagert: der Spieltisch mit Teilen der Abdeckung, der Re-laisschrank, die Effektladen und Pfeifenreste (vgl. auch Scalatheater). Im Zuge der feuerpoli-zeilichen Auflagen für den Hotel- und Kinobetrieb mussten die Teile zwischenzeitlich ent-rümpelt werden 128

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PAUL EISELE erinnerte sich 1982 noch an einige Register: „Die beste Stimme war die Klarinet-te, die Trompete klang recht gut, die Vox humana ähnelte tatsächlich einer Singstimme, TibiaClausa war in der Apollo-Orgel eine schöne Flöte - ähnlich einer Hirten- oder Panflöte."

Aufgestellt war das Werk oberhalb der Bühne in zwei getrennten, durch Jalousieschwellerverschließbaren Kammern. Laut PAUL EISELE machten die Jalousien viel Lärm und störten dasSpiel.

Am 24. Oktober 1932 unterzog der Wiener Orgelbaumeister FERDINAND MOLZER die Christie-Orgel einer Untersuchung und zeichnete die Register sowie die Aufstellung in den Orgelkam-mern für sich auf. Dieses Blatt und die Untersuchung der Orgelreste ermöglichen die genaueRekonstruktion der Disposition129:

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114 CZEIKE a. 0. 373.115 Zu Gessner vgl. ebenda 132.116 Neue Freie Presse v. 13. 9. 19291 8.117 Neue Freie Presse v. 12. 9. 1929, 7; Wiener Zeitung v. 13. 9. 1929, 4.118 AStW MA 104 A 11/21: MA52/K75/1/29; Pläne: Lastenaufzug K75/ 13/29 v. 7. 9. 1929; den Spieltischstand

platz zeigen die Pläne K 75/29 v. 25. 8. 1929 (Längsschnitt), K 75/14/29 (Souterrain) vom 20. 8. 1929,K 75/14/29 (Parterre) v. 20. 8. 1929.

119 AStW MA 104 A 11/21: MA 52/K 75/13/29 v. 5. 9. 1929.120 AStW MA 104 Ai1/21: MA 52/K 78/27/31 v. 17. 10. 1931.121 Z. B. Neue Freie Presse vom 12. 9. 1929, 7 und Wiener Zeitung vom 13. 9. 19293 13.122 Erinnerungen Kpm. PAUL EISELE, Gespräche mit dem Autor (29. 1. bzw. 2. 3. 1979 sowie laufende

Ergänzungen); vgl. auch die Kapitel Die Wiener Kinoorgel-Organisten und ihr Stil und Die Orgel der Wien-Film-Gesellschaft 123 AStW MA 104 A 11/21: MA 52/K 75/46/29 v. 12. 12. 1929.

124 AStW MA 104 A 11/21: MA 52/K 75/55/30 v. 20. 1. 1930.125 AStW MA 104 A 11/21: MA 52/K 78/6/31 v. 3. 3. 1931.126 Archiv JOHANN M. KAUFFMANN (Wien).127 Erinnerungen des Autors, besonders an den Triumphmarsch aus Aida.128 Für die Ermöglichung der Untersuchung der Orgelteile sowie der Kopierung des Apolloerinnerungs-Photo-

albums sei der Apollo, Kino- u. Theater GesmbH., besonders Herrn KURT DANZINGER, gedankt. Die Un-tersuchungen wurden im Jänner 1979 vorgenommen (hier sei auch die Mithilfe von Herrn MICHAELLADENBURGER bedankt); Gespräch mit KURT DANZINGER am 11. 9. 1984.

129 Dieses Blatt befindet sich unter den Orgelplänen FERDINAND MOLZERS (im Besitz des Instituts fürOrganologische Forschung und Dokumentation der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien,heute Bereich Orgelforschung des Instituts für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der Wiener Musik-universität).

DIE ORGEL DES SCALATHEATERS (1931)

An der Stelle eines Zinshauses wurde 1908 nach Plänen EDUARD PRANDIS das Johann-Strauß-Theater mit einem Fassungsraum von 1192 Personen errichtet (1040 Wien, Favoritenstraße 8).Die Eröffnung erfolgte am 30. Oktober 1908 unter der Direktion von LEOPOLD MÜLLER mit1001 Nacht von Johann Strauß130

Infolge der krisenhaften Zeit, insbesondere aufgrund der abnehmenden Vorliebe für Operetten,baute Architekt CARL WITZMANN das Theater 1931 zu einem neuen großen Tonfilmpalast um.Dabei erhielt der Komplex den Namen „Scala". Viele der Erfahrungen beim Neubau desApollotheaters (1929) flossen in dieses Projekt ein. Selbstverständlich war nach den Erfolgenim Apollo auch für die Scala eine Kinoorgel vorgesehen, den Auftrag erhielt in diesem Falldie amerikanische Firma GEORGE KILGEN & SON aus St. Louis in Minnesota. Währendaber WITZMANN im Apollo die Orgel in zwei nebeneinander liegenden Kammern oberhalb derBühne untergebracht hatte, projektierte er nun in der Scala den üblichen Aufbau in zwei ge-trennten Kammern rechts und links von der Leinwand. Der Spieltisch stand im Orchesterraumund war wie im Apollo mit einem Aufzug versehen. Die Kammern befanden sich aber hinterdem Spieler im Zuschauerraum, daher dürfte er von der Orgel recht wenig gehört haben.

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Nach dem Abschluss der Umbauarbeiten folgte am 29. September 1931 die feierliche Eröff-nung mit entsprechendem Echo in der Presse. Die Neue Freie Presse widmete den beteiligtenFirmen am 30. September einen Bericht. Ein kurzer aber eindrucksvoller Bericht erschien inder Wiener Zeitung am selben Tag132:„Lichtspielpaläste sehen dich an. Sie entstehen aus Theatern und sind in ihrer knalligen Herr-lichkeit Zeugen der notleidenden Kunst. Umgekehrt steht es mit der äußeren Aufmachung. Auseinem ramponierten Theaterbau wurde ein phantastischer Kinopalast. Das eine Auge, dasdarüber lächelt - das andere, das Theaterauge drückt man eben zu - weidet sich an der neuenPracht, die aus dem alten, schonschäbig gewordenen Johann-Strauß-Theater hineingestecktund hervorgeholt wurde. Der Schöpfer des mondänsten Kinotheaters, das Wien nun besitzt, istProfessor Karl Witzmann.Der Name bürgt für Qualität. Schon die äußere Fassade erinnert kaum mehr an das alteHaus. Einfache Linienführung, weithin sichtbare Lichtreklame in riesigen, blauen Lettern.Alles darauf aus, anzulocken! Das Innere ist in lachsroten Farbtönen gehalten. Eine weitereVeränderung ergibt sich aus der Anordnung der Ein- und Ausgänge, die, auf Kinobetrieb ein-gerichtet, dem Hause ein völlig neues Aussehen geben. Auf- und Abgänge erfuhren eine Um-gestaltung, denn auch die Logen und Galerien passen sich ihrer neuen Bestimmung an.Die technischen Einrichtungen der Scala sind selbstredend das Neueste vom Neuen. Im Saaleingebaut ist eine Kilgen-Orgel, eine Jazzorgel, deren Konstruktion die Christie-Orgel imApollokino an Originalität noch weit übertreffen soll und die das erste Mal in Europa - sie istnatürlich aus Amerika - in Betrieb steht. Besondere Sorgfalt wurde dem Heizungs- und Lüf-tungsproblem zugewendet, das eine technische Lösung erfuhr, die ebenfalls den gesteigertstenAnforderungen entspricht. Wien hat also wieder um einen Kinopalast mehr; jedenfalls jetzteigentlich schon mehr als genug. Hoffentlich halten die wirtschaftlichen Vorteile der Verwil-derung des Geschmacks und der Abstumpfung an wirklichem Kunstgefühl die Waage. Mindes-tens die Waage!"

Die Programmfolge der Festvorstellung lautete133:

Festfanfare; Bläserchor der Wiener Staatsoper;Festprolog, gesprochen von Hugo Thimig;Billy Barnes: Vortrag auf der Kilgen-Orgel;Edmund Fritz, Singing Babies;Frank Fox und seine Scala-Jazz;mitwirkend Toni Birkmeyer mit einer Sologruppe der Wiener Staatsoper;(Künstlerische Leitung der Bühne: Regisseur Edmund Fritz).

Wie im Apollotheater durch TOOTEL führte auch in der Scala ein Organist der Orgelbau-Firmadie erste Vorführung durch: BILLY BARNES. Der Umbau bzw. Orgelbau der Scala ist doku-mentiert durch die ausführlichen Beschreibungen, Entwürfe und vor allem Einbaupläne CARL

WITZMANNS, die sich im Archiv der Stadt Wien erhalten haben134 Aus dem Bau-Kollaudierungsverfahren ist die Beschreibung des Orgelaufzuges enthalten135, er dürfte aller-dings schwächer als der Christie-Aufzug im Apollotheater ausgeführt gewesen sein, da einPersonentransport ausdrücklich untersagt blieb und eine jährlich zweimalige Überprüfungangeordnet wurde136 Ein Mitfahren mit dem Orgeltisch war nach den vorgeschriebenen An-ordnungen nicht statthaft.Da beim Umbau nur auf die Erfordernisse des Kinos Rücksicht genommen worden und einTheaterbetrieb nur mehr schwer möglich war, wurden 1933 neuerlich Umgestaltungen durch-geführt, um wieder den Theaterbetrieb aufnehmen zu können137.

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Der alte Orchesterraum des ehemaligen Johann-Strauß-Theaters wurde samt Zugängen abge-mauert. Ein neuer, wesentlich schmälerer Orchesterraum wurde auf der Höhe der Orgelkam-mern, 1,10 m tiefer als der anschließende Zuschauerraum, ausgehoben; er war beiderseits vonden Kellergängen aus zugänglich. Der Orgelspieltisch wurde aus der Unterbühne entfernt (hierwurde eine Drehbühne eingebaut) und im neuen Orchesterraum links hinter dem Souffleurkas-ten (offensichtlich ohne Aufzug) aufgestellt.Im Jahre 1938 gelangte das Kino in die Hände der Ostmärkischen Filmtheater-Betriebs-gesellschaft m.b.H., die das Scalatheater zusammen mit der Ufa-Film Gesellschaft neu adap-tieren ließ. Die festliche Eröffnung fand am 15. September 1938 mit der Uraufführung desgroßen Ufa-Films Heimat statt. KARL EISELE leitete die Veranstaltung mit einer Fantasie überMusik aus Zarah Leander-Filmen ein, hierauf folgte eine Sonderwochenschau. Der Huldi-gungsmarsch von Richard Wagner, gespielt vom NS-Tonkünstlerorchester unter ProfessorEiseles Leitung, und ein von Hans Nielson vorgetragener Prolog Josef Weinhebers brachtendie Überleitung. Der Hauptfilm begann und wurde ein großer Erfolg138

Anlässlich des üblichen magistratischen Kollaudierungsverfahrens wurde der Umbau von1933 bezüglich des Orgelspieltisches bestätigt139: „Bei dem vom B.St.A .11 am 13. Sept. 38über Ansuchen im Betrieb des Kinematographentheaters ‚Skala' Wien 1 V. Favoritenstr. Nr. 8vorgenommenen Augenschein wurde festgestellt, daß der Orgel (spiel) tisch nicht mehr ver-senkbar ist, sondern im Orchesterraum an der Stelle des Souffleurkastens unverrückbar aufge-stellt wurde." Paradoxerweise aber war bei den Umbauarbeiten ein neuer pressluftbetriebenerAufzug eingebaut worden, der den auf der Plattform montierten Spieltisch aus dem Orchester-graben so hoch hob, dass die Pedalklaviatur in der Höhe der Köpfe des Parterrepublikums lagund daher das Spiel des Organisten, vor allem auch die Beinarbeit beobachtet werden konnte.

Bald nach der Wiederaufnahme des Betriebes übernahm LOUIS DITÉ das ständige Spiel an derKilgen-Orgel wie die Kinoprogramme ausweisen: „An der Kilgenorgel: Prof. Louis Dite",,,An der Christie-Orgel: Paul Eisele". Die Orgelvorträge dauerten etwa 10 Minuten, stellteneine Überleitung von Wochenschau zum Hauptfilm dar und sollten auf diesen einstimmen., 2. Filmvorführer der Scala von 1938 bis Sommer 1941, erinnert sich an derartige Vorführun-gen140: „Nach der Wochenschau ging der goldgelbe Vorhang, von der Rampenbeleuchtungangestrahlt, zu. Bevor er jedoch ganz geschlossen war, wurde ein Diapositiv gezeigt (gelb aufbraun): An der Kilgen-Orgel spielt Prof. Louis Dite die und die Stücke, meist waren es drei.Die Orgel kam aus dem Orchestergraben mit Gedröhne hoch, circa 2 Meter, daß sie mit demSaalniveau gleich war. Die Scheinwerfer wurden auf den Spieler gerichtet. Der Organist saßmit dem Rücken zum Publikum; die Lichtlisenen bei den Orgelkammern wurden in verschie-denen Farben hoch erleuchtet, das Rampenlicht blieb eingeschaltet. Während der Vorführungwurde die Färbung langsam verändert, das konnte man von der Bühne aus regulieren. Nachder Vorführung drehte sich der Professor um, bedankte sich für den Applaus und verschwandin der Versenkung - Scheinwerferlicht ab. Nun kam ein Dreiklanggong, dann wurden die Lise-nenlichter abgedunkelt. Es blieb bei geschlossenem Vorhang die Rampenbeleuchtung, die Ou-verture des Hauptfilms begann, beim Titel ‚ Ufa zeigt' wurde die Rampenbeleuchtung ausge-schaltet und der Vorhang geöffnet. Fünf Minuten vor dem Spiel mußten die Lichtbogen-scheinwerfer, zwei handbetriebene Kohlescheinwerfer richtig eingestellt werden. Bei Beginndes Spiels wurden dann die Klappen aufgemacht und der Professor wurde aus der Beleuchter-kabine angestrahlt. Die Schwierigkeit bestand darin, für die Dauer der Vorführung in denScheinwerfern ein ruhiges Licht zu erzeugen, da ein Flackern den Spieler gestört hätte. Ein-mal ist dies tatsächlich passiert und der Professor mußte sein Spiel unterbrechen, bis dieScheinwerfer wieder zur Ruhe kamen." Offenbar war LOUIS DITÉ durch das blinde rechte Au-ge besonders empfindlich auf derartige Störungen.

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente die Scala der russischen Besatzungsmacht ab10. September 1945 als Theater. Volksschulkindern wurden hier schulweise Kriegsgreuelfilmevorgeführt, wobei auch die Kilgen-Orgel letztmalig erklang141. Nach Abschluss des Staatsver-trages wurde noch bis 30. Juni 1956 der Betrieb weitergeführt, 1959/60 schließlich folgte derAbbruch, um einem Wohnblock Platz zu machen142

Die Scala-Orgel erlitt ein ähnliches Schicksal wie die Apollo-Orgel: Das Pfeifenmaterial derKilgen-Orgel erhielt ein Altwarenhändler, der Spieltisch und verschiedene Teile waren bei denChristie-Resten im Keller des Apollogebäudes (s. d.) gelagert. An Hand dieser Reste konntedie Disposition erarbeitet werden, über die Anordnung der Stimmen in den Kammern fehlenjedoch Anhaltspunkte. Zwischenzeitlich wurden die Reste entrümpelt143

Eine der interessantesten Einrichtungen bot der Spieltisch. An der Rückseite waren mittelsschmalen Blechschiebern die Kombinationen einstellbar - eine wichtige Vorstufe zu denSchalttafeln, wie sie in Ladenform bereits 1939 in der Lenkwil-Orgel der Wien-Film-Gesellschaft eingebaut wurden (w.s.) und in der amerikanischen Registersteuerung der Ge-genwart selbstverständlich sind.

Firmenschild:

Kilgen [Wappen] Organmirabile auditu

Geo. Kilgen & Son, Inc.Builders

St. Louis. MO. U 5 A

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D i s p o s i t i o n(entsprechend der Spieltischeinrichtung)

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130 CZEIKE a. 0. 792.132 Wiener Zeitung v. 30. 9. 1931, 6.133 Neue Freie Presse v. 29. 9. 19319 8.134 AStW MA 104, A 8/21: Umbau- und Orgeleinbaupläne, Umbaubeschreibungen.135 AStW MA 104, A 8/21: MA 52/T 22/85/31 v. 5. 9. 1931, 2 f.136 AStW MA 104 A 8/21: MA 52/T 22/88/31 v. 29. 9. 1931.137 AStW MA 104 A 8/21: MA 52/K 65/93/33, Bescheid v. 16. 8. 1933.13S Neue Freie Presse vom 17. 9. 1938, 9 und Wiener Zeitung vom 18. 9. 1938, 13.139 AStW MA 1049 A 8/24: B.St.A.II/3-T53/76/38, Bescheid v. 15. 9. 1938140 JOHANN MODL, geb. 23. 12. 1915, wohnhaft Wien 15., Gespräch vom 12.6. 1984.141 Erinnerungen des Autors.142 CZEIKE a. 0.143 Vgl. Anm. 128

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DIE WIENER KINOORGELORGANISTEN

An den beiden großen Wiener Kinoorgeln wirkten mehrere z.T. bereits erwähnte Organisten,von denen drei zu ihrer Zeit eine große Berühmtheit erlangten, PAUL und KARL EISELE undLOUIS DITÉ. Im originalen Text dieser Publikation sind sie mit einer umfangreichen Biogra-phie gewürdigt (S 129 – 134). Hier seien ihre Lebensdaten genannt.

KARL EISELE: * 12.Dezember 1902 in Wien† 3. September 1967 (Pressbaum bei Wien)

PAUL EISELE: * 28. Juni 1901 (Wien)† 30. Dezember 1984 (Wien)

LOUIS DITÉ * 26. März 1891 (Wien)† 18. November 1969 (Wien)

Die beiden Biographien von KARL und PAUL EISELE stammen von PAUL EISELE selbst, dievon LOUIS DITÉ stellte freundlicherweise PETER HRNCIRIK zur Verfügung.

Im Zuge der Recherchen konnte der Autor über das Wiener Telephonbuch PAUL EISELE aus-findig machen. Prof. PAUL EISELE hat in der Folge liebenswürdigerweise viele Stunden demAutor über seine Tätigkeit und über Wiens Kinoorgeln referiert (s. Fußnote 12) – in den Räu-men des damaligen Instituts für Organologische Forschung und Dokumentation der WienerMusikhochschule. Anlässlich der 80-Jahrfeiern des Apollo gestaltete der ORF einen aufwen-digen Fernsehbeitrag, in dessen Zuge Prof. PAUL EISELE erstmals nach dem Zweiten Weltkriegwieder die Stätte seines Wirkens betrat. Bis dahin äußerst rüstig, verkraftete er die Eindrückenicht und starb wenige Tage später. Ein Photo aus diesen Tagen, aufgenommen im Institut,erinnert an den gefeierten Kinoorganisten.

Auch von LOUIS DITÉ hat sich eine Aufnahme erhalten, sie zeigt ihn an seinem Spieltisch derScala-Orgel:

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DIE ORGEL DER WIEN-FILM-GESELLSCHAFT

Zu einem relativ späten Zeitpunkt, nämlich 1939, wurde für die große Synchronisierungshalleder Wien-Film-Gesellschaft auf dem Rosenhügel 1230 Wien, Engelshofengasse 2 eine Kino-orgel der Berliner Firma LENKWIL angeschafft.

Sie trägt auf dem Firmenschild die Bezeichnung LENKWIL und wurde im Auftrag der Wien-Film von der Firma AUGUST LAUKHUFF (Weikersheim) nach den Vorstellungen des Chefor-ganisten der UFA, HORST SCHIMMELPFENNIG, gebaut. An der Entwicklung des neuen Orgel-typs waren die Herren HÄMMERER, LENK und EMIL WILCK maßgeblich beteiligt149.

Firmenschild

LenkwilKino-OrgelBerlin 1939

Das Werk ist in zwei Kammern rechts und links von der Projektionswand aufgestellt, je einJalousieschweller verschließt die Kammern gegenüber der Halle (vgl. S. 9).

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Der Spieltisch hat seinen Platz an der linken Seitenwand der Halle, ist fahrbar und war mitHilfe eines langen Hauptkabels an jeder beliebigen Stelle der Halle aufstellbar. Das Gebläsewar in einer eigenen Kammer untergebracht.

Diese Orgel wurde kaum mehr als zehn Mal eingesetzt. Der Temperaturunterschied zwischender vom Gebläse angesaugten Außenluft und den Umgebungstemperaturen von Kammernbzw. Halle wirkte sich auf die Stimmung derart ungünstig aus, dass das Werk nach jederÜberstimmung innerhalb kürzester Zeit wieder unbrauchbar wurde; so verzichtete man baldauf ihren Einsatz150. Die diversen Plattenaufnahmen mit KARL EISELE „auf der Kinoorgel"wurden an der Lenkwil-Orgel vorgenommen151, zum Beispiel:

Schellack 78 U/minAuf einem persischen Markt(Orientalische Intermezzoszene, 1. Teil Viennola 4914Albert W. Ketelbey) 2. Teil Viennola 4915Lied und Csardas (Franz Lehar) Seite 1 Viennola 4934Italienische Serenade Seite 2 Viennola 4935Träumerei (Robert Schumann) Seite 1 Viennola 4926Poème (Zdenko Fibich) Seite 2 Viennola 4932Ein Reigen schöner Wiener Lieder 1. Teil Viennola 4920

2. Teil Viennola 4921

Langspielschellack 331/3 U - LPR 1047 A

TräumereiSouvenirAuf einem persischen MarktReigen Wienerlieder

149 Für die Ermöglichung der Untersuchung des Werkes am 15. 12. 1978 sei der Wien-Film-Gesellschaft, beson-ders Ing. EDUARD KASACEK, gedankt. Kontrolle und Übereinstimmung mit einer Dispositionsaufzeichnung vonProf. JOSEF NOWOTNY. Freundl. Mitteilungen WILLI WIESINGER (Celle) und GERHARD HARTMANN (Wien).150 Freundl. Mitteilung Ing. KURT SCHWARZ v. 20. 4. 1983.151 Freundl. Mitteilung Kpm. PAUL EISELE V. 11. 9. 1984.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg erlosch das Interesse völlig, dennoch blieb das Werk bis voreinigen Jahren spielbar. Um Raum zu gewinnen, wurde dann das die Halle durchquerendeKabel gekappt und das Gebläse entfernt. Vorhanden geblieben sind bis heute der Spieltischund die beiden Werke in ihren Kammern.

Es wäre wünschenswert, für dieses durchaus restaurierfähige Instrument in einer Zeit der nos-talgischen Rückbesinnung eine neue Verwendung zu finden. Das Werk besitzt elf Stimmennach dem Unit-System, verteilt auf drei Manuale und 115 Registerzüge. Dazu kommen 15Kinoeffekte und tonale Effekte wie Glocken- und Xylophonstimmen (s. Disposition). Dieelektrische Steuerung der Registerkanzellenladen erfolgt in üblicher Form durch Reis-nermagnete.

Die linke Orgelkammer(an den Registerzügen mit o gekennzeichnet):

Länge an der Jalousieseite 387 cm, Breite 310 cm, Höhe etwa 6 m. Aufstellungsordnung:

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Die rechte Orgelkammer:Länge an der Jalousieseite 385 cm, Breite 308 cm, Höhe etwa 6 m.

Aufstellungsordnung:

In beiden Kammern ist das einzuhaltende Temperatur-/Luftfeuchtigkeitsverhältnis affichiert:21°/75%, 220/70%1 190-200/60%.

D i s p o s i t i o n

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Registerschalter oberhalb des 3. Manuals

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Einen Überblick über die bei der Firma LAUKHUFF erhältlichen Effekte gibt eine Preisliste ausdem Jahre 1934:

Einen kleinen Überblick über die Effekte der Wien-Film-Orgel bieten folgende Aufnahmen

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Lokomotive, Lokomotivpfiff, Kuhglocke

Pferdegetrappel

Brandung-Regen-Wind-Effekte