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1 1.2 Ludwig Prandtls Mitarbeiter in Göttingen Zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn führte Ludwig Prandtl verschiedene, bedeutende Arbeiten auf dem Gebiet der Elastizitäts- und Festigkeitslehre durch. So behandelte er in seiner Dissertation ein interessantes Problem aus dem Gebiet der Stabilität des elastischen Gleichgewichts, dem Kippgewicht hoher Biegungsträ- ger. Erst nachdem Prandtl 1904 seine Tätigkeit in Göttin- gen aufgenommen hatte, beschäftigte er sich bevorzugt mit Problemstellungen der Strömungsmechanik. J. C. Rotta 1 hat eine detailgetreue und faszinierende Doku- mentation seines Werkes von 1904 bis 1925 dieses wohl bedeutendsten Aerodynamikers erstellt. Deshalb soll hier nur auf die wichtigsten Arbeiten eingegangen werden, die eine Basis für die Entwicklung der Entwurfsaero- dynamik von Hochgeschwindigkeitsflugzeugen waren. In den Anfangsjahren entstanden unter Anleitung von Ludwig Prandtl unter anderen drei Dissertationen, die alle auf seiner berühmten, 1904 erschienenen Arbeit 2 »Über die Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Rei- bung« aufbauten und heute zu den klassischen Anwen- dungsbeispielen der Grenzschichttheorie zählen: in ihren Dissertationen behandelte Heinrich Blasius die laminare Grenzschicht an einer ebenen Platte (1907) 3 , Ernst Boltze übertrug die Berechnungen auf Rotationskörper (1908) 4 und Karl Hiemenz berechnete die laminare Grenzschicht am quer angeströmten Zylinder (1910) 5 . Diese Arbeiten zur Grenzschichttheorie sollen hier als Beispiele wissen- schaftlicher Grundlagen erwähnt werden, da sie und die darauf aufbauenden Arbeiten ebenfalls für die Entwick- lung der gesamten Luftfahrtindustrie von essentieller Be- deutung waren und sind. Auf einige spezielle Problem- stellungen, zum Beispiel der Grenzschichtablösung am Pfeilflügel, wird später noch zurückzukommen sein. L. Prandtl wandte sich aber auch bereits in diesen Jahren Problemen von Strömungen mit erheblichen Dichte- änderungen, der Gasdynamik, zu. Er behandelte hierzu zunächst eine Aufgabenstellung aus dem Turbinenbau, wo bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten Verdich- tungsstöße auftreten (1906) 6 . Die als Prandtl-Meyer- Expansion bekannte Lösung beschreibt die Umlenkung einer Schall- oder Überschallströmung um eine Ecke. Sie beruht auf einer Theorie von Ludwig Prandtl 7 , die von Theodor Meyer (1907) 8 im Rahmen einer Dissertation bearbeitet wurde. Betrachtet man zunächst eine Über- schallströmung an einer konkaven Wand, also mit Druckerhöhung. Aus Abb. 1.1 wird deutlich, dass nicht nur die Strömung im zweiten Feld gegenüber dem ersten um den Winkel β gedreht, sondern dadurch bedingt die Geschwindigkeit hinter der ersten Verdichtungswelle kleiner und infolgedessen der Machsche Winkel α 2 grö- ßer als α 1 ist. Für eine Verdünnungswelle dagegen ist die Geschwindigkeit hinter der ersten Welle größer und des- halb der Machsche Winkel kleiner. Die Wellenfronten konvergieren bzw. divergieren demnach um den Betrag β + α 2 - α 1 . Für den Krümmungsradius Null kann man aus einem Grenzübergang erkennen (vgl. Abb.1.2), dass bei einer Wand, die eine konvexe Ecke von dem Winkel -β bildet, die Strömung bis zu einer um den Winkel α 1 gegen die Richtung der Zuströmung geneigten Fläche durch die Kante unverändert bleibt und dann innerhalb eines Winkels (β + α 1 - α 2 ) expandiert. Dabei bleibt auf jedem Strahl die Geschwindigkeit und der Druck kon- stant und die Strömung geht in Richtung -β wieder in eine Parallelströmung mit konstanter Geschwindigkeit über. Neben den fundamentalen Beiträgen Ludwig Prandtls zur Behandlung von Strömungen mit Reibung auf der Abb. 1.1 Überschallströmung an einer konkaven Wand. Abb. 1.2 Überschallströmung an einer konvexen Wand.

1.2 Ludwig Prandtls Mitarbeiter in Göttingen - dglr.de · übertrug die Berechnungen auf Rotationskörper (1908)4 und Karl Hiemenzberechnete die laminare Grenzschicht am quer angeströmten

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1.2 Ludwig Prandtls Mitarbeiter inGöttingen

Zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn führteLudwig Prandtl verschiedene, bedeutende Arbeiten aufdem Gebiet der Elastizitäts- und Festigkeitslehre durch.So behandelte er in seiner Dissertation ein interessantesProblem aus dem Gebiet der Stabilität des elastischenGleichgewichts, dem Kippgewicht hoher Biegungsträ-ger. Erst nachdem Prandtl 1904 seine Tätigkeit in Göttin-gen aufgenommen hatte, beschäftigte er sich bevorzugtmit Problemstellungen der Strömungsmechanik. J. C.Rotta1 hat eine detailgetreue und faszinierende Doku-mentation seines Werkes von 1904 bis 1925 dieses wohlbedeutendsten Aerodynamikers erstellt. Deshalb soll hiernur auf die wichtigsten Arbeiten eingegangen werden,die eine Basis für die Entwicklung der Entwurfsaero-dynamik von Hochgeschwindigkeitsflugzeugen waren.

In den Anfangsjahren entstanden unter Anleitung vonLudwig Prandtl unter anderen drei Dissertationen, diealle auf seiner berühmten, 1904 erschienenen Arbeit2

»Über die Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Rei-bung« aufbauten und heute zu den klassischen Anwen-dungsbeispielen der Grenzschichttheorie zählen: in ihrenDissertationen behandelte Heinrich Blasius die laminareGrenzschicht an einer ebenen Platte (1907)3, Ernst Boltzeübertrug die Berechnungen auf Rotationskörper (1908)4

und Karl Hiemenz berechnete die laminare Grenzschichtam quer angeströmten Zylinder (1910)5. Diese Arbeitenzur Grenzschichttheorie sollen hier als Beispiele wissen-schaftlicher Grundlagen erwähnt werden, da sie und diedarauf aufbauenden Arbeiten ebenfalls für die Entwick-lung der gesamten Luftfahrtindustrie von essentieller Be-deutung waren und sind. Auf einige spezielle Problem-stellungen, zum Beispiel der Grenzschichtablösung amPfeilflügel, wird später noch zurückzukommen sein.

L. Prandtl wandte sich aber auch bereits in diesen JahrenProblemen von Strömungen mit erheblichen Dichte-änderungen, der Gasdynamik, zu. Er behandelte hierzuzunächst eine Aufgabenstellung aus dem Turbinenbau,wo bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten Verdich-tungsstöße auftreten (1906)6. Die als Prandtl-Meyer-Expansion bekannte Lösung beschreibt die Umlenkungeiner Schall- oder Überschallströmung um eine Ecke. Sieberuht auf einer Theorie von Ludwig Prandtl7, die vonTheodor Meyer (1907)8 im Rahmen einer Dissertationbearbeitet wurde. Betrachtet man zunächst eine Über-schallströmung an einer konkaven Wand, also mitDruckerhöhung. Aus Abb. 1.1 wird deutlich, dass nicht

nur die Strömung im zweiten Feld gegenüber dem erstenum den Winkel β gedreht, sondern dadurch bedingt dieGeschwindigkeit hinter der ersten Verdichtungswellekleiner und infolgedessen der Machsche Winkel α2 grö-ßer als α1 ist. Für eine Verdünnungswelle dagegen ist dieGeschwindigkeit hinter der ersten Welle größer und des-halb der Machsche Winkel kleiner. Die Wellenfrontenkonvergieren bzw. divergieren demnach um den Betragβ + α2 - α1. Für den Krümmungsradius Null kann manaus einem Grenzübergang erkennen (vgl. Abb.1.2), dassbei einer Wand, die eine konvexe Ecke von dem Winkel-β bildet, die Strömung bis zu einer um den Winkel α1gegen die Richtung der Zuströmung geneigten Flächedurch die Kante unverändert bleibt und dann innerhalbeines Winkels (β + α1 - α2) expandiert. Dabei bleibt aufjedem Strahl die Geschwindigkeit und der Druck kon-stant und die Strömung geht in Richtung -β wieder ineine Parallelströmung mit konstanter Geschwindigkeitüber.

Neben den fundamentalen Beiträgen Ludwig Prandtlszur Behandlung von Strömungen mit Reibung auf der

Abb. 1.1 Überschallströmung an einer konkaven Wand.

Abb. 1.2 Überschallströmung an einer konvexen Wand.

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Basis der Grenzschichttheorie von 1904 arbeitete er aneinem weiteren ungelösten Problem, nämlich der Ermitt-lung der aerodynamischen Größen bei einem Tragflügelendlicher Spannweite. Im Gegensatz zu dem Flügelunendlicher Spannweite ist hier die Strömung dreidimen-sional, da sich die Druckunterschiede zwischen Unter-und Oberseite des Flügels an den Flügelenden ausglei-chen, wodurch zwei diskrete Wirbel mit entgegengesetz-tem Drehsinn gebildet werden, deren Achsen nahezu mitder Anströmrichtung zusammenfallen. Diese beidenWirbel haben die Zirkulationsstärke Γ. Mit diesen soge-nannten »freien« Wirbeln entsteht zusammen mit dem»gebundenen« Wirbel auf dem Tragflügel ein »Hufeisen-wirbel«9 (Abb. 1.3). Diese physikalische Modellvorstel-lung einer dreidimensionalen Umströmung von Trag-flügeln endlicher Spannweite und ihre analytischeFormulierung ist erstmals von L. Prandtl10 angegebenworden, nachdem schon vorher F. W. Lanchester11 einigequalitative Untersuchungen hierzu gemacht hatte. Dieseunter dem allgemeinen Begriff bekannte »Traglinien-theorie« wurde von L. Prandtl durch die »Tragflächen-theorie« erweitert. Die Aufgabe der Tragflügeltheorie,der Berechnung der Auftriebsverteilung und des Wider-standes für eine Tragfläche vorgegebener Form, erwiessich als die schwierigste. Mit Hilfe seiner berühmtenIntegro-Integralgleichung für die Zirkulationsverteilunggelang es Prandtl, für beide Theorien mathematischeFormulierungen für das Modell der »Hufeisenwirbel«anzugeben, deren Lösung für viele Jahre die Grundlagefür die Berechnung von Rechteckflügeln, wie auch denPfeilflügeln bleiben sollte. In seinem Artikel zum 50. Ge-burtstag von Ludwig Prandtl schrieb Theodore vonKármán12 1925:

»Prandtls Hauptleistung für die Flugtechnik ist indessenzweifellos die Tragflügeltheorie, namentlich die Auf-findung und Ermittlung des sog. ›induzierten Wider-standes‹, wodurch der Weg für eine rationelle Entwurfs-berechnung der Flugzeuge auf einen Schlag erschlossenwurde.«

In einem Seminar für angewandte Mechanik im Winter-semester 1922/23 an der Universität Göttingen hatte J. Ackeret erstmals über Luftkräfte am Flügel, die mitÜberschallgeschwindigkeit angeströmt wurden, vorge-tragen. Dabei wurde als Vereinfachung angenommen,dass der nur schwach gewölbte Flügel unendlich dünnund von sehr großem Seitenverhältnis ist. Diese Studiewar von L. Prandtl angeregt und betreut worden. In derVeröffentlichung dieses Beitrages in 1925 von JacobAckeret13 steht:

»… in einem noch unveröffentlichten Seminarvortrag hatProfessor Prandtl Näherungsformeln für das Unter-schallgebiet mitgeteilt, die in einfacher Weise eine Ab-schätzung des Einflusses der Kompressibilität gestat-ten …«

L. Prandtl hatte seine Gedanken zur »Korrektur vonKompressibilitätseffekten« des öfteren in Seminaren vor-getragen, aber in der Tat nicht vor H. Glauert14 (1928)veröffentlicht. Auch wenn Glauert bei seinen Besuchenin den frühen 20er Jahren in Göttingen die Grundlagenzur Theorie des Auftriebes von Prandtl gelernt hatte, sowar sein einfaches Verfahren zur Korrektur des Auf-triebes für Machsche Zahlen kleiner 0,7 die ersteVeröffentlichung auf diesem wichtigen Arbeitsgebiet. Inder Literatur werden diese Korrekturen für die Kom-pressibilität deshalb als Prandtl-Glauert-Regeln bezeich-net. Sie ermöglichen zum Beispiel die Überführung vonMessungen in inkompressiblen Strömungen auf den Fallkompressibler Unterschallströmungen.

1927 besucht Carl Wieselsberger, der 1912 nach seinerPromotion an der TH München Assistent von L. Prandtlgeworden war, aus Japan kommend, die AVA Göttingen.Diesem Umstand ist eine Gruppenaufnahme zu verdan-ken, die Ludwig Prandtl mit seinen wissenschaftlichenMitarbeitern zeigt (Abb. 1.4). C. Wieselsberger war 1922einer Einladung der japanischen Regierung gefolgt, umbeim Bau von neuen Windkanälen beratend tätig zu wer-den. In dieser Funktion war er maßgeblich am Aufbaudes Luftfahrtforschungsinstitutes der Universität Tokiobeteiligt.

Bereits 1928 veröffentlichte A. Busemann15,16 Vorschlägezur zeichnerischen Ermittlung von ebenen Strömungen

Abb. 1.3 Wirbelsystem eines Tragflügels endlicher Spannwei-te nach L. Prandtl.

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Abb. 1.4 Ludwig Prandtl undMitarbeiter anlässlich des Be-suches von Carl Wieselsbergeraus Japan, 1927.

Sitzend von links: O. Tietjens,J. Ackeret, A. Betz, C. Wiesels-berger, L.Prandtl,W.Tollmien,R. Langer.Dahinter stehend: O. Flachs-bart, W. Buehl, J. Nikuradse,A. Busemann, R. Seiferth, H.Muttray, H. Peters, O. Schrenk.

Abb. 1.5 Das Prandtl-Buse-mann-Charakteristikenverfah-ren, ein numerisch-graphischesDifferenzenverfahren zur Be-rechnung von Überschallströ-mungen um Profile und vonLavaldüsen. (Prandtl, Strö-mungslehre)

bei Überschallgeschwindigkeit. Diese Arbeiten bildetendie Grundlage für das Prandtl-Busemann-Charakteristi-kenverfahren, das mit Beginn der dreißiger Jahre dieBerechnung von Überschallströmungen um Profile undin Lavaldüsen mit Hilfe dieses numerisch-graphischen

Differenzenverfahrens ermöglichte. Damit stand erst-mals ein effektives Hilfsmittel zum Beispiel für denEntwurf von Überschallwindkanälen zur Verfügung. In(Abb. 1.5) wird der von Busemann entwickelte Ge-schwindigkeitsplan (Hodographen) gezeigt. Das Prinzip

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beruht auf der Idee, dass man die stetige Ablenkung derGeschwindigkeitsrichtung in einer Überschallströmungdurch eine Folge von plötzlichen Ablenkungen wie inden Bildern 1.1, 1.2 darstellen kann. Dabei wird wie beiNäherungsrechnungen die entstehende Treppenliniedurch ein Polygon ersetzt. Wird der Winkel β derAblenkung in allen Fällen gleich groß gewählt, zumBeispiel = 2°, dann kommen nur Geschwindigkeits-richtungen vor, die sich in einer festen Richtung um einganzes Vielfaches vom Winkel β unterscheiden. Wennman die Geschwindigkeitsvektoren sämtlich von einemUrsprung Null aus abträgt, so erhält man ein regelmäßi-ges Netzwerk von Kreissymmetrie. Die Netzpunkte sinddie zugelassenen Geschwindigkeiten. Jede Verbindungs-linie zwischen zwei Nachbarpunkten stellt einen der

Abb. 1.6 Strömung um eine ebene Platte mit Anstellwinkel imÜberschall nach A. Busemann.

Abb. 1.7 Symmetrische Umströmung eines bikonvexen Profilsim Überschall. Der Druck p’0 ist der durch die Verluste imVerdichtungsstoß geschwächte Ruhedruck.

Abb. 1.8 Schlierenbild eines bikonvexen Profils bei Über-schallanströmung.

Übergänge dar, die sich in einer 2°-Welle vollziehen. Diehier betrachteten Wellen gehen alle von einer Wand aus,deshalb liegen in diesem »Geschwindigkeitsbild« allezugehörigen Zustandspunkte auf der dick ausgezogenenKurve. Durch diese erläuterte zeichnerische Methodeließen sich zu diesem Zeitpunkt alle ebenen Überschall-strömungen sehr bequem diskutieren. Adolf Busemann17

behandelte hierzu die Umströmung einer ebenen, ange-stellten Platte bei Überschallströmung (Abb. 1.6), undeine symmetrische Umströmung eines bikonvexenProfils (Abb. 1.7). Die angegebenen Zahlenwerte gebendie Verhältnisse des durch die Verluste geschwächtenRuhedruckes p’0 und den Ruhedruck p0 wieder. Abb. 1.8zeigt ein Schlierenbild einer wirklichen Strömung um einsolches Profil. (Dieses Verfahren zur Strömungssichtbar-

Abb. 1.9 Zeichnerische Ermittlung einer Düsenkontur für eineparallele Überschallströmung nach A. Busemann.

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machung wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts vondem deutschen Wissenschaftler Toepler entwickelt undnicht, wie oft in der englischen Literatur angenommen,von Herrn Schlieren!) Dabei ist anzumerken, dass imGegensatz zu üblichen Schlierenbildern hier Aufhellun-gen Dichtezunahmen und Abdunklungen Dichteabnah-men bedeuten. Eine besonders wichtige Anwendung desBusemannschen Verfahrens lag in dem Entwurf vonÜberschalldüsen (Abb. 1.9), wobei in einer divergentenDüse ein Parallelstrahl erzeugt werden musste. Hierbei

durften die ankommenden Wellen nicht mehr an derWand reflektiert werden, damit der Strahl von ablenken-den Wellen nicht gestört wurde. Überprüft wurden dieDüsenströmungen mit Hilfe von Schlierenaufnahmen.

Diese Ergebnisse von theoretischen und experimentellenLösungen für einfache Überschallströmungen wurdenvon Ludwig Prandtl ausführlich in seinem Übersichts-vortrag anlässlich des 5. Volta-Kongresses dargestellt,über den nachfolgend berichtet wird.

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1.3 Der 5. VOLTA-Kongress 1935in Rom, ein Durchbruch in derHochgeschwindigkeitsaero-dynamik

Um den großen italienischen Physiker Alessandro Voltazu ehren, wurde 1930 an der »Reale Accademia d’Italia«die Stiftung »Fondazione Alessandro Volta« gegründet.In einem Brief hatte im Jahr 1800 Alessandro Volta(1745–1827) dem Präsidenten der Akademie eine Erfin-dung mitgeteilt, die die Erzeugung konstanter Gleich-ströme betraf. Volta hatte sich die Erkenntnisse von LuigiGalvani (1737–1798) zu Nutze gemacht, der als Profes-sor für Anatomie erfahren hatte, dass man ein Zuckenbeim Herauspräparieren eines Nervs aus einem Frosch-schenkel beobachten konnte, wenn dieser an einemKupferhaken aufgehängt und mit einem Eisenstab in Be-rührung gebracht wurde. Volta wurde deutlich, dass Gal-vani durch das Zucken der Froschschenkel im Wesent-lichen die Wirkung der Elektrizität nachgewiesen hatte,die durch die Berührung der beiden Metalle Kupfer undEisen ausgelöst wurde. Nachdem er erkannt hatte, dassnach der Trennung der beiden Metalle diese eine Ladungtragen, verstärkte er diese Wirkung, indem er mehrereZink- und Kupferplatten abwechselnd übereinanderanordnete und zwischen die Plattenpaare jeweils einenweiteren Stoff, zum Beispiel feuchtes Papier, legte. Voltahatte damit, ohne klare Vorstellungen über die Wirkungs-weise der galvanischen Elemente zu haben, die Batterieerfunden.

Die »Fondazione Alessandro Volta« wurde 1930 mit dergenerösen Spende von acht Millionen Lira, heute einerhalben Million Euro entsprechend, durch die »SocietàGenerale Edison di Elettricità« ausgerüstet, um nach denStatuten jährlich eine Tagung auf dem Gebiet der physi-kalischen, mathematischen, historischen und ethisch/phi-losophischen Wissenschaften auszurichten. Dabei solltenführende Wissenschaftler aus der ganzen Welt eingela-den werden, um in einer besonders angenehmen Atmos-phäre schöpferisch miteinander zu diskutieren und ihrWissen auszutauschen. Im Jahr 1931 lud die Akademiezu einem ersten Kongress über Kernphysik ein. Diesemfolgten bis 1934 drei weitere Kongresse über medizini-sche und ethische Themen. Ende 1934 kam dann dieEinladung der Akademie zum 5. Volta-Kongress18, dersich ausschließlich mit Problemstellungen hoher Ge-schwindigkeiten in der Flugtechnik beschäftigen sollte.

Die Auswahl des Tagungsthemas war sicherlich durch

die in Italien zu dieser Zeit erfolgreich aufgestelltenGeschwindigkeitsrekorde mit Wasserflugzeugen beein-flusst. Auch wenn das Erreichen der Schallgeschwin-digkeit mit einem Flugzeug 1935 noch außerhalb jegli-cher Realisierungsmöglichkeit schien, hatte FrancescoAgello am 23. Oktober 1934 mit einem WasserflugzeugMacchi MC 72 (»Macchi-Castoldi«) mit 709 km/h über3 km einen internationalen Geschwindigkeitsrekord auf-gestellt, der heute noch besteht.Die MC 72 sollte ursprünglich am Wettbewerb um die»Schneider Trophy« teilnehmen, der 1931 zum letztenMale stattfand. Sie flog zwar in diesem Jahr zum erstenMale, konnte jedoch an dem Wettbewerb nicht teilneh-men. Durch das hohe Drehmoment des Propellers hattedas Flugzeug die Neigung, beim Start auf dem Wasser imKreis zu fahren. Damit war ein sicheres Abheben nurschwer möglich. Es kam zu mehreren Unfällen. Da der

Abb. 1.10 Das Wasserflugzeug Macchi-Castoldi (heuteAermacchi) MC. 72. Hiermit stellte Francesco A. Agello 1934den noch heute gültigen Geschwindigkeitsrekord für Wasser-flugzeuge mit 709 km/Stunde auf.

Abb. 1.11 Querschnittszeich-nung des Fiat-Motors desRekordflugzeuges MC. 72im Vergleich zur Körper-größe des Piloten. Auf dieseWeise wurde der Rumpf-durchmesser und damit seineWiderstandsoptimierung er-reicht.

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Fiat AS6-Reihenmotor mit 2280 kW (3100 PS) Leistungaus zwei Zwölfzylinder-Motoren des Typs Fiat AS5(Abb. 1.10) in Tandemanordnung bestand, ließ man diebeiden »Einzelmotoren« für den Antrieb von gegenläufi-gen Metallpropellern umkonstruieren. Damit war – nachdrei Jahren weiterer Entwicklungsarbeit – das Dreh-momentenproblem gelöst. Wie in Abb. 1.11 verdeutlichtwird, wurde das Flugzeug praktisch um den Motor undden Piloten herum gebaut, mit der klaren Zielvorstellung,einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Wasserflug-zeuge aufzustellen. Eine Gewaltlösung über den Antrieb,der die Überwindung des großen aerodynamischenWiderstandes ermöglichte. So berichteten die Pilotenauch über das Auftreten von starken Schüttelbewegun-gen beim Erreichen hoher Geschwindigkeiten. Diesekönnen nach dem heutigen Wissensstand eindeutig aufmassive Strömungsablösungen, teilweise ausgelöst durchKompressibilitätseffekte der Luft, erklärt werden. Damitwurden Grenzen bei der Umströmung des Gesamtflug-zeuges und der Leistung des Propellerantriebes aufzeigt.Erklärungen und Lösungen hierfür zu finden, war dieMotivation und das Ziel dieses von den Italienern initi-ierten VOLTA-Kongresses. Übrigens wurde dieser 1934erzielte Geschwindigkeitsrekord für Wasserflugzeugemit 709 km/Stunde bis heute nicht gebrochen. Einen Weltrekord für Landflugzeuge mit Kolbenmotorstellte Fritz Wendel am 26. April 1939 mit einer Messer-schmitt Me 209 V1 (gegenüber der FédérationAéronautic International, FAI, als Bf 109 R angegeben)mit einer Geschwindigkeit von 755 km/h auf. Erst 30Jahre später, am 16. August 1969, konnte DarrylGreenamyer mit einer für den Rekordeinsatz erheblichmodifizierten Grumman F-8F-2 Bearcat eine neuerlicheRekordgeschwindigkeit von 777 km/h erreichen. DieserRekord steht bis heute. Interessant sind in diesem Zusammenhang die visionärenGedanken und Äußerungen des Tagungsleiters, Generalund Professor G. Arturo Crocco, in seiner Begrüßungs-rede. Er glaubte an den Forscherdrang des Menschen,und dass dieser eines Tages mit einem Fluggerät in derStratosphäre mit einer Geschwindigkeit von mehr als3000 km/h fliegen würde. Was er nicht wissen konntewar, dass bereits rund 15 Jahre später seine Visionen,auch basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissendes Kongresses, weit übertroffen werden sollten.

Die Teilnahme an dieser Veranstaltung war an eine per-sönliche Einladung gebunden, wobei die Vortragendensorgfältig und geschickt durch Crocco ausgewählt wur-den, der von der Accademia mit der Gesamtorganisationbeauftragt worden war. Bereits Anfang Dezember 1934erhielt Ludwig Prandtl eine inoffizielle Einladung von

General Crocco im Namen des Präsidenten der »RealeAccademia d’Italia«. Dabei bat er Ludwig Prandtl, mitdem Thema »Eine einheitliche Theorie des Auftriebes inzusammendrückbaren Flüssigkeiten« an dem Experten-treffen beizutragen (Abb. 1.12). Außerdem fügte Croccoeine vorläufige Liste von Vortragsthemen zur Begut-achtung bei. Mit A. Crocco, der offensichtlich Prandtl zuseinem beratenden Experten auserwählt hatte, führte die-ser vor dem Kongress eine rege Diskussion über dessenVorschlagsliste der Vorträge19. Über sein eigenes Thema»Einheitliche Theorie des Auftriebs in zusammendrück-baren Flüssigkeiten« merkte Prandtl am 12. Dezember1934 unter anderem an:

…Es gibt jedoch nur eine Theorie für den Fall, dass diemaximale Umströmungsgeschwindigkeit am Flügel

Abb. 1.12 Einladungsschreiben von G. Arturo Crocco derReale Accademia d’Italia an Ludwig Prandtl zum 5. VOLTA-Kongress »Hochgeschwindigkeit in der Luftfahrt«, vom30.9.–6.10.1935 in Rom. ��

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unterhalb der Schallgeschwindigkeit liegt und einedavon gänzlich verschiedene Theorie für den Fall, dassauch die kleinste Geschwindigkeit am Flügel bereitsoberhalb der Schallgeschwindigkeit liegt. Für dasZwischengebiet existiert keine Theorie. Man kann diesekeine einheitliche Theorie nennen, und es ist auch keinWeg sichtbar, wie man zu einer solchen gelangen könn-te...

Sein Vortragsthema wurde daraufhin mit »AllgemeineÜberlegungen über die Strömung zusammendrückbarerFlüssigkeiten« festgelegt. L. Prandtls Vorschlag, auchden Widerstand von Geschossen zu behandeln, da hierzubesonders gute Strömungssichtbarmachungen vorlagen,wurde von Crocco nicht akzeptiert, um den deutlichenBezug des Kongresses zur Luftfahrt nicht einzuschrän-ken. Am 27.12.1934 erhielt Ludwig Prandtl sein offiziel-

Abb. 1.13 Schreiben des Reichsluftfahrtministeriums (RLM)an Ludwig Prandtl mit der Aufforderung zur Teilnahme an dem5. VOLTA-Kongress. �

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les Einladungsschreiben, unterzeichnet vom Präsidentender Königlichen Italienischen Akademie GuglielmoMarconi und dem Präsidenten des 5. Volta-KongressesG. A. Crocco. Prandtl sagte seine Teilnahme zu, nach-dem er Mitte Februar 1935 das offizielle Einladungs-schreiben über das Reichsluftfahrtministerium (RLM)erhalten und ihn das RLM aufgefordert hatte, einenVortrag zu übernehmen (Abb. 1.13). Sicherlich ist nichtallgemein bekannt, dass Prandtl dem Tagungsleiter vor-schlug, seinen früheren Mitarbeiter Adolf Busemann,seinerzeit Professor für Strömungsmechanik an derTechnischen Hochschule Dresden, zu einem Vortrag überdas Thema »Aerodynamischer Auftrieb bei Überschall-geschwindigkeit« einzuladen. A. Crocco äußerte sichsehr positiv zu dem Vorschlag von Prandtl und lud A.Busemann ein. So erhielt Busemann als junger Wissen-schaftler die Gelegenheit, mit den drei Vätern der moder-nen Aerodynamik Theodore von Kármán, LudwigPrandtl und Geoffrey Ingram Taylor seine Vorstellungenüber die theoretische Behandlung von Überschallströ-mungen vorzutragen und zu diskutieren.

Ab März 1935 entwickelte sich eine rege Korrespondenzzwischen L. Prandtl und den Vortragenden der zweitenHauptsitzung »Aerodynamik«, G. I. Taylor und A. Buse-mann über fachliche Fragestellungen und den Inhalt ihrerBeiträge. Taylor vermisste in einem von Hand geschrie-benen Brief vom 14. März 1935 an L. Prandtl insbeson-dere die Titel und Namen der weiteren Vorträge. UmÜberschneidungen und Wiederholungen beim Vortragen-den zu vermeiden, teilte er am 26. März 1935 Taylor kurzden Inhalt seines Vortrages mit und sandte ihm inoffizielleine Liste der Vortragenden und ihrer Themata. WährendG. I. Taylor bereits am 14. April sein fertiges Manuskriptan L. Prandtl schickte, schrieb A. Busemann am 20.April, dass er »noch keine Vorstellungen vom Inhalt sei-nes Volta-Vortrages habe« (Abb. 1.14). Im Mai bat E.Pistolesi um Veröffentlichungen zu seinem Thema»Aerodynamischer Auftrieb bei hohen Unterschall-geschwindigkeiten«. L. Prandtl antwortete ihm umge-hend und informierte ihn über Forschungsarbeiten aufdiesem Gebiet. Nach der Übersendung seines Volta-Vortrages am 8. Juni schrieb L. Prandtl an A. Busemann:

»In einer Anlage übersende ich Ihnen einen Durchschlagvon meinem soeben fertiggestellten Volta-Vortrag mit derBitte um Durchsicht und vor allem um Stellungnahmedazu, ob ich Ihnen auf den letzten Seiten schon zuvielRosinen weggenommen habe. Es wäre mir lieb, wenn Siemir den Durchschlag nach Erledigung meiner Fragenwieder zugehen ließen, da ich ihn auch noch an Taylorweiterschicken will. Wie weit sind Sie eigentlich mitIhrem Vortrag?«

Am 12. Juni bat J. Ackeret um die Überlassung vonFotografien und Zeichnungen vom Göttinger Überschall-kanal, die Prandtl ihm zusenden ließ. Zum besserenVerständnis der politischen Situation 1935 ist dieWeiterleitung der Information über den Volta-Kongressvom Reichsluftfahrtministerium (RLM) an die Zentralefür Technisch-Wissenschaftliches Berichtswesen (ZWB)erwähnenswert, die daraufhin L. Prandtl und A.Busemann aufforderten, ihre Vortragsmanuskripte ineinem Sonderheft »Schnellflug« der Luftfahrtforschung(LuFo) noch vor dem Erscheinen des Volta-Tagungs-bandes zu veröffentlichen. Prandtl hatte mit dieser Vor-gehensweise große Probleme, aber keine Chance einerdirekten Intervention, da beide Vortragsmanuskripte überdie ZWB durch das RLM freigegeben werden mussten.Immerhin erreichte er eine Terminverschiebung der deut-schen Veröffentlichung bis zur Fachtagung der Deut-

Abb. 1.14 Übersendung der Gliederung des Vortrages von A.Busemann »Aerodynamischer Auftrieb bei Überschallge-schwindigkeit« an L. Prandtl.

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schen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) am 11.Oktober in Berlin, also fünf Tage nach dem Ende desVolta-Kongresses.

In der einzigen zur Verfügung stehenden Gruppenauf-nahme der Tagungsteilnehmer können leider nur einige,für diesen Bericht besonders wichtige Bezugspersonenidentifiziert werden (Abb. 1.15). Im Anhang desTagungsberichtes sind alle Teilnehmer mit einem Foto,einer Kurzbeschreibung ihres beruflichen Werdegangesund einer Aufzählung der wichtigsten Veröffentlichun-

gen in italienischer Sprache dokumentiert. Hieraus wur-den nachfolgend Kurzfassungen von für dieseUntersuchung besonders wichtigen Wissenschaftlern inder Originalversion wiedergegeben. Da es sich bei AdolfBusemann um den frühen Abschnitt seiner wissenschaft-lichen Laufbahn handelt, wird seine Biographie späterergänzt.

G. A. Crocco (Abb. 1.16) hatte mit den von der»Accademia d’Italia« gebotenen Rahmenbedingungen,der Wahl des Kongressortes und der Auswahl der einge-

Abb. 1.15 Gruppenbild der Teilnehmer des 5. VOLTA-Kongresses in dem Palazzo della Farnesina, gelegen am Tiber, erbaut imStil der italienischen Renaissance und ausgeschmückt mit berühmten Fresken »Psyche« von Raffael.

A. BusemannC. Wieselsberger

G. A.Grocco L. Prandtl

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ladenen Wissenschaftler eine einmalige Voraussetzungzum Gelingen des Kongresses geschaffen. Nach seinerakademischen Ausbildung an der Ingenieurschule inRom und seinem militärischen Werdegang hatte er wich-tige Positionen in italienischen Luftfahrtorganisationenübernommen. Als General und Professor konnte er alleMöglichkeiten staatlicher Einrichtungen einsetzen.

Das Tagungsprogramm war in drei Hauptsitzungenunterteilt. In der ersten Sitzung wurden primär Problem-stellungen bei der Realisierung von Geschwindigkeits-rekorden mit einmotorigen Flugzeugen beschrieben,wobei der 1934 erzielte Geschwindigkeitsrekord desItalieners Francesco Agello mit der Macchi MC 72 imMittelpunkt stand.

H. E. Wimperis The British Technical Preparation for(London) the Schneider Trophy Contest 1931.

(Die englischen Titel wurden nichtübersetzt)

M. Casoldi Das italienische Hochgeschwindig-(Mailand) keits-Wasserflugzeug

C. F. Bona Italienische Motoren für Hochge-(Turin) schwindigkeits-Wasserflugzeuge

G. H. Stainforth British Methods of High Speed Flying(London) and Training of Pilots

M. Bernasconi Italienische Trainingsmethoden für Pi-(Mailand) loten beim Hochgeschwindigkeitsflug

Die zweite Sitzung beschäftigte sich mit der Aero-dynamik, wobei kompressible Strömungen schwerge-wichtig behandelt wurden. Die Liste der nachstehendenAutoren verdeutlicht nochmals das Zusammentreffen derhervorragenden Persönlichkeiten auf diesem Arbeits-gebiet, wobei Adolf Busemann und Eastman N. Jacobsmit 34 beziehungsweise 35 Jahren zu der jüngerenGeneration zählten. Drei der Vortragenden hatten dieSchule Ludwig Prandtls durchlaufen, wobei insbesonde-re Adolf Busemann einen besonders herzlichen, persönli-chen Kontakt zu ihm entwickelt hatte.

L. Prandtl Allgemeine Überlegungen über die(Göttingen) Strömung zusammendrückbarer Flüs-

sigkeiten

G. I. Taylor Well Established Problems in High(London) Speed Flow

Th. von Kármán The Problem of Resistance in Com-(Pasadena) pressible Flows

E. Pistolesi Lift at High Subsonic Speeds(Pisa)

A. Busemann Aerodynamischer Auftrieb bei Über-(Dresden) schallgeschwindigkeit

Abb. 1.16 G. Arturo Crocco,Präsident des 5. VOLTA-Kon-gresses.

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M. Panetti Problems at High Speeds(Torino)

G. P. Douglas Research on Model Aircrews at High(London) Speeds

J. Ackeret Windkanäle für hohe Geschwindig-(Zürich) keiten

Ergänzend zu der Hochgeschwindigkeits-Aerodynamikwurden in der dritten Hauptsitzung Themen der Thermo-dynamik behandelt:

G. Constanzi Fliegen in der Stratosphäre(Rom)

H. R. Ricardo Antriebe für große Höhen: Thermo-(London) und Gasdynamik

A. Anastasi Antriebe für große Höhen: Mechanik(Rom) und Kühlung

M. Roy Zuführung externer Luft bei Strahl-(Paris) triebwerken

N. A. Rinin Raketentriebwerke ohne Zuführung(Leningrad) externer Luft

Wie aus dem Programmaufbau deutlich wird, war es G.A. Crocco gelungen, insbesondere auf dem Gebiet derAero- und Gasdynamik den aktuellen Wissensstanddurch die weltweit bekanntesten Experten darstellen zulassen. Ludwig Prandtl (Abb. 1.17) ging in seinem Über-sichtsvortrag auf die linearisierte Theorie für Strö-mungen bei Überschallgeschwindigkeit ein. Er behandel-te als klassische Beispiele die Prandtl-Meyer-Über-schallströmung um eine Ecke und die zeichnerischenNäherungslösungen für die allgemeine zweidimensiona-le Überschallströmung von Adolf Busemann. Da G. I.Taylor nach ihm vortrug, erwähnte er lediglich dessenBeitrag20 zur Berechnung der rotationssymmetrischenUmströmung einer Kegelspitze mit endlichem Kegel-winkel bei Überschallströmung. Prandtl wies darauf hin,dass Lösungen für den allgemeinen Fall des mit Über-schallgeschwindigkeit umströmten Rotationskörpers,basierend auf linearisierenden Näherungsmethoden, vonTh. von Kármán und N. B. Moore21 angegeben, haupt-sächlich für sehr schlanke Körper anwendbar waren.

Wichtig für den Kongress war L. Prandtls neuer Ansatz,kompressible Strömungen auf der Basis des Beschleu-

Abb. 1.17 Ludwig Prandtl,Leiter der »AerodynamischenVersuchsanstalt Göttingen«(AVA) und des »Kaiser Wil-helm-Institutes für Strömungs-forschung« (KWI).

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nigungspotenzials zu behandeln. Wie neu diese Idee war,geht auch aus dem Schriftwechsel mit G. A. Crocco überdie Änderung seiner Manuskriptvorlage hervor. Prandtl hatte die bei diesem Kongress vorgetragenenIdeen nach seiner Rückkehr in Göttingen weiter behan-delt und bereits ein Jahr später veröffentlicht22.

In einem Nachtrag präsentierte L. Prandtl bis zum Zeit-punkt des Kongresses unveröffentlichte Schlierenauf-nahmen von Versuchsreihen, die sich bei der transsoni-schen Strömung über eine schwach wellige Oberflächeausbildeten. Danach wurde das wellenförmige Stückdurch ein flaches Kreissegment ersetzt. Um den Strö-mungszustand deutlicher erkennbar zu machen, wurdenin die zylindrische Oberfläche mit einer Feile kleineRillen geritzt. Ein Verfahren übrigens, das bereits bei derEichung und Optimierung der Düsen des 6 cm x 7 cm-Überschallkanals der AVA benutzt wurde. Die Beispielezeigen in Abb. 1.18, dass sich nur ein kleines Über-schallgebiet ausgebildet hat, während in Abb. 1.19 sichdieses noch weiter ausgedehnt hat und durch einen deut-lichen Verdichtungsstoß abgeschlossen wird. L. Prandtlergänzte diese Untersuchungen mit Strömungen in einemgekrümmten Kanal. Hier hat man durch die Zentrifugal-kräfte einen Druckanstieg von der konvexen zur konka-ven Seite (von »innen« nach »außen«) und deshalb ander konvexen Seite eine größere Geschwindigkeit als ander konkaven. Prandtl deutete mit diesen Untersuchun-gen an, welchen Strömungsphänomenen sein primäresInteresse galt, und dass er im transsonischen Geschwin-digkeitsbereich die größten ungelösten Probleme derStrömungsmechanik sah. Um die aktuellen Schlieren-aufnahmen zeigen zu können, musste L. Prandtl diesevorher beim RLM zur Veröffentlichung einreichen,wobei er in einem Schreiben vom 14. September beton-

te, dass »die gesamten Dinge keinerlei militärischenCharakter haben«!

Als nächster Vortragender diskutierte G. I. Taylor (Abb.1.20) bekannte und klar definierte Probleme der Hoch-geschwindigkeits-Aerodynamik. Hierzu erläuterte erzunächst die von ihm entwickelte Analogie von Strö-mungsfeldern und elektrischen Feldern. Als Anwendungzeigte er die Umströmung eines Zylinders. Bei Über-schallströmungen war G. I. Taylor primär interessiert andem kegelförmigen Strömungsfeld bei der achsensym-metrisch angeströmten Kegelnase. In diesem Bereichstimmten die Rechnungen sehr gut mit den experimentellbestimmten Winkeln (Schlierenaufnahmen) überein.Diese gute Übereinstimmung ergab sich dadurch, dassdie Zähigkeit in diesem Fall nur eine ganz geringe Rollespielte, und es sich näherungsweise bei dem Vergleichvon Rechnung und Experiment um eine nahezu rei-bungsfreie kompressible Strömung handelte.

Einen hochinteressanten Bericht über die Ermittlung desWiderstandes bei kompressiblen Strömungen gab es vonTh. von Kármán (Abb. 1.21). Er untersuchte den Effektder Kompressibilität auf den Reibungswiderstand. Unterder Annahme, dass in turbulenten kompressiblen Grenz-schichten die Austauschgrößen für Impuls und Wärmegleich sind, und damit die turbulente Prandtl-ZahlPrt = 1 ist, konnte von Kármán eine entsprechendeFormel für den Zusammenhang zwischen Wärmeüber-gang und Reibungskoeffizient angeben. Die praktischeBedeutung dieser Beziehung bestand darin, dass dieAnwendung nicht auf die Strömung an der ebenen Plattebeschränkt war, sondern sich auch bei der Umströmungvon schlanken Körpern, also bei Strömungen mit nichtzu starken Druckgradienten, als brauchbare Abschätzung

Abb. 1.18 Stoßkonfigurationen an einem Kreisbogenprofil, p0= 1,60 at.

Abb. 1.19 Stoßkonfigurationen an einem Kreisbogenprofil, p0= 1,88 at.

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Abb. 1.20 Geofffrey Ingram(G. I.) Taylor, Cambridge Uni-versity, England.

Abb. 1.21 Theodore vonKármán, Direktor des »Aero-nautical Laboratory Guggen-heim« des California Instituteof Technology, Caltech, Pasa-dena, USA.

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bewährte. Damit konnte die von L. Prandtl und G. I.Taylor bereits 1910 unabhängig von einander angegebe-ne Nusseltsche Wärmeübergangszahl für kompressibleStrömungen erweitert und ferner gezeigt werden, dassdie Reynoldssche Analogie unabhängig von der Mach-schen Zahl bestehen bleibt. Dabei konnte allerdings beider praktischen Anwendung noch nicht der extrem starkeEinfluss der seinerzeit zwar bekannten, aber rechnerischnoch nicht erfassbaren, Stoß-Grenzschichtinterferenz aufden Widerstand berücksichtigt werden.

Um seine Ausführungen über die Ermittlung des Wider-standes bei Überschallströmungen zu vervollständigen,behandelte Th. von Kármán in dem zweiten Teil seinesVortrages den Wellenwiderstand. Zusammen mit N. B.Moore hatte er in der von L. Prandtl bereits zitiertenArbeit 1932 eine Lösung für den Widerstand bei achsen-symmetrischen Strömungen auf der Basis der Theorieder kleinen Störungen (Small Disturbance Theory) undQuell-Senkenverteilungen auf der Körperachse angege-ben. A. Busemann23 berichtete noch 1971 in seinem Über-sichtsartikel »Compressible Flow in the Thirties« überdie begeisterte Aufnahme des »Volta-Publikums«, wievon Kármán die Optimierung eines widerstandsarmenGeschosses bei vorgegebenem Kaliber und Nasenlängedemonstrierte.

In seinem Beitrag »Lift at Subsonic Speeds« behandelte

E. Pistolesie eine linearisierte Prandtl-Glauert-Bezie-hung, die eine näherungsweise Ermittlung des Anstell-winkels und der Profildicke durch eine Transformationvon inkompressiblen auf kompressible Strömungsbe-dingungen ermöglichte. Eine interessante Überlegung,die keinen weiteren Eingang in die Literatur gefundenhatte, da die Strömungsablösung bei großen Anstell-winkeln und vorgegebenen Profilen mit endlicher Dickenoch im Windkanal ermittelt werden musste.

Wie Th. von Kármán24 in seinen Memoiren schrieb, folg-te danach der bedeutendste Vortrag bei der Konferenz,der eines jungen Mannes namens Adolf Busemann (Abb.1.22), aus Deutschland, eines Schülers von LudwigPrandtl. Ein weiterer, wie Busemann junger Teilnehmerder Tagung, Carlo Ferrari8, seinerzeit bereits mit 32Jahren Professor für Aerodynamik an der UniversitätTurin, bezeichnete ihn 1996 in seinem, im Alter von 93Jahren abgefassten Bericht über die Volta-Konferenz als:»Rising Star der modernen Strömungsmechanik«. C.Ferrari beschrieb Th. von Kármán als scharfsinnig, L.Prandtl als gründlich, ins Detail gehend, G. I. Taylor alsbesonders fähig, experimentelle Ergebnisse zu analysie-ren und hieraus vereinfachte theoretische Ansätze zu for-mulieren. Adolf Busemann war in seiner Erinnerung sehrreserviert, aber präzise und prägnant in seinen Aussagen,insbesondere wenn er über seine eigenen Forschungs-ergebnisse berichtete. Dies mag der Grund dafür sein,

Abb. 1.22 Adolf Busemann,Professor an der T. H. Dresden.

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dass seine Arbeiten in ihrer Tiefe, den logischen Konse-quenzen und praktischen Anwendungen nur von wenigenTeilnehmern verstanden wurden. Vielleicht auch, weil essich bei dem erst 34-jährigen Adolf Busemann im Ver-gleich zu seinen honorigen Kollegen quasi um einenNeuling in der internationalen Wissenschaftlerwelt han-delte. 1901 in Lübeck geboren, studierte er an der Tech-nischen Hochschule Braunschweig und promoviertebereits mit 24 Jahren zum Dr.-Ing., nur ein Jahr nachdemer sein Studium mit dem Diplom abgeschlossen hatte.Seine wissenschaftliche Karriere begann 1925 mit demEintritt in das Kaiser Wilhelm Institut (KWI) inGöttingen, das von Ludwig Prandtl geleitet wurde. Erförderte Busemanns beruflichen Werdegang, indem erihm die Möglichkeit gab, sich 1930 an der UniversitätGöttingen zu habilitieren. L. Prandtl unterstützte seineBerufung als Dozent an die Technische HochschuleDresden, auch wenn er Adolf Busemann als Kollegenbesonders schätzte und sein Ausscheiden aus dem KWIein Verlust für die Forschungsaktivitäten auf dem Gebietkompressibler Strömungen war. Jetzt, anlässlich diesesVolta-Kongresses, hatte Adolf Busemann die Gelegen-heit, seinem »Mentor« vorzutragen, welche Lösungen erfür die Probleme der Überschallaerodynamik sah. Beiseinen Ausführungen zum Thema »AerodynamischerAuftrieb bei Überschallgeschwindigkeit« stellte erzunächst die Frage, ob nach Annäherung der Flugge-schwindigkeit an die Schallgeschwindigkeit der große

Widerstandsanstieg und die Abnahme des Auftriebs imÜberschall wieder aerodynamische Werte erzielen konn-ten, die einen Flug im Überschall zuließen. Hierzu kon-zentrierte sich A. Busemann auf reine Überschallströ-mungen, in denen keine Unterschallgebiete mehr vorka-men. In einer eleganten Abschätzung der Eigenschaftenfür ein bikonvexes Profil kam er zu Ergebnissen über dieÄnderung des Gleitwinkels (mit der Machschen Zahl,wie sie in Abb. 1.23 dargestellt wurde). (Um eine besse-re Kopie zu erhalten, wurden die Abbildungen aus derdeutschen »Volta«-Veröffentlichung von A. Busemann26

übernommen!) Wählt man einen Reibungsbeiwert von cf = 0,003, was dem Wert einer ebenen Platte bei den auf-tretenden Reynoldsschen Zahlen entspricht, so erhältman bei einer Machschen Zahl M = 1,08 die minimaleGleitzahl von ε = 0,05. Deutlich wird vor allem derDickeneinfluss des Profils, da bei einem Dicken-Längenverhältnis δ = 2 % des nichtangestellten Profilseine reine Überschallströmung erst von der MachschenZahl M = 1,14 überhaupt möglich ist. Busemann wiesdarauf hin, dass es gewaltiger technischer Anstrengungenbedürfe, um dieses Dickenverhältnis zu erreichen unddiese Anstellwinkel zu beherrschen. So ist zum Beispieldas Dickenverhältnis δ einer Rasierklinge etwa 0,3Prozent, ohne jedoch über einen Kreisbogen geschärft zusein. Um zu entscheiden, wann die Profildicke und wanndie Reibung die großen Gleitzahlen verursachen, ist inder Abbildung der Grenzfall verschwindender Reibungbeziehungsweise verschwindender Profildicke eingetra-gen. Nach diesen genial einfachen Grenzwertbetrach-tungen entwickelte Adolf Busemann mit Hilfe einesPotenzansatzes Verfahren zur Ermittlung der aerodyna-mischen Kräfte bei größeren Ablenkungen, die auf einergemeinsamen Arbeit mit O. Walchner27 beruhten, undkam dann zu dem zweiten Teil seines Vortrages, der dieWelt der Hochgeschwindigkeits-Aerodynamik verändernsollte.

In seinem Beitrag »Zylindrische Strömungsfelder«machte Adolf Busemann wieder deutlich, dass er seinausgeprägtes analytisches Denken zur Lösung komple-xer physikalischer Aufgabenstellungen umsetzen konnte.Die grundsätzlichen Überlegungen, warum das zylindri-sche Strömungsfeld um den schräg angeblasenen Trag-flügel in eine ebene Strömung verwandelt werden kann,wenn die Druckkräfte auf der Druckseite des Tragflügelsberechnet werden sollen, ist in dem zweiten Kapitel sei-nes Vortragsmanuskriptes ausführlich dargestellt. Da dieOriginalversion dieses wichtigen Beitrages zur Aero-dynamik in der Literatur nicht einfach zugänglich ist,wurde Kapitel 2 als Anhang A beigefügt. Der Staudruckq0 der Anströmung setzt sich aus der Dichte des Gases ρ0

Abb. 1.23 Günstigste Gleitzahl eines bikonvexen Profils mit2 % Dicke und dem mittleren Reibungsbeiwert Cf = 0,3 % inAbhängigkeit von der Machschen Zahl M.

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und der Strömungsgeschwindigkeit w0 in folgenderWeise zusammen:

q0 = 1/2 (ρ0w02)

Bei einer Schräganblasung eines Tragflügels unter demWinkel ϕ , vgl. Abb. 1.24, muss man unter dem wirkli-chen Staudruck q0 der Anströmung und dem wirksamenStaudruck q unterscheiden, der die axiale KomponenteAnströmung nicht enthält. In ähnlicher Weise wird zwi-schen der Machschen Zahl M0 der Anströmung

M0 = w0/cund der wirksamen Machschen Zahl

M = w/c unterschieden, wobei die Schallgeschwindigkeit in derungestörten Anströmung

c = (κ RT)1/2

ist, und κ der Adiabaten-Exponent, R die Gaskonstanteund T die statische Temperatur sind. Für den schrägangeblasenen Tragflügel lässt sich nach der Skizze inAbb. 1.25 die Beziehung

M = M0 cos ϕherleiten, da die Dichte ρ und die Schallgeschwindigkeitc unabhängig von der Schrägstellung des Tragflügelsgegenüber der Anströmrichtung sind. Mit dieser genialeinfachen Überlegung konnte Adolf Busemann zeigen,dass mit größer werdendem Pfeilwinkel ϕ für eine gege-bene Machsche Zahl die Komponente der Geschwindig-keit normal zur Vorderkante des Tragflügels kleiner wird.Der Tragflügel »sieht« sozusagen nur die Normal-komponente der Anströmgeschwindigkeit, und derBeginn der Kompressibilitätseffekte wird zu einer höhe-ren Machschen Zahl verschoben. Im transsonischenGeschwindigkeitsbereich (hoher Unterschall) treten dieersten Verdichtungsstöße erst bei größeren MachschenZahlen der Anströmung auf. Beim transsonischen Flugwird deshalb beim Pfeilflügel die sogenannte kritische

Machsche Zahl größer und der Widerstandsanstieg zugrößeren Machsche Zahlen der Anströmung verschoben.Für den Überschallflug erhält man entsprechend eineVerschiebung des Beginns des Wellenwiderstandes zugrößeren Machschen Zahlen und damit eine Reduzierungdes Gesamtwiderstandes. Adolf Busemann widmete sichdann bei seinen weiteren Ausführungen der Berechnungdes optimalen Gleitwinkels ε für ein Tragwerk, wie inAbb. 1.25 skizziert. Hierzu ermittelte er den günstigstenPfeilwinkel ϕ, wobei die bekannten Überlegungen derebenen Strömung um den Tragflügel soweit wie möglichübernommen wurden. Dazu wurde die Profiltiefe alskonstant angenommen und das Profil und der Anstell-winkel wurden unverändert senkrecht zur Tragflügel-achse gemessen. Im Anhang A ist in Glg. 32 a eine rela-tiv einfache Beziehung für den minimalen Gleitwinkel εangegeben. Zwei Kommentare Busemanns bestätigenwieder einmal sein ausgeprägtes Gefühl bei der Inter-pretation der analytisch gewonnenen Ergebnisse inBezug auf ihre technische Realisierbarkeit:

– Bei höheren Machschen Zahlen M0 kommt man nichtunbedingt unter den günstigsten Wert der Gleitzahlfür die Strömung mit der Machschen Zahl M. Dennder Formeinfluß wird zwar geringer, aber derReibungswiderstand wird etwas erhöht. Solange dieForm jedoch entscheidend ist, kommt man sicherunter die Gleitzahl, die man bei der Strömung mit derMachschen Zahl M selbst erreichen würde.

– Diese Betrachtung der Gleitzahlen könnte dazu ver-leiten, eine künstliche Erhöhung der Machschen Zahlals erwünscht anzusehen, um sie dann durch Pfeil-form wieder erniedrigen zu können. So ein pfeilför-miger Autogiro bedeutet aber trotzdem keine Verbes-serung. Denn es kommt ja nicht auf den Widerstand

Abb. 1.25 Pfeilförmiges Tragwerk, vgl. Anhang A.Abb. 1.24 Schräg angeblasener Tragflügel, Originalzeichnungnach Adolf Busemann, vgl. Anhang A.

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an, den der gewünschte Auftrieb verursacht, sondernes kommt auf die Leistung an, die erforderlich ist, umden Auftrieb erzeugen zu können. Multipliziert mandie Gleitzahlen daher mit den Geschwindigkeiten, sofällt der scheinbare Vorteil sofort wieder weg.Diese Bemerkung gilt aber noch allgemeiner: Wennman bei Überschallgeschwindigkeit wieder Gleit-zahlen erhält, die mit denen bei geringen Geschwin-digkeiten vergleichbar sind, so ist damit noch nichtgesagt, dass man sie auch technisch verwerten kann.Sie kosten entsprechend der höheren Geschwindig-keit gesteigerte Leistungen, diese wiederum größereGewichte usw. Die technischen Aufgaben beginnendaher erst, nachdem jetzt die Größe der Gleitzahlenbekannt ist.

Es sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass bereits1924 Max Munk28 auf den Effekt der normalenGeschwindigkeitskomponente beim Schiebeflug einesRechteckflügels im Unterschall hingewiesen hatte. Dieswar offensichtlich Adolf Busemann nicht bekannt, daMunk mit der Pfeilung und V-Stellung des Tragflügelsnur den Einfluss auf die Stabilität und nicht die Effekteder Machschen Zahlen betrachtet hatte. Sein Schüler R.T.Jones29, 30 könnte sich an Munks Arbeit erinnert haben, alser 1945 die Vorteile der Pfeilung eines Tragflügels fürden transsonischen Flug in den USA zum zweiten Malentdeckte. Dies war zehn Jahre nach Adolf BusemannsVortrag beim Volta-Kongress, 1935! Offensichtlich wardas Pfeilflügelkonzept Busemanns ab 1935 zwar welt-weit bekannt und die Unterlagen für jedermann zugäng-lich, aber die Voraussetzungen für eine Anwendung unddie Realisierung eines transsonischen- bzw. Überschall-fluges waren für viele Wissenschaftler und Ingenieure imAusland noch nicht reif. Sogar Th. von Kármán schrieb1967 in seinem Buch »Die Wirbelstraße« (Seite 263):

»In Bezug auf die zukünftige Flugzeugentwicklung warder bedeutendste Vortrag bei der Konferenz der einesjungen Mannes namens Dr. Adolf Busemann ausDeutschland, eines Prandtl-Schülers, der jetzt in denVereinigten Staaten für die NASA arbeitet. Busemannanalysierte die Natur des Auftriebs bei Überschallge-schwindigkeit und half mit, die Grundlagen für dieKonstruktion des ersten Strahlflugzeuges im ZweitenWeltkrieg zu schaffen, indem er zum ersten Mal aufzeig-te, wie die Eigenschaften eines gepfeilten Flügels vieleProbleme im schallnahen Geschwindigkeitsbereich lösenkönnte. Ich muss gestehen, dass ich diesem Vorschlagdamals nicht viel Beachtung schenkte …«

Nach den Beiträgen zur theoretischen Behandlung von

kompressiblen Strömungen folgten drei Vorträge überWindkanaluntersuchungen. E. N. Jacobs berichtete überdie letzten Ergebnisse aus den »11-inch« und »24-inch«-Hochgeschwindigkeitswindkanälen. Es wurde überProfilmessungen berichtet, die später in Deutschlandeine wichtige Basis für Vergleichsmessungen, vor allemin dem neu errichteten Hochgeschwindigkeitswindkanalin der DVL in Berlin, spielen sollten. Hierüber wird nochausführlich berichtet.

Die Analysen der Ergebnisse der Kraftmessungen wur-den durch Aufnahmen mit einem Schlierensystemergänzt. Diese experimentellen Untersuchungen machteninsbesondere Problemstellungen beim Erreichen der kri-tischen Machschen Zahl deutlich. Man erhoffte sich bes-sere Versuchsergebnisse aus dem gerade fertiggestellten»24-inch«-Hochgeschwindigkeitswindkanal, da dieWandinterferenzen bei gleicher Modellgröße kleinerwerden sollten. M. Panetti von der Technischen Hoch-schule in Turin stellte unter anderem eine Modell-halterung für rotierende Modelle und ein Interferometerfür freifliegende Modelle vor. Diese Arbeiten wurdenergänzt durch die Mitteilung von Versuchsergebnissen,die G. P. Douglas vom National Physical Laboratory inTeddington, England, an Propellern bei hohen Unter-schallgeschwindigkeiten gewonnen hatte. Wegweisendanalysierte er die Probleme an den Blattspitzen der unter-suchten Propeller bei Annäherung an die Schall-geschwindigkeit: einmal den entstehenden Lärm, derneben der Erkennbarkeit auch zu starken Belastungen derPiloten und der Flugzeugzelle führte und deutlicheLeistungsabnahmen beim Auftreten von Stößen imBlattspitzenbereich. Alle Ergebnisse zeigten eine akzep-table Übereinstimmung mit der Theorie nach Prandtl-Glauert, solange man örtlich die Schallgeschwindigkeitnicht erreicht hatte und somit keine stoßinduzierteAblösung auftrat. Eine Änderung der Blattspitzenform,um durch eine Anwendung der Busemannschen Idee diekritische Machsche Zahl durch eine Pfeilung der Blatt-spitze herabzusetzen, wurde auch in Deutschland erst inden 40er Jahren realisiert. Das große Interesse an derLeistungsverbesserung von Propellern war zweifellosdurch die Zielvorstellung begründet, noch höhereGeschwindigkeiten als bei den italienischen Rekordflü-gen von 1934 zu erzielen.

Im letzten Vortrag der zweiten Hauptsitzung stellte JakobAckeret (Abb. 1.26) den Wissensstand für den Entwurfund den Betrieb von Windkanälen bei hohen Geschwin-digkeiten dar. Ackeret studierte an der TechnischenHochschule in Zürich unter Professor Aurel BoleslavStodola. Von 1921–1926 arbeitete J. Ackeret bei Ludwig

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Prandtl in der Aerodynamischen VersuchsanstaltGöttingen (AVA) vorwiegend an Problemstellungenkompressibler Strömungen, bevor er 28-jährig seineTätigkeit als Privatdozent und ab 1931 als Ordinarius fürAerodynamik an der Eidgenössischen TechnischenHochschule (ETH) Zürich aufnahm. In Italien hatte sichJ. Ackeret bereits einen Namen als Entwurfsingenieur fürHochgeschwindigkeits- und Überschallwindkanälegemacht. Anlässlich einer Exkursion zum ItalienischenAerodynamischen Forschungszentrum in Guidonia naheRom konnten sich die Kongressteilnehmer von demhohen technischen Standard der Ackeretschen Wind-kanalkonstruktionen persönlich überzeugen. Es war derÜberschallkanal von Guidonia, in dem 1938 der berühm-te Aerodynamiker Antonio Ferri seine schallnahenExperimente durchführte und dabei die erste transsoni-sche Messstrecke konzipierte. Durch seine Ausbildungbei Prof. Stodola auf dem Gebiet der Strömungs-maschinen war J. Ackeret ein Experte für Turbinen undVerdichter und zusammen mit seinen in der AVA erwor-benen Kenntnissen über kompressible Strömungen prä-destiniert für den Windkanalbau. Wegen des mit derMachschen Zahl steigenden Energiebedarfes beschäftig-te er sich ausführlich mit der Optimierung von Diffu-soren, da hier eine Strömungsablösung zu erheblichenEnergieverlusten (geringer Druckrückgewinn) und einerschlechten Strömungsqualität in der Messstrecke führte.

Ein Problem, das bis heute beim Bau von neuenGroßanlagen durch Untersuchungen in Modellkanälengelöst wird. Bei Überschallkanälen ging J. Ackeret aufden in der AVA Göttingen konzipierten »Speicherkanal«ein, dessen prinzipieller Aufbau in Abb. 1.27 gezeigtwird. Um das Vereisen von Modellen zu vermeiden, wareine Einrichtung geschaffen worden, die es ermöglichte,getrocknete Luft aus einer Luftglocke zu entnehmen. Es

Abb. 1.27 Prinzipskizze eines Überschallkanals mit Vakuum-Speicherbetrieb, wie er in der AVA Göttingen entwickelt wor-den war. Die Entnahme getrockneter Luft erfolgte aus einemGasometer.

Abb. 1.26 Jacob Ackeret, Pro-fessor an der T. H. Zürich.

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war Prof. Carl Wieselsberger (Abb. 1.28), von der T.H.Aachen, der bereits bei der Diskussion der von L. Prandtlbeim Volta-Kongress gezeigten Schlierenaufnahmenerstmals auf das Problem des möglichen Auftretens vonKondensationsstößen durch zu hohe Luftfeuchtigkeithinwies.31 Diese wichtige Erkenntnis wurde anscheinendvon vielen Tagungsteilnehmern nicht verstanden oderignoriert und auch nicht in die schriftliche Dokumen-tation der Diskussionsbeiträge aufgenommen. Zurück-

gekehrt nach Aachen hat C. Wieselsberger seinenDoktoranden Rudolf Herrmann32 mit der Behandlungdieses Themas beauftragt. Seine Forschungsergebnissefanden später Eingang in das Konzept des PeenemünderÜberschallkanals und trugen maßgeblich zur Qualitätdieser Versuchseinrichtung bei. Als Beispiel einer konti-nuierlich laufenden Versuchsanlage beschrieb J. Ackeretden Züricher Überschallkanal Abb. 1.29. Durch einegeschickte Widerstandsoptimierung des Kühlers und

Abb. 1.28 Carl Wieselsberger,Professor an der T.H. Aachen.

Abb. 1.29 Kontinuierlich ar-beitender Überschallkanal.Geschwindigkeitsvergröße-rung durch einen Ejektor, nachJ. Ackeret.

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einen 13-stufigen Axialkompressor mit einem adiabati-schen Wirkungsgrad von 80 Prozent war es gelungen, beieinem Messquerschnitt von 40 cm x 40 cm und doppel-ter Schallgeschwindigkeit die Antriebsleistung auf 700kW zu begrenzen. Das für das Italienische Aero-dynamische Forschungszentrum in Guidonia von J.Ackeret konzipierte Windkanalkonzept beruhte auf fastidentischen Konstruktionsmerkmalen.

Die dritte Hauptsitzung beschäftigte sich mit Problem-stellungen der »Thermodynamik und Verbrennung«,deren Lösungen als wichtige Voraussetzungen für dieVerwirklichung des Hochgeschwindigkeitsfluges erkanntworden waren. Hier soll auf weitere Details der Vorträgenicht eingegangen werden, da alle fünf Beiträge vorallem aufzeigten, dass für den Hochgeschwindigkeitsflugin großen Höhen zunächst die Entwicklung neuerAntriebe notwendig war. So bemerkte in der Abschluss-diskussion H. E. Wimperis:

»… um in Höhen schnell fliegen zu können, müssen wirnoch auf die Entwicklung neuer Antriebe, wie die Strahl-triebwerke warten. Von dem Einsatz dieser neuen Antrie-be sind wir jedoch noch weit entfernt. Aber eines Tages –Dank der hervorragenden Arbeit dieses Kongresses –werden wir wissen, wie wir es machen müssen. Dann wirddie verbleibende Aufgabe sein, die Passagiere davon zuüberzeugen, so schnell in großen Höhen zu fliegen.«

Dass die Entwicklung und Realisierung des Hochge-schwindigkeitsflugzeuges nicht durch die Passagierekommerzieller Fluglinien sondern durch rein militärischeAnwendungen bestimmt sein würde, haben sicherlichviele Teilnehmer des Kongresses bereits geahnt. Sowurde der Vortragsbeginn von Adolf Busemann verscho-ben, da den Kongressteilnehmern zunächst eine Kriegs-erklärung des »Duce« Benito Mussolini zum Einmarschder Italiener in Abessinien, dem heutigen Äthiopien, zuGehör gebracht wurde. Insgesamt waren an dieser In-vasion rund 300 000 italienische Soldaten beteiligt. DerKriegsverlauf wurde wesentlich durch die seinerzeithochmoderne italienische Luftwaffe bestimmt. Für dieWissenschaftler aus Frankreich und England wurde dieSituation besonders prekär, da ihre Regierungen massiveEigeninteressen in diesem Gebiet Afrikas verfolgten.Während die englischen Kongressteilnehmer von ihrerRegierung gehalten wurden, nur noch die Vortrags-veranstaltungen zu besuchen, unterlagen die Franzosenkeiner offiziellen Beschränkung.

Als zusammenfassende Bewertung über den Erfolg desVolta-Kongresses sollen zwei Kommentare der seinerzeit

jungen Teilnehmer zitiert werden:Adolf Busemann schloss seinen 1971 erschienenenArtikel über kompressible Strömungen in den 30erJahren mit den Worten:

»Die Forscher auf dem Gebiet kompressiblerStrömungen blieben auch nach dem Krieg eine großeinternationale Familie, in der man sich gegenseitig ach-tete und akzeptierte. Sie unternahmen große Anstrengun-gen, die internationalen Beziehungen zwischen denWissenschaftlern zu verbessern und vermeiden, gegen-seitige Schuldzuweisungen zu machen, dass sie nicht erstFrieden geschaffen hatten, bevor sie den Lufttransportweltweit verbesserten.«

Carlo Ferrari schrieb mit 93 Jahren als letzter überle-bender Zeitzeuge in seinem 1996 erschienen Bericht überden Volta-Kongress am Schluss die versöhnlichen Worte:

»Ich glaube, dass der 5. Volta-Kongress für alleStudenten der Strömungsmechanik in ewiger Erinnerungbleiben wird. Für diejenigen, die das Glück hatten, daranteilzunehmen, werden ihre starken Eindrücke ein Lebenlang nicht vergessen. Alle Teilnehmer des VOLTA-Kongresses waren durch eine tiefe Freundschaft verbun-den. Auch wenn die ersten Anzeichen des ZweitenWeltkrieges bereits bei der Veranstaltung deutlich wur-den, unsere Freundschaft wurde durch die tragischenEreignisse der nächsten Jahre nicht zerstört.«

Es war Theodore von Kármán, der nach dem ZweitenWeltkrieg die Initiative ergriff und in Brüssel eine postu-niversitäre Institution im Rahmen der AGARD für jungeWissenschaftler schaffte. Das nach ihm benannte »vonKármán Institute for Fluid Dynamics« (VKI) hat zwi-schenzeitlich mehrere Generationen von Strömungs-mechanikern ausgebildet, von denen überdurchschnitt-lich viele in angesehenen Positionen international tätigwurden. Nach 1989 wurden sofort Kontakte zu denneuen NATO-Beitrittskandidaten der ehemaligen Ost-blockländer aufgenommen, sodass heute zum Beispielauch Studenten aus Ungarn, der Heimat von v. Kármán,am VKI studieren.

Da viele der eingeladenen Teilnehmer des 5. Volta-Kongresses noch eine tragende Rolle während oder nachdem Zweiten Weltkrieg bei der Weiterentwicklung derHochgeschwindigkeits-Aerodynamik spielen sollten, istim Anhang B die Teilnehmerliste im Original wiederge-geben.

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Gilles, L. Hopf, Th. v. Kármán (Hrsg), Vorträge aus dem Gebiet derAerodynamik und verwandte Gebiete. Verlag J. Springer, Berlin1929, S. 162–169.

17 L. Prandtl und A. Busemann, Näherungsverfahren zur zeichneri-schen Ermittlung von ebenen Strömungen mit Überschallge-schwindigkeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. A.Stodola, Verlag Füßli, Zürich 1929, S. 499–509.

18 G.A. Crocco (Hrsg), Convengno di Scienze Fisiche, Matematichee Naturali. Tema: Le Alta Velocita in Aviazione. Reale Accademiad’Italia, Fondazione Alessandro Volta. 30. Settembre–6. Ottobre1935, Roma. Verlag: Reale Accademia d’Italia, 1936, S. 1–695.

19 Schriftwechsel aus dem Nachlass von W. Tollmien, Archiv zurGeschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin.

20 G. I. Taylor, J. W. Macoll, The Air Pressure on a Cone at HighSpeeds. Proc. Roy. Soc. A., Vol. 139, 1933, S. 278–298.

21 Th. von Kármán, N. B. Moore, Resistance of Slender BodiesMoving with Supersonic Velocities with Special Reference toProjectiles. Tran. Am. Soc. Mech. Eng., 1932.

22 L. Prandtl, Theorie des Tragflügels im zusammendrückbarenMedium. Luftfahrtforschung 13, 1936, S. 313.

23 A. Busemann, Compressible Flow in the Thirties. Annual ReviewFluid Mechanics, Vol. 3, 1971, S. 1–12.

24 Th. von Kármán, Die Wirbelstraße, mein Leben für die Luftfahrt.Hoffmann und Kampe Verlag, 1968, S. 263.

25 Carlo Ferrari, Recalling the 5th VOLTA Congress: High Speeds inAviation. Annual Review Fluid Mechanics, Vol. 28, 1996, S. 1–9.

26 A. Busemann, Aerodynamischer Auftrieb bei Überschallgeschwin-digkeit. Vortrag auf der 5. Volta-Tagung in Rom, 1935.Luftfahrtforschung Bd. 12, Nr. 6, 1935, S. 210–220.

27 A. Busemann, O. Walchner, Profileigenschaften bei Überschall.Forschung auf dem Gebiet des Ingenieurwesens. VDI VerlagGmbH, Berlin NW7, Bd. 4, Heft 2, 1933, S. 87–92.

28 Max Munk, Note on the Relative Effekt of Dihedral and the SweepBack of Airplane Wings. NACA TN 177, 1924.

29 R.T. Jones, Properties of low-aspect pointed wings at speeds belowand above the speed of sound. NACA Report No. 835, 1945.

30 R.T. Jones, Wing plan forms for high-speed flight. NACA ReportNo. 863, 1945.

31 Peter W. Wegener, The Peenemünde Wind Tunnels, A Memoir.Yale University Press, New Haven-London, 1996, S. 25.

32 R. Herrmann, Der Kondensationsstoß in Überschall-Windkanal-düsen. Deutsche Akademie der Luftfahrtforschung, 1942,S. 201–209.

Literatur

1 J. C. Rotta, Die Aerodynamische Versuchsanstalt in Göttingen, einWerk Ludwig Prandtls. Ihre Geschichte von den Anfängen bis1925. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 1990. S. 1–332.

2 L. Prandtl, Über die Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleinerReibung. Verhandlgn. d. III Intern. Math. Kongr. Heidelberg.8.–13. August 1904. B.G. Teubner Verlag, Leipzig 1905, S.485–491.

3 H. Blasius, Grenzschichten in Flüssigkeiten mit kleiner Reibung.Zeitschr. f. Math. u. Phys. 56, 1908, S. 1–37.

4 E. Boltze, Grenzschichten an Rotationskörpern in Flüssigkeiten beikleiner Reibung. Diss. Göttingen 1908.

5 K. Hiemenz, Die Grenzschicht an einem in den gleichförmigenFlüssigkeitsstrom eingetauchten geraden Zylinder. DinglersPolytechn. Journal 326, 1911, S. 321–324.

6 L. Prandtl, Zur Theorie des Verdichtungsstoßes. Zeitschr. Ges.Turbinenwes. 3, 1906, S. 241–245.

7 L. Prandtl, Neue Untersuchungen über die strömende Bewegungder Gase und Dämpfe. Phys. Zeitschr. 8, 1907, S. 23–30.

8 Th. Meyer, Über zweidimensionale Bewegungsvorgänge in einemGas, das mit Überschallgeschwindigkeit strömt. Mitteilung Forsch.Ing.-Wesen, Heft 62, 1908.

9 H. Schlichting, E. Truckenbrodt, Aerodynamik des Flugzeuges.Bd. II, 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York,1969.

10 L. Prandtl, Tragflügeltheorie, I. und II. Mitteilung. Nachrichten derKöniglichen Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen, Math.-Phys. Klasse, 1918, S. 451–477 und 1919, S. 107–137.

11 F.W. Lanchester, Aerodynamics. London, 1907. Aerodonetics,London, 1908. Deutsche Übersetzung: Bd. I und II, Berlin/Leipzig1909 und 1911.

12 Th. von Kármán, Ludwig Prandtl. Zeitschr. f. Flugtechnik undMotorluftschifffahrt (ZFM), 16, Heft 3, 1925, S. 37–38.

13 J. Ackeret, Luftkräfte auf Flügel, die mit größerer als Schall-geschwindigkeit bewegt werden. Zeitschrift für Flugtechnik undMotorluftschifffahrt, 3. Heft, 16. Jahrgang, 1925, S. 72–74.

14 H. Glauert, The Effect of Compressibility on the Lift of an Airfoil.Proc. Roy. Soc. London. VOL. CXVIII, 1928, S. 113–119.

15 A. Busemann, Zeichnerische Ermittlung von ebenen Strömungenmit Überschallgeschwindigkeit. ZAMM, Bd. 8, 1928, S. 423–42.

16 A. Busemann,Verdichtungsstöße in ebenen Gasströmungen. A.

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Anhang A:Lufo Bd. 12, Nr.6/1935, S. 210

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Anhang B: Eingeladene Teilnehmer des 5. VOLTA-Kongresses, 30. September–6. Oktober 1935 in Rom. (*Vortragende)