Upload
others
View
0
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
metallzeitungMITGLIEDERZEITUNG DER IG METALL | JAHRGANG 59 | NR. 11 | NOVEMBER 2007 | D 4713
FÜR ARBEIT UND SOZIALE GERECHTIGKEIT | WWW.IGMETALL.DE
Faire Lösungen fürRaucher im Betrieb
Tarifabschluss inHeizungsindustrie
ARBEIT SEITE 24AKTUELL SEITE 4 LEBEN SEITE 18 BEZIRK SEITE 28
Telefonaktion zur Leiharbeit
Vorschau auf denGewerkschaftstag
Metaller sein –voll im TrendMetaller sein –voll im Trend
11_01_Titel_Bezirk_apm.qxp:Titel_mit_Aktuell 22.10.2007 10:28 Uhr Seite 1
Entgelt in derITK-Branche:Basierend auf 52
Unternehmen der
Branche ist die
140-seitige
Broschüre ein
Trendbarometer
für die Einkom -
mensentwicklung.
Preis 12,90 Euro.
Zu bestellen unter
www.igmetall.de/
tarife/material
DIE GROSSE UMFRAGE
SEITE 2 | metallzeitung 11/2007
INHALT
IMPRESSUM metallzeitung, die Mitglieder-Zeitung der IG Metall
Gewerkschaftstag in LeipzigEine Woche lang stellen die Delegierten auf
dem 21. ordentlichen Gewerkschaftstag die
Weichen für die Zukunft der IG Metall. SEITE 4
Gute Luft und gutes KlimaIn den Betrieben sorgt der blaue Dunst für
Zoff. Patentlösungen gibt es nicht, aber die IG
Metall kann bei Konflikten helfen. SEITE 24
Online-DurchsuchungAus Sicht der Datenschützer ist die Online-
Durchsuchung der Gau für den Rechtsstaat.
Der Innenminister hält an ihr fest. SEITE 27
Foto
:ww
w.B
ild
erB
ox
.co
m
Foto
:ww
w.B
ild
erB
ox
.co
m
THEMEN IM HEFT
Foto
: Fr
an
k R
um
pe
nh
ors
t
Herausgeber: Jürgen Peters,
Berthold Huber, Bertin Eichler
Anschrift:
Redaktion metallzeitung
Wilhelm-Leuschner-Straße 79
60329 Frankfurt am Main
Telefon 069–66 93-26 33
Fax 0 69–66 93-2000
E-Mail:
Redaktionsleiterin:
Susanne Rohmund (verantwortlich
im Sinne des Presserechts)
Chefredakteurin:
Susanne Rohmund
Redaktion:
Fritz Arndt, Dirk Erb, Martina
Helmerich, Sylvia Koppelberg,
Fabienne Melzer, Antonela Pelivan
Gestaltung: Gudrun Wichelhaus
Bildredaktion: Michael Schinke
Sekretariat:
Birgit Büchner/Marion Brunsfeld
Internet:
www.igmetall.de/metallzeitung
Anzeigen:
Patricia Schledz
Telefon 061 51–81 27-200,
Fax 0 61 51–89 30 98
E-Mail: [email protected]
Vertrieb: Reinhold Weißmann
Telefon 069–66 93-22 24,
Fax 0 69–66 93-25 38
E-Mail: [email protected]
metallzeitung erscheint monatlich
(zwölf Mal im Jahr). Für Mitglieder
der IG Metall ist der Bezug im
Beitrag enthalten. Das Papier,
auf dem die metallzeitung gedruckt
wird, besteht zu 70 Prozent aus
Altpapier und zu 30 Prozent
aus PEFC-zertifiziertem Holz, das
aus nachhaltiger Waldbewirt -
schaf tung in Bayern und Baden
Württemberg stammt.
Druck: apm AG, Darmstadt.
Für Sehbehinderte: Angebot für sehbehinderte und blinde Mitglieder: metallzeitung gibt es alsWord- oder pdf-Datei. Bestellung an: [email protected]
Zwei Metallerinnen und drei Metaller aus dem
Raum Frankfurt stehen stellvertretend für
2,4 Millionen IG Metall-Mitglieder in dieser
Ausgabe der metallzeitung auf dem Titelbild.
In der Titelgeschichte erklären sie, warum es
ihnen wichtig ist, bei der IG Metall mitzuma-
chen und warum es voll im Trend ist,
Metallerin oder Metaller zu sein. Eine
Entwicklung, die sich auch in Zahlen belegen
lässt: Laut einer Emnid-Umfrage der
Wochenzeitung »Die Zeit« fürchten viele
Bürger, dass der Auf schwung nicht in ihren
Taschen ankommt. Die IG Metall soll Bollwerk
sein gegen den Druck auf Löhne und Gehälter.
Kein Wunder, dass auch beim Mitglieder -
schwund die Trendwende fast geschafft ist:
Die schwarze Null ist in greifbarer Nähe.
SEITE 10 BIS 13
Titelfoto: Frank Rumpenhorst
11_02_03_Inh_Editor_apm.qxp:Inhalt_Editorial_02_03 18.10.2007 17:38 Uhr Seite 2
EDITORIAL
Es ist noch nicht so lange her, dawurden Gewerkschaften in vie-len Medien zu »Dinosauriern«erklärt. Für neoliberale Politikerwaren wir eine »Plage«, die an-geblich die Zeichen der Globali-sierung nicht erkannt hätten.Obwohl wir immer wieder Alter-nativen für eine soziale Politikaufzeigten, wurden wir zu »Re-formverweigerern« abgestem-pelt. Die Gewerkschaften solltengeschwächt werden. Heute hatsich das gesellschaftliche Klimagewandelt. Neoliberale Parolenhaben keine Konjunktur. Dafürsteigt das Ansehen der Gewerk-schaften. Das hat auch etwas mitder IG Metall zu tun.
In diesem Monat findet inLeipzig der Gewerkschaftstag derIG Metall statt. Die Delegiertenberaten über den politischenWeg der Zukunft. Das tun sie mitneuem Selbstbewusstsein. Vorvier Jahren sah das anders aus: ImSommer 2003 war die IG Metalltief gespalten und leistete sich ei-nen Führungsstreit, der unsereAttraktivität nicht gerade steiger-te. Schon in den Jahren davor
hatte ein Mitgliederschwund ein-gesetzt, der alarmierend war. Po-litisch waren wir Angriffen vonallen Seiten ausgesetzt.
Heute können wir wieder auf eineIG Metall schauen, die in der Ge-sellschaft ein hohes Ansehen ge-nießt. Darauf können wir stolzsein. Der Mitgliederschwund istgestoppt. Dafür gibt es vieleGründe. Zwei waren aber beson-ders entscheidend: Zum einenhaben wir stets mit einer Stimmegesprochen. Einheit und Solida-rität bestimmen unsere Arbeit.Und zum anderen: Unser Kom-pass war immer an den Interessender Mitglieder ausgerichtet. Dashat uns vor faulen Kompromis-sen geschützt, ob in der Tarifpo-litik oder beispielsweise bei derAgenda 2010. Gradliniges Vorge-hen und klare Ergebnisse sind dieMarkenzeichen der IG Metall.
Jedem muss klar sein: Gewerk-schaften werden immer bekämpftweil sie sich für Arbeitnehmerund für Gerechtigkeit einsetzen.Solange das so ist, haben Gewerk-schaften Konjunktur.
»Selbstbewusst gehenwir in die Zukunft«Keine faulen Kompromisse sondern gradliniges Vorgehen und
klare Ergebnisse: Das sind die Markenzeichen der IG Metall.
Jürgen Peters, Erster
Vorsitzender der IG
Metall, über das neue
Selbstbewusstsein der
Gewerkschaften und
deren Ansehen in der
Gesellschaft.
Foto
: R
en
ate
Sch
ild
he
ue
r
ZUKUNFT BRAUCHT GERECHTIGKEITALLES AUF EINEN BLICK
AKTUELL4 Gewerkschaftstag 2007
Ein außerordentliches
Ereignis in Leipzig.
5 Die Themen in Leipzig
Die Weichen für die
Zukunft werden gestellt.
6 Otto Brenner – unvergessen
Was der langjährige
Vorsitzende bewegte.
7 Europa-Serie
Luxemburg ist immer für
eine Überraschung gut.
8 Interview
Nobelpreisträger Solow
kritisiert die deutsche Politik.
9 Pflaume des Monats
Springer Chef
Matthias Döpfner.
TITEL10 Warum es wieder in ist,
Gewerkschafter zu sein.
Vom Dinosaurier zum
politischen Gestalter: Das
Image wandelt sich.
REPORTAGE14 Firmenbestattung
Luckenwalde: Kreative
Totengräber bei Hesco.
LEBEN16 Leserbriefe/Leserfot0
17 Porträt
Zu Besuch bei Betriebsrätin
Claudia Gabele-Giele.
18 Leiharbeit
Experten beantworten
die wichtigsten Fragen.
19 Was mich beschäftigt . . .
Malalai Joya über die
Situation in Afghanistan.
20 Guter Rat
ALG II: Sind die Regelsätze
verfassungswidrig?
21 Rätsel
Erster Preis:
Ein Fahrrad.
ARBEIT22 Da geht was
Leipzig: Das Tal ist
durchschritten.
23 Die gute Idee
Courage: Neo-Nazis
gaben in Leipzig auf.
24 Unsere Tipps
Rauchen im Betrieb: Allen
gerecht werden geht nicht.
25 So geht es besser
Eine »kleine Bibel« für
gleiche Chancen.
25 Auf dem Prüfstand
Krebserreger in
Arbeitshandschuhen.
26 Ökonomie mal anders
Dorothee Beck über
Armut in Deutschland.
27 Von A bis Z – das Stichwort
Online-Durchsuchung
BEZIRK / LOKALES28 Aus den Bezirken
30 Lokales / Karikatur
Werner Hoffmann (Foto), 61, hat großes Glück: Der Re-
daktionsleiter der IG Metall-Print Medien kommt noch
in den Genuss der Altersteilzeit und verabschiedet
sich mit dieser Ausgabe in die aktive Freistellungs-
phase. 27 Jahre war Hoffmann bei der IG Metall. Jour-
nalistisch begleitete er Tausende von Flugblättern und
Artikeln sowie Lokalseiten. Dafür sagen wir – nicht
nur an dieser Stelle – Dankeschön. Sein schönstes Abschiedsgeschenk: Die
neue metallzeitung, die in dieser Form nun zum dritten Mal erscheint. Und
weil uns – und trotz Freistellungsphase sicher auch Werner – eure Meinung
zur metallzeitung wichtig ist, gibt es wieder unter der kostenlosen Nummer
montags bis freitags von 9 Uhr bis 16 Uhr eine Hotline, bei der ihr Adress-
änderungen, Anregungen, Fragen, Lob und Tadel loswerden könnt.
Eure Redaktion
Aus der Redaktion
0800 – 4 46 38 25
Foto
:Mic
ha
el
Sch
ink
e
11_02_03_Inh_Editor_apm.qxp:Inhalt_Editorial_02_03 18.10.2007 17:39 Uhr Seite 3
GEWERKSCHAFTSTAG 2007
Wochenlang war das Congress Center Leipzigeine Baustelle. In den Hallen wurden Zwi-schenwände eingezogen, Stromanschlüsse ge-legt, Beleuchtungstechnik installiert undMöbel aufgestellt. Ein Arzt wurde engagiert,Sicherheitspersonal sowie eine Cateringfirma– alles notwendige Vorbereitungen für eingroßes Ereignis.
Zum 21. ordentlichen Gewerkschaftstagwerden gut 1000 Menschen erwartet. Nebenden Delegierten, dem Vorstand und Arbeits-stab der IG Metall rund 120 Journalisten ausaller Welt sowie Gäste aus dem In- und Aus-land. Am 8. November kommen Angela Mer-kel, ihr Parteifreund Karl-Josef Laumann sowiedie Generalsekretäre der anderen Parteien undstellen sich den – garantiert sehr kritischen –
Fragen der IG Metall-Aktiven. Vorher Um-weltminister Sigmar Gabriel und LeipzigsOberbürgermeister Burkhard Jung. Und na-türlich viele Gewerkschafter, darunter derDGB-Vorsitzende Michael Sommer und derGeneralsekretär des Internationalen Metall-Gewerkschaftsbunds Marcello Malentacchi.
Gut 1oo Aussteller bauen Infostände vor dergroßen Kongresshalle auf. Betriebe, Arbeits-kreise und Verwaltungsstellen aus den siebenBezirken stellen Projekte sowie Aktionen vor.Dazwischen Buchverlage, Krankenkassenund andere externe Aussteller. Der Andrangwar weit größer als der verfügbare Platz – ei-ner Reihe von Interessenten musste abgesagtwerden. Für Paul Rodenfels, der die Organi-
sation des Gewerkschaftskongresses leitet,ein Zeichen dafür, dass die IG Metall »offen-sichtlich sehr attraktiv« ist. Wer viel arbeitet,darf aber auch gemeinsam feiern. Darumwird es in Leipzig ein großes Fest geben, mitbekannten Künstlern.
»Wir wollen dokumentieren, dass unserGewerkschaftstag ein außerordentliches Er-eignis ist und die IG Metall eine große Or-ganisation, die in der Mitte der Gesellschaftsteht«, sagt Paul Rodenfels. Die vor allem po-litisch etwas zu sagen hat. Mit Spannung er-warten darum viele, wohin die Reise in derIG Metall in den nächsten vier Jahren gehensoll. Und welche Menschen dabei an ihrerSpitze stehen.
Die IG Metall ist startklar für ihren Gewerkschaftstag, der am 4. November anfängt. Eine Woche lang
diskutieren die Delegierten brandaktuelle Themen und wählen eine neuen Vorstand. Unter dem Motto
»Zukunft braucht Gerechtigkeit« zeigt die mitgliederstärkste deutsche Gewerkschaft Flagge.
Ein außerordentliches Ereignis
FIVE TRAILERS TELEPH XXXXXXX XXXXXX XXXXXXX
Im Congress Center
Leipzig ist alles
vorbereitet für den
Gewerkschaftstag, zu
dem mehr als 1000
Menschen kommen
werden.
»Vielfalt solidarisch
gestalten« war das
Motto des Gewerk -
schafts tags im Jahr
2003. Jetzt heißt es:
»Zukunft braucht
Gerechtigkeit«.
Zum ersten Mal ist
der Gewerkschaftstag
in Leipzig. Eines der
Highlights der Stadt
ist das vor über 100
Jahren erbaute
Neue Rathaus.
Foto
:pic
ture
-all
ian
ce
Foto
: Z
B /
pa
Foto
: Je
ns
en
/ d
pa
/ p
aFo
to:
CC
L
11_04_05_Aktuell_apm Kopie.qxp:Aktuell_04_05 18.10.2007 17:54 Uhr Seite 4
Berlin-Brandenburg-Sachsen
metallzeitung 11/2007 | SEITE 5
Quelle: IG Metall, Illustration: Birgit Lang
Keine Rente mit 67, die IG Metall muss weiter gegen einen späteren
Rentenbeginn mobilisieren. Das wird in etlichen Anträgen gefor-
dert. Auch soll gleitender Übergang in die Rente weiterhin möglich
sein. Darum muss die Altersteilzeit über 2009 hinaus gefördert wer-
den. Die zurzeit geltende Regelung läuft bald aus. Teilrenten – noch
werden sie kaum genutzt – sollen attraktiver gestaltet werden, mit
besseren Hinzuverdienst möglichkeiten. Ältere sollen wieder leich-
ter eine Er werbsminderungsrente in Anspruch nehmen können.
2001 waren die Bedingungen dafür verschärft worden. Beschäftig-
te, die 40 Versicherungsjahre zusammen haben, sollen mit 60 Jah-
ren – ohne Abschläge bei der Rente – aus dem Berufsleben
ausscheiden können.
Gleitend und mit genug Geld in die Rente
DIE THEMEN
Das Paket, das die Delegiertendem neugewählten Vorstandnach dem Gewerkschaftstag mitauf die Heimreise geben, wirddick sein. Rund 100 Anträgewerden die Delegierten imSchnitt am Tag abarbeiten, alsodiskutieren und beschließenoder ablehnen. Hier ein kleinerAusschnitt:
Jeder fünfte Antrag befasst sichmit der IG Metall: Zum Beispieldamit, wie sie neue Mitgliedergewinnen kann, vor allem Ju-gendliche, Frauen und Ange-stellte – Gruppen, die in der IGMetall unterrepräsentiert sind.
Zur Tarifpolitik gibt es fast ge-nauso viele Anträge, 98 insge-samt. Einige beschäftigen sich mitdem Pforzheimer Abkommen,das Betrieben unter bestimmten,eng gefassten Bedingungen er-laubt, von Tarifverträgen abzu-weichen. In einigen Anträgenwird gefordert: Wenn abgewi-chen wird, dann soll nicht die Ar-beitszeit verlängert werden. DieBeschäftigten wollten nicht mehrarbeiten, sondern mehr selbstüber ihre Arbeitszeit bestimmen.
Schule, Ausbildung, Qualifizie-
rung – auch zu den Bildungsthe-men gibt es sehr viele Anträge. Ineinigen kritisieren Metaller, dasszu oft die soziale Herkunft über
Bildungschancen entscheidet.Um das zu ändern, wollen sie un-ter anderem mehr Ganztagsschu-len und Sprachförderung fürMigrantenkinder in den Schulenund Kindergärten. Schulen sollengenerell Kinder besser fördern,damit nicht mehr so viele sie oh-ne Abschluss verlassen. In einerReihe von Anträgen wird einRecht auf Ausbildung gefordert.Und die, die schon im Berufsle-ben stehen, sollen einen Rechts-anspruch auf lebensbegleitendeQualifizierung erhalten, um ihreArbeitsplätze auf Dauer sichererzu machen.
Wie die Hartz-Reformen, vor al-lem die Kürzungen beim Ar-beitslosengeld I und II, korrigiertwerden können, wird ein weite-res großes Thema sein.
Leiharbeit soll in den Betriebenstärker reguliert werden. Da siezunehmend feste Stellen ersetzt,soll sie begrenzt werden. DieLöhne und Arbeitsbedingungender Leiharbeiter sollen an dieTariflöhne angepasst werden.
Ob bei Leiharbeit oder ande-ren Themen – das zeichnet sichschon klar ab: Die IG Metall willihr Profil schärfen und fähigerwerden, wirksame Kampagnenfür ihre Ziele zu führen. syk
IG Metall stellt dieWeichen für die ZukunftMehr als 500 Anträge stehen auf dem Gewerkschaftstag zur
Abstimmung – zu fast allen Themen, die die Menschen bewegen.
DIE DELEGIERTEN
Jeder Delegierte, ob Mann oderFrau, jung, mittelalt oder 50plus, repräsentiert auf dem Ge-werkschaftstag 5000 Mitgliederaus seiner Region. Wo die IGMetall viele Mitglieder hat,schickt sie auch viele Vertreternach Leipzig. Die 501 Delegier-ten wurden schon Anfang desJahres in geheimer Abstim-mung gewählt: in den Delegier-tenversammlungen in denVerwaltungs stellen.
Die Delegiertenversammlun-gen, die von den Mitgliedernvor Ort gewählt wurden, disku-tieren und beschließen auch dieAnträge an den Gewerkschafts-
tag. Außer ihnen können nurdie Ausschüsse beim Vorstand,wie Jugend- oder Handwerks-ausschuss, und der Vorstandselbst Anträge stellen.
128 Delegierte sind Frauen.Das entspricht ihrem Mitglie-deranteil, wie es die Satzungvorschreibt. 21 Delegierte sindjunge Leute. 17 Delegierte ha-ben einen Migrationshinter-grund. 281 sind gewerblicheArbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer, 220 also Angestell-te. Die überwältigende Mehr zahlder Delegierten kommt aus Be-trieben. 93 sind Gewerkschafts-sekretäre. syk
Die Sprecher der BasisDie Frauen und Männer, die über die künftige Politik der
IG Metall entscheiden, spiegeln die Vielfalt der Mitglieder wider.
36
Bayern
74
Frankfurt
70
Baden-Württemberg
92
Nordrhein-Westfalen
130
Niedersachsen undSachsen-Anhalt
59
40
501 Delegierte vertreten die über zwei Millionen Mitglieder. Jedervierte Delegierte reist aus Nordrhein-Westfalen an. Insgesamtkommen aus allen sieben IG-Metall-Bezirken so viele Delegierte:
Küste
11_04_05_Aktuell_apm Kopie.qxp:Aktuell_04_05 18.10.2007 20:54 Uhr Seite 5
SEITE 6 | metallzeitung 11/2007
AKTUELL
Otto Brenner bleibt unvergessenOTTO BRENNER STAND VON 1952 BIS ZU SEINEM TOD 1972 AN DER SPITZE DER IG METALL
Otto Brenner während seiner Ansprache an die Delegierten des Gewerkschaftstags in München 1968.
Aufgewachsen ist Brenner in Han-nover. Er lernte Betriebselektriker.1920 trat er der (Sozialistischen)Arbeiterjugend bei, 1922 demDeutschen Metallarbeiterver-
band, 1926 wurde er Mitglied derSPD. Er arbeitete als Elektromon-teur bei der Hanomag in Hanno-ver-Linden, 1931 wurde erent lassen und arbeitslos. 1931 trat
er der Sozialistischen Arbeiterpar-tei (SAPD) bei. Er wurde verhaftetund 1935 zu zwei Jahren Gefäng-nis verurteilt. Er schloss sich 1945wieder der SPD an und baute die
Gewerkschaften in Niedersachsenmit auf. 1947 wurde Otto BrennerMetall-Bezirksleiter in Nieder-sachsen. Brenner erlangte überre-gional Aufmerksamkeit, als er beiBode-Panzer den ersten Nach-kriegsstreik organisierte. Streikzielwar die Durchsetzung der Mitbe-stimmung. Auf Grund seiner Er-fahrungen aus der Zeit zwischen1933 und 1945 verteidigte er ent-schlossen die demokratischenGrundrechte.
Die IG Metall beteiligte sichunter anderem an den Protestengegen die Wiederbewaffnung,die Aufstellung atomarer Waffen,demonstrierte gegen die Bundes-regierung zurzeit der Spiegel-Af-färe und stand an der Seite derAPO während der Notstandsge-setzgebung. 1968 sagte er: »NichtRuhe, nicht Unterwürfigkeit ge-genüber der Obrigkeit ist die er-ste Bürgerpflicht, sondern Kritikund ständige demokratischeWachsamkeit.«
Brenner war programmatischerKopf der deutschen Gewerkschaf-ten. Das Aktionsprogramm von1956 und das DGB-Grundsatz-programm von 1963 sind maß-geblich von seinem Denkengeprägt. who
Am 8. November wäre Otto Brenner 100 Jahre alt geworden. 1952 wurde er zunächst Zweiter und 1956 schließlich Erster
Vorsitzender der IG Metall, 1961 Präsident des Internationalen Metallgewerkschaftsbunds und 1971 Vorsitzender des Eu ro -
päischen Gewerkschaftsbunds. 40-Stunden-Woche, freier Samstag und Lohnfortzahlung prägen sein Wirken.
Nach fünf Jahren ohne haupt-amtliche Vertretung im Auf-sichtsrat ist die IG Metall nunmit einem 40-Prozent-Ergebnis indas Gremium zurück gekehrt. Da-mit haben die Versuche derIBM-Geschäftsleitung, die IGMetall auszugrenzen, einen wei-teren Dämpfer erlitten.
Schon im vergangenen Jahrwar die Geschäftsleitung vordem BAG mit dem Antrag ge-
scheitert, die IG Metall für nichttarifzuständig zu erklären. »Esist gerade vor dem Hintergrundder abgelaufenen Tarifrundehöchste Zeit, dass die IG Metallwieder Einfluss auf die Tarifver-handlungen gewinnt«, freut sichBertold Baur. Er zieht für die IGMetall in den IBM-Aufsichtsratein und wird die zwei wieder ge-wählten betrieblichen Metallkol-legen unterstützen. fra
Drei Metaller im AufsichtsratErfolg bei der Wahl der IBM-Arbeitnehmervertretung
Kurt Kleffel, 54, Metaller und Qualitäts-prüfer bei Bosch-Rexroth in Langenhagen,hat sich vor dem Amtsgericht Hannover ge-gen die Staatsanwaltschaft durchgesetztund wurde freigesprochen. Der Metallerorganisiert in Hannover die Montagsde-monstrationen gegen Hartz IV mit und solleine Rede unerlaubt per Lautsprecher ge-halten haben. Bewaffnete Polizisten hatten
die Kundgebung gewaltsam unterbrochen, vier Teilnehmer festge-nommen und Kleffel einen Strafbefehl über 465 Euro ins Haus ge-schickt (metall 6/2007 berichtete). fra
Foto
: P
riva
t
Foto
: d
pa
/ p
a
Freispruch für MetallerGegen die Staatsanwaltschaft durchgesetzt
11_06_07_apm.qxp:Aktuell_06_07 18.10.2007 18:05 Uhr Seite 6
SERIE
Das Wort der LuxemburgerRichter hat Gewicht und sorgtein den vergangenen Jahren oft fürWirbel. Sie kippten das Gesetz,wonach ältere Arbeitnehmer inDeutschland ohne Beschränkun-gen befristet eingestellt werdenkonnten. Diskriminierung auf-grund des Alters – damit kamDeutschland beim EuropäischenGerichtshof (EuGH) nicht durch.Auch die langen Bereitschaftszei-ten für Ärzte in Krankenhäusernbeanstandete der EuGH. Bereit-schaftszeit ist Arbeitszeit, hieß esin Luxemburg.
Wenn Beschäftigte mit ihremAnliegen beim EuGH landen,können sie sich durchaus Hoff-nung machen. Denn oft brachteder Weg dorthin Fortschritte imArbeitsrecht. Allerdings ist derEinflussbereich der Richter be-schränkt. Ihr Wort ist immerdann gefragt, wenn Entscheidun-
gen auf nationaler Ebene euro-päisches Recht berühren. Im Be-reich des Arbeitsrechts gilt dasvor allen Dingen bei Diskrimi-nierungen, Fragen zur Arbeitszeitund Betriebsübergängen. Vieleandere Fragen sind in der euro-päischen Union noch nicht gere-gelt und können deshalb dortauch nicht entschieden werden.
Positive Signale kommen zur-zeit auch beim Thema Lohn-dumping aus Luxemburg. Dortbeschäftigen sich die Richter ge-rade mit einem Fall aus Nieder-sachsen. Dabei geht es um diePraxis, die Vergabe öffentlicherAufträge an die Einhaltung vonTarifverträgen zu koppeln.
Solche Tariftreueklauseln sei-en rechtmäßig, erklärte der Ge-neralanwalt beim EuGH EndeSeptember.
Luxemburg ist immer füreine Überraschung gutEntscheidungen des Europäischen Gerichtshofs brachten in
den vergangenen Jahren oft Fortschritte für Arbeitnehmer.
Foto
: Im
ag
e S
ou
rce
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wacht darüber,
dass europäische Richtlinien und Entscheidungen in allen Mit -
glieds ländern beachtet werden. Der EuGH kann nur in Aus nahmen
von Einzelklägern angerufen werden. In der Regel legen nationale
Gerichte dem EuGH ihre Fälle vor. Die Luxembur ger Richter ent-
scheiden den Fall nicht, sondern beantworten Fra gen. Ihre
Antworten sind aber für nationale Gerichte verbindlich.
Mehr zum Thema: 3www.curia.europa.eu
Antworten sind für nationale Gerichte verbindlich
metallzeitung 11/2007 | SEITE 7
ALG I länger zahlenDGB fordert die Verlängerung des Arbeits losengeld I-Bezugs
ohne Abstriche für ältere Arbeitslose umzusetzen.
Der Vorsitzende des DeutschenGewerkschaftsbunds, MichaelSommer, fordert SPD und Unionauf, »die Verlängerung des Ar-beitslosengeld I-Bezugs jetztschnell und ohne Abstriche für äl-tere Arbeitslose umzusetzen«.
Vorschläge dazu hatte der DGBschon im Dezember vorgelegt.Danach sollen über 50-Jährige biszu 24 Monate Arbeitslosengeldbeziehen. Die verbesserten Leis-
tungen sollen über die Arbeitslo-senversicherung finanziert wer-den – bei einem Verzicht aufweiter sinkende Beiträge.
Die aufgrund der Hartz-Geset-ze verkürzte Bezugsdauer bedeu-tet für Arbeitnehmer erheblicheVerluste. Wer während seines Er-werbslebens 60000 Euro in dieArbeitslosenversicherung einge-zahlt hat und erwerbslos wird, er-hält nur 20000 zurück. fra
Die Gewinner: Frieder Wirth von der IG Metall und Richard Schallenberger.
Lapport: Illegale Betriebsratswahl abgewehrt
Das Landesarbeitsgericht in
Mainz entschied zugunsten der
IG Metall. Es erklärte die illegaleBetriebsratswahl beim Schleif-mittelhersteller Lapport in Kai-sers lau tern auch in zweiterInstanz für nichtig. Die Vorge-schichte: Die Geschäftsleitungverwandelte Ende 2006 die Fir-ma in eine AG und versuchte,den Betriebsrat und dessen Vor-sitz enden, Richard Schallenber-ger abzusetzen, indem sie eine
Betriebsratswahl inszenierte.Schallenberger und die IG MetallKaiserslautern klagten und beka-men Recht. Im Urteil des Ar-beitsgerichts hieß es damals, dieArbeitgeberin habe versucht,»mit juristischen Taschenspieler-tricks« gesetzliche Regelungenzu umgehen. Schallenberger:»Das ist ein großer Erfolg, dervor allem durch die tatkräftigeUnterstützung der IG Metallmöglich war.« ap
Mehr Geld für LeiharbeitnehmerDer neue Tarifvertrag für Leihar-
beiter ist in trockenen Tüchern.
Nach langem Streit zwischenDGB und ArbeitgeberverbandIGZ erhöht sich im Westen dasEntgelt der untersten Lohngrup-pe bis zum 1. November 2008stufenweise auf 7,51 Euro. ImOsten steigt der unterste Stun-denlohn für Zeitarbeiter in IGZ-
Betrieben zum 1. November auf7,15 und zum 1. April 2008 auf7,31 Euro. Verleiher im Ostendürfen das Entgelt in der unters -ten Lohngruppe aber bis zu 13Prozent kürzen.
Sollte das Arbeitsministeriumdiesen Vertrag für allgemeingültigerklären, gelten die neuen Stun-denlöhne entsprechend früher. fra
Foto
: Ju
lia
He
inri
ch /
VIE
W
11_06_07_apm.qxp:Aktuell_06_07 18.10.2007 18:06 Uhr Seite 7
AKTUELLINTERVIEW
metallzeitung: Sie sagen, die wirt-schaftspolitische Debatte inDeutschland sei beschränkt.Warum denn und worauf? Robert Solow: Die Diskussion istauf Arbeitsmarktreformen be-schränkt. Auf die Öffnung desArbeitsmarkts und die Auswei-tung der Niedriglohnarbeit. Esgibt keine Diskussion über eineechte, makroökonomische Wirt-schaftspolitik, anders als in denUSA und in Großbritannien.
metallzeitung: Aber jetzt geht esja aufwärts. Also haben die Ar -beits markt reformen doch ge -wirkt, wie die Experten sagen?Solow: Die Frage ist doch: Wosind die Leute beschäftigt – undwie? Wenn die Arbeits losigkeitwegen einer Zunahme vonNiedri glohn- und Minijobssinkt, dann ist das kein erfolg-reicher Weg. Auch wenn dieSenkung der Arbeitskostenkurzfristig zusätzliche Jobsbringt. Das ist keine Basis füreinen dauerhaften Aufschwung.Das ist ein sehr unproduktiverAnsatz, weil er die gesamtenKosten der wirtschaftlichenExpansion den Arbeitnehmernauflädt. In den letzten zehn
Jahren gab es doch bereits eineaußergewöhnliche Lohnzu rück -haltung in Deutsch land. Undeine Wirtschaft, die soviel Erfolgim Export hat, leidet wohl kauman einem unflexiblen Arbeits -markt und zu hohen Löhnen.
»Die höhere Mehrwertsteuerhalte ich für keine gute Idee«
metallzeitung: Wo liegen denndann die Probleme?Solow: Zum einen hakt es bei derInnovation und neuen Techno-logien. Auch die Unternehmensind da oft nicht gut im Wettbe-werb aufgestellt. Außerdem war
Foto
: a
fp /
pic
tue
-all
ian
ce
Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Robert M. Solow kritisiert die Wirt -
schaftspolitik und Wirtschaftsexperten in Deutschland. Sein Vorwurf: Es geht immer
nur um Arbeitsmarktreformen. Andere Instrumente werden unnötig ausgeblendet.
Robert M. Solow hält die neoliberale Wirtschaftspolitik für falsch.
Die GeisterfahrerSie wollen die IG Metall abwat-
schen und klarstellen, wer Herr
im Hause ist: Der Zentralver -
band Deutsches Kraftfahrzeug -
gewerbe (ZDK) hat seinen
Landesverbänden empfohlen,
aus der Tarifpolitik auszustei-
gen. Deutschland soll zur tarif-
freien Zone werden. Bayern ist
der ZDK-Empfehlung bereits
gefolgt, die Arbeitgeber dort
haben sich als Tarifpartei auf-
gelöst. In Baden-Württemberg
haben sie beschlossen, sämtli-
che Tarifverträge zu kündigen.
In Ostdeutschland gibt es
schon keine Flächentarif ver-
träge mehr, ebenso in Nieder-
sachsen und Bremen.
Jetzt soll das Bollwerk
Nordrhein-Westfalen gestürmt
werden. Der Kfz-Verband NRW
hat den Manteltarifvertrag zum
Jahresende gekündigt und
seine Tarifforderungen präsen-
tiert. Zurück zur 40-Stunden-
Woche, zwei Urlaubstage strei-
chen, Mehrarbeitszuschläge
kürzen und bezahlte Freistel -
lungen abschaffen. Weg mit
dem Sterbegeld. Weg mit dem
Kündigungsschutz für Ältere.
Weg mit der Verdienst siche rung
bei Leistungsmin derung. Die
Begründung dafür: »Daseins -
für sorge kann keine betriebli-
che Aufgabe sein.« Im Klartext:
Wir übernehmen keine soziale
Verantwortung für unsere Mit -
arbeiter. Alles Sozialklim bim.
Der Mensch ist eine Maschine
und hat zu funktionieren. Dafür
wird er bezahlt. Das genügt.
Der Kfz-Verband NRW gebär-
det sich, als könne er vor Kraft
kaum laufen. Seine Tarifforde -
rungen sollen der politische
Preis dafür sein, dass er über-
haupt noch Tarifverträge ab -
schließt. Er wird damit nicht
durchkommen.
DER KOMMENTAR
Robert M. Solow ist einer der bedeutendsten Ökonomen weltweit. Für seine Wachstumstheorie erhielt er
1987 den Nobelpreis. Solow gehört keineswegs zur gewerkschaftsnahen keynesianischen Schule, sondern
gilt als Neoklassiker. Ebenso wie der neoliberale Mainstream der deutschen Experten. Zwar ist auch Solow
ist für eine möglichst freie Wirtschaftsordnung. Doch anders als die deutschen Neoklassiker hält er die to-
tale Konzentration auf Arbeitsmarkt reformen, Sozialabbau und niedrige Löhne in Deutschland für falsch.
Statt dessen fordert er einen breiteren makroökonomischen Ansatz. Solows Aufsatz »Die Beschränktheit
der makroökonomischen Debatte überwinden« ist in einem von der Friedrich-Ebert-Stiftung mit herausge-
gebenen Buch erschienen. Dort analysieren internationale Ökonomen Fehler der deutschen Politik.
3Ronald Schettkat, Jochem Lankau (Hg.): »Aufschwung für Deutschland. Plädoyer international renom-
mierter Ökonomen für eine neue Wirtschaftspolitik«, Dietz 2007, 16,80 Euro.
Zur Person
Norbert Hüsson, Korrespondent
der metallzeitung im
Bezirk Nordrhein-Westfalen
Foto
: M
an
fre
d V
oll
me
r
11_08_09_apm.qxp:Aktuell_08_09 18.10.2007 18:13 Uhr Seite 8
metallzeitung 11/2007 | SEITE 9
die Geld- und Finanzpolitikschon immer prozyklisch. Wenndie Wirtschaft wächst, wird sti-muliert. Und wenn die Wirt-schaft stagniert, wird gespart,statt mit einer expansiveren Fi-nanzpolitik zu helfen. Und dieGeldpolitik ist übertriebenstreng. Schon die Bundesbankhat nie Verantwortung für Pro-duktion und Beschäftigungübernommen, son dern war im-mer nur darauf aus, die Inflationzu drücken. Die EuropäischeZentralbank macht so weiter. DieFederal Reserve [die Zentral-bank der USA] dagegen ist aus-drücklich gehalten, sowohl aufniedrige Inflation, als auch aufhohe Be schäftigung zu achten.Zusätzlich engen die Ma as - tricht-Kriterien und der Wachs-tums- und Stabilitätspakt dieMöglichkeiten einer antizykli-schen Finanzpolitik viel zu sehrein. Das ist doch das einzige ma-kroökonomische Instrument,das nach der Währungsunionübrig bleibt. Da müsste endlicheine Politik erlaubt sein, die zurwirtschaftlichen Lage passt.
metallzeitung: Wie sollte denneine bessere Politik aussehen?Solow: Ich denke, ein gesamt-heitlicher makroökonomischerAnsatz würde eine ausgegliche-nere politische Lö sung für diedeutsche Gesell schaft möglichmachen. Dazu gehört eineexpansivere Fiskal politik, mitAnreizen für In vesti tionen inneue Techno logien, Bildung –und in mehr produktiveArbeitsplätze mit mehr Kauf -kraft. Die Mehrwert steuer-Erhöhung halte ich da übrigensfür keine gute Idee. DieArbeitenden müssen einenAusgleich für ihre Lohn zu -rückhaltung der letzten Jahrebekommen. Mehr Arbeit. Unddamit meine ich nicht Niedrig -lohnjobs. In der Ge schichte desindustriellen Kapi ta lismus wa -ren nicht niedrige Löhne dieQuelle echten Wachstums, son-dern steigende Produktivitätund Nachfrage.
PFLAUME DES MONATS
Während Betriebe immer lauterüber fehlendes Fachpersonalklagen, hat eine aktuelle Befra-gung des DGB erhebliche Qua-litätsmängel bei der Ausbildungregistriert. So gab fast jeder drit-te Azubi an, nur »manchmal«,»selten« oder »nie« angeleitet zuwerden. Offenbar rächt sichjetzt, dass bereits vor vier Jahrendie »Ausbildereignungsverord-nung« (AEVO) ausgesetzt wor-den ist – angeblich hielt sieBetriebe vom Ausbilden ab. DerDGB fordert, sie sofort wiederin Kraft zu setzen.
Auch die zunehmendenÜberstunden deuten an, dassAusbildungsinhalte oft vernach-lässigt und Lehrlinge ausgenutztwerden. Nach der DGB-Umfra-ge leisten 42 Prozent der Azubisregelmäßig Überstunden. Ge-genüber 2006 bedeutet das einAnstieg von acht Prozentpunk-ten. »Auszubildende sind nichtdazu da, Auftragsspitzen abzu-fangen«, warnt die stellvertre-tende DGB-Vorsitzende IngridSehrbrock daher die Betriebe.
Beim Ranking der Ausbildungs-berufe haben Industriemecha-niker am besten abgeschnitten.»Wer sich für diesen Beruf ent-scheidet, hat gute Chancen, dass
fachliche Anleitung, Ausbil-dungsinhalte und Vergütungstimmen«, lobt der DGB.
Dafür fanden sich bei IT-Sys temspezialisten, Fachinfor-matikern und Elektronikern un-ver hoffte Defizite. Vor allemFachinformatiker beklagten sichüber mangelhafte fachliche An-leitung. Folglich landeten dieseBerufe nur im Mittelfeld. Vor ei-nem Jahr waren sie noch spitze.Als mittelmäßig stuft der DGBauch die Ausbildung angehen-
der KfZ-Mechatroniker ein.Viele Azubis beklagten ausbil-dungsfremde Arbeiten.
Alarmierend: Nur 16,8Prozent der befragten Azubis,über fünf Prozent weniger als2006, rechnen mit einerÜbernahme. Sehrbrock: »Siemüssen mehr arbeiten, und ihreZukunft bleibt ungewiss.«
3www.dgb.de RThemen
3www.dr-azubi.de
Azubis: Überstunden statt AnleitungDer aktuelle Ausbildungsreport des DGB gibt vielen Betrieben schlechte Noten. Sie
nutzen Lehrlinge vor allem als billige Arbeitskräfte aus und leiten sie nur ungenügend an.
Foto
: Te
ich
/ C
aro
Industriemechaniker haben am besten abgeschnitten.
Foto
: w
ww
.Bil
de
rBo
x.c
om
Mathias Döpfner, 44, ist Chef eines Konzerns, dem
alles Mögliche gehört. Zum Beispiel der Springer-
Verlag. Anfang Oktober ließ er dessen Flaggschiff
»Bild«-Zeitung mit einer Kampagne gegen den Min-
destlohn vom Stapel laufen. Wie so oft, segelte das
Blatt unter der Flagge »Anwalt der Arbeitnehmer«.
In diesem Fall mimte es vor allem den »Anwalt« der
Beschäftigten bei den privaten Konkurrenten der
Post. Mindestlöhne vernichten Jobs, lautete die Bot-
schaft in »Bild« (und anderen Springer-Blättern).
Als »Experten« kamen so unabhängige Leute zu
Wort wie der Präsident des Verbands privater Post-
zusteller, Gerster, und ein Mann namens Thiel. Der
ist der Chef von PIN, einem der größten deutschen
privaten Postunternehmen. Bei PIN gibt es Stun-
denlöhne von 4,50 Euro brutto. Eine gute Basis, um
der Post, die Tariflöhne zahlt, durch Billigkonkur-
renz das Wasser abzugraben und
den Reibach zu machen, wenn
der Briefmarkt 2008 freigege-
ben wird. Dass die Dumping-
löhne Jobs bei der Post
gefährden, ist für die Springer-
Presse kein Thema. Aber die
Post gehört auch nicht dem
Konzern, dem Döpfner
vorsteht. Dem ge-
hört PIN.
BILD dir deine Meinung
11_08_09_apm.qxp:Aktuell_08_09 18.10.2007 18:14 Uhr Seite 9
SEITE 10 | metallzeitung 11/2007
TITEL
José Fernández Nunez, 28, Instandhalter beiHörmann AutomotiveComponents, ehemals MAN in Gustavsburg:»Die IG Metall kenne ich
schon seit meiner Kind -
heit, mein Vater war bei
Opel in Rüsselsheim und
selbst Metaller. Seit mei-
nem ersten Seminar als
JAV bin ich volles Rohr
dabei. Ob ich stolz bin ein
Metaller zu sein – aber
hallo! ›Alle für einen, einer
für alle‹, so läuft das bei
der IG Metall.«
11_10_13_Titel_apm.qxp:Titel_10_13 18.10.2007 18:20 Uhr Seite 10
IG Metall Jugend ist mit neuen Konzepten erfolgreichMit fast 200 000 Mitgliedern unter 27 Jahren ist die IG Metall die größ-
te Jugendorganisation in Deutschland. Und die Zahl der jugendlichen
Mitglieder steigt wieder, allein in diesem Jahr um fast zwei Prozent. Das
straft Medien und Politiker Lügen, die gern behaupten, die IG Metall
komme bei der Jugend nicht an.
Möglich wurde der Erfolg bei der Jugend auch durch neue Konzepte.
Die IG Metall wirbt systematisch an Berufsschulen und Hochschulen. In
den Betrieben gibt es Begrüßungsrunden zu Beginn der Aus bil dung.
Und immer mehr Verwaltungs stellen laden die neuen Azubis schon vor
Ausbildungs beginn in Wochenendcamps ein. Hier lernen die »Neuen«
Betriebsrat und IG Metall in lockerer Athmo sphäre kennen. Fast alle wer-
den anschließend Mitglieder. »Ich bin mitgefahren, um meine Mitazu-
bis kennenzulernen. Die IG Metall habe ich zuerst gar nicht
wahrgenommen«, sagt Jenny Reßler. Nur wenige Wochen später wir d
sie Jugend- und Auszu bilden denver tre terin bei Daimler in Ludwigsfel-
de. Ein Jahr danach ist sie JAV-Vor sitzen de. »Irgendwer muss ja unsere
Rechte vertreten. Ich wollte das in die Hand nehmen und mitgestalten.«
Aber die IG Metall muss noch mehr tun, für die, die bereits Mitglieder
sind, findet Reßler. Die IG Metall-Jugend arbeitet daran. Beispielsweise
gibt es jetzt auch »Auslernerrunden« am Ende der Ausbildung. Und na-
türlich immer kreative, gemeinsam entwickelte Aktionen.
metallzeitung 11/2007 | SEITE 11
Warum es wieder in ist,Gewerkschafter zu seinDas Image der Gewerkschaften in Deutschland wandelt sich. Gestern noch Dinosaurier und Betonkopf sind sie heute
wieder gesellschaftspolitische Institutionen, denen etwas zugetraut wird. Kein Wunder, denn immer mehr Menschen leiden
unter Minijobs oder Leiharbeit. Niemand will bis 67 arbeiten. Und jeder will von seinem Vollzeitjob auch leben können.
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sollen das zunehmend kapitalistische System nun wieder in die richtige Lage
bringen. Ein Trend, der sich in steigenden Mitgliederzahlen messen lässt – vor allem bei jungen Arbeitnehmern.
Noch vor ein paar Jahren stellte sich FDP-Chef Guido Westerwelle vorlaufende Kameras und bezeichnete Gewerkschaften als »Plage«. Heutefährt der Gewerkschaftshasser auch mal den gleichen Kurs wie die Ar-beitnehmervertreter und schimpft über viel zu hohe Managerlöhne.
Auch im Fernsehen weht ein anderer Wind: Noch vor einigen Wo-chen lud Sabine Christiansen zu ihrer Sendung mit Vorliebe neolibera-le Scharfmacher ein. Bevorzugt kamen bei ihr Leute zu Wort, dieArbeitgeberpositionen vertraten. Jetzt sitzt Talkmasterin Anne Will aufChristiansens Stuhl und lässt endlich Arbeitnehmer zu Wort kommen.Zum Beispiel solche, die obwohl sie einen Vollzeitjob haben so wenigverdienen, dass sie davon nicht leben können.
Und vor wenigen Tagen sorgte Ministerpräsident Christian Wulff(CDU) in Niedersachsen für Schlagzeilen. Seite an Seite mit der IG Me-tall setzt er sich für die Fortführung der Altersteilzeit ein.
Soviel Populismus sollte eigentlich misstrauisch machen. Aber Um-fragen stützen den neuen Schmusekurs der Politiker und der Medienmit den Gewerkschaften. Es ist angesagt links zu denken. Es ist wiedermodern Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Kurzum: Es ist wieder in,Gewerkschafter zu sein. Kein Wunder, denn in keinem anderen Indus -trieland ist laut einer Umfrage der »Financial Times« die Ablehnung ge-gen ein Wirtschaftssystem nach amerikanischem Vorbild so groß wie inDeutschland. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid ermittelte sogar,dass jeder dritte Deutsche links denkt und fühlt.
Im Gegenzug rücken Gewerkschaften und ihre Forderungen in dieMitte der Gesellschaft. Denn die Mehrheit der Deutschen wünscht sich,dass der Einfluss der Gewerkschaften wieder steigen soll. »Deutschlandrutscht nach links«, schreibt die Wochenzeitung »Die Zeit«. Das bele-gen weitere Zahlen der Emnid-Untersuchung: 68 Prozent der FDP-Wähler befürworten die Einführung eines Mindestlohns. 82 Prozent derSPD-Wähler würden die Rente mit 67 wieder abschaffen. Und 71 Pro-zent der Unionswähler sind gegen die Privatisierung von Unternehmenwie Bahn, Telekom und Energieversorger.
Soziale Gerechtigkeit ist ein Begriff, mit dem die Menschen wieder et-was verbinden. Die Wirtschaftsliberalen sind auf dem Weg zu einer Min-derheit, lautet das Fazit der Emnid-Umfrage. Das liegt auf der Hand,denn nach all den Jahren des sozialen Kahlschlags bekommen die Bür-ger es mit der Angst zu tun. Sind die Gewerkschaften und allen vorandie mitgliederstärkste deutsche Gewerkschaft IG Metall das »Bollwerk
Fortsetzung auf Seite 12 >
Neue Azubis im Camp der IG Metall Ludwigsfelde am Huschte-See. Im
Angebot für die jungen Metaller: Spiel, Sport, Spaß und Politik.
Foto
: FM
DIE POLITISCHE ZUKUNFT DER IG METALL
11_10_13_Titel_apm.qxp:Titel_10_13 18.10.2007 18:20 Uhr Seite 11
metallzeitung: Bis vor kurzem schien es, als stünden Gewerkschaften
mit dem Rücken zur Wand. Ist der Tiefpunkt durchschritten?
Vester: Die großen Verluste der vergangenen zehn Jahre sind damit
vorbei, auch wenn die Zuwächse noch bescheiden sind. Der
Neoliberalismus ist tief diskreditiert. Wir beobachten einen
Meinungswandel, der den Gewerkschaften mehr Chancen gibt.
metallzeitung: In Umfragen kommt zum Ausdruck, dass linke
Positionen in Deutschland wieder Zulauf gewinnen.
Vester: Gewerkschaften haben ein berechtigtes politisches Mandat.
metallzeitung
sprach mit dem
Gewerk schafts -
forscher Michael
Vester, Professor
an der Universität
Hannover.
SEITE 12 | metallzeitung 11/2007
TITEL
INTERVIEW
Foto
: M
ark
Mü
hlh
au
s /
att
en
zio
ne
Fortsetzung von Seite 11 >
gegen den verschärften Druck auf Löhne und Gehälter, den die globali-sierte Wirtschaft mit sich bringt«? Ja, schreibt die Wochenzeitung »DieZeit«. Und auch Gewerkschaftsforscher und Professor aus Hannover,Michael Vester, stellt fest: »In der öffentlichen Akzeptanz haben die Ge-werkschaften den Tiefpunkt durchschritten.« Die Achtung in der Be-völkerung steigt spürbar, lautet Vesters Befund. Die jüngste Umfrage der»Financial Times« bestätigt: Über 60 Prozent der Befragten glauben, dassGewerkschaften eine bedeutende Rolle am Arbeitsplatz haben.
Jetzt erweist es sich als Segen, dass sich die IG Metall in den vergan-genen Jahren nicht dem vorherrschenden Mainstream gebeugt hat.Gerade weil sie sich nicht geändert hat, ist sie jetzt glaubwürdiger dennje. Zum Beispiel beim Thema Mindestlohn. Vor Jahren hat niemandda ran geglaubt, dass der Mindestlohn in Deutschland kommen wür-de. Jetzt steht das Thema auf der politischen Agenda ganz oben. »Esstellt sich nicht mehr die Frage, ob der Mindestlohn kommt, sondernwann er kommt«, sagt Jürgen Peters, Erster Vorsitzender IG Metall.Auch der Streit zwischen Ministerpräsident Kurt Beck und Vizekanz-ler Franz Müntefering über eine längere Bezugsdauer des Arbeitslo-sengeld I zeigt: Selbst in der CDU gibt es in dieser Frage Bewegung.Und sogar Ex-Kanzler Gerhard Schröder mischte sich in den Streit ein:»Die Agenda 2010 sind nicht die zehn Gebote.« Daran glaubt die IGMetall schon lange. Sei es mit der nachhaltigen Kritik an den Arbeits-marktreformen oder beim Thema Rente mit 67 Jahren: 300 000 Me-tallerinnen und Metaller gingen im Frühjahr auf die Straße um gegendas Gesetz zu demonstrieren.
Die Trendwende zeigt sich auch bei den Mitgliederzahlen: Die Zahlder Eintritte steigt. Die Austritte werden weniger. Ein Trend, der sich inallen Branchen wiederspiegelt. Vor allem dort, wo es Tarifstreitigkeitengibt, verbucht die IG Metall Mitgliederzuwächse. Zum Beispiel im Kfz-Handwerk. Dort kündigten zahlreiche Betriebe den Flächentarifvertragauf. Weil dadurch weniger Lohn droht, traten seit Jahresbeginn allein inNordrhein-Westfalen fast 2000 Kfz-Handwerker in die IG Metall ein.Kurzum: Dort wo es Zoff gibt, gibt es Mitgliederzuwachs. Und das giltfür alle Branchen.
Nina Burger, 29,Entwicklungsin -genieurin beimAuto zu liefererConti Teves inFrankfurt:»Nach dem Maschi -
nenbau stu di um vor
drei Jahren habe ich
bei Conti angefan-
gen. Über Arbeits -
kollegen kam ich zur
IG Metall. In meiner
Freizeit fahre ich mit
anderen Metallern
Motorrad. Soziale
Aspekte und die
Gerechtigkeits frage
haben mich zur IG
Metall gebracht.«
Gerhard Bär, 40,Bürokaufmann beiDeublin in Hofheim am Taunus:»Seit vielen Jahren
bin ich Mitglied und
seit kurzem Betriebs -
ratsvor sitzender. Ich
bin überzeugt, dass
die IG Metall das
Rich tige macht. Das
will ich unterstützen,
damit andere das
auch so sehen. Das
ist nicht einfach, da
die IG Metall in den
Medien oft nicht gut
wegkommt. Ich
werde auch künftig
für die Sache der IG
Metall einstehen und
wenn es sein muss
kämpfen.«
11_10_13_Titel_apm.qxp:Titel_10_13 18.10.2007 18:22 Uhr Seite 12
Das ist vielen klar geworden, die mit der sozialen Schieflage und mit
den Rentenplänen nicht einverstanden sind.
metallzeitung: Worauf sollte sich die IG Metall konzentrieren, um wie-
der zu alter Stärke zurückzukehren?
Vester: Sie sollte auf jeden Fall fortfahren, sich gesellschaftspolitisch
zu positionieren, zum Beispiel auf dem Feld der Bildungspolitik. Die
technische Intelligenz ist beispielsweise eine wachsende Gruppe, wo
die IG Metall Boden gut machen kann. Das Netzwerk für Ingenieure
ist hier ein Beispiel für ein viel versprechendes Pilotprojekt.
metallzeitung: Hat die IG Metall bei bestimmten Beschäftigten -
gruppen etwas versäumt?
Vester: In den technischen Expertenberufen gibt es immer mehr
Frauen. Bei ihrer Ansprache kann man einiges verbessern. Frauen
sind in Fragen von Solidarität sehr kompetent und hervorragende
Multiplikatoren für Gewerkschaftsthemen. Man braucht neue
Mitmachformen für alle. Interessenvertretung in den Betrieben
durch Ehrenamtliche wird künftig bedeutender werden.
metallzeitung 11/2007 | SEITE 13
Siemens VDO-Betriebsrätin Nurgül Schabe aus Karben bringt es auf denPunkt: »Mit der IG Metall sind wir einfach auf der stärkeren Seite. Jetzt,wo es bei uns um die Standort sicherung geht, denken wieder mehr Men-schen so und treten bei uns ein. ›Ein einzelnes Streichholz kann man bre-chen – eine ganze Schachtel nicht‹.« Aber auch weil die Reformpolitikimmer mehr Schwache alleine lässt, geniesst Solidarität wieder große Po-pularität. Eine traditionelle Tugend der IG Metall: »›Alle für einen, einerfür alle‹, so läuft das bei der IG Metall«, betont José Fernández Nunez,Instandhalter bei Hörmann Automotive Components in Gus tavsburg.
Dieser Kampfgeist kam letztendlich auch bei den guten Tarifverträ-gen der vergangenen zwei Jahre zum Tragen. »Unsere Tarifabschlüssehaben uns als IG Metall gestärkt«, freut sich der Zweite Vorsitzende derIG Metall Berthold Huber. Ein Erfolg, der sich nun auch in den Mit-gliederzahlen niederschlägt. Huber: »Die schwarze Null ist bei der Mit-gliederentwicklung wieder in greifbare Nähe gerückt.«
Die Menschen besinnen sich also auf die Gestaltungsmacht derGewerkschaften. Laut Emnid-Umfrage bewertet eine Mehrheit der Deut-schen die Rolle der Gewerkschaften mittlerweile sogar als »eher zu klein«.Darauf kann die IG Metall aufbauen. Nun bleibt abzuwarten ob es nebenden hohen Managergehältern noch andere gewerkschaftliche Themengibt, die FDP-Chef Guido Westerwelle beim nächsten Wahlkampf vonden Gewerkschaften übernimmt, um ebenfalls voll im Trend zu sein.
3Mehr zum Thema in dem Buch von Michael Vester u.a.: »Die neuen
Arbeitnehmer«, VSA-Verlag 2007, 17,80 Euro. ISBN 978-3-89965-256-7.
Mit dem Vorwort »Eine Gewerkschaft für alle« von Berthold Huber.
Oliver Hornung, 40,Aufzugmonteur beiOtis in Frankfurt amMain: »In der IG Metall ste-
hen wir uns zur Seite
und machen uns
Gedanken, von der
Ausbildung bis zur
Rente. Gemeinsam
erreicht man einfach
mehr.«
Nurgül Schabe, 47,E-Werkerin, Leiter -platten-Reparaturbei Siemens VDO inKarben:»Ich bin IG Metall-
Vertrauens frau und
seit acht Jahren auch
im Betriebsrat. Mit
der IG Metall sind
wir einfach auf der
stärkeren Seite.
Jetzt, wo es bei uns
um die Standort -
sicherung geht, den-
ken wieder mehr
Menschen so und
treten bei uns ein.
›Ein einzelnes
Streichholz kann
man brechen – eine
ganze Schachtel
nicht‹.«
Welche Erfahrungen habt ihr als Metallerinnen und Metaller? Wie
kommt euer gewerkschaftliches Engagement in eurem privaten
Umfeld an? Wie erlebt ihr persönlich den Stellenwert der IG Metall
in der Gesellschaft? Schreibt uns eure Meinung an folgende
Adresse: [email protected]
MITMACHEN EURE MEINUNG IST GEFRAGT
11_10_13_Titel_apm.qxp:Titel_10_13 18.10.2007 18:25 Uhr Seite 13
REPORTAGESEITE 14 | metallzeitung 11/2007
Wie wird eine Firma auf einen Streich Schulden und unbequemes Personal los? Indem sie den Betrieb in einer stillen
Zeremonie beerdigt. Gläubiger-Forderungen, Sozialplan-Abfindungen – ruhet in Frieden. Tausendfach wird diese Methode
Jahr für Jahr in Deutschland praktiziert – in großen Städten und auf dem platten Land. Es ist wirtschaftlicher Alltag. Die
Szenen, die hier geschildert werden, spielten sich in Luckenwalde ab. Es könnte aber auch anderswo und überall sein.
Kreative TotengräberFIRMENBESTATTUNG IN LUCKENWALDE
Foto: Digital Vision
Kreative Totengräber
11_14_15_Reportage_apm.qxp:Reportage_14_15 18.10.2007 18:28 Uhr Seite 14
metallzeitung 11/2007 | SEITE 15
Wenn der Maurer Horst Klein* mal nicht ar-beitslos ist, ist er Geschäftsführer. Eine derFirmen, die er in seinem Leben schon »ge-führt« hat, heißt Hesco. Sie saß, bis er sie 2003»kaufte«, im brandenburgischen StädtchenLu ckenwalde, etwa 50 Kilometer südlich vonBerlin, und produzierte Kunststoffteile. BisHorst Klein kam. Er knipste das Licht aus,meldete Insolvenz an und setzte die 62 Be-schäftigten vor die Tür.
Dass der Betrieb so marode dastand, hatteeinen Grund: Vor dem »Verkauf« hatten dievorherigen Eigentümer die Vermögenswerteauf eine neue Firma übertragen. Die gibt esnoch. Sie heißt auch Hesco, arbeitet am selben Standort wie die alte, in einem ansehnlichen, modernen Gebäude im »Bio-technologiepark« von Luckenwalde, und mit der Hälfte der alten Belegschaft. Selbstdie Gesellschafter sind die gleichen: FamilieReiche aus Luckenwalde. Was die alte undneue Hesco unterscheidet: Geschäftsführerinder alten Firma war Birgitt Reiche, in der Re-gion auch bekannt und populär als CDU-Kreistagsabgeordnete und als Mutter derCDU- Bun des tags abge ordneten KatherinaReiche. Im neuen Betrieb führt ihr Mann nundie Geschäfte.
Aber es gibt noch ein paar Unterschiede: Dieneue Hesco hat keine Schulden. Die bliebenbei der alten Firma. Und die ist nach derÜbertragung des Vermögens auf die neuezahlungsunfähig, so dass es bei ihr für denInsolvenzverwalter nichts mehr zu holengibt. Außerdem ist die neue Hesco einen Teilder Beschäftigten los. Und den Betriebsrat.Sozialplan-Abfindungen haben die Entlasse-nen, darunter viele IG Metall-Mitglieder, bisher nicht gesehen. Auch mehrere Monats-löhne blieb Hesco ihnen schuldig.
Der klassische Fall einer Firmenbestattung:
Ein Unternehmen wird künstlich arm ge-macht, in den Konkurs gejagt und die Gläu-biger gucken in die Röhre. Zum Beispiel dieArbeitnehmer, denen der Betrieb Löhne undAbfindungen schuldet. Kommt ein Gläubigerdoch noch auf die Idee zu versuchen, an seinGeld zu kommen, ist die Firma nicht mehrauffindbar. Dafür sorgen die »Geschäftsfüh-rer« der Pleitefirma. In Luckenwalde verleg-te Horst Klein den »Firmensitz« auf einenhalb verfallenen Bauernhof in Sachsen-An-halt. In eine Dorfstraße, die schon öfter »Sitz«von Konkursunternehmen war.
Drahtzieher im Hintergrund bei der Hesco war ein schon erfahrener Firmenbe-statter, ein Rechtsanwalt aus Potsdam. Derüberaus gewiefte Jurist hat den Medien aller-dings vor kurzem eindringlich verboten, sei-nen Namen zu nennen.
2003 war er noch nicht so scheu. Damalsprahlte er über sein Engagement bei der Hes-co-Insolvenz gegenüber der »MärkischenAllgemeinen Zeitung«: »Man muss ein biss-chen kreativ sein in der Marktwirtschaft.«
Dem Berliner Rechtsanwalt Rolf Rattunde,den das zuständige Amtsgericht als Insol-venzverwalter einsetzte, war dieses Ver-ständnis von Marktwirtschaft zu »kreativ«.Rattunde hat einen Prozess vor dem Landge-richt in Potsdam angestrengt: Die Richtersollen die Übertragung des Vermögens deralten auf die neue Hesco für nichtig erklären.Entweder soll das Vermögen rückübertragenoder Scha densersatz gezahlt werden. Darauskönnten dann Forderungen der Gläubigergezahlt werden. Zu den Gläubigern gehörtauch die IG Metall, die um die ausstehendenLöhne ihrer entlassenen Mitglieder kämpft.Laut »Märkischer Allgemeinen« geht es beiden ausstehenden Forderungen um rund dreiMillionen Euro.
Auch ein Strafverfahrenläuft. Die Staatsanwalt -schaft erhob Anklage gegenden Anwalt, das EhepaarReiche und StrohmannKlein. Die Gründe: Un-treue, Insol venz verschlep -pung und Unterschlagungbeziehungsweise Beihilfedazu.
Jüngster Akt im Trauer -spiel: Wohl um den hart-näckigen Insolvenzver - walter Rattunde und diemillionenschweren Gläubi-ger-Forderungen los zuwerden, wendet der ange-klagte Jurist jetzt auch dasInsolvenzrecht »kreativ«an. Das Tochter unter neh -men einer Firma auf Zy-pern, deren »Director« – wer hätte es gedacht– er selbst ist, kauft billig Schuldtitel vonGläubigern auf, um eine Mehrheit auf dernächsten Gläubigerversammlung zu erhal-ten. »Hier wird doch der Bock zum Gärtnergemacht«, empört sich Hermann vonSchuckmann. Er ist der Erste Bevollmächtig-te der IG Metall in Ludwigsfelde, die auch fürLuckenwalde zuständig ist.
Wie die Tragödie in der brandenburgischenKleinstadt ausgeht, ist offen. Meist gehen sol-che Firmenbestattungen für die Gläubigerschlecht aus. Fast 15 000 Insolvenz straftatenzählte das Bundes kriminalamt allein 2004. Inden meisten Fällen kommt es jedoch garnicht zur Anklage. »Es gibt eine ganz großeGrauzone«, klagt Daniel Bergner, Geschäfts -führer des Verbands der Insolvenzverwalter
in Berlin. Weil die Bestatter mit fachkundi-ger Hilfe von Rechtsanwälten die Spuren ge-schickt verwischen.
»Es ist immer die gleiche Masche«, sagtBergner. Erst Gesellschafter- und Geschäfts -führer wechsel. Dann wird die Firma umfir-miert und der Sitz verlegt, so dass dieGläubiger sie nicht mehr finden. Bohrt dochmal einer nach, wird sie flink beerdigt, dasheißt: Insolvenz beantragt. Ge schäftsführerwird ein Strohmann, meist Hartz IV-Emp-fänger, bei dem nichts zu holen ist. So umge-hen die Eigentümer die persönliche Haftung.
Seit Mai gibt es einen Entwurf für ein Gesetz, mit dem die Bundesregierung Fir-menbestattungen bekämpfen will. Es soll2008 in Kraft treten. Für die Entlassenen vonHesco kommt es zu spät.
Eberhard Neumann war 46 Jahre alt, als erdie Kündigung bekam. Zwei Jahre war der
ehemalige Betriebsratsvorsitzende arbeitslos.Rainer, sein Betriebsratskollege, war 56. Erfand nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeiteinen »miserabel bezahlten Job« in einemkleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Jetzt ister wieder arbeitslos. Ein anderer hat jetzt einen Ein-Euro-Job. Was sonst aus den früheren Beschäftigten geworden ist, wissensie nicht. Vielleicht weggezogen. Wie so vie-le, die keine Arbeit mehr fanden. Birgitt Rei-che, frühere Chefin der InsolvenzfirmaHesco, ist noch da. Sie ist im Kreistag – alsSprecherin der CDU für Soziales.
* Namen von der Redaktion geändert
Mehr Infos zum Thema Insolvenz und
Firmenbestattung gibt es unter:
3www.igmetall.de/metallzeitung
Eberhard Neumann war eines der Opfer der »Insolvenz«. Nach der
Entlassung war er lange arbeitslos. Und noch immer wartet er auf
ausstehende Monatslöhne und eine Sozialplan-Abfindung.
Foto
: S
ylv
ia K
op
pe
lbe
rg
11_14_15_Reportage_apm.qxp:Reportage_14_15 18.10.2007 18:29 Uhr Seite 15
SEITE 16 | metallzeitung 11/2007
LEBEN
Es kann jeden treffenmetallzeitung 10/2007,
Aktuell, »Pflegereform wirft
Licht und Schatten«
»Die politischen Diskussionen
über eine unbezahlte Pflegezeit
sind längst überfällig. Es kann
jederzeit plötzlich und unerwartet
jeden von uns treffen. Neben Job,
Haushalt und den Kindern ver-
sorgten mein Mann und ich
gemeinschaftlich unsere Mütter.
Wir pendelten zwischen drei
Haushalten. Anlässe, um am
gesellschaftlichen Leben teilzu-
nehmen, waren gänzlich unmög-
lich geworden. Wir funktionierten
im Job und zu Hause – Robotern
gleich.«
Dorothea und Dieter Möller,
per E-Mail
Ungesund und unmenschlichmetallzeitung 10/2007,
Aktuell, »Leben findet kaum
noch statt«
»Mein Arbeitgeber hat im Januar
2006 die Zwölf-Stunden-Schicht
eingeführt. Dass man mit diesem
Schichtsystem das Privatleben an
diesen Arbeitstagen praktisch
abhaken kann, steht außer Frage.
Es steht auch außer Frage, dass
solch ein Arbeitsmodell unge-
sund und eigentlich unmensch-
lich ist.«
Jörn Friedrich, Radeberg
Gierige Arbeitgebermetallzeitung 10/2007,
Aktuell, »Kfz: 40-Stunden-
Woche?«
»Die Arbeitgeber im Kfz-Gewerbe
werden immer gieriger. Erst wer-
den die eigenen Kunden >aus -
genommen<, dann die eigenen
Mitarbeiter.«
Wilhelm Parowka, Gelsenkirchen
»Mir sind mehrere Betriebe in
der Umgebung bekannt, wo seit
längerem 42 Stunden die Woche
gearbeitet wird. Darum sollten
alle IG Metall-Mitglieder die
Aktion >Aufstehen für den
Flächentarifvertrag< unterstützen
und zum Beispiel ihre Autos in
tarifgebundenen Betrieben repa-
rieren lassen.«
Harald Friedrich, Witten
Einfach nur Menschenmetallzeitung 10/2007, Leben,
»Reinrassige Metaller«
»Dass die IG Metall von reinen
Rassen spricht, ist unglaublich.
Auch wenn es hier nicht wort-
wörtlich gemeint war. Es gibt
keine reinrassigen Men schen.
Wir sind einfach nur Menschen,
egal wie wir aussehen und
woher wir kommen.«
Angelika Kraft-Dlangamandla,
Düsseldorf
Moderne Sklavereimetallzeitung 10/2007, Titel,
»Beschäftigte zwischen Angst
und Wut«
»Ich musste selbst bei verschiede-
nen Leihfirmen ar beiten und habe
die Erfahrung ge macht, dass diese
Arbeitgeber extrem unseriös sind.
Ich glaube, dass so viele feste und
gutbezahlte Arbeits plätze verloren
gehen. Gleich zeitig wird den eige-
nen Leuten mit Entlassung ge -
droht, um sie beim Lohn extrem
knapp halten zu können.«
A. Frühauf, per E-Mail
»Wenn man so etwas liest, geht
einem ja die Hutschnur hoch. Das
ist moderne Sklaverei und gehört
in dieser Form verboten. Die Idee
der Leiharbeit finde ich eigentlich
ganz gut. Aber unter gleichen Be -
dingungen und gleiche Bezah -
lung für gleiche Arbeit. Zudem
sollte es eine >Flexibilitäts-
Prämie< geben.«
Werner Müller, Bremen
»Ich habe bis jetzt fast nur gute
Erfahrungen mit Leiharbeit ge -
macht. Ich arbeite in einem Ent -
leihbetrieb, in dem mich die
Kollegen für voll nehmen und
mich schätzen. Ich bin zwar keine
Fach kraft, aber ich werde dort als
kompetente Kraft respektiert und
akzeptiert. Natürlich ist der Lohn
mit 6,80 Euro brutto die Stunde
nicht gerade berauschend. Ich
komme grade so über die
Runden. Aber ich bin im
Endeffekt glücklich, dass ich eine
Arbeitsstelle und Kollegen habe,
die – wenn es hart auf hart
kommt – zu mir halten. Ob
Leiharbeiter oder Stamm -
belegschaft: Es gibt ein >wir<.«
Sascha Borger, St. Augustin
Freizeitfahrzeugmetallzeitung 10/2007, Arbeit,
»Stress durch Pendeln«
»Man kann alle beglückwün-
schen, die einen kurzen
Pendelweg haben. Das Auto ist
dann nur noch ein Freizeit- und
Wirtschaftsfahrzeug.«
Karl Hubrich, Creuzburg
DER LESER HAT DAS WORT
LESERFOTO DES MONATS
Dieses Foto wurde in London
geschossen. Es zeigt die alte
Hydraulikanlage der Tower-Bridge.
Die Anlage hebt die Brücke, damit
große Schiffe auf der Themse durch-
fahren können. Metaller Wolfgang
Kompalla hat uns mit dem Leserfoto
dieses Mal einen spannenden Blick
in die – manchmal ferne – Welt der
Arbeit gegeben.
Die Redaktion freut sich über Leserbriefe: Entweder per E-Mail an
[email protected] oder aber auch per Post an
metallzeitung, Stichwort Leserbriefe, Wilhelm-Leuschner-Straße 79,
60329 Frankfurt. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.
MITMACHEN SAGT UNS EURE MEINUNG
Schicke uns dein Digitalfoto zum Thema: »Mensch und Arbeit.« Für die Veröffent lichung
in der metallzeitung gibt es diesmal als Preis ein multifunktionales Braun Digital Radio.
Nähere Informationen und auch die Teilnahmebedingungen zum Wettbewerb erhältst du unter:
3www.igmetall.de/metallzeitung
MITMACHEN FOTOWETTBEWERB DER IG METALL
11_16_17_Leben_apm.qxp:Leben_16_17 18.10.2007 18:33 Uhr Seite 16
metallzeitung 11/2007 | SEITE 17
ZU BESUCH BEI CLAUDIA GABELE-GIELE
Sieben ihrer Bilder hat Claudia Gabele-Gielean diesem Morgen zur Arbeit mitgebracht.Mit dem Fahrrad – wie immer. Ihre »Berg-welten« sind Reliefs in Blau- und Grautönen,aus Mörtel, Sand und Steinen, die sie von ih-ren Bergwanderungen mitbringt.
Schon als kleines Kind interessierte sie sichfür Malerei, lernte von ihrer Tante, einer be-kannten Kunstmalerin in Südtirol. Und sieliebt die Berge, war auch schon mehrmals imHimalaya. »In den Bergen schalte ich ab. Dakommen mir Ideen«, erzählt sie.
Ideen für die Arbeit in Betriebsrat und Ver-trauenskörper im Siemens PostanlagenwerkKonstanz: Ausgefallene Aktionen und diffe-renzierte, kritische Flugblätter zu betriebli-chen Themen, wie Era oder Arbeitszeit-modelle – aber auch zur Globalisierung undzum Afghanistan-Krieg. Es wird viel disku-tiert, in der Belegschaft, mit der Geschäftslei-tung. Das kommt an bei den Beschäftigten,von denen mehr als die Hälfte in Entwicklungund Konstruktion arbeiten.
Für die neuen Auszubildenden gibt es ei-ne Einführungs-Betriebsrallye. Sie lösenAufgaben zum Betrieb, aber auch zu Arbeit s -recht und Gewerkschaft. »Da kommt bei-spielsweise die Frage: Wie ist die Gleitzeit fürAzubis geregelt?«, erklärt die 49-Jährige. »DieBetriebsvereinbarung finden sie dann imBetriebsratsbüro. So lernen die Azubis uns,die IG Metall und ihre Rechte und Pflichtenspielerisch kennen.«
Die Aus- und Weiterbildung ist Claudia Gabe-le-Gieles Sache. Der Betrieb hat immer nocheine große Ausbildungswerkstatt. »Einmalwollten sie Ausbildungsplätze abbauen«, er-innert sie sich. »Auf der Betriebsversamm-lung traten die Azubis der Reihe nach ansRednerpult, und sagten, warum Ausbildungwichtig ist. Die Ausbildungsplätze blieben.Heute sind es sogar zwei mehr.«
Sie selbst hat sich ihr Leben lang weiterge-bildet. Zuletzt studierte sie Werbegrafik undDesign neben der Arbeit. Und immer wiederbesuchte sie Malkurse an verschiedenenKunstakademien. »Da habe ich gelernt: EinBild ist nicht von vornherein festgelegt. Wäh-rend man daran arbeitet, verändert es sich –genau wie das Leben.«
Ursprünglich ist Claudia Ga-bele-Giele Hochbauzeichne-rin. Mitte der 80er Jahrewurde sie nach einem Kon-kurs arbeitslos. Sie machte ei-nen CAD-Kurs und eine Um -schulung zur TechnischenZeichnerin. 1987 landete siedann im Postanlagenwerk inder Konstruktion – als Leih-arbeitnehmerin.
Aus dieser Erfahrungkämpft sie heute gegen dieAusweitung der Leiharbeitund für mehr berufliche Qua-lifizierung. »Weiter bildunghieß für mich schon damals,Chancen zu wahren undnicht auf dem Markt unter-zugehen.«
In die Gewerkschaft, die IGBau, trat Gabele-Giele schonkurz nach der Ausbildungein. Das war »als politischerMensch einfach normal«. ImPostanlagenwerk hat sie be-reits als Leihbeschäftigte denMund aufgemacht. Gegendie Dunkelheit an den CAD-Arbeitsplätzen. »Das hat mirals Naturmensch nicht ge-passt. Menschen brauchenLicht.« Fest eingestellt wurdesie trotzdem. Obwohl sie sichauch noch weigerte, Über-stunden zu machen. »Arbeitsoll einfach mehr verteiltwerden, dann kann manMassenarbeitslosigkeit über-winden. Und das geht im Be-trieb los.«
Der Betriebsrat wurde aufsie aufmerksam. Und dannging es ganz schnell. Sie wurde auf Anhieb inden Betriebsrat gewählt und bald darauf Ver-trauenskörper-Vorsitzende. Vor drei Jahrensah dann eine mit dem Betriebsrat arbeiten-de Rechtsanwältin ihre Bilder. Und plötzlichwurden ihre Bilder auf Ausstellungen gezeigt.Seither malt sie mehr und für ein immer grö-
ßeres Publikum. Doch Betriebsratsarbeit undKunst schließen sich nicht aus, sondern er-gänzen sich. »Dann, wenn mir die Arbeit imBetrieb nachgeht, wie gerade die Era-Ein-führung, ist Malen wie Meditation für mich.Da tanke ich Kraft.«
Berge, Bilder und BetriebsratClaudia Gabele-Giele erklimmt Berge. Einige hat sie bereits überwunden: Arbeitslosigkeit, Umschulung, Leiharbeit – schon
vor 20 Jahren. Heute ist sie Vertrauenskörper-Vorsitzende bei Siemens ISS Postal Automation in Konstanz. Sie kämpft für
Aus- und Weiterbildung und gegen Leiharbeit. Und sie malt. Berge und mehr. Ihre Bilder zeigt sie jetzt auf Ausstellungen.
Metallerin Gabele-Giele tankt beim Malen Kraft für ihre Arbeit als
Vertrauenskörper-Vorsitzende bei Siemens ISS in Konstanz.
Foto
: K
ers
ten
Klo
mfa
ss /
ww
w.3
k-f
oto
.de
11_16_17_Leben_apm.qxp:Leben_16_17 18.10.2007 18:34 Uhr Seite 17
SEITE 18 | metallzeitung 11/2007
LEBEN
Carsten Schuld: Kindergeld wirdmindestens bis zum 18. Lebens-jahr gezahlt. Längstens jedoch biszur Vollendung des 25. Lebens-jahres, wenn das Kind noch zurSchule geht, eine Berufsausbil-dung macht oder studiert. DasEinkommen darf 7680 Euro imJahr nicht übersteigen.
Sobald auch nur ein Centmehr verdient wurde, entfiel bis-lang der komplette Anspruch aufKindergeld sowie der Kinderfrei-betrag. Das Finanzgericht Nie-dersachsen hat jetzt entschieden,dass dies verfassungswidrig ist.Nach diesem Urteil dürfe es nureine verhältnismäßige Anrech-nung geben. Dies hätte zur Folge,dass mehr volljährige Kinder An-spruch auf Kindergeld haben.
Eine andere Kammer desselbenGerichts hat eine gegenteiligeEntscheidung gefällt. Hiergegenwurde Revision eingelegt, dieRechtsfrage bleibt also zunächstoffen. Wir empfehlen Eltern, de-ren Kinder nur wenig mehr als7680 Euro verdienen, schriftlichbei der Familienkasse der Bun-des agentur für Arbeit Kindergeldzu beantragen. Wird dieser An-trag abgelehnt, sollten die El-tern Einspruch einlegen.Wird der Kinderfreibe-
trag komplett gestrichen, solltegegen den Steuerbescheid Ein-spruch eingelegt werden.
Anspruch auf Kindergeld ha-ben die Eltern, nicht die Kinder.Der Kindergeldanspruch kannaber von den Eltern an die Kin-der abgetreten werden. Dannkönnen die Kinder das Kinder-geld selbst geltend machen.
Vom Kindergeldbezug sindweitere Zulagen abhängig: Werpro Kalenderjahr für mindestenseinen Monat Kindergeld be-kommt, hat auch Anspruch aufdie Kinderzulagen bei der Rie-ster-Rente und bei der Eigen-heimzulage. Das Kindergeldrechnet bei Empfängern von Ar-beitslosengeld II zum Einkom-men, wenn es nicht von denKindern selbst zur Deckung ih-res eigenen Bedarfs benötigtwird. Bei volljährigen Kindernstellt das Kindergeld immer Ein-kommen der Eltern dar.
Kindergeld: Voll jährigehaben auch Anspruch
RECHT SO
Carsten Schuld,
Jurist beim DGB-
Rechtsschutz
beantwortet hier
jeden Monat eure
Fragen.
metallzeitung: Nach der jüngsten Rechtsprechung könnten
mehr Eltern von Auszubildenden und Studierenden einen
Anspruch auf Kindergeld haben. Was hat sich geändert, und
wer hat überhaupt einen Anspruch auf Kindergeld?
Musterbriefe gibt es im Internet oder bei der zuständigen
Verwaltungsstelle der IG Metall.
3www.igmetall.de/metallzeitung
RKindergeld
Ich habe einen Teilzeitvertrag,
arbeite jedoch Vollzeit, teilweise
über 40 Stunden pro Woche. Be-
zahlt wird aber nur Teilzeit.
Informiere den Betriebsrat desEntleihers und die Leihfirma.Eventuell liegt ein Vertragsver-stoß des Entleihers vor. Ein An-spruch auf Vollzeit ergibt sichdaraus nicht automatisch. Wen-de dich dazu an deine IG Metallvor Ort. Bei Mehrarbeit mussder Betriebsrat des Entleihbe-triebs zustimmen. Also wenndie Arbeitszeit die im Betriebgeltende wöchentliche Arbeits-zeit übersteigt. Mehrarbeitmuss vergütet oder in Freizeitausgeglichen werden.
Darf mich mein Leiharbeitsunter-
nehmen drei Wochen in unbe-
zahlten Urlaub schicken, wenn es
keine Arbeit für mich hat?
Nein, das verstößt gegen dasArbeitnehmerüberlassungsge-
setz. Danach sind Zeitarbeits-firmen verpflichtet, ihren Be-schäftigten auch bei fehlendenEinsatzmöglichkeiten das Tarif-entgelt fortzuzahlen. Sie kön-nen Ar beit nehmer auch nichtauffordern, dafür Stunden ausdem Zeitkonto zu nehmen.Zwar sieht der Tarifvertrag mitdem Bundesverband Zeitarbeit(BZA) vor, Zeitkonten für ver-leihfreie Zeiten zu nutzen. Diesmuss aber vorher mit dem Mit-arbeiter vereinbart werden.Diese Einzelregelungen könnenauch nicht durch eine Betriebs-vereinbarung ersetzt werden.
Ich habe nur etwa 1000 Euro Net-
to. Für meine Familie reicht das
vorne und hinten nicht.
Stelle einen Antrag auf ergän-zendes Arbeitslosengeld II beider Arbeitsagentur. Das giltauch, wenn das Arbeitslosen-geld I nicht zum Leben reicht.
Viele Verstöße beiArbeitszeiten und GeldLeiharbeitnehmer müssen um viele Selbstverständlichkeiten
wie Urlaubsansprüche und die richtige Eingruppierung kämpfen.
In der Zeitarbeitsbranche werden Arbeitnehmerrechte leider oft mit Füßen getreten. Das
der IG Metall bei der Telefonaktion der metallzeitung stellten. Von links: Rainer Reh wal
Foto
: Jü
rge
n H
ed
wig
TELEFONAKTION LEIHARBEIT
11_18_19_apm.qxp:Leben_18_19 18.10.2007 18:42 Uhr Seite 18
metallzeitung 11/2007 | SEITE 19
Mit kleinen, festen Schrittenstrebt Malalai Joya ihrer Presse-konferenz in Berlin entgegen.Eingeladen wurde die 29-Jährigevon der Linksfraktion im Bun-destag. Doch bevor sie das Red-nerpult erreicht, gibt es einenZwischenfall am Eingang: AusGewohnheit will sie einem her-beieilenden Mann den Vortrittlassen. Doch der hält ihr die Türauf, bis sie zögernd eintritt.
Als Joya dann zum Mikrofongreift, zielt ihre Botschaft mittenhinein in die kontroverse Dis-kussion um das Mandat der Bun-deswehr am Hindukusch: »Wirbrauchen mehr internationaleHilfe, aber wir wollen keine Be-satzung«, sagt sie. Ihre Botschaft:»Schickt mehr Zivilisten für dendemokratischen WiederaufbauAfghanistans. Spendet Geld fürunsere zerstörte Infrastruktur.«Mit militärischen Mitteln alleinseien weder Frieden noch De-mokratie zu schaffen. Im Gegen-teil: Gewaltsame Übergriffe aufZivilisten, insbesondere Frauen,haben wieder zugenommen, sag-te Joya. »Die USA und ihre Ver-bündeten haben uns vomTaliban-Terror befreit. Aber siebrachten Fanatiker an die Macht,die sich Nord-Allianz nennen.«
Die Folge: Die Lage der Frauenhat sich kaum verbessert. Ihreanfänglichen Hoffnungen aufBildung, grundlegende Rechteund ein selbst bestimmtes Lebenseien großer Ernüchterung gewi-chen. Joya: »Die Gewalt gegenFrauen in den Familien hat zuge-nommen, ihre Bildungschancensind zu gering. Nur ein Mädchenvon fünf besucht die Grundschu-le, eines von zwanzig geht auf ei-ne weiterführende Schule.«
Ihre Forderung: Die deut-schen Soldaten machen einensehr guten Job beim Wiederauf-
bau. Jetzt sollte sich die deut- sche Afghanistan-Politik freimachen von der Vormund-schaft der USA.
Weil sie im Ausland und in ihrerHeimat laut die Stimme erhebt –für Frauenrechte und gegen diePräsenz von Islamisten, Drogen-baronen und Kriegsverbrechernin der obersten Volksvertretung– wurde Joya im Mai 2007 vomParlament mit dem Entzug ihresAbgeordnetenmandats bestraft.Das bedeutet auch: Sie reist ille-gal. Die Ironie: Bei der Einreisenach Afghanistan verbirgt siesich unter einer Burka. Das Sym-
bol der Unterdrückung afghani-scher Frauen erweist sich alslebensrettend für die mutigeFrauenrechtlerin.
Mehr Informationen über die
Bildungs- und Gesundheits -
projekte für Frauen sowie das
Spendenkonto von Malalai Joya
gibt es unter:
3www.malalaijoya.com
»Schickt uns mehr zivileHelfer nach Afghanistan«
WAS MICH BESCHÄFTIGT ...
Foto
: Fr
an
k R
um
pe
nh
ors
t
Mein Entleihbetrieb will mich
übernehmen. Er soll dafür 5000
Euro an meine Zeitarbeitsfirma
zahlen. Und ich darf sechs Mona-
te lang nicht dort eingesetzt wor-
den sein, bevor ich fest anfange.
Darf die Zeitarbeitsfirma solche
Bedingungen stellen?
Eine Vermittlungsgebühr vomEntleihunternehmen ist leiderzulässig, wenn sie vorher ver-einbart wurde. Allerdings sagtder Gesetzgeber, sie muss ange-messen sein. Nicht zulässig istdie Sechs-Monats-Frist. Die Be-schäftigten einer Zeitarbeitsfir-ma müssen die Kündigungsfristbeim Entleiher einhalten. In soeinem Fall am besten bei derLeiharbeitsfirma kündigen,und im Anschluss die neue Stel-le antreten. Beratungen bietenauch die IG Metall-Verwal-tungsstellen an.
Werde ich überhaupt korrekt be-
zahlt? Ich mache Facharbeit, lerne
sogar Beschäftigte im Kun denbe-
trieb an, bin aber nach wie vor als
Hilfskraft eingruppiert.
Es ist leider üblich, dass Leihar-beitsfirmen Fachkräfte als Hilfs-arbeiter bezahlen. Du musstjedoch nach der tatsächlichen
Tätigkeit beim Entleiher bezahltwerden. Rede mit deinem Dis-ponenten bei der Leihfirma unddem Betriebsrat der Entleihfir-ma. Der Disponent muss eventu-ell nachverhandeln. Vorsicht: ImBZA-Tarif muss eine höherwer-tige Tätigkeit erst nach einerDauer von sechs Wochen auchhöherwertig bezahlt werden.
Mein Arbeitgeber bietet mir ein
niedrigeres Bruttoentgelt an und
will dafür eine höhere Aufwands-
entschädigung zahlen. Soll ich
mich darauf einlassen?
Das ist eine Regelung aus demBZA-Tarifvertrag. Danach kön-nen maximal 25 Prozent desBruttoentgelts als Aufwandsent-schädigung gezahlt werden. Wirhalten das nicht für zulässig. Ge-ringeres Bruttoentgelt heißt auchgeringere Sozialbeiträge. Es wer-den weniger Ansprüche in derRentenversicherung erworben,und das Arbeitslosengeld fieleentsprechend niedriger aus.
Mehr Fragen und Antworten:
3www.igmetall.de/metallzeitung
RTelefonaktion
Die afghanische Frauenrechtlerin und Parlamentarierin Malalai
Joya kämpft für Demokratie und zivilen Wiederaufbau.
ten. Das zeigten auch die Fragen, die Leiharbeiter aus ganz Deutschland den Experten
Reh wald, Alwin Boekhoff, Christian Iwanowski, Jürgen Ulber und Heide Schnare.
Malalai Joya ist Mitglied des
afghanischen Parlaments und
überlebte vier Attentate.
Foto
: C
his
tria
n v
on
Po
len
tz /
tra
nsi
t-b
erl
in
11_18_19_apm.qxp:Leben_18_19 18.10.2007 18:42 Uhr Seite 19
SEITE 20 | metallzeitung 11/2007
Martina Auth: »Mein Herz gehört mir!«Der Roman »Mein Herz gehört mir« handelt von Lydia. Eine Frau, die
von Geburt an wegen eines Herzfehlers eingeschränkt ist. Das Buch
zeigt, dass es vor allem die Angst der
»Gesunden« ist, die Menschen mit Ein -
schränkung das Leben schwer macht.
»Mein Herz gehört mir« macht Krankheit
und Behinde rung zur Normalität, authen-
tisch und ohne Fatalismus. Die Autorin
Martina Auth lebt selbst mit einem
Herzfehler. Nachdem Martina Auth ihre
Arbeit als Sonderschul pädagogin wegen
der Infektions gefahr aufgeben musste,
machte sie eine Ausbildung als Bürokauf -
frau beim IG Metall-Vor stand in Frankfurt, wo sie heute noch arbeitet.
3Martina Auth: »Mein Herz gehört mir! Leben mit einem angebore-
nen Herzfehler«, Ulmer Manuskripte, Blaubeuren 2007, 13,50 Euro.
Manfred Vollmer: »Feuer im Revier«Der Fotokunst-Kalender von Manfred Vollmer, der auch für die
metallzei tung fotografiert, zeigt das Ruhrgebiet von seiner eindrucks-
voll sten Seite: atemberaubende Bilder von den schönsten Industrie-
denkmälern und aus der Stahlproduktion, in Zusammenarbeit mit dem
Westfälischen Industriemuseum.
Zwölf Blätter mit Kalendarium, ei-
nem Deckblatt und einer Titelfo-
lie, drucklackiert, Spiralbindung
und einzeln eingeschweißt.
ISBN 978-3-939973-02-7
Maße: 54,3 mal 42,3 cm,
Preis: 32,50 Euro. Zu bestellen im
Internet unter 3www.alcorde.de
Bernd Köhler: »Die neue Welt«Viele Gewerkschafter kennen den Liedermacher Bernd Köhler unter sei-
nem Spitznamen »Schlauch«. Auf seiner neuen CD schaffen er und das
»Kleine Elektronische Weltorchester« Klangwelten aus Rock- und Ha-
waii-Gitarren, Ak kor deon und Elektrosounds mit Anklängen an das Chan-
son. Die Texte sind politisch, auch mal raubeinig und skurril. Der Titel
»SOS«, eine Parabel zum Thema Werks schließung, liegt ganz vorn in der
internationalen Liederbestenliste deutsch-
sprachiger Musik. »Ein Lied kann emotio-
nale Grundlage für eine Aktion sein«, er-
klärt Köhler. Vor drei Jahren machte er mit
dem Chor der Mannheimer Alstom-Beleg-
schaft und »Unsere Chance: Résistance« er-
folgreich gegen die Schließung des Werks
mobil. 3Bernd Köhler, »Die neue Welt«,
CD, JumpUp, www.jump-up.de, 15 Euro.
LAUT UND LEISE
LEBEN
Wir veröffentlichen laute und leise Töne, Filme, Ausstellungen,
Aktionen, Bücher, von metallzeitung-Leserinnen und -Lesern. Wir
suchen Künstlerinnen und Künstler, die sich für Arbeit und sozia-
le Gerechtigkeit stark machen. Die Auswahl behält sich die
Redaktion vor. E-Mail an: 3www.igmetall.de/metallzeitung
MITMACHEN SENDET UNS EURE VORSCHLÄGE
GUTER RAT
Die IG Metall hat einem Mitgliedbereits Rechtsschutz für eine Ver-fassungsbeschwerde gewährt. Sieist beim Bundesverfassungsge-richt anhängig (Aktenzeichen 1BvR 1840/07). Der ParitätischeWohlfahrtsverband hatte schonim vergangenen Jahr gefordert,den Regelsatz des Arbeitslosen-gelds II um 20 Prozent von damals345 auf 415 Euro anzuheben.
Handlungshilfe: Leistungsbezie-her müssen gegen jeden neuenBescheid eigenständig und frist-gerecht Widerspruch einlegenund gleichzeitig das Ruhen desVerfahrens beantragen. Denn nurso können, für den Fall, dass dasBundesverfassungsgericht in Sin-ne der IG Metall entscheidet, dieRechte auf eine Nachzahlung ge-sichert werden.
Gehören mehrere Personen –auch minderjährige Kinder – zurBedarfsgemeinschaft, muss jedesMitglied Widerspruch gegen denBescheid einlegen. Erziehungsbe-rechtigte können ihre minderjäh-rigen Kinder vertreten.
Innerhalb einer Bedarfsgemein-schaft kann auch ein Mitglied füralle den Widerspruch erheben,wenn es von den anderen schrift-lich bevollmächtigt wird. Der Wi-derspruch richtet sich nur gegendie Höhe der ALG II-Regelleis -tung. Wenn andere Punkte im Be-scheid, wie Einkommensan rech-nung, Miethöhe oder dergleichenstrittig sind, sollten diese Fragenvorab geklärt werden. Wichtig ist,dass auch gegen jeden neuen Be-scheid, der einen neuen Bewilli-gungszeitraum umfasst, Wider -spruch eingelegt werden muss.
Bei laufenden Widerspruchs-,Kla-ge- oder Berufungsverfahren soll-te unter Hinweis auf die an -hängige Verfassungsbeschwerdehinsichtlich der Regelleistung dasRuhen des Verfahrens beantragtwerden. Musterschreiben gibt esbei jeder Verwaltungsstelle oderim Internet.
3www.igmetall.de/metallzeitung
RALG II: Musterwiderspruch
ALG II: Sind die Regelsätzeverfassungswidrig?Die IG Metall empfiehlt erwerbslosen Mitgliedern, gegen die Höhe
der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II Widerspruch einzulegen.
Foto
: S
oe
ren
Sta
che
/ d
pa
/ p
a
Ein Korb mit Obst, Gemüse, Milch und Brot bei einer Aktion in Berlin.
Foto
: M
ich
ae
l S
chin
ke
Foto
: P
R
11_20_21_apm.qxp:Leben_20_21 18.10.2007 18:59 Uhr Seite 20
metallzeitung 11/2007 | SEITE 21
RÄTSEL
Das Lösungswort
aus September lautete:
Kernarbeitsnormen
Erster Preis:
Frank Weithe, Herdecke,
Zweiter Preis
Norbert Kramer, Vreden,
Dritter Preis:
Wolfgang Schneider, Düsseldorf.
Der Zusatzgewinn im September:
je ein IG Metall-Fußball geht an
Martin Nagel, Haiger,
Johann Stebner, Grünberg.
Einsendeschluss 30. November 2007
Die Gewinner
Sonderpreise: Diesen Monat verlosen wir unter den Einsendern der richtigen Lösung
einen IFA-Gutschein im Wert von 50 Euro, anzurechnen bei Buchung eines IFA-Aufenthalts
(keine Barauszahlung) sowie
zwei IG Metall-Fußbälle.Das Lösungswort auf eine Postkarte schreiben und an die Redaktion senden: Redaktion metallzeitung,
Preisrätsel, 60146 Frankfurt. Oder per E-Mail an [email protected].
WAAGERECHT1 Einfuhr von Waren6 Sänger
10 spöttisch: unwahrer Bericht
11 deutsch-luxemburgischerGrenzfluss
12 Hautfalte zum Schutz des Auges
13 römischer Name für die Karthager
15 Kultbild der Ostkirche17 Kirchenbauwerk18 Staat der USA19 großer Grundbesitz22 Autokennzeichen
von Düren23 linker Donzufluss24 Schwur vor Gericht25 17. Buchstabe des
griechischen Alphabets27 Nachrichtensender
der USA28 Gewebe mit
geflammtem Muster30 Strom in Sibirien32 Fürwort34 Teil der Woche35 Arnozufluss37 alt (engl.)39 Autokennzeichen
von Dortmund40 sprechbegabter Vogel42 kandierte Fruchtschale45 Hohlmaß: 100 Liter (Abk.)46 Heilverfahren47 Lebensbund49 Stromspeicher (Kurzwort)51 jetzt, in diesem Moment53 französisch: See55 sich täuschen57 Abkürzung für:
Europ. Freihandelszone58 Statuenrumpf ohne
Kopf und Arme59 sehr süße Palmenfrucht
SENKRECHT1 Anstoß, Anregung2 schlecht, dürftig3 Schwingkörper4 Sternbild5 Treffer beim
Fußballspiel6 europäischer
Inselbewohner7 Insekt8 Ende (frz.)9 Theater der Antike
14 Hafenstadt in Ostfriesland
16 Hauptstadt von Ägypten18 Norne der Vergangenheit20 Rheinzufluss
in der Schweiz21 Ziffer22 Goldmakrele26 erfolgreicher
Spitzenschlager27 Auto (engl.)28 Leeren des Euters29 ich (lat.)30 lebendig, vital, rege31 griechisch: neu...33 olympisches
Komitee (Abk.)36 ehemaliger
Abgastest (Abk.)38 Autokennzeichen
von Dachau41 nordamerikanischer
Rothirsch43 Wahlzettelbehältnis44 Porzellanstadt in
den Niederlanden46 Aktienpreis48 Abkürzung für: Kilokalorie50 Cocktail mit
Johannisbeerlikör52 plus54 griechische Göttin56 Autozeichen für Rumänien57 Autozeichen für Ägypten
2 13
1
20 8 5
6 9
21
17 10
7
11
4
18 3
12 16 14
15 19
1 2 3 4 5 6 7 8 9
10 11 12
13 14 15 16
17 18
19 20 21 22
23 24 25 26
27 28 29
30 31 32 33 34
35 36 37 38 39
40 41 42 43 44
45 46 47 48
49 50 51 52 53 54
55 56 57
58 59
Dritter Preis
Eine IG Metall-
Wetterstation.
Zu gewinnen sind dieses Mal
Erster Preis
Ein Strike-Bike
aus Nordhausen.
Zweiter Preis
Ein original Steiff-Teddy
»Petsy«.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
19 20 21
Lösungswort:
11_20_21_apm.qxp:Leben_20_21 18.10.2007 19:00 Uhr Seite 21
DA GEHT WAS
Montagsdemonstrationen – wissen heutenoch alle auf Anhieb, was das war? »Nein«,sagt Sieglinde Merbitz lächelnd. Geht sie in»ihre« Betriebe, erntet sie schon mal ver-ständnislose Blicke, wenn sie von den aufre-genden Zeiten 1989/90 spricht. Na klar: Diejungen Facharbeiter und Auszubildendenvon heute waren damals Kinder oder nochgar nicht geboren.
Am Ende des zweiten Jahrzehnts nach derWende präsentiert sich Leipzig als unaufge-regte Schönheit. Für ein solides Wirtschafts-wachstum, ein attraktives Kulturleben undein allseits anerkanntes Bildungsangebot ab-solvieren die Leipziger und die, die hierherzur Arbeit pendeln, täglich neu ein hartesPensum.
Andererseits: Eine Arbeitslosenrate von18,8 Prozent und die Angst vieler vor HartzIV hängen wie ein Damoklesschwert überder neu erblühten Stadt und ihrem Umland.
Leipzig: Das Tal ist durchschrittenSie hat Leipzig erfasst: echte Aufbruchstimmung. Die Ansiedlung von BMW zog Zulieferer und Serviceunternehmen an
den Standort. Die IG Metall-Bevollmächtigte Sieglinde Merbitz strahlt: »Das Tal der Tränen ist durchschritten.« Das Beste
daran: Immer mehr Belegschaften besinnen sich auf die Gewerkschaft, wollen Tarifverträge erstreiten.
Firmen Kirow und Mikrosa gingen 2007 alserste in den Warnstreik.
Nach einer langen Durststrecke stehenjetzt Tarifverträge wieder hoch im Kurs: DieBeschäftigten beim Autositzhersteller Faure-cia machten 2006 den Anfang. Sie traten nachund nach fast alle in die IG Metall ein und erkämpften sich tarifliche Bezahlung. DiePianobauer der weltberühmten Firma Blüth-ner machten bereits mit zwei Warnstreiks füreinen Tarifvertrag von sich reden, und im-mer mehr Belegschaften wollen mit der IGMetall verlässliche Regelungen erstreiten.»So viel Zulauf auf einmal hatten wir nochnie«, sagt Sieglinde Merbitz. Sie spürt einenneuen Geist. »Die Leute haben keine Angstmehr. Sie sehen nicht ein, warum es für guteArbeit kein gutes Geld geben soll.«
3www.leipzig.igmetall.de
Beim Flugzeugküchenhersteller Sell werden die Kabel noch mit Hand verbunden.
Foto
: W
olf
ga
ng
Ze
yen
Der Warnstreik von 2000 MetallerInnen bei BMW Leipzig 2006 war Premiere und Befreiungsschlag zugleich: Die Bitternis von 2003 ist überwunden.
Die Entwicklung der IG Metall-Mitgliedschaftspiegelt beide Trends wider. Seit über einemJahr ist die Zahl der Beitragszahler aus Be-trieben stetig gewachsen. Voller Genugtuungverweist Sieglinde Merbitz auf 5,2 ProzentPlus gegenüber 2006. Auf der anderen Seitedie Austritte: vorwiegend Langzeitarbeits-lose und ALG-II-Empfänger, die an jedemCent sparen müssen. Das tut weh.
Ein »Glücksfall« dagegen ist für Merbitzdie Entscheidung von BMW für Leipzig.»Das erzeugte eine echte Aufbruchstim-mung, brachte auch die Zulieferfirmen in unsere Region«, sagt sie.
»Als die neue Mannschaft von BMW inder Tarifrunde 2006 als erste stolz in denWarnstreik zog, haben wir uns endlich wie-dergefunden – nach dem bitteren Ende desStreiks 2003«, freut sich die Metallerin. EinJahr später war dann in den »alten« Betrie-ben neue Lust am Kämpfen erwacht: Die
GEWERKSCHAFTSTAG 2007
11_22_23_apm.qxp:Arbeit_22_23 18.10.2007 19:06 Uhr Seite 22
ARBEITmetallzeitung 11/2007 | SEITE 23
DIE GUTE IDEE
Couragiertes Leipzig:Neo-Nazis gaben aufDas Aktionsbündnis »Courage« gegen Rechts prägt inzwischen
das Image der Stadt. Was 1998 als Protest begann, ist heute Fest.
»Mein Leipzig lob ich mir. Es istein Klein-Paris und bildet seineLeute.« Was den jungen Goethebeeindruckte, als er 1765 zum Jurastudium in die Stadt an derPleiße kam, prägt auch heute de-ren weltoffenes Selbstverständ-nis. Rechtsextreme Ideen treffenhier nicht auf Toleranz.
So fassten es die Leipziger Ein-wohner als Provokation auf, alsder Hamburger Neonazi Christi-an Worch 1998 eine ganze Serievon Demonstrationen durchLeipzig anmeldete – bis ins Jahr2014. Spontan gründeten Ak -ti visten das Bündnis »Leipzig.Courage zeigen«, bei dem Metal-lerinnen und Metaller von Be-ginn an in der ersten Reihestanden.
»Courage« organisierte 1998ein Rockkonzert am Völker-schlachtdenkmal, wo Worch sei-nen Aufmarsch plante. Gegendie friedliche Musikveranstal-tung mit tausenden Menschenzogen Worch und seine Mannenden Kürzeren. Und das blieb seit-dem so. Die Konzerte gegenRechts, jedes Jahr am Vorabenddes 1. Mai, wurden zu einem festen Termin im Leipziger Ver-anstaltungskalender. Auch bei
jeder anderen Demonstration,mit der die Neonazis ihre rassis-tischen fremdenfeindlichen Parolen verbreiten wollten, wares das gleiche: Leipziger undLeipzigerinnen protestiertenfriedlich. An den Routen, die dieWorchs sich ausgesucht hatten,standen, saßen und feierten sieoder gingen auf Kreuzungenspazieren – und die Glatzen mitden Springerstiefeln kamennicht durch.
Im Juli 2007 haben die Neonazisendlich den Spaß an ihren Auf-märschen in Leipzig verloren.Klägliche 36 Leute waren ange-treten. Worch sah ein, dass er hiernichts mehr zu bestellen hat. DerNazi zog alle seine Anmeldungenzurück.
Ein Sieg der Demokraten undder Toleranz, sagt die Metallerinund Courage-Vorsitzende EddaMöller. Trotzdem wird Leipzigwachsam und dem Rat desDichterfürsten treu bleiben:»Das Land, das die Fremdennicht beschützt, ist zum Unter-gang verurteilt.«
3www.leipzig.igmetall.de/courage
Foto
: W
olf
ga
ng
Ze
yen
PRODUKT DES MONATS
Konzert vor dem Völkerschlachtdenkmal als Bekenntnis gegen Rechts.
Foto
: A
rno
Bu
rgi
/ d
pa
/ p
a
Erneuerbare Energie – wie hier aus Windkraft – deckt heute schon 14
Prozent des benötigten Strombedarfs.
Schub für Ökostrom Erneuerbare Energien liefern bei jedem Wetter Strom.
Ein virtuelles »Kombikraftwerk« soll den Beweis liefern.
Querdenken, etwa anders machen oder Dinge auf den Kopf
stellen: Die metallzeitung sucht gute Ideen und Produkte, auf die
Metallerinnen und Metaller stolz sind. Wer ist Weltmeister?
Wo gibt es neue Konzepte und Ansätze?
Per E-Mail an: [email protected]
MITMACHEN SCHREIBT UNS EURE IDEEN UND PRODUKTE
Drei Betriebe aus dem Bereichregenerativer Energien, Ener-con, Solar World und Schmack-Biogas, haben in Berlin einvirtuelles Kombi-Kraftwerkvorgestellt. Es soll »eine sichereEnergieversorgung durch er-neuerbare Energien immer undüberall« ermöglichen.
Schon heute stellen erneuer-bare Energien in Deutschlandrund 14 Prozent des benötigtenStroms bereit. Weil fossile Energieträger in wenigen Jah-ren aufgebraucht sind und de-ren Verbrennung nachweislichdas Klima negativ verändern,wird dieser Anteil in den nächs-ten Jahren kontinuierlich stei-gen. Das neue »Kraftwerk« sollzeigen, »dass Erneuerbare Ener-gien 100 Prozent des Strom -bedarfs decken können«, erläu-tern die Projektträger.
Tatsächlich verknüpft das ander Universität Kassel entwi-
ckelte »Kombikraftwerk« 36 de-zentrale Kraftwerke für Wind,Wasse, Sonne und Biogas mit-einander. Auf diese Weise kannes rund um die Uhr und bei je-der Witterung Strom liefern.
»Die dezentrale Vernetzung er-laubt es, die Wind-, Solar- undBiogasanlagen wie ein her-kömmliches Großkraftwerk zusteuern und den wechselhaftenEnergiebedarf Deutschlands zudecken«, beschreibt Kurt Roh-rig vom Institut für Solare Ener-gieversorgungstechnik derKasseler Uni das neue Projekt.
Insgesamt soll auf diese Wei-se der Bedarf einer Kleinstadtmit 12 000 Haushalten gedecktwerden.
3www.windenergie.de
3www.bmwi.de
3www.greenpeacemagazin.de
11_22_23_apm.qxp:Arbeit_22_23 18.10.2007 19:07 Uhr Seite 23
Nichts zu tun, gehtnicht mehr: Arbeitge-ber sind heute sogargesetzlich verpflich-tet, Beschäftigte, dienicht rauchen,vor Ta-bak qualm zu schüt-zen. Das steht in derArbeitsstättenverord-nung. Tabak gilt alsein Gefahrstoff. DerRauch einer Zigaretteenthält zehn Krebs er-regende und sechsgiftige Stoffe. Unterden Gesundheitsrisi-ken – wie Asthmaund Lungenkrebs –leiden auch Passiv-raucher. Ein Nicht-raucher, der sich zweiStunden in einem ver-qualmten Zimmeraufhält, nimmt so vie-le Schadstoffe auf, alshätte er selbst eine Zi-garette geraucht.
»Die Unterneh-men machen es sichoft zu einfach, indemsie schlicht weg nurein striktes Rauchver-bot anordnen, überdie Köpfe der Beleg-schaften hinweg«,sagt IG Metall-Vor-standsmitglied Wolf-gang Rhode. Es gehedarum, faire und praktikable Lösungen sowohl für Raucher alsauch zum Schutz der Nichtrau-cher zu finden. Einsame Anwei-sungen von oben führen zuDauerkonflikten. Was nützt es,wenn die Raumluft im Betriebtop ist, aber dafür das Betriebs-klima im Keller. Nichtraucher-schutz kann nur erfolgreich sein,wenn die Belegschaft einbezogenwird, sagen die Arbeitsschützerder IG Metall.
ARBEITUNSERE TIPPS
GUTE ARBEIT
Schlafdefizit bei SchichtEine Studie des schlafmedi-
zinischen Labors der Uni Mar-
burg hat den Schlafmangel von
Schichtarbeitern gegenüber
normal Erwerbstätigen ermit-
telt. Die Schlafdauer ist dem-
nach um zwei bis vier Stunden
verkürzt. Der Tagesschlaf von
Schichtarbeitern ist störanfälli-
ger, wird häufiger unterbrochen
und erreicht nicht die Tiefe des
Nachtschlafs. Außerdem haben
die Betroffenen häufiger sozia-
le sowie familiäre Probleme
und werden öfter krank.
3www.web.uni-marburg.de
Ein Nickerchen tut gutWer sich als Beschäftigter
einen etwa 20-minütigen
Mittagsschlaf gönnt, arbeitet
am Nachmittag nachweislich
produktiver. Das belegt eine
arbeitsmedizinische Unter-
suchung aus Österreich. Die
»Mittagsschläfer« waren am
Nachmittag wesentlich wacher
und konzentrierter als die
durcharbeitende Kontrollgrup-
pe. Die Studie belegt eindeutig
die positiven Auswirkungen
eines kurzen Mittagsschlafs.
Weitere Informationen in der
Fachzeitschrift »Zentralblatt für
Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz
und Ergonomie«.
3www.zentralblatt-online.de
Hände besonders in GefahrDie größte Verletzungsgefahr
bei Arbeitsunfällen besteht für
Hände und Finger etwa beim
Abfangen von Stürzen. Dabei
handelt es sich in erster Linie
um Rutsch-, Stolper- und
Sturzunfälle. Schuld sind häu-
fig ungeeignetes Schuhwerk
wie Pumps, Flip-Flops oder
Plateauschuhe. Gefährlich sind
auch glatte Böden. Gerade bei
frisch gewischten Böden ist
besondere Vorsicht geboten.
Das hat die Berufsgenossen-
schaft Gesundheitsdienst und
Wohlfahrtspflege (BGW) ermit-
telt. An zweiter Stelle stehen
Schäden an der Halswirbel-
säule durch Schleudertrau -
mata. Über drei Viertel werden
durch Verkehrsunfälle auf dem
Arbeitsweg verursacht.
3www.bgw-online.de
Gute Luft und gutes Klima
Arbeitgeber sind nicht verpflich-tet, extra Räume für Raucher ein-zurichten, wenn das mit »unzumutbarem« Aufwand ver-bunden ist. Aber wenn es möglichist, sollten Raucher und Nichtrau-cher in unterschiedlichen Räumenuntergebracht werden. Wo dasnicht machbar ist, sollte Rauchenam Arbeitsplatz nicht erlaubt sein,wenn Nichtraucher im Raum ar-beiten. Für die Raucher solltendann eigene Bereiche oder Räu me
eingerichtet werden. Invielen Betrieben gibt esschon welche. Aber oftsehen sie alles andereals einladend aus. Sindsie zu weit weg, ärgernsich Nichtraucher, weildie qualmenden Kolle-gen zu lange in derPause sind. Aus Sichtder IG Metall müssenRaucherbereiche min-destens vier Kriterienerfüllen: Sie sollten»menschenwürdig«ausge stattet, gut belüf-tet sowie leicht erreich-bar sein und nachaußen hin nicht so wir-ken, dass die Paffersich wie an den Pran-ger gestellt fühlenmüssen.
Das ist alles oftleichter gesagt als getan. Wann bei-spielsweise ist einRaum gut belüftet?Was tun, wenn Klima - anlagen den Rauchnur verteilen? PetraMüller-Knöß, Ar-beitsschutzexpertinbeim IG Metall-Vor-stand, erhält viele An-fragen von Be schäf -tigten, die Rat suchen.»Es gibt keine Patent-
lösungen«, sagt sie. »Man mussüberprüfen, wie die örtlichen Be-dingungen sind.«
Am einfachsten wäre es, allehören auf zu rauchen. Allerdingsauch am unwahrscheinlichsten.Doch Betriebe können Hilfen an-bieten, zum Beispiel Entwöh-nungskurse.
Mehr Tipps und Infos:
3www.igmetall.de/metallzeitung
Eine Gruppe muss fast immer leiden: entweder die Nichtraucher unter Mief. Oder Raucher,
wenn es für sie wie für Hunde heißt: »Wir müssen draußen bleiben«. In den Betrieben
erzeugt der blaue Dunst immer wieder viel Zoff. Allen gerecht zu werden, ist nicht einfach.
Untersuchungen zeigen: Es gibt einen Zusammenhang
zwischen Zigarettenkonsum und Arbeitsbedingungen. Wer
Schicht arbeitet, Lärm, Hitze oder Staub ausgesetzt ist, un-
ter Termindruck steht oder eine Arbeit hat, die hohe Kon-
zentration verlangt, greift häufiger zum Glimmstängel. Um
die Gesundheit von Rauchern und Nichtrauchern zu schüt-
zen,hilft es nicht, Rauchen einfach zu verbieten: Ein be-
triebliches Gesundheitsförderungskonzept ist erforderlich.
Gestresste greifen häufiger zur Zigarette
Illu
str
ati
on
: A
rt P
art
s
11_24_25_apm.qxp:Arbeit_24_25 18.10.2007 19:12 Uhr Seite 24
metallzeitung 11/2007 | SEITE 25
SO GEHT ES BESSER
Eine »kleine Bibel« fürgleiche ChancenBeim Energiekonzern Areva regelt eine Vereinbarung europaweit
die Chancengleichheit für Behinderte sowie Männer und Frauen.
In der Schreinerei bei Areva in Mönchengladbach arbeiten Hörbehinderte
und Hörende reibungslos miteinander. Sie bringen die gleiche Leistung.
Foto
: A
lexa
nd
ra U
mb
ach
Arbeitshandschuhe braucht fast
jeder – ob im Betrieb oder zu Hause.
Einige enthalten Krebsgift.
Foto
: U
lric
h T
ilm
an
Ern
sbe
rge
r /
Bil
dm
as
chin
e.d
e
AUF DEM PRÜFSTAND
Ihr kennt ein Werkzeug oder ein Material, dass es besser nicht an
eurem Arbeitsplatz geben sollte? Ihr habt gute Erfahrungen mit
Produkten des Arbeitsschutzes gemacht? Ihr wollt wissen, was
die besten Ohrstöpsel oder Sicherheitsschuhe sind? Schreibt uns.
Wir stellen Produkte auf den Prüfstand. Per E-Mail an:
3www.igmetall.de/metallzeitung
MITMACHEN WIR SUCHEN PRODUKTE FÜR DEN PRÜFSTAND
Arbeitshandschuhe sollen dieHände schützen. Doch vieleHandschuhe aus Leder schadenmehr als sie nützen. Sie enthaltennämlich die krebserregende Che-mikalie Chrom (VI), das beimGerben entsteht. Beim Arbeits-einsatz wird das zum Problem fürdie Träger: Wenn sie schwitzen,dringt die Chemikalie durch dieHaut und kann dann Krebs undHauterkrankungen auslösen.
Nach Angaben des Bundesin-stituts für Risikobewertung (BfR)leiden schon heute Tausende anEkzemen, die auf Kontakt mitChrom (VI) beruhen. »Chrom inLeder ist als wesentliche Ursachefür diese Sensibilisierungen an-zusehen«, glaubt das BfR. Tat-sächlich fand das Institut in einerrepräsentativen Analyse erhebli-che Rückstände des Gifts. Mit
183 Milligramm, 134 und 128Milligramm Chrom (VI) je Kiloschnitten Arbeitshandschuhe da-bei am schlechtesten ab. DieDIN-Norm EN 420 empfiehlthöchstens zwei Milligramm.
Ulrich Βαmberg, der das Sozi-alpartnerbüro der Arbeitnehmerin der Geschäftsstelle der Kom-mission Arbeitsschutz und Nor-mung leitet, sieht Betriebsräte inder Pflicht. Er empfiehlt gefütter-te Nitrilhandschuhe. »Die sindnach Untersuchungen der Be-rufsgenossenschaft Bau belastbarwie Leder und frei von gefährli-chen Schadstoffen.«
Die Liste belasteter Handschuhe:
3www.igmetall.de/metallzeitung
Insti tut für Risikobewertung:
3www.bfr.bund.de
Viele Arbeitshandschuhe enthalten eine krebserregende
Chemikalie, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Verdacht auf Krebsgift
So sieht ein Meilenstein der eu-ropäischen Mitbestimmung aus– gut zwei Dutzend DIN-A4-Sei -ten. Falk Hoinkis legt das dünneHeft auf den Tisch. Die kleine Bi-bel des Betriebsrats nennt er es.
Die »kleine Bibel« regelt Chan-cengleichheit für Behinderte so-wie für Frauen und Männer beimAtomenergiekonzern Areva – inganz Europa. Hoinkis ist Mitglieddes Europäischen Betriebsratsund hat daran mitgearbeitet. Ver-einbarungen auf europäischerEbene sind noch eine Ausnahme.Denn Euro-Betriebsräte habenkein Recht, Vereinbarungen ab-zuschließen. Deshalb holten dieBetriebsräte bei Areva den Euro-päischen Metallgewerkschafts-bund (EMB) mit ins Boot.
Natürlich ist es erst ein Stück Pa-pier, sagt Hoinkis. Er arbeitet imAreva-Werk in Mönchengladbach.»Aber die Vereinbarung unter-stützt die Leute, die bisher keineChance hatten, sich um Chancen-gleichheit zu kümmern.« Schließ-lich steht hier: Die Konzernleitungwill Schwerbehinderte integrierenund gleiche Chancen für Frauenund Männer schaffen. Fast überall
in Europa müssen Unternehmenzahlen, wenn sie nicht genügendBehinderte beschäftigen. Daswollte Areva ändern. Beim Euro-Betriebsrat rannte die Firma offe-ne Türen ein. Bei Areva inMönchengladbach haben fastzwölf Prozent der Beschäftigteneine Behinderung. »Das sind gute Facharbeiter«, sagt Hoinkis,»sie bringen dieselbe Leistung wiealle anderen.« In der Schreinereigestikulieren zwei Männer mitden Händen. Einer der beiden istgehörlos. »Viele haben unterein-ander eine eigene Zeichenspracheentwickelt«, erzählt Hoinkis. DieZusammenarbeit zwischen Hö-renden und Nicht-Hörendenfunktioniert reibungslos.
Einmal im Jahr müssen alleStandorte berichten, wie weit siebei der Chancengleichheit sind.Im November werden die Be-triebsräte zum ersten Mal Bilanzziehen. Einen Erfolg gibt es be-reits, sagt Hoinkis. »In einemWerk in der Türkei konnten dieToiletten und Auffahrten behin-dertengerecht umgebaut werden.Darum hatten wir vor der Verein-barung vergeblich gekämpft.«
11_24_25_apm.qxp:Arbeit_24_25 18.10.2007 19:12 Uhr Seite 25
ARBEIT
Dorothee Beck arbeitet als Journalistin in Frankfurt am Main. Die
46-Jährige studierte Politikwissenschaft und Journalistik.
Gemeinsam mit Hartmut Meine schrieb sie über Armut und
Reichtum in Deutschland (siehe »Mehr zum Thema«). Meine ist Be -
zirks leiter der IG Metall in Niedersachen und Sachsen-Anhalt. Der
55jährige Wirtschafts ingen ieur arbeitet seit 1981 für die IG Metall.
Er war unter anderem Bezirkssekretär für Tarifpolitik in Hannover
und pädagogischer Mitarbeiter der Bildungsstätte Sprockhövel.
Zur PersonWer über Armut redet, muss auch über Reichtum reden, finden die
Autoren Dorothee Beck und Hartmut Meine. In Ihrem Buch »Armut
im Überfluss« begeben sie sich auf die Spur des Geldes und be -
leuchten, in welchen Taschen es versickert. Armut in Deutschland,
schlussfolgern die Autoren, ist auch eine Folge des Reichtums, der
nicht mehr umverteilt wird.
3Dorothee Beck/Hartmut Meine, »Armut im Überfluss. Nachrich -
ten aus einer gespaltenen Gesellschaft«, Göttingen 2007, 18 Euro.
53 auf 42 Prozent, die Senkungder Unternehmenssteuern aufunter 30 Prozent und der Ver-zicht auf die Vermögenssteuerhaben dafür gesorgt, dass dasGeld, das zum Beispiel beim Ar-beitslosengeld fehlt, sich nicht imStaatssäckel, sondern in privatenSchatullen befindet. Lägen dieUnternehmens- und Vermö-genssteuern noch auf dem Ni-
veau der 70er Jahre, nähme dieöffentliche Hand 70 MilliardenEuro pro Jahr mehr ein. DieNeuverschuldung des Jahres2006 betrug 39,5 Milliarden.
Den Alg II-Etat der Bundesre-gierung könnten die 25 reichstenDeutschen locker mit einer Ver-mögensabgabe von 20 Prozentfinanzieren. Mit einer nur ein-prozentigen Vermögenssteuervon Susanne Klatten, Mitgliedder BMW-MitinhaberfamilieQuandt und die reichste FrauDeutschlands, ließe sich das AlgII für jeden einzelnen der rund2,8 Millionen Langzeitarbeitslo-sen um 27,50 Euro erhöhen.
Dennoch warnt Handelskam-mer-Präsident Ludwig-GeorgBraun, die Nummer 19 auf derListe der Milliardäre in Deutsch-land: »Wir müssen uns entschei-den. Wollen wir Beschäftigungin Deutschland halten undschaffen, oder wollen wir großeVermögen besteuern.« Dochauch wenn der Staat die Reichenstärker zur Kasse bitten würde,müssten diese nicht um ihr Geldfürchten. Selbst bei einem Steu-erabzug von einem Prozent ver-mehren sich Vermögen weiter.
SPD-Chef Kurt Beck will nunimmerhin beim Alg II noch eineSchippe drauf legen, dabei aberdas soziokulturelle Existenzmini-mum beachten. Das ist der Be-trag, mit dem sich ein Mensch an
der Armutsgrenze gerade noch indie Gesellschaft integrieren kann.Nach EU-Definition gilt als arm,wer nicht mehr als 60 Prozent desdurchschnittlichen verfügbarenHaushaltseinkommens hat. Füreine Person sind das 938 Euro in-klusive Miete. Wer von Alg II plusWarmmiete leben muss, hat aberin der Regel weit weniger.
Für Armut gibt es allgemein aner-kannte Definitionen, für Reich-tum allerdings nicht. Wendetman die relative Armutsgrenzespiegelbildlich an, so gilt alsreich, wer mehr als 3128 Euro imMonat hat. Das sind nur 5,6 Pro-zent der Bevölkerung. Wir könn-ten die Grenze auch bei den»oberen Zehntausend« ziehen,die (zufälligerweise) mindestenseine Million Einkommen imJahr haben. Oder bei den Tau-send Reichsten, die mehr als fünfMillionen verdienen. Um dieseLeute geht es, wenn wir einenhöheren Spitzensteuersatz unddie Wiedereinführung der Ver-mö genssteuer fordern.
Doch über Geld zu reden, zu-mal über den Reichtum andererLeute, gilt als unfein. Wir müs-sen es dennoch tun. Nicht nur,um ein Tabu zu brechen, das so-ziale Ungleichheit verschleiert.Sondern auch, um greifbar zumachen, dass tatsächlich genugGeld für alle da ist.
Im Juli erhöhte die Bundesregie-rung den Regelsatz des Arbeits-losengelds II (Alg II) von 345auf 347 Euro – weitgehend un-beachtet von der Öffentlichkeit.Am anderen Ende der Gesell-schaft zeigten sich die Bundesre-gierungen jeder politischerFarbe in den vergangenen Jahrenerheblich großzügiger. Die Sen-kung des Spitzensteuersatzes von
SEITE 26 | metallzeitung 11/2007
Der Reichtum der AnderenDie Frankfurter Autorin und Journalistin Dorothee Beck sagt zum Thema Armut in Deutschland: Es gilt als unfein,
über das Geld anderer Leute zu reden. Doch wer es nicht tut, verschleiert die Ursachen sozialer Ungleichheit. Ein Blick
in die Taschen der 1000 reichsten Deutschen zeigt: Es ist tatsächlich genug Geld für alle da.
Die Journalistin
Dorothee Beck fordert
einen höheren
Spitzensteuersatz.
Foto
: U
lric
h S
chra
erm
eye
r
ÖKONOMIE MAL ANDERS
11_26_27_Arbeit_apm.qxp:Arbeit_26_27 18.10.2007 19:20 Uhr Seite 26
metallzeitung 11/2007 | SEITE 27
VON A BIS Z: DAS STICHWORT
DIE ZAHL
Der Staat will Zutritt zu den Fest-platten seiner Bürger. Er möchteE-Mails mitlesen und Dateien ko-pieren. Wenn es nach Innenmi -nis ter Wolfgang Schäu ble geht,braucht er dazu keine Einladung,sondern nur den Verdacht, derComputerbesitzer könnte ein Ver-brechen planen. Christian Krausevom Unabhängigen Landeszen-trum für Datenschutz in Schles-wig-Holstein kritisiert die Pläne.»Aus rechtsstaatlicher Sicht ist daseine Katastrophe.« Denn wennder Geist der Online-Schnüffeleierst einmal aus der Flasche sei,könnten sich Bürger gegen denMissbrauch kaum noch schützen.
Krause bezweifelt, dass es derPolitik wirklich um die Online-Durchsuchung geht. »Es scheintvielmehr, als wolle man mit derDiskussion darum von anderenThemen ablenken – zum Beispielvon der Vorratsdatenspeiche-rung.« Denn die Online-Durch-suchung ist zur gerichtsfestenBeweiserhebung völlig nutzlos.
Bei einer klassischen Hausdurch-suchung müssen immer Zeugendabei sein. Doch wer soll vor Ge-richt bezeugen, dass die Daten tat-sächlich auch vom Computer desVerdächtigen stammen? Mit ihrerSchnüffelei öffnen staatliche Er-mittlungsbehörden also schließ-lich ein Tor, durch das auch Dritteunbemerkt auf die Festplatte ge-langen können.
Statt seine Bürger vor den Risikendes Internets zu schützen, schaffeder Staat neue Sicherheitslücken.
Zumal Krause bezweifelt, dass Be-hörden tatsächlich möglichenVerbrechern auf die Spur kom-men. Wer sich vor unerwünsch-ten staatlichem Besuch auf seinerFestplatte schützen wolle, müssenoch nicht einmal ein Technikfre-ak sein. Vermeintliche Terroristenkönnten Daten, die die Ermittlerinteressieren, auch auf einemnicht vernetzten Computer spei-chern. Auf diesem Weg werde derStaat nur auf den Rechnern ah-nungsloser PC-User landen.
Online-DurchsuchungAus Sicht von Datenschützern ist die Online-Durchsuchung der Supergau für den
Rechts staat und zudem auch ziemlich nutzlos. Doch Innenminister Wolfgang Schäu ble
hält sie für unverzichtbar. Natürlich im Namen der Terrorbekämpfung.
Bildungsnotstand Nach der aktuellen Analyse der
OECD fließen in Deutschland
gerade mal 4,3 Prozent des
Bruttosozialprodukts in die
Bildung. Unter den 28 OECD-
Staaten nimmt Deutschland
damit nur den 21. Platz ein.
Für Grundschüler in Deutsch -
land werden umgerechnet nur
etwa 4948 US-Dollar ausgege-
ben. Das OECD-Mittel liegt bei
5832 US-Dollar.
Auch bei Studenten wird
gespart: Die Ausgaben von
umgerechnet 7724 US-Dollar je
Student liegen unter dem
OECD-Durchschnitt von 7951.
Dazu passt, dass in Deutschland
2005 nur 20 Prozent des
Abschluss-Jahrgangs einen
Hochschulabschluss erreicht
hat. Die durchschnittliche
Quote in den OECD-Ländern
liegt bei 36 Prozent.
Arbeiterkinder, bemängelt die
OECD, hätten es in Deutschland
besonders schwer. Die
Wahrscheinlichkeit eines
Studiums sei »weniger als halb
so hoch, wie es in Anbetracht
ihres Anteils an der
Gesamtbevölkerung zu erwar-
ten wäre«. Auf diese Weise
werde künftiger Ingenieur- und
Lehrermangel vorprogrammiert.
Mit der Online-Durchsuchung befasst sich zurzeit das Bundes -
verfassungsgericht in Karlsruhe. Dort hatte unter anderem der frü-
here Bundesinnenminister Gerhart Baum gegen das nordrhein-
westfälische Verfassungsschutzgesetz, das Online-Durchsuchun -
gen erlaubt, geklagt. Experten gehen davon aus, dass die Richter
das Gesetz kippen werden. Der Gerichtspräsident kündigte an, in
dem Verfahren auch grundsätzlich über die Frage »Sicherheit ver-
sus Freiheit« zu entscheiden. Informationen zur Sicherheit im
Internet gibt es unter: 3www.datenschutzzentrum.de
Zwischen Sicherheit und Freiheit
11_26_27_Arbeit_apm.qxp:Arbeit_26_27 18.10.2007 19:21 Uhr Seite 27
SEITE 30 | metallzeitung 11/2007
DAS LETZTE
11_30_Karikatur_apm.qxp:09_30_Karikatur_apm.qxp 18.10.2007 16:46 Uhr Seite 30