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10.3. Krümmung ebener Kurven Jeder, der einmal beim Durchfahren einer Kurve bremsen oder beschleunigen mußte, hat im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, daß die lokale Krümmung einen ganz wesentlichen Einfluß auf den Verlauf einer Kurve und die Bahngeschwindigkeit hat. Wir geben hier eine anschauliche und zugleich präzise Beschreibung der Krümmung ebener Kurven; eine weitere werden wir bei der Untersuchung von Raumkurven kennenlernen. Zur Erinnerung: Bei einer ebenen Kurve mit Parameterdarstellung = () w t () x t () y t = () r t ( ) cos () φ t () r t ( ) sin () φ t hat der Tangentenvektor = () t () t () t ebenso wie der Normalenvektor = () n t () -y´ t () t die Länge = () v t + () t 2 () t 2 . Der Tangenten-Einheitsvektor = () e t 1 () v t () w ´ t hat daher die Länge 1. Der Normalen-Einheitsvektor n*(t) = 1 () v t () n t = 1 () v t - () t () t hat ebenfalls die Länge 1 und steht senkrecht auf dem Tangentenvektor. Das Paar (e(t),n*(t)) wird gelegentlich "begleitendes Zweibein" genannt. Steigungswinkel und Richtungsänderung

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10.3. Krümmung ebener Kurven

Jeder, der einmal beim Durchfahren einer Kurve bremsen oder beschleunigen mußte, hat im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, daß die lokale Krümmung einen ganz wesentlichen Einfluß auf den Verlauf einer Kurve und die Bahngeschwindigkeit hat. Wir geben hier eine anschauliche und zugleich präzise Beschreibung der Krümmung ebener Kurven; eine weitere werden wir bei der Untersuchung von Raumkurven kennenlernen. Zur Erinnerung: Bei einer ebenen Kurve mit Parameterdarstellung

= ( )w t

( )x t( )y t

=

( )r t ( )cos ( )φ t( )r t ( )sin ( )φ t

hat der Tangentenvektor

= ( )w´ t

( )x´ t( )y´ t

ebenso wie der Normalenvektor

= ( )n t

( )-y´ t( )x´ t

die Länge

= ( )v t + ( )x´ t 2 ( )y´ t 2 .

Der Tangenten-Einheitsvektor

= ( )e t1

( )v t ( )w ´ t

hat daher die Länge 1.

Der Normalen-Einheitsvektor

n*(t) = 1

( )v t ( )n t =

1

( )v t

− ( )y´ t( )x´ t

hat ebenfalls die Länge 1 und steht senkrecht auf dem Tangentenvektor. Das Paar (e(t),n*(t)) wird gelegentlich "begleitendes Zweibein" genannt.

Steigungswinkel und Richtungsänderung

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Der Tangens des Steigungswinkels θ hängt eng mit der Ableitung zusammen:

= ( )tan ( )θ t( )y´ t

( )x´ t .

Mit der Kettenregel führt das im Falle zweimal differenzierbarer Kurven auf die Gleichungen

( + 1 ( )tan ( )θ t 2) θ´(t) = − ( )x´ t ( )y´´ t ( )x´´ t ( )y´ t

( )x´ t 2 ,

θ´(t) = − ( )x´ t ( )y´´ t ( )x´´ t ( )y´ t

+ ( )x´ t 2 ( )y´ t 2 ,

welche die Winkeländerung mit Hilfe der Änderung der Koordinatenfunktionen ausdrücken.

Es bezeichne

= ( )β t − ( )x´ t ( )y´´ t ( )x´´ t ( )y´ t

die (orientierte) Fläche des von ( )w ´ t und ( )w´´ t aufgespannten Parallelogramms.

Dann gilt also:

θ´(t) = ( )β t

( )v t 2 .

Im Falle einer kartesischen Darstellung = x t, = y ( )f x ist β wegen

= ( )x´ t 1 und = ( )x´´ t 0

einfach die zweite Ableitung von f :

= ( )β x ( )f ´´ x .

Die Krümmung

einer Kurve kann man als Änderung θ´(t) des Richtungswinkels ( )θ t im Verhältnis zur Änderung ( )v t der Bogenlänge ( )s t verstehen:

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( )κ t = d θds

= θ´(t) / ( )v t .

Daraus resultieren die folgenden Formeln für die Krümmung:

( )κ t = ( )β t

( )v t 3 =

( )n t T ( )w´´ t

( )v t 3 =

− ( )x´ t ( )y´´ t ( )x´´ t ( )y´ t

+ ( )x´ t 2 ( )y´ t 23

.

Speziell ergibt sich im Falle der kartesischen Darstellung = x t , = y ( )f x :

= ( )κ x( )f ´´ x

+ 1 ( )f ´ x 23 .

Für = ( )v t 0 ist die Krümmung nicht definiert (oder man versucht es mit l'Hospital, falls auch die Ableitung von ( )θ t gleich 0 ist). Bei positiver Krümmung handelt es sich lokal um eine Linkskurve, bei negativer Krümmung um eine Rechtskurve. Bei Wendepunkten und auf Geradenstücken verschwindet die Krümmung.

Daß bei einem Kreis die Krümmung konstant ist, leuchtet geometrisch ein. Rechnen wir diesen einfachsten Fall im Einzelnen durch:

Beispiel 1: Rotation

Ein Kreis mit Radius R, der mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω durchlaufen wird, hat die polare Parameterdarstellung

= ( )w t

R ( )cos ω tR ( )sin ω t

, = R 1 = ω 2 π

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Die erste Ableitung ist

= ( )w´ t

−R ( )sin ω t ωR ( )cos ω t ω

Damit ergibt sich als konstante Geschwindigkeit:

= ( )v t R ωDer Tangenten-Einheitsvektor ist

= ( )e t

− ( )sin ω t( )cos ω t

Der Normalen-Einheitsvektor zeigt zum Mittelpunkt des Kreises:

= ( )n* t

− ( )cos ω t− ( )sin ω t

Die zweite Ableitung ist

= ( )w´´ t

−R ( )cos ω t ω2

−R ( )sin ω t ω2

Damit berechnen wir

= ( )β t + R2 ( )sin ω t 2 ω3 R2 ( )cos ω t 2 ω3

und das läßt sich vereinfachen zu

= ( )β t R2 ω3

Als Krümmung erhalten wir nun den Quotienten aus ( )β t und ( )v t 3 :

= ( )κ t1

R

Der Krümmungskreis

einer beliebigen glatten Kurve ist in jedem Kurvenpunkt derjenige Kreis, der sich am besten an die gegebene Kurve anschmiegt: Er berührt sie in dem jeweiligen Punkt und hat dort die gleiche Krümmung wie die Kurve.

Der Krümmungsradius

ist der Kehrwert der Krümmung:

( )ρ t = 1

( )κ t =

( )v t 3

( )β t.

Der Name erklärt sich aus der obigen Rechnung, wonach ( )ρ t der Radius des jeweiligen Krümmungskreises ist. Allerdings kann ( )ρ t auch negativ werden (bei Rechtskurven)! Für = ( )β t 0 bzw. = ( )κ t 0 wird der Betrag des Krümmungsradius unendlich groß. In diesem Fall entartet der Krümmungskreis zu einer Tangente.

Der Radiusvektor des Krümmungskreises

( )ρ t n*(t)

steht ebenso wie ( )n t nicht nur senkrecht auf der Kurve bzw. ihrer Tangente, sondern auch auf der

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Peripherie des Krümmungskreises. Er zeigt deshalb zum

Mittelpunkt des Krümmungskreises

= ( )m t + ( )w t ( )ρ t n*(t) = + ( )w t( )v t 2

( )β t ( )n t .

Die Evolute

durchläuft die Mittelpunkte der Krümmungskreise. Sie wird also beschrieben durch die Parameterdarstellung

= ( )m t +

( )x t( )y t

+ ( )x´ t 2 ( )y´ t 2

− ( )x´ t ( )y´´ t ( )x´´ t ( )y´ t

− ( )y´ t( )x´ t

.

Mit ein wenig Differentialgeometrie zeigt man, daß der Radiusvektor des Krümmungskreises stets tangential zur Evolute ist.

Im Falle eines Kreisdurchlaufes (Beispiel 1) ist

= ( )ρ t R

und der Radiusvektor

= ( )ρ t ( )n* t

−R ( )cos ω t−R ( )sin ω t

ist nichts anderes als der negative Ausgangsvektor − ( )w t . Wie zu erwarten war, fällt der Krümmungskreis also mit dem Ausgangskreis zusammen:

= ( )m t

00

Die Evolute degeneriert in diesem Fall zu einem Punkt.

Beispiel 2: Sinuskurve und Krümmungskreise

Parameterdarstellung, erste und zweite Ableitung:

, , = ( )w t

t( )sin t

= ( )w´ t

1( )cos t

= ( )w´´ t

0− ( )sin t

Geschwindigkeit:

= ( )v t + 1 ( )cos t 2

Tangenten-Einheitsvektor und Normalen-Einheitsvektor:

, = ( )e t

1

+ 1 ( )cos t 2

( )cos t

+ 1 ( )cos t 2

= ( )n* t

−( )cos t

+ 1 ( )cos t 2

1

+ 1 ( )cos t 2

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= ( )β t − ( )sin t

Krümmung und Krümmungsradius:

, = ( )κ t −( )sin t

+ 1 ( )cos t 23

= ( )ρ t − + 1 ( )cos t 2

3

( )sin t

Radiusvektor und Mittelpunkt des Krümmungskreises (Evolute):

, = ( )ρ t ( )n* t

( ) + 1 ( )cos t 2 ( )cos t

( )sin t

− + 1 ( )cos t 2

( )sin t

= ( )m t

+ + t ( )sin t ( )cos t ( )cos t 3

( )sin t

−2 ( )cos t 2

( )sin t

Beispiel 3: Eine Parabel und ihre Evolute

Parameterdarstellung der Normalparabel, erste und zweite Ableitung:

, , = ( )w t

t

t2 = ( )w´ t

12 t

= ( )w´´ t

02

Geschwindigkeit:

= ( )v t + 1 4 t2

Tangenten- und Normalen-Einheitsvektor:

, = ( )e t

1

+ 1 4 t2

2 t

+ 1 4 t2

= ( )n* t

−2 t

+ 1 4 t2

1

+ 1 4 t2

Parallelogrammfläche, Krümmung und Krümmungsradius:

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, , = ( )β t 2 = ( )κ t2

+ 1 4 t23

= ( )ρ t1

2 + 1 4 t2

3

Radiusvektor und Mittelpunkt des Krümmungskreises (Evolute):

, = ( )ρ t ( )n* t

−( ) + 1 4 t2 t

+ 1

22 t2

= ( )m t

−4 t3

+ 3 t21

2

Alles zusammen im Bild:

Normalparabel (rot) Krümmungskreis (grün) Radiusvektor (schwarz) Evolute (gold)

Die Evolute ist eine Neilsche Parabel

Anhang: Spiralen

Eine Spirale entsteht allgemein durch Polardarstellungen, bei denen der Radius monoton mit dem Drehwinkel wächst oder fällt. Beispiel 4: Logarithmische Spiralen

wachsen exponentiell mit dem Drehwinkel:

= ( )r φ R cφ = R e

φω

.

Sie haben bei Wahl des Parameters = tφω

die vektorielle Parameterdarstellung

= ( )w t

R et ( )cos ω t

R et ( )sin ω t

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Erste und zweite Ableitung:

= ( )w´ t

− R et ( )cos ω t R et ( )sin ω t ω + R et ( )sin ω t R et ( )cos ω t ω

= ( )w´´ t

− − R et ( )cos ω t 2 R et ( )sin ω t ω R et ( )cos ω t ω2

+ − R et ( )sin ω t 2 R et ( )cos ω t ω R et ( )sin ω t ω2

Geschwindigkeit (nach Vereinfachung):

= ( )v t R et + ω2 1

Parallelogrammfläche (nach Vereinfachung):

= ( )β t R2 e( )2 t

ω ( ) + ω2 1

Krümmung :

= ( )κ te

( )−tω

R + ω2 1

Die Krümmung ist hier also stets positiv, d.h. wir haben eine Linkskurve.

Krümmungsradius:

= ( )ρ tR et + ω2 1

ω

Er beträgt somit das + ω2 1

ω -fache des Abstands vom Ursprung.

Radiusvektor und Mittelpunkt des Krümmungskreises:

, = ( )ρ t ( )n* t

−R et ( ) + ( )sin ω t ( )cos ω t ω

ω

−R et ( )− + ( )cos ω t ( )sin ω t ω

ω

= ( )m t

−R et ( )sin ω t

ωR et ( )cos ω t

ω

Der Mittelpunkt bewegt sich auf der Evolute. Das Ganze im Bilde:

logarithmische Spirale(rot) deren Ortsvektor (blau) Krümmungskreis (grün) dessen Radiusvektor (schwarz) Evolute (gold) deren Ortsvektor (violett)

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= ω 1

= ω 3

= ω 6

Man sieht deutlich, wie die Winkelgeschwindigkeit ω die Windungszahl beeinflußt, und daß die Spirale für große ω fast mit ihrer Evolute zusammenfällt.

Wir halten ein paar bemerkenswerte Details über logarithmische Spiralen fest:

1. Die Evolute einer logarithmischen Spirale ist wieder eine (um 900 gedrehte) logarithmische Spirale.

2. Der Ortsvektor des Krümmungsmittelpunkts steht immer senkrecht auf dem Ortsvektor der ursprünglichen Spirale.

3. Die von den beiden Ortsvektoren aufgespannten rechtwinkligen Dreiecke sind alle zueinander ähnlich.

4. Die skalare Wachstumsgeschwindigkeit ist proportional zur Größe, und die Länge der Wachstumskurve ist proportional zum Abstand vom Ursprung.

5. Der Ortsvektor istproportional zum Geschwindigkeitsvektor und bildet mit diesem einen konstanten Winkel.

Die Kurvenbilder sind also zu allen Zeitpunkten einander ähnlich.

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Beispiel 5: Archimedische Spiralen

Bei ihnen ist der Radius proportional zum Drehwinkel:

= r R φ .

Eine kartesischer Parameterdarstellung mit dem Drehwinkel als Parameter ist also:

= x R φ ( )cos φ , = y R φ ( )cos φ .

Solche Kurven entstehen z.B. beim spiraligen Aufwickeln eines Seiles.

Bei Winkelgeschwindigkeit ω , d.h. = φ ω t , und = c R ω haben wir eine etwas andere Parameterdarstellung, nämlich

= ( )w t

c t ( )cos ω tc t ( )sin ω t

, = c 1 = ω 6

Erste und zweite Ableitung:

, = ( )w´ t

− c ( )cos ω t c t ( )sin ω t ω + c ( )sin ω t c t ( )cos ω t ω = ( )w´´ t

− − 2 c ( )sin ω t ω c t ( )cos ω t ω2

− 2 c ( )cos ω t ω c t ( )sin ω t ω2

Geschwindigkeit (nach Vereinfachung):

= ( )v t + t2 ω2 1 c

Tangenten- und Normalen-Einheitsvektor:

, = ( )e t

−− + ( )cos ω t t ( )sin ω t ω

+ t2 ω2 1 + ( )sin ω t t ( )cos ω t ω

+ t2 ω2 1

= ( )n* t

− + ( )sin ω t t ( )cos ω t ω

+ t2 ω2 1

−− + ( )cos ω t t ( )sin ω t ω

+ t2 ω2 1

Parallelogrammfläche zwischen ( )w´ t und ( )w´´ t (nach Vereinfachung) :

= ( )β t c2 ω ( ) + t2 ω2 2

Krümmung und Krümmungsradius:

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, , = ( )κ tω ( ) + t2 ω2 2

c ( ) + t2 ω2 13/2

= ( )ρ tc ( ) + t2 ω2 1

3/2

ω ( ) + t2 ω2 2

Radiusvektor und Mittelpunkt des Krümmungskreises (Evolute):

= ( )ρ t ( )n* t

−( ) + ( )sin ω t t ( )cos ω t ω ( ) + t2 ω2 1 c

ω ( ) + t2 ω2 2

−( )− + ( )cos ω t t ( )sin ω t ω ( ) + t2 ω2 1 c

ω ( ) + t2 ω2 2

,

= ( )m t

−( )− + + t ( )cos ω t ω ( )sin ω t t2 ω2 ( )sin ω t c

ω ( ) + t2 ω2 2

( ) + + ( )cos ω t t2 ω2 ( )cos ω t t ( )sin ω t ω c

ω ( ) + t2 ω2 2

Wir können dies nach einer kurzen Umrechung auch so schreiben:

= ( )m tc

ω (

− ( )sin ω t( )cos ω t

− + 1 t2 ω2

+ 2 t2 ω2 ( )n* t )

und sehen daran, daß die Evolute sich schnell einer Kreisbewegung annähert (denn der zweite Summand strebt gegen Null).

Wir stellen die Situation wieder im Bild dar:

Archimedische Spirale (rot) Krümmungskreis (grün) dessen Radiusvektor (schwarz) Evolute (gold)

, = c 1 = ω 3

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Beispiel 6: Eine Abrollspirale

Eine Variante der Archimedischen Spirale erhält man durch Abwickeln eines Fadens von einer Rolle mit Radius R . Wir beschränken uns auf den Fall = R 1.

Parameterdarstellung der Abwickelkurve:

= ( )w t

+ ( )cos t t ( )sin t − ( )sin t t ( )cos t

Erste und zweite Ableitung:

, = ( )w´ t

t ( )cos tt ( )sin t

= ( )w´´ t

− ( )cos t t ( )sin t + ( )sin t t ( )cos t

Skalare Geschwindigkeit:

= ( )v t + t2 ( )cos t 2 t2 ( )sin t 2

für t > 0:

= ( )v t t

Tangenten- und Normalen-Einheitsvektor:

, = ( )e t

( )cos t( )sin t

= ( )n* t

− ( )sin t( )cos t

Parallelogrammfläche zwischen ( )w´ t und ( )w´´ t :

= ( )β t t2

Krümmung und Krümmungsradius:

, = ( )κ t1

t = ( )ρ t t

Sowohl die Geschwindigkeit als auch der Krümmungsradius sind also proportional zur Zeit!

Radiusvektor und Mittelpunkt des Krümmungskreises (Evolute):

, = ( )ρ t ( )n* t

−t ( )sin tt ( )cos t

= ( )m t

( )cos t( )sin t

Die Evolute ist hier tatsächlich die Kreisspule, von der der Faden abgewickelt wird.

Evolution = Entwicklung

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Beispiel 7: Straßenbauerkurven

Um bei einer Autobahnauf- oder abfahrt annähernd konstante Geschwindigkeit zu erreichen, muß man möglichst gleichmäßig die unterschiedliche Krümmung beim Richtungswechsel kompensieren. Dies geschieht in der Praxis des Straßenbaus durch Verwendung von Kurven, deren Krümmung proportional zur Bogenlänge ist, den sogenannten Klothoiden (oder Klotoiden). Für eine Parameterdarstellung nutzt man die schon früher angesprochenen

Fresnelintegrale

= ( )S t d⌠

0

t

( )sin u2 u und = ( )C t d⌠

0

t

( )cos u2 u,

die zwar nicht elementar auswertbar sind, aber z.B. von MAPLE unter FresnelS und FresnelC numerisch genähert angeboten werden. Wir betrachten nun die Kurve mit der speziellen Parameterdarstellung

= ( )w t

( )S t( )C t

Nach dem Hauptsatz ist dann

, , , = ( )w´ t

( )sin t2

( )cos t2 = ( )e t

( )sin t2

( )cos t2 = ( )n t

− ( )cos t2

( )sin t2 = ( )w´´ t

2 ( )cos t2 t

−2 ( )sin t2 t

, , , , = ( )v t 1 = ( )s t t = ( )β t −2 t = ( )κ t −2 t = ( )ρ t −1

2 t

Ergebnis: Die Krümmung ist proportional zur Länge!

Die Gleichung für die Evolute = ( )m t + ( )w t ( )ρ t ( )n* t lautet hier

= ( )m t

+ ( )S t1

2

( )cos t2

t

− ( )C t1

2

( )sin t2

t

Ein Integral auf der Autobahn