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- 1 - 1.1. Intelligentes üben Spiele(n) im Unterricht Susanne Reichenbach Martin Maletz Carolin Faulk Spiele bieten sich im Unterricht zu jedem Zeitpunkt an um zu üben. Dabei können sie entdeckend oder wiederholend fungieren. Konkrete Umsetzung Es sind verschiedene Spiele für unterschiedliche Gruppengrößen denkbar. Im Folgenden findet man eine im Rahmen der Vorlesung als Übungsaufgabe entstandene Auswahl 1 : In Anlehnung an bekannte Spiele: - Quartette (geometrische Körper, 3D trifft 2D) - Memory (Geomemo, Geometrie Memory) - Activity (Geotivity) - Mensch-ärgere-dich-nicht (Mensch-verrechne-dich-nicht) - Malefiz (Mathefiz) Frei erfundene Spiele: - Schweinerei (Werfen kleiner Schweine aus Plastik, durch Wahrscheinlichkeiten entscheiden, ob man weiterwirft) - ErBoZa (siehe unten) - Das Geometriespiel (Brettspiel mit verschiedensten Aktionskarten) - Erbsenzähler (Durch das Bauen geometrischer Körper mit Erbsen und Zahnstocher werden Punkte in Form von Erbsen gesammelt) - Piratenspiel (siehe unten) - Erbsen und Zahnstocher (Sammeln verschiedener Vorgabe-Karten und daraus geometrische Objekte bauen) 1 Ausarbeitungen der einzelnen Spiele zu finden auf der Homepage des Didaktischen Seminars: http://home.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/lehre/ss13/ddgs/

1.1. Intelligentes üben Spiele(n) im Unterrichthome.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/lehre/ss13/ddgs/KW 23 - vorlaufig.pdf · - 1 - 1.1. Intelligentes üben – Spiele(n) im Unterricht

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1.1. Intelligentes üben – Spiele(n) im Unterricht

Susanne Reichenbach

Martin Maletz

Carolin Faulk

Spiele bieten sich im Unterricht zu jedem Zeitpunkt an um zu üben. Dabei können sie

entdeckend oder wiederholend fungieren.

Konkrete Umsetzung

Es sind verschiedene Spiele für unterschiedliche Gruppengrößen denkbar. Im

Folgenden findet man eine im Rahmen der Vorlesung als Übungsaufgabe

entstandene Auswahl1:

In Anlehnung an bekannte Spiele:

- Quartette (geometrische Körper, 3D trifft 2D)

- Memory (Geomemo, Geometrie Memory)

- Activity (Geotivity)

- Mensch-ärgere-dich-nicht (Mensch-verrechne-dich-nicht)

- Malefiz (Mathefiz)

Frei erfundene Spiele:

- Schweinerei (Werfen kleiner Schweine aus Plastik, durch

Wahrscheinlichkeiten entscheiden, ob man weiterwirft)

- ErBoZa (siehe unten)

- Das Geometriespiel (Brettspiel mit verschiedensten Aktionskarten)

- Erbsenzähler (Durch das Bauen geometrischer Körper mit Erbsen und

Zahnstocher werden Punkte in Form von Erbsen gesammelt)

- Piratenspiel (siehe unten)

- Erbsen und Zahnstocher (Sammeln verschiedener Vorgabe-Karten und

daraus geometrische Objekte bauen)

1 Ausarbeitungen der einzelnen Spiele zu finden auf der Homepage des Didaktischen Seminars:

http://home.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/lehre/ss13/ddgs/

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3D meets 2D

Bei diesem Spiel handelt es sich um ein klassisches

Quartett. Daher ist es einfach und ohne große

Erklärungen umzusetzen. Zu einer gegebenen 3D-

Karte müssen die passenden 2D-Karten, Projektionen

des Gebildes, gesammelt werden. Hierbei wird das

räumliche Vorstellungsvermögen der Schüler trainiert;

sie müssen die Zusammenhänge zwischen den

beiden Dimensionen kennen und außerdem in der

Lage sein die Körper gedanklich zu drehen. Da weiter

keine Vorkenntnisse benötigt werden, ist das Spiel in

allen Klassenstufen anwendbar. Dabei kann der

Schwierigkeitsgrad durch einsetzen anderer Körper

recht einfach variiert werden. Dadurch ist auch eine

Binnendifferenzierung innerhalb der Klasse möglich:

die 3D-Karten können bewusst nach Schwierigkeitsgrad an die Schüler verteilt

werden.

Dieses Spiel eignet sich also gut um das in der Mathematik immer wieder wichtige

räumliche Vorstellungsvermögen zu trainieren.

Das Piratenspiel

Mit dem Piratenspiel soll das Wissen der Schüler in den Teilgebieten Geometrie und

Wahrscheinlichkeitsrechnung überprüft werden. (Man kann die Aufgabenkarten aber

auch selbst auf andere Gebiete ausweiten.)

Dabei ist besonders bemerkenswert,

dass man mit den anderen Mitspielern

zusammen gegen fiktive Piraten spielt

und nicht gegeneinander.

Ziel des Spiels ist es so viel Gold wie

möglich zu bergen, bevor die Piraten

den Goldschatz erreicht haben. Hierbei

können die Spieler bei einer richtigen

Antwort Gold gewinnen, bei einer

falschen Antwort rücken die Piraten

näher an den Schatz.

Das Spiel ist beendet, sobald alle

Fragekarten aufgebraucht sind, der Schatz vollständig geborgen ist oder die Piraten

den Goldschatz erreicht haben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Piratenspiel gut dazu geeignet ist die

grundlegenden Aspekte der Geometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung (oder nach

Anpassung auch anderer Themen) zu wiederholen. Da man als Gruppe zusammen

spielt ist man noch motivierter und konzentrierter und das

Zusammengehörigkeitsgefühl in der Klasse wird gesteigert.

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ErBoZa

Das Spiel ErBoZa ist ein Spiel, das zur Festigung der dreidimensionalen Vorstellung

von geometrischen Körpern und Figuren beiträgt.

Dieses Brettspiel umfasst die

Körper Hexaeder, Tetraeder,

quadratische Pyramide, Rechteck,

Oktaeder, Quadrate und Dreiecke

und ist somit bereits ab etwa der 6.

Klasse für den Einsatz geeignet.

Ziel des Spiels ist es, den

gegebenen Auftrag, einen dieser Körper oder Figuren zu bauen, zu erfüllen. Eine

besondere Schwierigkeit ist dadurch gegeben, an besonderen Stellen verschiedenes

Material zu verwenden. So sind die Grundbausteine dieser Körper und Figuren stets

Zahnstocher und Erbsen, jedoch müssen auch Bohnen mit eingearbeitet werden.

Dabei bedarf es einiger dreidimensionaler Vorstellungskraft um sich den Körper nur

vorzustellen, aus dieser Vorstellung heraus zu bauen und zusätzlich noch darauf zu

achten, wo die Bohnen dabei platziert werden müssen.

In ErBoZa wird das Material für den

Auftrag jedoch nicht von Anfang an

gegeben. Erst muss es erspielt

werden. Dafür sind eigens

Materialfelder in das Spielfeld

eingebaut, auf denen um die zu

erhaltende Menge des Materials

gewürfelt wird. Somit kommt etwas

Spannung für die Spieler ins Spiel,

wie schnell sie alles bereithaben

werden, um zum „Bauplatz“ gehen zu können um ihren Auftrag zu bauen.

Die verschiedenen Aufträge benötigen unterschiedlich viel Material. Um dennoch

gleiche Voraussetzungen zwischen den Spielern zu schaffen, gibt es verschiedene

Startpositionen auf dem Spielfeld, die auf die Aufträge angepasst sind.

Sollten Spieler nicht genau wissen, wie ihr Auftrag aussieht, oder einfach auf

Nummer Sicher gehen wollen, so können sie dies bei dem „Tipp“-Feld machen.

Allerdings kostet das wiederum Zeit und somit bleibt die Motivation hoch, die Begriffe

der Körper und Figuren zu kennen, um schneller zu sein.

Der erste Spieler, der seinen Auftrag richtig fertig gebaut hat, geht als Sieger von

ErBoZa hervor. Allerdings überprüfen die Mitspieler ihn mit den Lösungskarten, um

einen Fehler dabei auszuschließen. Erschwerend kommt hinzu, dass während ein

Spieler baut, die anderen weiter spielen dürfen und es somit eventuell dazu kommen

kann, dass der vermeintliche Sieger überholt wird.

Alles in allem ist ErBoZa ein gutes Spiel, um abschließend noch einmal die Begriffe

verschiedener Körper und Figuren zu festigen. Durch das Tempo des Spiels und

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eingebaute Tücken, die einem das Aufholen ermöglichen können, steigert es die

Motivation und das Wettkampfsempfinden der Schüler, wodurch diese mehr Elan an

den Tag legen, um die Begriffe in den Arbeitsaufträgen auch richtig umzusetzen und

sich zu merken.

Zwei Möglichkeiten

Es ist auch denkbar die Schüler nicht nur spielen zu lassen, sondern ihnen die

Aufgabe zu geben, selbst Spiele zu erstellen. Dies geschieht am besten am Ende

einer Einheit um die grundlegenden Sachverhalte zu überblicken und einzuüben.

Zum Schluss spielen die Schüler ihre Entwicklungen selbst an.

Hintergründe

„Spiel ist nicht Spielerei, es hat hohen Ernst und tiefe Bedeutung.“

(Friedrich Fröbel in „Die Menschenerziehung“, 1826)

Der Mensch als ,,Spielkind’’

Bei Beobachtungen in der Natur stellt man fest, dass fast alle Säugetiere im

Kindesalter spielen. Obwohl das Spiel mitunter gefährlich ist, scheint es ein

hervorragendes Lernkonzept zu sein. Der Mensch ist ein Lebewesen, dass noch im

Erwachsenenalter spielt. Das Spiel fördert hierbei den Forscher- und

Entdeckungsdrang und ist deshalb einer der Faktoren, der den Mensch zum

Menschen macht. Folglich sollte man das Spiel nicht als unwichtig abtun. Es hat

seinen Platz im Unterricht nicht nur in Vertretungsstunden und vor Ferien, ganz im

Gegenteil, es bietet eine effektive Übungsmöglichkeit.

Kompetenzenförderung

Im Spiel lernt man mehr als ,,nur’’ Mathematik, man entwickelt automatisch soziale

Kompetenzen (Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,…), Personale Kompetenz

(Durchhaltevermögen, Ordentlichkeit,…),usw.

Spiele leisten somit einen „Beitrag zur Vermittlung von überfachlichen

Kompetenzen“2, zu deren Förderung Lehrpersonen im Bildungsplan angehalten

werden.

,,Learning by doing’’- Entwicklung eigener Spiele

Bei der Entwicklung eigener Spiele müssen sich die Schüler konkrete Gedanken zum

Lerninhalt machen. Dadurch wird nicht nur das Gelernte wiederholt, sondern auch

geordnet, vernetzt, gewichtet und verinnerlicht.

2 Bildungsplan 2004, Mathematik.

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Die Schüler sind für das Endprodukt selbst verantwortlich, da die Mitschüler am Spiel

lernen sollen. Dies bringt eine hohe Wertschätzung der Arbeit und Qualität der Spiele

mit sich. Nach Zustimmung der Autoren, also der Schüler, hat der Lehrer eventuell

auch die Möglichkeit die Spiele in anderen Klassen einzusetzen.

1.2. Vom das Parallelogramm zum Dreieck und Trapez

Sophia Sommer

Sarah Dietze

Norman Dold

Der folgende Abschnitt soll eine Möglichkeit zur Einführung der Flächeninhalte von

Parallelogramm, Dreieck und Trapez aufzeigen. Dabei geht es vor allem um deren

Beziehung: Aus dem Parallelogramm entsteht das Dreieck und das Trapez. Es

besteht eine materielle Verwandtschaft, welche von den Schülern entdeckt wird.

Konkrete Umsetzung

Flächeninhalt des Parallelogramms

Die Schüler kennen bereits den

Flächeninhalt eines Rechtecks. Nun

wird der Flächeninhalt eines

Parallelogramms bestimmt. Dazu

zeichnet der Lehrer zwei Parallelen an

die Tafel, zwischen denen sich drei

unterschiedliche Parallelogramme

durch die Punkte p und q befinden.

Eines davon ist ein Rechteck. (Tipp:

Wegen dem nachfolgenden Beweis werden p und q im Abstand einer Bücherlänge

eingezeichnet.)

Ziel ist es nun, dass sie erkennen, dass das Parallelogramm ein „schiefes Rechteck“

ist und damit denselben Flächeninhalt hat. Sie werden also aufgefordert, sich zu

entscheiden, welches der drei Parallelogramme das größte ist. Eine Möglichkeit um

den gleichen Flächeninhalt zu beweisen, ist das Verschieben eines Bücherstapels.

Dazu stapeln die Schüler ihre Mathebücher auf

einem Tisch vor der Tafel, und zwar genau vor das

Rechteck. Dann werden die Bücher zum

Parallelogramm B verschoben. Offensichtlich

bleiben Höhe und Flächeninhalt gleich. Die Schüler

sehen so direkt, dass die zwei Parallelogramme B

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und C den gleichen Flächeninhalt wie das Rechteck haben, und es ergibt sich die

Formel hgA .

Die Schüler kommen auf eine weitere Möglichkeit die Gleichheit der Parallelogramme

zu zeigen. Dies geschieht durch Ausfüllen der unterschiedlichen Flächen mit

Papierschablonen.

Vom Parallelogramm zum Dreieck

Der nächste Schritt ist der Übergang zum

Flächeninhalt des Dreiecks. Dazu schneiden die

Schüler einen beliebig breiten parallelen Streifen

längs einer Schulheftseite ab und leihen sich

dann den Streifen des Partners als Schablone,

um so ein Parallelogramm im oberen Drittel ihres

Streifens einzuzeichnen (Rest des Streifens für

später aufbewahren). Dies bietet die Möglichkeit

die Definition eines Parallelogramms zu erleben.

Das Parallelogramm wird ausgeschnitten und

mittig von einer Ecke zur gegenüberliegenden

durchschnitten. So entstehen zwei Dreiecke und wenn man eines der beiden

umdreht, erkennt man, dass sie deckungsgleich sind. Die Schüler haben nun also

zwei gleichgroße Dreiecke in der Hand, die aus einem Parallelogramm entstanden

sind, und können sich so sofort die Formel für deren Flächeninhalt aus der des

Parallelogramms herleiten.

hgA 2

1

Vom Parallelogramm zum Trapez

Nun nehmen die Schüler den übriggebliebenen Streifen hervor, falten diesen einmal

in der Mitte und schneiden ihn beliebig zweimal quer durch. Es entstehen zwei

gleichgroße Trapeze, die man zu einem

Parallelogramm aneinander legen kann.

Nachdem die Schüler die Seiten des

Trapezes beschriftet haben, können sie sich

wieder direkt die Formel für dessen

Flächeninhalt herleiten.

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hac

A

2

So erleben die Schüler, wie das Dreieck und Trapez aus dem Parallelogramm

hervorgehen und erkennen deren Verwandtschaftsbeziehung.

Hintergründe

Material und Heftaufschrieb

In dieser Übung arbeiten die Schüler mit selbst mitgebrachten Materialien. Zum

eigenen Mathebuch sowie zum Schulheft haben sie einen persönlichen Bezug. Die

Aufgabe bekommt also einen höheren Stellenwert.

Die Streifen, die die Schüler zu Beginn aus dem eigenen Schulheft herausschneiden,

haben unterschiedliche Breiten. Somit wird klar, dass die hergeleitete Formel für

beliebige Maße gilt. Gleichzeitig dient die verschmälerte Heftseite als Protokoll.

Das Konstruieren eines Parallelogramms durch Schneiden und Zeichnen in

Partnerarbeit ist für das aktive Wissen der Schüler ein deutlich besserer Grundstein

als das Konstruieren mit dem Geodreieck. Ebenso ist es, wenn die Kinder an der

Tafel durch Ausprobieren und gemeinsame Diskussionen unbemerkt mathematische

Beweise führen.

Die Formel – ein Geschenk

Ziel ist es, dass Kinder die Formel als Geschenk empfinden. Sie sollen verstehen,

dass sie deutlicher, kürzer und einfacher ist, als eine Ausformulierung der

Berechnung. Durch eigenständiges Ausprobieren lassen sich die Schüler auf die

Formel ein. Sie werden über den Weg des Beschreibens an die Formel herangeführt,

damit sie den Sachverhalt dahinter verstehen und das stupide Auswendiglernen

somit überflüssig ist. Durch häufiges Anwenden festigt sich die Formel. Haptisches

und bildhaftes Vorgehen bleibt im Kopf.

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1.3. Bau eines Sextanten zur Bestimmung der Höhe des Schulgebäudes

Laura Brose

Jessica Otawa

Häufig geht den Schülern das Bewusstsein für Größen bei gedruckten Aufgaben

verloren. Bei dieser Aufgabenstellung haben die Schüler die Möglichkeit, realitätsnah

die Höhe eines Gebäudes zu bestimmen und ihre Ergebnisse zu reflektieren. Dabei

wird mit einem selbstgebauten Sextanten und einem Zollstock gearbeitet.

Konkrete Umsetzung

Die Höhe des Schulgebäudes wird mit Hilfe eines selbstgebauten Sextanten

bestimmt. Voraussetzungen sind die Definitionen von Sinus, Kosinus und Tangens

als Seitenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck.

Phase 1: Bau des Sextanten

In zuvor eingeteilten Gruppen (z.B.

Farbgruppen) wird ein Sextant

gebaut. Benötigt werden ein

Geodreieck, ein Strohhalm, ein

Zollstock, Kreppband, Knete und ein

Haar. Jede Gruppe befestigt mit

dem Klebeband ein langes Haar

(schön anzusehen ist, wenn Jungen ihre Mitschülerinnen sie darum bitten) genau in

der Mitte des Geodreiecks, das heißt also auf der Null. Hierfür wird ein Stück des

Haares auf die andere Seite des Geodreiecks umgeklappt und nur dort angeklebt.

Am längeren Ende des Haares befestigen die Schüler nun ein Stück der Knete, das

sie zu einer Kugel geformt haben, um das Haar zu beschweren und somit ein Pendel

entstehen zu lassen. Jetzt bringen die Schüler den mitgebrachten Strohhalm mit

Klebeband entlang der Hypotenuse an. Auch hier darf das Haar nicht überklebt

werden, damit es frei pendeln kann.

Schauen die Schüler durch den

Strohhalm und fixieren dabei den

höchsten Punkt des Gebäudes, können

sie anhand des Haares den Winkel

ablesen, in dem sie zum Haus stehen.

Achtung: Verletzungsgefahr! Die Spitze

des Geodreiecks ist gefährlich für das

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Auge, deshalb muss die Spitze mit einem Finger abgedeckt werden!

Phase 2: Zwei mögliche Aufgabenstellungen

Es ist möglich, die Aufgabenstellung auf zwei unterschiedliche Weisen zu

formulieren.

Für die leichtere Version zeichnet der Lehrer

die nebenstehende Skizze an die Tafel und

teilt den Schülern mit, dass in dieser Stunde

die Höhe des Schulgebäudes mittels des

selbstgebauten Sextanten und eines

Zollstocks bestimmt werden soll.

In der interessanteren Version dürfen die

Schüler zur Bestimmung der Höhe nicht an

das Schulgebäude herantreten. Dieser

Umstand kann in eine Geschichte verpackt

werden: Das Haus ist von einem Garten umgeben, der nicht betreten werden darf.

Daraufhin schreibt der Lehrer eine Uhrzeit an die Tafel, zu der die Schüler fertig sein

sollen. Bei Ablauf der Zeit finden sich die Schüler wieder im Klassenzimmer ein und

schreiben mit Angabe ihrer Gruppe ihr Ergebnis an die Tafel, bevor sie sich wieder

setzen.

Phase 3: Bestimmung der Gebäudehöhe

In dieser Phase werden die Schüler nun selber aktiv, indem sie das Klassenzimmer

verlassen, um die Aufgabe mit Hilfe des Sextanten und Zollstocks zu lösen.

Der Lehrer bespricht schlussendlich mit den Schülern die an der Tafel vermerkten

Ergebnisse und fragt nach den dafür verwendeten Lösungsansätzen. Eine mögliche

Lösung für die interessante Aufgabenstellung ist:

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Phase 4: Unterschiedliche Ergebnisse und Herangehensweisen

Im Anschluss an die Besprechung der Ergebnisse kann über folgende Punkte

diskutiert werden: (1) Niemand kennt die genaue Größe des Hauses, (2) Große

Streuung der Messwerte und Ergebnisse und (3) Wie misst man sinnvoll, sodass

Messfehler klein gehalten werden?.

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Alternative

Es ist möglich, diese Aufgabenstellung auch ohne weitere Angaben und

vorgegebene Hilfsmittel offen zu stellen. Kinder einer fünften Klasse beispielsweise

kommen dabei auf die unterschiedlichsten Ideen, wie man die Höhe bestimmt (zum

Beispiel mittels Schätzen, Messen der Stockwerkshöhe/ Treppenstufenhöhe,

Gebäudepläne oder aber Nachfragen beim Hausmeister3).

Den Schülern soll dabei vor allem klargemacht werden, dass es viele

unterschiedliche Arten gibt, zum Ziel zu gelangen. Um dies zu unterstreichen, bietet

sich als Stundenabschluss folgende Anekdote an4:

An der Universität Kopenhagen findet ein Physik-Examen statt. Der Kandidat soll

folgende Aufgabe lösen: „Beschreiben Sie, wie man die Höhe eines Wolkenkratzers

mithilfe eines Barometers feststellt.“

Ohne zu überlegen antwortet der Kandidat: „Man bindet ein langes Stück Schnur an

das Barometer, steigt auf das Dach des Gebäudes und lässt das Barometer an der

Schnur zu Boden. Die Länge der Schnur plus die Länge des Barometers ergibt die

Höhe des Gebäudes.“ Empört über die Antwort, die kein physikalisches Wissen

erkennen lässt, erklären die Prüfer den Kandidaten für durchgefallen und schicken

ihn hinaus. Dieser eilt daraufhin in das Büro des Prüfungsvorsitzenden und

beschwert sich, weil die Antwort doch zweifellos richtig gewesen sei. Der

Beschwerde wird stattgegeben, der Vorstand fordert die Prüfer auf, dem Kandidaten

die Frage sofort erneut vorzulegen. Nun antwortet der Prüfling wie folgt:

„Ich habe noch fünf weitere Lösungen“:

1. Sie steigen mit dem Barometer auf das Dach, lassen es herunter fallen und

messen die Zeit t, die es braucht, um den Boden zu erreichen. Die Höhe H des

Gebäudes kann mit der Formel H=0,5gt² berechnet werden. Allerdings wäre das

Barometer dann kaputt.

2. Falls die Sonne scheint, können Sie die Länge des Barometers messen, es dann

hochstellen und die Länge seines Schattens messen. Dann messen Sie die

Länge des Schattens des Wolkenkratzers, anschließend brauchen Sie nur noch

anhand der proportionalen Arithmetik die Höhe des Wolkenkratzers zu

berechnen.

3. Oder, wenn der Wolkenkratzer eine außen angebrachte Feuertreppe besitzt,

könnten Sie raufsteigen, die Höhe des Wolkenkratzers in Barometerlängen

abhaken und oben zusammenzählen.

3 Vgl. Kramer, Martin (2013): Mathematik als Abenteuer Band 1: Geometrie und Rechnen mit

Größen. Hallbergmoos: Aulis. S.224 4 Zitiert nach:

http://www.schulen.regensburg.de/~jsch510/Verschiedenes/Bohr/von_Niels_Borhr_lernen.html (zuletzt aufgerufen am 07.06.12 um 18:17)

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4. Wenn Sie aber bloß eine langweilige und orthodoxe Lösung wünschen, dann

können Sie natürlich das Barometer benutzen, um den Luftdruck auf dem Dach

des Wolkenkratzers und auf dem Grund zu messen und den Unterschied

bezüglich der Millibar umzuwandeln, um die Höhe des Gebäudes zu berechnen.

5. Oder noch einfacher: Sie klopfen an die Tür des Hausmeisters und sagen: „Wenn

Sie mir die Höhe des Wolkenkratzers nennen können, gebe ich Ihnen dafür

dieses schöne Barometer.“

Die Geschichte ist übrigens wahr und der Prüfling war der spätere Physik-

Nobelpreisträger Niels Bohr.

Hintergründe

Binnendifferenzierung und Kompetenzen

Bei dieser Aufgabe ist es gut möglich, binnendifferenziert zu arbeiten, sodass

leistungsschwächeren Schülern auch die Chance gegeben werden kann,

selbstentdeckend zu lernen. Zum einen wählt der Lehrer zwischen zwei

Aufgabenstellungen (leichtere oder interessantere), zum anderen bietet er Schülern,

die es wollen, Hilfestellungen an. So stellt er den Schülern frei, ob sie sofort nach

draußen gehen, um eigene Ideen auszuprobieren, oder ob sie noch auf

Lösungshinweise warten.

Außerdem wird durch die Gruppenarbeit niemand bloßgestellt und es gibt viele

Möglichkeiten sich individuell, seinen Kompetenzen entsprechend, in die Arbeit

einzubringen. Zum Beispiel kann ein Schüler sich dadurch hervortun, dass er

besonders genau die Messwerte abliest, und ein anderer übernimmt das Umformen

der Gleichungen.

Gleichzeitig ist der Lehrer nicht übermäßig beschäftigt und kann so individuell

Schülern helfen.

Unterricht im Freien

Der Unterricht im Freien ist zum einen sinnvoll im Sinne der „Bewegten Schule“, zum

anderen, da die Schüler anhand realer Dinge in ihrer Umgebung mathematische

Sachverhalte lernen und erleben können. Durch den persönlichen Bezug werden

Motivation und Interesse der Schüler um ein Vielfaches gesteigert.

Das Vorstellungsvermögen für Größen realer Objekte wird trainiert. Schüler lernen

Größen einzuschätzen und zu bewerten und dabei vor allem darüber nachzudenken,

wie realistisch die errechneten Werte sind. Auch wird ihnen bewusst, auf wie viele

Stellen genau sie ihr Ergebnis angeben sollten, damit es im gegebenen Kontext noch

sinnvoll ist.