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NEWSLETTER GESCHICHTE www.klett.de © Ernst Klett Verlag GmbH, Leipzig 2018. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten. 1 Augustus Im gesamten ersten Jahrhundert vor Christus waren im Imperium Romanum Bürgerkriege, bewaffnete Kon- flikte und politische Verschwörungen an der Tages- ordnung. Nachdem sich Gaius Iulius Caesar selbst zum Diktator auf Lebenszeit eingesetzt hatte und von den Senatoren an den Iden des März 44 v. Chr. ermordet worden war, war es das Ziel des römischen Senats, die Republik wiederherzustellen. Doch dies gelang formal erst unter der Herrschaft des Augustus. Unter ihm folgte eine Periode, die von Sicherheit und Frieden geprägt war. Die sogenannte pax Augusta (et- wa „der Augusteischer Frieden“) bedeutete äußerlich zwar die Wiederherstellung der freien römischen Republik, zugleich aber auch deren Ende. Von nun an waren Redefreiheit und die Freiheit des Denkens an die Person des Kaisers gebunden. Ovid bezeichnet in seiner berühmten Ars amatoria (ein Lehrgedicht über die „Kunst zu lieben“) diese Zeit als verheißungsvolle neue Epoche: „Nunc aurea Roma est – Nun ist Rom golden“ heißt es in Ars amatoria III 113. Doch begrüßte Ovid diese Zeit nun kaisertreu-über- schwänglich? Oder ist dieser Vers auch als versteckte Kritik an dem ausgefeilten Propaganda-Apparat des Kaisers zu verstehen? Immerhin lehnte der gefeierte Dichter es ab, die „göttlichen Taten“ des Augustus in einem großen mythologischen Epos zu besingen und schrieb stattdessen an seinem Liebesratgeber. Auch den vom Staat zum Ruhme des Kaisers propagierten Götterkult nahm Ovid nicht allzu ernst. Als Ovid auch noch in einen Sittenskandal um Augustus’ Tochter Iulia verwickelt war, verbannte der Kaiser den Dichter 8 n. Chr. ins Exil ans Schwarze Meer, wobei er sein Vermögen und das römische Bürgerrecht behalten durfte. Bis heute bleibt der Grund der Verbannung, von Ovid nur wage als carmen et error (Gedicht und Fehler) bezeichnet, im Dunkeln. Was bleibt, sind der unsterb- liche Ruhm des Dichters und die Willkür des Kaisers. Die zunehmende Einschränkung der staatsbürger- lichen Freiheiten dürften die Zeitgenossen also schon damals kritisch gesehen haben. Gaius Octavius – Octavian – Augustus Augustus wurde unter dem bürgerlichen Namen Gaius Octavius am 23. September 63 v. Chr. als Sohn von Caesars Nichte Atia und deren Ehemann Gaius Octavius geboren. Der Großneffe, Adoptivsohn und Haupterbe von Gaius Iulius Caesar konnte sich – nach der Adoption meist Octavian genannt – nach Caesars Ermordung in allen Machtkämpfen um die Herrschaft über Rom be- haupten. Er beendete die fast ein Jahrhundert lang to- benden Bürgerkriege und begründete die julisch-clau- dische Kaiserdynastie. Dabei gelang es ihm 27 v. Chr. unter dem Anschein der Wiederherstellung der Republik das sogenannte „Prinzipat“ zu errichten. Als princeps beanspruchte Octavian, der im selben Jahr mit dem Ehrentitel Augustus (der Erhabene) versehen worden war, offiziell lediglich „erster Bürger“ im Staat zu sein. De facto etablierte er eine dauerhafte Monar- chie. Wie konnte Augustus in nur wenigen Jahren das schaffen, was seinem Stiefvater Caesar misslungen war? Nach außen führte Augustus zahlreiche Kriege, um das Römische Reich zu vergrößern. Nach innen aber schuf er in seiner über vierzigjährigen Amtszeit eine Epoche, die von Konsolidierung und Frieden ge- prägt war, und vollzog somit erfolgreich den Wandel von der Republik zur Monarchie. 14. n. Chr. starb Augustus. Sein Stief- und Adoptivsohn Tiberius folgte ihm als Kaiser nach. Das „goldene“ Zeitalter Die Dichtung der augusteischen Zeit war im höchsten Maße auch eine politische Angelegenheit. Nach sei- nem Sieg über Antonius und nach der Errichtung des auf ihn zugeschnittenen Prinzipats konnte sich der Prinzeps keine bessere Propaganda wünschen als die Werke der zeitgenössischen Dichter wie Vergil, Horaz oder auch Ovid, die in ihrer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit den Ruhm des Augustus verkündeten. Vergil und Horaz waren noch zu Lebenszeiten des Augustus zu Autoren geworden, die auch in den rö- mischen Schulen gelesen wurden. In ihren Werken lobten sie den Herrscher für das Wohlergehen ganz Roms. Sie verbreiteten auch die Vorstellung von der Göttlichkeit des Augustus. © akg-images (Nimatallah), Berlin 1 Bronzeporträt des Augustus, um 27 v. Chr., London, British Museum

1234522 242 · Gaius Octavius – Octavian – Augustus Augustus wurde unter dem bürgerlichen Namen Gaius Octavius am 23. September 63 v. Chr. als Sohn von Caesars Nichte Atia und

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1 Augustus

Im gesamten ersten Jahrhundert vor Christus waren im Imper ium Romanum Bürgerkriege, bewaffnete Kon­flikte und politische Verschwörungen an der Tages­ordnung. Nachdem sich Gaius Iulius Caesar selbst zum Diktator auf Lebenszeit eingesetzt hatte und von den Senatoren an den Iden des März 44 v. Chr. ermordet worden war, war es das Ziel des römischen Senats, die Republik wiederherzustellen. Doch dies gelang formal erst unter der Herrschaft des Augustus.

Unter ihm folgte eine Periode, die von Sicherheit und Frieden geprägt war. Die sogenannte pax Augusta (et­wa „der Augusteischer Frieden“) bedeutete äußerlich zwar die Wiederherstellung der freien römischen Republik, zugleich aber auch deren Ende. Von nun an waren Redefreiheit und die Freiheit des Denkens an die Person des Kaisers gebunden. Ovid bezeichnet in seiner berühmten Ars amatoria (ein Lehrgedicht über die „Kunst zu lieben“) diese Zeit als verheißungsvolle neue Epoche: „Nunc aurea Roma est  – Nun ist Rom golden“ heißt es in Ars amatoria III 113.

Doch begrüßte Ovid diese Zeit nun kaisertreu­über­schwänglich? Oder ist dieser Vers auch als versteckte Kritik an dem ausgefeilten Propaganda­Apparat des Kaisers zu verstehen? Immerhin lehnte der gefeierte Dichter es ab, die „göttlichen Taten“ des Augustus in einem großen mythologischen Epos zu besingen und schrieb stattdessen an seinem Liebesratgeber. Auch den vom Staat zum Ruhme des Kaisers propagierten Götterkult nahm Ovid nicht allzu ernst. Als Ovid auch noch in einen Sittenskandal um Augustus’ Tochter Iulia verwickelt war, verbannte der Kaiser den Dichter 8  n.  Chr. ins Exil ans Schwarze Meer, wobei er sein Vermögen und das römische Bürgerrecht behalten durfte. Bis heute bleibt der Grund der Verbannung, von Ovid nur wage als carmen et error (Gedicht und Fehler) bezeichnet, im Dunkeln. Was bleibt, sind der unsterb­liche Ruhm des Dichters und die Willkür des Kaisers. Die zunehmende Einschränkung der staatsbürger­lichen Freiheiten dürften die Zeitgenossen also schon damals kritisch gesehen haben.

Gaius Octavius – Octavian – AugustusAugustus wurde unter dem bürgerlichen Namen Gaius Octavius am 23. September 63 v.  Chr. als Sohn von Caesars Nichte Atia und deren Ehemann Gaius Octavius geboren. Der Großneffe, Adoptivsohn und Haupterbe von Gaius Iulius Caesar konnte sich – nach der Adoption meist Octavian genannt – nach Caesars Ermordung in allen Machtkämpfen um die Herrschaft über Rom be­haupten. Er beendete die fast ein Jahrhundert lang to­benden Bürgerkriege und begründete die julisch­clau­dische Kaiserdynastie. Dabei gelang es ihm 27 v. Chr. unter dem Anschein der Wiederherstellung der Republik das sogenannte „Prinzipat“ zu errichten. Als princeps beanspruchte Octavian, der im selben Jahr mit dem Ehrentitel Augustus (der Erhabene) versehen worden war, offiziell lediglich „erster Bürger“ im Staat

zu sein. De facto etablierte er eine dauerhafte Monar­chie.

Wie konnte Augustus in nur wenigen Jahren das schaffen, was seinem Stiefvater Caesar misslungen war? Nach außen führte Augustus zahlreiche Kriege, um das Römische Reich zu vergrößern. Nach innen aber schuf er in seiner über vierzigjährigen Amtszeit eine Epoche, die von Konsolidierung und Frieden ge­prägt war, und vollzog somit erfolgreich den Wandel von der Republik zur Monarchie.

14. n. Chr. starb Augustus. Sein Stief­ und Adoptivsohn Tiberius folgte ihm als Kaiser nach.

Das „goldene“ ZeitalterDie Dichtung der augusteischen Zeit war im höchsten Maße auch eine politische Angelegenheit. Nach sei­nem Sieg über Antonius und nach der Errichtung des auf ihn zugeschnittenen Prinzipats konnte sich der Prinzeps keine bessere Propaganda wünschen als die Werke der zeitgenössischen Dichter wie Vergil, Horaz oder auch Ovid, die in ihrer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit den Ruhm des Augustus verkündeten. Vergil und Horaz waren noch zu Lebenszeiten des Augustus zu Autoren geworden, die auch in den rö­mischen Schulen gelesen wurden. In ihren Werken lobten sie den Herrscher für das Wohlergehen ganz Roms. Sie verbreiteten auch die Vorstellung von der Göttlichkeit des Augustus.

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1 Bronzeporträt des Augustus, um 27 v. Chr., London, British Museum

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2 Augustus

Die Verehrung und die Dankbarkeit, die sie gegen­über Augustus propagierten, wurden dabei von weiten Teilen der römischen Bürger und auch in den Provinzen geteilt. Frieden und wachsender Wohlstand im Römischen Reich wurden als Verdienste der götter­gefälligen Taten des Prinzeps interpretiert. Die außen­politischen Erfolge seiner Feldzüge waren Zeichen da­für, dass Rom zur Weltherrschaft berufen war.

Die Neuordnung Italiens und der ProvinzenDer römischen Öffentlichkeit wurde immer wieder vor Augen geführt, dass in der damals bekannten Welt Rom nun die beherrschende Stellung eingenommen hatte. Augustus habe, so heißt es in der augusteischen Dichtung immer wieder, alle äußeren Feinde unterwor­fen. Auf diese Weise habe er für Rom den Frieden und Wohlstand gesichert. Dieses Bild des Prinzeps, dessen Allmacht sich auch im Bildschmuck der Architektur der Stadt wiederfindet, war von fundamentaler Bedeutung für seine Machtposition. Augustus musste nämlich sei­ne führende Stellung im römischen Staat durch seine militärischen Erfolge legitimieren. Deshalb ist seine Herrschaftszeit bis um Christi Geburt vor allem durch expansive außenpolitische Ziele geprägt. Auf diese Weise sicherte Augustus die Herrschaft vor allem in den Provinzen, wie zum Beispiel in Spanien, Gallien oder Makedonien. Doch seine Expansionspolitik bein­haltete nicht nur ideologische und sicherheitspoli­tische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche. Die Ordnung der Provinzen und die Einführung von admi­nistrativen Strukturen in den Kern­ und Randgebieten des Römischen Reiches förderten die Entwicklung von Infrastruktur und Urbanisierung im Reich.

Im Inneren des Imperiums den Frieden zu wahren und die Grenzen zu sichern war auch die Voraussetzung für die neue Einheit des Römischen Reiches. Im Zuge dieser Entwicklung wurden aus den in den Zeiten der Republik unterworfenen Völkern nun römische Bürger, die unter der Obhut des Kaisers standen. Das Bürger­recht, ein vormals schwer zu erringendes Privileg, wurde nun in großem Umfang vergeben. Dies unter­stützte die Vorstellung von einem Reich, einem Volk und einem Herrscher. Viele Provinzen unterstanden Augustus persönlich, wodurch er über eigene Steuer­einnahmen verfügte. Diese Befugnisse machten es ihm noch leichter, in den Provinzen neben der senato­rischen auch eine eigenständige kaiserliche Verwaltung zu etablieren.

Bei der Absicherung seiner Macht lernte Augustus aus den Fehlern seines Stiefvaters. Im Jahre 29 v. Chr. ließ er sich statt zum König lediglich zum „Ersten des Senats“ erklären, zum princeps senatus. Daher bezeich­net man seine Regierungszeit auch als Prinzipat. Faktisch war Augustus aber Alleinherrscher.

Stadtumbau In den zeitgenössischen Schriften wird umfangreich beschrieben, wie sich auch das Erscheinungsbild der Stadt Rom selbst unter Augustus signifikant veränder­te. Dabei enstanden neue prächtige Gebäude auf den Hügeln Roms, Theater, Aquädukte, prachtvolle Tempel zur Götterverehrung und sorgsam angelegte Plätze. Die kaiserliche Architektur verschönerte Rom so sehr, dass der Schriftsteller Sueton in seinen Kaiser­biografien davon berichtet, dass Rom eine „Stadt aus Ziegelsteinen“ war, bevor Augustus kam und eine Stadt „aus Marmor“ hinterließ. Andererseits war die neue Architektur auch von einem Ordnungswillen durch­drungen und die Gestaltungsmacht des Kaisers somit allgegenwärtig.

Die Wohnverhältnisse in der Metropole waren für weite Bevölkerungsteile weit weniger prunkvoll als für die Mitglieder des Ritter­ und Adelsstandes. Enge Wohnungen, baufällige Mietshäuser, hohe Mietpreise, ohrenbetäubender Lärm in den Straßen, dazu die stän­dige Gefahr, unter Trümmern begraben zu werden oder einem Brand ausgesetzt zu sein, da auch viel Holz in der Stadt verbaut war, bestimmten den Alltag der Bevölkerung in Rom. Augustus erreichte aber auch für die niederen Schichten deutliche Verbesserungen: Der Ausbau der Brot­ und Wasserversorgung, die Ein rich­tung einer Bereitschaftsfeuerwehr und einer Schutz­truppe, quasi einer Art Stadtpolizei, gehörten zur kai­serlichen Fürsorge und dienten der öffentlichen Sicherheit.

Getreide- und WasserversorgungAugustus nicht unumstrittene Alleinherrschaft bedurf­te der Akzeptanz durch die römischen Bürger. Daher gehörte die Fürsorge für das Volk schon deshalb zu den Prioritäten des Prinzeps, da er als patronus Volk und Heer gegenüber verpflichtet war und gleichzeitig ihre Unterstützung benötigte.

Missernten und Seestürme führten nicht selten zu Engpässen bei den Getreidelieferungen aus Ägypten und den anderen „Kornkammern“ des Imperiums. Die Einwohner Roms waren schon lange von diesen öffent­lichen Getreideversorgungen abhängig, sodass die Sicherstellung der Lieferungen nach der Schlacht von Actium 31 v. Chr. Augustus Herrschaft stabilisierte. Bei der Getreideversorgung wurden zwei Dinge geregelt: einerseits die Bereitstellung von Getreidespenden für die ärmeren Bevölkerungsschichten, andererseits die Regulierung des Marktes und die Garantie, dass eine ausreichende Getreidemenge immer vorhanden war, um Engpässe oder Preissteigerungen zu vermeiden. In seinem Tatenbericht widmete Augustus ein Viertel sei­nes Werkes diesen impensae, den Aufwendungen, die er für den römischen Staat und sein Volk gemacht hatte: Bauten, Spiele sowie Geld­ und Getreidespenden, um den Sold der Soldaten sowie die Versorgung der Hauptstadteinwohner zu gewährleisten. Die minuziöse

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Auflistung zeigt dem Leser bei der Lektüre des Tatenberichts eindringlich, welch umfassende Fürsorge der Monarch als Wohltäter Roms leistete. Besonders nach der Überwindung der Versorgungskrise im Jahr 22 v. Chr. erfolgten auf Augustus’ Anweisung regelmä­ßige Zuteilungen von Getreide­ und Geldspenden. Hierzu wurden die Einwohner Roms in Listen erfasst und gezählt, um die monatliche Ration zu bestimmen und zu dokumentieren.

Daneben war die Trinkwasserversorgung in Rom ein weiteres grundlegendes Problem, das Augustus in Angriff nahm. Der Prinzeps ließ bereits vorhandene Aquädukte in Stand setzen und renovieren, gleichzei­tig ließ er neue Wasserleitungen bauen. Wasserspeicher, Brunnen und Zisternen wurden angelegt. Das in neuen Leitungen aus den nahe gelegenen Albanerbergen kommende frische Wasser diente auch der Versorgung der Thermen, den ersten öffentlichen Badeanstalten, auf dem Marsfeld.

Augustus finanzierte dies alles großenteils aus sei­nem Privatvermögen, doch hatte er als Prinzeps auch unumschränkten Zugriff auf die Staatskasse, also den römischen Staatsschatz, sowie auf die Kassen der Statthalter in den Provinzen.

Der grausame KriegsherrDie allumfassende Macht hatte Augustus aber nicht bloß allein durch Mildtätigkeiten gegenüber den römi­schen Bürgern oder durch vorausschauende Verwal­tungs strategien errungen. Während des Krieges gegen seinen Konkurrenten Marcus Antonius hatte sich Octavian von seiner gnadenlosen Seite gezeigt: Er schaltete seine Gegner konsequent aus.

Seit dem Jahr 36 v. Chr. inszenierte sich Octavian als Friedensbringer, der die Bürgerkriege beenden wollte. Das Römische Reich war in zwei Machtbereiche geteilt, der westliche samt Afrika stand bereits unter Kontrolle des jungen Feldherrn, im Osten herrschte sein Noch­

2 Gemma Augustea, Wien, Kunsthistorisches Museum. Die Gemma Augustea ist ein zweischichtiger Halbedelstein, dessen obere Schicht reliefartig ausgearbeitet ist, und wurde vermutlich nach 10 n. Chr. in Rom auf Veranlassung des Kaiserhauses hergestellt. Ihre Maße sind heute etwa 19 x 23 cm.

Sie zeigt im oberen Teil Augustus neben der Stadtgöttin Roma und von der Siegesgöttin Victoria bekränzt. Am linken Rand ist vermutlich Tiberius dargestellt, im unteren Teil römische Soldaten und besiegte Germanen.

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Schwager Antonius. Während dieser im Osten gegen die Parther kämpfte, besiegte Octavian Sextus Pompeius und demonstrierte nach seinem Sieg, seine kompromisslose Seite: Die freigelassenen Sklaven des feindlichen Heeres, die gegen ihn gekämpft hatten, wurden ihren ehemaligen Besitzern zurückgegeben oder aber, wenn sie herrenlos waren, hingerichtet. Orosius, ein späterer Geschichtsschreiber, berichtet uns, dass 6 000 herrenlose Sklaven von Octavian ge­kreuzigt worden seien.

In den folgenden Jahren kühlte sich das Verhältnis zwischen Octavian und Antonius, der sich selbst eben­falls als Nachfolger und Erbe Caesars sah, radikal ab. Antonius ließ sich von Octavians Schwester scheiden und erklärte Ägypten zu seiner neuen Machtbasis, in­dem er die amtierende Pharaonin Kleopatra heiratete. In einem Propagandakrieg, der seinesgleichen sucht, stilisierte Octavian Antonius als Feind Roms, der seine Schwester gekränkt und eine fremde, das Imperium bedrohende Königin geehelicht habe. Somit war der Krieg gegen Antonius kein Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen eine äußere Macht, die einen römischen Feldherrn korrumpiert hatte. Nach der vernichtenden Seeschlacht bei Actium 31 v.  Chr. hatte Antonius den Kampf gegen Octavian schon verloren. In seiner aus­weglosen Lage nahm er sich das Leben. Kurze Zeit später folgte ihm Kleopatra nach. Ägypten wurde zu einer römischen Provinz.

Doch auch nach seiner Niederlage und seinem Tod war Octavians Rachsucht gegenüber Marcus Antonius noch nicht befriedigt. Der Senat verhängte eine dam-natio memoriae, die Auslöschung jeglicher Erinnerung, sodass bis zum heutigen Tag in den zeitgenössischen Quellen fast jeder Hinweis auf Antonius fehlt.

Die EhegesetzeIm Zuge seiner „Wiederherstellung der römischen Republik“ erließ Augustus verschiedene neue Gesetze. Da bei besann er sich vor allem auf die althergebrach­ten römischen Tugenden: Strenge, Tüchtigkeit, Tapfer­keit und Pflichtgefühl. Die lockere Moral seiner Zeit­genossen bezüglich der Ausübung der Ehe schien ihm da rin begründet, dass ebendiese Tugenden verfielen. Die ser Verfall war eine Bedrohung für die römische Familie als Grundbaustein eines funktionierenden Staa tes. Die Familie diente vor allem der Zeugung von ehelichen Kindern und somit wurde der Erhalt der tra­ditionellen Familienstrukturen zu einer gesetzlich fest­gelegten patriotischen Pflicht. Die zunehmende Kinder­losigkeit römischer Adelsfamilien veranlasste deshalb Augustus dazu, drei Gesetze zu erlassen: ein Gesetz zur Verhinderung von Ehebruch, ein Gesetz zur Regelung von Eheschließungen sowie später eine gesetzliche Verpflichtung zur Eheschließung.

Diese Gesetze sahen steuerliche Sanktionen für kin­derlose Paare vor. Unverheiratete Männer durften kein

Erbe antreten. Ehebruch wurde unter Strafe gestellt, auch der Versuch war strafbar.

IuliaIulia, die einzige leibliche Tochter Iulia des Prinzeps, wurde in die dynastischen und politischen Pläne ihres Vaters von Geburt an konsequent eingespannt. Augustus drängte sie in mehrere Zweckehen, aus de­nen er einen politischen Nutzen zog. Laut römischem Recht stand Iulia allerdings nach der Geburt ihres drit­ten Kindes nicht länger unter der patria potestas, der väterlichen Gewalt. Doch Augustus hielt sich im Falle seiner Tochter nicht an sein eigenes Gesetz und er­laubte ihr keine Scheidung. Er fürchtete wohl, dass ein potenzieller nächster Ehemann auch Machtansprüche stellen könnte.

Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich Iulia in verschiedene Affären flüchtete. Auch sexuelle Eska­paden, wie Orgien und Prostitution, wurden ihr zuge­schrieben. Ihr unsittlicher Lebenswandel passte in der Öffentlichkeit folglich nicht zur strengen Sittenpolitik des Prinzeps. Augustus verbannte sie auf die kleine Insel Pandateria (heute: Ventotene) im Tyrrhenischen Meer. Verschiedene Männer wurden des Ehebruchs mit Iulia beschuldigt, ebenfalls angeklagt und anschlie­ßend verbannt oder gar hingerichtet.

Reaktion auf die SittengesetzeDie Sittengesetze wirkten schon auf die Zeitgenossen ein wenig merkwürdig und boten Anlass zu Spott. Natürlich durfte die kaiserliche Gesetzgebung nicht of­fen kritisiert werden, aber in mythischen Erzählungen übte Ovid dennoch ironisch Kritik: In der Ars amatoria erzählt er beispielsweise die Geschichte vom Ehebruch der Venus, die ihren Gatten Vulcanus mit dem Kriegsgott Mars betrog – Götter unterlagen schließlich nicht den Gesetzen der Menschen. So forderte Ovid, wenn auch indirekt, entgegen der strengen sittlichen Vorschriften des Prinzeps zu einer freieren Ausübung von Liebes­beziehungen auf.

Trotz allem blieben die Sittengesetze auch unter Augustus Nachfolgern in Kraft. Diese Tatsache und dass sich die nachfolgenden Kaiser von der Bindung an eben diese Gesetze persönlich frei machten (prin-ceps legibus solutus – der Kaiser ist den Gesetzen nicht unterworfen), legte sehr viel später auch den Grundstein für das frühneuzeitliche Selbstverständnis der europäischen Könige im Zeitalter des Absolutismus.

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3 Das neue RomÜber die Bautätigkeit des Augustus äußert sich der Geschichtsschreiber Sueton Ende des 1. Jahr hunderts n. Chr. so:Und die Stadt Rom, da sie nicht im Verhältnis zum Ansehen des Reiches geschmückt und Über schwemm­ungen und Bränden ausgesetzt war, veredelte er [Augustus] so sehr, dass er sich zu Recht rühmte, dass er eine Stadt aus Marmor zurücklasse, die er als eine Stadt aus Ziegelwerk empfangen habe. Eine sichere Stadt frei­lich, soweit er es mit menschlicher Vernunft vorhersehen konnte, schuf er auch für die Nachfolgezeit.Sueton, Vita Divi Augusti 28, übers. v. Priscilla Hammann

4 Die Ehegesetze des AugustusDie von Augustus erlassenen Sittengesetze hatten fol-gende Inhalte:Lex Iulia de maritandis ordinibus (18 v. Chr.)• Ehepflicht für alle römischen Bürger;• Senatoren dürfen keine freigelassenen Frauen heira­

ten;• Beschränkung der Testamentsfreiheit;• nach dem Tod eines Ehepartners besteht die Pflicht

des hinterbliebenen Partners, sich innerhalb eines Jahres wiederzuverheiraten;

• Kinder verkürzen Wartefristen bei Amtsbewerbungen;• Kleider­ und Theaterprivilegien für Verheiratete;• Unverheirateten droht der Verlust des Erbanspruchs.

Lex Iulia de adulteriis coercendis (18 v. Chr.)• Ehebruch ist eine Straftat;• Ehebruch wird mit Verbannung oder auch Vermögens­

verlust bestraft.

Lex Papia Poppaea (9 n. Chr.)• Kinderlosigkeit wird mit dem Verlust von Erbschaft s­

teilen bestraft;• Verlängerung der Wiederverheiratungsfrist von einem

auf drei Jahre.

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6 Römischer Schmuckstein aus dem 1. oder 3. Jahrhundert n. Chr., Paris, Bibliothèque National. Der Stein zeigt den Göttervater Jupiter mit seinem Adler, wie er neben seiner Ehefrau Juno mit ihrem Pfau auf einem Thron sitzt und die Götter Merkur und Minerva aussendet.

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5 Volkszählungen unter AugustusDie Bevölkerungszahlen des Römischen Reiches betrugen nach den Angaben, die Augustus in seinem Tatenbericht (Res Gestae I, 8) macht, für Personen mit römischem Bürgerrecht:

Jahr Anzahl der römischen Bürger

28 v. Chr. etwa 4 000 000

8 v. Chr. etwa 4 230 000

14 n. Chr. etwa 5 000 000

1. Beschreibe die Entwicklung von „Octavius“ zu „Augustus“. Trage die wichtigen Daten und Ereignisse auf einer Zeitleiste ein. (M 1, M 2)

2. Erläutere die Entwicklung der Zahl der römischen Bürger. Erkläre, welche Rolle Augustus dafür spielte. (M 5)

3. Stell das Verhältnis zwischen Augustus und a) den augusteischen Dichtern oder b) Marcus Antonius dar.

4. Erläutere, wie Augustus Rom und das Römische Reich politisch, gesellschaftlich und kulturell nach dem Ende der Bürgerkriege neu ordnete. (M 3, M 4)

5. Beschreibe die Gemma Augustea (M 2) und erkläre, wie Augustus sich hier darstellen lässt. Ziehe dafür auch M 6 zum Vergleich heran.

6. Diskutiert in der Klasse: War Augustus ein weiser Friedensstifter, ein grausamer Tyrann oder ein berechnender Machtmensch?

Autorin: Priscilla Hammann

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