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1/2019 FÜR DIE PASTORAL SOCIAL MEDIA

1/2019 FÜR DIE PASTORAL

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FÜR DIE PASTORAL

SOCIAL MEDIA

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EDITORIAL

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ehrenamtlichen und hauptamtlichen Dienst unserer Erzdiözese,

„Der Kirche ist sehr wohl bekannt, dass die sozialen Kommunikationsmittel bei rechtem Gebrauch den Menschen wirksame Hilfe bietet.“1

Dieses Zitat aus dem Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel des Zweiten Vatikanischen Konzils ist zwar einerseits in die Jahre gekommen, zumal sich durch die Digitalisierung ungeahnte interaktive Möglichkeiten ergeben haben, andererseits geht es in all diesen epochalen Weiterentwicklungen, die sich in den sozialen Medien zeigen, immer noch – oder um so mehr – um Menschen und ihre Kommunikation. Die Gefahr besteht: soziale Kommunikationsmittel können auch zu „a-sozialen“ Kommunikationsmitteln werden. Gerade die Digitalisierung, die zwischenzeitlich zur Digitalität geworden ist, braucht die Balance, die positive Souveränität des Nutzers und die Authentizität der Inhalte. Wir sind nicht primär User, sondern Personen, zu deren Wesenskern die wahrhaftige Kommunikation gehört und dies erfordert humane Standards, wie zum Beispiel Gemeinwohlorientierung.

Online kann auch „angeleint“ bedeuten, daddeln kann auch fesseln. Social Media sind immer Unterstützung und nicht Selbstzweck, sie sind „bei rechtem Gebrauch“ eine Chance, im Heute als Kirche präsent zu sein: Spiritualität und Digitalität sind weder identisch noch gegensätzlich. Es gilt die Potentiale, die in den neuen Möglichkeiten für die pastorale Arbeit liegen, noch stärker konstruktiv und kritisch zu nutzen. Diese Impulse dazu wollen wir Ihnen an die Hand geben. Mit herzlichen Grüßen Ihr

Andreas MöhrleDomdekan und Rektor des Erzbischöflichen Seelsorgeamtes

1 Karl Rahner, Herbert Vorgrimler – Kleines Konzilskompendium, S. 95

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Editorial

BlickwinkelWas brauchts? von Björn Siller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

ZugängeDrei Zeichen unserer digitalisierten Gesellschaft und ihre Chancen für die Glaubenskommunikation von Tobias Sauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Social Media in der Seelsorge? von Wolfgang Beck und Madeleine Helbig-Londo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Von der Utopie zur Dystopie? – Empirische Anmerkungen zu Entwicklungslinien der Sozialen Medien von Elke Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

ErfahrungenSoziale Medien – alternativlos in der kirchlichen Kommunikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 von Michael Hertl

Auch Jesus würde twittern – Warum ich als Bischof die sozialen Medien nutze, wie und wofür! von Erzbischof Dr. Ludwig Schick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Firmvorbereitung mit #gottinoffenburg von Friederike Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Formatierungen von Identität und Wirklichkeit in digitalen Kulturräumen – Intention und Erfahrungen des Videowettbewerbs 1–31.tv von Jan Kuhn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Social Media, Medienbildung und Religionsunterricht von Jonas Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

DA_ZWISCHEN – Die Kirchengemeinde für‘s Smartphone von Felix Goldinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Kulturelle Diakonie: Instawalks in Kirchen von Felix Neumann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Filmische Zugänge von Thomas Belke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Material und Medien

INHALT

für die Pastoral2/2018 Meditation

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Björn SillerPriesteramtskandidat im Collegium Borromaeum und Social Media-Redakteur im Referat Kommunikation des Erzbistums Freiburg

BLICKWINKEL

1/2019 für die PastoralBlickwinkel

Was brauchts?

Eifrig ging es zu in einer Diskussion zum Thema Social Media. Dabei saß eine junge Frau neben mir, die mir erklärte, um was es hier ginge. Verblüfft reagierte sie, als ich mich, für sie einfach alt und dann noch Theo-loge, in die Diskussion einbrachte und als Nutzer von Social Media outete. Vorurteile, Ungläubigkeit und ein belächelt werden sind Reaktionen, die ich kenne, wenn ich von Social Media rede und zeige, wo ich unterwegs bin. Aber ist diese Reaktion so abwegig? Spiegelt sich da nicht eine Wirklichkeit wider? Oft erlebe ich in den aktuellen Diskussionen um Datenschutz und Social Media, dass das Smartphone noch immer nur ein neues Telefon ist, oder dass Ängste bestehen.

Dabei stellt sich die Frage: Gibt es die Chance zu einem neuen Ansatz der Diskussion? Können wir uns einmal über all die Fakten und Studien hinweg-bewegen und grundsätzlich ausloten, was unsere wirklichen Themen sind? Welche Antworten finden wir denn, wenn wir uns fragen, wie wir in Zukunft kommunizieren wollen? Wie will sich die Gemeinde der Zukunft in einem Heute formieren und intera-gieren? Was bedeutet das, wenn wir sagen: Social Media = Kommunikation? Wäre(n) es dann unsere Kommunikationsform(en)? Und wenn ja, welche Prämissen und Grundhaltungen für Kommunikation in einem christlichen Kontext müssten dann gelten? Was bräuchte es? Was ist unser geistliches Social Media-ABC?

Das eine tun und das Andere nicht lassen (vgl. Lk 11,42): Glauben lebt von Kommunikation, vom Mitei-nander, ganz besonders auch vom Face to Face! Aber

wie müssten wir Bibelkreis, Gemeindebrief oder die Predigt gestalten anhand neuer Kommunikations-formen?

Social Media zwingt uns, Fragen und Antworten zu finden, zu Themen, die uns oft genug fremd sind. Das liegt auch daran, dass es eine „Hürde“ aufgrund der Angst vor der Technik gibt. Daher noch ein Dis-kussionsansatz: Kommunikation in der Gemeinde geschah bisher am Sitzungstisch, bei Festen, vor der Kirche oder auch am Lagerfeuer des Sommerlagers. Setzen wir voraus, dass hier gute Kommunikation, erfolgreiche Glaubensvermittlung gelang, was können wir davon dann übernehmen, um dies an den neuen digitalen – und alltäglichen – Lagerfeuern als Christen und Christinnen einzubringen?

Wie wäre es also mit einem geistlichen Social Media-ABC (QR-Code scannen & mitschreiben erwünscht)?

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Erinnern Sie sich noch an die Werbespots der Inter-netprovider in den 90er Jahren? Allen voran Boris Becker mit seiner ikonischen Phrase: „Bin ich schon drin? – Das ist ja einfach!“ Damals galt das Internet noch als eine ganz andere, besondere, grenzenlose Welt – der Cyberspace, das Virtuelle, eine Welt, in der der Mensch nicht geht, sondern „surft“. Internet, das Virtuelle wurde zum Kontrast des Analogen. Da-

mals stand nichts so sehr für den Ausbruch aus der Wirklichkeit, wie das Piepsen des 56k-Modems. Da-mals vor nicht einmal 20 Jahren.Warum ich Ihnen das erzähle? Weil es so nicht mehr ist! Menschen, vor allem die jüngere Generation, geht nicht mehr online, sie ist online. Träumte die Gesell-schaft in den frühen 2000ern von einem zweiten Le-ben in einer virtuellen Welt, zeigt sich heute, dass es keine zwei getrennten Welten sind, sondern immer zwei ineinander verwobene Beschreibungen einer Wirklichkeit.Digitale Dienste, allen voran die sozialen Netzwerke, sind gleichzeitig Ausdruck unserer Lebenswelt und

DREI ZEICHEN UNSERER DIGITALISIERTEN GESELLSCHAFT

UND IHRE CHANCEN FÜR DIE GLAUBENSKOMMUNIKATION.

Digital – Eine neue Welt?

prägendes Element unseres Lebens. Schon die Kam-pagne von Barack Obama in der Vorwahl 2008 und der Präsidentschaftswahl 2009 hat den ungemeinen Einfluss des Digitalen auf die analoge Gesellschaft auf-gezeigt. Spätestens seit Donald Trump Themen wie Migration, Nordkorea und vermeintliche Wahlma-nipulation via Twitter diskutiert, zeigt sich, dass das Digitale und seine Themen eben nicht im Digitalen bleiben, sondern ganz konkreten Einfluss auf die Art und Weise der analogen Gesellschaft haben.Die Utopie eines Cyberspace hat sich nicht erfüllt. Wir haben kein zweites, digitales Leben erschaffen, sondern unser eigenes Leben digitalisiert. Damit wird auch deutlich, dass sich digitale Glaubensvermittlung nicht in einer Facebookseite, einer Bibelapp und vir-tuellen Kerzenständern erschöpft, sondern die Frage einer digitalen Glaubenskommunikation die kom-plette Art und Weise, wie wir aktuell über Glauben reden, auf Grundlage der aktuellen Zeichen der Zeit an- und hinterfragt. Dabei ist nicht entscheidend, dass das Endprodukt digital ist, sondern dass es zu einer digitalisierten Gesellschaft passt.In diesem Artikel werde ich drei Zeichen unserer digitalisierten Gesellschaft, ihre Bedeutung für die Glaubensvermittlung und ihre Chancen für digitali-sierte Glaubensvermittlung aufzeigen.

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ZUGÄNGE

für die PastoralZugänge

„Bin ich schon drin? – Das ist ja einf

ach!“

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VerfügbarkeitDas erste Zeichen einer digitalisierten Gesellschaft ist die Verfügbarkeit. Noch 2009/2010 haben nicht wenige meiner Freunde die für sie wichtigen SMSe in ein kleines Büchlein abgeschrieben. Heute undenkbar. Der Speicherplatz, den eine SMS belegt, ist bei der aktuellen Speicherkapazität moderner Smartphones nicht mehr relevant. Mit der Entwicklung von Flat- ratemodellen und flächendeckender Verbreitung von mobilem Internet, sorgten Streaming- und Cloud-dienste für eine ständige Verfügbarkeit an eigenen und geliehenen Daten. Als Jugendlicher pflegte ich noch meine mp3-Sammlung, heute habe ich durch Spotify kostenlosen und uneingeschränkten Zugriff auf 35 Millionen Songs. Auch das menschliche Wissen ist durch das Internet allgemein verfügbar geworden. Die Wikipedia hat schon längst jedes andere Erst-nachschlagewerk ersetzt und immer besser werdende Suchmaschinen können konkrete Fragen beantworten.Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, dass di-gitale Güter entgegen physischer Güter unendlich geteilt werden können. Die Verfügbarkeit ist unab-hängig von physischer Existenz. Theoretisch könnten alle Streamingkunden den selben Song zur selben Zeit hören. In einer Gesellschaft, in der prinzipiell alles leicht verfügbar ist, sind die Dinge, die es nicht sind, in der Wahrnehmung entweder sehr seltene Luxus-gegenstände oder nicht-real.Im Hinblick auf die Glaubenskommunikation stellt sich hier das Problem, dass das, was ich kommunizieren möchte, „Gott, das Transzendente“, per Definition nicht verfügbar ist. Deswegen ist es auch erstmal nicht verwunderlich, wenn Menschen Gott prinzipiell als nicht-existent wahrnehmen. Karl Rahner beschreibt diese Erfahrung in seinem Aufsatz „Der bekümmerte Atheismus“ wie folgt: „Wie erleben heute nur, dass man von Gott sich kein Bild machen kann, das aus dem Holz der Welt geschnitzt ist.“ Gott ist das Transzen-dente, das nicht Teil des Geschaffenen ist, sondern als Schöpfer über dem Geschaffenen steht.Für die Glaubenskommunikation bedeutet dies, dass sie kein Produkt „Gott“ oder „Glaube“ anbieten kann. Ein solches Produkt, das mensch sich aneignet, würde die Transzendenz Gottes ignorieren und ihn zu einem Götzen zusammenschrumpfen. Es gilt, der Person eine Erfahrung des Transzendenten zu ermög-lichen, damit sie potentiell eine Beziehung (Glauben) zum Transzendenten aufbauen kann. Grundlage die-ser Erfahrungen können nur Dinge sein, die die Per-son selbst erlebt, also Erfahrungen aus ihrem Leben.

Diese Erfahrungen können im Sinne einer Disclosure-Erfahrung (nach Edward Schillebeeckx) eine Tran-szendenzerfahrung werden.Genauso wenig wie Gott als Produkt angeboten werden kann, kann auch eine Transzendenzerfahrung nicht instruiert werden. Sie ist eine persönliche Er-fahrung. Einzig das Stimulieren von Transzendenzbe-wusstsein kann helfen, dass die Person eine Erfahrung als Disclosure-Erfahrung deutet.

IndividualitätAm 14. Februar 2005 ging YouTube online. Der Slo-gan bis 2011: „Broadcast yourself!” YouTube traf damit den Zeitgeist. Die Nutzer wurden motiviert, eigenen Content ins Netz hochzuladen, sich selbst auszuprobieren und selbst darzustellen. YouTube setzte als Geschäftsmodell auf das Charisma des Ein-zelnen und seinem Drang zur Selbstdarstellung. Da-mit war YouTube eines der ersten Portale, die kom-plett auf user-generated content setzen. User-generated content meint, dass die Inhalte der Plattform von den Nutzern der Plattform selbst stammen. YouTube produziert keine eigenen Inhalte, sondern lebt (und verdient) durch die Inhalte der Nutzer. Die Botschaft damals: Jeder kann Webvideo-Star werden! Jeder hat Talent und soll das präsentieren!Diese Entwicklung ist Ausdruck einer immer weiter voranschreitenden Entwicklung hin zur Individualisie-rung. Nicht mehr die Gruppe, sondern die eigenen Leistungen und erarbeiteten Überzeugungen sind ausschlaggebend für das eigene Leben.In Hinblick auf Glaubenskommunikation, und vor allem die Frage nach religiöser Bildung und Bindung, stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen Individualität und Gemeinschaft. Wie passen die spi-rituelle Identität und der persönliche Glaube zu einer

religiösen Gemeinschaft und zu konfessionellen Nor-mierungen?Um das zu klären, gilt es, den Prozess der Identi-tätsbildung als Grundlage der Individualisierung zu betrachten. Der Begriff der Identität ist vor allem durch den Psychologen Erik Erikson maßgeblich ge-prägt worden. Dieser definiert die Identität als die Frage „Wer bin ich?“ im Kontext von Zeit sowie

Die Botschaft damals: Jeder kann Webvideo-

Star werden! Jeder hat Talent und soll das

präsentieren!

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Tobias SauerKatholischer Theologe und strategischer Kommunikationsberater mit der Initiative ruach.jetzt

Fremd- und Selbstwahrnehmung. Aufbauend auf den Überlegungen von Erikson entwickelt der Psychologe James Marcia vier Entwicklungsstadien der Identität, die jeweils abhängig vom Ausmaß der Exploration und dem Ausmaß der Verpflichtung sind.Das Wissen über den Prozess der Identitätsbildung ist entscheidend für den Umgang mit der Individuali-tät. Ist mein Gegenüber in seiner spirituellen Identität „diffus“, braucht er keine Verpflichtungen, sondern Anreiz zur Exploration, während Personen im Status des Moratorium weitaus offener für die Entwicklung von Selbstverpflichtungen sind.

AufmerksamkeitZu keiner Zeit der Menschheit gab es so viele Infor-mationsquellen und Sender wie aktuell. Der Grund dafür ist, dass mit den neuen Medien und dem Kon-zept des user-generated content die Kosten für das Verbreiten von Informationen vernachlässigbar gering sind. Damit erreicht nicht mehr derjenige die meisten Empfänger*innen, der die Kosten für die Sender hat, sondern derjenige, der es schafft, aus den Massen an Angeboten herauszustechen, um die Aufmerksamkeit der Empfänger*innen zu erlangen. Aufmerksamkeit ist die wichtigste Ressource geworden, um seine Bot-schaft zu platzieren.Dies steht im direkten Kontrast zu der Einsicht, dass Gott nicht in Gewitter, Sturm oder Feuer, den lauten und aufmerksamkeitserregenden Dingen ist, sondern im leisen Säuseln, im Frequenzrauschen, im Dazwi-schen (1 Könige 19). Gott ruft jeden Menschen, aber er brüllt ihn nicht an.Wenn Glaubenskommunikation jedem Menschen die Möglichkeit eröffnen möchte, diesen Ruf zu hören, so bedarf es der höchsten Professionalität in der Kom-munikation. Dies gilt sowohl für die interne Kommu-nikation zum Menschen direkt, als auch die externe Kommunikation im Bewerben von Angeboten und Veranstaltungen.Es gilt neue Darstellungsformen der christlichen Verkündigung zu finden. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir über Gott sprechen im aktuellen Zeithorizont, im Sinne der aggiornamento, zu über-denken. Eine professionelle Glaubenskommunikation verwässert und relativiert Gott nicht, sondern sorgt dafür, dass das leichte Säuseln in einer Welt voller Krach wahrgenommen werden kann.Alles Wissen über Gott bringt der Kirche nichts, wenn sie es nicht im Sinne eines Werkzeugs (LG 1) Menschen dazu befähigt, Gott finden zu können.

Die Chancen für die GlaubenskommunikationDie digitalisierte Gesellschaft ist nicht glaubensfeind-lich, die analoge nicht zwingend glaubensaffin. Wohl aber erfordern die Veränderungen innerhalb der Gesellschaft auch eine Anpassung, in welcher Art und Weise wir über Glauben sprechen. Die Grundlage dafür ist die intensive Auseinandersetzung mit den Chancen in diesen Veränderungen.Zwar bedeutet eine stärke Betonung der eigenen Individualität eine grundsätzlich kritische Haltung ge-genüber Gemeinschaften. Auf der anderen Seite kann durch intensive Förderung der Exploration die eigene Glaubensidentität viel stärker ausgeprägt werden. Dies ist der Grundstein für die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. War es lange Zeit üblich, über Gemein-schaft zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Glau-ben zu finden, steht nun die Auseinandersetzung mit dem Glauben vor der Gemeinschaft mit Gläubigen.Um diese Auseinandersetzung mit der Frage nach dem eigenen Glauben und der Gemeinschaft von Religion zu ermöglichen, ist die Aufgabe von profes-sioneller Glaubenskommunikation, die grundsätz-lichen Botschaften präzise und verfügbar, das heißt in verständlicher Sprache, an die Wegkreuzungen der Menschen zu kommunizieren. Es gilt Produkte zu schaffen, die sowohl Nutzen für den Menschen jenseits von Glaube hat, als auch den Horizont zum Transzendenten hin aufschließt.Diese Produkte gilt es professionell und zielgruppen-gerecht zu gestalten. Der Inhalt kann noch so gut und wertvoll sein, wenn sich die Person nicht unmittelbar angesprochen fühlt, bleibt er unbeachtet.Eine solche Form der Glaubenskommunikation achtet die soziokulturellen Gegebenheiten und beschränkt sich nicht auf rein digitale oder analoge Produkte, sondern verbindet diese, wie das Gesellschaft heute insgesamt tut.

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Social Media in der Seelsorge?

Die kirchlichen Strukturmaßnahmen rufen Fragen nach zeitgemäßen Formen der Seelsorge im Raum der katholischen Kirche auf. Insbesondere in Anpas-sungen von kirchlichen Strukturen steht die Frage nach Prioritätensetzungen an. Für viele pastorale Mitarbeitende rangiert dabei die Seelsorge auf dem obersten Rang des vermeintlichen „Kerngeschäfts“, ohne dass dabei manche Idealisierung der Realität und Verklärung von Berufsbildern kritisch reflektiert wird. Einerseits ist darin Wertschätzung gegenüber seelsorglichen Tätigkeitsfeldern auszumachen. Ande-rerseits sind aber kritische Anfrage zu formulieren, wo lediglich Idyllen konstruiert werden, die wenig mit der Realität einer urbanen Großpfarrei, mit den Ab-läufen etwa in einem Universitätsklinikum oder den Alltagsroutinen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern zu tun haben.

Es genügt nicht, auf eine Gesprächsanfrage zu warten.Möglicherweise steht bei der Suche nach einer zeit-gemäßen Ausgestaltung von Seelsorge-Angeboten häufig ein klassisches Seelsorge-Verständnis im Hin-tergrund, das von unzeitgemäßen Romantisierungen bestimmt ist und damit als zunehmend inkompatibel zu den Lebenswelten einer modernen Gesellschaft im 21. Jahrhundert erscheint. Allzu häufig ist etwa das parochiale Seelsorgeverständnis von den Engfüh-rungen der Gemeindetheologie und einer biographie-begleitenden Sakramentenpastoral bestimmt. Die Stärke dieses Seelsorgebegriffs liegt eigentlich darin, Seelsorge nicht ausschließlich als individuelles Ge-sprächsangebot zu verstehen. Zwar ist das vertrau-liche Vier-Augen-Gespräch eine klassische und das allgemeine Verständnis wohl dominierende Format seelsorglicher Begleitung, allerdings ist es auch nur Teil einer Formenvielfalt. Und die Krise der Gemein-

de mit einem entsprechenden Seelsorgeverständnis wird insbesondere im Blick auf die gesteigerten Mo-bilitätsphänomene westlicher Gesellschaften im 21. Jahrhundert, wie auch der zunehmend heterogenen Positionsbestimmung von Christinnen und Christen gegenüber den kirchlichen Sozialformen unüberseh-bar.Selbstverständlich sind auch die eher kurzen Kon-takte im Umfeld von Kasualien, die vielfältigen Kon-takte in den unterschiedlichen Angeboten kirchlicher Beratungsstellen, die Arbeit mit kirchlichen Verbän-den und die Begleitung von Gremien als Bestandteil seelsorglicher Arbeit unter den Vorzeichen eines weiten Seelsorge-Verständnisses zu sehen. Gemein haben die verschiedenen Formen von Seelsorge, dass sie auf ein personales Beziehungsangebot aufbau-en. Dieses Beziehungsangebot muss nicht immer in Gestalt eines langjährigen Aufbauens von Vertrauen wachsen, sondern kann genauso durch kurze, punktu-elle und alltägliche Begegnungen mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern entstehen, wie sie gerade durch digi-tale Medien erleichtert werden.In einer gesellschaftlichen Situation, die zunehmend als „Kultur der Digitalität“1 zu bestimmen ist und in der zwischenmenschliche Kommunikation zu einem

erheblichen Teil im Bereich der Social Media ange-siedelt ist, stellt sich die Frage nach neuen Ansätzen der Seelsorge. Längst gehört der Austausch über digitale Medien im Bereich von Beratungsangeboten

Gemein haben die verschied

enen Formen

von Seelsorge, dass sie auf ein

personales

Beziehungsangebot aufbauen

.

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zur Selbstverständlichkeit. Hier eröffnen sich Wege zur Kontaktaufnahme, die den Lebensrhythmen von Menschen in postmodernen Gesellschaften entge-genkommen und Einzelnen die Bestimmung unter-schiedlicher Grade von Anonymität überlassen. Die beeindruckende Tradition einer verlässlichen und professionell-ehrenamtlichen Präsenz in der Tele-fonseelsorge zeigt, wie unverzichtbar ein kirchliches Einlassen auf zeitgemäße Medienformate ist. Ein pro-fessionelles und vor kurzem überarbeitetes Projekt für seelsorgliche Angebote im Internet wird von der „Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pasto-ral“ (KAMP) in Erfurt in Kooperation mit mehreren Diözesen verantwortet: www.internetseelsorge.de2. Dabei gibt es die Möglichkeit, mit einer persönlich vorgestellten Person aus einem Team über ein abge-sichertes, technisches Format (hier: AYGOnet) als Webmail-System in konkreten Kontakt zu treten.

Chancen der Digitalität entdecken und Ressentiments abbauen!Längst haben die Bistümer des deutschsprachigen Raumes die Arbeit mit den unterschiedlichen Platt-formen der Social Media für die eigenen Verkündi-gungsformate entdeckt. Das Engagement in diesem Bereich wird weithin als Ausdruck des eigenen Ver-ständnisses von Professionalität im pastoralen Agie-ren verstanden. Dennoch kommt es immer wieder zu problematischen Verengungen, wenn die Arbeit mit sozialen Netzwerken lediglich als Bestandteil der Jugendkultur des 21. Jahrhunderts eingeordnet wird3 oder klassische Verkündigungsformate lediglich auf neuen Wegen verbreitet werden sollen. Solche Rückgriffe in eine „vormoderne Medienpraxis“4 wirken schnell grotesk und lassen ein anhaltendes Ressentiment gegenüber den Eigenarten der Social Media erkennen. In der Regel wird dabei vor allem die Erwartung an eine persönliche Dialogbereitschaft unterschätzt.Aufbauend auf der Pastoralinstruktion „Communio et progressio“ aus dem Jahr 1971 hat die Deutsche Bischofskonferenz mit den jüngsten Positionspapieren einen positiven Zugang zu den digitalen Medien ge-sucht. So entstanden 2011 die Schrift „Virtualität und Inszenierung“ und 2016 die Schrift „Medienbildung und Teilhabegesellschaft“, mit denen aus vorrangig medienpädagogischer und medienethischer Perspek-tive die Chancen der Digitalität gewürdigt werden: „Digitalisierung bzw. der digitale Wandel sind als Megatrends prägend für Menschen in allen Bereichen

ihres Lebens. (…) Dies bringt völlig neue Möglich-keiten mit sich, die für alle, die daran teilhaben kön-nen und wollen, zunächst einmal neue Chancen der Kommunikation, Information, Bildung und Unterhal-tung bedeuten. Auf einer tiefer liegenden, individuell wie gesellschaftlich relevanten Ebene geht es um neue Formen der Integration von Leben und Arbeit, Freizeit und Gemeinschaft.“5

Wer jedoch YouTube, Twitter, Instagram und Co. nicht mehr als virtuelles Gegenüber zum realen

Gemeindeleben betrachtet, sondern als selbstver-ständlichen Bestandteil zwischenmenschlicher Be-ziehungspflege, wird sie als Ausdruck „phatischer Kommunikation“6 würdigen können: einander sehen, informiert sein und miteinander austauschen. Eine so verstandene Praxis der Social Media lässt schnell erkennen, dass es dabei nicht um eine asymmetrische Kommunikation gehen kann, in der eine belehrende Kirche lediglich ihre Botschaft verbreitet und Hilfsan-gebote vorstellt. Kommunikation in den Social Media erfordert markante Spielarten kommunikativer Kom-petenz als einer Grundvoraussetzung für die pastora-le Praxis und Seelsorge.7 Verkündigung und Seelsorge bauen auf unterschiedliche Weise auf ein Beziehungs-geschehen auf, in dem kirchliche Akteure auch als Individuen sichtbar sind. Deshalb genügt es nicht, sich hinter den standardisierten Internetseiten von Bistümern, Pfarreien, Orden oder kirchlichen Ein-richtungen zu verstecken. Stattdessen müssen auch einzelne Akteure sichtbar sein, Stellung beziehen und diese auch zur Diskussion stellen. Dies mag, gerade zu Beginn, unbequem sein, werden so doch auch ei-gene Vorstellungen hinterfragt. Außerdem werden hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da-durch gefordert, sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen und in öffentlichen Debatten Profil zu zeigen.

Datenschutz? Notwendiges AbwägenMit dem 25. Mai 2018 tritt die neue europäische Da-tenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) in Kraft. Zweck dieser Verordnung ist die Vereinheitlichung

„Digitalisierung bzw. der dig

itale Wandel sind

als Megatrends prägend für M

enschen in allen

Bereichen ihres Lebens. (…

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der europäischen Standards und Regelungen zum Datenschutz.8 Mit dem Anliegen des Datenschut-zes entsteht die Tendenz, dass bestehende Social Media-Aktivitäten eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Aus Furcht vor rechtlichen Konsequenzen könnten auch im Bereich der Seelsorge Ansätze in den Social Media ausgebremst werden.Auf Grund der fortschreitenden technischen Ent-wicklung ist es auch auf legislativer Seite unabdingbar, die entsprechende Gesetzgebung den neuen Möglich-keiten der Social Media anzupassen. Daher sind die bisherigen Bestimmungen oft als veraltet kritisiert und Regelungsbedarf konstatiert worden. Mit der ge-setzlichen Neubestimmung wird versucht, hier anzu-setzen. Jedoch bedarf es – wie bei allen gesetzlichen Regelungen – fortlaufender Anpassungen an je neue technische Möglichkeiten. Diese lernende Haltung der Legislative erfordert auch das Lernen auf Seiten der Anwenderinnen und Anwender.Ein Ziel der EU-Verordnung ist, die Interessen von Nutzenden gegenüber Konzernen und Staaten zu schützen und so Machtasymmetrien abzubauen.9 Dies soll unter anderem durch die Stärkung der Selbstaus-kunftsrechte der Nutzerinnen und Nutzer bewirkt werden, wie auch auf einen generell höheren Schutz der Daten abzielen.Um mit den Neuerungen zugleich das Medienbe-wusstsein von Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, wurden eigens das Informationsportal www.Deine-DatenDeineRechte.de sowie der #DeineDatenDei-neRechte in Kooperation von Justizministerium und Verbraucherschutz eingerichtet.

Kirchlicher Umgang mit dem neuen DatenschutzDie neuen EU-Regelungen erfordern auch auf kirch-licher Seite eine Anpassung der Verordnung zum Datenschutz10. Daher tritt mit dem 24. Mai 2018 das Kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) in Kraft und löst damit die bisherige Kirchliche Datenschutzver-ordnung ab.11 Für die Einbindung der Social Media in die pastorale Arbeit sind aktuelle verbindliche Regelungen essentiell. Indem die deutschsprachigen Bistümer das KDG erlassen, nehmen sie die Poten-ziale der Social Media ernst. Mit dem KDG wird sich jedoch gleichzeitig der Aufwand, Daten zu verwalten, erhöhen.Einerseits wird mit dem KDG auf berechtigte Sorgen von Medienkritikerinnen und -kritiker eingegangen und es kann so zu einer neuen, bewusst entschie-

denen und verantwortungsvollen Nutzung der Social Media kommen. Anderseits kann die Frage des Da-tenschutzes pastoral Mitarbeitende hemmen, soziale

Medien für ihre Arbeit zu nutzen. Derart restriktive Vorgaben beziehen sich derzeit schon auf die dienst-liche Nutzung von WhatsApp. Sie erfordern vor allem, von Nutzerinnen und Nutzern die ausdrück-lichen Zustimmungen zum Sammeln und Verwalten von personenbezogenen Daten einzuholen.Nun aus einer Position der Angst heraus gänzlich auf Social Media-Formate zu verzichten, wäre der falsche Weg und stünde einer den Menschen zugewandten Kirche konträr entgegen. Wenn Seelsorge die Men-schen erreichen will, muss sie auch die Lebenswirk-lichkeit der Menschen und die sozialen Medien als Teil ihres Alltags ernst nehmen.

Ansätze für Gebet und Seelsorge im InternetLängst gelten digitale Medien als einer der wichtigen, dezentralen Orte zur Information über örtliche Got-tesdienste, Regelungen der Sakramentenpastoral, Informationen zu unterschiedlichen Beratungsfeldern in Einrichtungen oder einfach als Form der Kontakt-aufnahme. Eine professionell gestaltete Präsenz von Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen im Internet ist deshalb vielen eine Selbstverständlichkeit. Dass dies jenseits einer bloßen Marketinglogik auch Aus-druck einer „nachgehenden Pastoral“12 sein kann, ist jedoch noch unzureichend im Blick. So finden sich Möglichkeiten, Gebetsanliegen mitzuteilen13, liturgische Elemente wie z.B. Tageslesungen zu ver-breiten und zu diskutieren. Einer Seelsorge, in der die spirituelle und liturgische Praxis einen integralen Bestandteil ihrer Konzeption ausmacht, dürfte an diesen liturgischen Ansätzen innerhalb der digitalen Medien gelegen sein.14 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus zu problematisieren, wenn kirchliche Prä-senz im Internet auf die Möglichkeit von Diskussionen in Chatforen oder den Social Media verzichtet, damit hinter den Standards zeitgemäßer Dialogfähigkeit zu-rückbleibt und so nicht für Menschen erreichbar ist,

Nun aus einer Position der A

ngst heraus

gänzlich auf Social Media-Formate zu

verzichten, wäre der fals

che Weg und stünde

einer den Menschen zugewandten Kirche

konträr entgegen.

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1 Stalder, Felix: Kultur der Digitalität, Berlin 2016.2 Vgl. zur Genese des Angebotes in seiner ersten Variante in Verantwortung der „Katholischen Glaubensinformation“

(KGI): Lay, Manfred: Ein Seil aus dünnen Fäden. Internetseelsorge, in: Purk, Erich (Hg.): Ortswechsel. Auf neue Art Kir-che sein, Stuttgart 2003, 111–118.

3 Vgl. Daigeler, Eugen: Jugendliturgie. Ein Beitrag zur Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils im deutschen Sprach-gebiet, Regensburg 2012, 491.

4 Beck, Wolfgang: Die katholische Kirche und die Medien. Einblick in ein spannungsreiches Verhältnis, Würzburg 2018, 152.

5 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit. Impulse der publizis-tischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz zu den Herausforderungen der Digitalisierung, Bonn 2016, 25.

6 Dueck, Günther: Flachsinn. Ich habe Hirn, ich will hier raus, München 2017, 73.7 Nauer, Doris: Seelsorge. Sorge um die Seele, Stuttgart 32014, 299.8 Gründe Nr. 10, EU-Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 vom 27. April 2016.9 Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Hg.), Datenschutz-Grundverordnung. Info 6,

Bonn 52017, 7.10 Präambel, Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des

Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 20.11.2017.11 §58, KDG.12 Gelhot, Rainer: Internet-Seelsorge aus unserer Sicht, in: Ders. / Lübke, Norbert / Weinz, Gabi (Hg.): Per Mausklick in

die Kirche. Reale Seelsorge in der virtuellen Welt, Düsseldorf 2008, 53-60, 59.13 Lienau, Anna-Katharina: Gebete im Internet. Eine praktisch-theologische Untersuchung, Erlangen 2009, 309.14 Böntert, Stefan: Gottesdienste im Internet. Perspektiven eines Dialogs zwischen Internet und Liturgie, Stuttgart 2005,

220.15 Vgl. Knatz, Birgit: Handbuch Internetseelsorge. Grundlagen – Formen – Praxis, Gütersloh 2013, bes. 229–298, 298.

Wolfgang BeckLehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik, Leiter des Studienprogram Medien an der PTH Sankt Georgen in Frankfurt am Main; Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD.

Madeleine Helbig-LondoWissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik an der PTH Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

die auf (anonymen) Wegen seelsorgliche Begleitung in Krisenerfahrungen suchen.15 Es ist problematisch, wenn Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie kirch-liche Amtsträger eine persönliche Präsenz in sozialen Medien nur vorgeben, sich bei näherem Hinsehen jedoch hinter der institutionellen Präsenz verstecken oder den persönlichen Kontakt an andere delegieren.

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Blickt man heute auf die Entwicklungsgeschichte des Diskurses über das Internet zurück, so lässt sich eine Verlaufskurse von der Utopie zur Dystopie beobachten. Digitale Öffentlichkeiten wurden in der Frühphase des Internets noch als telematisches Pfingstwunder gefeiert. Der Grundtenor der öffent-lichen Debatte war dabei die Feier vernetzter Kom-munikationssysteme. Erst im Medium des Computers wird es möglich, die Vorteile schwacher Netzwerke zu nutzen und Teilpublika, die vorher unvernetzt nebeneinander existierten, zusammenzuführen. Die-se Euphorie und Emphase scheint heute verflogen. Netzkommunikation wird heute vor allem als das irrationale Wüten eines digitalen Pöbels wahrge-nommen, der das Internet als Ort des kollektiven Ressentiments missbrauche, seinen Leidenschaften, Affekten und ungehemmten Hass dort freien Lauf lasse. Diesem digitalen Pöbel gehe jene rationale Di-stanz ab, die der bürgerliche Öffentlichkeitsdiskurs seit jeher als Bedingung der Möglichkeit gelungener öffentlicher Diskursivierung veranschlagt. Und tat-sächlich hat diese Diagnose ja auch einige Plausibilität, wenn man sieht, wie sich der Ton im Zuge der soge-nannten Flüchtlingskrise in den sozialen Netzwerken radikalisiert hat. Dass das Internet weniger Heilsbrin-ger als Verderbnis sei, wird weiterhin im Hinblick auf Praktiken der Privatheit problematisiert. Die Rede ist vom gläsernen Bürger, der staatlich und ökonomisch

Von der Utopie zur Dystopie?EMPIRISCHE ANMERKUNGEN ZU ENTWICKLUNGSLINIEN DER SOZIALEN MEDIEN

ausgespäht, den letzten Rest seiner Privatheit im Netz einbüßen würde. Eine empirische Analyse der Schreibpraktiken im Web 2.0, die den konkreten Um-gang mit und die spezifische Herstellung von privaten und öffentlichen Formen und Stilen betreffen, kann vor diesem aufgeregten Hintergrund vielleicht einige überraschende Tendenzen sichtbar machen. Eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Untersuchung der Kommunikations-Praktiken im Web 2.0 (Wagner / Stempfhuber; 2014–2016) konnte so etwa unterschiedliches zeigen:

Unbestimmtheit als kommunikative Lösung des Problems der Privatheit im NetzUnbestimmtheit (Wagner/Stempfhuber 2013) von kommunikativen Offerten und Anschlusskommunika-tionen sind funktional für die Emergenz der Kommu-nikationsstruktur im Web 2.0 – sie führen zu vielfäl-tigen Anschluss- und Verknüpfungsmöglichkeiten und damit zu neuartigen Kombinationen von Nähe und Distanz, die für die Spezifizität und den Ordnungsauf-bau von Kommunikation im Web 2.0 relevant sind. Gleichzeitig dienen unbestimmte Kommunikationsof-ferten wie etwa ironische Postings dazu, das Problem der Privatisierung bestimmter Inhalte vor dem un-bestimmten Publikum des Netzwerks zu bearbeiten. Ein Musikvideo etwa, das auf das private Gespräch am Vorabend im Club zwischen zwei Personen Be-

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zug nimmt, muss nicht von allen übrigen Netzwerk-Teilnehmern genauso entschlüsselt werden, wie von den beiden Protagonisten – gleichzeitig können alle verlinkten Teilnehmer das Musikvideo ansehen und -hören und dieses womöglich kommentieren. Un-bestimmte Kommunikationsangebote führen also zu einem praktischen Umgang mit dem Schutz der Pri-vatsphäre in der Öffentlichkeit des Netzwerks.

Listen: Symmetrische und diskontinuierte PublikaBeobachtet man die mediale Anordnung der Kommu-nikation etwa auf der Social Network Site Facebook fällt auf, dass jegliche Kommunikationspraktiken auf Facebook listenförmig angeordnet sind: die Start-seite (Timeline) auf Facebook funktioniert im Sinne einer Liste; weiterhin bestehen: Freundeslisten, Gruppenlisten, Veranstaltungslisten und schließlich wird das eigene Profil auch als Liste sichtbar. Der empirische Befund hierzu lautet: das mediale Format prägt die Schreibpraktiken eindeutig. Im Falle der Liste sind dies Verzeitlichung, Symmetrisierung und Diskontinuierung von Kommunikationsofferten. Alle drei Momente haben entscheidenden Einfluss auf die Veröffentlichungspraktiken auf Facebook: Die radi-kale Verzeitlichung von Themen auf der Startseite – nahezu jede Minute erscheint ein neuer Post – führt dazu, dass Diskussionen und Diskurse wesentlich schnelllebiger ausfallen als in herkömmlich gerahmten Debatten wie etwa jene, die durch die klassische Zei-tungsberichterstattung vermittelt werden. Diskurse kochen entsprechend schnell hoch, brechen genauso

schnell wieder ab und richten sich wieder auf neue Themen. Die mediale Anordnung von Postings als Li-ste führt weiterhin zur Symmetrisierung von Sprecher-positionen innerhalb der Öffentlichkeit auf Facebook. Da die Anordnung der Postings nicht thematisch, sondern algorithmisch gesteuert wird, entsteht eine Art chaotische Aneinanderreihung von Postings – auf das eigene Posting, das ein Musikvideo beinhalten kann, folgt möglicherweise ein Posting des Bundes-verfassungsgerichts, ein Posting der Radio-Sendung Zündfunk (Bayern 2) usw. Die solchermaßen herge-stellte zumindest thematisch symmetrische Diskursa-

nordnung in der Öffentlichkeit auf Facebook unter-scheidet sich damit maßgeblich von der eher asymme-trischen eines klassischen Zeitungsdiskurses, in dem die Themenauswahl nach der sorgfältigen Auswahl durch professionelle Journalisten erfolgt. Der Effekt dieses Mechanismus ist, dass Sprecher symmetrisch angeordnet werden und nicht einer asymmetrischen Diskursformation unterliegen. Schließlich zeigt die empirische Beforschung der listenförmigen Anord-nung von Inhalten das Phänomen der Diskontinuierung von Kommunikationspraktiken. Anders als in einem klassischen Diskursraum werden in der Öffentlichkeit auf Facebook Themen und Argumente nicht mehr un-bedingt hierarchisch abgearbeitet. Vielmehr zeigt sich auch hier eine Art chaotische Aneinanderreihung von Themen und möglichen Kommentaren. Diskurse zer-fasern dadurch, sie werden nicht mehr hierarchisch gebündelt im Sinne der Abfolge von Argument und direkt darauf bezogenes Gegenargument; vielmehr zeigt sich eine „wild“ anmutende Diskussionskultur, die einem nicht eingeweihten Publikum sogar weitge-hend sinnfrei erscheinen kann.

Intimisierte ÖffentlichkeitenInnerhalb der Öffentlichkeitssoziologie geht man von einem Universalismus bürgerlicher Publika aus. Jedermann-Beteiligung und All-Inklusion sind Kate-gorien, die bürgerliche Öffentlichkeit einmal ausge-zeichnet haben. Dass sich diese beiden Kategorien wandeln, hatte bereits Habermas (2008) diskutiert, als es um den Einsatz des Internets und die dort sich versammelnden Öffentlichkeiten ging. Die Virtuali-sierung von bürgerlicher Öffentlichkeit führe zwar einerseits zu mehr Partizipation, gleichzeitig aber zu einer Fragmentierung jenes Diskursraums, dem es einmal gelungen war, zumindest als normatives Prin-zip alle relevanten Stimmen aufeinander zu beziehen, so Habermas. Das Internet versammelt entsprechend unterschiedliche Öffentlichkeiten, die gleichzeitig ne-beneinander bestehen. Eine Form hiervon ist die so-genannte f ilter bubble (Pariser 2012). Eli Pariser geht in seinen Ausführungen zur f ilter bubble davon aus, dass sich Öffentlichkeiten im Internet algorithmisch gesteuert so verdichten, dass allein ein personalisier-tes Netzwerk übrig bleibt, das Irritationen von außen ausblendet. Dies führt zu einer Verkümmerung jener Form von Öffentlichkeit, die die bürgerliche Gesell-schaft einmal hervorgebracht hatte, nämlich: einen offenen, für jedermann zugänglichen Diskursraum: „In der Filter Bubble bekommt man keine komplette

Der empirische Befund hierzu lautet: das

mediale Format prägt die Schreibpraktik

en

eindeutig.

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Aus allen Kirchengemeinden wirken Christinnen

und Christen geradezu selbstve

rständlich Seite

an Seite mit anderen Bürgerinnen u

nd Bürgern.

Lageerfassung, keinen Rundumblick, sondern immer nur einen kleinen Ausschnitt.“ (Pariser 2012: 151) Die solcherart organisierte personalisierte Öffentlichkeit führe schließlich zum Absterben politisierter Diskurs-formationen (Pariser 2012: 159).Einerseits durch Algorithmen, andererseits durch Nutzerpraktiken verdichtet sich Öffentlichkeit auf der Social Network Site Facebook zu einer Art inti-misierten Öffentlichkeit (Wagner 2014; Wagner/Fory-

tarczyk 2015). Algorithmen steuern die Inhalte der auf der Startseite von Facebook sichtbar werdenden Postings solchermaßen, dass allein die vom Nutzer am meisten frequentierten Seiten angezeigt werden. Gleichzeitig wird hieran aber auch sichtbar, dass Nut-zer eine Umgangsmöglichkeit mit den algorithmisch gesteuerten Inhalten auf der Startseite von Facebook haben können – der Algorithmus orientiert sich an ihren aktiven Klicks und Likes und errechnet danach das personalisierte Netzwerk. Die These Parisers hat sich entsprechend als allgemein gültiges Paradig-ma zur Beschreibung von Öffentlichkeiten auf Social Network Sites wie Facebook inzwischen weitgehend durchgesetzt. So hat auch Jan Schmidt diese Entwick-lung mit seinem Konzept der „persönlichen Öffent-lichkeiten“ (Schmidt 2011) zu beschreiben versucht. Neben der Form der intimisierten Öffentlichkeiten auf Facebook kann eine empirische Perspektive indes noch weitere Aspekte der Öffentlichkeitserzeugung identifizieren (Barth/Wagner 2016). Die öffentliche Praxis des wohl temperierten deliberativen Aus-

tauschs und der taktvoll-distanzierten Geste „läuft heiß“. Facebook erzeugt private Nischenöffentlich-keiten. In ihnen treffen dann authentische Sprecher

aufeinander, die weder vernünftig diskutieren, noch selbstreflexiv auf Distanz zu sich gehen, sondern viel-mehr eine Form affektiver Befindlichkeitskommunika-tion als erhitzte öffentliche Praxis inszenieren. Jürgen Habermas stellte Öffentlichkeit noch im Medium guter Gründe scharf. Im Medium des Netzwerks fin-den wir auf Social Network Sites nun erhitzte öffent-liche Praktiken der Authentizität. Als Beschreibungs-folie für diese kommunikativen Formen „kollektiver Enthemmungen“ hat sich in der öffentlichen Debatte das Label der „Shitstorms“ bzw. „Candystorms“ pro-minent etabliert. Diese affektive Dynamik öffentlicher Diskursivierung lässt sich als hitzige massenhafte Kommunikation lesen.

FazitDen Diagnosen eines Zeitalters der „post privacy“ oder einer vollkommen durchgesetzten „Transpa-renzgesellschaft“ widersprechen die hier vorgestell-ten Ergebnisse eines empirischen Forschungspro-jektes: sie lassen durchaus einen Umgang von Nutze-rinnen und Nutzern mit dem Web 2.0 aufscheinen, die kreative Privatisierungpraktiken sowohl einüben als auch wertschätzen. Man kann Schreibpraktiken und Thematisierungen begegnen, die ein hohes Maß an geschicktem Umgang mit der Herstellung von Zugriffs- und Verstehensgrenzen aufweisen. Im An-schluss an die Formulierung von Felix Stalder (2016), der zeitgenössisch einen „vernetzten Individualismus“ zu erkennen glaubt, kann man von einer „vernetzten Privatheit“ sprechen, die praktisch mit der symmetri-schen Sichtbarkeit der vernetzten Nutzerinnen sowie Nutzern umgeht und gleichzeitig den Zumutungen unbestimmter Publika und Institutionen des data mi-nings entgegenarbeitet.

Elke WagnerProfessur für spezielle Soziologie und qualitative Forschung am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Würzburg

Als Beschreibungsfolie für die

se

kommunikativen Formen „kollektiver

Enthemmungen“ hat sich in

der öffentlichen

Debatte das Label der „Shitstorms“ bz

w.

„Candystorms“ prominent etab

liert.

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Die Erzdiözese Freiburgim Web …

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ERFAHRUNGEN

1/2019 für die Pastoral

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als 4.600 Fans hat allein die Facebook-Präsenz der Erzdiözese Freiburg: Darüber werden derzeit pro Woche bis zu 18.000 Menschen erreicht. Hinzu kom-men etliche tausend oder gar zehntausende Fans di-verser Verbands- oder diözesaner Einrichtungsseiten, deren Reichweite in der Summe in die Hunderttau-sende geht. Dabei findet auf diesen Seiten keine Ein-bahn-Kommunikation statt, sondern wirklicher Dia-log. In keinem anderem Medium, das mit kirchlichen Inhalten bespielt wird, findet ein derart intensiver Austausch unter Kirchenmitgliedern statt wie auf Facebook. Und noch eins kommt dazu: Auch wenn Facebook mittlerweile die jüngeren Nutzer (also die unter 24jährigen) immer weniger anspricht, so sind die Nutzer hier im Vergleich zu sonstigen Zielgrup-pen kirchlicher Kommunikation im Durchschnitt sehr jung. Alleine bei Instagram – einem weiteren Sozialen Netzwerk, in dem die Erzdiözese Freiburg aktiv ist – sind sie noch jünger. Aktiv sind kirchliche Anbieter auch auf der Video-Plattform YouTube, die sich auch unter den großen Sozialen Netzwerken einordnen lässt.

Soziale Medien – alternativlos in der kirchlichen Kommunikation?Dr. Michael Hertl ist Pressesprecher und Leiter des Referates Kommunikation im Erzbistum Freiburg. In seinem Erfahrungsbericht beschreibt er die absolute Relevanz des Dialoges in den Sozialen Medien und appelliert an das Mitwirken zu einer respektvollen Kommunikation in den virtuellen Lebenswelten. (Red.)

Soziale Medien stellen somit ein bedeutsames Wachs-tumssegment im Spektrum kirchlicher Kommunikati-on dar. Inhaltlich ist hier eine große Bandbreite mög-lich: von expliziter bis impliziter Verkündigung über Testimonials, Veranstaltungshinweise und interaktive Formate bis hin zu Livestreams lässt sich über Sozi-ale Medien praktisch die gesamte Bandbreite dessen medial kommunizieren, was heute technisch möglich ist. Wenn es dabei auch noch gelingt, einzelne Bot-schaften viral gehen zu lassen, sind dabei Reichweiten zu erzielen, die denen traditioneller Medien in nichts nachstehen.Menschen nutzen heute Soziale Netzwerke zum In-formations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement als selbstverständlichen Teil ihres Lebens. Auch das ist ein Grund dafür, dass Kirche hier präsent sein muss.Angesichts diverser datenschutzrechtlicher Problem-anzeigen, die sich aus der Nutzung der genannten Netzwerke ergeben, muss man sich aber mit der Frage auseinandersetzen, ob die Sozialen Medien deshalb alternativlos sein können. Man muss sich immer darüber klar sein, dass das Geschäftsmo-

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dell der genannten Plattformen darin besteht, mit den Daten ihrer Nutzer Geld zu verdienen. Dabei muss es nicht soweit gehen, dass bestimmten, gut zahlenden Unternehmen, komplette Nutzerprofile quasi verkauft werden, um damit hochspezielle und politisch mitunter fragwürdige Kampagnen durchzu-führen. Es beginnt bereits damit, dass Werbung unter Auswertung individueller Eigenschaften, Vorlieben oder Verhaltensweisen personalisiert wird, ohne dass dem Nutzer dies bewusst gemacht wird. Nach einem Urteil des EuGH vom Juni 2018 sind Anbieter von Unternehmensseiten (zu denen auch die kirchlichen Seiten gehören) dazu verpflichtet, den Datenschutz der Nutzer gemeinsam mit Facebook sicherzustellen. Da Facebook den Seitenbetreibern diese Daten aber gar nicht zugänglich macht, besteht die Gefahr, dass sie gegen die DSGVO verstoßen, wenn sie ihre Seite weiter betreiben.Weil die Aus- bzw. Verwertung von Daten die Grundlage des Geschäftsmodells der meisten Sozia-len Netzwerke sind, sind für die Zukunft zwei Szena-rien vorstellbar: Entweder wird es weitere, ähnlich gelagerte juristische Auseinandersetzungen zwischen Facebook und den Datenschützern geben, die letzten Endes den Betrieb von Facebook – zumindest in Eur-opa – so unrentabel machen, dass es hier nicht mehr genutzt werden kann. Die andere Variante wäre, dass Facebook künftig weniger vermarktbare Daten seiner Nutzer erhebt und dafür das Angebot – vor allem für Anbieter gewerblicher Inhalte – kostenpflichtig gestaltet. Im Gegenzug würden diese Anbieter einen vollständigen Zugriff auf die Nutzerdaten erhalten, um damit verantwortlich im Sinne der Nutzer umge-hen zu können. Beide Varianten machen aber deut-lich, dass sich zwar die Art und Weise ändern lässt, in der mit Sozialen Netzwerken Geld verdient wird, dass aber das „Prinzip Social Media“ nicht wieder verschwinden wird.Insofern bleibt es Teil kirchlicher Medienkompetenz, die Kommunikation über Soziale Netzwerke pro-fessionell zu bedienen. Dies sollte aber immer mit einem kritischen Blick auf die jeweiligen Geschäfts-modelle und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen geschehen. Außerdem muss den Inhal-teanbietern immer bewusst sein, dass sie sich nicht in eine alleinige Abhängigkeit bestimmter Plattformen begeben dürfen, selbst wenn diese Marktführer sind. Deshalb wäre es z.B. ein großer Fehler, die eigene In-ternetpräsenz zugunsten einer alleinigen Präsenz auf Facebook aufzugeben. Denn mit einem Marktrückzug

– oder auch nur im Zuge einer abnehmenden Popu-larität – von Facebook wäre unmittelbar das eigene Verschwinden verbunden. Am besten vorgebeugt werden kann dem durch eine Multi-Channel-Präsenz, die auch kontinuierlich neue Angebote wahrnimmt und testet, um die eigene Strategie auf diese Entwick-lungen anpassen zu können.Ein Anbieter von Medienkompetenz wie die Kirche sollte sich zugleich an Debatten über Datensouve-ränität und informationelle Selbstbestimmung betei-ligen. Dieses „Recht an den eigenen Daten“ ist aus der Menschenwürde abgeleitet, der sich die Kirche verpflichtet sieht. Daher ist es wichtig zu wissen, wie Soziale Netzwerke „funktionieren“, welche Vor- und welche Nachteile ihre Nutzung hat. In ihren Gremien sollte die Kirche zum Beispiel auch prüfen, ob sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Projekte wie „Solid“ (Social Linked Data) des „WWW-Erfinders“ Tim Berners-Lee unterstützen kann. Dieses Modell zielt

darauf, dass Nutzer immer die Verfügungsgewalt über ihre Daten behalten und damit nach eigenem Wunsch von Anbieter zu Anbieter wechseln können.Und kirchliche Anbieter müssen schließlich auch da-ran mitarbeiten, die Kommunikationskultur in den Sozialen Netzwerken zu pflegen, indem sie dort für Wahrhaftigkeit und gegenseitigen Respekt eintreten. Soziale Netzwerke sind nämlich kein vom „realen Le-ben“ abgetrennter Bereich der „Virtualität“, sondern Teil der Lebenswirklichkeit. Wenn Christen in diesen Medien also am respektvollen Stil ihrer Kommunika-tion erkannt werden, tragen sie auch damit zu einer Kultur des Miteianders bei.

Michael HertlPressesprecher und Leiter des Referats Kommunikation des Erzdiözese Freiburg

Ein Anbieter von Medienkompetenz wie die

Kirche sollte sich zugleich

an Debatten

über Datensouveränität und infor

mationelle

Selbstbestimmung beteiligen

.

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Die Kirche hat von Anfang an die Medien für ihre Verkündigung aktiv genutzt: in der Antike den Brief-verkehr, seit dem Mittelalter den Buchdruck und die Printmedien, in der Neuzeit Radio und Fernsehen für die audio-visuelle Verbreitung ihrer Botschaft. Seit Jahren beobachte ich interessiert und auch kritisch die Entwicklung der neuen Medien und der Sozialen Netzwerke. Mir ist klar geworden: Die Kirche muss auch diese Möglichkeiten nutzen, um mit ihnen die Menschen zu erreichen. Fast jeder in Deutschland ist heute – mehr oder weniger – digital aktiv. Apps und Online-Angebote haben bei jungen Leuten – aber nicht nur bei ihnen – die klassischen Informationska-näle wie Radio, Fernsehen und Tageszeitung abgelöst. Allein deshalb muss die Kirche sich heute auch in diesen Medien bewegen. Daher bin ich auch selbst seit 2012 auf Facebook, Twitter und Instagram aktiv, um so den Menschen, die durch diese Netzwerke ansprechbar sind, zu begegnen und ihnen Botschaften des Glaubens zu vermitteln. Meine persönlichen Seiten pflege ich selbst. Zu Hause arbeite ich am PC, unterwegs habe ich mein Tablet und Smartphone bei mir. Beim Gehen, Laufen oder im Auto, wenn ich Gespräche führe, lese, nachdenke oder bete, fallen mir Gedanken ein, die ich für mit-teilenswert erachte; diese twittere oder poste ich dann. Ich berichte auf meinen Accounts von Ereig-

Auch Jesus würde twittern

WARUM ICH ALS BISCHOF DIE SOZIALEN MEDIEN

NUTZE, WIE UND WOFÜR!

„Auch Jesus würde twittern“ – so lautet die Überschtrift des Erfahrungsberichts von Erzbischof Dr. Ludwig Schick. Er beschreibt eindrucksvoll, wie er sich als Erzbischof in den virutellen Lebensräumen der Menschen einbringt. (Red.)

nissen, die mir wichtig erscheinen, und kommentiere aktuelle Vorgänge und Verlautbarungen aus der Sicht der Kirche. Über die Sozialen Netzwerke erreiche ich Menschen und pflege Kommunikation mit ihnen, die ich sonst nicht erreiche. Ich bin sicher, dass Jesus heute Twitter, Facebook, YouTube etc. nutzen würde. Schließlich hat auch er sich schon vor 2.000 Jahren aller Möglichkeiten bedient, die ihn in Kontakt mit den Menschen bringen konnten.

Die Aktivität in den Sozialen Netzwerken darf für einen Bischof sowie für jede Kirchenfrau und jeden Kirchenmann keine bloße PR-Aktion sein. Das Inter-net muss man als Raum sehen, der zum Leben vieler Menschen heute dazu gehört. Im Internet begegnet man Menschen mit ihrer Freude und Hoffnung, mit ihrer Trauer und Angst. Das erfordert Respekt und Wohlwollen! Vieles, was früher im Familien- oder Freundeskreis, auf dem Kirchplatz oder am Stamm-tisch von Angesicht zu Angesicht besprochen wurde, wird heute oft im Netz thematisiert: die Lebensge-staltung, Glaube, Werte, Ethik. Viele Menschen sind in den Medien auf der Suche nach Antworten auf ihre existentiellen Fragen. Als Bischof bin ich zuerst Seel-sorger, der Kontakt mit den Menschen pflegt und auf das hört, was sie beschäftigt, der ihre Freuden teilt und ihnen in ihren Sorgen und Nöten Trost und Bei-

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stand vermittelt. Über Facebook können mich Men-schen ansprechen und ich sie, die ich anders nicht erreichen kann, auch weit über die Grenzen des Erz-bistums hinaus. Leider kann ich aus Zeitgründen nicht auf alle Tweets und Posts eingehen und mit jedem in einen ausführlichen Dialog treten. Aber was möglich und sinnvoll ist, tue ich. Meine Auftritte in den Sozialen Netzwerken verstehe ich als ein niederschwelliges Angebot, aus dem mehr aktive Teilnahme am Glauben werden soll. Besonders um Jugendliche, junge Erwachsene oder junge Fami-lien zu erreichen, sind die neuen Medien unabdingbar. Sie bieten, vor allem für diese Altersgruppe, die Mög-lichkeit, in eine zunächst unverbindliche Kommunika-tion mit der Kirche zu treten. Durch sie kann jede/jeder Informationen erhalten und sich frei äußern, auch ein Dialog über verschiedene Anschauungen ist

möglich. Von diesen neuen Formen kann die klas-sische Verkündigung in Predigten, in Gottesdiensten, Gesprächs- und Gebetskreisen sowie im Religionsun-terricht profitieren.Ich bekomme auf meine Tweets und Posts viele po-sitive Rückmeldungen, aber natürlich auch immer wieder kritisches Feedback, teils auch Ablehnung und sogar Häme oder Beleidigungen. Damit muss jeder, der online geht, rechnen und dies bis zu einem ge-wissen Grad auch ertragen. Mir geht es nicht darum, allen zu gefallen, sondern darum, authentisch und engagiert zu kommunizieren. Ich poste, was ich für richtig und wichtig erachte, auch wenn es unpopulär ist und wenig Beifall erzeugt. Manche Beiträge werden von vielen gelesen oder an-geschaut, andere stoßen auf wenig Resonanz. Selbst wenn ein Beitrag nur wenige Leser erreicht, so kann er doch bei diesen tiefgreifende Wirkung zeigen. Ich denke auch beim Nutzen der neuen Medien an das Gleichnis vom Sämann (Mk 4,3-9): Ein Teil der Sa-menkörner fällt auf steinigen Boden, ein anderer un-ter Dornen und wieder ein anderer auf fruchtbaren Ackerboden. Der erste Teil geht nicht auf und der andere verwelkt bald in der Sonne. Der dritte Teil trägt aber dreißig-, sechzig- oder gar hundertfache

Frucht. Postings sind wie virtuelle Samenkörner, die auf steinigen Acker, aber auch auf fruchtbaren Boden fallen können.

Es gibt – gerade in meiner Altersklasse, aber auch bei jüngeren Priestern, Pastoren, pastoralen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern – einige, die mit der virtuellen Welt nichts anfangen können oder sie so-gar ablehnen. Selbstverständlich kann man auch ohne Facebook, Twitter und Co. eine gute Seelsorgerin oder ein guter Seelsorger sein. Die Beschäftigung mit den Sozialen Netzwerken erfordert Zeit, eine gewisse Regelmäßigkeit, Authentizität und auch Diszi-plin, damit sie nicht zum Verhängnis werden. Sie sind weder „Teufelszeug“ noch „Engelswerk“, sondern „Werkzeuge“. Die einen nutzen sie, andere sind in anderen Formen aktiv. Beide sind o.k., beides ist rich-tig und wichtig. Um zentrale Aussagen der Frohbotschaft in wenigen Worten „rüberzubringen“ und auch um zu lernen, sich kurz zu fassen, ist das Twittern eine gute Übung. Ein Tweet ist keine Predigt, aber er kann auf Gottes Wort aufmerksam machen und auch einen Anstoß zum Nachdenken geben. Jede der acht Seligprei-sungen der Bergpredigt ist zum Beispiel kürzer als ein Tweet und ebenso jedes der Zehn Gebote oder das Hauptgebot der Gottes- und der Nächstenliebe. Die virtuellen Medien können auch keinen Gottesdienst und kein seelsorgliches Gespräch ersetzen; zum Emp-fang der Sakramente ist die leibhaftige Anwesenheit Voraussetzung, ein seelsorgliches Gespräch erfor-dert das Zusammenkommen an einem Ort. Aber sie können auf diese aufmerksam machen und anbahnen, dazu einladen und darauf vorbereiten.

Erzbischof Dr. Ludwig SchickErzbistum Bamberg

Meine Auftritte in den sozialen Netzwerken

verstehe ich als ein niede

rschwelliges Angebot,

aus dem mehr aktive Teilnahme am

Glauben

werden soll.

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94 % der Jugendlichen besitzen ein Smartphone. Der Großteil von ihnen ist mehrere Stunden täglich online und in Sozialen Medien aktiv. Die am häufigsten ge-nutzten Apps sind Whatsapp und Instagram.1

Das ist die Lebensrealität der Jugendlichen und diese

Firmvorbereitung mit #gottinoffenburgFirmvorbereitung mal auf eine andere Art und Weise. So wie die Lebensrealitäten sich erweitern, so verändern sich auch die Konzepte im kirchlichen Sektor. Was Firmvorbereitung und Social Media miteinander zu tun haben. (Red.)

sollte Berücksichtigung finden in einem Angebot im Rahmen der Firmvorbereitung. Die Frage war: Wie ist Firmvorbereitung mit dem Smartphone möglich?Als Antwort auf diese Frage wurde in der Kirchenge-meinde Offenburg St. Ursula das Instagram-Projekt gott_in_offenburg entwickelt. Es wurde gestaltet als 30-Tage-Challenge – inspiriert durch die zig 30-Tage-Challenges, die auf YouTube präsentiert werden. Immer sonntags und mittwochs wurde auf dem Insta-gram-Profil von gott_in_offenburg eine neue Challenge veröffentlicht. Diese war zu bearbeiten in den Tagen bis zum Start der nächsten Challenge. Aufgabe war es, die Antwort auf die Challenge durch ein Foto darzustellen, dieses im Feed von gott_in_offenburg zu posten, mit passenden Hashtags zu ergänzen (u.a. dem Projekt-Hashtag #gottinoffenburg) und evtl. auch persönliche Gedanken dazu zu schreiben.Die acht Challenges sollten Anregung sein, sich aus-einanderzusetzen mit sich und dem eigenen Gottes-verständnis. Dementsprechend sollten die Fotos und Antworten auf Instagram keine Standart-Antworten liefern, sondern die persönliche Überzeugung der Ju-gendlichen ausdrücken. Die Challenges waren deshalb nicht allgemein gefasst, sondern als konkrete Frage an die Leser formuliert, beispielsweise: „Was ist dir hei-lig?“ oder: „Wo findest du Gott in Offenburg?“Gott_in_offenburg war ein Versuch, die für die mei-sten Jugendlichen ungewohnte Frage nach Gott und vor allem die Auseinandersetzung damit, nicht nur dem als vielfach lebensfernen und –fremden Bereich Kirche zugeordnet zu lassen, sondern hereinzuho-len in ihren Alltag und ihr gewohntes Lebensumfeld.

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Rückmeldungen der Jugendlichen zeigen, dass dies gelungen ist – so wurde z.B. geschrieben: „In den 30 Tagen dachte ich mehr über das Thema Jesus und Gott nach, da man durch die Challenge mehr damit verbunden war und sich mehr über sowas Gedanken gemacht hat als sonst.“, „habe mir Gedanken gemacht über vorher mir irrelevanten Themen (z.B. Heiliger Geist).“Während der 30-Tage-Challenge traf sich die Grup-pe drei Mal: zum Projektbeginn, nach zwei Wochen zu einem Zwischenstopp und als Abschluss. Bei der Start-Veranstaltung war neben dem Kennenlernen, organisatorischen Fragen und dem Thema Daten-schutz entscheidend, gemeinsam das Projekt zu kon-

kretisieren: Wie soll das Projekt heißen? Ist das Profil privat oder öffentlich?2 Welche Informationen stehen in der Biografie? Welche Hashtags können bzw. sol-len verwendet werden? Welche Filter werden zur Fotobearbeitung genutzt? Wem wollen wir als Pro-

jekt selbst folgen? Diese Fragen wurden gemeinsam geklärt und so das Instagram-Profil gestaltet. Eine Entscheidung der Jugendlichen war auch, ihre Fotos nicht auf ihrem privaten Account zu veröffentlichen, sondern auf dem des Projekts. Alle Beteiligten hat-ten Zugang zum Projekt-Account, um ihre eigenen Fotos mit Hashtags und Text einzustellen. Ohne Namensnennung unter den jeweiligen Fotos war den Beteiligten und der Projektleitung nicht bekannt, von wem welcher Beitrag ist. Diese Anonymität sollte es erleichtern, die Challenges auch tatsächlich sehr persönlich zu gestalten. Medienpädagogische Hin-weise und eine fotografische Kirchenraumerkundung als erste fotografische Übung bildeten den Abschluss des ersten Treffens. Der Zwischenstopp und die Abschlussveranstaltung wurden genutzt, um die Chal-lenges und die gemachten Fotos zu besprechen, in-haltliche Themen zu diskutieren und das Projekt auch in Umsetzung und Verlauf zu reflektiert.

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251 Grunddaten Jugend und Medien 2018, hrsg. v. Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen. URL: http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/Grundddaten_Jugend_Medien.pdf (Abruf: 29.08.2018).

2 gott_in_offenburg ist ein öffentliches Profil, somit für jeden einsehbar, auch ohne eigene Registrierung bei Instagram.

Friederike Schmidt Pastoralassistentin in der Ka-tholischen Kirchengemeinde Offenburg

Die erste Challenge „Wo fühlst du dich besonders wohl?“ wurde einstimmig als die einfachste ange-sehen. Welche allerdings die interessanteste, die schwerste davon war, darüber gab es sehr unter-schiedliche Meinungen. Die Dauer des Instagram-Projekts auf 30 Tage zu beschränken, hatte deutlich den Vorteil, dass Motivation und Intensität der Aus-einandersetzung – zumindest über weite Strecken – erhalten blieb. Eine intensivere Nutzung der Kom-mentar-Funktion unter den einzelnen Beiträgen hätte die inhaltliche Beschäftigung mit den verschiedenen Themen steigern können. Auch kleine gruppeninter-ne Wettbewerbe, wie z.B., welches Foto das krea-tivste, kunstvollste etc. ist, welches Bild die meisten Klicks hat usw. könnten je nach Gruppe das Engage-ment vergrößern, aber auch die besonders mühevolle Arbeit wertschätzen. Durch die gezielte Verwendung von bekannten und verbreiteten Hashtags und dem Folgen verschiedenster Institutionen, Projekten oder Personen, kann für das eigene Instagram-Projekt Öf-fentlichkeit und Wahrnehmung geschaffen werden. Ist die Kirchengemeinde selbst in den Sozialen Medien aktiv, könnte das Projekt durch die Möglichkeit des Repostens oder Teilens sogar problemlos auf den Ac-counts der Kirchengemeinde (Facebook, Instagram) dokumentiert werden. Auch die Übernahme der Fotos auf die Homepage ist eine Möglichkeit, um das Projekt und damit die Firmvorbereitung für die Kir-chengemeinde präsent zu machen. Das Projekt wurde für die Firmvorbereitung konzipiert, ist jedoch nicht auf diesen Bereich beschränkt. Es wirkt Gemeinschaft stiftend und kann auch gruppenübergreifend einge-setzt werden.Gott_in_offenburg hat gezeigt, dass Verkündigung mit interner Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zusammen gebracht werden kann. Seine Einsatzfelder und Umsetzungsmöglichkeiten sind vielfältig, seine Chancen auch.

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[Abstract] Ihre Videos werden monatlich im zweistelligen Millionenbereich abgespielt, sie besitzen eine absolute Monopolstellung in der Produktion jugendkultureller Ästhetik und Ausdrucksformen, dennoch sind sie über 25-Jährigen quasi vollkommen unbekannt. Die Rede ist von Dagmar Ochmanczyk oder Erik Range, online — und überhaupt — besser bekannt als DagiBee und Gronkh. Sucht man in diesen digitalen Kulturwelten nach Kirche und Glauben, so scheint ein erstes Suchen keine Relevanz dieser Thematik aufzuzeigen. Und dies ist insofern fatal, als dass der digitale Lebensraum für viele Jugendliche neben dem analogen ihre Lebensrealität abbildet. Zuge-spitzt formuliert: Was hier nicht vorkommt, das gibt es auch nicht.

SituationsanalyseMit der Verbreitung digital vernetzter Technologie in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens, vor allem aber in der Kommunikation, ist eine Medi-enrevolution in vollem Gange, deren Bedeutung am ehesten vergleichbar mit der frühindustriellen Massenproduktion von Büchern durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert ist. Ähnlich wie beim Buchdruck handelt die Erfolgsgeschichte des Inter-

Formatierungen von Identität und Wirklichkeit in digitalen Kulturräumen

INTENTION UND ERFAHRUNGEN DES VIDEOWETTBEWERBS

1–31.TV

Was braucht es, um als digitaler Kirchturm in der virtuellen Welt gesehen zu werden? Das Projekt 1-31.tv zeigt, wie Raum für Kreativität und Experimente in der digitalen Welt geschaffen wurde und eine Community an Filmnachwuchs mit religiösem Background entstanden ist. (Red.)

nets nicht von der Einführung eines neuen Mediums im klassischen Sinne (wie etwa der Schrift), sondern vielmehr stellt sie eine gesamtgesellschaftlich rele-vante technische Revolution dar, die an erster Stelle Kommunikation beschleunigt und vor allem räumlich und zeitlich entgrenzt. Allerdings ist die Qualität nicht nur auf den Aspekt der Kommunikation be-schränkt, was zu einem verkürzten Verständnis des digitalen Raumes führen würde. Vielmehr nähert man sich der Sache, wenn man ihn als andersartigen Lebensraum versteht. Digitale Kulturwelten bilden aufgrund ihrer quantitativen Verbreitung und qualita-tiven Nutzung, ergänzend zur analogen Welt, gemein-sam die Lebensrealität besonders Jugendlicher ab.

Relevanz von KircheDigitale Räume besitzen dabei keine unverrückbaren Landmarken im herkömmlichen Sinne. Es gibt keinen Kirchturm in der Innenstadt, an dem man unvermeid-bar vorbeigeht und sich nach seinem Sinn fragt. Sicht-barkeit im digitalen Raum konstruiert sich über fluide Referenzen – über Klickzahlen, Likes etc. –, die auf aktiver Nutzung beruhen. Umgekehrt gesprochen: Wo digital nicht kommuniziert wird, kann nichts

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sichtbar werden und bei der eben festgestellten Re-levanz von digitalen Räumen wird deutlich: Was hier nicht vorkommt, gibt´s auch nicht. Daraus ergeben sich Chancen neue/alte Zielgruppen zu erschließen, aber auch die Notwendigkeit, als Kirche digital prä-sent und damit direkt beim Menschen zu sein. Trotz der doppelten Relevanz und ersten Bemühungen ist es Kirche im Großen bisher nicht gelungen, diese Möglichkeiten zu nutzen. In den Bereichen, in denen es erste Ansätze gibt, fehlt es in erster Linie an Erfah-rung, wie sich vor allem das säkular gewonnene theo-retische Wissen strategisch auf kirchliche Bedürfnisse anwenden lässt und damit gute Glaubenskommunika-tion unter digitalen Bedingungen gelingen kann.

Intention und Vorüberlegungen zu 1–31.tvDie Intention des Wettbewerbs bestand nie darin, einen neuen status quo der Glaubenskommunikation zu etablieren, sondern einen Raum für Experimente zu schaffen, in dem neue Formate auf neuen Kanälen ausprobiert werden können. Schon vor Beginn stand in der DNA des Wettbewerbs eingeschrieben, dass dies nur ko-kreativ in einem gemeinsamen Lernraum gedacht werden kann. Es kann sich somit nicht um eine digitale Katechese an einer vornehmlich aus Ju-gendlichen bestehenden Zielgruppe handeln, sondern vielmehr um eine dreifach verschränkte Suchbewe-gung, die nach den Orten der Kommunikation fragt, die analysiert, wie und in welchen Formaten Jugend-liche über ihren Alltag erzählen und die im gemein-samen Experimentieren Ansätze eröffnet, wie über das Medium Webvideo aktuell und vor allem relevant über Glauben gesprochen werden kann.

Durchführung und Erfahrungen des WettbewerbsDer Video-Wettbewerb 1–31.tv startete 2014 mit dem Aufruf an junge Filmemacher und YouTuber (16–29 Jahre), Kurzvideos zu dem Wettbewerbsmot-to „Filme, wie du glaubst – Filme, was du liebst – Filme, worauf du hoffst“ einzureichen. Initiator des Wettbe-werbs ist der Bochumer Theologieprofessor Matthias Sellmann. Der Direktor des „Zentrums für ange-

wandte Pastoralforschung“ hat den Wettbewerb mit Hilfe einer privaten Stiftung auf den Weg gebracht und dazu ein Netzwerk von kirchlich- und säkular Medienschaffenden aufgebaut. Die drei wesentlichen Säulen des Projekts 1-31.tv bestehen dabei (1) aus einem Video-Wettbewerb, bei dem jugendliche Talente gesichtet werden, (2) einem mehrstufigen Workshopkonzept sowie (3) einem Netzwerk, welches die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer auch außerhalb des Wettbewerbs, beispielsweise durch Praktika oder kleinere Produktionsaufträge, unterstützt.Die bislang vier Durchgänge des Wettbewerbs zei-gen, dass nicht nur eine signifikante Gruppe von Talenten für Themen mit religiösem Bezug aktiviert worden ist, sondern, dass sich durch die engagierte Begleitung in den Workshops eine äußerst ambiti-onierte Community von Nachwuchsfilmemachern und YouTubern gegründet hat, die mit Unterstützung des zap:bochum nun weiter zusammen an Projekten arbeitet. Durch das Projekt hat sich gezeigt, dass es nicht das eine Geheimrezept, sehr wohl aber wesentliche Grundbedürfnisse nach einer authentischen, persön-lichen, vielfältigen und vor allem interaktiven Kom-munikation in Social Media gibt. Wir haben gelernt, dass eine Kirche, die bei den Menschen sein will, die Relevanz und Qualität digitaler Kulturräume erkennt und sich zum Ziel setzt, hier präsent zu sein. Sie weiß um diese Grundbedürfnisse und wird zum Dienst-leister an gelingender Kommunikation, indem sie gleichermaßen analoge als auch digitale Interaktions-räume schafft.

Jan KuhnWissenschaftlicher Mitarbei-ter an der Ruhr-Universität Bochum im Zentrum für ange-wandte Pastoralforschung

… aber auch die Notwendigkeit, als Kirche

digital präsent und damit

direkt beim Menschen

zu sein.

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ERFAHRUNGEN

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In den dunklen Wintermorgend ist es besonders auf-fällig: Der Schulbus fährt ohne Innenbeleuchtung. Der Schulbusfahrer zeigte bei einem zufälligen Gespräch zwar kein Verständnis, aber für seine Beobachtung fand er eine pragmatische Lösung: Morgens im Schul-bus lässt er inzwischen das Innenlicht abgeschaltet, so können die Schülerinnen und Schüler besser auf den Displays ihrer Smartphones lesen. Für den Fahrer hat das den Vorteil, dass es im Schulbus angenehm ruhig und diszipliniert zugeht. Die vom Busfahrer wahrgenommene Veränderung in der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern lässt sich durch zahlreiche weitere Beobachtungen beliebig ergänzen – jeder, der im Kontext Schule arbeitet, hat wohl schon ähnliche Beobachtungen machen können oder sogar an sich selbst bemerkt. Der Trend zur Nutzung des Internets über das Smartphone ist un-bestreitbar eines der Zeichen der Zeit. Belegt werden diese Beobachtungen durch zahlreiche Studien, die aufzeigen, dass nahezu alle Schülerinnen und Schüler über ein Smartphone verfügen und dies auch nutzen. Hauptsächlich wird über die verschie-denen Social Media-Anwendungen oder -Messenger kommuniziert oder es werden Onlinespiele gespielt.1 Dies führt über die rein quantitative Betrachtung hinaus zur Frage nach der qualitativen Bewertung der zunehmenden Kommunikation via Social Media: Wel-che Bedeutung weisen Schülerinnen und Schüler den Social Media-Anwendungen zu?Dieser Frage wurde in einigen Studien nachgespürt, die alle zu einem ähnlich Ergebnis kommen.2 Es gibt drei Entwicklungsaufgaben, die für die Alterspanne von Schülerinnen und Schüler zentral sind: die Selbst-auseinandersetzung, die Sozialauseinandersetzung

Social Media, Medienbildung und Religionsunterricht Social Media hat Einzug in fast alle Lebenswelten der Menschen erhalten. So haben sich auch damit die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler verändert. Doch was heißt das für den Unterricht an den Schulen? Ist Social Media gar ein Teil von Religionsunterricht? (Red.)

und die Sachauseinandersetzung. Schülerinnen und Schüler wollen wissen: Wer bin ich? (Identitätsma-nagement), Welche Position habe ich in meinem so-zialen Netzwerk? (Beziehungsmanagement) und Wie orientiere ich mich in der Welt? (Informationsma-nagement). Die verschiedenen Social Media-Dienste bieten zur Auseinandersetzung mit diesen drei Auf-gaben hervorragende Möglichkeiten: Durch das Ver-öffentlichen von Fotos, von persönlichen Daten oder durch das Liken und Teilen von bestimmten Inhalten kann ich mich entsprechend inszenieren und so ein Bild von mir vermitteln, das zu einem Teil meiner Identität wird. Nimmt der Religionsunterricht seinen Auftrag, an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anzuknüp-fen ernst dann kommt er also nicht am Thema Social Media vorbei. Neben diesem Aspekt fordert der neue Bildungsplan für die allgemeinbildenden Gymnasien durch die Leitperspektive alle Fächer, also auch den Religionsunterricht, dazu auf, Medienbildung entlang der gesamten schulischen Bildungskette umzusetzen.

Medienbildung im Religionsunterricht Mit dem Begriff Medienbildung wird im schulischen Kontext eine sehr facettenreiche Aufgabe umschrie-ben. Das Lernfeld erstreckt sich dabei von dem Er-werb einer Bedienkompetenz bestimmter Geräte und Programme über den technischen Aufbau von Geräten bis hin zur kritisch-reflexiven Betrachtung des eigenen Medienverhaltens. An genau diesem Punkt kann der Religionsunterricht seine Stärken einsetzen, denn wie in keinem anderen Fach stehen die Fragen nach gelin-gender Kommunikation, nach tragfähigen Beziehungen und einem erfüllten Leben so sehr im Fokus.

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Die Entwicklung von Social Media wird auch als die zweite Kommunikations-Revolution nach der Erfin-dung des Buchdrucks angesehen und bringt tiefgrei-fende gesellschaftliche Veränderungen mit sich, wel-che sich in einer permanent wandelnden Reihe von Spannungsfeldern thematisieren lassen, die an den Bildungsplan des Religionsunterrichts anschlussfähig sind.Als Beispiele können die Spannung zwischen Inszenie-rung und Authentizität, das medienethische Dilemma zwischen Komfort und Kontrolle oder die Frage nach dem freien Willen und Wahrheit in einer von Algo-rithmen bestimmten Umgebung genannt werden.3

Auswirkungen auf den Religionsunterricht Social Media im Unterricht nicht zu thematisieren, würde von vorneherein einen elementaren Teil der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern ignorie-ren, die Auseinandersetzung damit verhindern und sie dadurch mit ihren Fragen und Eindrücken alleine lassen. Die Aufgabe des Religionsunterrichts, Identi-tätsentwicklung zu fördern, bedeutet auch, dies im Bereich von Social Media zu tun. Bei den vielfältigen Herausforderungen und Spannungen, den junge Menschen dort begegnen, stellt dies keine einfache Aufgabe dar. Gleichzeitig bedeutet dies für die Lehr-einnen und Lehrer, sich auf zum Teil unbekanntes Terrain zu begeben und die Offenheit mitzubringen, von den Schülerinnen und Schülern zu lernen – mit anderen Worten ausgedrückt: eine Medieninkom-petenzkompensationskompetenz zu entwickeln. Er-fahrungsgemäß freuen sich Schülerinnen und Schüler darüber, wenn sie über Erfahrungen aus „ihrer Welt“ berichten können und in der Regel können vor allem Religionslehrerinnen und Religionslehrer dies gut auf-greifen und mehr als in anderen Fächern zum Thema machen.Daneben gilt es, im Rahmen des Schulcurriculums an der umfassenden Medienbildung der Schülerinnen und Schüler mitzuwirken. Denn zu oft wird bei der

Konzentration auf die Vermittlung technischer Kom-petenzen die anthropologische und ethische Dimensi-on der Medienbildung vergessen. Hier kann der Reli-gionsunterricht einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass die Schülerinnen und Schüler auch zu digital mündigen Bürgerinnen und Bürgern werden.Neben den Einsatzszenarien zu Themen wie Freund-schaft, Beziehung, Mobbing, Identitätsbildung und Umgang miteinander können soziale Netzwerke auch als Recherchequelle zu aktuellen Ereignissen oder Inszenierung von biblischen Geschichten genutzt werden. Einen Überblick über die vielfältigen Ein-satzmöglichkeiten von Social Media im Religionsun-terricht geben zum Beispiel das Referat Social Media des Instituts für Religionspädagogik4 der Erzdiözese Freiburg oder die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz.5 Die Diskussion um den angemessenen Umgang mit Social Media-Inhalten im Unterricht wird zunehmend an Dynamik gewinnen und die Reaktion der Schulen darauf wird der rasanten Entwicklung im Social-Media Bereich nicht immer Rechnung tragen können – vielleicht dient dabei das anfangs erwähnte Beispiel des Busfahrers als Orientierung: auf die veränderte Lebenswelt der Schülerinne und Schüler hat er ganz pragmatische Antworten gefunden.

1 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM Studie 2018. 2 Vgl. u.a.: Schmidt, Jan-Hinrik, Paus-Hasebrink, Ingrid, Hasebrink, Uwe: Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle

von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Berlin 2009.3 Vgl. Büsch, Andreas: Social Media und Schule?! in: Religionsunterricht heute. Informationen des Dezernates Schulen und

Hochschulen im Bischöflichen Ordinariat Mainz. Mainz 20144 www.irp-freiburg.de 5 https://mekomat.de/

Jonas MüllerReferent für Social Media im Institut für Religionspädagogik des Erzbistums Freiburg und Lehrer an der Gewerblichen Schule Donaueschingen.

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Die Netzgemeinde DA_ZWISCHEN ist ein digitales Angebot für Menschen, die in ihrem Alltag auf der Suche nach Spiritualität sind. Sie erhalten montags und freitags eine Nachricht über einen Messenger-dienst direkt auf ihr Smartphone, mit der sie die Relevanz der christlichen Botschaft für ihr eigenes Leben entdecken können. Der Einstieg in die virtuelle Kirchengemeinde ist ganz einfach: Telefon-Nummer ins Smartphone tippen, neuen Kontakt anlegen und eine kurze Messenger-Nachricht versenden. Schon ist man dabei.

„Wir gründen eine Gemeinde. Und diese Gemeinde passt in jede Hostentasche.“ Als wir im Bistum Speyer im Jahr 2016 die Netzge-meinde DA_ZWISCHEN gründeten, leitete uns die Idee, eine neue Form der Vergemeinschaftung im di-gitalen Raum zu ermöglichen: für alle, zu deren Alltag die Nutzung sozialer Netzwerk und digitaler Anwen-dungen (Apps) ganz selbstverständlich dazugehören. DA_ZWISCHEN ist eine Gemeinde, deren Eingangs-tür das Smartphone ist. Sie richtet sich damit an eine eingeschränkte Gruppe von Menschen – das ist klar. Sie verfolgt aber, wie alle Formen christlicher Ge-meinschaften, genauso klar das Ziel, die Gegenwart Gottes in dieser Welt und dem eigenen Leben zu verkünden – in diesem Fall eben im digitalen Raum.

Die Frohe Botschaft als Push-BenachrichtigungDie Netzgemeinde entstand während einer S-Bahn-Fahrt von Speyer nach Mannheim. Frühmorgens – und sicher auch zu anderen Tageszeiten – nutzen

DA_ZWISCHEN – Die Kirchengemeinde fürs SmartphoneDie digitale Welt als weiteren Lebensraum wahrnehmen und mit kirchlichem Leben füllen. Genau DA_ZWISCHEN befindet sich die virtuelle Kirchengemeinde und passt somit in jede Hosentasche. (Red.)

die meisten Passagiere die Fahrt für einen kurzen oder auch etwas tieferen Blick ins Smartphone. Sie chatten, spielen, hören Musik oder lesen ein Buch. Das Smartphone ist für viele Menschen zu einem unverzichtbaren Begleiter im Alltag geworden. Man könnte nun das digitale Lamento anstimmen und über die moderne Gesellschaft klagen, in der einst vernunftbegabte Wesen nun ein Dasein als Smombies (Smartphone-Zombies) führen. Für die Verkündigung der Frohen Botschaft ergeben sich hier aber auch unermesslich große Chancen und Gelegenheiten. Man stelle sich nur einmal vor, auf all den mobilen End-geräten würde während so einer morgendlichen S-Bahn-Fahrt der Piepton einer Push-Benachrichtigung das Eintreffen einer frohen Botschaft verkünden. Ge-nau das ist DA_ZWISCHEN. Auf dem Weg zur Ar-beit oder in der Mittagspause, im Wartezimmer der Arztpraxis oder abends auf der Couch: Wir senden gute Texte und inspirierende Gedanken in die digitale Welt. Wir verkünden den S-Bahn-Fahrerinnen und -Fahrern und allen, die sich bei uns registrieren die Nachricht: „Gott ist bei dir. Egal, was du gerade tust. Er ist zwischen den vielen kleinen und großen Din-gen, die sich in deinem Leben ereignen.“

Digital und spirituellDer große Vorteil der Netzgemeinde hängt mit den digitalen Gepflogenheiten zusammen: Distanz und Anonymität sind genauso ok wie Nähe und Vertraut-heit. Für alle, die sich erst mal nur inspirieren lassen und mit einem originellen Gedanken in die Woche starten wollen, reicht die WhatsApp-Nachricht am Montagmorgen. In den Impulsen wird oft eine Fra-

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Felix GoldingerReferent für Gemeindekate-chese im Bistum Speyer

ge aufgeworfen, die man nicht ad hoc beantworten kann, sondern die es verdient, etwas durchdacht zu werden. Wer mag, kann im Laufe der Woche seine Gedanken als Nachricht an DA_ZWISCHEN zurück-

schicken. Aus allen Rückmeldungen entsteht dann die Freitags-Nachricht. Sie ist oftmals eine Predigt, die die Gemeinde selbst zusammenstellt: Hier kommt jede und jeder zu Wort, die/der sich einbringen möchte. Gleichzeitig liefert sie allen Gemeindemit-gliedern verschiedene Antwort-Möglichkeiten auf die Montagsfrage. Die Montags-Nachrichten könnte zum Beispiel lauten: „Was suchst du?“

Die Antworten der Gemeindemitglieder sind sehr unterschiedlich:„Einen Beruf, der mir gefällt.“ „Ich würde gerne mit mir selbst zufrieden sein...“ „Glück.“ „Meinen Platz in der Welt!“ „…immer nach dem anderen Socken.“ „Freiheit.“Freitagnachmittags erhalten alle Gemeindemitglieder eine zweite Nachricht. Dieser Wochenabschluss kann entweder eine Sammlung der Rückmeldungen der Woche sein oder ein Gebet, bzw. einen kurzen (Pre-digt-)Text, der das Wochenthema abrundet.

Dazwischen geschieht natürlich einiges: die Messen-gerdienste erlauben auch die direkte Kommunikation zwischen Gemeindemitglied und dem DA_ZWI-SCHEN-Team. Wer möchte, kann mit uns chatten. Und weil auf der anderen Seite kein Chat-Bot (das ist eine Art digitaler Anrufbeantworter) wartet, son-dern ein echter Mensch sitzt, wird’s dann sehr schnell persönlich und vertraut. Deshalb ist das, was im di-gitalen Raum geschieht eben nicht das Gegenteil zur realen Welt. Die Möglichkeit, direkt mit einer Seel-sorgerin oder einem Seelsorger Kontakt aufzuneh-men ist für viele Gemeindemitglieder eine wertvolle und gern genutzte Möglichkeit.

Vertrauen und Vertrautes Neben dem „Grund-Format“ der Netzgemeinde haben sich bereits weitere Angebote entwickelt: On-

line-Exerzitien in kleinen Gruppen, ein Whats-App-Dienst für Familien mit KITA-Kindern als Begleitung durch den Advent oder die Fastenzeit oder kleinere Ausflüge aus der digitalen in die physische Welt. Dazu zählen zum Beispiel auch die Instawalks der Netzge-meinde: Darunter ist eine Kirchenführung für Nutze-rinnen und Nutzer der Foto-App Instagram zu ver-stehen. Sie ermöglicht den Blick „hinter die Kulissen“ und damit spannende Fotomotive, die unter einem gemeinsamen Hashtag direkt gepostet werden. Auch hier kommt zusammen, was zusammen gehört: einer-seits die klassische Kirchenführung und andererseits Menschen, die sich in dem Medium bewegen dürfen, das ihnen vertraut ist – in diesem Fall Instagram. Überhaupt sind Vertrautheit und Vertrauen zwei wichtige Voraussetzungen für die Verkündigung im digitalen Raum. Die Nutzerinnen und Nutzer der Netzgemeinde müssen nicht erst eine neue (religiöse, spirituelle oder liturgische) Sprache erlernen, um mit Kirche zu kommunizieren, sondern können mit den Worten und Werkzeugen, die ihnen vertraut sind auf die Suche nach Gott in ihrem Leben gehen. Und dennoch werden sie dabei herausgefordert und verlassen ihre Komfort-Zone, weil sie sich auf das Abenteuer einlassen, Gott einen Raum in ihrem Alltag zu geben. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine große Portion Vertrauen in jene, die sie bei der Su-che nach Gott begleiten.

DA_BEI sein?Wer bei der Netzgemeinde DA_ZWISCHEN dabei sein möchte, kann sich auf unserer Homepage regis-trieren: www.netzgemeinde-dazwischen.de.Auf Facebook, Instagram und Twitter ist DA_ZWI-SCHEN ebenfalls aktiv: facebook.com/netzgemein-dedazwischen, instagram.com/da_zwischen, Twitter.com/da_zwischenDie Netzgemeinde ist eine Kooperation der (Erz-) Diözesen Freiburg, Speyer und Würzburg.

„Gott ist bei dir. Egal, was du gerade

tust.

Er ist zwischen den vielen kleinen und gr

oßen

Dingen, die sich in deinem L

eben ereignen.“

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Die Grabeskirche wirkt plötzlich sehr lebendig: Eine Handvoll Menschen durchstreift mit Smartphones den modernen Kirchenbau in Köln-Ehrenfeld, die Pastoralreferentin und der Diakon der Gemeinde weisen auf Besonderheiten hin, deuten die Symbole, erzählen Anekdoten. Manche der Teilnehmenden hören aufmerksam zu. Andere nicht – scheinbar: Sie fotografieren, suchen nach interessanten Perspek-tiven, fangen das besondere Licht ein, das entsteht, wenn die Beleuchtung sich im goldenen Metallvor-hang bricht, der den Kirchenraum umgibt.Die Fotografinnen und Fotografen sind nicht nur typische Kirchgänger, nicht nur Menschen, die die Kirche ohnehin erreicht: Über das Bildernetzwerk Instagram wurden sie auf die Veranstaltung aufmerk-sam. Das Soziale Netzwerk gehört zu den großen der Branche: Allein in Deutschland teilen Millionen von Menschen dort Bilder – und zwar nicht nur, wie es das Klischee weiß, Selfies und Fotos vom Frühstück. Auch ambitionierte Fotografinnen und Fotografen veröffentlichen dort ihre Bilder und lernen andere, ähnlich Interessierte kennen.Gerade in größeren Städten treffen sich diese Fo-tografinnen und Fotografen regelmäßig: Selbst

Kulturelle Diakonie: Instawalks in KirchenDen analogen Kirchenraum in die digitale Welt bringen. Felix Neumann, Social Media-Redakteur bei katholisch.de, beschreibt in seinem Artikel, wie Instawalks in Kirchen funktionieren und warum es eine Erfolgsgeschichte wurde. (Red.)

organisiert zu gemeinsamen Foto-Spaziergängen durch besondere Stadtviertel, oder, wie hier in St. Bartholomäus, auf Einladung. Im Kulturbereich ist das Format „Instawalk“ seit Jahren etabliert: Museen und andere Einrichtungen laden die lokale Instagram-Community ein zu exklusiven Führungen vor und hinter den Kulissen. Einzige Bedingung: Bitte fotogra-fieren – und veröffentlichen! Mit einem zuvor verein-barten Schlagwort, einem „Hashtag“, veröffentlichen die Instagramerinnen und Instagramer die Fotos auf ihren eigenen Kanälen. Für die veranstaltenden Or-ganisationen entsteht so eine viel größere Öffentlich-keit, als sie es über ihre eigenen Kanäle allein schaffen würden – und vor allem: Die eigenen Inhalte werden von interessierten „echten Menschen“, nicht von

einer Marketing-Abteilung, veröffentlicht. („Social proof“, „sozialer Beweis“, heißt das in der Sprache des Online-Marketings.)

Einzige Bedingung: Bitte fotografieren –

und veröffentlichen!

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Seit einigen Jahren finden solche Instawalks auch in kirchlicher Trägerschaft statt: Nach der Pilotveran-staltung 2015 im Osnabrücker Dom, den das Team von katholisch.de gemeinsam mit der Bistums-Presse-stelle organisiert hatte, fanden insgesamt gut 50 Ver-anstaltungen in ganz Deutschland statt, unter ande-rem im Freiburger Münster. Die Veranstaltungsreihe „#instakirche“ wird dabei von der Bonner Redaktion aus koordiniert, während die Kooperationspartne-rinnen und -partner vor Ort – oft diözesane Pres-sestellen, aber auch einzelne Pfarreien und Klöster – die Organisation der Veranstaltungen übernehmen.Der Ablauf ist immer ähnlich. Auf Instagram er-kunden die Veranstalterinnen und Veranstalter ihr digitales Umfeld. Wer ist aktiver Fotograf, aktive Fotografin in meiner Stadt? Wo trifft sich die lokale Instagram-Community, wie organisiert sie sich? In diesen Kreisen wird dann die Veranstaltung bewor-ben – meist rein online. Bei der Veranstaltung gibt es dann eine kurze Einführung, den einen oder anderen Sicherheitshinweis („Vorsicht auf der Empore!“, „Bit-te nicht die Alarmanlage im Detail fotografieren!“), und dann fotografieren die Teilnehmenden. Oft so-fort, aber auch in den Tagen darauf belebt sich dann das ausgegebene Schlagwort auf Instagram mit Bil-dern: Neue und interessante Perspektiven auf einen Kirchenraum, von dem man oft dachte, schon alles darin gesehen zu haben.Für die Kirche stellt das einen ungewohnten Kon-trollverlust dar: Schließlich können alle beliebige Bilder veröffentlichen, sichtbar für die ganze Welt – ohne dass eine Pressestelle freigibt, was erschei-nen darf. Dieser Kontrollverlust ist aber gleichzeitig die Chance des Formats: Die Kirchenführungen sind bewusst offen gehalten; die Erfahrungen zeigen, dass sich von dem unverzweckten Format auch Men-schen ansprechen lassen, die sonst von kirchlichen Angeboten nicht erreicht werden. Wie viele Orte im Netz ist auch Instagram eher säkular. Der Fokus auf die Ästhetik ohne vordergründig katechetisches oder missionarisches Interesse nimmt diese säkularen Communities als Dialogpartner ernst: Sie zeigen mit ihrem fotografischen Blick neue Seiten an der Kirche, und sie nehmen gern die ästhetische und theologische Kompetenz der Führenden auf.Die Instawalks in der Kirche funktionieren, weil zwei Kernkompetenzen zusammentreffen: Die Kirche zeigt ihre Kunst, ihre Architektur, ihre jahrtausendealte Tradition, den Glauben ästhetisch zu vermitteln. Die Instagram-Community greift diese starke religiöse

Ästhetik mit ihren Mitteln auf. Beide Sphären, Kirche und Instagram-Community, nehmen sich ernst und entdecken ihre Schnittpunkte.Darüber hinaus präsentiert sich die Kirche vor Ort auch als Teil der digitalen Zivilgesellschaft: Was in der „analogen“ Zivilgesellschaft schon selbstverständlich ist, dass nämlich kirchliche Initiativen das Stadt- und Dorfleben produktiv mitgestalten, ist in der „digi-talen Zivilgesellschaft“ oft noch nicht der Fall. Kirche taucht nicht auf an den digitalen Orten der Verge-meinschaftung. Instawalks in Kirchen brechen das auf und bringen säkulare digitale Akteure mit den kirch-lichen zusammen; Instawalks sind damit eine Form von digitaler kultureller Diakonie.Das wirkt auch über die eigentliche Veranstaltung hinaus: Wenn die Kirche ein Hotspot auf der Umge-bungskarte ist, wenn ein definierter Hashtag die Affi-nität der Kirche zu dieser Form der Kommunikation zeigt, lädt das Besucher ein, selbst wiederum weitere Bilder online zu stellen, und es etabliert die Kirche auch im virtuellen Raum als relevante Präsenz.Im Stadtviertel relevant ist auch die Grabeskirche in Köln-Ehrenfeld. Direkt neben dem belebten Helm-holtzplatz gehört sie „offline“ schon lange dazu. Nach dem Instawalk ist sie nun auch „online“ vertreten: Unter dem Hashtag #instagrabeskirche sind Bilder des beindruckenden Kirchenraums, auf der Insta-gram-Umgebungskarte des Helmholtzplatzes taucht plötzlich auch die Kirche auf – ohne, dass es dafür ein aufwendiges und teures Marketingkonzept gebraucht hätte.

Felix NeumannSocial Media-Redakteur bei katholisch.de und Koordina-tor der Veranstaltungsreihe #instakirche.

für die Pastoral1/2019 Material und Medien

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Material zum Thema

Ich folge dirNahverkehrszug am Morgen. Menschen stehen dicht gedrängt. Smartphones und Ohrstöpsel als Kommunikationsmittel. Nur drei Minuten sind wir intensiv, fast intim, mit dabei, wie sich Anna und Jesper näher kommen. Eng stehen sie beiei-nander und Jesper nutzt die Gunst des Augenblicks, um Anna zu eröffnen, dass er über allerlei Wissen über sie verfügt und sie sympathisch findet: Sie habe mit ihrem Freund Schluss gemacht, arbeite in einer Buchhandlung, habe jetzt einen neuen Lover, der es aber nicht ernst meine mit ihr. Anna zeigt sich, ja perplex über das, was Jesper sagt. Dass er ihr bereits eine Weile virtuell folgt auf Insta-gram und zudem über einen Fake-Account als vermeintlicher Freund ihres aktu-ellen Freundes weiß, wie dieser über ihre Beziehung denkt, wirkt erschreckend, nicht nur auf Anna selbst.

Drei Minuten, die uns in eine fast schon unangenehme Nähe hinein ziehen. Die Filmgestaltung reflektiert da-mit das, was Social Media als technische Möglichkeit zur Beziehungsgestaltung als Anforderung darstellt: die Schwierigkeit einer guten Balance zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Obgleich wir grundsätzlich wissen, dass es ein Risiko gibt, in Sozialen Netzwerken ausgespäht zu werden, wirkt dieser Film doch sehr überra-schend und erhellend. Wie Anna bleiben wir verdutzt zurück und fragen uns, was wir gerade gesehen und erlebt haben. Denn bei „Ich folge dir“ ist es, wie wenn wir eine Lupe in die Hand nehmen, um genauestens auf Details zu achten. Wir werden gleichsam zum Voyeur, der das Liebesleben der einen und die Beziehungs-wünsche des anderen intensiv beobachten kann. Social Media begegnet einem auf diese Weise deutlich grenz-wertig.

Ich folge dir, Kurzspielfilm, Schweden 2015, 3 Min., empfohlen: ab 14 Jahren, Ausleihe: Mediathek – Download: Medienportal

FILMISCHE ZUGÄNGE

Wer die Chancen für Glaubens- und Kirchen-Kommunikation in Sozialen Netzwerken beschreibt und pastorale Hand-lungsmöglichkeiten aufzeigt, darf die dunklen Seiten dieser digitalen Ressourcen nicht schön reden oder ignorieren. Der Autor stellt drei Filme vor, die als Absage an Internet und Social Media missverstanden würden. Vielmehr geht es darum, sich möglicher Risiken bewusst zu sein, ihnen begegnen zu können und vielleicht auch in der Lage zu sein, wenn einem Hate Speech begegnet, Ideen für Counter Speech zu haben. In jedem Fall bieten die drei Filme eine Fülle an aktuellen Informationen und vielfältige Anlässe, darüber ins Gespräch zu kommen.

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Hass im InternetWer diesen Film anschaut, könnte zu dem Schluss kommen: dass Internet und Soziale Netzwerke des Teufels sind. Abmelden, Nutzungsverweigerung wären dann nahe liegende Konsequenzen. Bei Schattenseiten wie Hate Speech und Verleumdungen geht es nicht um Freundschaft, Kontaktpflege, um Informations-vermittlung, sondern um persönliche Diffamierung, Bloßstellung, Agitation, um politische Strömungen und Auffassungen, die nicht selten dem Artikel 1 unseres Grundgesetzes entgegenstehen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“Diese unbedingte Menschenwürde stellt die Motivation für das Engagement von Eric Hattke, Philosophiestudent in Dresden, dar. Er ist Gründungsmitglied des Vereins „Atticus“, einem Bündnis, das sich dem Hass im Netz, und auf der Straße, entgegenstellt. Bekannt geworden ist er als Sprecher des Netzwerks „Dresden für alle.“ Für Pegida-Anhänger ist er nicht nur im Netz eine Zielscheibe.

In dieser eindrucksvollen Dokumentation kommen zudem die Textilfabrikantin Sina Trinkwalder, die Politikerin Katrin Göring-Eckardt und der Politiker Orkan Özdemir zu Wort. Allen gemeinsam ist, dass sie für ihr gesell-schaftliches Handeln auf erschreckende Weise mit Hass-Kommentaren, vor allem in Facebook, bedroht und diffamiert werden. Anzeige zu erstatten hilft nur bedingt gegen Hate Speech im Netz. Sie bleiben standhaft, auch wenn die Wucht der Bedrohungen nur schwer zu ertragen ist. Counter Speech wird als Möglichkeit gesehen, Hass-Kommentaren im Netz wirksam zu begegnen. Seit vielen Jahren engagiert sich die „Amadeu Antonio Stiftung“ in diesem Bereich. Es werden Strategien entwickelt, um den grassierenden Hass im Internet und in den Sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Wichtig ist dabei der Um-gang mit sogenannten Filterblasen. Damit ist gemeint, dass z.B. Menschen mit rechtem Gedankengut aufgrund der Algorithmen auf einmal nur noch rechte Posts zu lesen bekommen. Auch ihre Freunde gehören tendenziell der rechten Szene an, sodass kaum Gegenargumente bei ihnen ankommen. Einer solchen sich selbst verstär-kenden Stimmungsmache versucht die Stiftung entgegenzuwirken, z.B., in dem bezahlte „Gegen-Werbung“ auf einschlägigen Seiten platziert wird.Eric Hattke formuliert exemplarisch, worum es geht: „Demokratie bedeutet, sich einzubringen. Das ist ein großes Problem, das ich jetzt sehe, dass dieses Bewusstsein nicht so stark entwickelt ist. […] Und das zwei-te ist natürlich, dass ich auch als Philosophiestudent die Würde des Menschen als ein unglaublich hohes Gut ansetze, was nicht materiell aufgewogen werden kann. Ich habe manchmal die Befürchtung, dass in unserer modernen Welt, die so schnelllebig geworden ist, die so stark auf Kommerz ausgerichtet ist, dass diese Werte verloren gehen und das wäre sehr schade, denn das macht uns eigentlich aus, das ist das, wofür uns der Rest der Welt beneidet.“ – Dass Menschenwürde im christlichen Horizont in der Gottebenbildlichkeit gründet, unterstreicht diesen Werte-Appell.

Hass im Internet, Dokumentation, Deutschland 2017, 24 Min., empfohlen: ab 14 Jahren, Ausleihe: Mediathek – Download: Medienportal

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Material und Medien

Fake News?!Diese Produktion trägt den Untertitel „Informationskompetenz in der digitalen Welt“ und wird diesem inhaltlichen Anspruch wirklich gerecht. Fake News, also Nachrichten, mit denen bewusst Täuschungen erfolgen sollen, werden differen-ziert als Phänomene von Digitalisierung und Kommunikation über Soziale Netz-werke beschrieben. Begriffe wie Social Bots, Filterblase, Echokammer werden anschaulich erklärt. Hinweise, wie Fake News üblicherweise inhaltlich gestaltet sind, und Möglichkeiten, wie wir Nachrichten, auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprü-fen können, werden ebenso vermittelt.

Fachexpertise qualifiziert dieses Medium zusätzlich; hier ein entsprechendes Beispiel: „Bei Social Bots ist das Problem, dass wir z.B. glauben, wir würden ir-gendeinen Link bekommen oder irgendeine Empfehlung von irgendjemandem, der

vielleicht ganz sympathisch ist. Dass dahinter aber überhaupt keine Person steht, sondern irgendeine Wahl-kampfzentrale, die irgendeinen Automaten los-geschickt hat, um mir einen solchen Link zuzuschicken. Und da fängt dann eben die Manipulation an, die in der Tat ein Problem sein kann.“ (Prof. Dr. Martin Emmer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, FU Berlin). – Selbst wer digitale Medien und Kommunikati-onstechniken bereits geübt verwendet, wird diesen Film mit persönlichem Erkenntnisgewinn anschauen.

Fake News?! Informationskompetenz in der digitalen Welt, Dokumentation, Deutschland 2017, 19 Min., empfohlen: ab 14 Jahren, Ausleihe: Mediathek – Download: Medienportal

Thomas BelkeDipl.-Religionspädagoge (FH), Leiter der Mediathek für Pastoral und Religionspädagogik im Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg

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FilmtippsDas Unheil vor der TürDämonen am Freiburger MünsterDokumentarf ilm, 42 Min., Deutschland 2018, Eignung ab 14 Jahren

Das Freiburger Münster steht als heiliger Raum seit rund 800 Jahren mitten in der Stadt. Draußen entfaltet sich das Leben der Menschen. Draußen lauern aber auch Gefahren, herrscht - nach altem Verständnis - das Böse. Es bedroht das Leben der Menschen. Und es will auch ausgreifen auf den Raum des Heiligen drinnen. Deshalb muss das Heilige vor dem Unheiligen beschützt, auf Abstand gehalten werden: Hoch über den Köpfen der Menschen ragen die Wasserspeier aus dem Langhaus des Münsters hervor. Schreckliche Menschen- und Tierfratzen, Masken des Bösen. Das Böse soll durch das Böse abgeschreckt werden.

Nach seiner Filmtrilogie über die Münsterfenster bezieht Michael Albus in diesem Film die „moderne“ Welt mit ihren kollektiven und persönlichen Ausbrüchen des Bösen, aber auch mit den Versuchen, das Böse zu bekämpfen, ihm zu widerstehen, in der faszinierenden Bilderwelt des Münsters mit ein. Eine längst vergangen geglaubte Geschichte wird hochaktuell.

TeebebenKurzspielfilm, 21 Min., Frankreich 2014, Eignung ab 14 Jahren

Malik Hachim, ein arabischer Muslim, betreibt in einem nordfranzösischen Stadt-viertel einen Gemischtwaren-Kiosk. Zu nächtlicher Zeit kommt ein Skinhead in seinen Laden und zeigt seine Missachtung, indem er demonstrativ auf den Fußbo-den spuckt. Als dieser aggressive, schwierige Kunde eine Einladung zum Tee aus-schlägt, macht Malik einen ungewöhnlichen Vorschlag: Der junge Rassist soll sein Angebot der Gastfreundschaft („gemeinsam Tee trinken“) annehmen, darf sich aber dann im Gegenzug nach Belieben im Laden einen Einkauf ohne Bezahlung zusammenstellen. Die uns bekannte Welt der Verlust- und Gewinnrechnungen wird durch ein „Tee-Beben“ förmlich auf den Kopf gestellt. Es geht hierbei nicht um einen geschäft-

lichen Triumpf des Guten über das Böse. Der Schlüssel liegt nicht in Moral, sondern ist vielmehr ästhetischer Natur: Bewegung kommt ins Spiel, weil vor unseren Augen die Möglichkeit von Schönheit freigelegt wird.Der Kurzfilm erschließt eine Perspektive für das Zusammenleben durch die Kunst der Gewaltfreiheit, die der englische Titel unter die treffliche Überschrift The Way Of Tea stellt. Die Botschaft (Nonviolence, keine Ge-walt) und Form des Werkes entsprechen einander: Die Zuschauenden werden zudem nicht durch lautstarke Eindeutigkeiten bevormundet.

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Über Gott nachdenken – Von Gott sprechen3 Bilderbuchkinos zu Gottesvorstellungen für GrundschulkinderBilderbuchkino, Deutschland 2018, Eignung ab 6 Jahren

Der rote Faden (4 Min.)Ein Junge stellt sich vor, wie ein „roter Faden“ alles miteinander verbindet: ihn mit seinen Eltern, Häuser und Städte, aber auch Wälder, Ozeane und die Sterne. Er überlegt, wie man ihn bezeichnen könnte, und warum er Halt gibt.

Ein Apfel für den lieben Gott (6 Min.)Ganz handfeste Vorstellungen treiben ein freches kleines Mädchen in „Ein Apfel für den lieben Gott“ um. Als es in eine gefährliche Situation gerät, in der ihm nur dank eines Pferdes nichts geschieht, ist es sich sicher, dass Gott sich in dem

Tier verbirgt. Die Zusage des Buches lautet klar und deutlich: Gott straft nicht. Obwohl Gretchen Gott durch besondere Gemeinheiten extra auf die Probe stellt, erlebt sie statt erwarteter Strafe dann die Rettung aus Lebensgefahr.

Gott, der Hund und ich (10 Min.)Gibt es Gott? Und wenn ja, hält er sich in unserer Nähe auf und wir nehmen ihn nur nicht wahr? Steckt in je-dem Menschen etwas Göttliches, das nur manchmal spürbar ist? Mit dem Bilderbuchkino „Gott, der Hund und ich“ lässt sich über solche Fragen theologisieren / philosophieren.

Hinweis der MediathekDie Filme sind auch einsetzbar in der Erstkommunionvorbereitung bei Kindern und Eltern.Für das Theologisieren und Philosophieren über Gottesvorstellungen eignet sich besonders „Der rote Faden“.

Ausleihe: Mediathek – Download: Medienportal

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In den einzelnen sozialen Netzwerken finden sich zu Themen wie Religion, Glaube oder Theologie ganz unter-schiedliche Gruppen. Wer sich in den Netzwerken bewegt kann unter den entsprechenden Stichworten, zum Beispiel digitale Theologie, nach interessierten gleichgesinnten suchen und an Diskussionen und Austausch teil-nehmen. Daneben bietet das Internet weitere zahlreiche Möglichkeiten, die das Themenfeld aus unterschied-lichen Perspektiven aufgreift. Eine kleine Auswahl an lohnenswerten Tipps ist hier aufgeführt.

Die katholische Kirche im NetzAuf den offizielle Seiten der kirchlichen Institutionen lassen sich umfangreiche Informationen über aktuelle Themen und Veranstaltungen finden. Die Bandbreite reicht vom Vatikan bis hin zur einzelnen Pfarrgemeinde vor Ort :

www.vaticannews.va Das Portal des Heiligen Stuhls informiert über Aktivitäten des Papstes, des Heiligen Stuhls, der Lokalkirchen und der Weltkirche.

www.katholisch.de Umfangreiches Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland.

www.dbk.de Die offizielle Seit der Deutschen Bischofskonferenz.

www.ebfr.de Die Seite der Erzdiözese Freiburg gibt tagesaktuelle Einblicke in die aktuellen Begebenheiten.

www.pfarrbriefservice.de Die Initiative der deutschen Bistümer liefert einen umfangreichen Service zur Erstellung von Pfarrbriefen.

Christliche BlogsNeben den einzelnen Gruppen in sozialen Netzwerken wird Religion, Glaube und Theologie auch in zahl-reichen Blogs als Thema behandelt. Dabei reicht die Bandbreite von einem katholischen Wiki (kathpedia.de) über ein Diskussionsforum zum politischen Handeln aus christlicher Perspektive (kreuz-und-quer.de) bis hin zu Plattformen einzelner Theologen, die aktuelle Geschehnisse kommentieren:

www.theologie-und-kirche.de Das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche stellt eine umfas-sende Übersicht theologisch interessanter Artikel bereit.

www.dreifachglauben.de Jeden Sonntag um 12 Uhr stellen diese jungen Theologinnen und The-ologen einen neuen Beitrag in ihrer Sprache ins Netz. Dabei steht das Anliegen, über Gott ins Gespräch zu kommen, im Vordergrund.

www.feinschwarz.de Analyse von Themen aus theologischer Sicht. Die Redaktion setzt sich aus Professorinnen und Professoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zusammen.

LinktippsZUM THEMA SOCIAL MEDIA

PERLEN IM NETZ – AUSGEWÄHLTE INTERNETSEITEN

für die Pastoral1/2019 Material und Medien

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y-nachten.de Eine Plattform für wissenschaftlich Nachwachsende verschiedener Disziplinen, kirchliche Mitarbeitende, Engagierte und Interessierte.

www.lectiobrevior.de Der Blog versteht sich selbst als die Aufzeichnungen eines Neutesta-mentlers. Auf dem Blog finden sich zum Teil sehr umfangreiche Texte.

www.irp-blog.de Auf dem Blog des Instituts für Religionspädagogik werden laufend neue Anregungen für religionspädagogisches Arbeiten geliefert.

https://kreuz-und-quer.de Die Initiative will einen Beitrag dazu leisten, dass zu wichtigen poli-tischen Fragen christlicher Weltverantwortung öffentliche Meinung gebildet wird.

www.kathpedia.comIm Stil der Onlineenzyklopädie Wikipedia werden hier Begriffe aus der Welt der katholischen Kirche aufgegriffen und erklärt. Jeder kann mit seinem Wissen dazu beitragen.

MedienpädagogikAnregungen und Methoden für die praktische, medienpädagogische Arbeit stehen auf folgenden Seiten kosten-los zur Verfügung:

www.mekomat.de Hier werden träger- und institutionsübergreifend alle verfüg-baren Materialien zur Vermittlung von Medienkompetenz, egal ob gedruckt oder online verfügbar, gesammelt und kategorisiert.

www.klicksafe.de Die EU-Initiative informiert über medienpädagogische Themen wie z.B. Cybermobbing oder Hatespeech und stellt Arbeitsmate-rialien zur Verfügung.

www.juuuport.de Beratungsangebot von Jugendlichen für Jugendliche, die Probleme im oder mit dem Internet haben.

www.medienpaedagogik-praxis.de/ Die einzelnen Beiträge des Blogs beschäftigen sich mit dem krea-tiven Umgang medienpädagogischer Probleme.

www.br.de/sogehtmedien/index.html Hier wird mit Videos, Audios, Quiz, interaktiven Karten und Texten erklärt, wie Medien funktionieren und warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.

https://www.irp-freiburg.de/html/con-tent/medienstellen.html

Die Homepage der sechzehn religionspädagogischen Medienstel-len der Erzdiözese Freiburg

Die aufgeführten Links stellen nur einen begrenzten Ausschnitt des Angebots im Internet dar. Für weiter-führende Informationen oder Hilfe steht der Autor gerne zur Verfügung.

Jonas MüllerReferent für Social Media im Institut für Religionspädagogik des Erzbistums Freiburg und Lehrer an der Gewerblichen Schule Donaueschingen.

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Autorinnen und Autoren

Beck, Prof. Dr. Wolfgang Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik, Leiter des Studienprogramm Medien an der PTH Sankt Georgen in Frankfurt am Main; Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD

Belke, Thomas Leiter der Mediathek im Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg

Goldinger, Felix Referent für Gemeindekatechese im Bistum Speyer

Helbig-Londo, Madeleine Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik an der PTH Sankt Georgen in Frankfurt am Main

Hertl, Dr. Michael Pressesprecher und Leiter des Referates Kommunikation im Erzbistum Freiburg

Kuhn, Jan Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung

Müller, Jonas Referent für Social Media im Institut für Religionspädagogik des Erzbistums Freiburg und Lehrer an der Gewerblichen Schule Donaueschingen für die Fächer Katholische Religionslehre und Wirtschaftsgeographie

Neumann, Felix Social Media-Redakteur bei katholisch.de und Koordinator der Veranstaltungsreihe #instakirche. Der Politikwissenschaftler lehrt Social Media und publiziert im Netz an der PTH St. Georgen und ist Mitglied der Expertengruppe Social Media der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz

Sauer, Tobias Katholischer Theologe und strategischer Kommunikationsberater mit der Initiative ruach.jetzt

Schick, Dr. Ludwig Erzbischof des Erzbistums Bamberg

Schmidt, Friedericke Pastoralassistentin in der Katholischen Kirchengemeinde Offenburg

Wagner, Prof. Elke Professur für spezielle Soziologie und qualitative Forschung am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Würzburg

1/2019 für die PastoralImpressum

für die Pastoral1/2019 Autorinnen und Autoren

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Impressum

für die Pastoral

Herausgeber: Rektor des Erzbischöflichen SeelsorgeamtesDomdekan Andreas Möhrle

Redaktion:Dr. Stefan BonathDr. Claudia Fuchs-von BrachelSebastian R. StöhrBarbara Winter-Riesterer

Satz:José R. González-Bellón

Druck:schwarz auf weiss, Freiburg

Erscheinungsweise:in unregelmäßiger Folge

Bildnachweis:Titelseite: pixabay.comS. 4: Björn SillerS. 6: pixabay.comS. 18: pixabay.com

Anschrift der Redaktion:Erzbischöfliches SeelsorgeamtPostfach 4 4979004 [email protected]

Bezug:shop.seelsorgeamt-freiburg.deErzbischöfliches Seelsorgeamt, VertriebPostfach 4 49, 79004 FreiburgTel. 0761 51 44 -115, Fax 0761 51 44 [email protected]

Diese Ausgabe kann nachbestellt werden. Bestellnummer: 17910219Preis: 3,– Euro zzgl. Versandkosten

Zum Download steht die Ausgabe unter folgendem Link zur Verfügung:www.seelsorgeamt-freiburg.de/impulse

ISSN 1862-3956

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Auch Jesus würde twittern!

Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Auch Jesus würde twittern

Warum ich als Bischof die sozialen Medien nutze, wie und wofür!