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MARC SASSE Hauptversammlung und Internet Juristische Reihe TENEA/ Bd. 15 15 Juristische Reihe TENEA/ Bd. 15

15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

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Page 1: 15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

MARC SASSE

Hauptversammlung und Internet

ISBN 3-936582-35-1 26 € 52,80 SFr

Juristische Reihe TENEA/ Bd. 15

15

Juris

tisch

e Re

ihe

TE

NE

A/

Bd. 1

5Marc Sasse, 1970 in Mülheim an der Ruhr geboren. 1989 Abitur inMülheim an der Ruhr. 1989 bis 1991 kaufmännische Ausbildung. Jura-studium von 1991 bis 1997 an den Universitäten Bochum und Freiburg.1. Staatsexamen 1997 in Freiburg. 1997 bis 2000 Referendariat am OLGDüsseldorf. Ende 1999 Wahlstation in San Francisco, USA. 2. Staatsex-amen Januar 2000 in Düsseldorf. 2000/2001 Promotion und begleiten-de Tätigkeit bei Rotthege, Wassermann und Partner, Düsseldorf. SeitJanuar 2002 Tätigkeit als Rechtsanwalt bei Hölters & Elsing, Düssel-dorf.

Das Internet hat Einzug in alle Bereiche des Wirtschafts-, Rechts- undSoziallebens gehalten und ist aus den Kommunikations- und Informa-tionsprozessen der Menschen und Unternehmen nicht mehr wegzu-denken. Entsprechend seiner Verbreitung wirkt das Internet in fast alleRechtsgebiete ein. Das Recht der Hauptversammlung hat lange Zeitder neuen Entwicklungen unzureichend Rechnung getragen. Bis vorkurzem ging das Aktienrecht vom Papier als dem vorherrschendenKommunikationsmittel aus und war von bürokratischen Formerfor-dernissen durchzogen. Das Bild der Hauptversammlung im AktG istgeprägt von der physischen Zusammenkunft der nationalen Anlegeran einem Ort. Dieses Präsenzmodell wirkt angesichts der Internationa-lisierung der Aktionärsstruktur und Elektronisierung der Kapital-märkte antiquiert. Die Hauptversammlung als Informations- undKommunikationsforum der Anleger ist wie geschaffen für den Einsatzdes Internet. Den bedeutenden Veränderungen bei den Informations-technologien und auf den Kapitalmärkten, versucht der deutscheGesetzgeber seit einiger Zeit Rechnung zu tragen. Er will das deutscheAktienrecht modernisieren und an internationale Gepflogenheitenanpassen. Ziel dieser Untersuchung ist es zu überprüfen, ob und wiedas Internet bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptver-sammlung rechtssicher eingesetzt werden kann. Dabei sind insbeson-dere die neu geschaffenen Möglichkeiten durch das Namensaktienge-setz (NaStraG) und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensverfas-sung der Aktiengesellschaft kritisch zu hinterfragen.

Tenea/jurawelt 15 Sasse 17.10.2002 18:26 Uhr Seite 1

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Hauptversammlung und Internet

ISBN 3-936582-35-1 26 € 52,80 SFr

Juristische Reihe TENEA/ Bd. 15

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Juris

tisch

e Re

ihe

TE

NE

A/

Bd. 1

5Marc Sasse, 1970 in Mülheim an der Ruhr geboren. 1989 Abitur inMülheim an der Ruhr. 1989 bis 1991 kaufmännische Ausbildung. Jura-studium von 1991 bis 1997 an den Universitäten Bochum und Freiburg.1. Staatsexamen 1997 in Freiburg. 1997 bis 2000 Referendariat am OLGDüsseldorf. Ende 1999 Wahlstation in San Francisco, USA. 2. Staatsex-amen Januar 2000 in Düsseldorf. 2000/2001 Promotion und begleiten-de Tätigkeit bei Rotthege, Wassermann und Partner, Düsseldorf. SeitJanuar 2002 Tätigkeit als Rechtsanwalt bei Hölters & Elsing, Düssel-dorf.

Das Internet hat Einzug in alle Bereiche des Wirtschafts-, Rechts- undSoziallebens gehalten und ist aus den Kommunikations- und Informa-tionsprozessen der Menschen und Unternehmen nicht mehr wegzu-denken. Entsprechend seiner Verbreitung wirkt das Internet in fast alleRechtsgebiete ein. Das Recht der Hauptversammlung hat lange Zeitder neuen Entwicklungen unzureichend Rechnung getragen. Bis vorkurzem ging das Aktienrecht vom Papier als dem vorherrschendenKommunikationsmittel aus und war von bürokratischen Formerfor-dernissen durchzogen. Das Bild der Hauptversammlung im AktG istgeprägt von der physischen Zusammenkunft der nationalen Anlegeran einem Ort. Dieses Präsenzmodell wirkt angesichts der Internationa-lisierung der Aktionärsstruktur und Elektronisierung der Kapital-märkte antiquiert. Die Hauptversammlung als Informations- undKommunikationsforum der Anleger ist wie geschaffen für den Einsatzdes Internet. Den bedeutenden Veränderungen bei den Informations-technologien und auf den Kapitalmärkten, versucht der deutscheGesetzgeber seit einiger Zeit Rechnung zu tragen. Er will das deutscheAktienrecht modernisieren und an internationale Gepflogenheitenanpassen. Ziel dieser Untersuchung ist es zu überprüfen, ob und wiedas Internet bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptver-sammlung rechtssicher eingesetzt werden kann. Dabei sind insbeson-dere die neu geschaffenen Möglichkeiten durch das Namensaktienge-setz (NaStraG) und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensverfas-sung der Aktiengesellschaft kritisch zu hinterfragen.

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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 15

TENEA

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Tenea (‘η Τενεα), Dorf im Gebiet von Korinthan einem der Wege in die → Argolis, etwas s. desh. Chiliomodi. Sehr geringe Reste. Kult des Apol-lon Teneates. T. galt im Alt. sprichwörtl. als glück-lich, wohl wegen der Kleinheit […]Aus: K. Ziegler, W. Sontheimer u. H. Gärtner(eds.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike.Bd. 5, Sp. 585. München (Deutscher Taschen-buch Verlag), 1979.

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Hauptversammlung und Internet

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Marc Sasse:

Hauptversammlung und Internet

(Juristische Reihe TENEA/www.jurawelt.com; Bd. 15)

Zugleich FernUniversität – Gesamthochschule – HagenDissertation 2002

© TENEA Verlag für MedienBerlin 2002

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.Digitaldruck und Bindung:

docupoint GmbH· 39112 MagdeburgUmschlaggestaltung: nach Roland Angst, München

TENEA-Graphik: Walter Raabe, BerlinPrinted in Germany 2002

ISBN 3-936582-35-1

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Meinen Eltern

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Vorwort

Die Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Juristischen Fakultät der Fernuniversität

Hagen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Ende 2001

eingearbeitet. Der Anhang gibt einen Überblick über aktuelle Reformen im Jahr 2002 und

berücksichtigt Literatur bis August 2002.

Mein herzlicher Dank gilt meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, die

diese Arbeit in vielfältiger Weise gefördert und mit Ihren Anregungen und Hilfestellungen

zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat.

Herrn Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens.

Zu Dank bin ich auch allen Professoren, Rechtsanwälten und Unternehmen verpflichtet, die

eine praxisnahe Bearbeitung des Themas ermöglicht haben.

Bei meinen Eltern und meinem Bruder möchte ich mich schließlich herzlichst für die Hilfe

und Unterstützung bedanken, mit denen sie meine Ausbildung und das Entstehen dieser

Arbeit begleitet und gefördert haben.

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Einleitung .........................................................................................................15

1. Kapitel: Die traditionelle Hauptversammlung und ihre Missstände .....20

A. Die traditionelle Hauptversammlung .................................................20

I. Funktion der Hauptversammlung...........................................................20

II. Rechtsstellung der Hauptversammlung...............................................21

III. Ordentliche-/außerordentliche Hauptversammlung/Vollversammlung 21

IV. Zuständigkeit der Hauptversammlung ................................................22

V. Vorbereitung der Hauptversammlung.................................................24

1. Planung der Hauptversammlung......................................................24

2. Einberufung der Hauptversammlung...............................................26

3. Bekanntmachung von Einberufung und Tagesordnung....................26

4. Mitteilungspflichten........................................................................27

5. Weitergabepflicht von Kreditinstituten/Aktionärsvereinigungen .....28

VI. Ablauf der Hauptversammlung...........................................................29

1. Teilnahme an der Hauptversammlung .............................................29

a) Teilnehmer ..................................................................................29

b) Teilnahmebedingungen................................................................31

c) Legitimation der Teilnehmer........................................................31

d) Teilnehmerverzeichnis.................................................................32

2. Leitung der Hauptversammlung ......................................................32

3. Ausübung versammlungsgebundener Aktionärsrechte.....................34

a) Auskunftsrecht.............................................................................34

b) Stimmrecht ..................................................................................35

4. Beschlussfassung ............................................................................37

B. Missstände der traditionellen Hauptversammlung............................38

I. Organisatorischer und finanzieller Aufwand..........................................38

II. Sinkende Hauptversammlungspräsenzen ............................................41

1. Befund ............................................................................................41

2. Gründe für das Fernbleiben inländischer Aktionäre.........................43

3. Gründe für das Fernbleiben ausländischer Aktionäre.......................45

III. Missbrauch des Anfechtungsrechts.....................................................46

IV. Depotstimmrecht und Bankenmacht ...................................................47

V. Die Hauptversammlung als schwerfälliges Organ...............................49

VI. Fehlende Binnenkommunikation der Aktionäre..................................50

VII. Mangelnde Investor Relations .........................................................51

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VIII. Zusammenfassung...........................................................................53

2. Kapitel: Aktuelle Gesetzgebung ..............................................................54

A. Namensaktiengesetz (NaStraG) ..........................................................54

I. Der Weg zum NaStraG..........................................................................55

II. Überblick über die Gesetzesänderungen .............................................57

1. Modernisierung der Regelungen zur Namensaktie...........................57

a) Aktienregister ..............................................................................57

b) Erhobene Daten und ihre Verwendung.........................................58

c) Umschreibung..............................................................................58

d) Auskunftsrecht statt Einsichtsrecht...............................................59

e) Namensaktionäre .........................................................................59

2. Öffnung des Aktienrechts für neue Medien .....................................60

a) Hauptversammlung und neue Medien ..........................................60

b) Aufsichtsratsbeschlüsse ...............................................................61

c) Elektronisches Teilnehmerverzeichnis .........................................61

B. Formanpassungsgesetz (FormAnpG) .................................................63

I. Gesetzgebungsverfahren........................................................................63

II. Überblick über die Gesetzesänderungen .............................................63

1. Einführung von elektronischer Form und Textform.........................64

2. Änderungen im Aktienrecht ............................................................65

C. Gesetzesvorschläge ..............................................................................65

I. Regierungskommission „Corporate Governance“ ..................................65

II. Bundesnotarkammer...........................................................................66

3. Kapitel: Einsatz des Internet im Vorfeld der Hauptversammlung ........67

A. Einberufung der Hauptversammlung ................................................67

I. Einberufung durch öffentliche Bekanntmachung ...................................67

1. Elektronische Bekanntmachung ......................................................67

2. Anforderungen an eine zusätzliche elektronische Bekanntmachung.68

3. Beurteilung der Neuregelung...........................................................70

4. Überlegungen de lege ferenda .........................................................71

II. Einberufung mit eingeschriebenem Brief............................................74

1. Elektronische Einberufung ..............................................................74

2. Beurteilung der Neuregelung...........................................................74

3. Überlegungen de lege ferenda .........................................................77

B. Mitteilungen der Gesellschaft .............................................................78

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I. Mitteilungspflichten bei Namensaktien..................................................79

1. Elektronische Mitteilungen .............................................................79

a) Mitteilungen per E-Mail ..............................................................80

b) Mitteilungen auf der Homepage...................................................81

c) Link-Adresse per E-Mail .............................................................82

2. Voraussetzungen der elektronischen Mitteilungen...........................83

II. Mitteilungspflichten bei Inhaberaktien ...............................................84

1. Elektronische Mitteilungen .............................................................84

2. Voraussetzungen der elektronischen Mitteilungen...........................85

III. Exkurs: Mitteilung von Beschlüssen...................................................86

IV. Übertragungsrisiko.............................................................................87

V. Beurteilung der Gesetzesänderung......................................................88

C. Weitergabe durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen ......89

I. Elektronische Weitergabe der Mitteilungen ...........................................89

1. Zulässigkeit der elektronische Weitergabe ......................................90

2. Voraussetzungen der elektronischen Weitergabe.............................92

II. Ergänzende Angaben nach § 128 Abs. 2 AktG ...................................92

1. Inhaberaktionäre und gleichgestellte Namensaktionäre ...................92

2. Namensaktionäre ............................................................................94

3. Hinweispflicht bei Interessenkollisionen .........................................95

4. Aktionärsvereinigungen ..................................................................95

III. Übertragungsrisiko.............................................................................96

IV. Beurteilung der Gesetzesänderung......................................................96

D. Gegenanträge und Wahlvorschläge von Aktionären .........................97

I. Elektronische Gegenanträge ..................................................................98

II. Überlegungen de lege ferenda ............................................................99

E. Anmeldung und Hinterlegung ..........................................................100

I. Anmeldung..........................................................................................100

II. Hinterlegung ....................................................................................101

III. Schriftformerfordernis in der Satzung...............................................101

F. Minderheitenrechte im Vorfeld der Hauptversammlung................102

I. Form ...................................................................................................102

II. Quorum............................................................................................103

G. Bevollmächtigung und Weisungserteilung .......................................105

I. Individuelle Stimmrechtsvertretung.....................................................105

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1. Elektronische Bevollmächtigung...................................................105

2. Nachweis und Dokumentation.......................................................107

3. Legitimation..................................................................................109

4. Erlöschen der elektronischen Vollmacht........................................110

5. Elektronische Weisungserteilung ..................................................110

II. Im Besonderen: Bevollmächtigung von Gesellschaftsvertretern........111

1. Verwaltungsstimmrecht vor NaStraG............................................111

a) Diskussion in der Wissenschaft..................................................112

b) Erfahrungen in der Praxis...........................................................113

2. US-amerikanisches Proxy-Voting .................................................114

3. Die Regelung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG n.F. ..............................117

a) Person des Gesellschaftsvertreters..............................................118

b) Konsequenz für die Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG .......123

c) Analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG ......................124

d) Zusammenfassung .....................................................................127

e) Stellungnahme ...........................................................................127

f) Überlegungen de lege ferenda....................................................130

4. Elektronische Form, Nachweis und Legitimation ..........................136

5. Elektronische Weisungserteilung ..................................................137

III. Bevollmächtigung von Kreditinstituten ............................................138

1. Elektronische Bevollmächtigung...................................................138

2. Nachweis und Legitimation...........................................................140

3. Besonderheiten bezüglich des Inhalts der Vollmacht .....................141

4. Erlöschen der elektronischen Vollmacht........................................141

5. Elektronische Weisungserteilung ..................................................142

IV. Bevollmächtigung von Aktionärsvereinigungen ...............................143

V. Anfechtungsrisiko wegen Kommunikationsstörungen ......................144

VI. Bewertung der Neuregelungen .........................................................146

VII. Zusammenfassung.........................................................................147

4. Kapitel: Einsatz des Internet beim Ablauf der Hauptversammlung ...148

A. Internetgestützte Präsenzversammlung ...........................................148

I. Online-Teilnahme................................................................................149

1. Aktionäre ......................................................................................149

2. Mitglieder der Verwaltung ............................................................150

3. Teilnehmerverzeichnis ..................................................................151

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II. Audio-visuelle Übertragung der Hauptversammlung im Internet ......152

1. Grundsätze....................................................................................152

2. Übertragung in Nachbarräume ......................................................154

3. Übertragung der Redebeiträge von Vorstand und Aufsichtsrat ......155

4. Übertragung der Aussprache .........................................................155

a) Übertragung mit Zugangsbeschränkung .....................................156

b) Übertragung ohne Zugangsbeschränkung...................................160

c) Zusammenfassung .....................................................................163

5. Praktische Umsetzung...................................................................163

a) Technische Voraussetzungen .....................................................163

b) Zugangsbeschränkte Übertragung ..............................................164

c) Öffentliche Übertragung ............................................................164

6. Technische Störung.......................................................................165

III. Einsicht in Unterlagen und Teilnehmerverzeichnis ...........................165

IV. Internetgestützte Stimmrechtsausübung............................................166

1. Online-Stimmabgabe (Direct-Voting) ...........................................166

2. Stimmabgabe durch Vertreter (Vertretermodell)............................168

3. Praxismodell Online-Hauptversammlung ......................................169

V. Internetgestützte Ausübung des Auskunftsrechts ..............................171

1. Online-Befragung .........................................................................171

2. Fragen durch Stellvertreter............................................................172

VI. Internetgestützte Ausübung des Rederechts ......................................173

VII. Widerspruch zur Niederschrift ......................................................173

B. Tele-Hauptversammlung ..................................................................174

I. Zulässigkeit der Tele-Hauptversammlung............................................175

II. Beurkundung....................................................................................177

III. Grenzüberschreitenden Tele-Hauptversammlung .............................178

IV. Hilfskonstruktion mittels Vertretermodell ........................................180

C. Virtuelle Hauptversammlung ...........................................................181

D. Zusammenfassung.............................................................................182

5. Kapitel: Gesamtbewertung und Ausblick .............................................184

A. Bewertung der Neuregelungen im Aktienrecht................................184

B. Überlegungen de lege ferenda...........................................................186

I. Übertragung der Hauptversammlung ...................................................186

II. Ausgestaltung der versammlungsgebundenen Aktionärsrechte .........187

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1. Stimmrecht ...................................................................................187

2. Auskunfts- und Rederecht .............................................................192

3. Widerspruchsrecht ........................................................................196

III. Tele-Hauptversammlung ..................................................................196

IV. Virtuelle-Hauptversammlung ...........................................................197

V. Zusammenfassung............................................................................201

C. Schluss................................................................................................202

Anhang: Reformen des Aktienrechts 2002....................................................203

A. Aktuelle Entwicklung ........................................................................203

B. Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG).............................203

I. Elektronischer Bundesanzeiger............................................................204

II. Ankündigung von Gegenanträgen ....................................................204

III. Videozuschaltung von Aufsichtsratsmitgliedern ...............................205

IV. Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung ...........................206

C. Deutscher Corporate Governance Kodex.........................................206

I. Grundlagen..........................................................................................206

II. Empfehlungen und Anregungen des Kodex ......................................207

Literaturverzeichnis.......................................................................................209

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15

Einleitung

Das Internet hat Einzug in alle Bereiche des Wirtschafts- und Soziallebens gehal-

ten und das Leben der Menschen verändert. Längst ist das Medium nicht mehr

allein eine Spielwiese für Computer-Spezialisten. Als das „Netz der Netze“

konnte es sich in wenigen Jahren zum globalen, grundsätzlich jederzeit erreichba-

ren Kommunikationsmedium entwickeln.1 Die Zahl der Internetnutzer in

Deutschland beträgt gegenwärtig über 34 Millionen.2 Damit haben fast 49 % der

Bundesbürger Zugang zum World Wide Web.3 Die bundesweite Registrierungs-

stelle für deutsche Internet-Adressen (Domain-Namen) DENIC hat kürzlich einen

neuen Höchststand gemeldet: In Deutschland sind jetzt vier Millionen Interne-

tadressen mit der Endung „de“ registriert.4 Jeden Monat kommen rund 200 000

Adressen hinzu.

Die rasante Entwicklung der Technik und Infrastruktur im Bereich der neuen In-

formations- und Kommunikationstechnologien hat vor allem das Wirtschaftsleben

stark beeinflusst. Das Medium Internet als wichtigster Repräsentant dieser Tech-

nologien ist aus den Kommunikations- und Informationsprozessen der Unterneh-

men nicht mehr wegzudenken. Dabei durchdringt es als Querschnittstechnologie

sämtliche Branchen. Die Veränderungen finden nicht nur in den Hightech-

Sektoren der New Economy statt, sondern auch in den Produktionsprozessen und

Arbeitsabläufen etablierter Unternehmen. Informationen, Dienstleistungen und

Waren jeder Art können über das Internet abgerufen, in Auftrag gegeben oder

bestellt werden. Die Unternehmen präsentieren sich der Öffentlichkeit auf

Webseiten und setzen das Internet als Mittel zur internen und externen Kommuni-

kation ein.5 E-Commerce, Online-Banking, Business-to-Business (B2B) Plattfor-

men sind Stichwörter, die verdeutlichen, wie umfassend die Auswirkungen des

1 Zur historischen Entwicklung des Internet vgl. Köhler/Arndt, Recht des Internet, RN 6 und

ausführlich Sieber in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Teil 1, RN 1ff.2 BB 2001, Heft 36, S. IV.3 Davon gaben 72 % an, tatsächlich in den zurückliegenden 30 Tagen im Internet gewesen zu

sein; vgl. BB 2001, Heft 36, S IV.4 BB 2001, Heft 8, S. IV.5 Nach einer Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) verfügen inzwischen sämtliche im

DAX notierten Aktiengesellschaften über ein Internet-Angebot; vgl. DAI, Investor Relationsim Internet, Heft 11, Frankfurt, September 2000.

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16

Internet auf alle Bereiche der Wirtschaft sind.

Entsprechend seiner Verbreitung wirkt das Internet in fast alle Rechtsgebiete ein.6

Die vielen dabei aufgeworfenen Rechtsfragen werden an verschiedenen Stellen

intensiv und kontrovers erörtert. Dabei hat sich schnell die Erkenntnis durchge-

setzt, dass das Internet, entgegen früherer Befürchtungen, kein rechtsfreier Raum

ist. Es besteht vielmehr ein Bedarf für kalkulierbare rechtliche Rahmenbedingun-

gen.7 Die Schwierigkeiten des Gesetzgebers bestehen vor allem darin, mit der

rasanten technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Insbesondere das Urhe-

berrecht8 und das Recht des elektronischen Handels9 haben sich aber bereits der

Verbreitung moderner Informationstechnologien angenommen.

Auch am Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht ist das Internet nicht spurlos vor-

beigegangen. Vor allem im Bereich der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflich-

ten können Unternehmen das World Wide Web nutzen.10 So sind Veröffentli-

chungen von Ad hoc-Mitteilungen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 WpHG nicht nur in

einem Börsenpflichtblatt, sondern auch über ein elektronisch betriebenes Infor-

mationsverbreitungssystem zulässig.11 Ähnliche Regelungen bestehen für Mittei-

lungs- und Veröffentlichungspflichten aus §§ 21 ff. WpHG und sind für Publizi-

tätspflichten nach dem neuen deutschen Übernahmerecht vorgesehen.12 Auch die

allgemeine handelsrechtliche Publizität soll künftig über elektronische Handelsre-

gister erfolgen.13 Bereits seit längerem ist der Handel von Wertpapieren über das

Internet Gegenstand gesetzlicher Bestimmungen (z.B. § 7 Abs. 1 S. 2 WpHG).14

Das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft und insbesondere das Recht der

Hauptversammlung hat dagegen lange Zeit der neuen Entwicklungen unzurei-

6 Vgl. nur den vollständigen Überblick über alle betroffenen Rechtsgebiete vom Zivilrecht

über das Strafrecht bis hin zum Steuerrecht bei Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht.7 Paulus in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 1ff., 1.8 Vgl. §§ 69 a ff. und §§ 87 a ff. UrhG9 Vgl. das Fernabsatzgesetz v. 27.6.2000 (BGBl. I 897) und den Regierungsentwurf eines Ge-

setzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Rechtsverkehr (EGG), ab-rufbar unter http://www.bund.bmj.de.

10 Zum World Wide Web als bekanntestem Internet-Dienst vgl. Sieber in Hoeren/Sieber, Hand-buch Multimedia Recht, Teil 1, RN 781ff.

11 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 174.12 Vgl. § 10 Abs. 3 RegE-WpÜG, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de.13 Däubler-Gmelin, Humboldt Forum Recht, http://www.humboldt-forum-recht.de/1-

2000/Drucktext.htm.14 Vgl. Schäfer, WpHG, BörsenG, § 7 RN 7; allgemein zum Wertpapierhandel im Internet

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chend Rechnung getragen. Bis vor kurzem ging das Aktienrecht vom Papier als

dem vorherrschenden Kommunikationsmittel aus und war von bürokratischen

Formerfordernissen durchzogen. Das Bild der Hauptversammlung im AktG von

1965 ist geprägt von der physischen Zusammenkunft der nationalen Anleger an

einem Ort. Dieses Präsenzmodell wirkt angesichts der Internationalisierung der

Aktionärsstruktur15 und Elektronisierung der Kapitalmärkte antiquiert.

Die verspätete Reaktion des Gesetzgebers ist insofern erstaunlich, da die Haupt-

versammlung als Informations- und Kommunikationsforum der Anleger wie ge-

schaffen für den Einsatz des Internet erscheint. Die Vorzüge der modernen Kom-

munikationstechnologie, wie die enorme Senkung von Informationsbeschaffungs-

und –verteilungskosten, lassen sich gerade bei den kommunikativen und formel-

len Vorgängen rund um das Aktionärstreffen gewinnbringend einsetzen.16 Über

das Internet können die Gesellschaften umfangreiche Informationen an eine nahe-

zu beliebige Zahl von Adressaten zeitgleich und weltweit verbreiten. Das Medium

erlaubt eine effiziente Kommunikation mit nationalen und internationalen Anle-

gern und bietet für die Abwicklung der Versammlungsvorbereitung attraktive Be-

schleunigungs- und Vereinfachungspotentiale. Während der Hauptversammlung

können sich Aktionäre aus allen Teilen der Welt online zuschalten und ihre

Rechte über das Internet ausüben. Sogar eine Verlegung der Zusammenkunft in

den Cyber-Space ist denkbar. Das Internet bietet somit die Möglichkeit, Aktionäre

besser zu informieren, stärker zu engagieren und einfacher in Angelegenheiten

ihres Unternehmen zu involvieren.17

Bei den Aktionären jedenfalls scheint die erforderliche Akzeptanz für neue Medi-

en groß zu sein. So ist nach einer Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) die

Verbreitung von Internet-Zugängen bei Inhabern von Aktien und Aktienfondsan-

teilen mit 44,4 % überdurchschnittlich hoch.18 Aus dem Kreis der Nicht-Aktionäre

verfügen nur 16,4 % über einen Online-Zugang. Dass Kapitalmarktakteure die

Möglichkeiten, die das Internet ihnen bietet, intensiv nutzen, belegt auch die ra-

sant wachsende Zahl der Online-Konten. Ende 1999 wurden in Deutschland über

Pfüller/Westerwelle in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Teil 13.7, RN 72ff.15 Seibert, BB 1998, 2536ff., 2539.16 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 420.17 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.18 Studie von Infratest im Auftrag des DAI, abrufbar unter

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18

15 Millionen Konten über das Internet geführt.19 Die Schwelle von 20 Millionen

dürfte bald erreicht sein. Nicht wenige Anleger handeln auch Wertpapiere im In-

ternet. Acht Prozent aller Erwachsenen, aber 20 % der Internet-Nutzer betreiben

Online-Brokerrage.20 Die marktführenden Online-Broker Comdirect und Consors

haben jeweils rund 500 000 Depotkunden.21

Der Einsatz des Internet bei der Kommunikation zwischen Gesellschaften und

ihren Anlegern wird durch eine weitere aktuelle Entwicklung im Aktienrecht un-

terstützt. In den Jahren 1999 und 2000 haben eine Reihe wichtiger und großer

börsennotierter Unternehmen die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien22

vollzogen.23 Gründe für die Renaissance der Namensaktie sind deren stärkere in-

ternationale Verbreitung insbesondere an den US-amerikanischen Börsen, ihre

internationale Akzeptanz als Akquisitionswährung, die Einbeziehung in die Giro-

sammelverwahrung und die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme mit dem

Aktionär.24 Letzteres ist vor allem für den Internet-Einsatz von großer Bedeutung.

Nur bei der Ausgabe von Namensaktien kennt die Gesellschaft ihre Anleger und

kann sich unmittelbar an sie wenden, ohne den Umweg über einzelne Banken ge-

hen zu müssen.

Diesen bedeutenden Veränderungen bei den Informationstechnologien und auf

den Kapitalmärkten, versucht der deutsche Gesetzgeber seit einiger Zeit Rech-

nung zu tragen. Er will das deutsche Aktienrecht durch Modernisierung und An-

passung an internationale Gepflogenheiten für das internationale Aktienpublikum

interessanter gestalten und damit die Attraktivität des Standortes Deutschland er-

höhen.25 Mit dem Namensaktiengesetz (NaStraG) hat er jetzt erstmals dem Inter-

net einen ersten konkreten und gesetzlich definierten Anwendungsbereich im Ak-

tienrecht eröffnet. Anstoß waren dazu auch die OECD-Principles of Corporate

http://www.dai.de/veroeffentlichungen/pressemeldungen/aktionaerinternet.htm.19 SZ v. 23.8.2001, S. 26.20 SZ v. 23.8.2001, S. 26.21 FAZ v. 6.12.2000, S. 35.22 Vgl. zur Namensaktie Noack in FS Bezzenberger, 2000, 291ff., 291; Noack, DB 1999,

1306ff.; Dieckmann DB 1999, 1985ff.23 Z.B. Daimler-Chrysler AG, Siemens AG, Deutsche Bank AG, Mannesmann AG, Dresdner

Bank AG, Deutsche Telekom AG, Aventis AG, Celanese AG, Infineon AG; vgl. die Nach-weise bei Kölling, NZG 2000, 631ff., 631, FN 1.

24 Zu den Beweggründen ausführlich Noack in FS Bezzenberger, 2000, 291ff., 292ff.; NoackDB 1999, 1306ff.; Kölling, NZG 2000, 631ff., 634ff.

25 Däubler-Gmelin, WM 1999, 169f.

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19

Governance vom 26.5.1999, die zur guten Unternehmensführung auch den Ein-

satz von Informationstechnologie im Unternehmen und zur Kommunikation mit

den Anlegern zählen.26

Ziel dieser Untersuchung ist es zu überprüfen, ob und wie das Internet bei der

Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung rechtssicher eingesetzt

werden kann. Dabei sind insbesondere die neu geschaffenen Möglichkeiten durch

das Namensaktiengesetz (NaStraG) und ihre Auswirkungen auf die Unterneh-

mensverfassung der Aktiengesellschaft kritisch zu hinterfragen. Auch sollen Be-

denken gegen den Einsatz des Internet im Rahmen der Hauptversammlung be-

rücksichtigt werden.

Im ersten Kapitel wird zunächst ein Überblick über die traditionelle Hauptver-

sammlung und ihre aktienrechtlichen Grundlagen gegeben. Anschließend werden

die Missstände dieses traditionellen Hauptversammlungswesens aufgezeigt und

hinsichtlich ihrer Überwindbarkeit mit Hilfe des Internet untersucht. Das zweite

Kapitel beschäftigt sich mit den Entwicklungen in der aktuellen Gesetzgebung

und stellt das Namensaktiengesetz (NaStraG) und das Gesetz zur Anpassung der

Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen

Rechtsverkehr (FormAnpG) vor. Im dritten Kapitel wird untersucht, ob und wie

das Medium Internet bei der Vorbereitung der Hauptversammlung eingesetzt

werden kann. Dabei wird schwerpunktmäßig auf die elektronische Vollmacht-

und Weisungserteilung sowie auf die neuen Möglichkeiten der gesellschaftsnahen

Stimmrechtsvertretung eingegangen. Der Einsatz des Internet während der Haupt-

versammlung ist Gegenstand des vierten Kapitels. Es werden verschiedene Mo-

delle der internetgestützten Hauptversammlung hinsichtlich ihrer Durchführbar-

keit in der Praxis überprüft. Im letzten Kapitel werden schließlich die neu ge-

schaffenen rechtlichen Optionen im Rahmen der Hauptversammlung kritisch be-

wertet. Überlegungen, wie in Zukunft das Internet für eine verstärkte Partizipation

der Aktionäre eingesetzt werden kann, runden die Untersuchung ab.

26 Vgl. AG 1999, 337ff., mit Vorbem. Seibert.

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20

1. Kapitel: Die traditionelle Hauptversammlung und ihre Missstände

A. Die traditionelle Hauptversammlung

Die aktienrechtlichen Bestimmungen zur Hauptversammlung sind in wesentlichen

Teilen seit der Verkündung des Aktiengesetzes im Jahre 196527 unverändert ge-

blieben. Sie finden sich vor allem im vierten Abschnitt des Aktiengesetzes.

I. Funktion der Hauptversammlung

Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ist die Versammlung ihrer An-

teilseigner, der Aktionäre. Da die Struktur der AG in der Regel auf eine Vielzahl

von Mitgliedern angelegt ist, bedarf es für die Willensbildung eines Forums mit

festgelegten Verfahrensregeln. Den Begriff Hauptversammlung definiert das Ak-

tiengesetz nicht. In § 118 Abs. 1 AktG hat der Gesetzgeber lediglich festgelegt,

dass die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der

Hauptversammlung ausüben, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die

Norm konstituiert damit die Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft.28 Sie

legt fest, dass die Hauptversammlung das hauptsächliche Instrument ist, mittels

dessen die Aktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte in der Gesellschaft ausüben.29

Zu diesen versammlungsgebundenen Aktionärsrechten zählen die elementaren

Mitgliedschaftsrechte, namentlich das Teilnahmerecht, das Stimmrecht und das

Auskunftsrecht. Die Hauptversammlung ist damit das Willensbildungsorgan der

Gesellschaft, wobei der Wille der Gesellschaft in Form von Beschlüssen der Ak-

tionäre geäußert wird.30 Sie wird daher auch als Sitz der Aktionärsdemokratie

bezeichnet.31 Außerhalb der Hauptversammlung stehen den Aktionären Rechte

nur in einigen gesetzlich bestimmten Fällen zu.32 Dabei handelt es sich neben dem

Dividendenanspruch (§ 58 Abs. 4 AktG) vor allem um Kontrollbefugnisse und

Informationsrechte.33

27 Gesetz v. 6.9.1965 (BGBl. I S. 1089); vgl. Kropff, AktG.28 Hüffer, AktG, § 118 RN 1.29 Semler in MünchHdb AG, § 34 RN 2; Henn, BB 1982, 1185ff., 1186ff.30 Hüffer, AktG, § 118 RN 3; Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1050.31 K. Schmidt, GesR, § 28 IV 1a; kritisch Martens, Leitfaden, S. 1ff.32 Vgl. Henn, BB 1982, 1185ff., 1190ff.33 Bedeutend sind vor allem die der Durchsetzung der Mitgliedschaftsrechte dienende Anfech-

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II. Rechtsstellung der Hauptversammlung

Die Hauptversammlung ist neben Vorstand und Aufsichtsrat das dritte notwendi-

ge Organ der Aktiengesellschaft.34 Teilweise wird sie als oberstes Organ einge-

ordnet.35 Dies ist jedoch zumindest irreführend, da die Aktiengesellschaft gerade

keine hierarchische Organverfassung hat, nach der sich die einzelnen Organe in

einem Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen.36 Charakteristisch ist

vielmehr die bestehende Machtbalance zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und

Hauptversammlung.37 Die Hauptversammlung ist strikt in die gesetzliche Kom-

petenzordnung eingebunden und nicht allzuständig.38 Die gesetzlich geregelten

Befugnisse von Vorstand und Aufsichtsrat stehen nicht zur Disposition der

Hauptversammlung. Fragen der Geschäftsführung sind allein Sache des Vor-

stands, der dabei vom Aufsichtsrat überwacht wird. Über sie kann die Hauptver-

sammlung nur entscheiden, wenn es der Vorstand verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG),

was in der Praxis nur selten vorkommt.39 Da die Hauptversammlung aber über die

fundamentalen Fragen der Gesellschaft sowie über die Zusammensetzung des

Aufsichtsrates (§§ 101, 103 AktG) und die Abberufung von Vorstandsmitgliedern

(§ 84 Abs. 3 S. 2 3. Alt AktG) entscheidet, kommt ihr im Dreiecksverhältnis den-

noch eine besondere Bedeutung zu.40

III. Ordentliche-/außerordentliche Hauptversammlung/Vollversammlung

Anders als Vorstand und Aufsichtsrat, die immer „im Amt“ sind und daher als

„die Verwaltung“ zusammengefasst werden, ist die Hauptversammlung kein stän-

diges Organ.41 Sie tritt nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zusammen. Re-

gelmäßig bleibt es bei der einmal jährlich stattfindenden ordentlichen Hauptver-

sammlung (§ 175 AktG), die den in jedem Jahr erneut zu behandelnden Tages-

tungsbefugnis und das Recht auf Nichtigkeitsklage (§§ 241ff. AktG) sowie der Minderheits-schutz gegen Hauptversammlungsmehrheiten (z.B. § 122 Abs. 1 und Abs. 2 AktG).

34 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 4; Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147RN 18; Hüffer, AktG, § 118 RN 2; aA Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropf, AktG,vor § 118 RN 3.

35 Semler in MünchHdb AG, § 34 RN 4.36 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 18; Hüffer, AktG, § 118 RN 4; Mertens in

Kölner Komm. AktG, vor § 76 RN 1; Schaaf, Praxis der HV, RN 9; Eckardt in Geß-ler/Hefermehl/Eckardt/Kropf, AktG, vor § 118 RN 5.

37 Hüffer, AktG, § 118 RN 4.38 Martens, Leitfaden, S. 1.39 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 RN 1.40 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 43; Schaaf, Praxis der HV, RN 9.41 Semler in Münch Hdb AG, § 34 RN 7; Hüffer, AktG, § 118 RN 5.

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ordnungspunkten Vorlage des Jahresabschlusses (§ 175 Abs. 1 AktG), Verwen-

dung des Bilanzgewinns (§ 175 Abs. 1 AktG), Entlastung der Verwaltungsmit-

glieder (§ 120 AktG) und Bestellung des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 1 AktG)

nachkommt. Neben diesen regelmäßig wiederkehrenden gesetzlichen Verpflich-

tungen kann die ordentlichen Hauptversammlung auch Beschlüsse zu weiteren

Tagesordnungspunkten fassen, die in ihren Zuständigkeitsbereich gehören (z.B.

Kapitalerhöhungen).42

Bei jeder weiteren einberufenen Hauptversammlung handelt es sich um eine au-

ßerordentliche Hauptversammlung.43 Diese behandelt die oben genannten regel-

mäßig wiederkehrenden Tagesordnungspunkte nicht. Die außerordentliche

Hauptversammlung fasst Beschlüsse über Angelegenheiten, die ein Abwarten bis

zur ordentlichen Hauptversammlung nicht zulassen.44 Die Unterscheidung ist nur

von geringer Bedeutung, da die überwiegende Zahl der relevanten Normen

(§§ 121 ff. AktG) für beide Hauptversammlungsarten gleichermaßen gelten.45

Sind alle Aktionäre in der Hauptversammlung anwesend oder vertreten, spricht

man von einer Vollversammlung oder Universalversammlung. Nach dem im Jahre

1994 neu eingeführte § 121 Abs. 6 AktG46 ist in einer Vollversammlung möglich,

Beschlüsse ohne Beachtung der §§ 121 ff. AktG zu fassen, solange kein Aktionär

widerspricht. Diese Regelungen sollen Aktiengesellschaften mit wenigen Anle-

gern von den strengen formalen Anforderungen des Aktiengesetzes befreien.47

IV. Zuständigkeit der Hauptversammlung

Die Zuständigkeit der Hauptversammlung richtet sich nach § 119 Abs. 1 AktG.

Danach beschließt die Hauptversammlung in den im Gesetz und in der Satzung

ausdrücklich bestimmten Fällen. Nahezu alle Kompetenzen der Hauptversamm-

lung sind gesetzlich normiert.48 § 119 Abs. 1 AktG beinhaltet einen Zuständig-

42 Semler in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I A 2.43 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 16.44 Semler in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I A 3.45 Hüffer, AktG, § 118 RN 5; Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 16.46 Eingeführt durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Akti-

enrechts vom 2.8.1994 (BGBl. I S. 1961).47 Hüffer, AktG, § 121 RN 19.48 Erschöpfende Aufzählung bei Semler in MünchHdb AG, § 34 RN 10f. und Mülbert in Groß-

komm. AktG, § 119 RN 12ff.

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keitskatalog, der jedoch keineswegs abschließend ist.49 Die Angelegenheiten, die

auf eine gesetzliche Zuständigkeitsvorschrift zurückgehen, lassen sich in regel-

mäßig wiederkehrende oder laufende Maßnahmen, Struktur- und Grundlagenent-

scheidungen sowie Sondervorgänge einteilen.50

Die regelmäßig wiederkehrenden oder laufenden Maßnahmen sind in jedem Jahr

in der ordentlichen Hauptversammlung vorzunehmen. Von größerer Bedeutung ist

die Zuständigkeit für Struktur- und Grundlagenentscheidungen. Dabei handelt es

sich in erster Linie um Satzungsänderungen (§§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 179 AktG),

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung (§§ 119 Abs. 1

Nr. 6, 182ff., 222ff. AktG) und Umwandlungen nach dem UmwG.51 Beschlusszu-

ständigkeiten, die weder in die erste noch in die zweite Gruppe fallen, werden als

Sondervorgänge zusammengefasst.52 Auch die Satzung einer Aktiengesellschaft

kann der Hauptversammlung besondere Zuständigkeiten zuweisen. Zu beachten

ist jedoch die Schranke des § 23 Abs. 5 AktG, demzufolge Abweichungen vom

Gesetz nur dort erlaubt sind, wo das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. Die zwin-

gende gesetzliche Kompetenzordnung ermöglicht keinen nennenswerten Rege-

lungsspielraum für die Zuständigkeit kraft Satzung.53

Neben diesen gesetzlichen und satzungsmäßigen Zuständigkeiten hat die Recht-

sprechung die Kompetenzen der Hauptversammlung erweitert. Maßgeblich ist

hier die berühmte Holzmüller-Entscheidung des BGH, in der es um die ohne

Mitwirkung der Hauptversammlung vorgenommene Ausgliederung des wertvoll-

sten Betriebsteils einer AG auf eine eigens hierfür gegründete 100 %ige Tochter-

gesellschaft ging.54 Nach dieser Entscheidung muss der Vorstand bei Ausgliede-

rungen, die eigentlich in seine Geschäftsführungsbefugnis fallen, die Zustimmung

der Hauptversammlung einholen, wenn es sich um so tiefgreifende Vorgänge

handelt, dass er vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie ausschließ-

49 Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1055.50 Vgl. Mülbert in Großkomm. AktG, § 119 RN 12ff.; Semler in Semler/Volhard, Arbeitshand-

buch HV, RN I A 26.51 Hüffer, AktG, § 119 RN 7.52 Hierzu zählt u.a. die Bestellung von Sonderprüfern (§ 119 Abs. 1 Nr. 7 AktG), die Abberu-

fung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 Abs. 1 AktG) und die Zustimmung zu Nachgrün-dungsverträgen (§ 52 AktG).

53 K. Schmidt, GesR, § 28 IV 1c; Hüffer, AktG, § 119 RN 10; Nirk in Handbuch der AG, Teil IRN 1087.

54 BGH, Urteil vom 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122ff. = ZIP 1982, 568ff.

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lich in eigener Verantwortung treffen. 55

Die Entscheidung löste eine umfangreiche Kontroverse aus und warf zahlreiche

auch heute noch ungeklärte Fragen auf.56 Um Aktionärsklagen gegen beabsich-

tigte Maßnahmen der Geschäftsführung vorzubeugen, haben sich die Unterneh-

men in der Weise auf das Urteil eingestellt, dass sie im Zweifel der Hauptver-

sammlung entsprechende Beschlussvorschläge zur Entscheidung vorlegen.57

V. Vorbereitung der Hauptversammlung

Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft bedarf einer sorgfältigen und

langfristigen Vorbereitung. Insbesondere bei großen Publikumsgesellschaften ist

sie eine Großveranstaltung, deren Organisation einen erheblichen Aufwand dar-

stellt.58 Dabei ist die rechtliche Relevanz der organisatorischen Vorbereitung nicht

zu unterschätzen. Eine mangelhafte Vorbereitung kann zu einer Verletzung der

Aktionärsrechte führen und Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen (§ 241ff. AktG)

nach sich ziehen.

1. Planung der Hauptversammlung

Die Planung einer Hauptversammlung beginnt bereits mit Ablauf der vorange-

gangenen Hauptversammlung und ist vor allem technisch-organisatorischer Na-

tur.59 Üblicherweise setzt die Gesellschaft eine Projektgruppe ein, die sich aus den

Verantwortlichen der einzelnen Teilbereiche des Unternehmens zusammensetzt.60

Diese koordiniert und überwacht die Vorbereitungen und orientiert sich dabei an

einem detaillierten Ablaufplan. Eine der ersten Aufgaben ist die Festlegung eines

Termins und des Versammlungsortes. Bei der Terminauswahl gibt es nur wenige

gesetzliche Vorgaben. § 120 AktG bestimmt lediglich, dass die (ordentliche)

Hauptversammlung in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden

55 BGHZ 83, 122ff., 131.56 Eine Übersicht über die Diskussion und die nicht mehr überschaubare Literatur findet sich

bei Mülbert in Großkomm. AktG, § 119 RN 18ff. und Semler in MünchHdb AG, § 34RN 34ff.; vgl. auch aktuell Horbach, BB 2001, 893ff.

57 Vgl. Horbach, BB 2001, 893ff., 893; Groß, AG 1996, 111ff., 111, FN 4; Lutter, FS Fleck,1988, S. 169ff., 170ff.

58 Vgl. Martens, Leitfaden, S. 3f.59 Umfassende Aufzählung bei Rappers in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B

120ff.60 Vgl. Schaaf, Praxis der HV, RN 20.

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hat. Ansonsten ist die Gesellschaft in ihrer Wahl frei. Beachten muss sie aller-

dings, dass sie geeignete Veranstaltungsräume oft nur Jahre im Voraus anmieten

kann. Außerdem sind mögliche Überschneidungen mit Hauptversammlungen an-

derer Aktiengesellschaften oder weiteren Großveranstaltungen in der Umgebung

zu berücksichtigen.

Auch Tag und Uhrzeit des Aktionärstreffen stehen im Ermessen des für die Einbe-

rufung zuständigen Organs. Die Entscheidung über den Tag muss allerdings unter

Berücksichtigung des Zumutbaren und der Verkehrssitte erfolgen, da eine unzu-

mutbare Terminierung (z.B. an Sonn- und Feiertagen) das Teilnahmerecht der

Aktionäre verletzt.61 Gleiches gilt für die Versammlungszeit: Der Beginn der

Hauptversammlung ist immer so zu legen, dass auch den auswärtigen Aktionären

ein rechtzeitiges Erscheinen nicht unzumutbar erschwert wird.62 Andererseits ist

bei der Terminierung die voraussichtliche Dauer der Hauptversammlung zu be-

rücksichtigen und ein entsprechend rechtzeitiger Beginn zu wählen, um die

Durchführung am Einberufungstag sicher zu stellen. Eine Fortsetzung der Haupt-

versammlung nach Mitternacht ist nach herrschender Ansicht nicht zulässig und

kann zur Beschlussanfechtung führen.63 Bei entsprechender Einberufung ist eine

mehrtägige Hauptversammlung zulässig. Dies sollte jedoch wegen der erhöhten

Belastung für die Aktionäre möglichst vermieden werden. 64

Zum Bereich der langfristigen Planung gehört auch die Auswahl des Versamm-

lungsortes. Das Aktiengesetz geht davon aus, dass die Hauptversammlung am Sitz

der Gesellschaft (§ 121 Abs. 5 S. 1 AktG) oder (falls vorhanden) am Börsensitz

(§ 121 Abs. 5 S. 2 AktG) stattfindet. In erster Linie ist der Ort der Hauptver-

sammlung jedoch satzungsdispositiv. Zweck des § 121 Abs. 5 AktG ist es, eine

willkürliche Auswahl des Versammlungsortes wegen der daraus resultierenden

Verletzung des Teilnahmerechts der Aktionäre zu unterbinden.

61 Hüffer, AktG, § 121 RN 17, Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 121

RN 46; Reichert /Schlitt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 274.62 Happ/Freitag, AG 1998, 493ff., 496.63 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 121 RN 38; Hüffer, AktG, § 121 RN 17; Schaaf, Praxis

der HV, RN 116; Max, AG 1991, 77ff., 90; Quack, AG 1985, 145ff., 146; 24 Uhr nicht alsabsolute zeitliche Grenze betrachten Happ/Freitag, AG 1998, 493ff., 496; Reichert /Schlitt inSemler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 275; Martens, Leitfaden, S. 54.

64 Max, AG 1991, 70ff., 90.

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2. Einberufung der Hauptversammlung

Um eine ausreichenden Unterrichtung der Aktionäre sicherzustellen, enthält das

Aktiengesetz ein dreigeteiltes - die Hauptversammlung betreffendes - Informati-

onssystem.65 Neben der Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung von Einberu-

fung und Tagesordnung in den Gesellschaftsblättern (§§ 121 Abs. 3, 124 Abs. 1

AktG), zählt zu diesem Informationssystem die in § 125 AktG geregelte Mittei-

lungsverpflichtung und die Weitergabeverpflichtung des § 128 AktG. Das Akti-

engesetz will damit insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass der Ge-

sellschaft viele (Inhaber-)Aktionäre nicht namentlich bekannt sind.

Die Einberufung der Hauptversammlung dient der Wahrung der Interessen der

Aktionäre, indem sie ihnen von Ort, Zeit, Tagesordnung und Teilnahmebedingun-

gen der Hauptversammlung Kenntnis gibt.66 Durch sie wird die Hauptversamm-

lung als Willensbildungsorgan konstituiert.67 § 121 Abs. 1 AktG bestimmt, dass

die Hauptversammlung in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen so-

wie dann einzuberufen ist, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Wegen

der vielen gesetzlichen Einberufungsgründe kommt dem Einberufungsgrund

„Wohl der Gesellschaft“ in der Praxis wenig Bedeutung zu.68 Die Einberufung der

Hauptversammlung obliegt in erster Linie dem Vorstand (§ 121 Abs. 2 AktG).

Gemäß § 122 Abs. 1 AktG kann auch eine Minderheit von Aktionären, deren

Anteile zusammen mindestens 5 % des Grundkapitals ausmachen, die Einberu-

fung einer Hauptversammlung verlangen und notfalls gerichtlich durchsetzen.

3. Bekanntmachung von Einberufung und Tagesordnung

Die Einberufung der Hauptversammlung ist in den Gesellschaftsblättern bekannt

zu machen (§ 121 Abs. 3 S. 1 AktG).69 Dies geschieht gemäß § 25 AktG durch

Einrücken im Bundesanzeiger. Neben dem Bundesanzeiger kann die Satzung

noch weitere Gesellschaftsblätter festschreiben. Eine Ausnahme von der Pflicht

zur Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern sieht § 121 Abs. 4 AktG vor.

Danach kann die Verwaltung die Hauptversammlung mit eingeschriebenem Brief

65 Hüffer, AktG, § 128 RN 1.66 Werner in Großkomm. AktG, § 121 RN 2.67 Hüffer, AktG, § 121 RN 1.68 Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1088.69 Muster einer Einberufung bei Happ, AktR, S. 611ff.

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einberufen, wenn die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt sind. Diese

Regelung zielt in erster Linie auf kleine, nicht börsennotierte (vgl. § 3 Abs. 2

AktG) Aktiengesellschaften mit überschaubarem Anlegerkreis ab.

Die Bekanntmachung der Einberufung muss mindestens einen Monat vor dem

Tage der Versammlung erfolgen (§ 123 Abs. 1 AktG). Mindestangaben der Ein-

berufung sind in § 121 Abs. 3 S. 2 AktG zwingend, aber nicht abschließend auf-

gezählt.70 Danach muss die Bekanntmachung die Firma, den Sitz der Gesellschaft,

Zeit und Ort der Hauptversammlung und die etwaigen Bedingungen für Teilnah-

me und Stimmrechtsausübung enthalten. Trotz einer fehlenden Bestimmung im

Gesetz, ist auch das einberufende Gremium (Vorstand, Aufsichtsrat) zu benennen,

um den Aktionären eine Prüfung der Einberufungsberechtigung zu ermöglichen.71

Mit der Einberufung der Hauptversammlung sind auch deren Tagesordnung und

die Beschlussvorschläge der Verwaltung bekannt zu machen (§ 124 Abs. 1 und 3

AktG). Das soll Aktionäre in die Lage versetzten, sich auf die Hauptversammlung

vorzubereiten.72

4. Mitteilungspflichten

Da der überwiegende Teil der Aktionäre die öffentliche Bekanntmachungen im

Bundesanzeiger nicht verfolgt und somit keine Kenntnis von der Einberufung der

Hauptversammlung erlangt, verpflichtet § 125 AktG den Vorstand im Vorfeld der

Hauptversammlung für die notwendigen Mitteilungen zu sorgen.73 Systematisch

unterscheidet die Norm zwei Gruppen von Mitteilungsempfängern. Bei Aktionä-

ren, die der Gesellschaft bekannt sind (insbesondere Namensaktionäre) erfolgen

die Mitteilungen unmittelbar durch die Gesellschaft (§ 125 Abs. 2 AktG). Anson-

sten empfangen institutionelle Aktionärsvertreter wie Kreditinstitute und Aktio-

närsvereinigungen die Mitteilungen (§ 125 Abs. 1 AktG) und geben sie ihrerseits

an die Aktionäre weiter (§ 128 Abs. 1 AktG). Damit trägt das Gesetz dem Um-

stand Rechnung, dass der Gesellschaft bei Ausgabe von Inhaberaktien die direkte

70 Hüffer, AktG, § 121 RN 10.71 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 121 RN 30; Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Arbeits-

handbuch HV, RN I B 272.72 Hüffer, AktG, § 124 RN 1; Werner in Großkomm. AktG, § 124 RN 66; Semler in MünchHdb

AG, § 35 RN 57.73 Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 416.

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Kommunikation mit ihren Anlegern verwehrt ist.74

Gegenstand der Mitteilungspflicht sind die Einberufung der Hauptversammlung,

die Bekanntmachung der Tagesordnung und etwaige Gegenanträge und Wahlvor-

schläge von Aktionären (§ 125 Abs. 1 S. 1 AktG). Das KonTraG75 hat den Um-

fang der Mitteilungsinhalte erweitert, damit der Aktionär die Möglichkeit hat, sich

über personelle Verflechtungen und mögliche Interessenskollisionen ein Bild zu

machen.

Die Mitteilungspflicht gegenüber institutionellen Aktionärsvertretern muss gemäß

§ 125 Abs. 1 AktG innerhalb einer Frist von zwölf Tagen nach der Bekanntma-

chung der Einberufung im Bundesanzeiger erfüllt sein. Zur Fristwahrung genügt

nach herrschender Meinung die Absendung der Mitteilung innerhalb der Frist;

Zugang ist nicht erforderlich.76 Für Mitteilungen an Aktionäre nach § 125 Abs. 2

AktG gilt die 12-Tage-Frist nicht, so dass eine unverzügliche Absendung ge-

nügt.77

5. Weitergabepflicht von Kreditinstituten/Aktionärsvereinigungen

Mit den Mitteilungspflichten des § 125 AktG korrespondiert die in § 128 AktG

geregelte Weitergabepflicht der Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen. Nach

§ 128 Abs. 1 AktG müssen die Banken die Mitteilungen, die sie von den Gesell-

schaften erhalten, unverzüglich an ihre Depotkunden weitergeben. Entsprechendes

gilt gemäß § 128 Abs. 5 AktG für Aktionärsvereinigungen gegenüber ihren Mit-

gliedern. Die Kosten, die auf Grund der Weitergabe entstehen, haben grundsätz-

lich die Informationsmittler selbst zu tragen.78 Nach der vom Bundesminister der

Justiz aufgrund der Ermächtigung des § 128 Abs. 6 Nr. 2 AktG erlassenen Ver-

ordnung über den Ersatz von Aufwendungen für Kreditinstitute, steht den Kre-

ditinstituten aber ein Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten für die Vervielfältigung

und Weitergabe der Mitteilungen zu.79 Die Verordnung gilt zwar nicht für Aktio-

74 Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 3.75 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27.04.98 (BGBl. I S.

786ff.).76 Werner in Grokomm. AktG, § 125 RN 73; Hüffer, AktG, § 125 RN 5; Semler in MünchHdb.

AG, § 35 RN 74; vgl. zum Meinungsstreit Schaaf, Praxis der HV, RN 13677 Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 76; Hüffer, AktG, § 125 RN 6.78 Semler in MünchHdb. AG, § 35 RN 77.79 VO vom 18.06.1968, BGBl. I 720; zuletzt geändert durch VO vom 17.11.1987, BGBl. I

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närsvereinigungen. In der Praxis stellen jedoch die Gesellschaften ihnen die Mit-

teilungen in ausreichender Anzahl zur Verfügung.80

Neben der Weitergabepflicht beinhaltet § 128 Abs. 2 AktG weitere Pflichten der

Informationsmittler, wenn sie das Stimmrecht für Aktionäre ausüben wollen. Sie

müssen dann eigene Vorschläge für die Stimmrechtsausübung zu den einzelnen

Gegenständen der Tagesordnung unterbreiten (§ 128 Abs. 2 AktG). Dabei sollen

sie sich vom Interesse des Aktionärs leiten lassen, das im Wesentlichen durch den

Bestand des Unternehmens und eine langfristige Wertsteigerung der Anlage ge-

prägt wird.81 Zudem müssen sie ihre Kunden bzw. Mitglieder um die Erteilung

von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts bitten und darauf hinweisen,

dass sie das Stimmrecht entsprechend den von ihnen mitgeteilten Vorschlägen

ausüben werden, sofern nicht der Aktionär rechtzeitig eine andere Weisung erteilt

(§ 128 Abs. 2 S. 3 AktG). Schließlich haben die Kreditinstitute noch die Pflicht,

personelle Verflechtungen zwischen ihnen und der Gesellschaft sowie einen Be-

teiligungsbesitz an der Gesellschaft transparent zu machen.

VI. Ablauf der Hauptversammlung

1. Teilnahme an der Hauptversammlung

Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist eine interne Veranstaltung der

juristischen Person und findet nicht öffentlich statt.82 Zur Teilnahme an der

Hauptversammlung bedarf es somit der Berechtigung. Diese ist für jede teilnah-

mewillige Person gesondert zu prüfen.

a) Teilnehmer

Das Aktiengesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung zum Teilnahmerecht

der Aktionäre. § 118 Abs. 1 AktG legt jedoch fest, dass die Aktionäre ihre Rechte

in der Hauptversammlung ausüben. Damit wird das Teilnahmerecht der Aktionäre

2386.80 Reichert/Schlitt in Volhard/Semler, Arbeitshandbuch HV, RN I B 442.81 Begründung RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 18f., abgedruckt in

Ernst/Seibert/Struckert, KonTraG u.a., S. 29ff., 63; Hüffer, AktG ,§ 128, RN 9; Semler inMünchHdb AG, § 35 RN 81.

82 Hüffer, AktG, § 118 RN 16; Zöllner in Kölner Komm., AktG, § 119 RN 75.

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als selbstverständlich vorausgesetzt.83 Es umfasst das Recht auf Anwesenheit und

das Recht, sich zu den Gegenständen der Tagesordnung zu äußern sowie Anträge

zu stellen (Rederecht).84 Abzugrenzen ist es vom Auskunftsrecht und vom Stimm-

recht, da diese Rechte nicht allen Teilnahmeberechtigten zustehen.85 Das Teil-

nahmerecht entsteht mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung als Aktionär und

kann grundsätzlich weder entzogen, noch beschränkt werden.86 Allerdings kann

die Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung von der Erfüllung formeller

Voraussetzungen abhängig machen.87 Da das Teilnahmerecht kein höchstpersön-

liches Recht ist, kann es auch durch gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter

des Aktionärs ausgeübt werden.88

Nach § 118 Abs. 2 AktG „sollen“ die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichts-

rats an der Hauptversammlung teilnehmen. Daraus ergibt sich das Recht zur An-

wesenheit. Die Gesetzesformulierung begründet sogar eine Teilnahmepflicht der

Verwaltungsmitglieder.89 Diese entfällt jedoch bei Vorliegen wichtiger Verhinde-

rungsgründe wie z.B. Krankheit oder Dienstreise.90 Die Teilnahmepflicht von

Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist höchstpersönlich und kann nicht über-

tragen werden.91

Neben den Aktionären und den Verwaltungsmitgliedern sind in bestimmten Fäl-

len Abschlussprüfer (§ 176 Abs. 2 AktG) und Vertreter staatlicher Aufsichtsbe-

hörden zur Teilnahme berechtigt oder sogar verpflichtet.92 Darüber hinaus kann

die Gesellschaft Gästen die Teilnahme an der Hauptversammlung gestatten. Auch

den Vertretern von Medien und Presse kann sie den Zutritt erlauben.93

83 Stützle/Walgenbach, ZHR 1991, 516ff., 523; K. Schmidt, GesR, § 28 IV 2c.84 Bärwaldt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, I C 4; Nirk in Handbuch der AG, Teil I

RN 1177.85 Werner in Großkomm. AktG, § 118 RN 26.86 BGH WM 1989, 63ff., 64f. (für das GmbH-Recht); Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118

RN 19; Werner in Großkomm. AktG, § 118 RN 28; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 7;Schaaf, Praxis der HV, RN 197.

87 Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1178.88 Hüffer, AktG, § 118 RN 14; Werner in Großkomm. AktG, § 118 RN 51; Semler in

MünchHdb AG, § 36 RN 13.89 Werner in Großkomm. AktG, § 118 RN 33; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 23.90 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 5.91 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 25.92 Mitarbeiter des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen und des Bundesaufsichtsamts für

das Versicherungswesen sind berechtigt an Hauptversammlungen von Kreditinstituten bzw.Versicherungsunternehmen teilzunehmen (§§ 44 Abs. 1 KWG, 83 VAG).

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b) Teilnahmebedingungen

Die Satzungen der Gesellschaften können Bedingungen für die Teilnahme an der

Hauptversammlung aufstellen.94 Zulässig und üblich ist es, die Ausübung des

Teilnahmerechts an die rechtzeitige Hinterlegung der Aktie und/oder Anmeldung

des Aktionärs zu knüpfen (§ 123 Abs. 2 bis 4 AktG). Dies dient der Legitimation

der Aktionäre und erleichtert die Vorbereitung und Planung der Hauptversamm-

lung.95Andere Bedingungen für die Teilnahme sind nicht möglich, da die Norm

abschließend ist.96 In der Praxis verlangen die Satzungen regelmäßig für Inhaber-

aktien die Hinterlegung und für Namensaktien die Anmeldung.97

Besteht eine Hinterlegungspflicht, muss die Satzung oder das einberufende Organ

die Hinterlegungsstellen bestimmen.98 Häufig sind dies die Gesellschaft selbst

oder Kreditinstitute, mit denen die Gesellschaft in Geschäftsverbindung steht.99

Stets ausreichend ist gemäß § 123 Abs. 3 S. 2 AktG die Hinterlegung bei einem

Notar oder einer Wertpapiersammelbank. Die Hinterlegungsstelle erteilt dem Ak-

tionär eine Bescheinigung, häufig gleich in Form von Eintritts- oder Stimmkar-

ten.100

c) Legitimation der Teilnehmer

Ein Aktionär ist nur dann zur Teilnahme berechtigt, wenn er den Nachweis seiner

Aktionärseigenschaft erbringt.101 Bei Inhaberaktien geschieht dies durch Vorlage

der Aktienurkunde.102 Ausreichend sind jedoch auch Hinterlegungsbescheinigun-

gen einer Bank oder eines Notars mit dem Vermerk, dass die Aktien bis zum Ab-

lauf der Hauptversammlung gesperrt sind.103 Bei Namensaktien wird der Nach-

93 Hüffer, AktG, § 118 RN 16; Martens, Leitfaden, S. 34.94 Vgl. ausführlich Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 31ff.; Nirk in Handbuch der AG,

Teil I RN 1178ff.95 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 9; Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 34 und 55.96 OLG Düsseldorf WM 1991, 2145ff., 2147; Kropff, AktG RegBegr, S. 172; Zöllner in Kölner

Komm. AktG, § 123 RN 38ff.97 Vgl. Schaaf, Praxis der HV, RN 326, 333; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 9.98 Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 37; Bärwaldt in Senler/Volhard, Arbeitshandbuch

HV, RN I C 25.99 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 123 RN 40.100 Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 45; Schaaf, Die Praxis der HV, RN 327; Nirk in

Handbuch der AG, Teil I RN 1182; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 123 RN 27; Bärwaldtin Senler/Volhard, Arbeitshandbuch für die HV, RN I C 24.

101 Bärwaldt in Senler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I C 74.102 Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1190.103 Schaaf, Praxis der HV, RN 323.

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weis durch das Aktienbuch (jetzt Aktienregister) geführt (§ 67 Abs. 2 AktG). An

der Eingangskontrolle genügt in der Regel die Vorlage der dem Aktionär zuvor

übersandten Eintrittskarte.

d) Teilnehmerverzeichnis

Gemäß § 129 Abs. 1 S. 2 AktG ist in der Hauptversammlung ein Verzeichnis der

Teilnehmer aufzustellen. Dieses Teilnehmerverzeichnis dient dem Zweck, die

Durchführung der Hauptversammlung zu erleichtern und teilnehmende Personen

festzuhalten.104 Es schafft die Grundlage für die Auszählung der Stimmen und

ermöglicht die Feststellung der Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung.105

Aufgestellt wird das Teilnehmerverzeichnis von der Gesellschaft.106 Der Ver-

sammlungsleiter hat für dessen ordnungsgemäße Führung zu sorgen.107 Die An-

gaben im Teilnehmerverzeichnis konkretisiert § 129 Abs. 1 bis 3 AktG. Nicht

zwingend vorgeschrieben ist die Angabe der Stimmenanzahl, über die Aktionäre

oder Aktionärsvertreter verfügen. Um seinen Zweck zu erfüllen wird das Teil-

nehmerverzeichnis jedoch üblicherweise um die Stimmen ergänzt und dann als

„Präsenzliste“ bezeichnet.108 Das Teilnehmerverzeichnis muss ständig auf dem

Laufenden gehalten werden; nachträglich erschienene und die Hauptversammlung

vorzeitig verlassende Aktionäre sind zu vermerken.109

2. Leitung der Hauptversammlung

Leiter der Hauptversammlung kann grundsätzlich jedermann sein.110 Ausgenom-

men sind jedoch Mitglieder des Vorstands und der mit der Niederschrift beauf-

104 Kropff, AktG, S. 182; konkreter Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 129 RN 2.105 Hüffer, AktG, § 129 RN 1; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 129 RN 2; Steiner, HV der

AG, § 5 RN 2.106 So die h.M.: Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 129 RN 22; Werner in Großkomm. AktG,

§ 129 RN 8; Hüffer, AktG, § 129 RN 6; Steiner, Die HV der AG, § 5 RN 11; von Hülsen inSemler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D 28; Schaaf, Praxis der HV, RN 362; aA Eck-ardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 129 RN 10; Semler in MünchHdb AG,§ 36 RN 27.

107 Werner in Großkomm. AktG, § 129 RN 8; Hüffer, AktG, § 129 RN 7; von Hülsen in Sem-ler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D 29.

108 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 26; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG,§ 129 RN 23; Hüffer, AktG, § 129 RN 4; Schaaf, Praxis der HV, RN 354; Steiner, HV derAG, § 5 RN 1f.

109 OLG Stuttgart NJW 1990, 1120ff., 1121; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 129 RN 13;Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 30; Hüffer, AktG § 129 RN 10.

110 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 35.

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tragte Notar.111 In der Regel bestimmt bei Publikumsgesellschaften die Satzung

den Aufsichtsratsvorsitzenden zum Leiter.112 Trifft die Satzung keine Regelung,

ist die Hauptversammlung für die Wahl ihres Vorsitzenden zuständig.113 Der Vor-

sitzende hat für eine rechtmäßige und zweckmäßige Durchführung der Hauptver-

sammlung zu sorgen.114 Dafür stehen ihm Leitungs- und Ordnungsbefugnisse zur

Verfügung.115

Der Vorsitzende eröffnet zunächst formell die Hauptversammlung und prüft in

eigener Verantwortung die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung.116 Anschließend

hat er auf eine sachgerechte Erledigung der Tagesordnung in einem geordneten

Verfahren unter Vermeidung von Rechtsverstößen hinzuwirken.117 Um eine zügi-

ge und sachgemäße Aussprache zu gewährleisten ist der Vorsitzende berechtigt,

das Rederecht der Aktionäre zeitlich zu beschränken.118 Er hat auch die Befugnis,

Rednerliste und Debatte zu schließen.119 Zudem obliegt ihm die Unterbrechung

und Schließung der Hauptversammlung.120

Neben diesen Leitungsbefugnissen stehen dem Vorsitzenden auch Befugnisse zur

Abwehr von Störungen für die Hauptversammlung zu (Ordnungsbefugnisse).121

Diese richten sich gegen einzelne Teilnehmer, die den geordneten Ablauf der

Hauptversammlung gefährden. Zu den Ordnungsbefugnissen zählen Abmahnung,

individuelle Redezeitbeschränkung, Wortentzug und Saalverweis.122 Da bei An-

wendung dieser Befugnisse ein erheblicher Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte

111 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 47; Hüffer, § 129 RN 18; Semler in MünchHdb

AG, § 36 RN 35; Schaaf, Praxis der HV, RN 407.112 Werner in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 36; Nirk in Handbuch der AG, Teil I

RN 1144; Steiner, HV der AG, RN 1.113 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 36; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG,

vor § 118 RN 33; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 47.114 BGHZ 44, 245ff., 248.115 Martens WM 1981, 1010ff., 1010.116 Im Einzelnen Steiner, HV der AG, § 6 RN 10.117 BGHZ 44, 245ff., 248; vgl. ausführlich zu den einzelnen Regelungstatbeständen Stütz-

le/Walgenbach, ZHR 1991, 516ff, 523ff.118 BVerfG, NZG 2000, 192ff., 194; OLG Stuttgart AG 1995, 234ff., 234; offengelassen in

BGHZ 44, 245ff., 247; Hüffer, AktG, § 129 RN 20; Grüner, NZG 2000, 770ff., 773; Semlerin MünchHdb AG, § 36 RN 48; Schaaf, Praxis der HV, RN 546ff.; Martens, WM 1981,1010ff., 1013; Quack, AG 1985, 145ff., 146; Stützle/Walgenbach, ZHR 1991, 516ff, 540.

119 H.M.: Hüffer, AktG, § 129 RN 21; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 48; Nirk in Handbuchder AG, Teil I RN 1151; Siepelt, AG 1995, 254ff., 260.

120 Stützle, Walgenbach, ZHR 1991, 516ff, 539.121 Verfassungsrechtlich unbedenklich: BGHZ 44, 245ff., 248; BVerfG NZG 2000, 192ff., 194;

Stützle/Walgenbach, ZHR 1991, 516ff, 541.122 Überblick bei v. Hülsen in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D 80ff.

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der Aktionäre droht, sind an deren Voraussetzungen besonders strenge Anforde-

rungen zu stellen.123 Insbesondere muss der Versammlungsleiter den Verhältnis-

mäßigkeitsgrundsatz und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach pflichtgemäßem

Ermessen beachten.124 Er darf nur solche Maßnahmen treffen, die zur Durchfüh-

rung der Hauptversammlung erforderlich und geeignet sind.125 Stets ist das milde-

ste Mittel anzuwenden. Der Saalverweis als das schärfste Ordnungsmittel kommt

nur als „ultima ratio“ nach vorhergehender Ankündigung in Betracht.126

3. Ausübung versammlungsgebundener Aktionärsrechte

Gemäß § 118 Abs. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptver-

sammlung aus. Zu den wesentlichen versammlungsgebundenen Aktionärsrechten

zählen Auskunfts- (§ 131 AktG) und Stimmrecht (§§ 12, 133 ff. AktG).

a) Auskunftsrecht

Der in § 131 AktG näher geregelte Auskunftsanspruch ist neben dem Stimmrecht

zentrales, mit der Aktie verbundenes Verwaltungsrecht der Aktionäre in der

Hauptversammlung.127 Der Aktionär soll sich die Information beschaffen können,

die er für eine sinnvolle Ausübung seiner Hauptversammlungsrechte benötigt.128

Nach § 131 AktG erstreckt sich das Auskunftsrecht auf alle Angelegenheiten der

Gesellschaft und mit ihr verbundener Unternehmen, soweit die Auskunft zur

sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Das

Merkmal „erforderlich“ soll Missbräuche des Auskunftsrechts verhindern und

einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung gewährleisten.129 Maß-

stab ist die Sicht eines objektiv denkenden Aktionärs, der nur über die von der

Gesellschaft veröffentlichten Informationen verfügt.130 Dabei tendiert die Recht-

sprechung zu einer strengen Auslegung der Vorschrift, insbesondere im Zusam-

123 BGHZ 44, 245ff., 255.124 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 91; Hüffer, AktG, § 129 RN 23; Semler in

MünchHdb AG, § 36 RN 41.125 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 41.126 BGHZ 44, 245ff., 255; Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1150; Siepelt, AG 1995, 254ff.,

259.127 Kropff, AktG, S. 184f.; Hüffer, AktG, § 131 RN 1; Nirk in Handbuch der AG, Teil I

RN 1198; Volhard in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I F 13; Schaaf, Praxis derHV, RN 597.

128 Kropff, AktG, S. 184.129 Kropff, AktG, S. 185.130 OLG Düsseldorf AG 1987, 21ff., 23; OLG Bremen AG 1981, 229f., 229.

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menhang mit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.131

Auskunftsberechtigt ist jeder Aktionär, sofern er an der Hauptversammlung teil-

nimmt.132 Träger der Auskunftspflicht ist die Gesellschaft selbst, für ihre Erfül-

lung ist gemäß § 131 Abs. 1 AktG aber der Vorstand zuständig.133 Er hat im

Rahmen der Vorbereitung auf die Hauptversammlung auch für die erforderlichen

organisatorischen Maßnahmen zu sorgen.134 Das Auskunftsrecht ist nicht auf ein-

fache und leicht zu beschaffende Auskünfte beschränkt.135 In der Regel beschäf-

tigt sich bei Publikumsgesellschaften ein ganzer Mitarbeiterstab im so genannten

Back Office mit der Auskunftserteilung unter Einsatz moderner EDV-

Technologie.136 Die Auskunft gibt der Vorstand in der Hauptversammlung münd-

lich. Sie muss vollständig und sachlich zutreffend sein.137 Verweigern kann der

Vorstand die Auskunft nur aus den in § 131 Abs. 3 AktG abschließend genannten

Gründen.138 In der Praxis berufen sich die Gesellschaften wegen des unkalkulier-

baren Anfechtungsrisikos nur äußerst selten auf einen Auskunftsverweigerungs-

grund.

b) Stimmrecht

Das Stimmrecht ist das Recht, durch Stimmabgabe am Zustandekommen von

Hauptversammlungsbeschlüssen mitzuwirken.139 Es ist ein Mitgliedschaftsrecht,

das mit jeder Aktie verbunden ist, soweit Aktien nicht ausnahmsweise nach § 12

Abs. 1 AktG als Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. Das Stimm-

recht wird grundsätzlich nach Aktiennennbeträgen, bei Stückaktien nach deren

Zahl ausgeübt (§ 134 Abs. 1 S. 1 AktG). Die Satzung von nicht börsennotierten

131 OLG Düsseldorf WM 1991, 2148ff., 2153; OLG Frankfurt AG 1994, 39f., 40; KG WM

1973, 122f., 122; zur umfangreichen Kasuistik vgl. Semler in MünchHdb AG, § 37 RN 11ff.132 BGHZ 119, 1ff., 17; BGHZ 101, 1ff., 15f.; Kropff, AktG RegBegr., S. 185; Semler in

MünchHdb AG, § 37 RN 1; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 131RN 19; Hüffer, AktG, § 131 RN 3.

133 BGHZ 101, 1ff., 15; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 131 RN 12; Steiner, HV der AG,§ 11RN 7.

134 Hüffer, AktG, § 131 RN 9.135 BGHZ 32, 159ff., 166; OLG Düsseldorf WM 1991, 2148ff., 2152; KH Berlin AG 1996,

131ff., 134.136 Volhard in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I F 28f.; Schaaf, Praxis der HV,

RN 603; Steiner, HV der AG, § 11 RN 7.137 Hüffer, AktG, § 131 RN 21.138 Ausführlich zu den Verweigerungsgründen Volhard in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch

HV, RN I F 37ff., I F 54.139 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 4.

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Gesellschaften kann das Stimmrecht durch Festlegung eines Höchststimmrechts

beschränken (§ 134 Abs. 1 S. 2 AktG).140 Mehrstimmrechte, bei denen einzelne

Aktionäre mehr Stimmen haben als ihrer Kapitalbeteiligung entspricht, sind dage-

gen unzulässig(§ 12 Abs. 2 AktG).141

Das Stimmrecht beginnt grundsätzlich mit der vollständigen Leistung der Einlage

(§ 134 Abs. 2 S. 1 AktG). Nur in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen, in de-

nen eine Interessenkollision besteht, ist das Stimmrecht gemäß § 136 Abs. 1 AktG

ausgeschlossen.142 Ansonsten ist der Aktionär bei der Ausübung seines Stimm-

rechts grundsätzlich frei. Er kann sich aber vertraglich verpflichten, sein Stimm-

recht in der Hauptversammlung in einer bestimmten Weise auszuüben, solange

dieser Stimmbindungsvertrag nicht gegen § 136 Abs. 2 AktG verstößt.143

Das Stimmrecht hat keinen höchstpersönlichen Charakter.144 Der Aktionär kann

sich bei seiner Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen

(§ 134 Abs. 3 S. 1 AktG). Auch eine verdeckte Stellvertretung ist möglich (§ 129

Abs. 3 AktG).145 In der Praxis bevollmächtigen Anleger regelmäßig ihre Depot-

bank (Depotstimmrecht).146 Um eine Missbrauch der dadurch entstehenden

Machtkonzentration bei den Banken zu unterbinden, stellt § 135 AktG eine Reihe

von Voraussetzungen auf, die in erster Linie darauf abzielen, dass die Kreditin-

stitute das Stimmrecht entsprechend dem Willen und den Interessen des Voll-

macht erteilenden Aktionärs ausüben und sich nicht von eigenen Interessen leiten

lassen.147 Neben Kreditinstituten treten auch Aktionärsvereinigungen als Stimm-

rechtsvertreter für Kleinaktionäre auf. Für sie sowie für Personen die sich ge-

schäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Haupt-

versammlung erbieten, gelten die Bestimmungen des § 135 AktG entsprechend

(§ 135 Abs. 9 Nr. 1, 3 AktG).

140 Ausführlich zu Höchststimmrechten Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1260ff.; Steiner,

HV der AG, § 13 RN 18ff.; Schaaf, Praxis der HV, RN 727ff.141 Bestehende Mehrstimmrechte erlöschen am 01.06.2003; vgl. Jacob in Semler/Volhard, Ar-

beitshandbuch HV, RN I F 76.142 Ausführlich zu Stimmverboten Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1281ff.143 BGHZ 126, 226ff., 235; BGHZ 48, 163ff., 166ff.; Hüffer, AktG, § 136 RN 27; Zöllner in

Kölner Komm. AktG, § 136 RN 84; Semler in MünchHdb AG, § 38 RN 32.144 Hüffer, AktG, § 134 RN 21.145 Semler in MünchHdb AG, § 38 RN 61; Hüffer, AktG, § 134 RN 32; Steiner, HV der AG,

§ 13 RN 43; Grunewald, GesR, 2.C.114.146 Überblick bei Baums, AG 1996, 11ff., Tabelle 1.147 Hüffer, AktG, § 134 RN 1.

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4. Beschlussfassung

Die organschaftliche Willensbildung und –äußerung einer Hauptversammlung

geschieht durch Beschlussfassung.148 Auf der Hauptversammlung stimmen die

Aktionäre über die in der Tagesordnung angekündigten Beschlussanträge ab. Die

Stimmabgabe erfolgt in der Praxis häufig verkörpert durch Stimmkarten.149 Diese

werden mittels elektronischer Datenerfassungsgeräte gezählt. Aber auch eine un-

verkörperte Stimmabgabe z.B. durch Handzeichen ist zulässig und bei kleinen

Aktiengesellschaften nicht unüblich.150 Die Form der Stimmabgabe richtet sich in

erster Linie nach der Satzung.151 Als Auszählungsarten sind die Additions- und

die Subtraktionsmethode gebräuchlich.152 Nach Auszählung der Stimmen verkün-

det der Versammlungsleiter das Abstimmungsergebnis (§ 130 Abs. 2 AktG). Für

die Wirksamkeit des Beschlusses bedarf es bei börsennotierten Gesellschaften und

bei Beschlüssen, für die das Gesetz mindestens eine _ Mehrheit verlangt, zudem

der Beurkundung durch den Notar (§ 130 Abs. 1 AktG).

Beschlüsse der Hauptversammlung, die inhaltlich gegen Gesetz oder Satzung ver-

stoßen oder auf einem Verfahrensfehler beruhen, sind nichtig oder anfechtbar.153

Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses tritt gemäß § 241 AktG nur

in den im Gesetz genannten Fällen ein. Mit der abschließenden Aufzählung der

Nichtigkeitsgründe bezweckt das Aktiengesetz Rechtssicherheit.154 Nur besonders

evidente oder inhaltlich schwerwiegende Verstöße führen zu dieser gravierenden

Rechtsfolge.155

Verletzt ein Hauptversammlungsbeschluss aus anderen Gründen das Gesetz oder

die Satzung, kann dies nur zu dessen Anfechtbarkeit führen.156 Klagebefugt sind

die in der Hauptversammlung erschienenen Aktionäre, die gegen den Beschluss

148 Hüffer, AktG, § 133 RN 2.149 Nirk in Handbuch der HV, Teil I RN 1329; Schaaf, Praxis der HV, RN 781; vgl. ausführlich

Richter in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D 144.150 Schaaf, Praxis der HV, RN 781; zum Ablauf vgl. Pickert in Semler/Volhard, Arbeitshand-

buch HV, RN I D 208.151 Hüffer, AktG, § 134 RN 34f.; 22; Richter in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D

141; Nirk in Handbuch der AG, RN 1329; Martens, Leitfaden, S. 96; Stützle/Walgenbach,ZHR 1991, 516ff., 534.

152 Vgl. Richter in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der HV, RN I D 165; Semler in MünchHdbAG, § 39 RN 35; Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1332; Hüffer, AktG, § 133 RN 24.

153 K. Schmidt, AG 1977, 205ff. und 243ff.; Nirk in Handbuch der AG, Teil I RN 1601ff.; Stei-ner, HV der AG, §§ 22 und 23; Semler in MünchHdb AG, § 41 RN 1.

154 Grunewald, GesR, 2.C.124; Hüffer, AktG, § 241 RN 1.155 Hüffer, AktG, § 241 RN 1; Steiner, HV der AG, § 22 RN 1.

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Widerspruch zu Protokoll erklärt haben (§ 245 Nr. 1 AktG) und die nicht erschie-

nenen Aktionäre, wenn sie zu Unrecht nicht zugelassen wurden oder ein Einberu-

fungs- oder Bekanntmachungsfehler vorlag (§ 245 Nr. 2 AktG).157

B. Missstände der traditionellen Hauptversammlung

Das traditionelle Hauptversammlungswesen deutscher Aktiengesellschaften

krankt an einigen gravierenden Problemen.158 Vor allem bei börsennotierten (vgl.

§ 3 Abs. 2 AktG) Gesellschaften sind die Aktionärsversammlungen zu einer Bela-

stung für die Unternehmen geworden. Die von den Vorstellungen des Gesetzge-

bers 1965 geprägte und seitdem in wesentlichen Zügen unveränderte aktienrecht-

liche Konstruktion der Hauptversammlung ist den aktuellen Entwicklungen auf

dem Kapitalmarkt nicht mehr gewachsen. Angesichts der besonderen Bedeutung

der Hauptversammlung als Entscheidungsorgan der Gesellschaft und als Kommu-

nikations- und Informationsforum der Aktionäre ist dieser Zustand bedenklich.

Daher müssen Wege und Möglichkeiten gefunden werden, die Funktionsfähigkeit

der Hauptversammlung wieder herzustellen. Das Medium Internet kann hierbei

von Bedeutung sein.

I. Organisatorischer und finanzieller Aufwand

Die steigende Popularität von Aktien als Anlageform und die damit einhergehen-

de deutliche Zunahme der Aktionärszahlen159 macht die Vorbereitung und Durch-

führung einer Hauptversammlung zu einer äußerst aufwändigen und kostenträch-

tigen Prozedur.160 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften

stellen inzwischen Massenveranstaltungen dar, die enorme Anforderungen an die

Organisation stellen. Teilnehmerzahlen von über 10.000 Aktionären sind bei den

DAX 30 Unternehmen keine Seltenheit.161 Aber auch andere Publikumsgesell-

156 Semler in MünchHdb AG, § 41 RN 25.157 BGHZ 70, 117ff., 118.158 Claussen, AG 2001, 161ff., 163.159 Nach einer Infratest Studie im Auftrag des Deutschen Aktieninstituts besitzen in Deutschland

13,4 Mio. Anleger oder 21 % der Bevölkerung Aktien oder Aktienfonds; Pressemitteilungdes DAI v. 7.8.2001, abrufbar unter http://www.dai.de/dai_publikationen.

160 Claussen, AG 2001, 161ff., 165; Martens, Leitfaden, S. 4f.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff.,205.

161 Mit der Rekordteilnehmerzahl von 12.500 Aktionären hielt die Daimler-Chrysler AG am19.4.2000 ihre Jahreshauptversammlung im Internationalen Congress Centrum in Berlin ab;Vgl. Die Welt v. 20.04.2000.

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schaften haben auf ihren Hauptversammlungen mehrere Tausend Teilnehmer. Da

die Organisation einer Hauptversammlung immer komplexer wird, schalten die

Unternehmen oft Spezialisten ein, die ihnen einen Großteil der Aufgaben abneh-

men.162 Deren Arbeitsleistungen koordinieren professionelle HV-Dienstleister.163

Ein dicht gedrängter Terminplan verstärkt den Organisationsaufwand. Etwa 80 %

der rund 900 börsennotierten Aktiengesellschaften164 lädt seine Aktionäre in der

Hauptversammlungssaison zwischen April und Juni zum jährlichen Treffen.165

Die steigende Zahl der Aktiengesellschaften erhöht diesen Termindruck in den

nächsten Jahren.166 In der Hauptversammlungssaison 2001 ist erstmalig die Zahl

von 1000 Aktionärstreffen börsennotierter Gesellschaften überschritten worden.

Wenn die Expertenprognosen zutreffen, dass die Zahl der börsennotierten Gesell-

schaften jedes Jahr um 200 steigen, gäbe es 2010 rund 3000 börsennotierte Akti-

engesellschaften mit entsprechend vielen Hauptversammlungen.167 Sollen diese

weiterhin in der Hauptversammlungssaison stattfinden, müssen in den nächsten

Jahren täglich etwa 40 Hauptversammlungen abgehalten werden. Dies ist für alle

Beteiligten kaum zu bewältigen. Es mangelt bereits an ausreichend geeigneten

Veranstaltungshallen. Aktionäre mit einem breit gestreuten Portfolio müssen sich

auf den Besuch ausgewählter Hauptversammlungen beschränken. Terminüber-

schneidungen gibt es auch für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie für

Bankenvertreter oder Sprecher der Aktionärsvereinigungen.

Hinzu kommen die erheblichen Kosten, die mit einer Hauptversammlung verbun-

den sind. Manche Konzerne wenden zweistellige Millionen-Beträge auf, um sich

ihren Aktionären und der Öffentlichkeit am Tag der Hauptversammlung von der

162 Die Daimler-Chrysler Hauptversammlung am 19.04.2000 in Berlin wurde von einem 250-

köpfigen Technik- und Logistikteam aus Stuttgart zehn Tage lang vorbereitet, Die Welt v.20.04.2000; vgl. auch die Studie von Schieber, Die dezentrale HV, S. 21f.

163 Unternehmen wie Ton-Art AG (Düsseldorf), die Haubrok Corporate Events GmbH (Mün-chen), Registrar Services GmbH (Frankfurt) oder die HV Boss AG (Breitscheid) organisierenHauptversammlungen von Aktiengesellschaften.

164 Ende Juni 2001 waren an der Frankfurter Wertpapierbörse insgesamt 916 inländische Akti-engesellschaften notiert (Quelle: Deutsche Börse, zitiert nach Hansen, AG 2001, R 315ff.,316.

165 Vgl. HV-Termin-Service, AG 2001, R 26ff.166 Ende Mai 2001 erreichte die Anzahl der Aktiengesellschaften nach den Erhebungen der

Deutschen Bundesbank 11 833. Damit hat sich der Bestand seit Ende 1998 mehr als verdop-pelt. Nach Schätzungen dürfte der Bestand der Aktiengesellschaften bis Ende 2001 auf mehrals 13 000 ansteigen (Quelle: Statisitisches Bundesamt, zitiert nach Hansen, AG 2001,R 315ff., 315).

167 WirtschaftsKurier 31/2000, v. 18.7.2000 „3500 Hauptversammlungen in 10 Jahren: Kommt

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besten Seite zu zeigen.168 Die durchschnittlichen Kosten einer großen Publikums-

gesellschaft belaufen sich auf 4 bis 7 Millionen DM.169 Selbst kleinere börsenno-

tierte Gesellschaften kostet die Durchführung ihrer Hauptversammlung noch rund

200.000 DM.170 Allein die Anmietung einer großen Veranstaltungshalle schlägt

mit 50 000 DM pro Tag zu Buche. Weitere Kostenfaktoren sind die technische

Einrichtung, der hohe Personalbedarf, Druck und Versand der Geschäftsberichte

und die Einberufung.171 Die große Nachfrage nach geeigneten Versammlungs-

räumen und hauptversammlungsbezogenen Dienstleistungen wird die Kosten

weiter steigen lassen.

Das Internet kann die hier angesprochenen Probleme entschärfen, da es für die

durch Kommunikation und Information geprägte Vorbereitungsphase eines Ak-

tionärstreffens prädestiniert ist.172 Es bietet die Möglichkeit, kostengünstig Infor-

mationen zu verteilen und direkt mit den Anlegern zu kommunizieren.173 Die Ko-

sten für die Einberufung einer Hauptversammlung lassen sich erheblich reduzie-

ren, wenn die Gesellschaft ihre Aktionäre per E-Mail oder durch Aufruf auf ihrer

Web-Seite einlädt und unterrichtet.

Aber auch die Durchführung der Präsenzveranstaltung wird mit Hilfe des Internet

kostengünstiger und weniger aufwändig, wenn eine Vielzahl der Aktionäre nicht

mehr physisch, sondern online teilnimmt. Bei einer virtuellen Hauptversammlung

im Internet unter Verzicht auf die Präsenzveranstaltung entfallen die hohen Aus-

gaben für Veranstaltungsräume, technische Ausstattung und Personal. Auch Ter-

minüberschneidungen durch gleichzeitig stattfindende Versammlungen sind für

betroffene Aktionäre und Verwaltungsmitglieder einfach zu bewältigen, wenn sie

per Mausklick von der einen Hauptversammlung zur nächsten wechseln können.

die virtuelle Hauptversammlung?“.168 SZ v. 13.09.2000 „Vom langweiligen Sitzungs-Marathon zum Event“.169 Martens, Leitfaden, S. 4; vgl. Studie von Schieber, Die dezentrale HV, S. 20.170 Die Hauptversammlung der Medion AG in Essen am 31.10.2000 kostete nach Auskunft des

Vorstandsvorsitzenden Brachmann 250.000 DM.171 Die Kosten für die Hauptversammlung 2000 der Gold-Zack AG, Mettmann, betrugen insge-

samt 660.000 DM. Allein 260 000 DM wurden für Einladung, Geschäftsbericht und Zustell-porto ausgegeben. Vgl. FAZ vom 10.07.2000 „Die Namensaktie ermöglicht die virtuelleHauptversammlung“.

172 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 259.173 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 420f.

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II. Sinkende Hauptversammlungspräsenzen

1. Befund

Im Gegensatz zu den immer größeren Anstrengungen der Unternehmen, ihren

Anlegern eine aufwändige Veranstaltung zu bieten, steht das Interesse, das die

Aktionäre den Hauptversammlungen entgegenbringen. Trotz des Börsenboom in

den Jahren 1997 bis 2000 und bis zu zwölf Millionen Aktionären in Deutschland,

sinkt die Präsenz auf Hauptversammlungen seit Jahren beständig.174 Während

1996 durchschnittlich 63,22 % der Stimmen auf den Hauptversammlungen der 30

DAX-Werte vertreten waren, betrug die Quote in der Hauptversammlungssaison

2000 nur noch durchschnittlich 54,5 %. Bei einigen DAX-30 Unternehmen ist sie

sogar auf unter 40 % gefallen.175 Absoluter Minusrekord war die Aktionärsver-

sammlung der Siemens AG im Februar 2000, auf der nur 22 % des Grundkapitals

anwesend war.176 Im Drei-Jahres-Durchschnitt (1996-1999) verzeichnet die Hälfte

der DAX-Schwergewichte weniger als 60 % Präsenz. Nur in Gesellschaften, in

denen maßgeblich beteiligte Gesellschafter auftreten, sind noch 70-80 % des Ak-

tienkapitals vertreten.177 Privataktionäre repräsentieren meist nur zwischen 2 und

5 % des Gesellschaftskapitals.178

Das Aktiengesetz kennt keine Pflicht der Aktionäre, auf der Hauptversammlung

zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen.179 Auch schreibt es für die Beschluss-

fassung keine Quoren vor, so dass selbst bei geringen Kapitalpräsenzen die Be-

schlüsse wirksam sind. Dennoch ist die festgestellte Entwicklung bedenklich.

Sinkende Präsenzen schwächen die Legitimationsgrundlage der gefassten Be-

174 Studie des DSW; zu ähnlichen Zahlen kommt eine Erhebung des DAI (DAI Fact Book) und

die Studie von Schieber, Die dezentrale HV, S. 17f.175 Z.B.: Deutsche Bank AG 1999 (37,5 %); Lufthansa AG 1999 (34,6 %); Volkswagen AG

1999 (37,62 %); DaimlerChrysler AG 1999 (39,02 %), 2000 (39,64 %).176 SZ vom 13.09.2000177 An der Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG vom 29.05.2001 nahmen 9500 Ak-

tionäre teil; 70 % des stimmberechtigten Kapitals waren vertreten, darunter allein 58 % durchden Mehrheitsaktionär Bund, vgl. Handelsblatt v. 29.05.2001.

178 Vgl. Baums/Fraune AG 1995, 97ff., 102, Tab. 4; bei der Fusions-Hauptversammlung derThyssen AG am 3. und 4.12.1998 mit 2.500 Teilnehmern (Präsenz: 60 %) waren die Ein-zelaktionäre mit einem Prozentsatz von nicht viel mehr als 2 % vom Grundkapital vertreten,die restliche Präsenz bildeten die beiden Großaktionäre mit zusammen knapp 20 %, Vermö-gensverwaltungen, Investmentgesellschaften, Versicherungsgesellschaften, Depotbanken undAktionärsvereinigungen, vgl. Joussen, NZG 2000, 241ff., 248f., 252; auch Sünner, AG 2000,492ff., 494.

179 Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 790.

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schlüsse.180 Wenn weniger als die Hälfte des Aktienkapitals an der Hauptver-

sammlung teilnimmt, kann von einem gemeinsamen Willensbildungsprozess aller

Anteilseigner nicht die Rede sein. Schlechte Präsenzquoten signalisieren der

Öffentlichkeit zudem ein Desinteresse der Aktionäre an „ihrer“ Gesellschaft.181

Die Unternehmen können die Hauptversammlung weniger als Investor Relations-

und Marketingveranstaltung nutzen.

Vor allem aber stellen die sinkenden Präsenzen eine Gefahr für die Unterneh-

menskontrolle dar.182 Wenn viele Aktionäre mit ihren Stimmen der Hauptver-

sammlung fernbleiben, wächst der Einfluss jener Aktionäre, die über einen größe-

ren Beteiligungsbesitz verfügen und deshalb ein vordringliches Interesse an dem

Besuch der Hauptversammlung haben.183 Zufallsmehrheiten sind möglich, die

Minderheiten zu einem gemessen am Beteiligungsbesitz überproportionalen Ein-

fluss verhelfen können.184 Dies erleichtert auch Unternehmensübernahmen. Denn

nach dem geplanten deutschen Übernahmegesetz muss ein Großaktionär erst dann

ein Abfindungsangebot machen, wenn er mehr als 30 % der Gesellschaft be-

sitzt.185

Sinkende Präsenzen schwächen schließlich auch den Aktionärsschutz. Da insbe-

sondere Kleinaktionäre der Hauptversammlung fernbleiben, verschieben sich die

Gewichte zugunsten der Großaktionäre und der institutionellen Investoren.186 Das

ohnehin geringe Einflusspotential der Streubesitzaktionäre wird weiter gemindert.

Die Wahrnehmung von Minderheitenrechte ist nur durch hohe Präsenz und Bün-

delung des Stimmengewichts möglich.187 Die Hauptversammlung kann nicht „Sitz

180 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37; Martens, Leitfaden,

S. 6; V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 291.181 Claussen, AG 2001, 161ff., 164.182 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37f.; Heise in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 53f.; Westermann in Fedder-sen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 264ff., 277; V. Rosen in Fedder-sen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 291ff.; Martens, Leitfaden, S.6f.; Claussen, AG 2001, 161ff., 164; Blank/Zetzsche, K&R 2000, 486ff.; Balz, Die Tele-HV,abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

183 Martens, Leitfaden, S. 6f.184 Behnke, NZG 2000, 665ff., 666; Claussen, AG 2001, 161ff., 164; die Investorengruppe

Cobra, die 17 % der Aktien der Commerzbank AG besitzt, stellte auf deren Hauptversamm-lung (Präsenz 56 %) 30 % des stimmberechtigten Kapitals; vgl. Handelsblatt v. 21.05.2000,S. 29.

185 § 10 Abs. 3 RefE-WÜG, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de; kritischhierzu Heise in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 53.

186 Claussen, AG 2001, 161ff., 164.187 V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 290f.

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der Aktionärsdemokratie“188 sein, wenn der überwiegende Teil der Anleger fern-

bleibt und sie von einzelnen Anlegern oder Fondsmanagern dominiert wird.

2. Gründe für das Fernbleiben inländischer Aktionäre

Die Gründe für die niedrige Präsenz sind vielfältig.189 Viele Aktionäre scheuen

den Aufwand und die Kosten der Anreise zur Hauptversammlung, die einen be-

deutenden Teil der Dividende aufzehren können.190 Da die Aktionärstreffen übli-

cherweise an Werktagen stattfinden und meist einen ganzen Tag in Anspruch

nehmen, ist es vielen Anlegern aus beruflichen Gründen nicht möglich, zu er-

scheinen.191

Das Desinteresse vieler Aktionäre beruht zudem auf den Umständen, die das Ge-

schehen auf den Hauptversammlungen bestimmen.192 Die Aktionärstreffen dauern

zunehmend länger193 und werden als öffentlichkeitswirksame Plattform von

Selbstdarstellern und Agitatoren missbraucht.194 Insbesondere bei konfliktträchti-

gen Beschlussgegenständen sorgen kritische Aktionäre mit langatmigen Diskussi-

onsbeiträgen und endlosen Fragenkatalogen für eine unzumutbare Versamm-

lungsdauer.195 Paradoxerweise kommen die Beschlüsse auch im Anschluss an

derartig kontrovers geführte Aussprachen mit Mehrheiten zustande, die jenseits

der 99 %-Grenze liegen.196 Aktionäre fragen sich daher, ob ihr Erscheinen Sinn

macht, wenn die Ergebnisse bereits feststehen und die Veranstaltung allein der

Selbstdarstellung einiger weniger dient.

Ein weiterer Grund für die geringen Präsenzen ist die erheblich gewandelte Kapi-

talmarktstruktur. Aktionäre von Publikumsgesellschaften betrachten ihr Engage-

188 K. Schmidt, GesR, § 28.IV.1.189 V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 291ff.;

Baums/v. Randow, AG 1995. 145ff.; Claussen, AG 2001, 161ff., 164; Blank/Zetzsche, K&R2000, 486ff., 487; Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 787f..

190 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 205; vgl. auch die Studie von Schieber, Die dezentrale HV,S. 30f.

191 Heise in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 53.192 v. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 292; Joussen, AG

2000, 241ff., 248f.193 Die durchschnittliche Versammlungsdauer einer großen Hauptversammlung betrug vor we-

nigen Jahren noch ca. 5 Stunden; nunmehr liegt die Untergrenze bei 7 Stunden und die bishererreichte Höchstmarke bei über 13 Stunden; vgl. Martens, Leitfaden, S. 14; zu einem anderenErgebnis kommt aber die Studie von Schieber, Die dezentrale HV, S. 18f.

194 Sünner, AG 2000, 492ff., 495; vgl. Die Welt v. 27.02.1996 „Die Macht der einen Aktie“.195 Martens, Leitfaden, S. 14.196 Westermann in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 264ff., 264.

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ment heute vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kapitalanlage und sehen sich

weniger als Mitgesellschafter, die Einfluss auf die unternehmerischen Entschei-

dungen nehmen können oder wollen.197 Sie ordnen die Aktie als eine von mehre-

ren miteinander im Wettbewerb stehenden Anlageformen ein. In erster Linie geht

es ihnen um eine vernünftige Rendite des angelegten Kapitals.198 Hinzu kommt

das Bewusstsein von Kleinaktionären, mit ihren wenigen Aktien einzeln kaum

etwas bewirken zu können. Sie wägen den erwarteten geringen Nutzen gegen die

Kosten ab und verzichten auf die persönliche Teilnahme („rationale Apathie“).199

Dabei vertrauen sie darauf, dass die anwesenden Aktionäre - insbesondere die

Aktionärsvereinigungen – auf einen Beschluss hinwirken, der auch ihren Interes-

sen entspricht („Schwarz- oder Trittbrettfahrer“).200

Die Verbesserung der Hauptversammlungspräsenzen ist nur dann zu erreichen,

wenn sich Kosten und Aufwand für die Teilnahme erheblich reduzieren lassen.

Auch hier bieten moderne Kommunikationsformen Lösungen an.201 Das Internet

ermöglicht den Anlegern die Versammlung live zu verfolgen und ihre Mitglieds-

rechte wahrzunehmen, ohne physisch oder durch Vertreter daran teilzunehmen.

Diese Online-Teilnahme ist mit geringem Aufwand und einem Minimum an Ko-

sten verbunden. Zeitraubende und nervtötende Diskussionsbeiträge erspart sich

der Aktionär, indem er nur dann „einschaltet“, wenn es spannend wird oder zur

Abstimmung kommt. So lässt sich über das Medium Internet möglicherweise

auch die Lethargie der Kleinanleger überwinden. Wenn einerseits deren Einfluss-

möglichkeiten steigen – indem sie beispielsweise ihre Stimmen in Internet-Foren

oder Chat-Rooms koordinieren und bündeln – und andererseits die Kosten ihrer

Beteiligung gegen Null gehen, ist ihre Passivität nicht mehr ökonomisch begrün-

det.

Das Internet mobilisiert zudem Aktionärsgruppen, die an der traditionellen Prä-

197 V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 289 und

292; Joussen, NZG 2000, 241ff., 252; Beusch in FS Werner 1984, S. 1ff., 15.198 Joussen, NZG 2000, 241ff., 252.199 Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff., 147; Adams, AG 1994, 148ff., 152; Adams, AG 1990,

62ff., 75; Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2104; Behnke, NZG 2000, 665ff., 666; Schieber,Die dezentrale HV, S. 33ff.

200 Adams, AG 1990, 62ff., 75; V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Go-vernance, S. 289ff., 292; Behnke, NZG 2000, 665ff., 666; Schieber, Die dezentrale HV,S. 33.

201 V. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 299.

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senzveranstaltung nicht teilnehmen können oder wollen, wie berufstätige Aktionä-

re und Anleger, die das Medium bereits beim Online-Banking und Online-

Brokerrage nutzen.202 Auch die OECD-Principles of Corporate Governance emp-

fehlen, die Aktionäre mit Hilfe moderner Technologien am Unternehmensgesche-

hen zu beteiligen.203

3. Gründe für das Fernbleiben ausländischer Aktionäre

Zu geringen Präsenzquoten führt auch der steigende Anteil ausländischer Aktio-

näre.204 Die Teilnahme eines ausländischen Aktionärs an der Hauptversammlung

einer deutschen Aktiengesellschaft ist mit erheblichen Hindernissen verbunden.205

Dies liegt nicht nur an den oftmals großen Entfernungen zum Versammlungsort

oder den sprachlichen Hürden. Die Schwierigkeiten beginnen bereits damit, dass

in den meisten Fällen die ausländischen Aktionäre von der Einberufung und Ab-

haltung der Hauptversammlung überhaupt nicht oder erst zu spät erfahren.206 Die

Bekanntmachung der Einberufung im Bundesanzeiger oder in anderen Gesell-

schaftsblättern wird im Ausland nur selten zur Kenntnis genommen.207 Auf Grund

der engen Fristen im Rahmen der Einberufung und der nicht unerheblichen Post-

laufzeiten, kommt die direkte Information meist zu spät.208

Führt der ausländische Aktionär sein Depot, wie üblich, bei einem ausländischen

Kreditinstitut, erreichen ihn die Mitteilungen in der Regel überhaupt nicht. Zwar

übermitteln die Gesellschaften die Informationen nach § 125 Abs. 1 AktG an die

ausländischen depotführenden Kreditinstitute.209 Da diese jedoch nicht der Wei-

tergabepflicht des deutschen Aktienrechts (§ 128 AktG) unterliegen, werden die

Mitteilungen nicht weitergereicht.210 Selbst wenn die ausländischen Investoren

202 Heise in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 51ff., 53.203 AG 1999, 337ff., mit Vorbem. Seibert.204 Markantes Beispiel für diese Erkenntnis ist die HV-Präsenz der DaimlerChrysler AG: Lag

die Präsenz vor der Fusion im Drei-Jahres-Durchschnitt bei 65 %, sank sie in der HV 1999nach der Fusion auf 39 % (Quelle: DSW).

205 Vgl. Preissler, WM 2001, 113ff., 114 bezüglich in den USA ansässigen Aktionären; Sünner,AG 2000, 492ff., 493; Seibert, BB 1998, 2536ff., 2539; Noack, ZGR 1998, 592ff., 596f.;Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 788; Ähnliche Probleme stellen sich im Üb-rigen auch für den deutschen Anleger, der Aktien bei einem ausländischen Unternehmen hält.

206 Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 788; Noack, ZGR 1998, 592ff., 596.207 Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 788.208 Preissler, WM 2001, 113ff., 114; Blank/Zetzsche, K&R 2000, 486ff., 487.209 Zur Frage, ob eine Mitteilungspflicht besteht vgl. Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 33,

Zöllner in Kölner Komm. AktG, §§ 125-127 RN 33.210 Seibert, BB 1998, 2536ff., 2539; Schneider/Burgard in FS Beusch 1993, S. 783ff., 788.

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doch von dem Versammlungstermin erfahren, stehen ihrer Teilnahme weitere

Hindernisse entgegen. Denn die gesamte Einberufungsprozedur, insbesondere der

Nachweis der Aktionärseigenschaft und der Hinterlegung der Aktien als Teilnah-

mevoraussetzung, ist auf den deutschen Aktionär und die hiesige Bankenland-

schaft zugeschnitten.211

Angesichts der Internationalisierung der Aktionärsstruktur börsennotierter Gesell-

schaften kann es nicht richtig sein, dass bei der Stimmrechtsausübung nationale

Aktionäre weitgehend unter sich sind. 212 Das grenzüberschreitende Medium In-

ternet kann hier abhelfen.213 Die Gesellschaften informieren Aktionäre aus aller

Welt per E-Mail oder auf ihrer Web-Seite über den Versammlungstermin und die

Tagesordnung (in mehreren Sprachen). Die Hauptversammlung wird live nach

New York, London oder Tokio übertragen. An der Beschlussfassung nehmen in-

ternationale Anleger im Wege der grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung

(cross-boarder-voting) durch einen Mausklick teil. So kann eine realistische Mög-

lichkeit für internationaler Anleger zur Mitwirkung an und in der Hauptver-

sammlung deutscher Publikumsgesellschaften geschaffen werden.

III. Missbrauch des Anfechtungsrechts

Ein weiterer viel diskutierter Missstand, ist die Zunahme „räuberischer Aktionäre“

auf Hauptversammlungen.214 Ihnen geht es nicht um die Gesellschaft und deren

unmittelbares Wohlergehen, sondern um persönliche oder finanzielle Interes-

sen.215 Meist nur mit einem geringen Investment an der Gesellschaft beteiligt,

benutzen sie die Hauptversammlungen von Publikumsgesellschaften dazu, den

Versammlungsleiter und den Vorstand mit umfassenden Fragenkatalogen zu ei-

nem verfahrensrelevanten Fehlverhalten zu provozieren.216 Die sofort eingelegten

Widersprüche zur Niederschrift und die wenige Tage nach der Hauptversammlung

eingereichten Anfechtungsklagen, lassen sie sich von der Gesellschaft abkau-

211 Sünner, AG 2000, 492ff., 493.212 Noack, ZGR 1998, 592ff., 597; Seibert, BB 1998, 2536ff., 2539; Balz, Die Tele-HV, abruf-

bar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.213 Preissler, WM 2001, 113ff., 117f.; Seibert, BB 1998, 2536ff., 2539; Noack, ZGR 1998,

592ff., 596f.214 Baums, Gutachten F, S. 36ff., 113ff.; Zöllner, AG 2000, 145ff.; Krieger, ZHR 163 (1999),

343ff.; Martens, Leitfaden, S. 9 und S. 11f.; s.a.: Beck in FAZ v. 22.11.2000, S. 35.215 Martens, Leitfaden, S. 9216 Vgl. Sünner, AG 2000, 492ff., 494; Martens, Leitfaden, S. 11f

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fen.217 Zwar hat der BGH in den letzten Jahren solche erpresserischen Anfech-

tungsklagen für missbräuchlich und unzulässig erklärt.218 Dies führte jedoch nur

zu einem subtileren Vorgehen der Berufsopponenten, nicht zum Ende der Miss-

brauchswelle .219 Die Ausnutzung des Auskunftsrechts hat teilweise zu einem un-

erträglichen Hauptversammlungswesen geführt.220

Der Deutsche Juristentag 2000 in Leipzig beschäftigte sich mit der Eindämmung

missbräuchlicher Aktionärsklagen. Die aufgezeigten Lösungsansätze zielen in

erster Linie auf die Klagemöglichkeiten der Aktionäre ab.221 Aber auch das Inter-

net wird als probates Mittel angesehen, die Problematik zu entschärfen.222 Da räu-

berischen Aktionäre vor allem das weitreichende Fragerecht ausnutzen, ließe sich

die Veranstaltung merklich entlasten, wenn man vom aktienrechtlichen Dogma

der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung abrückt und die Gesellschafts-

Homepage als Auskunftsplattform nutzt. Der Vorstand soll die Auskunft in der

Hauptversammlung verweigern können, wenn er sie zuvor über das Internet all-

gemein zugänglich gemacht hat.223 Die Hauptversammlung könnte dadurch von

der wesensfremden und missbräuchlichen Ausnutzung durch bestimmte Aktio-

närsgruppen befreit und wieder auf ihre sachliche Funktion reduziert werden.

IV. Depotstimmrecht und Bankenmacht

Das Absinken der Hauptversammlungspräsenzen geht einher mit einer gesteiger-

ten Bedeutung der von den Banken ausgeübten Vollmachtstimmrechte.224 Die

weit überwiegende Anzahl der Aktionäre lassen seit jeher ihr Stimmrecht auf den

Hauptversammlungen durch Kreditinstitute ausüben.225 Dabei machen sie von der

Möglichkeit, Weisungen zur Stimmabgabe zu erteilen, kaum Gebrauch. Der

Grund hierfür liegt in der schon angesprochenen „rationalen Apathie“ der Anle-

217 Vgl. die Schilderung des Szenarios bei Baums, Gutachten F, S. 152ff.; BGH NJW 1992,

2821ff.; OLG Köln ZIP 1988, 967ff.218 BGHZ 107, 296ff.219 Baums, Gutachten F, S. 152ff.; Schiessl, AG 1999, 442ff., 445; Joussen, AG 2000, 241ff.,

255.220 Zöllner, AG 2000, 145ff., 147.221 Vgl. die Beschlüsse des DJT 2000, abgedruckt DB 2001, 2109.222 Baums, Gutachten F zum 63. DJT, S. 138f.223 So auch der Beschluss des DJT 2000, abgedruckt DB 2001, 2109, auf Vorschlag von Baums,

Gutachten F zum 63. DJT, S. 139.224 Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff., 145; Westermann in Feddersen/Hommelhoff/Schneider,

Corporate Governance, S. 264ff.; .225 Vgl. die empirische Untersuchung von Baums/Fraune AG 1995, 97ff.; Nirk in Handbuch der

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ger. Sie gehen ökonomisch vor und entscheiden sich bei der Abwägung von Nut-

zen und Aufwand der persönlichen Stimmausübung in der Regel für eine Bevoll-

mächtigung der Banken.226

Dieses Verhalten führt jedoch zu einem bedenklichen Einflussgewinn der Depot-

banken.227 Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, wenn die Banken neben

ihren vielfältigen Funktionen als Kreditgeber, Anteilseigner, Kontoführer und

Emissionshaus auch noch eine bedeutende Anzahl fremder Stimmrechte auf der

Hauptversammlung ausüben.228 Zwar kann den Banken nicht generell ein Miss-

brauch der Stimmrechtsvertretung vorgeworfen werden.229 Angesichts der hohen

Depotstimmanteile (häufig über 90 %)230 in den Hauptversammlungen sind aber

bereits die potentiellen Interessenskollisionen bedenklich.231 Das Vollmacht-

stimmrecht hat daher schon immer in der rechts- und gesellschaftspolitischen Kri-

tik gestanden232 und war Gegenstand mehrerer Reformen des Aktiengesetzes, zu-

letzt durch das KonTraG.233 Merkliche Veränderungen sind in der Praxis jedoch

nicht eingetreten.234

Eine Stimmrechtsausübung unter Einbeziehung des Internets könnte die Aktionäre

aus ihrer ökonomisch begründeten Lethargie befreien. Die elektronischen Medien

ermöglichen eine Stimmabgabe, die für den Aktionär mit einem äußerst geringen

Aufwand und nahezu keinen Kosten verbunden ist. Die Bedeutung des Depot-

stimmrechts könnte zurückgehen.235 Wenn die Bevollmächtigung anderer Aktio-

närsvertreter (Aktionärsvereinigungen, geschäftsmäßige Vertreter, Gesellschafts-

vertreter) auf elektronischem Wege ähnlich unkompliziert und kostengünstig wie

AG, Teil I, RN 1308.226 Westermann in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 264ff., 265.227 Hommelhoff in FS Zöllner, 1999, Bd. I, S. 235ff., 237ff.; Raiser, NJW 1996, 2257ff., 2257.228 Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff., 149f.; Westermann in Fedder-

sen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 264ff., 266; Behnke, NZG 2000,665ff., 666; Hommelhoff in FS Zöllner, 1999, Bd. I, S. 235ff., 237ff.; Raiser, NJW 1996,2257ff., 2258; Claussen, DB 1998, 177ff., 183; Lutter, NJW 1995, 2766f.

229 Behnke, NZG 2000, 665ff., 667.230 Vgl. Baums/Fraune, AG 1995, 97ff.231 Raiser, NJW 1996, 2257ff., 2258; Behnke, NZG 2000, 665ff., 667.232 Vgl. Hommelhoff in FS Zöllner, 1999, Bd. I, S. 235ff. und die Nachweise bei Baums/v. Ran-

dow, AG 1995, 145ff., 146, FN 5 und Seibert, BB 1998, 2536ff., 2537, FN 9.233 Gesetz v. 27.4.1998, BGBl. I S. 786.234 Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2100, m.w.N.; Behnke, NZG 2000, 665ff., 667; Hommelhoff

in FS Zöllner, 1999, Bd. I, S. 235ff.; aA aber Noack in FS Lutter, 2001, 1463ff., 1471, derein Schwinden des Depotstimmrechts festgestellt haben will, allerdings nicht auf Grund derReformüberlegungen des Gesetzgebers.

235 So auch Seibert, BB 1998, 2536ff., 2537.

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die Vollmachtserteilung an die Depotbank ist, kann ein Wettbewerb der Stimm-

rechtsvertreter entstehen.236 Aber auch bereits die Erleichterung der Weisungser-

teilung an Stimmrechtsvertreter durch neue Medien wäre ein Schritt zu Begren-

zung des Bankeneinflusses.

V. Die Hauptversammlung als schwerfälliges Organ

Die Hauptversammlung wird wegen ihrer aufwändigen Vorbereitung und der

teilweise unzumutbaren Dauer als ein äußerst schwerfälliges Entscheidungsorgan

bezeichnet.237 Gerade für große Publikumsgesellschaften, die beim Erwerb oder

der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen auf rasche Entscheidungen an-

gewiesen sind, stellt dieser Umstand eine Belastung dar. Die wichtigsten unter-

nehmerischen Grundlagenentscheidungen wie Verschmelzungen, Umwandlungen,

Unternehmensverträge und Eingliederungen bedürfen eines Hauptversammlungs-

beschlusses. Zudem hat das Holzmüller-Urteil des BGH die Zuständigkeit der

Hauptversammlung für Strukturentscheidungen erheblich ausgeweitet.238 Die er-

forderlichen schnellen Entscheidungen sind dadurch in der Regel ausgeschlossen.

Lässt sich der Aktionärsbeschluss nicht im Rahmen der jährlichen ordentlichen

Hauptversammlung erzielen, muss die Gesellschaft eine zusätzliche außerordent-

liche Hauptversammlung einberufen, was entweder gar nicht oder nur mit unver-

hältnismäßigem Aufwand und Kosten möglich ist. Nicht zuletzt aus diesen Grün-

den, wurde das Holzmüller-Urteil des BGH wegen mangelnder Praktikabilität

angegriffen.239

Die Schwerfälligkeit und mangelnde Effizienz von Hauptversammlungen hat auch

der BGH selbst angesprochen. In der Siemens/Nold Entscheidung begründete er

die Erleichterung des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Ka-

pitals auch damit, dass sich eine schnelle Finanzierungsentscheidung und eine

schwerfällige Hauptversammlung nicht vertragen.240 Überhaupt ist das in den

236 Ausdrücklich gefordert: Begr. RegE KonTraG, abgedruckt bei Ernst/Seibert/Struckert, Kon-

TraG; vgl. dazu auch Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff.; Noack in FS Lutter, 1463ff.,1471f.

237 Martens, Leitfaden, S. 3.238 BGHZ 83, 122ff.; Vgl. dazu 1. Kapitel.IV239 Beusch, FS Werner, 1984, S. 1ff., 19.240 BGH ZIP 1997, 1499ff., 1500; BGH DStR 1997, 1460ff., mit Anm. Goette.

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§§ 202 ff. AktG geregelte Institut des genehmigten Kapitals erst aufgrund der

Schwerfälligkeit des Entscheidungsorgans Hauptversammlung im Aktienrecht

verankert worden.241 Es soll der Aktiengesellschaft die erforderliche Bewegungs-

freiheit bei der Verbindung mit anderen Unternehmen geben, um die sich auf dem

Kapitalmarkt bietenden Gelegenheiten rasch und flexibel ausnutzen zu können. 242

Eine reguläre Kapitalerhöhung gemäß §§ 182 ff. AktG ist häufig ungeeignet, da

der Vorstand jedes Mal den schwerfälligen und teuren Apparat einer Hauptver-

sammlung in Gang setzen muss.243 Das Institut des genehmigten Kapitals wird

von den Gesellschaften angesichts von Globalisierung und Volatilität der Kapi-

talmärkte zunehmenden genutzt.244

Moderne Kommunikationsmedien können die Hauptversammlung flexibler und

effizienter machen. Wenn die Kommunikation zwischen Verwaltung und Anleger

im Vorfeld des Aktionärstreffen ausschließlich über das Internet ohne lange Post-

laufzeiten erfolgt, ist eine kurzfristige Einberufung denkbar. Die Reduzierung des

organisatorischen und finanziellen Aufwands machen eine außerordentliche

Hauptversammlung für die Gesellschaften überhaupt erst durchführbar. Virtuelle

Hauptversammlungen erlauben rasche und flexible Reaktionen auf aktuelle Ent-

wicklungen am Kapitalmarkt. Die Vorgaben des Holzmüller-Urteils lassen sich

leichter umsetzen, da das Kernargument gegen die Ausweitung von Hauptver-

sammlungskompetenzen wegfällt.245 Außerdem stellt eine aktionsfähigere Haupt-

versammlung die rechtliche Konstruktion des genehmigten Kapitals in Frage.246

Die Gründe für eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis von der Hauptver-

sammlung auf den Vorstand sind dann nicht mehr gegeben.

VI. Fehlende Binnenkommunikation der Aktionäre

Die festgestellte mangelnde Partizipation der Aktionäre an Unternehmensent-

scheidungen hängt auch mit einem weiteren Schwachpunkt des aktienrechtlichen

Kontrollsystems zusammen. Die Binnenkommunikation der Aktionäre, also die

241 Vgl. Lutter in Kölner Komm., AktG, Vorb. § 202 RN 1; Hüffer, AktG, § 202 RN 1; Krieger

in MünchHdb AG, § 58 RN 1.242 BGHZ 83, 319ff., 322.243 Lutter in Kölner Komm., AktG, Vorb. § 202 RN 1; Hüffer, AktG, § 202 RN 2; Mertens, ZIP

1992, 1677ff., 1681.244 Mertens, ZIP 1992, 1677ff., 1681.245 Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 295; Noack, ZGR 1998, 592ff., 602.246 Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 295.

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Kommunikation der Anleger untereinander, erfolgt in der Praxis nur sehr einge-

schränkt. Insbesondere bei Publikumsgesellschaften sind die Aktionäre ein an-

onymer Mitgliederkreis, der sich untereinander nicht kennt und nicht miteinander

kommuniziert. Dabei könnten die vielen privaten Kleinanleger durch koordinierte

Aktionen ihren Einfluss enorm vergrößern und das Management einer besseren

Kontrolle unterziehen.247 Das Aktiengesetz kennt verschiedene Rechte der Aktio-

näre, die ein Quorum, also eine bestimmte Mindestbeteiligung, verlangen (z.B.

§§ 122 Abs. 1, 147 Abs. 1 S. 1 AktG).

Das Internet als das Kommunikationsmedium der Zukunft kann auch hier für

enorme Fortschritte sorgen. Die Aktionäre können sich in Internet-Foren „tref-

fen“, miteinander kommunizieren und gemeinsame Strategien vereinbaren. Dafür

bieten sich Chat-Rooms auf den Web-Seiten der Aktionärsvereinigungen und der

Broker-Banken an. Schon heute findet auf den Homepages von Online-Brokern

wie Consors und Comdirekt ein reger Informationsaustausch zwischen Anlegern

bezüglich Investmentstrategien und Anlagetips statt. In Texas gab es sogar bereits

die erste Aktionärsrevolte im Netz, als unzufriedene Kleinanleger sich über das

Yahoo-Board gegen das Management der Ölgesellschaft Coho Energy verbünde-

ten und eine Hauptversammlungsmehrheit erreichten.248 Hierzulande sind vor

allem die Aktionärsvereinigungen geeignet, Stimmbündelungen von Streube-

sitzaktionäre über ihre offiziellen Homepages zu koordinieren.249 Aber auch die

Webseiten der Gesellschaften bieten sich als Kommunikationsforen an.

VII. Mangelnde Investor Relations

Ebenfalls in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist die Beziehung der Gesell-

schaften zu ihren Aktionären. Galt früher die Pflege der Anleger und das Werben

für eigene Aktien noch als stillos,250 widmen sich inzwischen die Vorstände und

247 v. Rosen in Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 289ff., 290.248 Noack, Das Wertpapier, abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/Wertpapier.htm.249 Noack, Das Wertpapier; abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/Wertpapier.htm; vgl. die Webseite des DSW www.das-wertpapier.de.

250 Der Ausspruch des Privatbankiers Carl Fürstenberg (1850-1933) „Alle Aktionäre sind dummund frech – dumm, weil sie ihr Geld aus der Hand geben, und frech, weil sie dafür auch nochDividende verlangen.“ charakterisierte lange Zeit das Verhältnis der Aktiengesellschaften zuihren Eigentümern; vgl. Günther/Otterbein, ZfB 1996, 390ff., 390.

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ganze Abteilungen deutscher Aktiengesellschaften der Investor Relations.251 Sie

haben inzwischen die Wechselwirkungen zwischen Aktionärsvertrauen und Ak-

tionärstreue auf der einen Seite und langfristiger Stabilisierung der Kursentwick-

lung auf der anderen Seite erkannt.252. Zunehmende Kommunikation mit den An-

legern und eine offene Informationspolitik liegen daher in ihrem besonderen In-

teresse.253

Die Investor Relations-Arbeit ist aber mit Schwierigkeiten verbunden. Da deut-

schen Aktiengesellschaften bislang überwiegend Inhaberaktien ausgeben, kennen

sie ihre Anleger nicht. Die Kommunikation erfolgt nur über Finanzintermediäre.

Eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen institutionellen Investoren

und Privataktionären sowie hohe Informationsverteilungskosten kommen hin-

zu.254 Der Trend zur Namensaktie beseitigt jetzt ein Hindernis in der direkten

Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionär.255

Das Internet kann zu einem wichtigen Baustein der Investor Relations werden.256

Es bietet die Möglichkeit, mit einer nahezu unbegrenzten Anzahl von Anlegern,

potentiellen Investoren und Analysten gleichzeitig und direkt zu kommunizieren.

Die Gesellschaften können aktuelle Informationen über das Unternehmen zu äu-

ßerst geringen Kosten den Aktionären zugänglich machen. Geschäfts- und Zwi-

schenberichte, Ad-hoc-Mitteilungen, Pressemeldungen und Informationen zur

Hauptversammlung lassen sich auf ihrer Webseite oder einer „verlinkten“ Investor

Relations-Seite aktionärsgerecht veröffentlichen.257 Auch eine Live-Übertragung

der Hauptversammlung im Internet bietet sich als besonderer Service an. Die Ge-

sellschaften können sich so als modernes, zukunftsgerichtetes Unternehmen prä-

sentieren.258

251 Zur Entwicklung der Investor Relations in Deutschland vgl. Günther/Otterbein, ZfB 1996,

390ff., 391f..252 Serfling/Großkopf/Röder, AG 1998, 272ff., 274.253 Wilde, ZGR 1998, 423ff., 460.254 Clausen, AG 2001, 161ff., 165;255 Grumann/Soehlke, DB 2001, 576ff., 576; Nirk in Handbuch der AG, Teil I, RN 16.3; Kind-

ler, NJW 2001, 1678ff., 1679; zum Einsatz von Namensaktien für Investor Relations undProduktmarketing vgl. Noack, DB 2001, 27ff.

256 Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset-Management (DVFA) sieht denEinsatz des Internet als wesentliches Kriterium für das Rating der Investor Relations-Arbeiteiner Gesellschaft an (Quelle: http://www.dvfa.de).

257 Vgl. auch die Empfehlungen des DAI zu Investor Relations im Internet (Quelle:http://www.dai.de/veroeffentlichungen/pressemeldungen/iranforderungen2.htm).

258 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 259.

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Die Erkenntnis, dass moderne Investor-Relations-Arbeit ohne Nutzung des Inter-

nets undenkbar ist, setzt sich nach einer Studie des Deutschen Aktieninstituts

(DAI) auch bei Unternehmen immer mehr durch.259 Allerdings entspricht die

Qualität des Internet-Angebots nur bei den DAX 30-Gesellschaften dem der aus-

ländischen, insbesondere US-amerikanischen, Unternehmen.260

VIII. Zusammenfassung

Viele Probleme des traditionellen Hauptversammlungswesens lassen sich mit Hil-

fe des Internet entschärfen. Es kann den organisatorischen und finanziellen Auf-

wand einer Hauptversammlung reduzieren, die Präsenz inländischer und ausländi-

scher Aktionäre verbessern, eine wesensfremde und missbräuchliche Ausnutzung

der Hauptversammlung verhindern, den Bankeneinfluss mindern, Flexibilität und

Effizienz der Hauptversammlung als Organ stärken, die Binnenkommunikation

verbessern und die Investor-Relation Arbeit ausbauen.

In der Praxis können die Unternehmen das Internet in jeweils sehr unterschiedli-

cher Ausformung und Intensität einsetzen. Um Aufwand und Kosten zu mindern

reicht es schon aus, die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionären

über das Internet zu ermöglichen. Für die Verbesserung der Präsenzen müssen die

Aktionäre Gelegenheit haben, ihre Rechte über das Internet auszuüben. Flexibili-

tät und Effizienz des Organs Hauptversammlung lassen sich wiederum nur mit

einer virtuellen Hauptversammlung unter Verzicht auf die Präsenzveranstaltung

deutlich steigern.

Die Einsatzmodelle müssen jeweils auf ihre rechtliche Zulässigkeit und tatsächli-

che Durchführbarkeit überprüft werden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass das

Internet ein enormes Potential zur Verbesserung des deutschen Hauptversamm-

lungswesens bietet.

259 Studie des DAI, Investor Relations im Internet, Heft 11, 9/ 2000; untersucht wurden in den

Monaten April und Mai 2000 die Internet-Angebote der Aktiengesellschaften des DAX,MDAX, und SDAX sowie die 100 nach Marktkapitalisierung größten deutschen Unterneh-men des Neuen Marktes (NEMAX 100); zum Vergleich wurden die Angebote der 30 DowJones und der ausländischen Euro Stoxx 50-Unternehmen herangezogen.

260 Dieses Fazit zieht die Studie des DAI, S. 47; vgl. auch Die Welt v. 17.01.2000 „DeutscheFirmen nutzen Investor Relations per Internet kaum“.

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2. Kapitel: Aktuelle Gesetzgebung

Die aktuellen Entwicklungen in der modernen Kapitalmarktpraxis und ihre Aus-

wirkungen auf das traditionelle Hauptversammlungswesen blieben auch dem Ge-

setzgeber nicht verborgen. Er reagierte schnell und brachte ein Gesetz auf den

Weg (NaStraG), mit dem das deutsche Aktienrecht international eine Vorreiter-

stellung einnimmt.261 Ausdrücklich nahm er dabei Bezug auf die OECD-

Principles of Corporate Governance262 vom 26.5.1999, die eine stärkere Einbezie-

hung der neuen Medien im Gesellschaftsrecht fordern.263 Formvorschriften im

Zivil- und Aktienrecht lockert auch das Gesetz zur Anpassung der Formvor-

schriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsge-

schäftsverkehr (FormAnpG). Die Änderungen dienen der Umsetzung der EU-

Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsver-

kehrs vom 8.6.2000.264

A. Namensaktiengesetz (NaStraG)

Am 25.01.2001 ist in Deutschland das NaStraG in Kraft getreten. Das „Gesetz zur

Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktienge-

setz – NaStraG)“ ist ein Artikelgesetz, das in sieben Artikeln vor allem Vor-

schriften des Aktiengesetzes ändert. Die Bundesregierung will mit dem NaStraG

das Aktienrecht „fit für das 21. Jahrhundert“ machen.265 Es soll gleichermaßen

einer Aktualisierung des Rechts der Namensaktie, wie auch der Einführung mo-

derner Verfahren der Informations-Technologie in der Abwicklung der Hauptver-

sammlungen börsennotierter Gesellschaften dienen.266 Neben diesen beiden

Schwerpunktbereichen behandelt das Gesetz auch die Lockerungen der strengen

261 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 691; vgl zu anderen Rechtsordnungen Wohlwend, HV im Wan-

del der Kommunikationsformen, S. 5ff. (USA); Spindler/Hüther, RIW 2000, 329ff. (USA);Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 278ff. (Großbritannien, Italien, Frankreich).

262 Abgedruckt: AG 1999, 340ff., mit Vorbemerkung Seibert.263 Vgl. Seibert, ZIP 2001, 53ff., 53.264 Die Richtlinie ist am 17.7.2000 in Kraft getreten und muss bis zum 17.1.2002 umgesetzt

werden; vgl. Roßnagel, NJW 2001, 1817ff., 1818f.265 Mitteilung des BMJ vom 16.11.2000, http://www.bmj.bund.de/misc/2000/m_75_20.htm).266 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 53.

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Nachgründungsvorschrift (§ 52 AktG).267 Im Folgenden wird ein Einblick in die

Entstehungsgeschichte des NaStraG und ein Überblick über die Gesetzesänderun-

gen gegeben.

I. Der Weg zum NaStraG268

Bereits im Referentenentwurf zum KonTraG269 gab es Vorschläge, die Möglich-

keiten des Electronic Banking auf Stimmrechtsausübung und Vollmachtserteilung

zu übertragen.270 Der von Industrieverbänden und Kreditwirtschaft begrüßte Vor-

schlag, scheiterte jedoch vor allem aus formellen Gründen.271 Erste Überlegungen

für neue Formen der Hauptversammlung unter Einsatz moderner Information-

stechnologien wurden im Herbst 1997 in Brüssel anlässlich einer Konsultations-

konferenz der EU zur Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts angestellt.272 Es

folgten Veröffentlichungen, die sich einerseits mit den Einsatzmöglichkeiten neu-

er Kommunikationsmittel im Rahmen der Hauptversammlung273 und andererseits

mit der Renaissance der Namensaktie274 befassten.

Den eigentlichen Anstoß für die Aktivitäten des Gesetzgebers bildete nicht die

Erkenntnis, dass sich das Aktienrecht für moderne Technologien öffnen muss.275

Vielmehr machte die bei den meisten großen deutschen Aktiengesellschaften in

den Jahren 1998/1999 vorgenommene Umstellungen von Inhaber- auf Namens-

aktien eine Änderung des Aktiengesetzes erforderlich.276

Das Bundesministerium der Justiz legte im November 1999 einen Referentenent-

wurf zum NaStraG vor, der überwiegend auf positive Resonanz stieß.277 Die For-

267 Vgl. hierzu aktuell Pentz, NZG 2001, 346ff.; Eisolt, DStR 2001, 748ff.; sowie die Literatur-

hinweise bei Seibert, ZIP 2000, 53ff., 54, FN 7.268 Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Seibert, ZIP 2001, 53ff.; Kindler, NJW 2001, 1678ff.,

1679.269 Gesetz v. 27.4.98, BGBl. I S. 786.270 Der RegE KonTraG ist abgedruckt in ZIP 1996, 2129ff.; dazu Seibert, WM 1997, 1ff.271 Seibert, BB 1998, 2537ff., 2538.272 Noack, ZGR 1998, 592ff.273 Noack, ZGR 1998, 592ff.; Noack BB 1998, 2533ff.; Seibert BB 1998, 2536ff.; Rieg-

ger/Mutter, ZIP 1998, 637ff.274 Diekmann, BB 1999, 1985ff.; Noack, DB 1999, 1306ff.; Noack FS Bezzenberger, 2000,

291ff.; Bachmann, WM 1999, 2100; Leuering, ZIP 1999, 145ff.275 Ministerialrat Seibert vom BMJ fand noch im Dezember 1998, dass eine nationale Gesetzge-

bung diesbezüglich zu kurz greife; Seibert, BB 1998, 2536ff., 2538; ähnlich äußerte sichauch Däubler-Gmelin, WM 1999, 169f., 169.

276 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 9.277 Spindler, ZGR 2000, 420ff.; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff.; Hasselbach/Schumacher,

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derung von Verbänden, das Gesetz möglichst noch vor der Hauptversammlungs-

Saison 2000 in Kraft zu setzen, ließ sich nicht realistisch umsetzen.278 Dennoch

fand der Entwurf verhältnismäßig schnell seinen Weg in das Bundesgesetzblatt.279

Als Regierungsentwurf280 verabschiedete das Bundeskabinett am 10.05.2000 das

NaStraG. Der Regierungsentwurf wurde ebenfalls ausführlich diskutiert281 und

war Gegenstand einer Vielzahl von Veranstaltungen282 und Presseartikeln283.

Nach der Behandlung im Bundesrat am 14.07.2000284 fand die erste Lesung im

Deutschen Bundestag am 29.09.2000 statt.

Die abschließende Behandlung im Rechtsausschuss am 8.11.2000 führte zu we-

sentlichen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, die vor allem die Ko-

stentragung für die Datenübermittlung, den Datenschutz und das Proxy-Voting

betrafen.285 Anschließend erfolgte am 16.11.2000 die zweite und dritte Lesung im

Deutschen Bundestag. Zwei Änderungsanträge286 der F.D.P. –Fraktion, betreffend

die aktienrechtliche Anfechtungsklage, wurden abgelehnt.287 Der zweite Durch-

gang beim Bundesrat fand am 21.12.2000 statt. Am 18.01.2001 wurde das „Ge-

setz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namens-

aktiengesetz – NaStraG)“ ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt vom 24.1.2001

verkündet.288 Es trat gemäß Art. 7 am 25.01.2001 in Kraft, mit Ausnahme der

Änderung des § 52 AktG (Nachgründung), die rückwirkend zum 01.01.2000 in

Kraft trat.289

ZGR 2000, 258ff.; Noack, ZIP 1999, 1993ff.; Huep, WM 2000, 1623ff.; Stellungnahme desHandelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins e. V. zum RefE NaStraG, NZG2000, 443ff.

278 Seibert, ZIP 2000, 937ff.279 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1679.280 RegE NaStraG, BR-Drucksache 308/00 (Beschluss), BT-Drucksache 14/4052; abgedruckt in

ZIP 2000, 937ff. m. Einf. Seibert.281 Siems, NZG 2000, 626ff; Kölling, NZG 2000, 631ff.; Happ, WM 2000, 1795; Seibert in v.

Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 11ff.; Seibert in Noack/Spindler, Unternehmensrecht undInternet, S. 251ff.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff.;Hüther, MMR 2000, 521ff.

282 DAI-Börsenforum „Virtuelle Hauptversammlung“ am 5.10.1999 in Frankfurt; MMR-Tagung„Unternehmensrecht und Internet“ am 23.,24.5.2000 in Düsseldorf, vgl. Noack/Spindler,Unternehmensrecht und Internet, Tagungsband.

283 Übersicht unter http:/www.jura.uni-düsseldorf.de/service/hv/material.htm.284 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucksache 308/00 (Beschluss) v. 14.07.2000; Gege-

näußerung der BReg. BT-Drucks 14/4051.285 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 14/4618 v. 15.11.2000; Seibert, ZIP 2001,

53ff., 55.286 BT-Drucksache 14/4628 und 14/4629 v. 15.11.2000.287 Siehe dazu Weber, NZG 2001, 337ff., 338.288 BGBl. I 2001, S. 123.289 Stimmen zur verabschiedeten Fassung des NaStraG: Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff.;

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57

II. Überblick über die Gesetzesänderungen

1. Modernisierung der Regelungen zur Namensaktie

Die zunehmende Bedeutung der Namensaktie hat Mängel in den Regelungen des

Aktiengesetzes von 1965 aufgedeckt. Die Gesellschaften, die auf Namensaktien

umstellten mussten die Erfahrung machen, dass die Bestimmungen veraltet sind

und den heutigen technischen Erfordernissen der Girosammelverwahrung für

Namensaktien und der elektronischen Führung von Aktienbüchern nicht mehr

entsprechen.290 Das NaStraG soll daher die Vorschriften an die Erfordernisse der

Praxis anpassen und der Namensaktie die ihr international übliche Bedeutung ge-

ben.291 Wichtig sind vor allem folgende Gesetzesänderungen:

a) Aktienregister

Den technologischen Entwicklungen Rechnung tragend, hat der Gesetzgeber das

Aktienbuch in Aktienregister umbenannt (§§ 65 Abs. 1, Abs. 2, 67, 125 Abs. 2

Nr. 3, 129 Abs. 3 S. 2 AktG).292 Die Bezeichnung ist veraltet, da die Gesellschaf-

ten schon lange ihre Aktienbücher (nach § 239 Abs. 4 HGB zulässig) als elektro-

nische Datenbanken und nicht mehr in Papierform führen.293 Mittels online von

der Deutschen Börse Clearing AG übermittelter Daten halten die Gesellschaften

oder externe Dienstleister294 die Bestände auf dem Laufenden. Die Begriffsände-

rung soll nur der Klarheit dienen und keine Annäherung an öffentliche Register

bedeuten.295 Bewusst ist die Terminologie an die im anglo-amerikanischen

Rechtskreis gebräuchliche Bezeichnung „registered shares“ angelehnt.296

Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff.; Noack, DB 2001, 27ff.; Noack ZIP 2001, 57ff.; Kindler,NJW 2001, 1678ff., Goedecke/Heuser, BB 2001, 369ff.; Weber, NZG 2001, 337ff.; Pentz,NZG 2001, 346ff.; Claussen, AG 2001, 161ff.; Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, DStR 2001,666ff; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff.; Grumann/Soehlke, DB 2001, 576ff.

290 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 1 (Zielsetzung).291 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 53; Hirte, NJW 2000, 3321ff., 3324.292 In §§ 65, 67, 125 Abs. 2 Nr. 3, 129 Abs. 3 AktG293 Hüffer, AktG, § 67 RN 2; Diekmann, BB 1999, 1985ff., 1985; Noack, DB 1999, 1306ff.,

1307.294 Z.B.: Registrar Services GmbH, Adeus Aktienregisterservice GmbH, Deutsche Börse Sy-

stems AG; vgl. Noack, ZIP 1999, 1993ff., 1995.295 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 10.296 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 10.

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b) Erhobene Daten und ihre Verwendung

Welche Daten in das Aktienregister aufzunehmen sind, regelt der neue § 67

Abs. 1 AktG. Dabei tritt an die Stelle der zur Identifizierung nur wenig geeigneten

Berufsbezeichnung,297 die Angabe des Geburtsdatums.298 Klar gestellt wird nun-

mehr auch, dass die Adresse des Aktieninhabers einzutragen ist, um der Gesell-

schaft einen Informationsweg zum Aktionär zu eröffnen.299 Dies kann sowohl die

postalische Anschrift, eine Büroadresse oder eine E-Mail-Adresse sein.300 Hin-

sichtlich der Verwendung des Registerinhalts enthält § 67 Abs. 6 AktG eine um-

fassende Zweckbindungsregelung.301 Die Gesellschaft darf die Daten nicht nur für

alle aktienrechtlichen Aufgaben, sondern auch für Investor-Relation oder Marke-

tingmaßnahmen nutzen.302

c) Umschreibung

Die neue Vorschrift des § 67 Abs. 3 AktG regelt den Übergang von Namensaktien

und übernimmt damit die Funktion des bisherigen § 68 Abs. 3 AktG.303 Durch die

Umplatzierung ist § 67 AktG nun zentrale Norm für Namensaktien.304 Die neue

Formulierung besagt, dass die Umschreibung im Aktienregister nur auf Mitteilung

hin erfolgt.305 Die beteiligten Kreditinstitute sind verpflichtet, die Aktionärsdaten

an die Aktienregister zu übermitteln (§ 67 Abs. 4 AktG n.F.).306 In der Praxis er-

folgt die Umschreibung vollautomatisch durch die Deutsche Börse Clearing AG

in das Aktienregister der Gesellschaft; die Datenübermittlung stellt die erforderli-

che Mitteilung dar.307

Im Gesetzgebungsverfahren war umstritten, wem die Kosten für die Weiterleitung

297 Diekmann, BB 1999, 1985ff., 1986.298 Kritisch Happ, WM 2000, 1795.299 Vgl. zur Streitfrage nach alter Rechtslage Diekmann, BB 1999, 1985ff., 1986.300 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 10f.; kritisch Goedecke/Heuser, BB 2001,

369ff., 369; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 397f.301 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12; dazu ausführlich Kindler, NJW

20011678ff., 1681f.302 Zur Verwendung von Namensaktien für Investor-Relations vgl. Noack, DB 2001, 27ff.; Goe-

decke/Heuser, BB 2001, 369ff., 370.303 Kritisch zu dieser Umplazierung Siems, NZG 2000, 626ff., 629; Noack, ZIP 1999, 1993ff.,

1994.304 So die Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11.305 Kritisch zum Begriff „Umschreibung“ Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des

DAV, NZG 2000, 443ff.306 Kritisch Goedecke/Heuser, BB 2001, 369ff., 370.307 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11.

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der Daten auferlegt werden.308 Entsprechend der Empfehlung des Rechtsaus-

schusses haben jetzt die Emittenten die notwendigen Ausgaben zu tragen (§ 67

Abs. 4 AktG n.F.).309 Die Neuregelung des § 67 Abs. 3 AktG verzichtet auch auf

die nach früherem Recht (§ 68 Abs. 3 S. 2 AktG a.F.) erforderliche Vorlage der

Aktienurkunde bei der Gesellschaft zum Nachweis des Übergangs. Damit wird

den Gesellschaften eine vollelektronische Registerführung- und aktualisierung

ermöglicht.310 Der Nachweis des Übergangs ist allerdings weiterhin erforder-

lich.311 Treten bei der Übertragung technische Schwierigkeiten auf, kann die Ge-

sellschaft unmittelbar vor der Hauptversammlung einen Umschreibestopp („re-

cord date“) verhängen.312

d) Auskunftsrecht statt Einsichtsrecht

Eine weitere bedeutende Änderung in § 67 AktG betrifft das Einsichtsrecht in das

Aktienregister. War nach der alten Rechtslage jedem Aktionär auf Verlangen Ein-

sicht in das Aktienbuch zu gewähren, so besteht nach § 67 Abs. 6 S. 1 AktG n.F.

nur noch ein Auskunftsrecht des Aktionärs bezüglich seines eigenen Datenbestan-

des.313 Dabei soll die offene Formulierung auch eine Online-Einsicht ermögli-

chen.314 Die erhebliche Eingrenzung des bisherigen Einsichtsrechts erfolgt vor

allem aus Gründen des Datenschutzes.315 Kleinen personalistisch ausgerichteten

Gesellschaften gewährt der Entwurf Satzungsfreiheit für eine weiter gehende Ein-

sicht (§ 67 Abs. 6 S. 2 AktG).316

e) Namensaktionäre

Schließlich nimmt das NaStraG Änderungen bei den Mitteilungen an Namensak-

tionäre vor und bereinigt wenig verständliche Ungleichbehandlungen von Na-

308 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 55.309 Bericht des Rechtsausschusses: BT-Drucksache 14/4618, S. 14.310 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54.311 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11.312 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11; vgl. hierzu Goedecke/Heuser, BB

2001, 369ff., 372.313 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11; kritisch Bülles-

bach/Klawitter/Miedbrodt, DStR 2001, 666ff., 669; Huep, WM 2000, 1623ff., 1628; Hüther,AG 2001, 68ff., 75f.

314 So ausdrücklich die Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11.315 Kritisch zur bisherigen Regelung Noack, DB 1999, 1306ff., 1307f.; Diekmann, BB 1999,

1985ff., 1988.316 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54.

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60

mens- und Inhaberaktionären.317 Auf diese Neuerungen wird noch im Rahmen der

Untersuchung eingegangen.

2. Öffnung des Aktienrechts für neue Medien

Ein besonderes Anliegen des NaStraG ist die Lockerung der Formvorschriften im

Aktienrecht. Die bürokratischen Formerfordernisse des Aktiengesetzes von 1965

stehen im Widerspruch zu den dramatischen Veränderungen der deutschen Kapi-

talmarktstruktur. Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass die vielfältigen Schrift-

formerfordernisse mit der Entwicklung moderner Informationstechnologien nicht

Schritt gehalten haben und insbesondere im grenzüberschreitenden Bereich

Schwierigkeiten bereiten.318 Die deshalb notwendige Modernisierung soll durch

eine Öffnung des Aktienrechts für neue Informations- und Kommunikationstech-

nologien erfolgen.319

Der Gesetzgeber hat deshalb eine Reihe von Normen, die einen Formzwang ent-

hielten, durch offene Formulierungen ersetzt. In einigen Fällen genügte dafür die

Streichung des Wortes „schriftlich“,320 in anderen Fällen wurde durch Hinzufü-

gung weniger Begriffe die Modernisierung erreicht.321 Mit den offenen Formulie-

rungen soll das Aktiengesetz einen Rahmen für zukünftige Entwicklungen bieten.

Eine besondere Fixierung auf das Medium Internet ist nicht beabsichtigt.

a) Hauptversammlung und neue Medien

Die Mehrzahl der gelockerten Formerfordernisse betrifft die Abschnitte Einberu-

fung der Hauptversammlung (§§ 121 bis 128 AktG) und Stimmrecht (§§ 130 bis

137 AktG). Erklärtes Ziel des NaStraG ist es, die vielen Schriftformerfordernisse

rund um die Hauptversammlung zu beseitigen und die Stimmrechtsausübung zu

erleichtern.322 Vor allem die Vorschriften über die Mitteilungen an die Aktionäre

(§ 125 AktG), die Abstimmungsvorschläge von Kreditinstituten (§ 128 AktG) und

die Stimmrechtsvollmachten (§§ 134, 135 AktG) hat der Gesetzgeber ange-

317 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.318 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 1 (Zielsetzung).319 Vgl. Seibert ZIP 2001, 53ff., 54; Seibert in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,

S. 11ff.320 So in §§ 128 Abs. 3, 135 Abs. 1 S. 1 AktG n.F.321 So in §§ 25 S. 2, 125 Abs. 2, 134 Abs. 3 S. 2 AktG n.F.322 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 1 (Zielsetzung).

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passt.323 Eine umfassende kritische Würdigung der geänderten Vorschriften folgt

an gebotener Stelle in den nächsten Kapiteln.

b) Aufsichtsratsbeschlüsse

Das NaStraG befasst sich auch mit der Beschlussfassung des Aufsichtsrats (§ 108

AktG). Die Neufassung des § 108 Abs. 4 AktG erleichtert Videokonferenzen, die

bislang nur bei einstimmigem Beschluss der Beteiligten zulässig waren.324 Für

den Einsatz moderner Kommunikationsformen bei der Beschlussfassung räumt

der Gesetzgeber den Gesellschaften eine größere Satzungs- und Geschäftsord-

nungsautonomie ein. Die Gesellschaften sollen damit auf ihre Bedürfnisse flexi-

bler reagieren können.325 Die offene Formulierung der Vorschrift erlaubt aber

nicht nur Video- oder Telekonferenzen, sondern lässt künftigen Technologieent-

wicklungen Raum.326 Eine Präsenzsitzung ist nicht mehr zwingend erforderlich.

Mit der Regelung trägt der Gesetzgeber der Tendenz zu einer stärkeren internatio-

nalen Besetzung deutscher Aufsichtsräte Rechnung.327

c) Elektronisches Teilnehmerverzeichnis

Eine weitere Modernisierung nimmt das NaStraG hinsichtlich des von der Gesell-

schaft zu erstellenden Teilnehmerverzeichnisses in der Hauptversammlung (§ 129

AktG) vor. Nach der alten Fassung des § 129 Abs. 4 AktG war das Verzeichnis

im Versammlungsraum zur Einsichtnahme „auszulegen“ und vom Vorsitzenden

zu unterzeichnen. Anschließend musste der Vorstand es als Anlage zur Nieder-

schrift dem Handelsregister einreichen (§ 130 Abs. 3 S. 1 AktG). Aus diesen

Formulierungen im Gesetz wurde auf eine Papierform des Verzeichnisses ge-

schlossen.328

In der Praxis erfordert die Aufstellung und dauernde Ergänzung eines Teilneh-

323 Überblick bei Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54.324 Semler in MünchHdb AG, § 31 RN 82; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54.325 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.326 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1689.327 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12; vgl. auch Hirte in FS Buxbaum, 2000,

S. 283ff., 286.328 Hüffer, § 129 RN 13; Werner in Großkomm. AktG; § 129 RN 14 („Listenform“); von Hülsen

in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I D 43 („Sonderblatt“); aA Hassel-bach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 271, die bei Berücksichtigung der technologischenEntwicklung die Papierform auch nach alter Rechtslage nicht als zwingend ansehen.

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merverzeichnisses insbesondere bei großen Publikumsgesellschaften einen erheb-

lichen organisatorischer Aufwand, der nur durch den Einsatz moderner EDV-

Technologien zu bewältigen ist.329 Daher ist die Papierform nicht mehr zeitge-

mäß.330

Dieser Entwicklung trägt das NaStraG Rechnung, indem die neue Fassung des

§ 129 Abs. 4 AktG auf das „Auslegen“ des Verzeichnisses und auf die Unter-

schrift des Vorsitzenden verzichtet. Das Teilnehmerverzeichnis ist nunmehr „zu-

gänglich zu machen“.331 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers hat dies in einer

Weise zu geschehen, die dem Aktionär eine angemessene Möglichkeit der Kennt-

nisnahme auf der Hauptversammlung verschafft.332 Die Unterzeichnung durch

den Vorsitzenden entfällt ersatzlos (§ 129 Abs. 4 AktG n.F.).333 Auch zählt das

Teilnehmerverzeichnis nicht mehr zu den dem Handelsregister einzureichenden

Anlagen (§ 130 Abs. 3 AktG n.F.).334

Aufgrund der Gesetzesänderung ist klargestellt, dass die Gesellschaft das Teil-

nehmerverzeichnis als Datei rein elektronisch führen kann.335 Die Einsicht in das

Verzeichnis erfolgt über im Hauptversammlungssaal aufgestellte Bildschirme.336

Das Einsichtsrecht der Aktionäre besteht nicht mehr nur während der Hauptver-

sammlung, sondern für die Dauer von zwei Jahren nach Ablauf der Versamm-

lung.337 Damit trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass der Aktionär

keine Einsichtsmöglichkeit mehr beim Handelsregister hat.338

329 Schaaf, Praxis der HV, RN 369.330 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 14.331 Kritisch zur Formulierung: Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG

2000, 443ff., 446.332 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 14.333 Damit hat sich der zur alten Rechtslage bestehende Meinungsstreit über den Zeitpunkt der

Unterzeichnung erledigt; vgl. dazu Werner in Großkomm. AktG; § 129 RN 20 mwN.334 Begründet wird dies vor allem mit den Kosten, die durch die Übersendung und die Lagerung

des Teilnehmerverzeichnisses in Papierform entstehen; vgl. Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 15.

335 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 15.336 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 14f.; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 392ff.,

397.337 Kritik aus datenschutzrechtlichen Gründen üben: Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, DStR

2001, 666ff., 669; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 432f.338 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 15.

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63

B. Formanpassungsgesetz (FormAnpG)

Neben dem NaStraG nimmt auch das Gesetzes zur Anpassung der Formvor-

schriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsver-

kehr (FormAnpG)339 Modernisierungen im Aktienrecht vor. Schwerpunkt des

Gesetzes, das eine Ergänzung zum neuen Signaturgesetz (SigG)340 darstellt, ist die

Einführung der elektronischen Form und der Textform in das BGB. Daneben

werden eine Vielzahl von Formvorschriften angepasst, u.a. auch im Aktiengesetz.

Der Gesetzgeber will damit weitere Hindernisse für die Nutzung neuer Kommu-

nikationsformen beseitigen.341

I. Gesetzgebungsverfahren

Am 6.9.2000 legte die Bundesregierung einen Regierungsentwurf zum For-

mAnpG vor.342 Nach der ersten Lesung im Bundestag am 25.1.2001 und den Be-

ratungen im Innen- und Rechtsausschuss verabschiedete der Bundestag das Ge-

setz am 20.4.2001.343 Daraufhin rief der Bundesrat am 11.5.2001 den Vermitt-

lungsausschuss an.344 Dieser legte am 15.5.2001345 eine Beschlussempfehlung

vor, die der Deutsche Bundestag am 22.6.2001 entsprechend beschloss.346 Am

13.07.2001 wurde das „Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privat-

rechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr“ ausge-

fertigt und im Bundesgesetzblatt vom 18.07.2001 verkündet.347 Es trat gemäß

Art. 35 am 01.08.2001 in Kraft.

II. Überblick über die Gesetzesänderungen

Das FormAnpG ändert Formvorschriften in verschiedenen Bereichen, um sie an

den modernen Rechtsverkehr anzupassen. Auswirkungen auf das Aktienrecht ha-

ben - neben den Änderungen des AktG - auch die neuen Formvorschriften im

BGB.

339 Keine offizielle Gesetzesabkürzung; vgl. Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 205.340 Gesetz v. 22.5.2001, BGBl. I 2001, S. 876; vgl. Roßnagel, NJW 2001, 1817ff.341 Vgl. Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 177f.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 205.342 BT-Drucksache 14/4987, mit Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregie-

rung.343 BR-Drucksache 283/01 (Gesetzesbeschluss).344 BR-Drucksache 283/01 (Beschluss).345 BT-Drucksache 14/6353.346 BR-Drucksache 497/01 (Beschluss).347 BGBl. I 2001, S. 1542.

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1. Einführung von elektronischer Form und Textform

Als Alternative zur Schriftform führt das Gesetz eine speziell auf elektronische

Medien ausgerichtete Form (elektronische Form) in das BGB ein. Nach dem ein-

gefügten § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form „durch die elektronische

Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Der

neue § 126 a BGB definiert die Voraussetzungen für die Verwendung der elektro-

nischen Form: „Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die

elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser

seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten

elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.“

Durch das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur soll die elek-

tronischen Form der Schriftform in qualitativer Hinsicht entsprechen.348 Die zahl-

reichen Funktionen der Schriftform (Abschluss-, Perpetuierungs-, Identitäts-, Ve-

rifikations-, Beweis- und Warnfunktion) können dann auch von der elektronischen

Form gewahrt werden.349 Ist eine Datei elektronisch signiert, lässt sich ihre Un-

versehrtheit (Integrität) und ihr Aussteller (Authentizität) erkennen und nachwei-

sen. Für die qualifizierte elektronische Signatur ist allerdings ein kompliziertes

Verschlüsselungsverfahren erforderlich, das von anerkannten Zertifizierungsstel-

len genehmigt werden muss und beim Anwender technische Komponenten wie

Chip-Karten und Karten-Lesegeräte erforderlich macht.350

Daneben schafft das FormAnpG in § 126 b BGB eine gegenüber der Schriftform

erleichterte Form (Textform), bei der die Unterschrift entbehrlich ist. Die Erklä-

rung muss nur in Schriftzeichen lesbar sein, die Person des Erklärenden angeben

und den Abschluss der Erklärung in geeigneter Weise erkennbar machen. Die

Textform ist sowohl für ein herkömmliches Papierdokument als auch ein elektro-

nisches Dokument geeignet.351 Sie soll die strenge Schriftform in den Bereichen

ablösen, in denen ein hoher Sicherheitsstandard nicht erforderlich ist.

348 Vehslage DB 2000, 1801ff., 1802.349 Kommentar, Vehslage DB 2000, 1801ff., 1802.350 Roßnagel, NJW 2001, 1817ff., m.w.N.351 Vehslage DB 2000, 1801ff., 1802.

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2. Änderungen im Aktienrecht

Art. 27 des FormAnpG hat im Aktienrecht drei Änderungen vorgenommen. Für

die Teilnahme von Vertretern an Aufsichtsratssitzungen ist jetzt nicht mehr eine

schriftliche Ermächtigung des verhinderten Mitglieds erforderlich (§ 109 Abs. 3

AktG n.F.). Das Wort „schriftlich“ ist im Gesetzeswortlaut durch das Wort „Text-

form“ ersetzt worden, so dass die Ermächtigung in elektronischer Form erfolgen

kann.352

Die beiden weiteren Änderungen betreffen das Recht der Hauptversammlung. Der

Gesetzgeber hat die Zustellungsart bei der Einberufung durch eingeschriebenen

Brief (§ 121 Abs. 4 S. 1 AktG n.F.) satzungsdispositiv gestellt. Auch für die Ein-

berufung auf Verlangen einer Minderheit (§ 122 Abs. 2 S. 1 AktG n.F.) wird den

Gesellschaften mehr Satzungsautonomie gewährt. Damit sollen Unternehmen

flexibler auf ihre Bedürfnisse und künftige Entwicklungen reagieren können. Eine

kritische Würdigung der Neufassungen erfolgt an gegebener Stelle in den folgen-

den Kapiteln.

C. Gesetzesvorschläge

Da die Entwicklung im Bereich der neuen Medien und Gesellschaftsrecht nicht

stehen bleibt, gibt es bereits neue Vorschläge und Empfehlungen an den Gesetz-

geber, die auch die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft betreffen. Hervor-

zuheben sind dabei der Bericht der Regierungskommission „Corporate Go-

vernance“ und ein Gesetzesvorschlag der Bundesnotarkammer.

I. Regierungskommission „Corporate Governance“

Mit Schreiben vom 29.5.2000 hat der Bundeskanzler die Regierungskommission

„Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Mo-

dernisierung des Aktienrechts“ unter der Leitung von Prof. Dr. Theodor Baums

eingesetzt. Auftrag der Kommission war es, Vorschläge zu unterbreiten, wie das

deutsche System der Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle in seinen

Stärken ausgebaut und mögliche Defizite behoben werden können, um im Wett-

352 Vehslage DB 2000, 1801ff., 1802.

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bewerb der Corporate Governance Systeme eine führende Rolle zu behaupten.353

Die Kommission setzt sich aus Unternehmensleitern, Parlamentariern, Gewerk-

schaftlern, Beamten der Bundesministerien, Unternehmensberatern und Rechts-

professoren zusammen, die auf ihren jeweiligen Spezialgebieten Vorschläge erar-

beiteten.354

Am 10.7.2001 hat die Kommission einen umfassenden Bericht mit einer Fülle von

Empfehlungen vorgelegt.355 Im Anschluss daran setzte die Bundesjustizministerin

am 23.8.2001 eine Kodex-Kommission Corporate Governance unter dem Vorsit-

zenden Cromme ein, die bis zum Frühjahr 2002 aufgrund der Berichtsvorschläge

Verhaltensregeln in Form eines Kodex für die Führung und Kontrolle aktienno-

tierter Unternehmen erarbeiten wird.356 Eine Reihe der Kommissions-

Empfehlungen betreffen auch die Hauptversammlung und die Ausübung von Ak-

tionärsrechten und sind daher in der Untersuchung zu berücksichtigen.

II. Bundesnotarkammer

Die Bundesnotarkammer hat im Rahmen des Forum Praxis & Wissenschaft des

Deutschen Notarinstitutes am 27.4.2001 in Köln („Hauptversammlung der AG:

Neue Medien und Rechtssicherheit“) einen Gesetzesvorschlag zur Öffnung der

Hauptversammlung der Aktiengesellschaft für den Einsatz neuer Medien vorge-

stellt.357 Der über die Regelungen des NaStraG hinausgehende Diskussionsent-

wurf hat zum Ziel, die Kommunikation der Aktionäre mit der Gesellschaft im

Zusammenhang mit der Hauptversammlung weiter zu flexibilisieren.358 Er möchte

ein Experimentierfeld für die Gesellschaften eröffnen, indem er die Satzungsauto-

nomie ausweitet.359 Auch dieser Gesetzesvorschlag ist Gegenstand der weiteren

Untersuchung.

353 Auftragsschreiben des Bundeskanzleramtes, abrufbar unter http://www.otto-

schmidt.de/corporate_governance.htm.354 Vgl. Kallmeyer, GmbHR 2001, R 285f.355 Abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm und

http://www.jura.uni-duesseldorf.de/dozenten/noack/cg; der Bericht erscheint in Kürze inBuchform im Verlag Dr. Otto Schmidt KG, herausgegeben von Baums.

356 Mitteilung des BMJ v. 24.8.2001 (Quelle:http://www.bmj.bund.de/misc/2001/m_51_01.htm); vgl. ZIP 2001, 35/2001, A 68.

357 Abrufbar mit Begründung unter: http://www.bnotk.de/; Hartmann, ZNotP 2001, 250ff., 250.358 Begr. Zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter: http://www.bnotk.de/; Hartmann,

ZNotP 2001, 250ff., 250.359 Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1135.

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3. Kapitel: Einsatz des Internet im Vorfeld der Hauptversammlung

Die aufwändige und kostenträchtige Vorbereitungsphase einer Hauptversamm-

lung wird in erster Linie durch die erforderliche Unterrichtung der Aktionäre ge-

kennzeichnet. Neue Medien können die Kommunikation zwischen Gesellschaft

und Anlegern erheblich erleichtern. Für die Gesellschaften stellt sich daher die

Frage, ob und wie sie das Internet im Vorfeld der Hauptversammlung rechtssicher

einsetzen können. Dabei sind vor allem die durch NaStraG360 und FormAnpG361

neu geschaffenen Möglichkeiten und Vorgaben zu berücksichtigen.

A. Einberufung der Hauptversammlung

Bereits bei der Einberufung der Hauptversammlung stellen sich wesentliche Fra-

gen zum Einsatz moderner Kommunikationsformen. Durch die Nutzung des In-

ternet als Bekanntmachungsmedium können die Gesellschaften einen viel größe-

ren Kreis von Aktionären - insbesondere im Ausland - erreichen und informieren.

Allerdings ist die Einberufung im Aktienrecht in einen engen gesetzlichen Rah-

men eingebettet. Zu unterscheiden ist zwischen der üblichen Einberufung durch

öffentliche Bekanntmachung und der Einberufung mit eingeschriebenem Brief.

I. Einberufung durch öffentliche Bekanntmachung

1. Elektronische Bekanntmachung

Gemäß § 121 Abs. 3 AktG ist die Einberufung der Hauptversammlung in den Ge-

sellschaftsblättern bekanntzumachen. Die Bekanntmachung muss wenigstens in

den Bundesanzeiger eingerückt werden (§ 25 S. 1 AktG). Nach der bisherigen

Fassung des § 25 S. 2 AktG konnte die Gesellschaft neben dem Bundesanzeiger

nur andere „Blätter“ als Gesellschaftsblätter in der Satzung bezeichnen. Dies sind

allgemein nur Publikationen auf Papier, nämlich alle in Deutschland täglich, wö-

360 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktienge-

setz – NaStraG) v. 18.01.2001, BGBl. I 123; vgl. dazu 2. Kapitel.II.361 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den

modernen Rechtsgeschäftsverkehr v. 13.7.2001, BGBl. I S. 1542; vgl. dazu 2. Kapitel.II.

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chentlich oder monatlich erscheinenden Zeitungen oder Zeitschriften.362

Nicht unter den Begriff „Blätter“ fallen elektronische Medien. Bisher konnten

daher die Gesellschaften ihre Homepage nicht als förmliches Bekanntmachungs-

medium für die Einberufung nutzen. Zwar darf die Satzung nach § 23 Abs. 4

AktG für bestimmte Bekanntmachungen auch eine andere Form der Veröffentli-

chung bestimmen. Jedoch ist § 23 Abs. 4 AktG eng auszulegen und gerade nicht

auf die Pflichtbekanntmachungen im Sinne des § 25 AktG anwendbar.363 Nur als

freiwillige Zusatzveröffentlichungen konnten die Gesellschaften Informationen

zur Hauptversammlung auf ihrer Homepage bereitstellen.364

Die Neufassung des § 25 S. 2 AktG durch das NaStraG lässt nunmehr ausdrück-

lich eine zusätzliche Einberufung der Hauptversammlung in elektronischen In-

formationsmedien zu, wenn dies in der Satzung geregelt ist. Dadurch ist es den

Gesellschaften nun möglich, die Hauptversammlung im Internet auf ihrer Home-

page förmlich einzuberufen. Es bleibt allerdings bei der zwingenden Bekanntma-

chung der Einberufung im Bundesanzeiger. Elektronische Informationsmedien

sind daher lediglich als zusätzliche Gesellschaftsblätter anerkannt.365

2. Anforderungen an eine zusätzliche elektronische Bekanntmachung

Bezeichnet die Gesellschaft in ihrer Satzung elektronische Informationsmedien als

zusätzliche „Gesellschaftsblätter“, sind die daran geknüpften rechtlichen Anforde-

rungen zu beachten. Die Satzung muss das Veröffentlichungsmedium konkret

benennen. Nicht ausreichend ist eine Bestimmung von Fall zu Fall durch den Vor-

stand, den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung.366 Ansonsten wäre nicht si-

chergestellt, dass der Adressat mit einer Veröffentlichung in elektronischen Medi-

en rechnet.

Inhaltlich hat die Bekanntmachung auf der Homepage derjenigen im Bundesan-

362 Pentz in MünchKomm AktG, § 25 RN 10; Hüffer, AktG, § 25 RN 3; Kraft in Kölner Komm

AktG, § 25 RN 5.363 Pentz in MünchKomm AktG, § 23 RN 143; Hüffer, AktG, § 23 RN 32.364 Weber, NZG 2001, 337ff., 344; Riegger, ZHR 2001, 204ff., 206; Seibert, BB 1998, 2636ff.,

2537; Kraft in Kölner Komm AktG, § 25 RN 8.365 Claussen, AG 2001, 161ff., 167.366 Röhricht in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 25 RN 4; Pentz in MünchKomm AktG, § 23 RN 9;

Kraft in Kölner Komm AktG, § 25 RN 6.

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zeiger zu entsprechen. Sie muss deutlich machen, dass ein Treffen der Gesell-

schaftsaktionäre zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu einem be-

stimmten Zweck stattfinden soll.367 Konkret müssen die Firma und der Sitz der

Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung, Bedingungen für die Teilnah-

me und die Stimmrechtsausübung (§ 121 Abs. 3 S. 2 AktG) sowie die Tagesord-

nung (§ 124 Abs. 1 S. 1 AktG) und das einberufende Gremium angegeben wer-

den. Besondere formelle Voraussetzung sind an die Homepage-Publikation nicht

zu stellen, da sie nur eine zusätzliche Bekanntmachung ist. Allerdings sollten die

Informationen für Aktionäre leicht auffindbar sein, möglichst direkt auf der

Webseite oder auf einer über einen Link zu erreichenden Investor Relations-Seite.

Fraglich ist, ob die Veröffentlichung auch in einer anderen Sprache statthaft ist.

Dies wäre insbesondere für ausländische Anleger von Bedeutung. Hinsichtlich der

gedruckten weiteren Gesellschaftsblätter wird die Ansicht vertreten, dass dort –

wie im Bundesanzeiger - eine Bekanntmachung nur in deutscher Sprache zulässig

ist.368 Diese Ansicht ist jedenfalls für die Homepage-Veröffentlichung nicht ver-

tretbar. Die Änderungen des NaStraG sollen, nach dem ausdrücklichen Willen des

Gesetzgebers, gerade die bessere Information der ausländischen Anleger gewähr-

leisten.369 Eine Bekanntmachung ausschließlich in deutscher Sprache in einem

international ausgerichteten Medium wie dem Internet wäre angesichts der Inter-

nationalisierung der Aktionärsstruktur nicht zeitgemäß und würde der Intention

des Gesetzgebers widersprechen. Der Zweck des § 25 AktG wird bereits durch die

deutschsprachige Pflichtbekanntmachung im Bundesanzeiger gewahrt. Daher gibt

es keinen Grund, eine fremdsprachige Veröffentlichung auf der Homepage als

zusätzlichem Gesellschaftsblatt für unzulässig zu halten. Empfehlenswert ist je-

doch eine entsprechende Regelung in der Satzung.370

Wenn die Satzung die Homepage der Gesellschaft als weiteres Publikationsmedi-

um i.S.v. § 25 S. 2 AktG n.F. bestimmt, muss die Bekanntmachung der Einberu-

fung zu ihrer Wirksamkeit dort in gleicher Weise und in gleichem Umfang wie im

367 Werner in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 121 RN 41.368 Baumbach/Hueck RN 4; Barz in Großkomm. AktG, § 25 RN 2; aA Hüffer, AktG, § 25 RN 3;

Pentz in MünchKomm AktG, § 25 RN 10; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 25RN 5 unter Aufgabe der Ansicht von Barz in der Vorauflage.

369 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 13.370 Hüffer, AktG, § 25 RN 3; Pentz in MünchKomm AktG, § 25 RN 10 verlangen eine Sat-

zungsregelung bei fremdsprachigen Veröffentlichungen in den weiteren Gesellschaftsblättern

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Bundesanzeiger veröffentlicht werden.371 Erfolgt trotz Satzungsbestimmung keine

Bekanntmachung auf der Homepage, ist die Einberufung nicht bewirkt. Folglich

sind alle dennoch auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nichtig (§ 241

Nr. 1 AktG).

Fehlerhafte oder unvollständige Veröffentlichungen auf der Homepage können

unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Während ein Verstoß gegen die

Inhaltsvorschrift des § 121 Abs. 3 S. 2 AktG ebenfalls zur Nichtigkeit von Be-

schlüssen führt, sind Beschlüsse über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht

ordnungsgemäß bekanntgemacht wurde, nicht automatisch nichtig, aber anfecht-

bar (§ 243 Abs. 1 AktG).372 Bedeutung kann die Bekanntmachung auf der Home-

page auch für den Beginn von Fristen erlangen. Die Bekanntmachung der Einbe-

rufung setzt bestimmte Fristen in Gang (z.B. § 125 Abs. 1 AktG). Probleme kön-

nen dann auftauchen, wenn die Veröffentlichung auf der Homepage nicht am sel-

ben Tag erscheint wie die im Bundesanzeiger. Dann kommt es für den Beginn der

Frist auf den Inhalt der Veröffentlichung an. Wird nichts genaues bestimmt, ist in

entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 2 HGB auf die zeitlich letzte Veröf-

fentlichung abzustellen.373 Der bei der Einberufung wichtige § 125 Abs. 1 AktG

knüpft jedoch den Fristbeginn ausdrücklich an die Bekanntmachung im Bundes-

anzeiger an.374 Eine spätere Publikation auf der Homepage ist in dem Fall für die

Fristberechnung unerheblich.

3. Beurteilung der Neuregelung

Die Neuregelung des § 25 S. 2 AktG hat nur symbolischen Charakter und keine

praktische Bedeutung.375 Elektronische Medien werden zwar gesetzlich als zu-

sätzliche Veröffentlichungsorgane anerkannt und damit aufgewertet. Eine materi-

elle Rechtsänderung tritt jedoch nicht ein.376 Aufgrund der aufgezeigten Risiken

für den Beginn von Fristen und die Wirksamkeit der Bekanntmachung, die mit

einer zusätzlichen Pflichtveröffentlichung auf der Homepage verbunden sind,

(Papierform); aA wohl Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 25 RN 5.371 Kraft in Kölner Komm AktG, § 25 RN 5; Pentz in Münchener Komm AktG, § 25 RN 10.372 Vgl. Werner in Großkomm AktG, § 124 RN 97; Zöllner in Kölner Komm AktG, § 124

RN 41; LG Köln AG 1996, 37.373 Pentz in Münchener Komm AktG, § 25 RN 12.374 Pentz in Münchener Komm AktG, § 25 RN 12.375 Kritisch auch Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 58.376 Claussen, AG 2001, 161ff., 167; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 206.

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sollten die Gesellschaften nur den Bundesanzeiger als maßgebliches Ge-

sellschaftsblatt bezeichnen.377 Eine freiwillige Zusatzveröffentlichung auf der

Homepage war aber schon vor der Neufassung möglich.378 Dem Anspruch des

Gesetzgebers, bürokratische Formerfordernisse rund um die Hauptversammlung

zu beseitigen,379 wird die Änderung nicht gerecht. Auch künftig ist eine aus-

schließliche Bekanntmachung in elektronischer Form nicht zulässig.

4. Überlegungen de lege ferenda

Ziel einer Gesetzesänderung sollte es sein, eine Pflichtveröffentlichung im Inter-

net ausreichen zu lassen.380 Die große Masse der Aktionäre nimmt von den Be-

kanntmachungen im Printmedium Bundesanzeiger keine Kenntnis.381 Ausländi-

schen Kapitalmarktakteuren ist dessen Lektüre in der Regel aus praktischen

Gründen nicht möglich.382 Damit wird eine allgemein zugängliche Quelle für Be-

kanntmachungen, wie sie § 25 S. 1 AktG eigentlich bezweckt, nicht zur Verfü-

gung gestellt.383 Im Internet dagegen sind Informationen einfach und kostengün-

stig abrufbar. Zwar ist fraglich, ob das Medium angesichts der nicht flächendek-

kenden Verbreitung von privaten Internet-Anschlüssen eine allgemein zugängli-

chen Quelle darstellt. Da deren Zahl laufend zunimmt und es zudem eine Vielzahl

öffentlicher Zugangsmöglichkeiten in Bibliotheken oder Internet-Cafés gibt, ist

eine Kenntnisnahme über die neuen Medien einfacher möglich als über den Bun-

desanzeiger.384 Wenn der Zweck der Norm mit Einsatz des Internet mindestens

ebenso, wenn nicht sogar besser erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken

gegen eine Öffnung des § 25 S. 1 AktG.

Eine elektronische Veröffentlichung hat zusätzlich für die Gesellschaften Vorteile.

Anders als bei schriftlicher Publikation können kurzfristige Änderungen der Ta-

gesordnung noch berücksichtigt werden. Das Kapitalmarktrecht erlaubt elektroni-

sche Pflichtveröffentlichungen schon seit einigen Jahren. So können die Gesell-

377 So auch der Vorschlag der RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 14.378 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 206.379 Begründung RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 1.380 So auch Claussen, AG 2001, 161ff., 167; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikations-

formen, S. 110; Noack, ZGR 1998, 592ff., 598.381 Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, DStR 2001, 666ff., 666f.382 Siehe oben 1.Kapitel.II.2.b.383 Zum Normzweck vgl. Pentz in Münchener Komm. AktG, § 25 RN 4; Hüffer, AktG, § 25

RN 2.

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schaften Ad hoc-Mitteilungen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 WpHG nicht nur in einem

Börsenpflichtblatt, sondern auch über ein elektronisch betriebenes Informations-

verbreitungssystem veröffentlichen.385 Auch für die Mitteilungs- und Veröffentli-

chungspflichten aus §§ 21ff. WpHG besteht eine zentrale Datenbank auf der

Webseite des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe).386 Das

geplante neue deutsche Übernahmerecht ermöglicht ebenfalls Pflichtveröffentli-

chungen in elektronischen Medien.387 Ziel ist jeweils die frühzeitige Information

der Öffentlichkeit über marktrelevante Daten.

Einen in diese Richtung gehenden Gesetzesvorschlag hat die Bundesnotarkammer

in die Diskussion eingebracht:388 In § 25 S. 1 AktG soll nach dem Wort „einzu-

rücken“ die Wörter „oder über ein gleichwertiges elektronisches Informationsme-

dium des Bundesanzeigers zugänglich zu machen“ eingefügt werden.389 Mit die-

ser Formulierung erhalten die Unternehmen die Wahlmöglichkeit, an Stelle der

Papierform eine gleichwertige elektronische Form der Veröffentlichung zu nut-

zen.390 Das Publikationsmedium soll beim Bundesanzeiger-Verlag angesiedelt

sein, der die Veröffentlichung durch eine Bestätigung beweiskräftig festhalten

muss.391 Nach Ansicht der Bundesnotarkammer genügt eine Bekanntmachung auf

den Internet-Homepages nicht, da die Gesellschaften sich nicht selbst bestätigen

können, eine Pflichtbekanntmachung ordentlich bewirkt zu haben.392

Der Vorschlag ist zu begrüßen, da er die elektronische Bekanntmachungsform mit

der Papierform gleichstellt. Die Formulierung „zugänglich zu machen“ ermöglicht

eine Veröffentlichung auf der Webseite des Bundesanzeiger-Verlages.393 Auf-

384 So auch Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 206.385 Kümpel in Assmann/Schneider, WpHG, § 15 RN 157; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449ff., 457.386 http://www.bawe.de/dat_bank.htm387 Vgl. § 10 Abs. 3 des Referentenentwurfs für ein „Gesetz zur Regelung von öffentlichen An-

geboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“ (WpÜG), ab-rufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de.

388 Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de; vgl. dazu Hartmann,ZNotP 2001, 250ff.

389 Einen gleichlautenden Vorschlag unterbreitet die Regierungskommission „Corporate Go-vernance“; Bericht S. D 3.7 RN 83, abrufbar unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

390 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de; vgl. dazuHartmann, ZNotP 2001, 250ff.

391 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de; vgl. dazuHartmann, ZNotP 2001, 250ff., 251.

392 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de.; vgl. dazuHartmann, ZNotP 2001, 250ff., 251.

393 So bereits auch ein Vorschlag von Noack, ZGR 1998, 592ff., 597.

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grund der Wahlmöglichkeit können die Gesellschaften die Publikation nach ihren

Bedürfnissen und denen ihrer Aktionäre ausgestalten. „Oder“ bedeutet aber, dass

eine Pflichtveröffentlichung gleichzeitig in Papier- und elektronischer Form nicht

zulässig sein soll. Dies kann wegen der Nachweisschwierigkeiten im Internet

nachteilig sein.394 Im Interesse der Rechtssicherheit ist jedoch ein Nebeneinander

von elektronischer und schriftlicher Publikation, mit möglicherweise voneinander

abweichenden Angaben, zu vermeiden.

Sinnvoll ist es die Pflichtveröffentlichung beim Bundesanzeiger-Verlag zu belas-

sen und nur ein anderes Medium zu benennen. Damit kann die Homepage des

Verlages zu einer zentralen, den Aktionären weltweit zugänglichen, Bekanntma-

chungsplattform für die Einberufung von Hauptversammlungen werden.395 Eine

dezentrale Veröffentlichung über Webseiten der jeweiligen Gesellschaften, ent-

spricht dagegen ebenso wenig dem Grundgedanken des § 25 AktG wie bislang die

alleinige Veröffentlichung in anderen Gesellschaftsblättern.396 Die rechtzeitige

Verfügbarkeit der Informationen wäre dann nicht sichergestellt.397

Zu Recht weist die Bundesnotarkammer darauf hin, dass die Gesellschafts-

Homepages Nachweisanforderungen nicht genügen.398 Wegen der Rechtsfolgen

die mit der Einberufung verbunden sind, ist es unerlässlich, dass der Zeitpunkt

und die Veröffentlichung der Bekanntmachung beweiskräftig festgehalten wer-

den. Der Bundesanzeiger-Verlag könnte dies durch einen Ausdruck mit Datums-

stempel gewährleisten.399 Als besonderen Service für ausländische Investoren,

sollte die Pflichtveröffentlichung auf der Bundesanzeiger-Homepage auch in eng-

lischer Sprache erscheinen. Die Gesellschaften müssten dafür die Informationen

direkt zweisprachig an den Verlag übermitteln. Da viele Gesellschaften auf ihrer

Homepage ohnehin ein mehrsprachiges Angebot bereitstellen, bedeutet dies kei-

nen zusätzlichen Aufwand. Um die Aktionäre auf die Homepage des Bundesan-

394 Noack, ZGR 1998, 592ff., 597 empfiehlt für eine Übergangszeit eine Publikation sowohl in

elektronischer als auch in herkömmlicher Form.395 Webseite des Bundesanzeiger Verlages: http://www.bundesanzeiger.de.396 Hartmann, ZNotP 2001, 250ff., 251; vgl. auch Pentz in Münchener Komm AktG, § 25

RN 6ff.397 Regierungskommission „Corporate Governance“. D3.7, RN 83, abrufbar unter

http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.398 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BnotK, ZNotO 2001; abrufbar unter http://www.bnotk.de.399 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BnotK, ZNotO 2001; abrufbar unter http://www.bnotk.de;

ebenso Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, D3.8 RN 84, abrufbarunter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

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zeigers aufmerksam zu machen, sollten die Gesellschaften auf ihren Webseiten

einen entsprechenden Link schalten.

II. Einberufung mit eingeschriebenem Brief

1. Elektronische Einberufung

Eine besondere Form der Einberufung gewährt das Aktienrecht den „kleinen“

Aktiengesellschaften mit einem überschaubarem Aktionärskreis. Sind die Aktio-

näre der Gesellschaft namentlich bekannt, kann sie die Hauptversammlung mit

eingeschriebenem Brief einberufen (§ 121 Abs. 4 S. 1 AktG). Der Wortlaut lässt

den Einsatz elektronischer Informationsmedien nicht zu. Insbesondere entspricht

eine Einladung per E-Mail nicht der vorgeschriebenen Zustellungsweise.400

Art. 27 Nr. 2 des am 01.08.2001 in Kraft getretenen FormAnpG fügt in § 121

Abs. 4 S. 1 AktG nach den Wörtern „einberufen werden“ die Wörter „wenn die

Satzung nichts anderes bestimmt“ ein. Damit ist die Regelung dispositiv gestellt,

so dass die Gesellschaft in der Satzung geringere Anforderungen an die Zustel-

lungsart bestimmen kann. Der Gesetzgeber hat sich dabei an der Rechtslage im

GmbH-Recht orientiert. Auch dort schreibt § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG zwar die

Einladung mit eingeschriebenem Brief vor. Gemäß § 45 Abs. 2 GmbHG kann der

Gesellschaftsvertrag aber Erleichterungen vorsehen.401 Mit entsprechender Sat-

zungsregelung ist jetzt eine Einladung der namentlich bekannten Aktionäre per E-

Mail möglich.402 Eine solche E-Mail-Ladung hat die Voraussetzungen des § 121

Abs. 4 S. 1 AktG zu beachten. Es ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber

der Einladung per Einschreiben.

2. Beurteilung der Neuregelung

Die Öffnung des § 121 Abs. 4 S. 1 AktG für satzungsmäßige Formerleichterungen

ist zu begrüßen. Sie befreit die alternative Einberufungsmöglichkeit von einem

überflüssigen Formalismus und behebt so einen Widerspruch der bisherigen Re-

400 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 206.401 Vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 RN 29; Lutter/Hommelhoff, GmbHG,

§ 51 2; Zwissler, GmbHR 2000, 28ff., 28.402 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 206.

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gelung zur Intention des Gesetzgebers. Mit dem 1994403 eingefügten § 121 Abs. 4

S. 1 AktG wollte der Gesetzgeber Versammlungsförmlichkeiten für Gesellschaf-

ten mit einer besonderen Anlegerstruktur abbauen.404 Die kosten- und zeitintensi-

ve Pflichtveröffentlichung der Einberufung in den Gesellschaftsblättern bedeutet

für kapitalmarktferne Gesellschaften ein unnötiges Hindernis.405 Doch der Ge-

setzgeber beschränkte die Ausnahmeregelung in § 121 Abs. 4 S. 1 AktG auf das

Mitteilungsmedium „eingeschriebener Brief“ und ersetzte damit die öffentliche

Bekanntmachung durch einen anderen hinderlichen Formalismus. Gerade kleinen

Aktiengesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis brachte die Einla-

dungsalternative keine Erleichterung.

Das FormAnpG gibt diesen Gesellschaften nunmehr die Gelegenheit, geeignetere

Übermittlungswege in der Satzung festzuschreiben. Mit entsprechender Satzungs-

klausel können sie namentlich bekannte Aktionäre allein und ausschließlich über

das Internet zur Hauptversammlung einladen. Damit wird die Einberufung erheb-

lich erleichtert und die Abhaltung von Ad-hoc-Versammlungen möglich.

Die neue Satzungsfreiheit beeinträchtigt nicht die Rechtssicherheit. Das Zustel-

lungserfordernis „Einschreiben“ soll sicherstellen, dass der Aktionär die Einberu-

fung nachweisbar erhält. Diese Funktion können auch anderen Zustellungsarten

erfüllen. Bei einer E-Mail-Einladung weisen Sendeberichte nach, dass die E-Mail

an den Aktionäre versandt wurde. Um den Zugang zu dokumentieren, kann die

Gesellschaft vom Aktionär eine Empfangsbestätigung per Mausklick verlangen.406

Zu kritisieren ist allerdings, dass der Gesetzgeber nicht klarstellt (im Gesetzes-

wortlaut oder durch Hinweis in der Gesetzesbegründung), dass bei einer Sat-

zungsregelung die elektronische Einladung nur optional neben die per (einge-

schriebenem) Brief treten darf. Voraussetzung für die elektronische Einberufung

muss das Einverständnis des Aktionärs sein.407 Eine Regelung in der Satzung, die

eine Einberufung auf elektronische Medien beschränkt, ist unzulässig. Dies würde

403 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom

2.8.1994, BGBl. I S. 1961.404 Begr. Fraktionsentwurf CDU/CSU und F.D.P., BT-Drucks. 12/6721, S. 8.405 Sie bedingen einen zeitlichen Vorlauf von ca. sieben Wochen; vgl. Drüke, WiB 1994, 265ff.,

267.406 Noack, DB 1999, 1306ff., 1309.407 So Noack, DB 1999, 1306ff., 1309 zur Parallelproblematik bei Mitteilungen nach § 125

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eine gegen § 53a AktG verstoßende Ungleichbehandlung derjenigen Aktionäre

bedeuten, die über keinen Internet-Zugang verfügen.408 Sein Einverständnis mit

einer elektronischen Einberufung kann der Anleger auch konkludent erklären,

indem er seine E-Mail-Adresse im Aktienregister eintragen lässt.

Durch die Gesetzesänderung kann der Anwendungsbereich des § 121 Abs. 4 S. 1

AktG zudem auf Gesellschaften mit einer anderen Aktionärsstruktur ausgeweitet

werden. Bislang war die Einberufung mit eingeschriebenem Brief - wegen der

hohen Kosten für Einschreiben – wenn überhaupt nur für Familiengesellschaften

und andere Gesellschaften mit geschlossenem Anlegerkreis wirtschaftlich sinn-

voll.409 Die Ladung per Einschreiben ist nur bei wenigen Empfängern kostengün-

stiger, als die Veröffentlichung im Bundesanzeiger.410 Wenn aber die Einladung

über das Internet mit äußerst geringen Kosten erfolgen kann, lohnt sich die Einbe-

rufungsalternative auch bei größeren Aktiengesellschaften.

§ 121 Abs. 4 S. 1 AktG steht dem nicht entgegen.411 Zwar zielt die Norm nach der

Vorstellung des Gesetzgebers auf Gesellschaften mit wenigen Aktionären ab, dem

Wortlaut ist jedoch keine Beschränkung auf personalistische oder kapitalmarkt-

ferne Aktiengesellschaften zu entnehmen.412 Als materielle Voraussetzung knüpft

die Vorschrift allein an die Zusammensetzung des Aktionärskreises an und for-

dert, dass die Anleger der Gesellschaft „namentlich bekannt“ sind. Dies ist aber

nicht nur bei Gesellschaften der Fall, bei denen Familienmitglieder den Anleger-

kreis bilden. Auch Gesellschaften die ausschließlich Namensaktien ausgeben,

kennen Name und Adresse ihrer Aktionäre.413 Dann gilt im Verhältnis zur Gesell-

schaft nur derjenige als Aktionär, der im Aktienregister eingetragen ist (§ 67

Abs. 2 AktG).414 Da die Aktionäre im Aktienregister neben ihrer Wohnadresse

zusätzlich die E-Mail-Adresse angeben können, bietet sich auch für diese Gesell-

schaften – unabhängig von der Anzahl der Aktionäre - eine direkte, kostengünsti-

Abs. 2 AktG.408 So Huep, WM 2000, 1623ff., 1623, FN 10 zur Parallelproblematik bei Mitteilungen nach

§ 125 Abs. 2 AktG.409 Reichert/Schlitt in Semler, Arbeitshandbuch für die HV, RN I B 289.410 Noack, DB 1999, 1306ff., 1309.411 AA aber Wolwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 119, der aufgrund teleo-

logische Reduktion des § 121 Abs. 4 S. 1 AktG annimmt, die Norm sei nicht für Publikums-gesellschaften mit Namensaktionären anwendbar.

412 Hüffer, AktG, § 121 RN 11a.413 Hüffer, AktG, § 121 RN 11a; Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine“ AG“, S. 96.414 Ausnahme: ein Kreditinstitut ist an Stelle des Aktionärs eingetragen.

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ge Einberufung über das Internet an.

Selbst börsennotierte Gesellschaften, die Namensaktien ausgeben, können nach

§ 121 Abs. 4 S. 1 AktG einladen.415 Bei den für die Börsenzulassung erforderli-

chen blankoindossierten Namensaktien bleibt der Veräußerer bis zur Umschrei-

bung im Aktienregister gegenüber der Gesellschaft Aktionär und damit „nament-

lich bekannt“.416 Allerdings muss die börsennotierte Gesellschaft eine Risikoab-

wägung vornehmen. Denn je breiter gestreut der Aktionärskreis ist, desto größer

ist die Gefahr einer fehlerhaften Ladung und damit Nichtigkeit der gefassten

Hauptversammlungsbeschlüsse (§ 241 Nr. 1 AktG). Für Publikumsgesellschaften

ist daher die alternative Einberufungsform wenig praktikabel.

Ähnlich ist die Situation bei Gesellschaften die Inhaberaktien ausgeben. Regel-

mäßig kennt die Gesellschaft Name und Adresse der Inhaberaktionäre nicht.417

Selbst wenn sie die Angaben hat, kann sie sich aufgrund der hohen Fungibilität

der Aktienform nicht darauf verlassen, dass diese im Zeitpunkt der Einberufung

noch zutreffen.418 Das Risiko, keine Kenntnis von einem Aktionärswechsel zu

erhalten, trägt die Gesellschaft.419 Eine alternative Einberufung per E-Mail ist

daher bei Inhaberaktien nur dann zu empfehlen, wenn die Gesellschaft im Einbe-

rufungszeitpunkt sicher gehen kann, dass ihr alle Aktionäre bekannt sind.420

3. Überlegungen de lege ferenda

Noch vor In-Kraft-Treten des FormAnpG hat die Bundesnotarkammer einen eige-

nen Gesetzesvorschlag für die Öffnung des § 121 Abs. 4 S. 1 AktG vorgelegt.421

Nach dem Wort „Brief“ sollen die Wörter „oder mit Einverständnis des Aktionärs

auf gleich belegbare Weise“ eingefügt werden. Die Bundesnotarkammer sieht bei

der jetzt Gesetz gewordenen Fassung die Gefahr, dass die Gesellschaft die Last

415 Lutter, AG 1994, 429ff., 438; Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine“ AG“, S. 97; Hoffmann-

Becking, ZIP 1994, 1ff., 6.416 Hüffer, AktG, § 121 RN 11b.417 Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine AG“, S. 97.418 Hüffer, AktG, § 121 RN 11c; Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine AG“, S. 97.419 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1ff., 6; Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine AG“, S. 97f.;

nach aA bleibt ein unverschuldeter Irrtum der Gesellschaft folgenlos: Hüffer, AktG, § 121RN 11c; Lutter, AG 1994, 429ff., 438.

420 So zur Einberufung mit Einschreiben auch Hüffer, AktG, § 121 RN 11c; Hoffmann-Becking,ZIP 1995, 1ff., 6; Hölters/Deilmann/Buchta, Die „kleine AG“, S. 99f.

421 Gesetzesvorschlag der BNotK; abrufbar unter http://www.bnotk.de.

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für eine ordnungsgemäße Einberufung auf die Aktionäre abwälzt, wenn die Ein-

berufungsmodalitäten zur Disposition stehen.422 Die Satzung könne etwa vor-

schreiben, dass die Gesellschaft die Einberufung auf ihrer Homepage nur ankün-

digt und der Aktionär sich die Unterlagen durch Download selbst beschaffen

muss.423

Die Kritik der Bundesnotarkammer zielt in die richtige Richtung, geht aber am

Kern des Problems vorbei. Denn nicht die Satzungsdispositivität in der neuen Fas-

sung des § 121 Abs. 4 S. 1 AktG birgt Gefahren für den Aktionärsschutz. Sie ist

vielmehr sinnvoll, da sie den Gesellschaften größtmögliche Flexibilität für eine

auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Regelung an die Hand gibt. Die von den No-

taren befürchtete Überwälzung der Einberufungslast auf die Anleger in der Sat-

zung ist auch nach der Neuregelung nicht zulässig. Eine solche Satzungsklausel

würde gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßen. In § 121 Abs. 4 S. 1 AktG hat der Ge-

setzgeber unmissverständlich den Gesellschaften die Last der Einberufung aufer-

legt und sie als deren Bringschuld ausgestaltet. An dieser Intention will auch die

Neufassung nichts ändern. Sie stellt nur die Art der Zustellung zur Disposition.

Das Zustellungserfordernis ist demgegenüber nicht disponibel. Die Gesellschaft

hat weiterhin dafür zu sorgen, dass die Einberufung den Aktionär nachweisbar

erreicht. Nicht ausreichend ist es, die Informationen zum Download auf der

Homepage bereitzustellen. Eine statutarische Regelung reicht daher für den

Schutz der Aktionäre aus.

Dem Vorschlag der Notare ist allerdings insoweit beizupflichten, als dass er das

Zustimmungserfordernis des Aktionärs ausdrücklich klarstellt. Dass der Gesetz-

geber dieser Anregung nicht entsprochen hat, ist - wie bereits oben festgestellt -

der eigentliche Mangel der Gesetzesänderung in § 121 Abs. 4 S. 1 AktG n.F.

B. Mitteilungen der Gesellschaft

Die umfangreichen Mitteilungspflichten, die den Vorstand einer Aktiengesell-

schaft gemäß § 125 AktG treffen, lassen sich durch den Einsatz elektronischer

422 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de; vgl. dazu

Hartmann, ZNotP 2001, 250ff.; Fleischauer, ZIP 2001, 1133ff., 1138.423 Begr. zum Gesetzesvorschlag der BNotK, abrufbar unter http://www.bnotk.de; vgl. dazu

Hartmann, ZNotP 2001, 250ff.; Fleischauer, ZIP 2001, 1133ff., 1138.

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Informationsmedien kostengünstiger abwickeln. Anstatt die Informationen wie

bislang zeit- und kostenaufwendig auf dem Postweg zu verschicken, können die

Gesellschaften sie den Mitteilungsempfängern zumailen oder auf elektronischen

Informationsmedien (Homepage) zum Abruf bereitstellen. Der Gesetzgeber hat

mit dem NaStraG im Bereich der Mitteilungen einige Formanforderungen gelok-

kert. Ob und wie moderne Technologien zur Information der Aktionäre genutzt

werden können, ist im folgenden zu untersuchen.

I. Mitteilungspflichten bei Namensaktien

Die im Aktienregister der Gesellschaft eingetragenen Aktionäre erhalten die Mit-

teilungen direkt von der Gesellschaft. Dies war bereits vor dem In-Kraft-Treten

des NaStraG gängige Praxis, obwohl § 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG a.F. den Gesell-

schaften eine Mitteilungspflicht nur dann auferlegte, wenn die Stimmrechte der

Namensaktionäre auf der letzten Hauptversammlung nicht durch ein Kreditinstitut

ausgeübt worden sind.424 Die neue Fassung der Norm nimmt diese Differenzie-

rung nicht vor und verlagert die Mitteilungspflicht bei Namensaktien unter-

schiedslos auf die Gesellschaft.425 Allerdings müssen die Aktionäre spätestens

zwei Wochen vor dem Tag der Hauptversammlung im Aktienregister eingetragen

sein (§ 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG). Mit diesem Versendungsstopp will der Gesetzge-

ber aufwendige Nach-Mailing-Aktionen und die damit einhergehenden Unsicher-

heiten wegen der Postlaufzeiten verhindern.426

1. Elektronische Mitteilungen

Aus der Formulierung in § 125 Abs. 2 AktG a.F., wonach der Vorstand den Ak-

tionären die Mitteilungen zu „übersenden“ hat, wurde bislang geschlossen, dass

eine körperliche Übersendung der Unterlagen notwendig sei.427 Nicht erforderlich

war allerdings die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nach § 126 BGB durch

Unterzeichnung der Mitteilung.428 Daher nahmen vereinzelte Stimmen in der Lite-

ratur bereits nach alter Rechtslage an, dass auch eine Mitteilung per E-Mail dem

424 Weber, NZG 2001, 337ff., 341.425 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 12.426 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.427 Hüffer, AktG, § 125 RN 4; Werner in Großkomm AktG, § 125 RN 69; Zöllner in Kölner

Komm AktG, § 125 RN 44.428 Zöllner in Kölner Komm AktG, § 125 RN 44.

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Übersendungserfordernis genüge.429

Der Gesetzgeber hat jetzt in § 125 Abs. 2 AktG die Wörter „zu übersenden“ durch

die Wörter „zu machen“ ersetzt. Damit sollen die Gesellschaften ihre Mitteilungs-

pflicht auch elektronisch erfüllen können.430 Wie ein elektronischer Mitteilungs-

service konkret ausgestaltet werden kann, ist weder dem Gesetz noch der Begrün-

dung zu entnehmen.431 Die Neufassung der Norm stellt lediglich klar, dass ein

Formerfordernis für Mitteilungen an Namensaktionäre (und die in § 125 Abs. 2

Nr. 1 und 2 AktG genannten Empfänger) nicht besteht. Denkbar sind verschiede-

ne Formen der elektronischen Mitteilung.

a) Mitteilungen per E-Mail

Mitteilungen per E-Mail sind am ehesten mit der postalischen Versendung der

Unterlagen vergleichbar. Dabei übermittelt die Gesellschaft sämtliche erforderli-

che Informationen als komprimierte Dateien auf elektronischem Wege in die

Mailbox des Aktionärs (Push-Technologie). Dieser kann die Daten auf seinem

Computer abspeichern und ausdrucken. Voraussetzung ist allerdings, dass der

Aktionär mit dieser Form der Übermittlung einverstanden ist und seine E-Mail-

Adresse der Gesellschaft bekanntgegeben hat.432 Elektronische Mitteilungen tre-

ten als Alternative neben die traditionellen Mitteilungen per Post.433 Die Ent-

scheidung über den Kommunikationsweg obliegt nur dem Aktionär. Nicht zuläs-

sig ist eine satzungsmäßige Beschränkung der Kommunikation auf elektronische

Medien.434 Denn dadurch würden jene Aktionäre, die über keinen Internet-Zugang

verfügen, von der Information ausgeschlossen, was sowohl gegen den Gleichbe-

handlungsgrundsatz des § 53a AktG verstoßen als auch dem Zweck des § 125

AktG zuwiderlaufen würde.435

Sein Einverständnis muss der Aktionär nicht ausdrücklich erklären. Hat er der

429 Noack, DB 1999, 1306ff., 1309; Noack, BB 1998, 2533ff., 2533.430 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.431 Die Begründung zählt beispielhaft Mailinglisten und Push-Technologie auf, vgl. Begr. RegE

NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.432 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 175; Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1683; Weber, NZG

2001, 337ff., 341; Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,S. 58ff., 62; Claussen, AG 2001, 161ff., 168; Noack, DB 1999, 1306ff., 1307.

433 Claussen, AG 2001, 161ff., 168.434 Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 397.

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Gesellschaft seine E-Mail-Adresse angegeben, ist er konkludent mit elektroni-

schen Mitteilungen einverstanden.436 Bei den Namensaktionären wird dies künftig

die Regel sein, da sie nach der Änderung des § 67 Abs. 1 AktG auch ihre E-Mail-

Adresse im Aktienregister angeben können.437 Das konkludente Einverständnis

umfasst dabei auch die (geringen) Kosten, die dem Aktionär für das Abrufen der

E-Mails und das Ausdrucken der Informationen entstehen. Zwar legt das Aktien-

recht grundsätzlich den Gesellschaften die Kosten für die Mitteilungen auf.438

Wenn aber der Anleger die modernen Übermittlungswege nutzen möchte, ist es

nicht unbillig, ihm die in seinem Herrschaftsbereich entstehenden Kosten tragen

zu lassen. Aktionäre, die ihre E-Mail-Adresse nicht im Aktienregister hinterlegt

haben, aber auf elektronische Mitteilungen nicht verzichten wollen, können sich

in Mailing-Listen auf der Homepage der Gesellschaft eintragen. Hat der Anleger

keine E-Mail-Adresse oder andere elektronische Empfangseinrichtung angegeben,

kann die Gesellschaft den elektronischen Übertragungsweg nicht nutzen und muss

postalisch mitteilen.439

b) Mitteilungen auf der Homepage

Anstatt die Mitteilungen per E-Mail an den Aktionär zu übermitteln, können die

Gesellschaften auch ihre Homepage zur Information der Aktionäre nutzen und die

erforderlichen Unterlagen zum Abruf bereitstellen. Aktionäre haben dann die

Möglichkeit, die Mitteilungen auf ihren Home-PC herunterzuladen. Technisch ist

dies ohne weiteres auch bei umfangreichen Informationen durch den Einsatz eta-

blierter Dateiformate440 durchführbar.

Fraglich ist aber, ob ein derartiges Verfahren den gesetzlichen Anforderungen

genügt. Anders als bei den Mitteilungen per E-Mail (Push-Technologie) ist hier-

bei ein Handeln des Aktionärs erforderlich (Pull-Technologie). Dem neuen Wort-

laut des § 125 Abs. 2 AktG ist im Gegensatz zur bisherigen Fassung eine aktive

Informationszuführung durch die Gesellschaft an den Anleger nicht mehr zu ent-

435 So auch Spindler, ZGR 2000, 420ff., 429; Huep, WM 2000, 1623ff., 1623, FN 10.436 Claussen, AG 2001, 161ff., 168.437 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 11.438 Hüffer, AktG, § 125 RN 1.439 Weber, NZG 2001, 337ff., 341.440 PKZIP oder PDF (Portable Document Format) sind für den Dateiaustausch entwickelte kom-

primierte Dateien, die durch spezielle Software dekomprimiert werden.

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nehmen.441 Mit der Formulierung „zu machen“, wollte jedoch der Gesetzgeber die

als Bringschuld konzipierte Mitteilungspflicht der Gesellschaft nicht aufwei-

chen.442 Nach seinem Verständnis bedeutet Mitteilung, „dass die Gesellschaft die

organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat, damit die Information den Aktio-

när unter normalen Umständen erreicht“.443 Ebenso wenig, wie dafür die Veröf-

fentlichung allein in den Gesellschaftsblättern ausreicht,444 genügt es, die Mittei-

lungen nur auf der Homepage bereitzustellen und dem Aktionär die Hauptlast der

Informationsbeschaffung aufzubürden.445 Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so

hätte er seiner Gesetzestechnik beim NaStraG entsprechend die Formulierung

„zugänglich zu machen“ gewählt.446

Auch Sinn und Zweck des § 125 AktG lassen keine andere Wertung zu. Die Norm

will eine ausreichende Unterrichtung der Aktionäre sicherstellen, indem sie bei

Namensaktien den Gesellschaften die aktive Mitteilungspflicht und die dabei ent-

stehenden Kosten auferlegt.447 Der Download größerer Dateien ist für den Aktio-

när zeit- und kostenintensiv. Zudem zwingt das Verfahren die Aktionäre, sich

regelmäßig auf der Homepage der Gesellschaft zu informieren. Es führt daher zu

einer gesetzeswidrigen Abwälzung der Gesellschaftspflichten auf den Empfän-

ger.448 Die Bereitstellung der erforderlichen Mitteilungen auf der Homepage ist

somit nicht ausreichend.

c) Link-Adresse per E-Mail

Die Mitteilungsmedien E-Mail und Homepage können aber auch miteinander ver-

bunden werden. Um auf die Übertragung umfangreicher Dateien per E-Mail ver-

zichten zu können, sendet die Gesellschaft dem Aktionär lediglich eine Link-

Adresse in die Mailbox. Durch „anklicken“ dieses Links wird der Empfänger au-

tomatisch mit der Homepage der Gesellschaft oder der eines beauftragten Inve-

441 Claussen, AG 2001, 161ff., 168.442 Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2000,

443ff., 446.443 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.444 Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 3.445 Für eine aktive Informationspolitik der Gesellschaft auch Spindler, ZGR 2000, 420ff., 429.446 Vgl. § 128 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 3 AktG n.F., siehe dazu Begr. RegE NaStraG, BT-

Drucksache 14/4052, S. 12f.; allgemein zur Gesetzestechnik beim NaStraG vgl. Siems, NZG2001, 626ff.

447 Hüffer, AktG, § 125 RN 1.448 AA wohl Claussen, AG 2001, 161ff., 168.

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stor-Relations-Dienstleister verbunden, auf der die Unterlagen zum Download

bereitstehen.449

Hierbei ist eine grundsätzliche Unterrichtung des Anlegers gewährleistet. Dem

Aktionär wird jedoch nur mitgeteilt, wo er sich die erforderlichen Unterlagen

selbst beschaffen kann. Einer aktiven Informationspolitik (Push-Technologie) der

Gesellschaft entspricht auch dieses Verfahren nicht, da es Aufwand und Kosten

der Mitteilung wiederum dem Aktionär aufbürdet. Aufgrund des Systembruchs ist

auch nicht davon auszugehen, dass der Aktionär durch die Angabe der E-Mail-

Adresse sein konkludentes Einverständnis erklärt hat, den Aufwand und die Ko-

sten der Informationsbeschaffung zu übernehmen. Zumindest für die in § 125

Abs. 1 AktG aufgelisteten wesentlichen Pflichtmitteilungen ist ein solches Ver-

fahren nicht zulässig. Sie müssen unmittelbarer Inhalt der E-Mail sein.

Lediglich für darüber hinausgehende Informationen kann auf eine Link-Adresse

verwiesen werden. Die Abgrenzung sollte sich dabei an Sinn und Zweck des

§ 125 AktG orientieren.450 Die Gesellschaft muss dem Aktionär die Mitteilungen,

die für Vorbereitung, Teilnahme und Stimmabgabe unverzichtbar sind, zumailen.

Ausreichend sind Kurzfassungen, wenn diese alle wichtigen Informationen ent-

halten und die Volltexte über einen Link zu erreichen sind.

2. Voraussetzungen der elektronischen Mitteilungen

Will die Gesellschaft ihren Namensaktionären Mitteilungen auf elektronischem

Wege übersenden, hat sie die organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, damit

die Informationen den Anleger unter normalen Umständen erreichen.451 Dafür

muss sie sich zunächst vergewissern, dass der Aktionär über eine entsprechende

Empfangsvorrichtung verfügt und mit der Übertragungsform einverstanden ist.

Hat der Aktionär die E-Mail-Adresse falsch angegeben, ist die Gesellschaft nicht

verpflichtet, sich um die richtige Adresse zu bemühen.452 Entscheidend ist allein

die vom Aktionär mitgeteilte Adresse. Der Inhalt der elektronischen Mitteilung

richtet sich nach § 125 Abs. 1 AktG und den speziell geregelten Unterrichts-

449 Vorgeschlagen von Claussen, AG 2001, 161ff., 168.450 Vgl. dazu Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 3; Kropff, AktG, S. 177.451 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 12.452 AA wohl Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 62.

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pflichten.453 Da für Mitteilungen an Namensaktionäre die 12 Tage-Frist des § 125

Abs. 1 AktG nicht gilt, genügt die unverzügliche Absendung der E-Mail. Der neu

eingeführte Versendungsstopp (record date) in § 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG macht

zwei Versendungsaktionen erforderlich.

II. Mitteilungspflichten bei Inhaberaktien

1. Elektronische Mitteilungen

Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, kennen in der Regel ihre Aktionäre

nicht. Daher verpflichtet § 125 Abs. 1 AktG den Vorstand die erforderlichen In-

formationen Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen mitzuteilen, die sie ih-

rerseits den Aktionären weitergeben. Der Wortlaut der Vorschrift verlangt für

diese Mitteilungen keine besondere Form. Vor der Änderung des § 125 Abs. 2

AktG durch das NaStraG wurde jedoch allgemein angenommen, dass die Mittei-

lungen nach § 125 Abs. 1 AktG schriftlich zu erfolgen haben.454 Wenn schon die

Schriftform für Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 AktG a.F. gilt, muss sie wegen

der größeren Bedeutung erst recht für Mitteilungen an Kreditinstitute und Aktio-

närsvereinigungen gelten.455 Der Gesetzgeber hat in § 125 Abs. 1 AktG keine Än-

derung vorgenommen. Fraglich ist daher, ob er am Schriftformerfordernis fest-

halten will. Dafür könnte die besondere Funktion der Mitteilungen nach Abs. 1

sprechen. Die Mitteilung an die Informationsmittler ist die Grundvoraussetzung

für die umfassende Unterrichtung aller Aktionäre.

Dennoch ist auch für Abs. 1 nicht von einem Formzwang auszugehen. Da § 125

Abs. 2 AktG jetzt offen formuliert ist, lässt sich die bisherige Argumentation für

das Schriftformerfordernis nicht mehr heran ziehen. Der Gesetzesbegründung ist

nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber weiterhin schriftliche Mitteilungen an

institutionelle Aktionärsvertreter vorschreiben will. Vielmehr verbindet er mit der

Formulierung „mitteilen“ ausdrücklich keinen Formzwang.456 Die Wortwahl fin-

det sich auch im neuen § 125 Abs. 4 AktG und soll dort die Mitteilung von Be-

453 Vgl. zum sonstigen Inhalt der Mitteilungspflicht Werner in Großkomm. AktG, § 125

RN 13ff.454 Hüffer, AktG, § 125 RN 5; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 125-127 RN 44; Eckardt in

Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 125 RN 60.455 Werner in Großkomm AktG, § 125 RN 69.456 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 12.

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schlüssen von der Schriftform befreien.457 Ein Festhalten an der Schriftform wür-

de schließlich der Intention des NaStraG, Förmlichkeiten im AktG zu lockern,

entgegenstehen.

Damit ist eine elektronische Übermittlung der Informationen an Kreditinstitute

und Aktionärsvereinigungen nunmehr zulässig. Die Gesellschaft kann die erfor-

derlichen Unterlagen als komprimierte Dateien in einer E-Mail an die Informati-

onsmittler versenden. Wie bei den Mitteilungen an Namensaktionäre genügt aber

allein die Veröffentlichung auf der Homepage nicht. Auch hier sind die Mittei-

lungspflichten als Bringschuld der Gesellschaft gegenüber den Empfängern aus-

gestaltet: sie sind „mitzuteilen“ und nicht nur „zugänglich zu machen“.

Will die Gesellschaft per E-Mail mitteilen, ist ein Einverständnis der Empfänger

grundsätzlich nicht erforderlich. Anders als bei Aktionären kann bei Kreditinsti-

tuten und Aktionärsvereinigungen davon ausgegangen werden, dass sie eine offi-

zielle E-Mail-Adresse haben und diese für den Rechts- und Geschäftsverkehr ein-

setzen. Dennoch sollten die Gesellschaften den Übertragungsweg nur in Abspra-

che mit den Informationsmittlern festlegen. Dies gilt umso mehr, wenn sich in

langjährigen Geschäftsbeziehungen eine gängige Praxis für die Abwicklung der

Mitteilungen herausgebildet hat.

2. Voraussetzungen der elektronischen Mitteilungen

Für elektronische Mitteilungen an Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen

ergeben sich keine Besonderheiten. Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass die

Informationen die Empfänger unter normalen Umständen erreichen. Sie benötigt

dafür deren offizielle E-Mail-Adresse. Da sie mit den Informationsmittlern übli-

cherweise in laufenden Geschäftsbeziehungen steht und die Kommunikation viel-

fach auf elektronischem Wege abläuft, ist die digitale Adresse meist bekannt oder

zumindest leicht zu ermitteln. Mitteilungsempfänger sind nur die Kreditinstitute

und Aktionärsvereinigungen, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte

für Aktionäre ausgeübt oder die Mitteilung verlangt haben (§ 125 Abs. 1 S. 1

AktG).

457 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 13.

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Inhaltlich muss die Mitteilung per E-Mail den Anforderungen des § 125 Abs. 1

AktG entsprechen. Fristgemäß ist sie dann, wenn sie innerhalb von 12 Tagen nach

der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger

erfolgt. Bei einer Mitteilung per E-Mail genügt es für die Einhaltung der Frist,

dass sie bis zu deren Ablauf abgesandt ist.458 Hier greift zwar nicht das Argument

der langen Postlaufzeiten, da eine E-Mail regelmäßig am gleichen Tag zugeht.459

Entscheidend ist aber, dass eine Mitteilung weder Willenserklärung noch ge-

schäftsähnliche Handlung ist und es daher auf den Zugang nicht ankommt.460 Au-

ßerdem können Rechtsunsicherheiten entstehen, wenn postalische und elektroni-

sche Mitteilungen hinsichtlich der Frist unterschiedlich behandelt werden.

III. Exkurs: Mitteilung von Beschlüssen461

Eine Abkehr vom Schriftformerfordernis bedeutet auch die Neufassung des § 125

Abs. 4 AktG. Die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse brauchen den

Aktionären und Aufsichtsratsmitgliedern auf Verlangen nur noch mitgeteilt zu

werden. Die Streichung des Wortes „schriftlich“ hat zur Folge, dass eine Versen-

dung der Beschlüsse mittels elektronischer Medien zulässig ist, wenn die Emp-

fänger dies wünschen. Der im Herbst 1999 vorgelegte Referentenentwurf zum

NaStraG sah noch eine andere Fassung des § 125 Abs. 4 AktG vor: Demzufolge

genügte es, dass die Beschlüsse zugänglich gemacht werden. Für diese Formulie-

rung wäre auch eine Veröffentlichung der Beschlüsse auf der Homepage ausrei-

chend gewesen.462

Der Regierungsentwurf vom Mai 2000 lies jedoch bei § 125 Abs. 4 AktG die

Mitteilungspflicht bestehen.463 Die Gesellschaft muss daher dafür sorgen, dass die

Beschlüsse den Aktionär unter normalen Umständen erreichen. Es kommt neben

der postalischen dann auch eine Zusendung per E-Mail in Betracht. Dafür muss

der Aktionär mit dem Mitteilungsverlangen seine E-Mail-Adresse angeben, falls

diese nicht ohnehin schon im Aktienbuch eingetragen ist. Der Gesetzgeber geht

458 Siehe dazu 1. Kapitel.A.V.4.459 Werner in Großkomm. AktG, § 125 RN 73 zur postalischen Mitteilung.460 Hüffer, AktG, § 125 RN 5.461 Die Mitteilung von Beschlüssen betrifft genau betrachtet die Nachbereitung der HV, auf-

grund des engen Sachzusammenhanges wird § 125 Abs. 4 AktG jedoch an dieser Stelle be-handelt.

462 Kritisch zum RefE Spindler, ZGR 2000, 420ff., 429.463 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 13.

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davon aus, dass in der Praxis zukünftig nur noch wenig Aktionäre eine Mitteilung

der Beschlüsse verlangen werden, wenn die Gesellschaften die Beschlüsse ver-

mehrt auf der Homepage bereitstellen.464

IV. Übertragungsrisiko

Fraglich ist, wer bei einer elektronischen Mitteilung das Risiko einer fehlerhaften

oder unterbliebenen Übersendung trägt. Dies ist für die Gesellschaft von besonde-

rer Bedeutung, da Verstöße gegen die Mitteilungspflicht aus § 125 Abs. 1 und 2

AktG die Hauptversammlungsbeschlüsse anfechtbar machen (§ 243 Abs. 1

AktG).465 Das Anfechtungsrisiko ist bei elektronischen Mitteilungen jedoch nicht

größer, als bei schriftlichen Mitteilungen. Sowohl bei schriftlichen als auch bei

elektronischen Mitteilung muss die Gesellschaft die organisatorischen Vorkeh-

rungen treffen, damit die Informationen den Aktionär unter normalen Umständen

erreichen.466 Auf den tatsächlichen Zugang der Mitteilung kommt es aber nicht

an.467 Will die Gesellschaft elektronische Mitteilungen versenden, muss sie dem-

entsprechend dafür sorgen, dass die richtig adressierte E-Mail ihren Einflussbe-

reich (Mailserver) in Richtung des Empfängers verlässt. Dann ist unter normalen

Umständen damit zu rechnen, dass die Mitteilungen den Aktionär erreichen. An-

hand von Sendeprotokollen kann sie überprüfen, ob die E-Mail abgesandt wurde.

Das Übermittlungsrisiko wird wie bei postalischer Versendung verteilt. Techni-

sche Störungen oder Manipulationen während des Datentransports zum Empfän-

ger muss sich die Gesellschaft als Erklärende gemäß § 120 BGB analog zurech-

nen lassen, soweit sie sich für die Übermittlung der E-Mail (privater) Internet-

Dienstleister bedient.468 Allerdings ist sie nicht verantwortlich für die Datenlei-

tungen im Internet, da sie deren Funktionsfähigkeit nicht beeinflussen kann. Spä-

testens mit Eingang der E-Mail im elektronischen Empfangsbereich des Aktionärs

geht das Fehlerrisiko auf diesen über. Dabei umfasst dieser Bereich auch die vom

Aktionär für den E-Mail-Empfang beauftragten Dienstleister (Mail-Server). Diese

Risikoverteilung gilt entsprechend für die Kommunikation zwischen Gesellschaft

und den Informationsmittler.

464 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 13.465 Hüffer, AktG, § 125 RN 10.466 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 12.467 Hüffer, AktG, § 125 RN 5.

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Selbst wenn eine Verletzung der Mitteilungsvorschriften vorliegt ist das Anfech-

tungsrisiko eher theoretischer Natur. Bei § 125 AktG wird der Vorstand nämlich

häufig nachweisen können, dass der Rechtsverstoß keinen Einfluss auf das Ab-

stimmungsergebnis gehabt hat.469

V. Beurteilung der Gesetzesänderung

Die Änderungen in § 125 AktG sind sinnvoll. Durch die Öffnung der Norm für

elektronische Übertragungsformen ist die direkte, kostengünstige und schnelle

Unterrichtung der Namensaktionäre möglich. Die Gesellschaft kann jetzt Anleger,

die ihre E-Mail-Adresse angegeben haben, taggenau und ohne Rücksicht auf lan-

ge Postlaufzeiten über das Internet direkt informieren. Vor allem ausländische

Investoren erhalten auf diese Weise Gelegenheit, sich rechtzeitig mit dem Gegen-

stand der Hauptversammlung vertraut zu machen. Die direkte Kontaktaufnahme

erleichtert zudem die Investor Relations-Arbeit und fördert die Identifikation der

Aktionäre mit ihrer Gesellschaft.470 Die Gesellschaften können sich mit dem jetzt

zulässigen Einsatz moderner Kommunikationsformen nicht nur als modernes,

technologiefreundliches Unternehmen präsentieren, sondern zudem erhebliche

Kosten einsparen.

Eine Einschränkung von Aktionärsrechten ist mit der Gesetzesänderung nicht

verbunden, da die Gesellschaften die neuen Mitteilungsformen nur mit Einver-

ständnis des Aktionärs einsetzten dürfen. Dass der Gesetzgeber das erforderliche

Einverständnis nicht ausdrücklich geregelt hat, mag bedauerlich sein, ist aber fol-

genlos, da eine Klarstellung in der amtlichen Gesetzesbegründung erfolgt ist.471

Zu kritisieren an der Neufassung ist allerdings die sprachlich unschöne Formulie-

rung „Mitteilung machen“ in § 125 Abs. 2. AktG. Der Systematik entspricht eher

die Formulierung: „Das Gleiche hat der Vorstand den Aktionären mitzuteilen, die

[....]“.472

Auch die jetzt zulässigen Mitteilungen auf elektronischem Wege an Informati-

468 BGH NJW 1995, 665ff., 667 zum Telefax; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3ff., 13.469 Hüffer, AktG, § 125 RN 10; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 125

RN 74.470 Vgl. Noack, DB 2001, 27ff.; Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, DStR 2001, 666ff., 667.471 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 12.472 Stellungnahme des Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2000, 443ff., 446.

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onsmittler sind für beide Seiten von Vorteil. Die Unternehmen können von ihrer

bisherigen kostenintensiven und aufwendigen Praxis absehen, die Mitteilungen in

benötigter Zahl auf Papier zur Verfügung zu stellen.473 Dadurch entstehen den

Empfängern keine Mehrausgaben, da die Gesellschaften die Kosten für Ausdruck

und Vervielfältigung der Informationen erstatten müssen (§ 128 Abs. 6 Nr. 1

AktG i.V.m. § 2 VO474 über den Ersatz von Aufwendungen für Kreditinstitute).475

Kosten und Aufwand lassen sich erheblich reduzieren, wenn die Kreditinstitute

und Aktionärsvereinigungen den Aktionären die Mitteilungen in elektronischer

Form ohne Medienbruch weiterleiten können.

C. Weitergabe durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen

Das NaStraG hat § 128 AktG, der die Weitergabe der Mitteilungen durch Kredit-

instituten und Aktionärsvereinigungen regelt, neu gefasst. Es stellt sich die Frage,

ob die Informationsmittler ihre Unterrichtungspflichten auf elektronischem Wege

erfüllen können.

I. Elektronische Weitergabe der Mitteilungen

Kreditinstitute müssen die Mitteilungen, die sie von den Gesellschaften gemäß

§ 125 Abs. 1 AktG erhalten, weitergeben. Empfänger sind Inhaberaktionäre, deren

Aktien das Kreditinstitut spätestens zwei Wochen vor dem Tag der Hauptver-

sammlung in Verwahrung nimmt und Namensaktionäre, für die es im Aktienregi-

ster eingetragen ist (§ 128 Abs. 1 AktG n.F.). Die Neufassung der Vorschrift trägt

dem Umstand Rechnung, dass Namensaktionäre nur noch unmittelbar von der

Gesellschaft unterrichtet werden (§ 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG n.F.). Der Gesetzgeber

will so überflüssige Doppelmitteilungen vermeiden.476 Daher bleibt die Weiterga-

bepflicht der Depotbanken fast ausschließlich auf Inhaberaktien beschränkt.477

Sie besteht nur ausnahmsweise bei Namensaktien, wenn die Bank als Treuhänder

473 Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 17.474 VO vom 18.06.1968, BGBl. I 720; zuletzt geändert durch VO vom 17.11.1987, BGBl. I

2386; abgedruckt bei Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 85.475 Die VO gilt wegen der erheblich geringeren Kostenbelastung nicht für Aktionärsvereinigun-

gen; vgl. Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 84.476 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S. 13; vgl. dazu Kindler, NJW 2001, 1678ff.,

1683, FN 98; Noack, DB 1999, 1306ff., 1309; Diekmann, BB 1999, 1985ff., 1988; Bach-mann, WM 1999, 2100ff., 2102.

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oder Legitimationsaktionär anstelle des Namensaktionärs im Aktienregister ein-

getragen ist. In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Erwerber von Namensak-

tien die Umschreibung im Aktienregister nicht wünscht.478 Obwohl die Bank dann

nur formell berechtigt ist, besteht ihr gegenüber wegen § 67 Abs. 2 AktG die

Mitteilungspflicht der Gesellschaft.479 Damit die Unterrichtung der nicht eingetra-

genen Namensaktionäre sichergestellt ist, verpflichtet § 128 Abs. 1 AktG n.F. die

Kreditinstitute zur Weitergabe.480 Auch Aktionärsvereinigungen müssen die Mit-

teilungen an ihre Mitgliedern weiterleiten, allerdings nur, wenn diese es aus-

drücklich verlangen (§ 128 Abs. 5 AktG n.F.).

1. Zulässigkeit der elektronische Weitergabe

Das AktG von 1965 schrieb für die Weitergabe der Mitteilungen keine besondere

Form vor. Die Formulierung in § 128 Abs. 1 AktG „weitergeben“ deutete aller-

dings auf eine körperliche Handlung hin. Da die Norm eng mit § 125 Abs. 1 AktG

korrespondiert, waren die Mitteilungen in der Form weiterzugeben, in der sie den

Informationsmittlern zugingen; mithin in verkörperter Form. In der Praxis stellten

die Gesellschaften den Kreditinstituten und den Aktionärsvereinigungen häufig

die Unterlagen in der benötigten Zahl zur Verfügung.481 Ansonsten mussten die

Banken die Unterlagen zwecks Weitergabe vervielfältigen, konnten die dafür ent-

standenen Kosten aber von den Gesellschaften zurückverlangen (§ 128 Abs. 6

Nr. 1 AktG i.V.m. § 2 VO482 über den Ersatz von Aufwendungen für Kreditinsti-

tute).483

Das NaStraG hat hinsichtlich der Form in § 128 AktG keine Regelungen getrof-

fen. Daher ist fraglich, ob „weitergeben“ eine körperliche Handlung erfordert oder

ob eine elektronische Weiterleitung zulässig ist. Für Letzteres spricht die Öffnung

des § 125 Abs. 1 AktG. Da die Mitteilungen an die Informationsmittler keinem

Formzwang mehr unterliegen ist nicht ersichtlich, warum die Weitergabe an die

477 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 175.478 Zu den Gründen: Kölling, NZG 2000, 631ff., 637.479 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1684; Weber, NZG 2001, 337ff., 341.480 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.13.481 Eine Pflicht hierzu nimmt Godin/Wilhelmi, AktG, § 125 Anm 5 an; anders die hM: Zöllner

in Kölner Komm. AktG, § 128 RN 7; Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 17; Semler inMünch Hdb AG, § 35 RN 77.

482 VO vom 18.06.1968, BGBl. I 720; zuletzt geändert durch VO vom 17.11.1987, BGBl. I2386; abgedruckt bei Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 85.

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Papierform gebunden sein soll. Es gibt keinen sachlichen Grund, zwischen Na-

mensaktionären und Inhaberaktionären hinsichtlich der Mitteilungsform zu unter-

scheiden.484

Nur eine elektronische Weiterleitung ermöglicht die Unterrichtung der Inhaberak-

tionäre ohne Medienbruch, wie sie bei Namensaktionären gemäß § 125 Abs. 2

Nr. 3 AktG n.F. jetzt zulässig ist. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, die

Hauptversammlung von bürokratischen Formerfordernissen zu befreien und den

Einsatz moderner Kommunikationsformen zu erleichtern.485 Angesichts dessen ist

ein Festhalten an der traditionellen verkörperten Weitergabe nicht zwingend. Ein

besonderes Bedürfnis für ein Schriftformerfordernis in § 128 Abs. 1 AktG besteht

nicht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist die umfassende Unterrichtung der Aktio-

näre.486 Dies ist auf elektronischem Weg möglich.

Eine elektronische Weitergabe ist somit grundsätzlich zulässig. Sie richtet sich

allerdings nach dem Innenverhältnis von Kreditinstitut und Depotkunden bzw.

Aktionärsvereinigung und Mitglied. Da bei einer Weiterleitung per E-Mail auch

für den Aktionär Kosten entstehen können (Internet-Zugang), dürfen die Kreditin-

stitute den elektronischen Übertragungsweg nur wählen, wenn der Aktionär damit

einverstanden ist und über eine entsprechende Empfangsvorrichtung verfügt. Hat

der Anleger seine E-Mail-Adresse angegeben, etwa weil er bereits sein Wertpa-

pierdepot im Wege des Electronic Broking führt oder sonstige Bankgeschäfte on-

line erledigt, kann die Bank von seiner Zustimmung ausgehen. Kennt sie jedoch

die E-Mail-Adresse nicht, muss sie die Mitteilungen ausdrucken und dem Aktio-

när auf postalischem Weg zusenden. Dies widerspricht nicht der Wertung in § 128

AktG, da es sich bei der Weitergabepflicht um eine Eigenpflicht der Kreditinsti-

tute handelt.487 Die Kosten dafür können die Banken aber von der Gesellschaft

ersetzt verlangen (§ 128 Abs. 6 Nr. 1 AktG i.V.m. § 2 VO488 über den Ersatz von

Aufwendungen für Kreditinstitute).

483 Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 17.484 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 63.485 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.1f.486 Hüffer, AktG, § 128 RN 1.487 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 128 RN 7; Semler in Münch Hdb AG, § 35 RN 77.488 VO vom 18.06.1968, BGBl. I 720; zuletzt geändert durch VO vom 17.11.1987, BGBl. I

2386; abgedruckt bei Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 85.

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Aktionärsvereinigungen dürfen ihren Mitgliedern die Informationen nur dann

elektronisch weiterleiten, wenn diese damit einverstanden sind. Dazu müssen die

Mitglieder in ihrem Antrag nach § 128 Abs. 5 AktG ihre E-Mail-Adresse ange-

ben. Nicht ausreichend ist es, wenn die Informationsmittler die Mitteilungen nach

§ 125 Abs. 1 AktG nur auf der eigenen Homepage oder über einen „Link“ zur

Gesellschaftshomepage bereitstellen.489 Zwar mag dies insbesondere für Kreditin-

stitute, die Online-Banking über ein geschlossenes Internet-System anbieten,

praktikabler sein. Der Wortlaut des § 128 Abs. 1 AktG lässt jedoch eine nur pas-

sive Weitergabe der Mitteilungen nicht zu.490

2. Voraussetzungen der elektronischen Weitergabe

Die Informationsmittler geben die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG so wei-

ter, wie sie ihnen von der Gesellschaft übermittelt wurden. Hat bereits die Gesell-

schaft über das Internet mitgeteilt, können Kreditinstitute und Aktionärsvereini-

gungen die Informationen ohne Zwischenschritt an die Aktionäre weiterleiten.

Inhaltlich bleiben die Mitteilungen unverändert. Wollen die Informationsmittler

aber das Stimmrecht für Aktionäre ausüben, müssen sie die Informationen gemäß

§ 128 Abs. 2 AktG ergänzen.

II. Ergänzende Angaben nach § 128 Abs. 2 AktG

Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen, die in der Hauptversammlung das

Stimmrecht für Aktionäre ausüben wollen, müssen ergänzende Angaben machen.

Hinsichtlich der Art und Weise, unterscheidet der neu gefasste § 128 Abs. 2 AktG

n.F. zwischen Inhaber- und Namensaktionären. Den Inhaberaktionären werden

dabei die Namensaktionäre gleichgestellt, für die ein Kreditinstitut im Aktienregi-

ster eingetragen ist.

1. Inhaberaktionäre und gleichgestellte Namensaktionäre

Nach § 128 Abs. 2 AktG n.F. hat das Kreditinstitut im Fall des Abs. 1 dem Aktio-

när eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts mitzuteilen. Der Hin-

489 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 64.490 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 64; Spindler,

ZGR 2000, 420ff., 429.

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weis auf Abs. 1 macht deutlich, wer die Empfänger der Vorschläge sind: Inhaber-

aktionäre, deren Aktien das Kreditinstitut verwahrt und Namensaktionäre, für die

das Kreditinstitut im Aktienregister eingetragen ist. Diesen Aktionären leitet die

Bank bereits die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG weiter, so dass die Vor-

schläge beigefügt werden können, ohne das besonderen Versandkosten entste-

hen.491

Bislang waren die Vorschläge schriftlich zu unterbreiten.492 Da aber § 128 Abs. 2

S. 1 AktG n.F. keine besondere Form für die Abstimmungsvorschläge vorschreibt,

ist nach dem Sinn und Zweck des NaStraG jetzt auch eine elektronische Über-

mittlung an die betroffenen Aktionäre zulässig. Die Formulierung „mitteilen“

stellt klar, dass eine aktive Unterrichtung (Push-Technologie) durch die Depot-

bank erforderlich ist und die Veröffentlichung der Vorschläge auf der Homepage

nicht ausreicht. Ein Hinweis auf eine „Link-Adresse genügt angesichts des ein-

deutigen Wortlauts ebenso nicht. Das Kreditinstitut muss die elektronischen Mit-

teilungen der Gesellschaft entsprechend ergänzen und an den Aktionär weiterlei-

ten.

Zusammen mit den Abstimmungsvorschlägen hat das Kreditinstitut ihren Depot-

kunden um die Erteilung von Weisungen zu bitten und sie darauf hinzuweisen,

dass es mangels anderer Weisung das Stimmrecht entsprechend den eigenen Vor-

schlägen ausüben werde (§ 128 Abs. 2 S. 4 AktG). Nach diesem Wortlaut folgt

die Form der Bitte um Weisung, der Form der Vorschläge.493 Sie sind somit eben-

falls „mitzuteilen“ und können auf elektronischem Wege erfolgen. Eine verkör-

perte Form ist auch nicht mehr zwingend für die Erleichterung der Weisungser-

teilung erforderlich. Bislang verwendete die Praxis ein Formblatt, dass der Bun-

desverband des privaten Bankgewerbes bereits 1965 entworfen hat.494 Nach der

Änderung des § 128 Abs. 2 S. 5 AktG können die Kreditinstitute anstelle des

Formblattes ein Bildschirmformular übermitteln. Der Gesetzgeber denkt vor allem

an Eingabemasken aus dem Electronic Banking.495

491 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.492 Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Handbuch der HV, RN I B 444; Hüffer, AktG, § 128

RN 9.493 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.494 Semler in MünchHdb AG, § 35 RN 82; Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Handbuch der

HV, RN I B 451; Formblatt abgedruckt in WM 1965, 1090.495 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.

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Kritisiert wird an dieser Regelung, dass die Benutzung eines Bildschirmformulars

für viele Aktionäre keine Erleichterung, sondern im Gegenteil eine Erschwerung

bedeute.496 Daher sei zumindest in den Fällen des § 128 Abs. 2 S. 1 AktG weiter-

hin die Beifügung eines (verkörperten) Formblattes verpflichtend.497 Die Kritik

berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass bei Inhaberaktionären und gleichge-

stellten Namensaktionären (§ 128 Abs. 1 AktG) die Mitteilung nur im Einver-

ständnis mit dem Anleger elektronisch versendet werden können. Nur dann darf

das Kreditinstitut auch ein Bildschirmformular benutzen. Ist der Anleger mit der

elektronischen Unterrichtung nicht einverstanden, muss das Kreditinstitut auf dem

Postweg übermitteln und ein verkörpertes Formblatt beifügen. Dies ist zwar dem

Gesetzeswortlaut in § 128 Abs. 2 S. 5 AktG n.F. nicht deutlich zu entnehmen,498

ergibt sich aber aus den Normenzusammenhang und der Gesetzesbegründung.499

2. Namensaktionäre

Etwas anderes gilt, wenn das Kreditinstitut das Stimmrecht für Namensaktionäre

ausüben will, deren Aktien es verwahrt, für die es aber nicht im Aktienregister

eingetragen ist. Für diesen Regelfall500 hat der Gesetzgeber in § 128 Abs. 2 S. 2

AktG eine besondere Vorschrift eingefügt. Sie berücksichtigt, dass die Gesell-

schaft bei Namensaktionären die Mitteilungen gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG

direkt vornimmt und eine Weitergabe durch die Kreditinstitute nicht stattfindet.

Damit die Kreditinstitute dann nicht eigene Abstimmungsvorschläge übersenden

müssen, genügt es nach § 128 Abs. 2 S 2 AktG jetzt, dass sie die Vorschläge zu-

gänglich machen. Diese Formerleichterung gilt auch für die Bitte um Weisungs-

erteilung und die Hinweispflichten.501 Mitteilen müssen sie die Abstimmungsvor-

schläge nur dann, wenn sie von denen des Vorstandes und des Aufsichtsrates ab-

weichen möchten. Über das Verfahren sind die Aktionäre jährlich zu informieren.

Mit der Formulierung „zugänglich machen“ verdeutlicht der Gesetzgeber, dass die

496 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1685; kritisch auch die Stellungnahme des Handelsrechtsaus-

schusses des DAV, NZG 2000, 443ff., 446.497 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1685.498 Siems, NZG 2000, 626ff., 628, nennt die Formulierung „verschwommen“.499 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.500 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 175.501 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1684.

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Depotbank die Kenntnisnahme des Aktionärs von den Abstimmungsvorschlägen

nicht aktiv betreiben, sondern nur passiv ermöglichen muss (Pull-Technologie).502

Dafür ist die Veröffentlichung auf der Bank-Homepage ausreichend.503 Die Ge-

setzesbegründung schlägt zudem vor, dass die Kreditinstitute die Vorschläge im

Wege des Electronic Banking zugänglich machen.504 Nach der aktuellen BGH-

Rechtsprechung zum Online-Banking ist dafür allerdings eine besondere Abrede

zwischen Depotbank und Namensaktionär erforderlich.505 Weichen die Vorschlä-

ge von denen der Verwaltung ab, muss das Kreditinstitut sie per E-Mail (oder

Brief) mitteilen.

3. Hinweispflicht bei Interessenkollisionen

Das NaStraG hat die Hinweispflichten bei personellen Verflechtungen zwischen

Kreditinstitut und Gesellschaft bei meldepflichtigem Beteiligungsbesitz nach § 21

WpHG und bei Emissionstätigkeit unverändert gelassen. Die Bank muss diese

Informationen den Inhaberaktionären und gleichgestellten Namensaktionären

(§ 128 Abs. 1 AktG n.F.) ebenfalls mitteilen. Dies kann über das Internet zusam-

men mit den Mitteilungen und den anderen Ergänzungen erfolgen.

Eine andere Regelung gilt bei Namensaktionären für die das Kreditinstitut nicht

im Aktienregister eingetragen ist. Da hier die Banken die ergänzenden Angaben

nur noch zugänglich machen müssen, verlagert § 128 Abs. 2 S. 8 AktG n.F. die

Mitteilungspflicht auf die Gesellschaften.506 Diese verfügen ebenso wie die Kre-

ditinstitute über die nötigen Informationen und können die Hinweise zusammen

mit den Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 Nr. 3 AktG per E-Mail erteilen, ohne dass

dafür zusätzliche Kosten entstehen.

4. Aktionärsvereinigungen

Das eben beschriebene Weitergabeprozedere gilt entsprechend auch für Aktio-

närsvereinigungen im Verhältnis zu ihren Mitgliedern. Da Namensaktionäre jetzt

direkt von der Gesellschaft unterrichtet werden, müssen Aktionärsvereinigungen

502 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.13.503 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 175.504 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.13.505 BGH NJW 2001, 751ff., 752.

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nur Inhaberaktionäre und Namensaktionäre, für die sie im Aktienregister einge-

tragen sind, informieren (§ 128 Abs. 5 S. 1 AktG n.F.). Wie bei den Kreditinsti-

tuten, ist dies auch auf elektronischem Weg per E-Mail zulässig.

Eine Formerleichterung nimmt der neue § 128 Abs. 5 S. 3 AktG vor. Wenn die

Aktionärsvereinigung die ergänzenden Angaben nach § 128 Abs. 2 S. 1, 2 und 4

AktG anderweitig zugänglich machen, beispielsweise durch Bereitstellung auf der

eigenen Homepage, können die Mitglieder auf die Mitteilung verzichten. Damit

will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass Aktionärsvereinigun-

gen üblicherweise andere Informationskanäle (Mitgliederzeitschrift, Homepage)

nutzen, um ihre Mitglieder über Hauptversammlungen zu unterrichten.507

III. Übertragungsrisiko

Bei der Weiterleitung elektronischer Mitteilungen können Fehler auftreten. Das

Übermittlungsrisiko ist dabei zwischen Informationsmittler und Empfänger an-

gemessen zu verteilen. Eine fehlerhafte Weitergabe durch Kreditinstitute und Ak-

tionärsvereinigungen kann allerdings keine Auswirkungen auf die in der Haupt-

versammlung getroffenen Beschlüsse haben (§ 243 Abs. 3 AktG). Betroffen ist

nur das Innenverhältnis zwischen Kreditinstitut und Depotkunde bzw. Aktionärs-

vereinigung und Mitglied, aus dem sich eine Schadensersatzpflicht ergeben kann

(§ 128 Abs. 4 AktG).508

IV. Beurteilung der Gesetzesänderung

Mit der Neufassung des § 128 AktG können auch Inhaberaktionäre (und Namens-

aktionäre für die ein Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung im Aktienregi-

ster eingetragen ist) auf elektronischem Weg unterrichtet werden, wenn sie damit

einverstanden sind. Die ist grundsätzlich zu begrüßen, da die papierlose Kommu-

nikation für beide Seiten eine Erleichterung darstellt. Einer geplanten Stimm-

rechtsausübung stehen bürokratische Formhindernisse nicht entgegen. Die Diffe-

renzierung des Gesetzgebers zwischen Inhaber- und Namensaktionären hinsicht-

506 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.507 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4052, S.14.508 Hüffer, AktG, § 128 RN 15; Semler in MünchHdb AG, § 35 RN 83; Reichert/Schlitt in

Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 461.

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lich der Mitteilungspflicht ist sinnvoll und vermeidet unnötige und kostenintensi-

ve Doppelunterrichtungen der Namensaktionäre. Namensaktionäre werden da-

durch nicht benachteiligt. Die für ihre Stimmrechtsausübung bedeutsamen Vor-

schläge der Verwaltung erhalten sie jetzt direkt von der Gesellschaft. Aufgrund

der normierten jährlichen Informationspflicht wissen sie, dass ihre Depotbank sie

nur dann kontaktiert, wenn sie von den Verwaltungsvorschlägen abweichen will.

Das genügt, da eine Mitteilung der Bank, sie wolle wie die Verwaltung abstim-

men, überflüssig ist und den Aktionär eher verwirrt.

Allerdings sind negative Auswirkungen auf die Vorschlagspraxis der Kreditinsti-

tute nicht auszuschließen. Die übliche Bankpraxis, sich den Verwaltungsvorschlä-

gen anzuschließen,509 könnte weiter zunehmen, wenn es für Geldinstitute erheb-

lich weniger Aufwand und Kosten bedeutet, die Vorschläge der Verwaltung zu

übernehmen, anstatt eigene Vorschläge zu machen und diese mitteilen zu müssen.

Auch dass bei Namensaktionären die Bitte um Weisungserteilung nur noch zu-

gänglich gemacht werden muss, wird nicht für mehr Anleger-Partizipation sorgen,

da es aktives Handeln lethargischer Kleinaktionäre verlangt.

Überhaupt kann die fehlende Kommunikation zwischen Namensaktionär und De-

potbank erhebliche Auswirkungen auf das bisherige System der Stimmrechtsver-

tretung haben. Es ist anzunehmen, dass sich die Kreditinstitute aus dem Depot-

stimmrecht für Namensaktien zurückziehen werden.510 Wenn keine andere Form

der organisierten Stimmrechtsvertretung die Lücke schließt, bleiben künftig viele

Stimmen von Kleinanlegern in der Hauptversammlung unvertreten.

D. Gegenanträge und Wahlvorschläge von Aktionären

Im Vorfeld der Hauptversammlung werden von Aktionären häufig Gegenanträge

oder Wahlvorschläge gemacht. Diese müssen die Gesellschaften, wenn sie die

Voraussetzungen der § 126 bzw. § 127 AktG erfüllen, an die Aktionäre und In-

stitutionen weiterleiten. Vereinfachen und modernisieren ließe sich das Verfahren,

wenn die Zusendung der Gegenanträge an die Gesellschaft mit Hilfe moderner

Kommunikationsformen möglich wäre. Der Gesetzgeber hat die einschlägigen

509 Hüffer, AktG, § 128 RN 9; Vorschlagsformulierung abgedruckt bei Kümpel, Bankrecht undBankpraxis, 8/300 Blatt 1.

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Normen (§§ 126 und 127 AktG) im Zuge des NaStraG unverändert gelassen. Da-

mit kommt es hinsichtlich der Zulässigkeit elektronischer Übertragungsformen

auf deren Auslegung an.

I. Elektronische Gegenanträge

§ 126 AktG schreibt für die Gegenanträge der Aktionäre keine besondere Form

vor, sondern fordert nur, dass die Gegenanträge mit Begründung „übersandt“

werden. Entsprechendes gilt aufgrund der Verweisung in § 127 AktG für die

Wahlvorschläge der Aktionäre. Aus der Formulierung in § 126 Abs. 1 AktG wird

allgemein gefolgert, dass die Gegenanträge verkörpert sein müssen.511 Nicht not-

wendig ist die eigenhändige Unterschrift, so dass Telefax und Fernschreiben ge-

nügen.512

Fraglich ist, wie das Merkmal „übersenden“ auszulegen ist.513 Der Wortlaut steht

der Zuleitung eines Gegenantrages per E-Mail grundsätzlich nicht entgegen, da

auch eine E-Mail im eigentlichen Wortsinn „übersandt“ wird. Der Zweck der

Vorschrift spricht ebenfalls gegen ein besonderes Formerfordernis. § 126 AktG

soll nicht die opponierenden Aktionäre schützen, sondern sicherstellen, dass ande-

re Aktionäre rechtzeitig über die beabsichtigte Opposition unterrichtet werden.514

Deshalb macht es keinen Sinn, die Übermittlung der Gegenanträge durch Post-

laufzeiten zu verzögern. Zudem gibt es keinen sachlichen Grund, zwischen der

zulässigen Übermittlung per Telefax und der per E-Mail zu unterscheiden.

Der Gesetzgebers hat jedoch in § 126 AktG, anders als in § 125 Abs. 2 AktG, an

dem Wort „übersenden“ festgehalten. Die Begründung zur Änderung des § 125

Abs. 2 AktG stellt klar, dass dessen bisherige Wortlaut eine elektronische Über-

tragungsform nicht zuließ.515 Nichts anderes kann dann für die Formulierung in

§ 126 AktG gelten. Zwar ist nicht eindeutig, ob der Gesetzgeber am Schriftfor-

merfordernis für Gegenanträge festhalten wollte. Ohne gesetzgeberische Klar-

510 Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1466; Hüther, AG 2001, 68ff., 70.511 Hüffer, AktG, § 126 RN 4; Werner in Großkomm. AktG, § 126 RN 27; Semler in MünchHdb

AG, § 35 RN 71; Lehmann in FS Quack, S. 287ff., 289.512 Lehmann in FS Quack, S. 287ff., 289; Hüffer, AktG, § 126 RN 4.513 Vgl. zur Parallelproblematik in § 125 Abs. 2 AktG a.F.: Noack, BB 1998, 2533ff., 2533.514 Hüffer, AktG, § 126 RN 1.515 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 12.

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stellung ist aber eine elektronische Übersendung der Gegenanträge nicht zuläs-

sig.516

II. Überlegungen de lege ferenda

De lege ferenda ist zu überlegen, ob eine Klarstellung durch den Gesetzgeber er-

folgen sollte. Der Zielrichtung des NaStraG, das Aktiengesetz von bürokratischen

Formerfordernissen zu befreien, würde eine offene Formulierung entsprechen. Die

Zulassung elektronischer Gegenanträge kann aber für die Gesellschaften negative

Auswirkungen haben. Schon jetzt wird das Gegenantragsrecht häufig miss-

braucht.517 Können die Opponenten ihre Anträge auch per E-Mail übermitteln,

droht die Gefahr, dass die Gesellschaft mit Gegenanträgen kurz vor Fristablauf

überhäuft wird. In der Praxis haben die Gesellschaften Schwierigkeiten, Anträge

die bei Zweigniederlassungen eingehen, fristgemäß zu bearbeiten. Wenn dann

noch elektronische Anträge hinzukommen, die zudem noch bei verschiedene E-

Mail-Adressen der Gesellschaft auflaufen, sind sie in der vorgegebenen Zeit kaum

zu bewältigen.

Kern des Problems sind allerdings nicht die Gegenanträge, sondern die Pflicht der

Gesellschaft, diese mitzuteilen. Dies erkennend, hat die Regierungskommission

„Corporate Governance“ vorgeschlagen, dass Gegenanträge nicht mehr nach

§ 125 AktG mitgeteilt, sondern nur noch zugänglich gemacht werden müssen.518

Dieser Vorschlag ist zu begrüßen, da er die Gesellschaften von einer überflüssigen

und kostenintensiven Pflicht befreit. Gegenanträge sind ohnehin nur Ankündigun-

gen von Anträgen und müssen in der Hauptversammlung erneut gestellt wer-

den.519 Ausreichend für die Unterrichtung der Aktionäre im Vorfeld der Haupt-

versammlung ist daher die Veröffentlichung auf der Webseite der Gesellschaft.

Um die Rechte derjenigen Aktionäre zu wahren, die über keinen Internet-

Anschluss verfügen, ist auf Verlangen jedoch weiterhin eine postalische Versen-

516 So auch Marsch-Barner, Vortrag auf dem Forum Praxis & Wissenschaft des DNotI „Haupt-

verammlung der AG: Neue Medien und Rechtssicherheit“ am 27.4.2001 in Köln.517 Vgl. Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, D 3.18, RN 100; abrufbar

unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.518 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, S. D 3.19, RN 102; abrufbar

unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm; ähnlich auch Marsch-Barner,Vortrag auf dem Forum Praxis & Wissenschaft des DNotI „Hauptverammlung der AG: NeueMedien und Rechtssicherheit“ am 27.4.2001 in Köln; Claussen, AG 2001, 161ff., 168.

519 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 126 RN 2.

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100

dung erforderlich.520

Entspricht der Gesetzgeber dieser Empfehlung, stehen auch einer elektronischen

Übersendung der Gegenanträge durch Opponenten keine Bedenken entgegen.

Allerdings sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Gesellschaft nur die Anträ-

ge veröffentlichen muss, die bei der dafür vorgesehenen und bekannt gemachten

Adresse (Post- oder E-Mail-Adresse) eingehen.

E. Anmeldung und Hinterlegung

Die Satzungen sehen regelmäßig Bedingungen für die Teilnahme der Aktionäre

vor. Anmeldung und Hinterlegung sind nach der Änderung durch das NaStraG

jetzt einheitlich bis spätestens sieben Tage vor dem Datum der Hauptversamm-

lung (§ 123 Abs. 3 u. 4 AktG n.F.) vorzunehmen. Darüber hinaus änderte der Ge-

setzgeber § 123 Abs. 2 bis 4 AktG nicht.

I. Anmeldung

Die Anmeldung ist in § 123 AktG an keine Form gebunden.521 Sie kann daher auf

elektronischem Weg erfolgen. Die näheren Modalitäten einer elektronischen An-

meldung sollte die Satzung regeln. Dabei sind verschiedene Verfahren denkbar.

Namensaktionäre, denen die Gesellschaft die Einladungsunterlagen elektronisch

übersendet, können sich per einfachem Mausklick auf einem mitgesendeten Bild-

schirmformular anmelden und die erforderliche Anzahl Eintrittskarten bestel-

len.522

Bei Aktionären, die weiterhin auf dem Postweg unterrichtet werden, sollten die

Unterlagen neben dem beigefügten Anmeldeformular einen Hinweis auf die

Möglichkeit der elektronischen Anmeldung auf der Gesellschafts- Homepage ent-

halten. Die Anleger können dann wählen, ob sie sich wie bisher schriftlich anmel-

den oder ihr Kommen durch Eingabe der Daten in die entsprechende Bildschirm-

maske der Webseite ankündigen. Den auf diese Weise angemeldeten Namensak-

520 So auch Marsch-Barner, Vortrag auf dem Forum Praxis & Wissenschaft des DNotI „Haupt-

verammlung der AG: Neue Medien und Rechtssicherheit“ am 27.4.2001 in Köln.521 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 123 RN 34; Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 57.522 Vgl. das Bsp. bei Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 581.

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101

tionären, kann die Gesellschaft die Eintrittskarten zuschicken. Mit Einverständnis

des Aktionärs ist auch eine elektronische Versendung von Eintrittskarten denkbar,

die der Empfänger an seinem Computer ausdruckt und zur Hauptversammlung

mitbringt. Die Gesellschaft sollte in der Satzung auch Vorkehrungen treffen, dass

Unbefugte sich nicht per E-Mail anmelden.

II. Hinterlegung

Auch bei der Hinterlegung von Inhaberaktien ist eine papierlose Kommunikation

zulässig. Das Aktienrecht enthält diesbezüglich keine Vorgaben. Die Hinterle-

gungsstellen können Kreditinstituten oder Gesellschaften daher die Hinterlegung

der Aktien über das Internet bestätigen.523 Allerdings ist das Verfahren hier kom-

plizierter als bei der Anmeldung. Bei einem statutarischen Hinterlegungserforder-

nis fordert üblicherweise der Anleger seine Depotbank auf, seine Aktien bei einer

der vorgesehenen Hinterlegungsstellen zu hinterlegen und ihm eine Eintrittskarte

zu übersenden.524 Die Hinterlegungsstellen fertigen dann die Eintrittskarten an

und übermitteln sie den Kreditinstituten.525 Diese wiederum senden den Aktionä-

ren die Karten zu. Da an diesem Verfahren verschiedene Institute und Hinterle-

gungsstellen beteiligt sind, ist für eine vollautomatische Abwicklung über das

Internet ein einheitlicher Standard erforderlich.526 Dabei ist zu berücksichtigen,

dass an die Hinterlegungsbescheinigung bzw. Eintrittskarte wegen ihrer Legiti-

mationsfunktion besondere Anforderungen zu stellen sind.

III. Schriftformerfordernis in der Satzung

Häufig bestimmt die Satzung, dass Anmeldung und Hinterlegungsbescheinigung

schriftlich vorliegen müssen. Für diese durch Rechtsgeschäft bestimmte Form

schreibt der neue § 127 Abs. 2 BGB in der Fassung des FormAnpG vor, dass auch

die telekommunikative Übermittlung zur Wahrung der Schriftform genügt, soweit

nicht ein anderer Wille anzunehmen ist. Zumindest die Anmeldung der Namens-

aktionäre ist danach auch dann per E-Mail ausreichend, wenn die Satzung eine

523 Krieger, ZHR 165 (2001), 204ff., 207.524 Schaaf, Praxis der HV, RN 331.525 Verwendet wird dabei das einheitliche Standardsystem für den Datenaustausch mit Banken

(DAMBA)526 So auch die Forderung von Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 691.

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102

schriftliche Anmeldung vorsieht.527 Denn die Anmeldung dient nicht der Aktio-

närslegitimation, sondern nur der Vorbereitung der Hauptversammlung.528 Ein der

telekommunikativen Übermittlung entgegenstehender Wille der Gesellschaft ist

nicht anzunehmen, da über das Internet das Verfahren erleichtert werden kann.

Etwas anderes gilt aber für die Hinterlegungsbescheinigung. Sie dient der Legiti-

mation der Inhaberaktionäre und soll die Vorlage der Aktienurkunde entbehrlich

machen.529 Damit hat die rechtsgeschäftlich vorgeschriebene Schriftform eine

besondere Funktion, die nicht ohne weiteres die elektronische Form erfüllt. Zwar

kann mittels technischer Verfahren auch auf elektronischem Weg die Legitimation

sichergestellt werden. Solange dieses Verfahren jedoch nicht geregelt ist, kann die

telekommunikative Übermittlung die schriftliche nicht ersetzen.530

F. Minderheitenrechte im Vorfeld der Hauptversammlung

Den Aktionären stehen im Vorfeld der Hauptversammlung gewisse Minderheiten-

rechte zu (§ 122 AktG). Deren Ausübung ließe sich ebenfalls durch moderne

Kommunikationsformen vereinfachen. Dies gilt nicht nur für die Geltendmachung

der Rechte, sondern auch für das Zustandekommen des erforderlichen Quorums.

I. Form

Eine qualifizierte Minderheit der Aktionäre, die mindestens 5 % des Grundkapi-

tals hält, kann vom Vorstand sowohl die Einberufung einer Hauptversammlung

(§ 122 Abs. 1 AktG) als auch die Bekanntmachung der Beschlussfassung (§ 122

Abs. 2 AktG) verlangen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Abs. 1 muss das

Einberufungsbegehren schriftlich formuliert und von den Aktionären, die über das

erforderliche Quorum verfügen, eigenhändig unterzeichnet sein (§ 126 BGB).531

Daher war bislang weder das Einberufungs-, noch das Bekanntmachungsverlan-

gen per E-Mail zulässig.532 Eine Änderung sieht jedoch das FormAnpG in Art. 27

AktG vor. § 122 Abs. 1 S. 2 AktG ist jetzt wie folgt gefasst:

527 So auch Krieger, ZHR 165 (2001), 204ff., 207.528 Hüffer, AktG, § 124 RN 8.529 Werner in Großkomm. AktG, § 123 RN 34.530 AA Krieger, ZHR 165 (2001), 204ff., 207.531 Werner in Großkomm. AktG, § 122 RN 14; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 122 RN 15;

Hüffer, AktG, § 122 RN 4.

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103

„Die Satzung kann das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlan-

gen an eine andere Form und an den Besitz eines geringeren Anteils am Grund-

kapital knüpfen“.

Damit wird die Schriftform satzungsdispositiv gestellt. Die Gesellschaften haben

so die Möglichkeit, eine konkret auf ihre Situation passende Regelung zu treffen.

Insbesondere bei kleinen Aktiengesellschaften bietet sich ein Verzicht auf das

Formerfordernis an, wie sie auch das GmbH-Recht (§ 50 Abs. 1 und Abs. 2

GmbHG) vorsieht. Bei einer Lockerung des Formzwangs in der Satzung ist je-

doch weiterhin der Nachweis der Aktionärseigenschaft und der 3-monatigen Be-

sitzzeit der antragenden Aktionäre erforderlich (vgl. §§ 122 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 147

Abs. 1 S. 2 AktG). Dies ist bei Namensaktionären aufgrund der Eintragung ins

Aktienregister weniger problematisch. Bei börsennotierten Gesellschaften, die

Inhaberaktien ausgeben, müssen die Nachweise aber durch schriftliche Bankbe-

stätigung erfolgen.533 Die Gesetzesänderung bringt daher in diesem Fall wenig

Erleichterung.

II. Quorum

Der Minderheitenschutz für Kleinaktionäre ist nicht sonderlich wirksam. Die

Rechte aus § 122 AktG werden in erster Linie von Großaktionären bei börsenno-

tierten Unternehmen genutzt, die Sperrminoritäten halten. Daneben besteht auch

bei kleinen Aktiengesellschaften mit überschaubarem Anlegerkreis die Möglich-

keit, dass sich Aktionäre zur Geltendmachung ihrer Rechte zusammentun. Die

vielen privaten Kleinanleger der Publikumsgesellschaften sind dagegen regelmä-

ßig nicht in der Lage, die erforderlichen Quoren zu erreichen. Grund dafür ist der

weit gestreute, anonyme Aktionärskreis vieler Gesellschaften, der es den Anle-

gern in der Regel unmöglich macht, ihre Stimmrechte zu koordinieren und zu

bündeln. Dies ist auch bei Gesellschaften, die Namensaktien ausgeben der Fall, da

aufgrund der Beschränkung des Einsichtsrechts (§ 67 Abs. 6 AktG n.F.) das Akti-

enregister für die Binnenkommunikation nicht mehr zur Verfügung steht.534 Dabei

könnten die Kleinanleger durch koordinierte Aktionen über das Internet ihren Ein-

532 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 58.533 Hüffer, AktG, § 142 RN 3a unter Verweis auf § 142 RN 23.

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fluss enorm vergrößern.535

Die amtliche Begründung des FormAnpG zu § 122 AktG weist auf die Möglich-

keit hin, dass sich oppositionswillige Aktionäre in einem Internet-Forum sam-

meln.536 Der Gesetzgeber zieht aber daraus keine Konsequenzen. Konkreter ist ein

Vorschlag der Regierungskommission „Corporate Governance“, nach dem die

Gesellschaft verpflichtet werden soll, einen Aufruf zur Ausübung von Minder-

heitenrechte zu erleichtern, indem sie solche Aufrufe auf der eigenen Homepage

veröffentlicht.537 Ein weiteres Modell sieht ein zweistufiges Vorgehen nach dem

Vorbild politischer Volksbefragungen vor:538 Die Gesellschaft wird zur Bereit-

stellung der Homepage verpflichtet, wenn ein geringes Aufgreifquorum einen

Antrag nach § 122 AktG stellt. Dort können sich dann in einem vorher festgeleg-

ten Zeitraum weitere Aktionäre dem Petitum anschließen.

Die vorgeschlagenen Modelle sind geeignet, die Aktionärskommunikation zu er-

leichtern und damit den Minderheitenschutz zu verbessern. Allerdings birgt eine

Verpflichtung der Gesellschaft zur Veröffentlichung derartiger Minderheitenauf-

rufe eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr. Querulatorische Aktionäre kön-

nen das Verfahren öffentlichkeitswirksam auf Kosten der Gesellschaft ausnutzen,

indem sie die Gesellschaft mit Anträgen überhäufen, die zwar keine Aussicht auf

ausreichende Unterstützung im Anlegerkreis haben, aber dennoch veröffentlicht

werden müssen.539

Anstatt den Gesellschaften im Zusammenhang mit dem Minderheitenschutz wei-

tere Veröffentlichungspflichten aufzuerlegen ist es sinnvoller, ihnen die Einrich-

tung eines elektronischen Diskussionsforums (Chat-Room) auf der offiziellen

Webseite vorzuschreiben.540 Dort können Aktionäre - eventuell durch Zu-

gangscodes und Aktionärsnummern legitimiert - im Vorfeld der Hauptversamm-

534 Habersack, ZHR 156 (2001), 172ff., 201.535 Siehe dazu oben 1. Kapitel.B.VI.536 Begr. RegE FormanpassungsG, BT-Drucksache 14/4987.537 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, S. D 3.43 RN 131; abrufbar

unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.538 Noack, ZGR 1998, 592ff., 613 unter Hinweis auf § 26 GO NRW.539 Kritisch auch Marsch-Barner, Vortrag auf dem Forum Praxis & Wissenschaft des DNotI

„Hauptverammlung der AG: Neue Medien und Rechtssicherheit“ am 27.4.2001 in Köln540 Balz, Die Tele-HV abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm;

Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 68.

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105

lung die Tagesordnungspunkte diskutieren und Allianzen bilden.541 Durch die

Einrichtung eines solchen Chat-Room entstehen der Gesellschaft keine hohen

Kosten und die Missbrauchsgefahr ist gering. Die Binnenkommunikation wird

somit nicht zu Lasten der Gesellschaft erleichtert, was die Akzeptanz bei Unter-

nehmen erhöht.542

G. Bevollmächtigung und Weisungserteilung

Üblicherweise erfolgt die Bevollmächtigung von Stimmrechtsvertretern und die

Erteilung von Weisungen im Vorfeld der Hauptversammlung. Gemäß § 134

Abs. 3 S. 1 AktG kann sich der Aktionär bei der Stimmrechtsausübung durch eine

Person seines Vertrauens vertreten lassen. Die Norm betrifft die individuelle

Stimmrechtsvertretung. Eine Sonderbestimmung zur Bevollmächtigung von Kre-

ditinstituten enthält § 135 AktG (Depotstimmrecht). Diesen weitgehend gleichge-

stellt sind Aktionärsvereinigungen, Geschäftsleiter und Angestellte im Falle der

Verwahrung von Aktien und Personen, die sich gegenüber Aktionären geschäfts-

mäßig zur Ausübung des Stimmrechts erbieten (§ 135 Abs. 9 AktG). Neu im Ak-

tienrecht geregelt, ist die Bevollmächtigung von Gesellschaftsvertretern (§ 134

Abs. 3 S. 3 AktG). Die Unterscheidung hinsichtlich der Person des Vertreters, ist

auch für den Einsatz moderner Kommunikationsformen bei der Vollmachts- und

Weisungserteilung zu beachten.

I. Individuelle Stimmrechtsvertretung

1. Elektronische Bevollmächtigung

Nach § 134 Abs. 3 S. 2 AktG a.F. war für die Erteilung der Vollmacht zwingend

die Schriftform erforderlich. Die Vollmachtsurkunde musste eigenhändig vom

Aussteller durch Namensunterschrift unterzeichnet sein (§ 126 BGB).543 Damit

wich das Aktienrecht vom Grundsatz in § 167 Abs. 2 BGB ab. Der Vertreter

musste diese Vollmacht nachweisen, indem er die Vollmachtsurkunde im Original

der Gesellschaft vorlegte, die sie in Verwahrung nahm und behielt (§ 134 Abs. 3

541 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 201.542 Vgl. Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-

hv.htm, der dies als Repräsentant der Deutschen Telekom AG ausdrücklich begrüßt.543 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 134 RN 43; Hüffer, AktG, § 134

RN 23.

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106

S. 3 AktG). Bestand im Zeitpunkt der Stimmrechtsausübung keine schriftliche

Vollmachtsurkunde, war die Bevollmächtigung gemäß § 125 S. 1 AktG nichtig

und die Stimmabgabe unwirksam.544 Diese gesetzlichen Bestimmungen machten

bisher eine Bevollmächtigung auf elektronischem Wege – z.B. per E-Mail - un-

möglich.545

Durch das NaStraG wird das Schriftformerfordernis gelockert. Das Gesetz sieht

nunmehr für die allgemeine Bevollmächtigung die schriftliche Form vor, wenn

die Satzung keine Erleichterung bestimmt (§ 134 Abs. 3 S. 2 AktG). Die Schrift-

fom wird somit satzungsdispositiv gestellt. Die Gesellschaften können jetzt ande-

re, die Vollmachtsausübung nicht behindernde Förmlichkeiten wählen.546 Mit

entsprechender Satzungsklausel ist daher eine Bevollmächtigung per E-Mail zu-

lässig.547 Denkbar ist auch, dass die Gesellschaften Eingabemasken auf ihrer

Homepage bereitstellen, in der Aktionäre Vollmachten per Mausklick erteilen.548

In der Satzung kann die Gesellschaft Art und Weise der elektronischen Bevoll-

mächtigung näher bestimmen.549 Eine ausschließliche Bevollmächtigung auf

elektronischem Wege darf sie jedoch nicht vorschreiben, da dies nicht für alle

Aktionäre leichter ist.550 Die Unternehmen haben bereits vor dem In-Kraft-Treten

des NaStraG auf die anstehende Änderung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG reagiert

und Vorratsbeschlüsse zur Satzungsänderung gefasst.551 Damit konnten sie bereits

in der Hauptversammlungssaison 2001die neu geschaffenen Möglichkeiten nut-

zen.552

Treffen die Gesellschaften keine Satzungsbestimmung, bleibt es grundsätzlich bei

der Schriftform. Nach dem am 01.08.2001 in Kraft getretenen FormAnpG kann

544 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 82 und § 135 RN 27; Semler in MünchHdb AG,

§ 38 RN 50; Eckardt in Geßler/Hefermehl(Eckardt/Kropff, AktG, § 134 RN 56; Hüffer,AktG, § 134 RN 23.

545 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 40; Noack inNoack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 28.

546 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.547 Die Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15, zählt beispielhaft Fax und Computer-

fax auf.548 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.549 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1686, unter Hinweis auf die Satzung der Siemens AG.550 Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 398.551 Z.B. Daimler Chrysler AG, Deutsche Telekom AG, vgl. Noack, ZIP 2001, 57ff., 58.552 Die Satzungsklausel der DaimlerChrysler AG lautet beispielsweise: „Der Aktionär kann

Stimmrechtsvollmacht in jeder gesetzlich zulässigen Form erteilen.“

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107

allerdings die elektronische Form die schriftliche Form ersetzen (§ 126 Abs. 3

BGB n.F.). Voraussetzung dafür ist, dass das elektronische Dokument mit einer

qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist

(§ 126a Abs. 1 BGB n.F.). Die Norm ist auf die allgemeine Stimmrechtsvollmacht

anwendbar, wenn sich aus § 134 Abs. 3 AktG nichts anderes ergibt. Zwar deutet

die explizite Satzungsregelung im neuen § 134 Abs. 3 S. 2 AktG darauf hin, dass

die elektronische Form gerade nicht der Schriftform entspricht.553 Mit der Formu-

lierung in § 126a Abs. 1 BGB n.F. „[...] wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes

ergibt“ meint der Gesetzgeber jedoch nicht Fälle, in denen das Gesetz Schriftlich-

keit anordnet, sondern nur Fälle, in denen die elektronische Form ausdrücklich

ausgeschlossen wird.

§ 126a BGB n.F. ist daher auch auf die allgemeine Vollmacht anwendbar.554 Den-

noch wird sich ohne Satzungsregelung die E-Mail-Bevollmächtigung kurzfristig

nicht durchsetzen können. Das Signaturgesetz555 verlangt eine Reihe von techni-

schen und organisatorischen Voraussetzungen, die einer massenhaften Verbrei-

tung der elektronischen Signatur noch entgegenstehen.556 Durch die Einführung

des Signaturgesetzes ist dennoch mittelfristig damit zu rechnen, dass sich die di-

gitale Signatur in der Praxis durchsetzt.557

2. Nachweis und Dokumentation

Als Folge der gelockerten Formvorschriften bei der Bevollmächtigung hat der

Gesetzgeber die bisher in § 134 Abs. 3 S. 3 AktG vorgeschriebene Vorlagepflicht

der Vollmachtsurkunde gestrichen. In der neuen Fassung der Vorschrift ist eine

Dokumentationspflicht ausdrücklich nur für die Bevollmächtigung eines Gesell-

schaftsvertreters vorgesehen.558 Fraglich ist daher, wie nach der Änderung des

§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG der Nachweis und die Dokumentation der allgemeinen

Vollmachtserklärung erfolgen kann. Die Nachweis-, Identifikations- und Doku-

mentationsfunktion der Schriftform ist bei elektronischen Vollmachten nicht ohne

553 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 432.554 Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, DStR 2001, 666ff., 668; Noack in Noack/Spindler, Unter-

nehmensrecht und Internet, S. 13ff., 29.555 Gesetz vom 22.5.2001, BGBl. I, S. 876.556 Siehe dazu oben 2. Kapitel.II.3.a).557 Roßnagel, NJW 2001, 1817ff., 1826.558 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses; BT-Drucks. 14/4618; Seibert, ZIP

2001, 53ff., 56.

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Weiteres zu gewährleisten.559 Der Gesetzgeber will entsprechende Regelungen

den Beteiligten überlassen.560 Vorschläge zur gesetzlichen Anordnung einer

Nachweispflicht hat er nicht übernommen.561 Die Gesellschaften werden jedoch

im Hinblick auf drohende Anfechtungsklagen an einem geeigneten Nachweiser-

fordernis interessiert sein und dies in der Satzung festlegen.562

Die Dokumentation einer elektronischer Vollmacht kann durch Speicherung auf

Datenträgern erfolgen.563 Damit ist die Stimmberechtigung des Bevollmächtigten

in der Hauptversammlung jederzeit nachprüfbar. Im Bedarfsfall kann die elektro-

nische Vollmacht ausgedruckt werden, um anderen Teilnehmern der Hauptver-

sammlung die Stimmberechtigung nachzuweisen. Die Dokumentation bei der Ge-

sellschaft setzt allerdings voraus, dass die elektronische Vollmacht als Außen-

vollmacht ihr gegenüber erklärt wird. Dies ist gemäß § 167 Abs. 1 BGB zulässig.

Der Aktionär erklärt dabei in einer E-Mail an die Gesellschaft, wen er mit der

Vertretung seines Stimmrechts in der Hauptversammlung beauftragen will. Die

Gesellschaft kann nun automatisch den Vertreter im (elektronischen) Teilnehmer-

verzeichnis erfassen und eine Eintrittskarte auf dessen Namen dem Aktionär zu-

senden.564

Im Falle einer Innenvollmacht ist dagegen die Gesellschaft nicht Empfänger der

elektronischen Erklärung und kann diese nicht durch Speicherung nachprüfbar

festhalten. Sie muss dann sicherstellen, dass der Vertreter seine Bevollmächtigung

nachweist, etwa durch Vorlage der digital signierten Vollmacht. Ohne Nachweis

kann die Gesellschaft den Vertreter entsprechend §§ 174, 180 BGB Regelung

zurückweisen. Ein gewisser Schutz vor Missbrauch ergibt sich auch aus § 405

Abs. 3 Nr. 1 AktG, demzufolge die fälschliche Behauptung der Bevollmächtigung

mit einer Geldbuße bewehrt ist.565

Für die Gesellschaften empfiehlt es sich, ein Nachweiserfordernis in die Satzung

559 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 15.560 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucksache 14/4051, S. 15.561 Stellungnahme des BR: BR-Drucksache 308/00 v. 14.7.2000; dazu Gegenäußerung der

BReg. BT-Drucks. 14/4051; Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DeutschenAnwaltvereins, NZG 2000, 443ff., 447; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 432.

562 Noack, ZIP 2001, 57ff., 58; vgl. auch Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses desDeutschen Anwaltvereins, NZG 2000, 443ff., 447.

563 Weber, NZG 2001, 337ff., 343.564 Vgl. das Beispiel bei Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 581.565 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16; skeptisch: Stellungnahme des Handels-

rechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2000, 443ff., 447

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aufzunehmen.566 Die Zulässigkeit einer derartigen Satzungsbestimmung ist dem

Wortlaut des § 134 Abs. 1 S. 2 AktG n.F. nicht ohne weiteres zu entnehmen. Die

Norm lässt in der Satzung nur eine Erleichterung der Schriftform zu. Ein Nach-

weiserfordernis muss aber für den Aktionär nicht immer leichter sein. Die Vor-

schrift kann jedoch nicht so ausgelegt werden, dass sie Gesellschaften zwingt,

einen Vertreter zur Hauptversammlung zuzulassen, ohne dessen Bevollmächti-

gung überprüfen zu können.567 Daher ist die Regelung einer Nachweispflicht in

der Satzung zulässig. Den insoweit wenig eindeutigen Wortlaut der Vorschrift

sollte der Gesetzgeber bei Gelegenheit neu formulieren.

3. Legitimation

Für die Legitimation des vollmachterteilenden Aktionärs kommen verschiedene

Möglichkeiten in Betracht. Die Begründung zum NaStraG hält das im Online-

Banking bewährte System der Vergabe von Geheimnummern (PIN) und Transak-

tionsnummern (TAN) für ausreichend.568 Dabei werden dem Aktionär im Vorfeld

der Hauptversammlung (etwa im Rahmen der Anmeldung) Benutzername („User-

ID“) und Geheimnummern (PIN/TAN)569 per E-Mail oder postalisch mitgeteilt,

mit denen sich der Aktionär bei der Bevollmächtigung identifiziert. Für Namens-

aktionäre ist auch eine Zuordnung über Aktionärsnummern und Passwörter mög-

lich. Damit besteht ein zuverlässiger Sicherheitsstandard.570

Höhere Sicherheit bietet das HBCI-Verfahren (Homebanking-Computer-

Interface), ein von der deutschen Kreditwirtschaft entwickelter Standard, der den

Austausch von Daten regelt.571 Als Legitimationsmedium wird dabei anstelle von

PIN und TAN die elektronische Signatur mit einem Passwort oder einer PIN ver-

wendet. Der Aktionär benötigt allerdings zusätzliche Hard- und Software (Chip-

kartenleser mit entsprechender Treibersoftware) um das Verfahren nutzen zu kön-

566 Die entsprechende Satzungsbestimmung der Deutschen Telekom AG lautet beispielsweise:

„Der Aktionär kann Stimmrechtsvollmachten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriftenauch im Wege elektronischer Post (E-Mail) mit einem von der Gesellschaft zu bestimmendenüblichen Echtheitsnachweis erteilen.“

567 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 31.568 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.569 PIN = Persönliche Identifikationsnummer; TAN = Transaktionsnummer.570 Vgl. Finanztest Heft 1/2000, S. 17; Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B

575.571 Stockhausen, WM 2001, 605ff.

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nen.572 Gleiches gilt für die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signa-

tur nach dem SigG.573 Mit deren zunehmender Verbreitung wird aber in naher

Zukunft ein höchstmöglicher Sicherheitsstandard zur Verfügung stehen.

4. Erlöschen der elektronischen Vollmacht

Das Erlöschen der elektronischen Vollmacht richtet sich nach ihrem Inhalt. Es

bestehen insoweit keine Besonderheiten gegenüber der schriftlichen Vollmacht.

Der Aktionär kann seine Stimmrechtsvollmacht formlos widerrufen.574 Der Wi-

derruf ist jederzeit möglich, es sei denn aus dem der Vollmacht zugrundeliegen-

den Rechtsverhältnis ergibt sich etwas anderes (§ 168 S. 2 BGB). Als actus con-

trarius zur elektronischen Erteilung ist somit der elektronische Widerruf per E-

Mail zulässig. Dieser kann gegenüber dem Vertreter und der Gesellschaft erklärt

werden (§ 168 S. 2 i.V.m. § 167 Abs. 1 BGB). Das schließt auch die Möglichkeit

ein, eine Außenvollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten zu widerrufen.575 In

einem solchen Fall wird die Gesellschaft aber über § 170 BGB geschützt, demzu-

folge die Vollmacht solange in Kraft bleibt, bis der Aktionär das Erlöschen an-

zeigt.576 Diese Erlöschungsanzeige ist ebenfalls formlos möglich, so dass eine E-

Mail an die Gesellschaft genügt.

5. Elektronische Weisungserteilung

Der Aktionär kann seinem Vertreter nach den allgemeinen zivilrechtlichen Be-

stimmungen (§ 662 ff. BGB) Weisungen für die Stimmrechtsausübung erteilen.577

Das Aktiengesetz trifft dafür keine speziellen Regeln. Die Weisungserteilung ist

nicht an eine Form gebunden. Der Aktionär kann daher seinem Vertreter auch per

E-Mail Direktiven für die Stimmabgabe geben.578 Auch zeitlich ist der Aktionär

nicht eingeschränkt. Zwar werden die Weisungen in der Regel bereits vor der

Hauptversammlung erteilt. Zulässig sind Direktiven jedoch auch noch unmittelbar

vor der Abstimmung. Dies praktizieren derzeit bereits Großaktionäre, die ihre

572 Stockhausen, WM 2001, 605ff., 608.573 Siehe dazu oben 2. Kapitel.B.1.574 Hüffer, AktG, § 135 RN 23.575 Leptien in Soergel, BGB, § 168 RN 19.576 Eckardt in Geßler/Hefermehl(Eckardt/Kropff, AktG, § 134 RN 55.577 Zu den zivilrechtlichen Grundlagen vgl. Henssler, ZHR 1993, 91ff., 97ff.578 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 41; Riegger/Mutter,

ZIP 1998, 637ff., 639.

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111

Stellvertreter in der Präsenzversammlung über Telefon anweisen.579 Wenn der

Vertreter im Versammlungssaal über einen mobilen Internet-Zugang verfügt (z.B.

Laptop-Computer), kann daher der Anleger elektronische Weisungen während der

Hauptversammlung erteilen und damit auf aktuelle Entwicklungen reagieren.

II. Im Besonderen: Bevollmächtigung von Gesellschaftsvertretern

Durch das NaStraG werden erstmals im deutschen Aktienrecht „von der Gesell-

schaft benannte Stimmrechtsvertreter“ erwähnt (§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG n.F.).

Diese zu Recht als „sensationell“580 zu bezeichnende Neuerung wurde erst „in

letzter Minute“ auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages in den Re-

gierungsentwurf zum NaStraG aufgenommen.581 Sie führt nach Ansicht des Ge-

setzgebers zu einem Abstimmungsverfahren in Deutschland, das dem anglo-

amerikanischen Proxy-Voting System ähnelt.582

Wie die Neuregelung in § 134 Abs. 3 S. 3 AktG auszulegen ist und ob das Aktien-

recht der Tätigkeit eines „Gesellschaftsvertreters“ Schranken auferlegt, bedarf

einer näheren Untersuchung. Dabei ist zunächst auf die jahrzehntelange Diskussi-

on in der Wissenschaft zum Verwaltungsstimmrecht und auf die (ersten) Erfah-

rungen mit gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretern in der Unternehmenspraxis

einzugehen. Da die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das US-amerikanische

Recht verweist, ist zudem ein kurzer Überblick über das dortige Proxy-System

erforderlich.

1. Verwaltungsstimmrecht vor NaStraG

Im Aktiengesetz war bislang eine Stimmrechtsvertretung durch die Gesellschaft

nicht geregelt. Nur in § 135 Abs. 1 S. 2 AktG fanden sich Vorgaben für den Fall,

dass ein bevollmächtigtes Kreditinstitut das Stimmrecht auf der eigenen Haupt-

versammlung ausübt. Dem Wortlaut des § 134 Abs. 3 AktG a.F. war keine Ein-

schränkung hinsichtlich der Person des Vertreters zu entnehmen. Dennoch wurde

579 Noack in FS Lutter, 2001, S. 1463ff., 1481.580 So Seibert, ZIP 2001, 53ff., 55.581 Siehe zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens Seibert, ZIP 2001, 53ff.582 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 15.11.2000; BT-Drucks.

14/4618, S. 14.

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112

nach einem Vorstoß Wiethlölters583 aus dem Jahre 1961 in der Wissenschaft eine

lebhafte Diskussion um die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungs-

stimmrechts geführt. Einige Unternehmen wagten in der Praxis den Einsatz ge-

sellschaftsnaher Stimmrechtsvertreter auf der Hauptversammlung. Dies führte in

einem Fall zu einer viel beachteten gerichtlichen Auseinandersetzung.

a) Diskussion in der Wissenschaft

Die Diskussion in der Wissenschaft um die Zulässigkeit eines „Verwaltungs-

stimmrechts“ drehte sich mangels konkreter Gesetzesvorgaben in erster Linie um

allgemeine Grundsätze des deutschen Aktienrechts.584 Dabei wurde allerdings der

Begriff „Verwaltungsstimmrecht“ nicht immer einheitlich verwandt. Zu unter-

scheiden ist zwischen der Bevollmächtigung der Gesellschaft als juristischer Per-

son, der Bevollmächtigung ihrer Organe und der Bevollmächtigung einzelner

Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder.585

Die ganz überwiegende Ansicht lehnte jedenfalls die Vollmachtserteilung an die

Gesellschaft oder ihre Organe ab.586 Zur Begründung verwies sie auf den Rechts-

gedanken des § 136 Abs. 2 AktG.587 Die der Norm zugrundeliegende Wertung sei

auch auf die Stimmrechtsausübung durch die Gesellschaft übertragbar, da sich

diese von der vertraglichen Verpflichtung, nach Weisung der Gesellschaft zu

stimmen, nicht unterscheide.588 Derselbe Rechtsgedanke sei der Regelung in

§§ 71 b, 71 d S. 2 und 4 AktG zu entnehmen.589 Aus diesen Vorschriften gehe die

Intention hervor, das aktienrechtliche Grundprinzip der Gewaltenteilung so weit-

gehend wie möglich zu erhalten.590 Die Stimmrechtsausübung durch die Gesell-

schaft oder ihre Organe führe zu einem unerwünschten Machtzuwachs der Ver-

waltung und damit zu einer Verschiebung der innergesellschaftlichen Kompe-

583 Wiethölter, Interessen und Organisation der AG, 1961, S. 334ff.584 Überblick über die Diskussion bei Noack in FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1475ff.585 Vgl. Schilling in FS Möhring, 1975, S. 257ff., 258.586 Hüffer, AktG, § 134 RN 25, § 135 RN 8, § 136 RN 25; Zöllner in Kölner Komm. AktG,

§ 134 RN 79; Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 610f.; Zöllner in FS Peltzer, 661ff.,664; Lutter in Kölner Komm. AktG, § 71b RN 9; Semler in MünchHdb AG, § 38 RN 52;Henn, Handbuch des Aktienrechts, RN 710; Möhring in FS Geßler, S. 127ff., 133ff.; § 136Abs. 2 AktG war bis 1982 wortgleich in § 136 Abs. 3 AktG normiert.

587 Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 610; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134RN 79; Hüffer, AktG, § 134 RN 25; Semler in MünchHdb AG, § 38 RN 52; Behnke, NZG2000, 665ff., 671.

588 Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 610.589 K. Schmidt, GesR, § 28 IV 4 c; Singhof, NZG 1998, 670ff. 673.

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tenzverteilung.591

Demgegenüber hielten andere Stimmen in Anlehnung an § 135 Abs. 1 S. 2 AktG

die Bevollmächtigung der Gesellschaft oder ihrer Organe jedenfalls dann für zu-

lässig, wenn der Aktionär eine ausdrückliche Weisung erteilt hat.592 Diese Ansicht

ging davon aus, dass § 135 Abs. 1 S. 2 AktG ein übergreifendes Prinzip für die

Stimmrechtsvertretung enthält.593 Da die Bevollmächtigung der Gesellschaft oder

ihrer Organe im Gesetz nicht geregelt ist, bestehe insoweit eine Regelungslücke,

die wegen der tatbestandlichen Gleichartigkeit durch eine Analogie zu § 135

Abs. 1 S. 2 AktG ausgefüllt werden könne.594

Auch nach der herrschenden Ansicht nicht grundsätzlich ausgeschlossen sollte

allerdings eine Vollmachtserteilung an einzelne Vorstands- oder Aufsichtsrats-

mitglieder sein.595 Dies gelte zumindest dann, wenn das einzelne Mitglied im Fall

der Stimmrechtsvertretung als Privatperson handle. Wenn allerdings das Verwal-

tungsmitglied in die von der Gesellschaft organisierte Stimmrechtsvertretung ein-

gebunden ist, komme eine Bevollmächtigung nicht in Betracht.596

b) Erfahrungen in der Praxis

In der Praxis sind neue Gestaltungen der organisierten Stimmrechtswahrnehmung

getestet worden. Bereits 1974 beschäftigte sich das Landgericht Stuttgart mit der

Stimmrechtsvertretung durch die Gesellschaft auf der eigenen Hauptversamm-

lung.597 Das Gericht erkannte in § 135 Abs. 1 S. 2 AktG einen Indiz für die gene-

relle Zulässigkeit einer Verwaltungsvollmacht und sah die weisungsgebundene

Stimmrechtsvertretung als zulässig an.598

590 Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 606; zuletzt Zöllner in FS Peltzer, 661ff., 664.591 Möhring in FS Geßler, S. 127ff., 135; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1565f.; Zöllner in FS

Westermann, 1974, S. 603ff., 606; zuletzt Zöllner in FS Peltzer, 661ff., 664.592 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 255ff., 267; Dreher/Schnorbus, EWiR 1998, 675f., 676;

zuletzt auch Noack in FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1477; mit Bedenken auch Bachmann, WM1999, 2100, 2107.

593 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 255ff., 267.594 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 255ff., 267.595 Möhring in FS Geßler, S. 127ff., 134; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 79; Hüffer,

AktG, § 134 RN 25; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 134 RN 37; vorsichtigerist Behnke, NZG 2000, 665ff., 671.

596 Dies jetzt klarstellend: Zöllner in FS Peltzer, 661ff., 665.597 LG Stuttgart, AG 1974, 260f.

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Für große Beachtung und ein Gerichtsverfahren sorgte das „Treuhand-Modell“

der Deutschen Telekom AG auf der Hauptversammlung 1997. Den Aktionären

bot sich eine von der Gesellschaft benannte und bezahlte Wirtschaftsprüfungsge-

sellschaft als treuhänderischer Stimmrechtsvertreter an.599 Die dagegen erhobene

Klage wiesen das LG Baden-Baden600 in erster und das OLG Karlsruhe601 in

zweiter Instanz mit der Begründung ab, dass das „Treuhand-Modell“ unter Be-

achtung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich zulässig sei. Erforderlich sei

aber eine ausdrückliche Weisung des Aktionärs zu den einzelnen Gegenständen

der Tagesordnung unter Verwendung neutral gestalteter Vollmachtsformulare, die

nicht das Abstimmen im Sinne der Verwaltung gegenüber anderen Optionen er-

leichtern.602

Motiviert durch diese Erfahrung der Deutschen Telekom AG haben auch andere

Unternehmen neue Modelle der Stimmrechtsvertretung eingesetzt. So boten in der

Hauptversammlungssaison 2000 die DaimlerChrysler AG, die Siemens AG und

die Deutsche Bank AG die Wahrnehmung der Stimmrechte durch Angestellte der

Gesellschaft als besonderen Service an.603 Die Gesellschaften verwendeten dabei

maschinenlesbare Weisungsformulare, auf denen der Aktionär für jeden Tages-

ordnungspunkt jeweils ja, nein und Enthaltung ankreuzen konnte.604 Gerichtliche

Entscheidungen liegen zu dieser Vorgehensweise, soweit ersichtlich, nicht vor.

2. US-amerikanisches Proxy-Voting605

Die Bevollmächtigung der Verwaltung oder ihr nahestehender Personen ist bei der

Stimmrechtsvertretung in den USA bereits seit langem zulässig und üblich.606 Mit

598 LG Stuttgart, AG 1974, 260f., 261.599 Bachmann, WM 1999, 2100, 2106; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff.600 LG Baden-Baden, ZIP 1998, 1308ff.601 OLG Karlsruhe, ZIP 1999, 750ff.602 OLG Karlsruhe, ZIP 1999, 750ff., 752f.603 Vgl. Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 42; Noack in FS

Lutter, 2000, S. 1463ff., 1474.604 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 43.605 Da dies keine rechtsvergleichende Arbeit ist, wird hier nur ein kurzer Überblick über das US-

Recht gegeben, soweit er für den Fortgang der Untersuchung erforderlich ist; ausführlichzum Proxy System: Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 633ff.; Tuerks, De-potstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 73ff., Wohlwend, HV im Wandel der Kommu-nikationsformen, S. 26ff.; Spindler/Hüther, RIW 2000, 329ff.; Zätsch/Gröning, NZG 2000,393ff., 399ff.; Hüther, AG 2001, 68ff., 73f.

606 Zur historischen Entwicklung des proxy-systems in den USA vgl. Tuerks, Depotstimmrechtversus U.S.-proxy-system, S. 73ff.

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dem System des „Proxy-Voting“ wird auch im US-amerikanischen Recht ver-

sucht, die geringe Präsenz auf den shareholder`s meetings amerikanischer Unter-

nehmen zu kompensieren.607 Dabei ist zu beachten, dass das deutsche Leitbild

einer Präsenz-Hauptversammlung in der US-Praxis eher fremd ist und die weit

überwiegende Zahl der Aktionäre ihre Rechte per proxy ausüben.608 Der Begriff

„proxy“ bezeichnet dabei sowohl die Vollmachtsurkunde bzw. die Vollmacht als

auch den Vollmachtnehmer.609 Geregelt wird das proxy-voting-system von der

Securities and Exchange Commission (SEC)610, einer Bundesbehörde, die detail-

lierte Bestimmungen (SEC Rules) auf Grundlage des vom Bundesgesetzgeber im

Jahre 1934 erlassenen Securities Exchange Act geschaffen hat.611 Daneben beste-

hen aber auch proxy-Regelungen der einzelnen Bundesstaaten.

Der Aktionär eines US-amerikanischen Unternehmens kann nicht nur die Ver-

waltung, sondern grundsätzlich jeden mit der Stimmrechtsausübung beauftra-

gen.612 Gewöhnlicherweise erteilt er allerdings dem Management oder einem ihr

nahestehendem proxy committee Vollmacht.613 Das hängt mit der Besonderheit

der proxy solicitation, dem Werben der Gesellschaft um Stimmrechtsvollmachten,

zusammen.614 Dazu senden die Gesellschaften den Aktionären vorgedruckte proxy

cards (Vollmachtsformulare) zu, in denen sie um die Erteilung einer proxy bit-

ten.615 Anders als in Deutschland bewerben sich hier die Stimmrechtsvertreter bei

den Aktionären und nicht umgekehrt.616

Die proxy solicitation ist den strengen Regeln der SEC-Rules unterworfen. Da-

607 Spindler/Hüther, RIW 2000, 329ff., 330.608 Auf dem letzten shareholder meeting der Chrysler Corp. vor der Fusion mit Daimler waren

nur 139 Aktionäre präsent, 440 000 übten ihre Rechte per proxy aus; BörsenZ v. 31.10.1998und Die Welt v. 12.2.1999; vgl. auch Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsfor-men, S. 26; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 400.

609 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 633; Wohlwend, HV im Wandel derKommunikationsformen, S. 28.

610 http://www.sec.gov.html.611 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 635; Wohlwend, HV im Wandel der

Kommunikationsformen, S. 26ff.612 Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 77.613 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 633; Tuerks, Depotstimmrecht versus

U.S.-proxy-system, S. 77.614 SEC-Rule 14a-1; vgl. Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 78f.; Merkt,

US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 633; Wohlwend, HV im Wandel der Kommuni-kationsformen, S. 33ff.

615 Muster einer proxy card bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Anhang 2,S. 800f. und Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 81.

616 Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 78.

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nach muss die Gesellschaft den Aktionären umfassende Mitteilungen in einem

proxy statement machen. Inhalt dieses proxy statement sind alle im Zusammen-

hang mit der Stimmrechtsausübung relevanten Informationen (z.B. Angaben zum

Stimmrechtswerber, Hinwiese auf potentielle Interessenkonflikte, Finanzierung

der proxy solicitation, Einzelheiten zu Beschlüssen, Rechtsbelehrungen).617 Führt

die Gesellschaft die Stimmrechtswerbung zugunsten des Management, muss sie

dem Aktionär zusätzlich noch einen annual report (Jahresbericht) zusenden, der

eine geprüfte Jahresbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung enthält.618 Diese

umfassende Informationspflicht, soll den Aktionär in die Lage versetzen, Voll-

macht und Weisungen interessengerecht zu erteilen.619

Bevor die Gesellschaften den Aktionären das proxy statement und den annual

report zusenden, müssen sie diese Unterlagen zur Kontrolle bei der SEC einrei-

chen.620 Die Behörde überprüft die Dokumente auf Verstöße gegen die sog. fraud

rule.621 Nach dieser Regel darf das proxy material in keinem wesentlichen Punkt

(material fact) falsch oder auch nur irreführend (false or misleading) sein.622 Bei

Verstößen gegen die fraud-rule kann die SEC im Rahmen ihrer Klagebefugnis vor

Gericht eine ganze Fülle von Sanktionen gegen die Gesellschaften erwirken.623

Diese reichen von der Untersagung der Versendung des proxy material, der Un-

gültigkeit der Vollmacht, der Beseitigung eingetretener Schäden, bis zur Verle-

gung des Hauptversammlungstermins. Als ultima ratio kann sogar die Abhaltung

eines neuen shareholder`s meeting zwecks erneuter Beschlussfassung angeordnet

werden.624 Zudem haben auch Aktionäre selbst die Möglichkeit, gegen eine Be-

schluss zu klagen.625

Treten neben dem Management weitere Stimmrechtswerber - in der Regel oppo-

617 SEC-Rule 14a-3(a); der Inhalt des proxy-statements richtet sich nach dem ausführlichen sog.

Schedule A; vgl. Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 82ff.; Spind-ler/Hüther, RIW 2000, 329ff., 330, FN 31.

618 SEC-Rule 14a-3(b)-(e); Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 85; Spind-ler/Hüther, RIW 2000, 329ff, 330.

619 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 639.620 SEC-Rule 14a-6; Spindler/Hüther, RIW 2000, 329ff., 331; Merkt, US-amerikanisches Ge-

sellschaftsrecht, RN 638; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 34f.621 SEC-Rule 14a-9.622 Vgl. Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 85; Spindler/Hüther, RIW 2000,

329ff., 331.623 Ausführlich dazu: Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 109ff.; Merkt, US-

amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 643ff.624 Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 110.

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nierende Aktionärsgruppen - auf, kommt es zu einem proxy contest oder proxy

fight (Stimmrechtskampf).626 Hierbei sammeln die solicitors, einem politischen

Wahlkampf ähnlich, bei den Aktionären proxies ein. Auch die konkurrierenden

Stimmrechtswerber unterliegen dabei den Bestimmungen der SEC. Um Chancen-

gleichheit im Stimmrechtskampf zu gewährleisten, bestehen für den proxy contest

zusätzliche umfassende SEC-Regeln.627 So fördert die s h a reholder-

communication-rule die Binnenkommunikation der Aktionäre, indem sie den

konkurrierenden Stimmrechtswerbern den Anspruch auf Aushändigung eine Liste

sämtlicher Aktionären gibt, um diesen das proxy material zusenden zu können.628

Dieser kurze Überblick zeigt, dass das US-amerikanische Proxy-System detail-

lierten Regeln und einer strengen Kontrolle unterliegt. Dabei steht insbesondere

die ausreichende Unterrichtung der Aktionäre im Vordergrund. Da nur ein

Bruchteil der Anleger die Hauptversammlungen besuchen, kommt dem Werben

um Stimmrechtsvollmachten eine besondere Bedeutung zu. Der Stimmrechts-

kampf ersetzt häufig die Auseinandersetzung auf den Aktionärstreffen und sorgt

dafür, dass Ergebnisse bereits im Vorfeld feststehen.629

3. Die Regelung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG n.F.

Ob mit der Neufassung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG tatsächlich auch in Deutsch-

land ein dem Proxy-System vergleichbares Abstimmungsverfahren möglich ist

erscheint zweifelhaft. Im Vergleich zu den SEC-Rules ist die neue Bestimmung

jedenfalls äußerst knapp. In der Fassung des NaStraG lautet sie jetzt:

„Werden von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter bevollmächtigt, so

ist die Vollmachtserklärung von der Gesellschaft drei Jahre nachprüfbar festzu-

halten; § 135 Abs. 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.“

Die Norm setzt damit die Bevollmächtigung eines von der Gesellschaft benannten

Stimmrechtsvertreters als zulässig voraus. Dies ist angesichts der jahrzehntelan-

625 Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 106ff.626 Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, RN 658ff.627 SEC-Rule 14a-11; Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 88ff.; Wohlwend,

HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 36f.628 SEC-Rule 14a-7; Tuerks, Depotstimmrecht versus U.S.-proxy-system, S. 87.629 Spindler/Hüther, RIW 2000, 329ff., 335f.

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gen Diskussion um eine gesellschaftsnahe Stimmrechtsvertretung überraschend.

Dennoch steht jetzt die grundsätzliche Zulässigkeit der Benennung eines Stimm-

rechtsvertreters durch die Gesellschaft ausdrücklich fest.630

Die Norm nimmt weder in personeller, noch in sachlicher Hinsicht Einschränkun-

gen vor. Sie verpflichtet die Gesellschaften nur die Vollmacht zu Dokumentati-

onszwecken drei Jahre nachprüfbar festzuhalten. Außerdem stellt sie klar, dass die

Stimmrechtsvertretung auch im Namen des Aktionärs, den es angeht, entspre-

chend § 135 Abs. 4 S. 1 bis 3 AktG erfolgen kann. Damit ist jedoch nicht die Fra-

ge beantwortet, ob aus übergeordneten Gesichtspunkten eine einschränkende In-

terpretation der Vorschrift angezeigt ist.631 Eine solche Einschränkung könnte

einerseits die Person des Gesellschaftsvertreters betreffen. Andererseits kommt

eine entsprechende Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG in Betracht.

a) Person des Gesellschaftsvertreters

Das Gesetz schreibt der Gesellschaft nicht vor, wen es als Stimmrechtsvertreter

benennt. Nach dem Wortlaut kommen daher die Gesellschaft selbst, ihre Organe,

einzelne Organmitglieder, ein Stimmrechtskomitee632 oder Angestellte der Gesell-

schaft als Vertreter in Betracht. Als externe Gesellschaftsvertreter sind Wirt-

schaftsprüfungsgesellschaften,633 Rechtsanwälte oder Hauptversammlungs-

Dienstleister denkbar. Dem Einsatz dieser „Personen“ stehen aber mehr oder we-

niger schwere Bedenken entgegen. Fraglich ist, ob diese Bedenken auch nach dem

neuen Wortlaut der Vorschrift zu einem Ausschluss als Stimmvertreter führen

können.

aa) Gesellschaftsinterner Stimmrechtsvertreter

Zunächst muss klargestellt werden, dass eine Bevollmächtigung des Vorstands

oder des Aufsichtsrats in ihrer Funktion nicht zulässig ist, da die Organe der Ge-

630 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 187; Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; Riegger, ZHR

165 (2001), 204ff., 213; Noack, ZIP 2001, 57ff., 61; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 56; Claussen,AG 2001, 161ff., 169; Hanloser, NZG 2001, 355ff., 355; Zetzsche, 682ff., 684; Goedecke,BB 2001, 369ff., 371.

631 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 187.632 So die Praxis bei der Celanese AG auf der Hauptversammlung 2000; vgl. Heise in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, 51ff., 54.633 Wie beim Treuhand-Modell der Deutschen Telekom AG, siehe oben 3. Kapitel.G.II.1.b).

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sellschaft mangels Rechtsfähigkeit nicht Träger von Rechten und Pflichten sein

können.634 Grundsätzlich zulässig ist aber die Bevollmächtigung einzelner Or-

ganmitglieder, aller Organmitglieder als Gremium635 oder der Gesellschaft als

juristischer Person.

Hiergegen wird aber seit jeher der § 136 Abs. 2 und § 71 b und d AktG zu Grunde

liegende Rechtsgedanke angeführt.636 § 136 Abs. 2 AktG besagt, dass Stimmbin-

dungsverträge, durch die sich ein Aktionär verpflichtet, nach Weisung der Gesell-

schaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats abzustimmen, nichtig sind. Der Ge-

setzgeber wollte damit verhindern, dass die Verwaltung in der Hauptversammlung

für ihr genehme Abstimmungsergebnisse sorgt.637 Diese Gefahr besteht auch bei

der Vollmachtserteilung an die Gesellschaft, so dass sich der Rechtsgedanke hier

anwenden lässt.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Bei einem Stimmbindungs-

vertrag verpflichtet sich der Aktionär nach Weisung der Verwaltung abzustim-

men, somit deren Abstimmungsvorschläge zu unterstützen.638 Erteilt der Aktionär

aber eine Vollmacht zur Stimmrechtsausübung, kann er entsprechend dem der

Bevollmächtigung zu Grunde liegenden Rechtsgeschäft (Auftrag), seinem Ver-

treter Weisungen für die Stimmrechtsausübung erteilen.639 Er muss dann nicht den

Verwaltungsvorschlägen folgen, sondern kann für ein der Gesellschaft nicht ge-

nehmes Abstimmungsergebnis sorgen. Die Interessenlagen sind daher nicht inso-

weit vergleichbar, als dass sich aus § 136 Abs. 2 AktG ein zwingendes Vertre-

tungsverbot für die Gesellschaft, den Vorstand oder den Aufsichtsrat ergibt.

Ein solches Verbot ist auch nicht den §§ 71 b, 71 d AktG zu entnehmen. Die Vor-

schrift verbietet der Gesellschaft aus eigenen oder von abhängigen Gesellschaften

gehaltenen Aktien, mitgliedschaftliche Rechte auszuüben. Schon die systemati-

sche Stellung belegt, dass die Norm vornehmlich der Kapitalerhaltung dient.640

634 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 257ff., 258; Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 664; Hüf-

fer, AktG, § 136 RN 26.635 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 257ff., 258.636 Siehe die Darstellung der herrschenden Meinung 3. Kapitel.G.II.1.a); so auch zuletzt Kindler,

NJW 2001, 1678ff., 1687.637 Kropff, AktG, S. 201.638 Hüffer, AktG, § 136 RN 27.639 Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1476; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1566.640 v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1566; Hanloser, NZG 2001, 355ff., 356; Noack in FS Lutter,

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Sie ist auf die besondere Problematik des Erwerbs eigener Aktien ausgerichtet

und nicht auf die Stimmrechtsausübung bei fremden Aktien übertragbar. Schließ-

lich eignet sich auch § 136 Abs. 1 AktG nicht für ein allgemeines Vertretungsver-

bot. Die Norm enthält Stimmverbote für Aktionäre (und deren Vertreter) bei ka-

suistisch ausgeprägten Interessenkollisionen.641 Als Ausformung des Verbots

„Richter in eigener Sache“ zu sein, bezweckt §136 Abs. 1 AktG, Sonderinteressen

der Aktionäre zu neutralisieren.642 Eine generelle Erweiterung auf andere Interes-

senkollisionen ist wegen der einzelfallbezogenen Fassung nicht zulässig.643

Dem Aktienrecht ist somit ein konkretes Verbot der Stimmrechtsvertretung durch

die Gesellschaft, ihre Organe oder Organmitglieder nicht zu entnehmen. Dennoch

verursacht die Vorstellung, dass der Vorstand kraft Vollmacht über seine eigenen

Vorschläge abstimmt, Unbehagen.644 Es liegt auf der Hand, dass der Vertreter

dabei zwangsläufig in Interessenkonflikte gerät. Sammelt die Gesellschaft nach

amerikanischem Vorbild massenhaft fremde Stimmrechte ein, wächst ihr ein be-

denkliches Machtpotential zu. Das Aktienrecht ist geprägt vom Grundprinzip der

Gewaltenteilung, die vor allem in einer strengen Kompetenzabgrenzung zum

Ausdruck kommt.645 Die Organe kontrollieren sich gegenseitig. Nicht nur den

eben genannten Vorschriften (vor allem § 136 Abs. 2 AktG), sondern auch einer

Reihe weiterer Normen (§§ 84, 101 Ans. 1, 105 Abs. 1, 111 Abs. 4, 119 Abs. 1

AktG) ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, diese Machtbalance sicherzustel-

len.646 Eine Verschiebung zu Lasten der kapitalgebenden Aktionäre droht, wenn

die Gesellschaft oder der Vorstand die Möglichkeit erhält, Beschlussfassungen in

der Hauptversammlung zu beeinflussen.

Dabei macht es - entgegen der bislang herrschenden Meinung647 - keinen Unter-

2000, 1463ff., 1475.641 Anders aber Möhring in FS Geßler, S. 127ff., 134 und zuletzt Behnke, NZG 2000, 665ff.,

671.642 Hüffer, AktG, § 136 RN 1 und 3; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 136 RN 2; K. Schmidt,

GesR, § 28 IV b dd.643 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 136 RN 26; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff,

AktG, § 136 RN 11; Hüffer, AktG, § 136 RN 18; konkret für die Bevollmächtigung auchNoack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1476; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1566.

644 Bachmann, WM 1999, 2100, 2104.645 K. Schmidt, GesR, § 26 IV 2.646 Hüffer, AktG, § 119 RN 1; Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 606; Zöllner in FS

Peltzer, 2001, 661ff., 664.647 Möhring in FS Geßler, S. 127ff., 134; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 79; Hüffer,

AktG, § 134 RN 25; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 134 RN 37; Behnke,

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schied, ob die Gesellschaft, der Gesamtvorstand als Gremium oder einzelne Or-

ganmitglieder bevollmächtigt werden.648 Auch wenn Organmitglieder keinen

Weisungen der Gesellschaft unterliegen, geraten sie als benannter Stimmrechts-

vertreter in Interessenkonflikte. Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich ein Vor-

standsmitglied von den Vorstellungen des Gesamtvorstandes nicht beeinflussen

lässt.649

Noch deutlicher ist das Konfliktpotential bei Angestellten der Gesellschaft. Sie

sind weisungsgebunden und unterliegen den arbeitsvertraglichen Treuepflichten

gegenüber ihrem Arbeitgeber. Diese kollidieren geradezu zwangsläufig mit der

Bindung an die Weisung des Aktionärs gemäß § 665 S. 1 BGB.650 Selbst wenn

der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht vertraglich verzichtet und sich eine di-

rekte Einflussnahme verhindern ließe, wäre nicht auszuschließen, dass der Mitar-

beiter in einer Art “vorauseilendem Gehorsam“ für ein gesellschaftsfreundliches

Abstimmungsergebnis sorgen würde. Dabei ist für die Manipulationsgefahr uner-

heblich, aus welcher Unternehmensebene der Mitarbeiter stammt und ob er für

seine Stimmrechtstätigkeit eine zusätzliche Vergütung erhält.651

bb) Externe Stimmrechtsvertreter

Anders ist die Situation bei externen, von der Gesellschaft beauftragten Stimm-

rechtsvertretern, die wirtschaftlich und rechtlich unabhängig von der Gesellschaft

sind und keinen Weisungen des Vorstands unterliegen. Insbesondere für zur Ver-

schwiegenheit verpflichteten Personen wie Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte

spricht eine Neutralitätsvermutung. Dennoch sieht die herrschende Ansicht keinen

Unterschied zwischen der Beauftragung externer Stimmrechtsvertreter und dem

Einsatz von Gesellschaftsmitarbeitern.652 In beiden Fällen sei die Beeinflussungs-

NZG 2000, 665ff., 671; differenzierter jetzt aber Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 665.648 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 185; Schieber, Die

dezentrale HV, S. 118.649 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 664.650 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; Schieber, Die dezentrale HV, S. 118.651 Die Daimler Chrysler AG setzte auf der Hauptversammlung 2001 zwei Mitarbeiter der Ge-

sellschaft als Stimmrechtsvertreter ein, die kein über die reguläre Vergütung hinausgehendesEntgelt erhalten; vgl. http://www.daimlerchrysler.de/investor/meeting2001/hvglossar_g.htm.

652 Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1476; Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 669; v. Randow,ZIP 1998, 1564ff., 1565; Singhof, NZG 1998, 670ff., 672; Habersack, ZHR 165 (2001),172ff., 185; Hüffer, AktG, § 136 RN 25; Schieber, Die dezentrale HV, S. 118.

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gefahr seitens der Gesellschaft gleich groß.653 Auch ein Beauftragter wisse, wie er

abzustimmen habe, „um die Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft zu pflegen“.654

Diese Einschätzung überzeugt jedoch nicht. Das Näheverhältnis zwischen der

Gesellschaft und ihrem Mitarbeiter ist ungleich stärker als die Beziehung der Ge-

sellschaft zu einem beauftragten Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt. Allein aus

der Tatsache, dass die externe Vertretungsperson von der Gesellschaft ausgesucht,

beauftragt und bezahlt wird, kann noch kein Abhängigkeitsverhältnis geschlossen

werden.655 Zivilrechtlich besteht zwischen Stimmvertreter und Aktionär in der

Regel ein Auftragsverhältnis, aus dem sich ein Weisungsrecht des Aktionärs er-

gibt.656 Zudem trifft den Vertreter die Pflicht zur Wahrung der Aktionärsinteres-

sen. Daneben verpflichtet sich der externe Stimmvertreter in einem Geschäftsbe-

sorgungsvertrag mit der Gesellschaft zur Ausübung des Stimmrechts für interes-

sierte Anleger.657 Wegen der Dreiecksbeziehung zwischen Gesellschaft, Vertreter

und Aktionär ist der Geschäftsbesorgungsvertrag als ein Vertrag zugunsten Dritter

gemäß § 328 BGB einzuordnen.658 Dem Aktionär steht daraus ein Anspruch ge-

gen die externe Vertretungsperson auf Annahme seines Auftrages zu. Aufgrund

dieser vertraglichen Konstellation hat der Aktionär, nicht aber die Gesellschaft,

ein Weisungsrecht gegenüber dem Stimmrechtsvertreter. Die Ausführung des

Auftrages, also die Ausübung des Stimmrechts, darf sich nur nach dem Aktionär-

sinteresse richten. Nicht zu berücksichtigen hat der Vertreter das Interesse der

Verwaltung an einem bestimmten Abstimmungsergebnis. Ein rechtlicher Interes-

senkonflikt besteht für den externen Stimmrechtsvertreter somit nicht.659

Sorge bereitet allein die mögliche wirtschaftliche Abhängigkeit.660 Diese Beden-

ken lassen sich jedoch ausräumen, wenn an die externen Stimmrechtsvertreter

besondere Voraussetzungen geknüpft werden. So muss es sich um Personen han-

deln, die gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (§ 203 StGB). In Be-

tracht kommen daher vor allem Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

653 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 669.654 v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1565.655 Anders aber wohl Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 669.656 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 684; Singhof, NZG 1998, 670ff., 671; Noack in Noack/Spindler,

Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 28.657 Singhof, NZG 1998, 670ff., 671.658 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 669; Singhof, NZG 1998, 670ff., 671.659 AA aber Singhof, NZG 1998, 670ff., 671; Hüther, AG 2001, 68ff., 73.660 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 669; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1565.

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und Notare. Um eine wirtschaftliche Abhängigkeit auszuschließen, dürfen diese

nicht in aktuellen Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft stehen. Der Rechts-

anwalt darf nicht zur Hauskanzlei gehören und der Wirtschaftsprüfer nicht zuletzt

als Abschluss- oder Sonderprüfer der Gesellschaft tätig gewesen sein. Dann ist

das Konfliktpotential und die Beeinflussungsgefahr gering.

Als unabhängige Proxy-Voter kommen auch Aktionärsvereinigungen in Betracht.

Aufgrund ihrer traditionellen Verbundenheit mit den Kleinaktionären stünden sie

nicht in Verdacht, bei der Stimmrechtsausübung beeinflussbar zu sein. Dies würde

auch dann gelten, wenn die Gesellschaft sie als Stimmrechtsvertreter benennt und

die von Aktionären eingesammelten Stimmen an sie weitergibt.

b) Konsequenz für die Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG

Die Bedenken, die gegen eine gesellschaftsnahe Stimmrechtsvertretung zweifels-

ohne bestehen, führen aber nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 134

Abs. 3 S. 3 AktG.661 Denn dem Aktiengesetz ist an keiner Stelle ein konkretes

Vertretungsverbot für bestimmte Gesellschaftsvertreter zu entnehmen. Aktien-

rechtliche Grundregeln sprechen zwar gegen eine unbeschränkte gesellschaftsnahe

Stimmrechtsvertretung. Dies hat sich jedoch im Gesetz nicht niedergeschlagen. Es

wäre Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Freigabe des Gesellschaftsvertreters

an besondere Voraussetzungen zu knüpfen. Die Neufassung der Vorschrift sieht

aber von einem Ausschluss bestimmter Stimmrechtsvertreter ab. Auch den Geset-

zesmaterialien ist kein Hinweis auf eine einschränkende Interpretation der Norm

zu entnehmen. Der Rechtsausschuss ist sich bewusst, dass die Neuregelung knapp

und rudimentär ist. Dies sei beabsichtigt, da „zunächst Erfahrungen mit dem neu-

en Institut gesammelt werden sollen und später noch angemessen reagiert werden

kann“.662

Der Wille des Gesetzgebers ist damit eindeutig. Eine ergänzende Auslegung ist

nicht gestattet, da es an der dafür erforderlichen planwidrigen Lücke im Gesetz

fehlt.663 Denn dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er die Proble-

matik der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung übersehen hat. Das Gesetz-

661 Anders aber Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 187.662 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 55.

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gebungsverfahren erfolgte vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Diskussion

um das Verwaltungsstimmrecht und der gerichtlichen Auseinandersetzung um das

Telekom-Treuhand-Modell. Den Urhebern des NaStraG war die aktuelle Praxis

einiger Gesellschaften, Mitarbeiter als Stimmrechtsvertreter anzubieten, be-

kannt.664 Diese Praxis haben sie aber nicht missbilligt, sondern sehenden Auges

geduldet.665 Auch der Hinweis auf das amerikanische Proxy-System, bei dem –

wie ausgeführt – eine Bevollmächtigung des Managements üblich ist, kann nur so

gedeutet werden.666

c) Analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG

Die negativen Folgen einer unbeschränkten Freigabe der gesellschaftsnahen

Stimmrechtsvertretung lassen sich möglicherweise durch eine analoge Anwen-

dung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG kompensieren. Nach diese Vorschrift dürfen

Aktienbanken auf ihrer eigenen Hauptversammlung das Stimmrecht nur ausüben,

wenn der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen

der Tagesordnung erteilt hat. Bereits vor Jahrzehnten wurde vorgeschlagen die

Norm auch auf das Verwaltungsstimmrecht anzuwenden.667

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die § 135 Abs. 1 S. 2 AktG ein übergrei-

fendes Prinzip für die organisierte Stimmrechtsvertretung entnehmen und aus-

drückliche Weisungen auch für den von der Gesellschaft benannten Vertreter for-

dern.668 Sie sehen in dem Einsammeln von Stimmrechtsvollmachten durch die

Gesellschaft einen Massenvorgang, der mit der organisierten Stellvertretung durch

Kreditinstitute vergleichbar sei. Daher könne nur ein Einzelweisungserfordernis

dem unerwünschten Machtzuwachs auf Seiten der Verwaltung entgegenwirken.669

Anders als bei den Aktienbanken sollen allerdings nur solche Weisungen genü-

663 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191ff.664 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 55; Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.665 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 213; Hüther, AG 2001, 68ff., 72, allerdings noch zum

RegE.666 Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4618, S. 10.667 Schilling in FS Möhring, 1975, S. 275ff., 260ff.; vgl. zur Diskussion um das Verwaltungs-

stimmrecht oben 3. Kapitel.G.II.1.a).668 Noack, ZIP 2001, 57ff., 62; Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1477; Noack in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 24; Habersack, ZHR 165 (2001),172ff., 188; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 684; Claussen AG 2001, 161ff., 169; Klawitter inNoack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 43; Hüther, AG 2001, 68ff., 72;Dreher/Schnorbus, EwiR 1998, 675f., 676; LG Baden-Baden, ZIP 1998, 1308ff.; OLG Karls-ruhe, ZIP 1999, 750ff.

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gen, die für jeden Abstimmungsgegenstand gesondert und ausdrücklich erteilt

werden.670

Eine solche Auslegung ist jedoch weder mit § 135 AktG, noch mit der Neurege-

lung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG vereinbar. § 135 Abs. 1 S. 2 AktG enthält kein

übergreifendes Grundprinzip für die organisierte Stimmrechtsvertretung, sondern

eine nicht verallgemeinerungsfähige Sonderregelung für Aktienbanken.671 Die

Regelung ist eine Ausnahmeerlaubnis, um der Doppelrolle von Kreditinstituten

als bevollmächtigte Depotbank und als Aktiengesellschaft gerecht zu werden.672

Dass Aktienbanken wie die Deutsche Bank AG „eigene“ Aktien für Depotkunden

verwahren und daraus kraft Vollmacht das Stimmrecht ausüben, ist seit jeher gän-

gige Praxis.673 Damit auch in diesen Fällen die übliche Form der Stimmrechtsver-

tretung möglich ist und die Banken ihre Depotkunden nicht an Konkurrenten ver-

lieren, hat der Gesetzgeber sich für einen Kompromiss entschieden.674 Dieser er-

laubt grundsätzlich die Stimmrechtsvertretung auf der eigenen Hauptversamm-

lung, macht sie aber von einer ausdrücklichen Weisung abhängig. Wäre den Kre-

ditinstituten die Stimmrechtsausübung verboten, könnten sich die Mehrheitsver-

hältnisse zugunsten von Konkurrenten verschieben.675 Diese besondere Konstel-

lation, ist mit der Stimmrechtsausübung durch Gesellschaftsvertreter und dem

systematischen Einwerben von Vollmachten nicht ohne weiteres vergleichbar.

§ 135 Abs. 1 S. 2 AktG ist daher nicht analogiefähig.676

Gegen eine Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG auf die gesellschaftsnahe

Stimmrechtsvertretung spricht auch die Neufassung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG.

Der Gesetzgeber regelt den von der Gesellschaft benannten Vertreter in § 134

Abs. 3 AktG und ordnet ihn damit systematisch der individuellen und nicht der

organisierten Stimmrechtswahrnehmung zu. In ihrem Wortlaut verweist die Vor-

669 Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1479.670 Noack in FS Lutter, 2000, 1463ff., 1479.671 Kropff, AktG, S. 196; Hüffer, AktG, § 136 RN 25; Zöllner in FS Peltzer, 2001, S. 661ff.,

665f.; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1567; Singhof, NZG 1998, 670ff., 673; Schaaf, Praxisder HV, RN 273h.

672 v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1567; Schieber, Die dezentrale HV, S. 118f.673 Zöllner in FS Peltzer, 2001, S. 661ff., 666; vgl. auch das bei Hellner/Steuer, BuB 8/299 ab-

gedruckte Muster eines Vollmachtsformulars.674 Kropff, AktG, S. 196; Hüffer, AktG, § 136 RN 25; Singhof, NZG 1998, 670ff., 673.675 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 135 RN 67.676 So im Ergebnis auch Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff.,

214; Zöllner in FS Peltzer, 2001, S. 661ff., 666; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1567; Sing-

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schrift nur auf § 135 Abs. 4 S. 1 bis 3 AktG, nicht aber auf § 135 Abs. 1 S. 2

AktG.

Auch den Gesetzesmaterialien ist eine darüber hinausgehende In-Bezugnahme des

§ 135 AktG nicht zu entnehmen. Dem Gesetzgeber kann dabei nicht unterstellt

werden, dass er die möglichen Folgen einer gesellschaftsnahen Stimmrechtsver-

tretung für die Machtbalance in den Aktiengesellschaften nicht bedacht hat.677 Die

Anwendung des § 135 Abs. 1 S.2 AktG zur Lösung dieser Problematik war schon

immer ein zentraler Punkt in der Diskussion um das Verwaltungsstimmrecht. Wie

bereits oben ausgeführt, hat der Gesetzgeber sehenden Auges die schleichende

Einführung einer gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung gebilligt. Sein Wille,

das Proxy-Voting in Deutschland unbeschränkt einzuführen und damit Erfahrun-

gen zu sammeln, ist eindeutig.678

Ein Einzelweisungserfordernis für die Bevollmächtigung des Gesellschaftsvertre-

ters lässt sich auch nicht über die Verweisung in § 135 Abs. 9 S. 1 Nr. 3AktG

konstruieren. Denn der von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter han-

delt regelmäßig nicht geschäftsmäßig. Dafür muss die Absicht vorhanden sein, die

Stimmrechtsausübung zu einem wiederkehrenden Bestandteil der Beschäftigung

zu machen.679 Dies ist jedenfalls bei Organmitgliedern oder Angestellten der Ge-

sellschaft nicht der Fall. Aber selbst der Einsatz externer Stimmrechtsvertreter

fällt in der Regel nicht unter den Tatbestand, da diese nur für die Stimmrechtsaus-

übung auf der jeweiligen Hauptversammlung beauftragt werden.680

Anders kann es nur sein, wenn der externe Vertreter seine Dienste vielen Gesell-

schaften anbietet und dadurch die Stimmrechtsausübung kraft Vollmacht zum

Schwerpunkt seiner Tätigkeit macht. Für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und

Rechtsanwaltskanzleien ist dies jedoch nicht anzunehmen.681 Auch der Gesetzge-

ber geht anscheinend nicht davon aus, dass Gesellschaftsvertreter zum Personen-

kreis des § 135 Abs. 9 Nr. 3 AktG zählen. Ansonsten wäre die Verweisung in

hof, NZG 1998, 670ff., 673.677 Anders aber Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 188.678 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 56; Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses,

BT-Drucks. 14/4618, S. 10.679 BGHZ 129, 136ff., 157; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 135 RN 117.680 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 135 RN 83.681 Anders aber Noack, ZIP 2001, 57ff., 62.

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§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG n.F. auf § 135 Abs. 4 S. 1 bis 3 AktG überflüssig.682

d) Zusammenfassung

Mit der Neufassung des § 134 Abs. 3 S. 3 AktG ermöglicht das Aktienrecht den

Einsatz gesellschaftsnaher Stimmrechtsvertreter. Besondere persönliche Anforde-

rungen an den von der Gesellschaft benannten Vertreter stellt das Gesetz nicht.

Die Gesellschaft kann somit jede interne oder externe Person benennen. Für die

Stimmrechtsausübung durch den Gesellschaftsvertreter kraft Vollmacht ist eine

ausdrückliche Weisung zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten nicht erforder-

lich, da eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG nicht in Betracht

kommt.

e) Stellungnahme

Mit der nun Gesetz gewordenen Bestimmung ergeben sich für den Aktionär neue

Möglichkeiten zur Stimmrechtsausübung. In der Regel haben die Anleger bisher

Kreditinstitute mit der Stimmrechtswahrnehmung beauftragt und Dauervoll-

machten erteilt.683 Vor allem bei den Namensaktionären, könnte es aber künftig

aufgrund der durch das NaStraG geänderten Informationspflichten zu einem

Rückzug der Banken aus dem Depotstimmrecht kommen. Die individuelle Be-

vollmächtigung, wie sie die Grundnorm des § 134 Abs. 3 S. 1 AktG vorsieht, ge-

schieht selten, da sie für den „rational apathischen“684 Aktionär zu aufwendig ist.

Damit die Stimmrechte der vielen tausend Kleinaktionäre auf der Hauptver-

sammlung nicht brach liegen, müssen alternative Vertretungsmodelle gefunden

werden. Hier kann eine gesellschaftsnahe Stimmrechtsvertretung Lücken schlie-

ßen. Sie bietet den Aktionären die Möglichkeit, das Stimmrecht mit geringem

Aufwand zu übertragen. Bei Namensaktien erfolgt die Kommunikation ohnehin

nur noch zwischen Gesellschaft und Anleger, so dass die Vollmachts- und Wei-

sungserteilung in das Einberufungsprozedere integriert werden kann.685 Der Ak-

682 So auch Hanloser, NZG 2001, 355ff., 355.683 Vgl. 1. Kapitel.B.IV; der von Banken über Vollmachtsstimmrechte oder abhängige Invest-

mentfonds ausgeübte Stimmrechtsanteil lag 1992 in den 24 deutschen großen Publikumsge-sellschaften zumeist deutlich über 90 %, vgl. Baums, AG 1996, 11ff., 12, Tabelle 2.

684 Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff., 147.685 Vgl. Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, 261ff., 271

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tionär muss daher nicht aus eigenem Antrieb Kontakt mit Dritten aufnehmen, um

eine Vollmacht zu erteilen. Damit entfällt ein Glied in der Kommunikationskette,

das Anleger abschrecken könnte.

Aber nicht nur Namensaktionäre sondern auch Inhaberaktionäre können den Ge-

sellschaftsvertreter auf unkomplizierte Weise beauftragen. Dafür müssen die Ge-

sellschaften den Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG nur ein entsprechendes

Vollmachtsformular beifügen, das dann die Depotbanken an die Aktionäre wei-

tergeben.686 Die Erfahrungen mit dem Depotstimmrecht haben gezeigt, dass die

Stimmrechtsübertragung durch die Aktionäre umso häufiger erfolgt, je geringer

der damit verbundene Aufwand ist. Mit der gesellschaftsnahen Stimmrechtsver-

tretung verbindet sich daher die nicht unberechtigte Hoffnung, dass sich die Prä-

senzen auf den Hauptversammlungen verbessern lassen. Möglicherweise entsteht

auf diesem Wege sogar der schon zur Einführung des KonTraG erhoffte Markt für

Stimmrechtsvertreter.687 Daneben bietet der Gesellschaftsvertreter für die Voll-

machts- und Weisungserteilung über das Internet große Vorteile. Im Gegensatz zu

anderen Stimmrechtsvertretern kann er auf die Kapazitäten des gesellschaftsinter-

nen EDV-Abstimmungssystem zurückgreifen.688 Dies ermöglicht erst die organi-

sierte Bearbeitung von Online-Vollmachten und Online-Weisungen.

Auch wenn somit die Einführung eines Gesellschaftsvertreters im deutschen Akti-

enrecht einige Vorzüge hat, bleiben aber rechtspolitische Bedenken gegen diese

Form der Stimmrechtswahrnehmung, die der Gesetzgeber durch die gesetzliche

Legitimierung nicht ausgeräumt hat. Im Gegenteil: Die schrankenlose Freigabe

der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung kann erhebliche Auswirkungen auf

die Verfassung der Aktiengesellschaften haben.689 Wenn die Gesellschaften nach

US-amerikanischem Vorbild in großem Umfang Vollmachten einsammeln und

dadurch Stimmrechte aus fremden Aktien auf sich vereinen, droht eine Verschie-

bung der innergesellschaftlichen Machtbalance. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es

– anders als im amerikanischen Recht – keine Schranken oder Regeln gibt. Der

rechtsvergleichende Hinweis in den Gesetzesmaterialien auf das „anglo-

686 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 690.687 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17; vgl. dazu auch Baums/v. Randow, AG

1996, 145ff.688 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 26.689 Diese Bedenken äußern auch Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 189; Hüther, AG 2001,

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amerikanische Proxy-Voting“690 ist daher irreführend.691

Die deutsche Regelung hat mit dem Proxy-System in den USA lediglich gemein,

dass es eine Bevollmächtigung der Verwaltung oder ihr nahestehender Personen

bzw. Komitees grundsätzlich zulässt. Darüber hinaus sind aber die detaillierten

Regelungen der SEC mit der knappen und rudimentären Fassung des § 134 Abs. 3

S. 3 AktG nicht vergleichbar. Das amerikanische Recht ist – wie gezeigt – ge-

kennzeichnet von umfassender Unterrichtung der Aktionäre, größtmöglicher

Transparenz auf Seiten der Stimmrechtswerber, Chancengleichheit bei einem

Stimmrechtskampf und strenger Kontrolle durch die Wertpapierbehörde. Der

deutsche Gesetzgeber übernimmt daher nur das US-amerikanische Grundprinzip,

ohne für die erforderlichen Einschränkungen und Kontrollen zu sorgen. Vor ei-

nem solchen Vorgehen hat aber Zöllner bereits vor 25 Jahren gewarnt.692

Wegen der erheblichen Risiken für die Unternehmensverfassung, ist die Einfüh-

rung der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung in ihrer jetzigen unbe-

schränkten Form abzulehnen. Zwar scheinen die Gesellschaften den Vertrauens-

vorschuss des Gesetzgebers rechtfertigen zu wollen, indem sie bei der praktischen

Umsetzung der neuen Möglichkeiten jedem Anschein von Einflussnahme entge-

gentreten. Sie richten sich streng nach der herrschenden Meinung zur analogen

Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG und lassen den Gesellschaftsvertreter nur

nach ausdrücklicher Weisung abstimmen.693

Doch kann für die Beurteilung der Neuregelung nicht von einem fortwährend

maßvollen Umgang aller Gesellschaften mit der gesellschaftsnahen Stimmvertre-

tung ausgegangen werden.694 Wer das annimmt übersieht, welches Verhalten ei-

nige (wenige) Vorstände gelegentlich an den Tag legen. Es sind diverse Konstel-

lationen auf einer Hauptversammlung denkbar, die einen Vorstand dazu verleiten

68ff., 72f.690 Beschlussempfehlung und Ber. des Rechtsausschusses v. 15.11.2000; BT-Drucks. 14/4618,

S. 14; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 55f.691 So im Ergebnis auch Hanloser, NZG 2001, 355ff., 356; ein rechtsvergleichender Ausblick,

allerdings noch auf Grundlage des RegE NaStraG, auch bei Hüther, AG 2001, 68ff., 73f.692 Zöllner in FS Westermann, S. 603ff., 607.693 Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 43, zur Praxis der

DaimlerChrysler AG auf der Hauptversammlung 2000; Piko/Preisler, „Aktionärsdemokratieim Internet“, FAZ v. 14.08.2001, S. 23 zur Celanese HV 2001.

694 Anders aber Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 213.

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130

können, auf das Abstimmungsergebnis Einfluss zu nehmen. Dabei muss es sich in

derartigen Fällen nicht immer um kriminelle Machenschaften handeln. Als Auslö-

ser kann bereits eine kontroverse Hauptversammlungen mit knappen Mehrheits-

verhältnissen oder die drohende Übernahme durch eine größere Aktionärsgruppe

genügen. Auch eine vorsätzliche Pflichtwidrigkeit des Vorstands muss nicht un-

terstellt werden.695 Dem als Stimmrechtsvertreter eingesetztem Mitarbeiter ist

auch ohne besonderen Hinweis klar, wie er dem Anliegen seiner Vorgesetzten und

damit seiner Karriere dienen kann.

Für einen Vertrauensverlust bei den Kapitalmarktakteuren genügt allein die po-

tentielle Manipulationsgefahr. Einem Gesellschaftsvertreter, der unkontrolliert

tausende von Kleinanlegerstimmen wahrnimmt, haftet bei jeder umstrittenen oder

überraschenden Abstimmung ein - in der Regel unbegründeter – Verdacht der

Einflussnahme an. Um diesem Vertrauensverlust in die Abstimmungsergebnisse

vorzubeugen, müssen auch die Gesellschaften daran interessiert sein, die gesell-

schaftsnahe Stimmrechtsvertretung in rechtlich unangreifbare Rahmenbedingun-

gen zu kleiden.696

f) Überlegungen de lege ferenda

Der Gesetzgeber hat aber nun den Schritt gewagt und die gesellschaftsnahe

Stimmrechtsvertretung bewusst uneingeschränkt freigegeben. Dies ist zu bedau-

ern, aber nicht zu ändern. Da er die Neuregelung als Experiment ansieht, damit

erst Erfahrungen sammeln und dann angemessen reagieren will, sind aber schon

jetzt Überlegungen de lege ferenda anzustellen, wie den Risiken des „Proxy-

Voting“ begegnet werden kann. Dabei ist ein rechtsvergleichender Blick auf die

US-amerikanischen Regelungen hilfreich. Allerdings soll hier nicht einer Über-

nahme des Proxy-System das Wort geredet werden.697 Denn dieses komplexe Sy-

stem lässt sich schon wegen der an Detailreichtum nicht mehr überschaubaren

„Regelungswut“ der SEC-Behörde nicht in nationales Recht rezipieren. Auch die

strenge Kontrolle durch eine mit weitreichenden gesetzgebenden, vollziehenden

und richterlichen Funktionen ausgestattete Wertpapierbehörde, ist mit dem deut-

695 So Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 213.696 In diese Richtung auch Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.697 Gegen eine Adaption der US-Regeln auch Noack in FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1480;

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131

schen Recht nicht vereinbar und nicht wünschenswert.698

aa) Einzelweisungserfordernis

Als Allheilmittel gegen die Risiken der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung

wird gerne das Einzelweisungserfordernis gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 AktG ange-

führt. Diejenigen, die eine analoge Anwendung nicht bereits de lege lata befür-

worten, fordern es zumindest de lege ferenda.699 Fraglich aber ist, ob ein Einzel-

weisungserfordernis wirklich die Lösung der Probleme darstellt. Zugegeben:

Wenn Aktionäre den Gesellschaftsvertreter ausdrücklich anweisen, wie er das

Stimmrecht auszuüben hat, ist ein Machtzuwachs seitens des Vorstands und eine

Interessenkollision nicht zu befürchten.700

Das setzt aber voraus, dass Aktionäre, die ihr Stimmrecht auf den Vertreter über-

tragen haben, tatsächlich eine Einzelweisung zu jedem Tagesordnungspunkt er-

teilen. Diese Vorstellung ist aber nicht sehr wahrscheinlich, wie die Erfahrungen

mit dem Depotstimmrecht zeigen.701 Die „rational apathischen“ Anleger werden

kaum die Zeit aufwenden, um die einzelnen Abstimmungsvorschläge der Ver-

waltung zu evaluieren.702 Dazu sind sie zudem häufig nicht in der Lage, da den

Gesellschaftsvertretern nicht die besondere Mitteilungspflicht nach § 128 Abs. 2

AktG trifft und daher eine umfassende Information über die Verwaltungsvor-

schläge, wie sie das proxy statement im US-Recht vorsieht, nicht erfolgt.703 Die

Anleger werden sich daher in der Regel den Verwaltungsvorschlägen ungeprüft

anschließen.704 Dies ist nach § 135 Abs. 1 S. 2 AktG auch zulässig, da eine zu-

sammenfassende Weisung zu allen Tagesordnungspunkten, z.B. gemäß der Bank-

Hüther, AG 2001, 68ff., 74; Zöllner in FS Westermann, S. 603ff., 607.698 Noack in FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1480; Hüffer, AktG, § 135 RN 3 AktG, aA wohl

Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2107, der eine Überwachung durch das BAW in Erwägungzieht.

699 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm; Bericht der Regierungskommission „Corporate Govrnance“, D3.35, RN 122; abruf-bar unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm; zur Klarstellung fordertdies auch Noack, ZIP 2001, 57ff., 62.

700 Noack, FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1479; Dreher/Schnorbus, EWiR, 1998, 675f., 676.701 Kreditinstitute erhalten nur von 2-3 % der Depotkunden Weisungen zur Stimmrechtsaus-

übung; Baums/v. Randow, 145ff., 150; Hammen, ZIP 1995, 1301ff., 1302, spricht sogar nurvon 1-2% Rücklaufquote.

702 Baums/v. Randow, 145ff., 147; v. Randow, ZIP 1998, 1564ff., 1566; Habersack, ZHR 165(2001), 172ff., 189; Hüther, AG 2001, 68ff., 73.

703 Vgl. Singhof, NZG 1998 670ff., 673.704 Baums/v. Randow, 145ff., 150; Zöllner in FS Peltzer, 661ff., 667.

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132

oder Verwaltungsvorschläge zu stimmen, genügt.705 Die mit der Weisung be-

zweckte Legitimation einer verwaltungskonformen Entscheidung ist bei einem

solchen Weisungsverhalten daher nur scheinbar gegeben.706

Dies erkennend, wollen die Befürworter eines Einzelweisungserfordernisses ab-

weichend von § 135 Abs. 1 S. 2 AktG nur positive Erklärungen des Aktionärs

zulassen.707 Das hätte jedoch zwangsläufig ein Absinken der Hauptversamm-

lungspräsenzen zur Folge und würde damit den Zweck der gesellschaftsnahen

Stimmrechtsvertretung konterkarieren.708 Außerdem handelt der Gesellschafts-

vertreter dann nicht mehr als Stellvertreter sondern als Erklärungsbote, da ihm

Spielraum zum Abweichen von der Weisung nicht verbleibt.709 Die Stimmabgabe

durch Boten sieht das Aktienrecht nicht vor, da das Stimmrecht dann entgegen

§ 118 Abs. 1 AktG außerhalb der Hauptversammlung ausgeübt wird.710 Die ent-

scheidende Willensbildung muss in der Hauptversammlung erfolgen.711

Fraglich ist auch, wie sich der einzeln angewiesene Gesellschaftsvertreter bei ei-

nem unvorhergesehenen Versammlungsablauf verhalten soll. Von der Weisung

abweichen nach § 665 BGB kann er nicht, da er dann nicht mehr weisungsgebun-

den abstimmt.712 Auch praktisch ist die Berücksichtigung vieler verschiedener

Individualinteressen, wie es § 665 BGB verlangt, bei einer organisierten Stimm-

rechtsvertretung nicht möglich.713 Dem Gesellschaftsvertreter bleibt daher nur die

Alternative, der Weisung entsprechend abzustimmen oder sich zu enthalten;714

beides keine Lösungen im Sinne des Aktionärs. Diese Überlegungen zeigen, dass

sich auch mit einem Einzelweisungserfordernis die Risiken der gesellschaftsnahen

Stimmrechtsvertretung nicht ausreichend eingrenzen lassen.

705 Semler in MünchHdb AG, § 38 RN 57; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 135 RN 69.706 Zöllner in FS Westermann, 1974, S. 603ff., 612; Zöllner in FS Peltzer, 661ff., 667; Singhof,

NZG 1998, 670ff., 673.707 Noack, FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1479.708 So auch im Ergebnis Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 190, der aber dennoch eine analoge

Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG de lege lata befürwortet.709 Das konstatiert auch Noack, FS Lutter, 2000, S. 1463ff., 1480.710 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 70.711 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 134 RN 70.712 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 667.713 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 684; Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 667.714 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 684

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133

bb) Links zu anderen Vertretern

Angesichts der wachsenden Zahl internetnutzender Aktionäre, wird auch der Ein-

satz neuer Medien vorgeschlagen, um die mit dem Gesellschaftsvertreter verbun-

denen Gefahren zu relativieren.715 So sollen die Gesellschaften verpflichtet wer-

den, auf ihrer Homepage einen Link zu anderen Stimmrechtsvertretern (z.B. Ak-

tionärsvereinigungen) zu setzen oder unmittelbar deren Stimmrechtsvorschläge

zugänglich zu machen.

Dieser Vorschlag ist grundsätzlich zu begrüßen, fördert er doch die Binnenkom-

munikation und versucht eine Chancengleichheit konkurrierender Stimmrechts-

vertreter herzustellen. Auch nach geltendem Recht besteht schon eine Pflicht der

Gesellschaften in den Mitteilungen auf andere Vertretungsmöglichkeiten, insbe-

sondere durch Aktionärsvereinigungen, hinzuweisen (§ 125 Abs. 1 S. 2 AktG).716

Eine namentliche Nennung anderer Stimmrechtsvertreter und deren Anschriften

ist jedoch nicht vorgeschrieben.717 Die Hinweispflicht hat wenig Auswirkungen

auf die Vollmachtserteilung. Die Aktionäre wählen regelmäßig den einfachen und

kostenfreien Weg, den ihnen die Gesellschaften anbieten und bevollmächtigen

den Gesellschaftsvertreter durch Rücksendung des ausgefüllten Vollmachtsfor-

mulars mit beigefügtem Freiumschlag.718

Wenn aber der Anleger die konkurrierenden Stimmrechtsvertreter über die Home-

page der Gesellschaft ebenso einfach und kostengünstig erreichen kann, sprechen

keine ökonomischen Gründe für die Bevollmächtigung des Gesellschaftsvertre-

ters. Zu berücksichtigen bleibt jedoch, dass ein solches Angebot nur die Aktionäre

nutzen werden, die ohnehin die Gesellschaftshomepage zur Informationsbeschaf-

fung regelmäßig besuchen. Bei den meisten anderen Anlegern ist dagegen nicht

damit zu rechnen, dass sie Eigeninitiative ergreifen.719 Daher ist der Vorschlag

zwar als zusätzliches Instrument zur Förderung des Vertreterwettbewerbes sinn-

voll, aber zur Beschränkung des Verwaltungsstimmrechts nicht ausreichend.

715 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 190; Bericht der Regierungskommission „Corporate

Governance“, D3.35, RN 123; abrufbar unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

716 Diese Pflicht besteht gemäß § 135 Abs. 2 S. 5 AktG n.F. auch für Kreditinstitute.717 Reg Begr. KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17f.; vgl. Bachmann, WM 1999, 2100, 2105.718 Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, 261ff., 271.719 Kritisch auch Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff.,

62f.

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134

cc) Einschränkung des Personenkreises

Um der Manipulationsgefahr wirkungsvoll begegnen zu können, kommt letztlich

nur eine Einschränkungen hinsichtlich der Personen, die zur gesellschaftsnahen

Stimmrechtsvertretung berechtigt sind, in Betracht. Persönliche Eignungsvoraus-

setzungen für bestimmte Personen sind dem Aktiengesetz nicht fremd. So stellen

§ 76 Abs. 3 und § 100 Abs. 1 und 2 AktG besondere Anforderungen an Vor-

stands- und Aufsichtsratsmitglieder. Auch die Auswahl des Abschlussprüfers ist

umfassend geregelt (§ 319 HGB). Das Aktiengesetz sollte daher jedenfalls die

Personen von der Stimmrechtsvertretung ausschließen, für die aufgrund ihres be-

sonderen Nähe- oder Abhängigkeitsverhältnisses zur Gesellschaft keine Neutrali-

tätsvermutung gilt. Dies sind neben der Gesellschaft selbst und den Organmitglie-

dern insbesondere auch die Mitarbeiter des Unternehmens. Dabei gilt das Vertre-

tungsverbot nicht in Fällen von individueller Bevollmächtigung durch einen Ak-

tionär, sondern nur, wenn die Person in die von der Gesellschaft organisierte

Stimmrechtsvertretung eingebunden ist.

Zulässig ist dagegen die Benennung von externen Stimmrechtsvertretern, die von

der Gesellschaft wirtschaftlich und rechtlich unabhängig sind und der gesetzlichen

Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Letzteres ist von Bedeutung, da Aktionäre,

die von den Verwaltungsvorschlägen abweichen wollen, dies möglicherweise

nicht tun, wenn sie eine Kenntniserlangung der Gesellschaft fürchten.720 Diese

Anforderungen erfüllen grundsätzlich Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Steuerbe-

rater und Notare.721 Um aber auch bei diesen Personengruppen eine wirtschaftli-

che Unabhängigkeit sicherzustellen, muss zusätzlich gefordert werden, dass sie

mit der jeweiligen Gesellschaft in einem bestimmten Zeitraum nicht in Ausübung

ihrer regelmäßigen Geschäftstätigkeit in Verbindung stehen.722 Außerdem dürfen

sie nicht Mitglied eines Gesellschaftsorgans sein oder größere Anteile an dem

Unternehmen halten.

Neben diesen zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen kommen auch Aktio-

720 Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 668.721 Vgl. § 203 Nr. 3 StGB.722 Zu Wirtschaftsprüfern als Gesellschaftsvertreter vgl. Zöllner in FS Peltzer, 2001, 661ff., 671;

Baums/v. Randow, AG 1995, 145ff., 155; Peltzer, AG 1996, 26ff., 30.

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135

närsvereinigungen als unabhängige, von der Gesellschaft benannten Stimmrechts-

vertreter in Betracht. Für sie gilt ebenfalls eine Neutralitätsvermutung. Allerdings

könnten die Gesellschaften weniger geneigt sein, die traditionellen Interessenver-

treter der Kleinaktionäre zu beauftragen und ihnen ein großes Stimmenpotential

zukommen zu lassen.

Bei der Festlegung der konkreten Voraussetzungen kann sich der Gesetzgeber an

den Vorgaben für die Auswahl von Abschlussprüfer gemäß § 319 HGB orientie-

ren. Um für möglichst große Transparenz zu sorgen, sollten die Gesellschaften

darüber hinaus verpflichtet werden, in ihren Mitteilungen auf personelle Ver-

flechtungen oder mögliche Interessenkonflikte zwischen ihnen und dem externen

Vertreter (z.B. einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) entsprechend § 128 Abs. 2

S. 6 und 7 AktG n.F. hinzuweisen. Auch die Aufwandsentschädigung, die sie dem

Stimmrechtsvertreter gewähren, sollten sie offenlegen müssen.723 Schließlich ist

auch das Abstimmungsverhalten des Vertreters transparent zu machen (analog

§ 135 Abs. 8 AktG).

Eine zusätzliche Legitimation und Akzeptanz bei den Kapitalmarktakteuren er-

fährt der externe Gesellschaftsvertreter, wenn er von der Hauptversammlung ge-

wählt wird.724 De lege lata ist zwar davon auszugehen, dass die Einsetzung des

Gesellschaftsvertreters in die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands fällt, da

sie weder dem Katalog der Hauptversammlungszuständigkeiten des § 119 Abs. 1

AktG, noch einer sonstigen (ungeschriebenen) Beschlusszuständigkeit zuzuord-

nen ist.725 De lege ferenda ist dies aber überlegenswert. Denn mit einer Entschei-

dung der Hauptversammlung entfällt die Sorge, dass sich der Stimmvertreter vom

Vorstand beeinflussen lässt, um auch im nächsten Jahr den Auftrag zu erhalten.

Im Gegenteil: Der Gesellschaftsvertreter wird sich verstärkt bemühen durch sorg-

fältige und neutrale Ausübung des Stimmrechts, das Vertrauen der Aktionäre zu

gewinnen.726 Um jedoch nicht jede ordentliche Hauptversammlung mit einer zu-

sätzlichen Wahl zu belasten, sollten die Aktionäre den Vertreter für einen Zeit-

723 Im Telekom-Treuhand-Fall erhielt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft DM 250.000 für ihre

Tätigkeit. Das OLG Karlsruhe wertete dies als angemessene Aufwandsentschädigung; vgl.OLG Karlsruhe, ZIP 1999, 750ff., 753.

724 Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2106f.725 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1687; aA Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2106, der die Zustän-

digkeit aus § 119 Abs. 1 S. 1 AktG folgert.726 Vgl. Baums/v. Randow, AG 1995, 145f., 155f.

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136

raum von (z.B.) drei Jahren wählen.

dd) Ergebnis

Mit der hier vorgeschlagenen Einschränkung der gesellschaftsnahen Stimm-

rechtsvertretung ist die Möglichkeit der Einflussnahme durch die Gesellschaft

gering. Ein Machtzuwachs der Verwaltung ist dann nicht zu befürchten. Dennoch

können die Vorteile einer von der Gesellschaft organisierten Stimmrechtsvertre-

tung genutzt werden. Zwar sind Aufwand und Kosten für die Unternehmen grö-

ßer. Wenn aber die Bevollmächtigung von Mitarbeitern unzulässig ist, werden sie

auch unabhängige Vertreter einsetzen. Der Telekom-Treuhand-Fall hat gezeigt,

dass in der Wirtschaft eine grundsätzliche Akzeptanz für ein solches Modell be-

steht.727

4. Elektronische Form, Nachweis und Legitimation

Da der Gesellschaftsvertreter nach der Gesetzessystematik unter § 134 AktG fällt,

gilt für die Form der Vollmacht § 134 Abs. 3 S. 2 AktG n.F.728 Aufgrund einer

entsprechender Satzungsbestimmung kann der Aktionär daher auch den von der

Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter durch E-Mail beauftragen.729 Nach-

weis und Dokumentation der Vollmachtserklärung muss die Gesellschaft über-

nehmen. § 134 Abs. 3 S. 3 AktG bestimmt, dass die Vollmacht von der Gesell-

schaft drei Jahre nachprüfbar festzuhalten ist. Dieses Erfordernis entspricht § 135

Abs. 2 S. 4 AktG. Die Gesellschaften können dem bei elektronischen Vollmach-

ten durch Speicherung auf Datenträgern nachkommen. Die Frist orientiert sich

daran, dass nach Ablauf von drei Jahren selbst nichtige Hauptversammlungsbe-

schlüsse nicht mehr angefochten werden können.730 Die Legitimation des Aktio-

närs erfolgt wie bei der allgemeinen Bevollmächtigung.731

727 Zum Telekom-Treuhand-Modell siehe oben Kapitel 3.b).728 Kritik an der Gesetzessystematik äußert Noack, ZIP 2001, 57ff., 62.729 Satzungsbestimmung der Allianz AG: „Werden von der Gesellschaft benannte Stimmrechts-

vertreter zur Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigt, so kann die Vollmacht schriftlich,per fax oder elektronisch auf eine von der Gesellschaft näher zu bestimmende Weise erteiltwerden.“

730 Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4618, S. 10;kritisch dazu Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 686.

731 Siehe dazu 3. Kapitel.G.I.2.

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137

5. Elektronische Weisungserteilung

Auch die Weisungserteilung an den Gesellschaftsvertreter ist auf elektronischem

Weg möglich. Die Gesellschaft kann dafür auf ihrer Homepage im Rahmen eines

internetgestützten Weisungssystems eine Eingabemaske anbieten, auf der Anleger

ihre Direktiven eingeben. Da der gesellschaftsnahe Stimmrechtsvertreter über eine

Schnittstelle an das elektronische Abwicklungssystem der Gesellschaft angebun-

den werden kann, ist eine Weisungserteilung auch noch während der Hauptver-

sammlung bis zum Beginn der Abstimmung umsetzbar.732 Die Online-Weisungen

werden dann mittels spezieller Software zeitnah ausgewertet und automatisch ver-

arbeitet. Auch bei einer hohen Zahl zeitgleich eingehender Weisungen, sind

Überlastungen des Systems in der Regel nicht zu befürchten.733 Mitarbeiter aus

dem Back-Office halten die Eingabemaske des Weisungssystems laufend auf ak-

tuellem Stand und passen sie bei Änderungen der Tagesordnung oder der Be-

schlussanträge entsprechend an. Der abwesende Aktionär ist daher bis zum Ende

der Aussprache in der Lage, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren und seine

Stimmabgabe nach dem letzten Kenntnisstand zu richten.734 Voraussetzung ist

dafür allerdings, dass er die Hauptversammlung im Internet oder in anderen Me-

dien live audio-visuell verfolgen kann.735

Um Anfechtungsklagen wegen einer weisungsabweichenden Stimmabgabe durch

den Proxy-Voter begegnen zu können, sollte die Gesellschaft nicht nur die elek-

tronische Vollmacht, sondern auch die Internet-Weisungen auf Datenträger ab-

speichern.736 Damit können sie nachweisen, dass der Gesellschaftsvertreter wei-

sungsgemäß abgestimmt hat.

Bietet die Gesellschaft eine elektronische Weisungserteilung über ein Online-

Weisungssystem an, müssen sie vor allem auf die Sicherheit des Verfahrens ach-

ten. Es ist sicherzustellen, dass nur Aktionäre Zugang zum Weisungssystem er-

halten. Nichtaktionäre dürfen keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis ha-

ben. Für die Legitimierung der Anleger bieten sich auch hier die im Online-

732 Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 25; Habersack, ZGR 165 (2001),

172ff., 184; vgl. zur sog. Vertretermodell unten 4. Kapitel.A.IV.1.733 Blank/Zetzsche, K&R 2000, 486ff., 488.734 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 182f.; Claussen, AG 2001, 161ff., 170.735 Zur Übertragung der HV im Internet siehe ausführlich 4. Kapitel.A.II.736 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 686.

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Banking bewährten PIN- und Password-Systeme an.737 Das internetgestützte Wei-

sungssystem muss auch vor Missbrauch durch Dritte geschützt werden („Hak-

ker“). Technische Schutzvorkehrungen wie „Firewalls“ - eine Kombination aus

Sicherheitshardware und –software, die den Zugang zu Netzen kontrolliert - kön-

nen dabei für ausreichende Sicherheit sorgen.738 Vollständig auszuschließen ist

das Eindringen Unbefugter allerdings nicht. Doch besteht dieses Risiko auch auf

der Präsenzveranstaltung.739

Die Gesellschaft muss zudem die Zuverlässigkeit der eingesetzten Technik ge-

währleisten und für ausreichende Kapazitäten sorgen. Um Ausfälle des Systems

und Datenverluste zu vermeiden, sollten sie Back-Up Systeme einsetzen.740

III. Bevollmächtigung von Kreditinstituten

1. Elektronische Bevollmächtigung

Auch die in § 135 AktG geregelte Bevollmächtigung von Kreditinstituten war

bislang an die Schriftform gebunden. Stimmrechte aus fremden Aktien durften die

institutionellen Vertreter gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 AktG a.F. nur ausüben, wenn

der Aktionär sie schriftlich bevollmächtigte. Üblich war eine formularmäßige

Vollmachterteilung, die aber der Unterschrift des Aktionärs bedurfte.741 Das

NaStraG befreit jetzt auch die Bevollmächtigung der Depotbanken vom Schrift-

formerfordernis.742 Anders als bei der individuellen Bevollmächtigung verzichtet

§ 135 Abs. 1 S. 1 AktG n.F. aber generell auf die Schriftform. Der Gesetzgeber

hat das Wort „schriftlich“ ersatzlos gestrichen. Demnach kann der Aktionär auch

in den Fällen organisierter Stimmrechtsvertretung die Vollmacht auf elektroni-

schem Weg erteilen. Für die Kreditinstitute bietet sich dabei die Verwendung von

Bildschirmmasken im Rahmen des Online-Banking an.

Fraglich ist aber, ob dies ohne eine entsprechende Bestimmung in der Satzung

737 Vgl. zum Online-Banking Wiesgickl, WM 2000, 1039ff., mwN.738 Vgl. dazu Köhntopp/Seeger/Gundermann, Firewalls, S. 39ff.; Sieber in Handbuch Multime-

dia Recht, Teil 19 RN 36.739 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 268.740 Blank/Zetzsche, K&R 2000, 486ff., 490; vgl. auch Komarnicki in Handbuch Multimedia

Recht, Teil 12 RN 14.741 Abdruck bei Kümpel, BuB 8/299.742 Die Formerleichterung gilt entsprechend für die nach § 135 Abs. 9 AktG gleichgestellten

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zulässig ist. Das Gesetz ist nicht eindeutig. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass

§ 134 Abs. 3 AktG die Stimmrechtsvollmacht im Allgemeinen betrifft und § 135

Abs. 3 S. 1 AktG eine Sonderregelung enthält.743 Da sich § 135 Abs. 1 AktG nach

der Neufassung zur Form der Vollmacht nicht (mehr) äußert, könnte § 134 Abs. 3

AktG auch hier anwendbar sein, mit der Folge, dass auch für Kreditinstitutsvoll-

machten die satzungsdispositive Schriftform gilt.744

Der Gesetzesbegründung zum NaStraG ist aber eine solche Deutung nicht zu ent-

nehmen. Nach Einschätzung des Gesetzgebers ist die Schriftform in § 135 AktG

nicht mehr zeitgemäß und entspricht nicht mehr den praktischen Bedürfnissen

einer weltweit gestreuten Aktionärsstruktur.745 Das Gesetz könne daher die An-

forderungen zurücknehmen und den Beteiligten die Nachweiserfordernisse über-

lassen.746 Die Urheber des NaStraG gehen nach diesen Worten nicht davon aus,

dass die Schriftform in § 135 AktG noch die Regel ist.747 Daher ist eine Satzungs-

bestimmung für die Aufgabe der Schriftform nicht erforderlich.748

Des weiteren ist zweifelhaft, ob nach der Neufassung des § 135 Abs. 1 AktG die

Satzung weiterhin eine schriftliche Vollmacht vorschreiben darf, was aus Nach-

weis- und Legitimationsgründen sinnvoll sein kann. Da § 135 Abs. 1 S. 1 AktG

nicht satzungsdispositiv ist, muss sich eine entsprechende Satzungsklausel nach

§ 23 Abs. 5 S. 2 AktG richten. Danach ist eine ergänzende Bestimmung in der

Satzung nur zulässig, wenn die gesetzliche Regelung nicht abschließend ist. § 135

Abs. 1 S. 1 AktG n.F. trifft aber keine abschließende Regelung zur Vollmachts-

form. Die Norm befreit von der Schriftform, untersagt sie aber nicht.749 Dies wür-

de ansonsten der Intention des NaStraG-Gesetzgebers widersprechen, der den

Beteiligten die Vereinbarung von Sicherungskriterien und Nachweiserfordernis-

sen selbst überlassen will.750 Die Gesellschaft kann daher in der Satzung die

Aktionärsvertreter.743 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.744 So Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 399.745 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.746 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15.747 Vgl. auch Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54: „Die Stimmrechtsvollmacht an Kreditinstitute und

Aktionärsvereinigungen ist künftig an keine gesetzliche Form gebunden; ...“.748 So deuten auch Spindler, ZGR 2000, 420ff., 430 und Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001,

261ff., 273, die Begründung zum RefE NaStraG.749 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1688.750 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 15; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 54.

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Schriftform für die Vollmacht an Kreditinstitute vorschreiben.751

2. Nachweis und Legitimation

Um den Nachweis der Vollmachtserteilung sicherzustellen, wird den Kreditinsti-

tuten die Pflicht zum nachprüfbaren Festhalten der Vollmacht auferlegt (§ 135

Abs. 2 S. 4 AktG).752 In welcher Form und wie lange sie die Vollmacht festhalten

müssen bestimmt das Gesetz nicht. Sie können somit die geeignete Form der Do-

kumentation selbst wählen. Allerdings muss eine Überprüfung durch das Bundes-

aufsichtsamt für das Kreditwesen nach § 29 Abs. 2 KWG möglich sein.753 Für die

Vollmachtserteilung per E-Mail schlägt die Gesetzesbegründung zum NaStraG

geeignete Dokumentationsformen vor. So sollen die auf dem E-Mail-Server der

Kreditinstitute eingegangenen elektronischen Vollmachten mit Pfad und Datum

gesondert auf Datenträgern abgespeichert und vor Manipulationen geschützt wer-

den.754

Zum Aufbewahrungszeitraum äußern sich Gesetzestext und Materialien nicht

konkret. Fraglich ist daher, ob die Regelung des neuen § 134 Abs. 3 S. 3 AktG

einschlägig ist, die für Vollmachten an Gesellschaftsvertreter ein Festhalten für

drei Jahre vorschreibt. § 134 Abs. 3 S. 3 AktG ist jedoch eine Spezialvorschrift

für die Bevollmächtigung des von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertre-

ters. Die dort vorgeschriebene Drei-Jahresfrist wird damit begründet, dass nach

Ablauf von drei Jahren selbst nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse nicht mehr

anfechtbar sind.755 Diese Argumentation greift bei § 135 Abs. 2 S. 4 AktG jedoch

nicht. Sinnvoll ist es vielmehr, sich an § 257 Abs. 4 HGB zu orientieren - der die

Aufbewahrungspflicht für kaufmännische Unterlagen zur Sicherung der privat-

rechtlichen Dokumentations- und Beweisfunktion regelt -756 und die Vollmacht

sechs Jahre festzuhalten.757 Um sicherzustellen, dass die elektronische Vollmacht

751 Kindler, NJW 2001, 1678ff., 1688; im Ergebnis auch Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff.,

399.752 Die Pflicht zum Festhalten der Vollmacht ergab sich schon bislang aus § 29 Abs. 2 S. 2

KWG; vgl. Noack, ZIP 2001, 57ff., 57.753 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.754 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.755 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 15.11.2000, BT -Drucks.

14/404618; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 56.756 Vgl. dazu Heidelberger Komm. z. HGB, § 257 RN 1.757 Noack, ZIP 2001, 57ff., 58; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 686; Stellungnahme des Handels-

rechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2000, 443ff., 447.

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141

zweifelsfrei von ihrem Depotkunden stammt, müssen die Banken deren Legitima-

tion überprüfen. Dabei können sie die bei Online-Banking und Online-Brokerrage

angewendeten und erprobten Sicherheitssystemen einsetzen.758

3. Besonderheiten bezüglich des Inhalts der Vollmacht

Der Inhalt einer Kreditinstitutsvollmacht wird in § 135 Abs. 2 AktG n.F. näher

geregelt. Danach kann die Vollmacht nur einem bestimmten Kreditinstitut erteilt

werden (§ 135 Abs. 2 S. 1 AktG n.F.). Zudem muss sie vollständig sein und darf

nur mit der Stimmrechtsausübung verbundene Erklärungen enthalten (§ 135

Abs. 2 S. 3 AktG n.F.). Diese Vorgaben hat das NaStraG unverändert gelassen.

Nur die Formulierung in § 135 Abs. 2 S. 3 AktG a.F. „Die Vollmachtsurkunde

muss [...] vollständig ausgefüllt sein“ wurde entsprechend der Formerleichterung

angepasst. Vollständig ist eine Vollmacht daher jetzt, wenn sie den Namen des

Kreditinstituts, den Namen des Vollmachtgebers und die Vollmachtserklärung

enthält.759 Nicht mehr Soll- Inhalt der Vollmacht ist das Datum ihrer Ausstellung

(vgl. § 135 Abs. 2 S. 4 AktG a.F.). Dies bedarf nach Ansicht des Gesetzgebers

keiner ausdrücklichen Erwähnung im Gesetz, da das Datum Bestandteil einer

vollständigen Vollmacht ist.760

Die inhaltlichen Vorgaben muss auch eine elektronische Bevollmächtigung erfül-

len. Damit ist der individuelle Gestaltungsspielraum des Aktionärs bei einer E-

Mail-Vollmacht gering.761 Um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, sollten die

Kreditinstitute ein standardisiertes Bildschirmformular für die Vollmachtsertei-

lung einsetzen.

4. Erlöschen der elektronischen Vollmacht

Nach alter Rechtslage durfte der Aktionär seine Depotbank nur für längstens 15

Monate bevollmächtigen (§ 135 Abs. 2 S. 1 AktG a.F.). Damit wich das Aktien-

gesetz von den zivilrechtlichen Regeln in §§ 170, 171 BGB ab. Nach Ablauf der

Frist erlosch die Vollmacht kraft Gesetz, wenn nicht der Anleger eine neue aus-

758 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, 13ff., 32.759 Hüffer, AktG, § 135 RN 13 zur alten Fassung.760 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.761 Than in FS Peltzer, 2001, 577ff., 592.

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142

stellte.762 Das NaStraG streicht jetzt die Befristung und ermöglicht damit echte

Dauervollmachten für Kreditinstitute.763 Nach der Neufassung der Vorschrift

richtet sich somit das Erlöschen der Bankenvollmacht grundsätzlich nach den all-

gemeinen zivilrechtlichen Regeln.

Abweichend von § 168 S. 2, 2. Satzteil BGB ist die Vollmacht aber jederzeit wi-

derruflich, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen muss.764 Dies schrieb § 135

Abs. 2 S. 2 AktG a.F. ausdrücklich vor. Nach der Neufassung der Norm muss die

Depotbank den vollmachterteilenden Aktionär regelmäßig auf die jederzeitige

Widerruflichkeit der Vollmacht (und andere Möglichkeiten der Stimmrechtsver-

tretung) hinweisen. Diese Formulierung ist zwar weniger eindeutig, setzt aber die

jederzeitige Widerruflichkeit der Vollmacht voraus und bedeutet insoweit keine

Rechtsänderung. Der Depotkunde kann somit die Vollmacht jederzeit - auch noch

in der Hauptversammlung, in der die Bank das Stimmrecht ausüben soll - per E-

Mail oder auf andere Weise widerrufen.765 Die elektronische Erklärung ist nicht

nur gegenüber seiner Bank, sondern auch gegenüber der Gesellschaft möglich

(§ 168 S. 3 i.V.m. § 167 Abs. 1 BGB).766 In letzterem Fall muss der Aktionär aber

die erforderlichen Nachweise führen.767

5. Elektronische Weisungserteilung

Der Aktionär kann dem von ihm bevollmächtigten Kreditinstitut Weisungen für

die Stimmrechtsausübung erteilen. Dabei richtet sich die Weisungserteilung

grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB. Abweichend hier-

von gaben die Aktionäre bislang ihre Stimmrechtsdirektiven nur schriftlich an die

Kreditinstitute weiter. Dies lag an der alten Fassung des § 128 Abs. 2 und 3 AktG.

Danach mussten die Gesellschaften den Aktionären bei geplanter Stimmrechts-

ausübung ein Formblatt für die Weisungserteilung übermitteln, dass vom Aktionär

auszufüllen war (§ 128 Abs. 2 S. 4 AktG a.F.). Dies war nur entbehrlich, wenn der

Anleger nach der Einberufung der Hauptversammlung schriftlich Weisung erteilt

762 Eckardt in Geßler/Hefermehl(Eckardt/Kropff, AktG, § 135 RN 37.763 Seibert, ZIP 2001, 53ff., 56; Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, 261ff., 274; Kindler, NJW

2001, 1678ff., 1688.764 Eckardt in Geßler/Hefermehl(Eckardt/Kropff, AktG, § 135 RN 36.765 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 135 RN 41.766 Eckardt in Geßler/Hefermehl(Eckardt/Kropff, AktG, § 135 RN 36.767 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 135 RN 41.

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143

hatte (§ 128 Abs. 3 AktG a.F.).

Das NaStraG befreit nun die Weisungserteilung an Kreditinstitute von Formhin-

dernissen. Anstelle eines Formblattes können die Kreditinstitute nach § 128

Abs. 2 S. 5 AktG n.F. jetzt Bildschirmformulare auf ihrer Homepage bereitstellen,

auf denen der Aktionär seine Direktiven für die Stimmrechtsausübung eingibt.768

Das fragwürdige769 Schriftlichkeitserfordernis in § 128 Abs. 3 AktG hat der Ge-

setzgeber ersatzlos gestrichen. Damit kann der Depotkunde seinem Kreditinstitut

nun uneingeschränkt elektronische Weisungen erteilen.770 Für die Banken bietet

sich dazu die Verwendung der bereits im Rahmen des Online-Banking entwik-

kelten Eingabemasken an.771

Allerdings ist auch bei formlosen Weisungen zu beachten, dass sie nachprüfbar

(§ 29 Abs. 2 KWG) bleiben müssen.772 Die Kreditinstitute sollten die Weisungen

daher dokumentieren, auch um bei möglichen Streitigkeiten wegen der Stimm-

rechtsausübung über einen Nachweis zu verfügen. Die für den Zugang zum elek-

tronischen Weisungssystem erforderliche Legitimierung ist mittels der üblichen

PIN- und Password-Systeme von den Kreditinstituten zu überprüfen. Bis zu wel-

chem Zeitpunkt der Aktionär elektronische Direktiven weiterleiten darf, hängt

allein von den organisatorischen Begebenheiten ab. Da Kreditinstitute aber nicht

an das elektronische Abwicklungssystem der Gesellschaft angebunden sind, wer-

den sie Weisungen während der Hauptversammlung regelmäßig nicht annehmen

können.

IV. Bevollmächtigung von Aktionärsvereinigungen

Neben Banken sind weitere Institutionen und Personen an der organisierte Stimm-

rechtsvertretung beteiligt. Wegen der großen Bedeutung des Depotstimmrechts ist

§ 135 AktG auf die Bevollmächtigung von Kreditinstituten ausgerichtet. Nach

§ 135 Abs. 9 AktG gilt aber die gesamte Regelung des § 135 Abs. 1 bis 8 AktG

sinngemäß für Aktionärsvereinigungen, Geschäftsleiter und Angestellte eines

768 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 14.769 Werner in Großkomm. AktG, § 128 RN 73.770 Kritisch zu den Auswirkungen Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, 261ff., 276.771 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 14; Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unter-

nehmensrecht und Internet, 57ff., 66.772 Than in FS Peltzer, 2001, 577ff., 592.

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Kreditinstituts, wenn die ihnen nicht gehörenden Aktien dem Kreditinstitut zur

Verwahrung anvertraut sind sowie Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber

Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten.

Der Aktionär kann somit auch diese Institutionen und Personen auf elektroni-

schem Weg mit der Stimmrechtsausübung bevollmächtigen und ihnen elektroni-

sche Weisungen erteilen. Die Dokumentationspflicht gilt entsprechend, auch

wenn die in § 135 Abs. 9 AktG Genannten nicht der Depotprüfung unterliegen.773

V. Anfechtungsrisiko wegen Kommunikationsstörungen

Technische Störungen, die bei der Bevollmächtigung und Weisungserteilung auf

elektronischem Wege auftreten können, haben in erster Linie Auswirkungen auf

das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem. Dies ergibt sich bereits

aus der zivilrechtlichen Abstraktheit der Vertretungsvollmacht. Aber auch dem

Aktienrecht liegt die Vorstellung zugrunde, dass Mängel im Innenverhältnis nicht

zur Anfechtung der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse berechti-

gen.774 Die Rechtsbeziehung zwischen Aktionär und Vertreter entzieht sich dem

Einflussbereich der Gesellschaft. § 135 Abs. 6 AktG ist die Wertung zu entneh-

men, dass eine Anfechtung nicht zulässig ist, wenn die Gesellschaft keine Mög-

lichkeit hat, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten.775

Kann der Aktionär die Vollmacht oder eine Weisung nicht rechtzeitig erteilen, da

sein Vertreter online nicht erreichbar ist, stehen ihm somit nur zivilrechtliche An-

sprüche gegen den Vertreter aus dem Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhält-

nis zu.776

Dieses Ergebnis ist eindeutig, wenn der Aktionär sein Stimmrecht durch Private,

Kreditinstitute oder Aktionärsvereinigungen ausüben lässt. Für die organisierte

Stimmrechtsvertretung bestimmen §§ 243 Abs. 3 und 135 Abs. 6 AktG sogar aus-

drücklich, dass Verstöße gegen §§ 128 oder 135 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 und 5 AktG

nicht zu einer Anfechtung berechtigen.

Im Falle der Stimmrechtsausübung durch einen Gesellschaftsvertreter bestehen

773 Than in FS Peltzer, 2001, 577ff., 591.774 Henssler, ZHR 1993, 91ff., 106; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 191; Noack in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 26.775 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 135 RN 127.

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145

jedoch Zweifel, da dieser in die von der Gesellschaft organisierte Stimmrechts-

vertretung eingebunden ist und die Gesellschaft das elektronische Vollmachts-

und Weisungssystem auf ihrer Homepage verwaltet. Aus der vertraglichen Drei-

ecksbeziehung zwischen Gesellschaft, Gesellschaftsvertreter und Aktionär, kann

sich die Pflicht der Gesellschaft ergeben, für ausreichende Kapazitäten und tech-

nische Vorkehrungen zu sorgen, um einen einwandfreie Verbindung zu gewähr-

leisten.777

Die Verletzung dieser Pflichten haben jedoch auch in diesem Fall nur zivilrechtli-

che Ansprüche auf Schadensersatz wegen mangelhafter Auftragsdurchführung zur

Folge und schlagen nicht auf die Beschlussfassung durch.778 Die Wertung des

§ 135 Abs. 6 AktG unterscheidet nicht hinsichtlich der Person des Vertreters. In

dem vergleichbaren Fall, dass ein Kreditinstitut auf der eigenen Hauptversamm-

lung das Stimmrecht für Depotkunden ausübt, stellt § 135 Abs. 6 AktG ausdrück-

lich klar, dass Pflichtverletzungen im Innenverhältnis keine Auswirkung auf die

Beschlusswirksamkeit haben.779 Der Gesetzgeber hat daran bei Einführung der

gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung anscheinend nichts ändern wollen.

Dieselbe Rechtsfolge haben auch Willensmängel, die aus dem Innenverhältnis

zwischen Aktionär und Gesellschaftsvertreter resultieren. De lege ferenda ist al-

lerdings zu überlegen, ob nicht dem Aktionär, wie im US-amerikanische Recht,

eine Klagemöglichkeit gegen Beschlüsse eingeräumt werden soll, wenn er eine

Weisung aufgrund falscher oder unvollständiger Information erteilt hat.780 Denn

bei Fehlern im Willensbildungsprozess ist zu berücksichtigen, dass das Informati-

onsmonopol in der Hand der Gesellschaft und damit seines Vertreters liegt. Da

der Anleger auf die Informationen angewiesen ist, die er von der Gesellschaft er-

hält, kann die Gesellschaft die Willensbildung leicht beeinflussen.

Das US-amerikanischen Proxy- System versucht dieser Gefahr vorzubeugen, in-

dem die von den Gesellschaften ausgegebenen proxy statements von der Auf-

776 Henssler, ZHR 1993, 91ff., 106f.777 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 27f.778 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 27; Habersack, ZHR

165 (2001), 172ff., 191; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 214f.; Zetzsche, ZIP 2001, 686;Blank/Zetzsche, K&R 2000, 492ff., 491.

779 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 191.780 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 191; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und

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146

sichtsbehörde (SEC) daraufhin überprüft werden, ob sie richtig und vollständig

sind.781 Bei Fehlinformationen, die geeignet sind die Abstimmung zu beeinflus-

sen, kann der Aktionär zu einer Klage gegen den darauf beruhenden Beschluss

berechtigt sein. Auch im deutschen Recht kann so eine wirksame Sanktionsmög-

lichkeit für Fehlinformationen und Beeinflussungsversuche geschaffen werden.

VI. Bewertung der Neuregelungen

Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber die Bevollmächtigung sowohl im Falle der

individuellen als auch der organisierten Stimmrechtsvertretung erleichtert hat.

Damit wird die Aufspaltung in eine formbedürftige Vollmachtserteilung und eine

formlose Weisungserteilung beseitigt und die Stimmrechtsausübung durch Ver-

treter ohne Medienbruch möglich.782 Der erheblich geringere Aufwand kann zu

einem aktiveren Mitwirken der Kleinaktionäre führen.783

Unverständlich jedoch ist, warum der Gesetzgeber die Schriftform in § 135 AktG

gestrichen, bei der individuellen Stimmrechtsvertretung aber satzungsdispositiv

gestellt hat. Bislang war eher das Depotstimmrecht einer schärferen Kontrolle

unterworfen.784 Die Differenzierung ist auch inkonsequent, da die Begründung für

die Aufgabe der Schriftform in § 135 AktG785 auch auf die individuelle Stimm-

rechtsvertretung passt.786 In beiden Fällen ist der Zweck der Schriftform nicht der

Übereilungsschutz, sondern die Nachweis- und Dokumentationsfunktion. Dafür

muss aber nicht die Schriftform als Regel vorgeschrieben sein. Da auch Ausle-

gungsschwierigkeiten wegen der Änderung des BGB in §§ 126, 126a bestehen,

sollte der Gesetzgeber in § 134 Abs. 3 AktG die Schriftform streichen.

Fraglich ist zudem, warum das NaStraG nur für die Vollmacht an Gesellschafts-

vertreter und Kreditinstitute eine Dokumentationspflicht gesetzlich vorschreibt,

im übrigen aber Nachweis und Dokumentation den Beteiligten überlässt. Da auch

Internet, S. 13ff., 27.781 Siehe dazu 3. Kapitel.G.II.2.782 Zu Recht gefordert von Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,

S. 37ff., 46.783 Kritisch aber Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, 261ff., 276.784 Zuletzt durch das KonTraG v. 27.4.1998, BGBl. I S. 786.785 Begr. RegE NaStraG, BT_Drucks. 14/4051, S. 15.786 Kritisch auch Spindler, ZGR 2000, 420ff., 431f.; Büllesbach/Klawitter/Miedbrodt, CR 2000,

565ff., 569; Hüther, MMR, 2000, 521ff., 525.

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bei der Bevollmächtigung Privater eine nachprüfbare Dokumentation unerlässlich

ist, sollte der Gesetzgeber ebenfalls für die allgemeine Vollmacht ein Nachweiser-

fordernis einführen.787

VII. Zusammenfassung

Die Untersuchung hat gezeigt, dass bei der Vorbereitung der Hauptversammlung

das Internet vielfach einsetzbar ist. Mitteilungen können sowohl an Inhaber- als

auch an Namensaktionären über das Internet versandt werden. Auch Vollmachten

und Weisungen sind auf elektronischem Weg möglich. Damit kann die Kommu-

nikation zwischen Gesellschaft und Aktionären weitgehend papierlos erfolgen.

Hindernisse bestehen noch bei der Einberufung der Hauptversammlung, da die

schriftliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger weiterhin erforderlich ist.

787 So auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins,

NZG 2000, 443ff., 447; ähnlich: Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,S. 13ff., 31; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 432.

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4. Kapitel: Einsatz des Internet beim Ablauf der Hauptversammlung

Nicht nur bei der Vorbereitung einer Hauptversammlung, auch bei ihrer Durch-

führung, gibt es viele Einsatzmöglichkeiten für das Medium Internet. Sie reichen

von der Online-Teilnahme einzelner Aktionäre an der Präsenzveranstaltung (In-

ternetgestützte Präsenzversammlung), über eine dezentral durchgeführte multime-

diale Hauptversammlung (Tele-Hauptversammlung) bis zur vollständigen Verla-

gerung des Aktionärstreffens in den virtuellen Raum (Cyber-Hauptversammlung).

A. Internetgestützte Präsenzversammlung

Bei der internetgestützten Hauptversammlung findet eine traditionelle Präsenz-

hauptversammlung statt, an der die Verwaltungsmitglieder, der Notar, der Ab-

schlussprüfer, Stimmrechtsvertreter und ein Teil der Aktionäre physisch teilneh-

men. Die Besonderheit liegt in der Zuschaltung einzelner Aktionäre über das In-

ternet.788

Das Geschehen auf der Hauptversammlung wird dafür im World Wide Web

übertragen. Inländische und ausländische Aktionäre, die eine Zugangsmöglichkeit

zum Internet haben, können so die Hauptversammlung live am Bildschirm mitver-

folgen, ohne zur Präsenzveranstaltung anreisen zu müssen. Mittels von der Ge-

sellschaft zugeteilter elektronischer Codes erhalten die Aktionäre Zugang zu den

besonderen Hauptversammlungs-Seiten auf der Homepage. Dort stehen ihnen

nicht nur das Audio-/Video-Signal aus der Hauptversammlung, sondern auch

sämtliche Informationen und Unterlagen zum Abruf bereit. Über die Webseiten

können die legitimierten Anleger auch ihre Rechte ausüben. Für die Stimmabgabe

genügt ein Mausklick. Fragen oder Redebeiträge übermitteln sie mündlich per

Webcam bzw. Videokonferenz-System oder als Text-E-Mail an die Präsenzveran-

staltung.

788 Vgl. zur internetgestützten Hauptversammlung Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch

HV, RN I B 585ff.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff.;Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 208ff.; Claussen, AG 2001, 1613ff., 166ff.; Hirte in FSBuxbaum, 2000, 283ff.;Than in FS Peltzer, 2001, S. 577ff., 595ff.; Riegger/Mutter, ZIP

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Technisch ist damit eine weitgehende Gleichstellung der Online-Teilnahme mit

der körperlichen Teilnahme möglich. Nicht nur für Aktionäre, sondern auch für

Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand kann eine Online-Zuschaltung von In-

teresse sein, insbesondere wenn sie sich vornehmlich im Ausland aufhalten.789

Doch nicht alles was sich realisieren lässt, ist auch rechtlich zulässig. Für die Ge-

sellschaften stellt sich daher die Frage, wie sie eine internetgestützte Hauptver-

sammlung rechtssicher durchführen können.

I. Online-Teilnahme

1. Aktionäre

Fraglich ist bereits, ob die Online-Teilnehmer Teilnehmer im Rechtssinn sein

können. Das Teilnahmerecht der Aktionäre ergibt sich aus § 118 Abs. 1 AktG.

Die Vorschrift sieht vor, dass der Aktionär seine Rechte „in der Hauptversamm-

lung“ ausübt. Der Formulierung entnimmt die herrschende Meinung, dass die

Anleger bei der Ausübung ihrer Rechte körperlich anwesend sein müssen.790 Für

eine physische Präsenz der Teilnehmer an einem Ort spreche auch der Versamm-

lungsbegriff und die Regelung in § 121 Abs. 3 S. 2 AktG.791 Demgegenüber plä-

dieren andere für eine moderne Auslegung des Aktiengesetzes nach Sinn und

Zweck der Hauptversammlung.792 Sie sehen den Versammlungsbegriff als bloße

Organbezeichnung an und stellen das Prinzip der Präsenzversammlung in Frage,

wenn die Funktion des Aktionärstreffen auch auf anderem Weg unter Wahrung

der Aktionärsrechte zu erfüllen ist.

Diese Ansicht ist jedoch de lege lata mit den Auslegungsregeln nicht vereinbar.793

Dem Aktiengesetz ist an mehreren Stellen zu entnehmen, dass die Hauptver-

1998, 637ff., 638f.789 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 215.790 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 61; Hüffer, AktG, § 118 RN 12; Haber-

sack, ZHR 165 (2001), 176ff., 180f.; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 395; Riegger, ZHR165 (2001), 204ff., 209; Claussen AG 2001, 161ff., 166; Schaaf, Praxis der HV, RN 918;Bärwaldt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I C 5; Riegger/Mutter, ZIP 1998,637ff., 638.

791 Hüffer, AktG, § 121 RN 10; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 395; Riegger, ZHR 165(2001), 204ff., 209.

792 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 260f.; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535; Balz, DieTele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm; Hirte inFS Buxbaum, 2000, 283ff., 288f.; wohl auch: Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikati-onsformen, S. 122ff.; Hanloser, NZG 2001, 356ff., 357.

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150

sammlung eine Präsenzveranstaltung mit physischer Anwesenheit der Teilnehmer

ist. Nicht nur die Präposition „in der Hauptversammlung“ in § 118 Abs. 1 AktG

ist so zu deuten. § 129 Abs. 1 S. 2 AktG spricht von „erschienenen oder vertrete-

nen“ Aktionären, die im Teilnehmerverzeichnis aufzuführen sind. Die Terminolo-

gie „in der Hauptversammlung erschienene[r] Aktionär“ findet sich ebenso in

§ 245 Nr. 1 und 2 AktG. Auch den Hinweis auf den „Ort“ der Hauptversammlung

in § 121 Abs. 3 S. 1 AktG kann man nur so verstehen, dass sich die Aktionäre an

einem bestimmten geographischen Ort versammeln.794 Schließlich soll nach § 121

Abs. 5 S. 1 AktG die Hauptversammlung in der Regel am Sitz der Gesellschaft

„stattfinden“.

Das Aktiengesetz ist somit eindeutig. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus

ist unzulässig. Zwar ist der Einwand berechtigt, dass die modernen Kommunikati-

onsformen früher unbekannt waren.795 Der Gesetzgeber von 1937 bzw. 1965

konnte tatsächlich nicht davon ausgehen, dass die Hauptversammlung ihre Funk-

tion auch mit Hilfe des Internet ohne die physische Anwesenheit aller Teilnehmer

erfüllen kann. Der Einwand verliert jedoch seine Berechtigung mit dem In-Kraft-

Treten des NaStraG. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, veraltete Vor-

schriften an aktuelle Entwicklungen anzupassen. Mit dem NaStraG soll das Akti-

engesetz modernisiert und auf das Internetzeitalter vorbereitet werden.796 Die Ur-

heber des NaStraG wollten aber ausdrücklich nicht soweit gehen und von der

Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung und der Versammlungsgebundenheit

der Aktionärsrechte abrücken.797 Teilnehmer im Rechtssinn sind daher weiterhin

nur die körperlich anwesenden Aktionäre, nicht aber die Online-Aktionäre.

2. Mitglieder der Verwaltung

Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat sind gemäß § 118 Abs. 2 AktG ver-

pflichtet, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Da die Online-Teilnahme kei-

ne Teilnahme im Rechtssinn ist, genügen die Verwaltungsmitglieder ihrer Pflicht

793 So bereits Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396.794 Hüffer, AktG, § 121 RN 10; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 209.795 So Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 261; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.796 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 1, Zielsetzung; Seibert, ZIP 2001, 53ff., 53.797 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16: „Der weitergehende Wechsel vom bisheri-

gen System der Stimmabgabe (persönlich oder durch Vertreter) in der Hauptversammlungzur (elektronischen) Briefwahl wird mit diesem Entwurf nicht vollzogen.“

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nicht, wenn sie sich nur über das Internet zuschalten.798 Der Gesetzgeber hat die

Teilnahmepflicht nicht geändert.799 Die Verwaltungsmitglieder müssen daher

auch weiterhin in der Hauptversammlung erscheinen.

3. Teilnehmerverzeichnis

Nach § 129 Abs. 1 S. 2 AktG muss die Gesellschaft in der Hauptversammlung ein

Verzeichnis der erschienenen und vertretenen Aktionäre aufstellen. Dieses Teil-

nehmerverzeichnis kann sie neuerdings auch elektronisch führen.800 Macht sie es

über ihre Webseite zugänglich können auch ortsabwesende Aktionäre es am Bild-

schirm einsehen. Da die Online-Aktionäre aber keine Teilnehmer im Rechtssinn

sind, werden sie auch nicht in das Teilnehmerverzeichnis aufgenommen.

Hat der Online-Aktionär einen Stellvertreter mit der Ausübung seiner Aktionärs-

rechte bevollmächtigt, erfasst ihn die Gesellschaft namentlich und mit Wohnort

im Verzeichnis (§ 129 Abs. 1 S. 2 AktG). Eine Ausnahme gewährt § 129 Abs. 2

S. 2 AktG für Kreditinstitute und andere organisierte Stimmrechtsvertreter, wenn

sie das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, ausüben. Den Namen des

Vertretenen müssen sie dann nicht angeben. Fraglich ist aber was gilt, wenn ein

Online-Aktionär den Gesellschaftsvertreter (§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG n.F.) mit der

Stimmrechtsausübung bevollmächtigt und seine Rechte verdeckt ausüben lassen

möchte.801 Dass dies grundsätzlich zulässig ist, stellt die Verweisung in § 134

Abs. 3 S. 3 AktG n.F. auf § 135 Abs. 4 S. 1 bis 3 AktG klar. Da aber der von der

Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter systematisch nicht unter die organi-

sierte Stimmrechtsvertretung fällt, ist § 129 Abs. 2 AktG eigentlich nicht anwend-

bar, mit der Folge, dass der Aktionär im Teilnehmerverzeichnis erscheint und

nicht anonym bleibt.

Eine Lösung dieser Problematik findet sich in den Gesetzesmaterialien. Der Be-

richt des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages weist darauf hin, dass

wegen der Verweisung in § 134 Abs. 3 S. 3 AktG „konsequenterweise“ § 129

798 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 215.799 Zur Lockerung der Formerfordernisse für Aufsichtsratssitzungen, 2. Kapitel.A.II.2.b).800 Siehe dazu oben 2. Kapitel.A.II.2.c).801 Vgl. Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 685; Noack, ZIP 2001, 57ff., 62f.

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152

Abs. 2 S. 2 AktG auch für den Gesellschaftsvertreter gelte.802 Auch wenn bedau-

erlich ist, dass eine Klarstellung nicht im Gesetz erfolgt ist, steht damit fest, dass

bei der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung der Online-Aktionär im Teil-

nehmerverzeichnis ungenannt bleiben kann.803

II. Audio-visuelle Übertragung der Hauptversammlung im Internet

Damit ortsabwesende Aktionäre sich ein Bild von der Hauptversammlung machen

können, ist eine audio-visuelle Übertragung der Hauptversammlung im Internet

erforderlich. Sie ermöglicht dem Anleger das Geschehen zu verfolgen und auf

aktuelle Entwicklungen (über einen Stellvertreter) zu reagieren, ohne Teilnehmer

im Rechtssinn zu sein. Die Übertragung im Internet ist daher nicht nur ein beson-

derer Investor Relations-Service, sondern die Grundvoraussetzung für eine inter-

netgestützte Hauptversammlung. Nur wenn gewährleistet wird, dass externe Ak-

tionäre am Bildschirm der gesamten Hauptversammlung folgen können, sind sie

zur Ausübung ihrer Aktionärsrechte in der Lage.

Das NaStraG hat sich zur Übertragung der Hauptversammlung im Internet nicht

geäußert.804 Die Zulässigkeit ist daher nach den aktienrechtlichen Grundsätzen zu

beurteilen. Dabei ist zwischen der Übertragung der Verwaltungsreden und der

Übertragung der Aussprache zu unterscheiden.

1. Grundsätze

Die Hauptversammlung ist nach allgemeiner Ansicht eine nichtöffentliche Ver-

sammlung der Aktionäre. Zugang haben nur die nach dem Aktiengesetz Teilnah-

meberechtigten. Personen ohne originäres Teilnahmerecht können lediglich als

Gäste zugelassen werden.805 Dies gilt auch für Medien- und Pressevertreter, denen

allerdings die Gesellschaft üblicherweise Zutritt gewährt.806 Über die Zulassung

von Gästen entscheidet nach herrschender Auffassung der Versammlungsleiter.807

802 Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 14/4618, S. 14.803 So auch Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 685.804 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 433; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 211.805 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147, RN 64.806 Hüffer, AktG, § 118 RN 16.807 Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 23; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 76; Hüf-

fer, AktG, § 118 RN 16; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516ff., 526; Schaaf, Die Pra-xis der HV, RN 304; Martens, Leitfaden, S. 20, der aber nach der Art der Gesellschaft unter-

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153

Er informiert die Hauptversammlung über die Anwesenheit von nicht teilnahme-

berechtigten Personen. Erhebt sich Widerspruch, ist ein Beschluss der Hauptver-

sammlung erforderlich.808 Die Teilnahme von Presse- und Medienvertretern kann

auch in der Satzung gestattet werden und ist dann von den Aktionären in der

Hauptversammlung zu dulden.809

Die Aktionäre auf der Hauptversammlung werden bei Wortbeiträgen und Frage-

stellungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1

Abs. 1 GG) geschützt. Unter Beachtung dieses Grundrechts hat der BGH Grund-

sätze für Video- und Tonbandaufnahmen von der Hauptversammlung aufgestellt:

Die heimliche Vornahme von Tonbandaufzeichnungen stellt nach einer Entschei-

dung aus dem Jahre 1958810 einen grundsätzlich rechtswidrigen Eingriff in das

Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Zum Persönlichkeitsrecht zählt „auch

die Befugnis des Menschen, selbst darüber zu bestimmen, ob seine Worte einzig

seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zu-

gänglich sein sollen, und erst recht, ob seine Stimme mittels eines Tonträgers

festgehalten werden darf.“811 Die Literatur übertrug diesen Grundsatz auf die

heimliche Tonbandaufzeichnung während der Hauptversammlung.812

Später nahm der BGH zu der Frage Stellung, inwieweit die Aktiengesellschaft die

Aussprache der Hauptversammlung auf Tonband mitschneiden lassen kann, wenn

sie dies vorher bekannt macht.813 Um sicherzustellen, dass durch die Tonauf-

zeichnung nicht in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht der Redner ein-

gegriffen wird, muss – so der BGH - der Versammlungsleiter auf die Absicht der

Verwaltung, die Redebeiträge auf Tonträger mitzuschneiden, ausdrücklich auf-

merksam machen und die Teilnehmer darauf hinweisen, dass sie für die Dauer

ihres Redebeitrages die Unterbrechung der Aufnahme verlangen können.814 Un-

zulässig sind demgegenüber Tonbandaufnahmen durch einen Aktionär, es sei

scheidet.808 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 76; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516ff.,

526.809 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 118 RN 43; Hüffer, AktG, § 118 RN 16;

Schaaf, Die Praxis der HV, RN 295.810 BGHZ 27, 284ff.811 BGHZ 27, 284ff., 286.812 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 81; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 50; Wer-

ner in Großkomm. AktG, § 130 RN 124; Max, AG 1991, 77ff., 82.813 BGHZ 127, 107ff.814 BGHZ 127, 107ff., 109.

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154

denn, alle Hauptversammlungsteilnehmer und der Vorsitzende sind damit einver-

standen.815 Im Übrigen kann der einzelne Aktionär nur Abschriften seiner eigenen

Redebeiträge vom Tonbandprotokoll erhalten.816

2. Übertragung in Nachbarräume

Gängige Praxis, zumindest bei Publikumsgesellschaften, ist die Übertragung der

Hauptversammlung in Nachbarräume.817 Aufgrund der hohen Teilnehmerzahlen

und dem begrenzten Raumangebot sind viele Unternehmen gezwungen, mehrere

Räume bzw. Messehallen anzumieten.818 Damit alle erschienenen Aktionären die

Hauptversammlung mitverfolgen können, wird die Veranstaltung im Hauptsaal

per Bild und Ton auf Großbildleinwände und Bildschirme in die angrenzenden

Räume übertragen. Außer in den Nebenräumen erfolgt die Übertragung häufig

auch in Aufenthaltsräumen, Fluren und Eingansbereichen.819

Aktienrechtlich ist dies zulässig und zur Sicherung der Teilnahmerechte aller an-

wesenden Aktionäre erforderlich.820 Die verschiedenen Räume werden zu einem

Präsenzbereich zusammengefasst. Damit handelt es sich um eine einzige Haupt-

versammlung, die an einem Ort i.S.v. § 121 Abs. 3 S. 2 AktG stattfindet.821 Wenn

sichergestellt wird, dass auch zu den Nachbarräumen nur legitimierte Aktionäre

(und autorisierte Gäste) Zugang haben, behält die Versammlung ihren nichtöf-

fentlichen Charakter. Die Übertragung der Aussprache stellt dann keine Persön-

lichkeitsrechtsverletzung der Redner dar. Bild und Stimme werden nicht aufge-

zeichnet, sondern nur zeitgenau elektronisch übertragen. Der Aktionär muss dies

in Kauf nehmen und kann eine Unterbrechung der Übertragung nicht verlan-

gen.822

815 BGHZ 127, 107ff., 116; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 119 RN 81; Eckardt in Geß-

ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, vor § 118 RN 64; Semler in MünchHdb AG, § 36RN 50; Schaaf, Die Praxis der HV, RN 888; Max, AG 1991, 77ff., 81; aA Mülbert in Groß-komm. AktG, vor §§ 118-147 RN 175, der das Einverständnis aller Aktionäre oder des Ver-sammlungsleiters fordert.

816 BGHZ 127, 107ff., 113.817 Schaaf, Praxis der HV, RN 912.818 Die Daimler Chrysler AG musste für ihre Hauptversammlung am 19.04.2000 in Berlin neben

dem ICC (Kapazität: 9000 Besucher) noch weitere fünf Messehallen anmieten, Die Welt v.20.04.2000 „Rekord für Berlin: 12.500 Aktionäre kamen ins ICC“.

819 Martens, Leitfaden, S. 39.820 Noack, ZGR 1998, 593ff., 599; Schaaf, Die Praxis der HV, RN 913; Martens, Leitfaden,

S. 50; Richter in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 569.821 Schaaf, Praxis der HV, RN 913.822 Noack, BB 1998, 2433ff., 2534; Martens, Leitfaden, S. 52.

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3. Übertragung der Redebeiträge von Vorstand und Aufsichtsrat

Ebenfalls inzwischen üblich ist die Übertragung der Redebeiträge von Vorstand

und Aufsichtsrat im Internet. Vor allem börsennotierte Gesellschaften bieten auf

ihrer Homepage diesen Service an. Die Übertragung ist dabei nicht auf Aktionäre

der Gesellschaft beschränkt, sondern auch der interessierten Öffentlichkeit zu-

gänglich.

Aktienrechtlich ist die Übertragung der Verwaltungsreden nicht zu beanstan-

den.823 Zwar wird hierbei der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Hauptver-

sammlung verletzt. Dies betrifft jedoch nur den Teil der Hauptversammlung, der

sich nicht nur an die Gesellschaftsaktionäre richtet, sondern auch an andere Kapi-

talmarktakteure.824 Das Interesse der Gesellschaft an einer effektiven Öffentlich-

keitsarbeit und das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über das Unter-

nehmen rechtfertigen die partielle Öffnung der Hauptversammlung.825 Die Per-

sönlichkeitsrechte der Verwaltungsmitglieder als Personen des öffentlichen Inter-

esses treten dahinter zurück. Andererseits droht den Persönlichkeitsrechten der

Aktionäre keine Verletzung. Daher ist für die Übertragung keine Legitimation

durch Satzung, Geschäftsordnung oder Beschluss erforderlich.826

4. Übertragung der Aussprache

Die vielen Gesellschaften, die Vorstands- und Aufsichtsratsreden live im Internet

übertragen, schalten die Kameras mit Beginn der sich anschließenden Aussprache

ab. Soweit ersichtlich hat nur die Deutsche Telekom AG ihre Aktionärstreffen

2000 und 2001 in voller Länge öffentlich im Internet übertragen. Der Grund für

die Zurückhaltung der Unternehmen in der Praxis sind die mit der Übertragung

der Aktionärsbeiträge verbundenen ungeklärten Rechtsfragen und die sich daraus

ergebenden Anfechtungsrisiken. Dabei sind die Bedenken sowohl aktienrechtli-

823 Noack, BB 1998, 2533ff., 2534; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,

S. 13ff., 15f.; Schaaf, Praxis der HV, RN 906, 911; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 433; Rieg-ger, ZHR 165 (2001), 204ff., 210; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen,S. 134; kritisch Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 395.

824 Noack, BB 1998, 2533ff., 2534.825 Schaaf, Praxis der HV, RN 909; aA wohl Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 395.826 Noack, BB 1998, 2533ff., 2534; zur Wahrung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten

vgl. Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 16; Spindler, ZGR

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156

cher als auch persönlichkeitsrechtlicher Natur.

Mit der audio-visuellen Übertragung der gesamten Hauptversammlung im Internet

wird eine globale Zugangsmöglichkeit geschaffen, die dem Aktionärstreffen ihren

nicht-öffentlichen Charakter nimmt.827 Der Gesellschaft können Nachteile entste-

hen, wenn Informationen an Nichtaktionäre gelangen.828 Die Übertragung der

Aktionärsbeiträge gefährdet zudem das Persönlichkeitsrecht der Redner.829 Rede-

hemmungen können die Entschließungs- und Handlungsfreiheit des Aktionärs

einschränken.830 Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Aussprache ihren

Charakter verändert, wenn sie live im Internet zu verfolgen ist.831 Noch mehr als

bislang können medienbewusste Aktionäre die öffentliche Bühne zur Selbstdar-

stellung zweckentfremden.832

Aus diesen Gründen wird die weitere Öffnung der Hauptversammlung für neue

Medien kritisch beurteilt.833 Die vergleichbare Übertragung durch Rundfunk und

Fernsehen hält die herrschende Meinung grundsätzlich für unzulässig.834 Anders

als bei einer Fernsehübertragung lässt sich aber der Zugang zur Internet-

Übertragung beschränken. Daher ist für die Beurteilung der Zulässigkeit zwischen

der öffentlichen und der zugangsbeschränkten Hauptversammlung zu differenzie-

ren.

a) Übertragung mit Zugangsbeschränkung

Die aktienrechtlichen Bedenken vermögen jedenfalls dann nicht zu überzeugen,

wenn die Übertragung der Hauptversammlung nur Aktionären zugänglich ist.

Technisch lässt sich dies ohne weiteres über einen limitierten Zugang zum Au-

2000, 420ff., 433.827 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147, RN 177 und § 118 RN 77.828 Zätsch/Gröning, AG 2000, 393ff., 395.829 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 177; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff.,

211; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 434f.830 Schaaf, Praxis der HV, RN 876, zur Tonbandaufzeichnung.831 Zätsch/Gröning, AG 2000, 393ff., 395.832 Schaaf, Praxis der HV, RN 911.833 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 177; Zätsch/Gröning, AG 2000, 393ff.,

395; Schaaf, Praxis der HV, RN 911; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 433ff.; Noack, ZGR 1998592ff., 601.

834 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 29; Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147RN 63 und 177; Eckardt ind Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 118 RN 42; Rieg-ger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; Schaaf, Praxis der HV, RN 911; Martens, Leitfaden, S. 34;aA Max, AG 1991, 77ff., 83; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 50.

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157

dio/Video-Signal aus der Hauptversammlung realisieren.835 Damit kann der nicht-

öffentliche Charakter der Veranstaltung erhalten bleiben.836 Die Situation ist dann

vergleichbar mit der Übertragung der Aussprache in die zum Präsenzbereich zäh-

lenden Nachbarräume des Versammlungssaals.

Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Online-Aktionär Nichtaktionären Zugang

verschafft, indem er am Computerbildschirm Freunde, Bekannte und Verwandte

„über die Schulter“ gucken lässt. Dies ist jedoch kein zwingendes Argument ge-

gen die zugangsbeschränkte Internet-Übertragung. Den gleichen Personen kann

der Aktionär auch Zugang zur Präsenzversammlung ermöglichen, indem er sie als

Stellvertreter einsetzt.837 Außerdem sollte das Interesse von Unbeteiligten an einer

Hauptversammlung nicht überschätzt werden. Die geringe Zahl möglicher

„Schwarzseher“ bedeutet keinen schwerwiegenden Verstoß gegen die gesell-

schaftliche Innensphäre und kann hingenommen werden.838 Zur Vorbeugung

sollte die Gesellschaft die Online-Aktionäre vor dem Einloggen auf der Home-

page darauf hinweisen, dass es ihnen untersagt ist, nicht-legitimierten Personen

die Verfolgung der Hauptversammlung zu gestatten und das Audio/Video Signal

aufzuzeichnen.839

Wenn die Übertragung der Hauptversammlung nur Aktionären zugänglich ist,

droht keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts einzelner Redner.840 Der Anle-

ger, der auf einer Hauptversammlung an den Rednerpult tritt, will zum Kreis der

Mitaktionäre sprechen.841 Es macht keinen Unterschied, ob diese im Versamm-

lungssaal, in Nachbarräumen oder am Computerbildschirm via Internet der Rede

folgen. Die Gefahr, dass auch nicht-legitimierte Personen die Reden verfolgen,

besteht auch auf der Präsenz-Hauptversammlung. Die dadurch drohende Verlet-

zung des Persönlichkeitsrechts ist zu vernachlässigen. Es überwiegt das Interesse

835 Blank/Zetsche, K&R 2000, 486ff., 489.836 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 210; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683; Spindler, ZGR 2000,

420ff., 434; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 16.837 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 210; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsfor-

men, S. 145.838 So auch Balz, Die Tele-Hauptversammlung, abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.839 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683.840 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 17; Claussen, AG 2001,

161ff., 169; Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 263f.; Spindler, ZGR 2000, 420ff.,434f.; Schaaf, Praxis der HV, RN 906; aA Zätsch/Gröning, AG 2000, 393ff., 395.

841 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 17.

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der Gesellschaft (und ihrer Anleger) möglichst vielen Aktionären die Teilnahme

an der Hauptversammlung zu erleichtern.

Fraglich ist aber, ob in entsprechender Anwendung der vom BGH aufgestellten

Grundsätze zu Tonbandmitschnitten, jeder Redner die Unterbrechung der Über-

tragung für die Dauer seines Beitrages verlangen kann. Die herrschende Meinung

fordert ein solches Widerspruchsrecht der betroffenen Aktionäre, da bei einer

Übertragung im Internet eine unkontrollierbare Aufzeichnung der Redebeiträge

durch die Empfänger möglich ist.842

Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Wenn der Aktionär lediglich zum Anleger-

kreis der Gesellschaft spricht, liegt – wie gerade aufgezeigt - tatbestandlich keine

Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor. Dann kann es aber dahinstehen, ob die

Übertragung mit oder ohne Einwilligung erfolgt.843 Eine solche Unterbrechung

würde vielmehr die Interessen der Online-Aktionäre beeinträchtigen, die dann von

der Verfolgung der Hauptversammlung partiell ausgeschlossen sind.844

Die BGH-Entscheidung kann nicht dahingehend gedeutet werden, dass das Wi-

derspruchsrecht heimliche bzw. unkontrollierte Aufzeichnungen der Redebeiträge

verhindern soll.845 Es bezweckt vielmehr den Schutz des Persönlichkeitsrechts,

indem es jedem Aktionär seine Entscheidungsfreiheit belässt, ob seine Stimme auf

Tonband aufgezeichnet wird oder nicht.846 Dabei betrifft die Entscheidung in er-

ster Linie die Tonbandaufnahme durch die Gesellschaft. Diese ist nur zulässig,

wenn der Versammlungsleiter sie ankündigt und die Aktionäre auf ihr Wider-

spruchsrecht hinweist. Wendet man diesen Grundsatz auf die zugangsbeschränkte

Internet-Übertragung an, können die Redner nur dann der Übertragung widerspre-

chen, wenn gleichzeitig eine Aufzeichnung durch die Gesellschaft stattfindet. So

ist die Rechtslage auch, wenn nur in Nachbarräume übertragen wird.

842 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 177; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683;

Riegger, ZHR 165 (2001), 204f., 211; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 184; Spindler,ZGR 2000, 420ff., 435; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638, unter Hinweis auf BGHZ127, 107ff.; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 134f.; Schaaf, Praxisder HV, RN 906; der sogar eine schriftliche Zustimmung des Aktionärs verlangt;Zätsch/Gröning, AG 2000, 393ff., 395.

843 So auch BGHZ 27, 284ff., 286f.844 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 263; Noack in Noack/Spindler, Unternehmens-

recht und Internet, S. 14ff., 17.845 Anders aber ausdrücklich Spindler, ZGR 2000, 420ff., 435.846 BGHZ 127, 107ff., 109, unter Berufung auf BGHZ 27, 284ff.

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159

Das Problem bei der Online-Übertragung ist jedoch nicht die mögliche Aufzeich-

nung durch die Gesellschaft, sondern das schwer kontrollierbare Abspeichern

durch einen Internet-Aktionär. Zu Tonbandaufnahmen durch einen Aktionär äu-

ßert sich der BGH in der zitierten Entscheidung eher am Rande.847 Er stellt fest,

dass Aktionäre Tonbandaufzeichnungen nur mit Zustimmung des Versamm-

lungsleiters und der übrigen Teilnehmer vornehmen dürfen und betont zudem die

Unzulässigkeit heimlicher Tonbandmitschnitte.848 Übertragen bedeutet das: Will

ein Aktionär das Audio/Video-Signal aufzeichnen und kündigt er dies an, genügt

es nicht, den Rednern ein Widerspruchsrecht einzuräumen; vielmehr muss er zu-

vor die Zustimmung sämtlicher Teilnehmer einholen.

Da aber die Online-Aktionäre vor dem Einloggen auf die Unzulässigkeit jeglicher

Mitschnitte hingewiesen werden, handelt es sich um heimliche Aufzeichnungen,

die grundsätzlich das Persönlichkeitsrecht verletzen und verboten sind.849 Die

Gefahr heimlicher Aufzeichnungen durch Aktionäre ist auch in der Präsenzver-

sammlung gegeben.850 Das vom BGH anerkannte Widerspruchsrecht dient nicht

dazu, dies zu verhindern. Nur bei angekündigten Aufzeichnungen ergibt es Sinn.

Heimliche Aufzeichnungen kann weder der Aktionär, noch die Gesellschaft voll-

ständig ausschließen. Zwar sind illegaler Mitschnitte im World Wide Web un-

gleich einfacher als in der Präsenzveranstaltung.

Wenn aber nur Aktionäre im Internet Zugang zur Hauptversammlung haben, ist

die Missbrauchsgefahr begrenzt. Die Anleger sind an die konkreten Vorgaben für

die Online-Übertragung und die mitgliedschaftliche Treuepflicht zur AG gebun-

den. Letztere untersagt den Anlegern nachteilige Einwirkungen auf das Gesell-

schaftsunternehmen.851 Technische Mechanismen können zudem die Speicherung

der Daten erschweren und damit die Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeits-

rechtsverletzung verringern.852 Letztlich überwiegt daher das Interesse der Gesell-

schaft an einer möglichst großen Präsenz, sowie das Interesse der Online-

847 BGHZ 127, 107ff., 116.848 BGHZ 127, 107ff., 116.849 So schon BGHZ 27, 284ff., 285; Max, AG 1991, 77ff., 81f.; Schaaf, Praxis der HV, RN 869.850 Max, AG 1991, 77ff., 81f.851 Hüffer, AktG, § 53a RN 19.852 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 264, verweisen auf ein read-only-access-System.

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160

Aktionäre an einer vollständigen Übertragung der Hauptversammlung.853

Es gibt keinen zwingenden Grund für die Gewährung eines Widerspruchsrechts

bei einer zugangsbeschränkten Übertragung im Internet. Da die BGH-

Entscheidung jedoch nicht eindeutig ist und es ansonsten keine gefestigten Grund-

sätze gibt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine Klarstellung durch den Ge-

setzgeber erforderlich. Diese sollte das Widerspruchsrecht negieren, um eine in-

ternetgestützte Hauptversammlung nicht zu behindern.

b) Übertragung ohne Zugangsbeschränkung

Erfolgt die Übertragung im Internet ohne eine Zugangsbeschränkung, ist der

Nichtöffentlichkeitsgrundsatz verletzt. Ob dies eine öffentliche Übertragung per

se ausschließt erscheint aber zweifelhaft. Denn der Grundsatz der Nichtöffentlich-

keit ist kein zwingendes Gesetzesrecht. § 118 AktG bestimmt lediglich, dass die

Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversammlung ausüben und dass die Mitglieder

des Vorstandes und des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung teilnehmen sol-

len. Daraus und aus besonders geregelten Teilnahmerechten (z.B. § 44 Abs. 1

Nr. 2 KWG) wird gefolgert, dass kein allgemeines Anwesenheitsrecht besteht.854

Der Grundsatz, dass die Hauptversammlung nicht medienöffentlich ist, erfährt in

der Praxis zunehmend eine Aufweichung durch die Gesellschaften. Insbesondere

die Publikumsgesellschaften lassen bereitwillig Presse- und Medienvertreter so-

wie sonstige Gäste zu. Auch in der Wissenschaft werden Stimmen laut, die das

berechtigte Interesse der Gesellschaft an einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit und

das Informationsinteresse der Allgemeinheit über den Schutz der Privatsphäre der

Aktionäre stellen.855

Der Nichtöffentlichkeitsgrundsatz ist wenig zwingend. Er zählt weder zu den ak-

tienrechtlichen Kerngrundsätzen noch zu den Unentziehbahren Mitgliedsrechten.

Eine Abbedingung in der Satzung ist grundsätzlich zulässig.856 Sie kann festlegen,

853 So im Ergebnis auch Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 264; Claussen, AG 2001,

161ff., 169; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 17.854 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147, RN 64.855 Max, AG 1991, 77ff., 83; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 50; Schaaf, Praxis der HV,

RN 909.856 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 183.

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161

inwieweit sich die Versammlung für die Allgemeinheit öffnet.857 Wenn die Sat-

zung Medienvertreter, Rundfunk und Fernsehen zur Hauptversammlung zulassen

kann, muss sie auch die Internet-Übertragung regeln dürfen.858 Denn auch die

Online-Teilnehmer sind keine Teilnehmer im Rechtssinn und bedürfen daher wie

Gäste der Zulassung durch die Gesellschaft.859 Der Grundsatz der Satzungsstrenge

(§ 23 Abs. 5 AktG) steht einer derartigen Regelung nicht entgegen, da die

Öffnung der Hauptversammlung für Nichtaktionäre im Aktiengesetz nicht ab-

schließend geregelt ist.860 Es handelt sich daher um eine zulässige Ergänzung ge-

mäß § 23 Abs. 5 S. 2 AktG.861

Als rechtliche Legitimation für die Übertragung kommt auch der Erlass einer ent-

sprechenden Geschäftsordnung in Betracht.862 Gemäß § 129 Abs. 1 AktG kann

eine Geschäftsordnung eigenverantwortliche Regelungen zur Vorbereitung und

Durchführung der Versammlung enthalten. Vom Regelungsgegenstand her bietet

sich eine Geschäftsordnung somit an. Allerdings birgt die Beschlussfassung über

eine Geschäftsordnung die Gefahr, dass sich der Schwerpunkt der Hauptver-

sammlung verlagert und die Teilnehmer vor allem über einzelne Regelungen der

Geschäftsordnung diskutieren.863 Deswegen wird von dieser Möglichkeit in der

Praxis kaum Gebrauch gemacht.864 Eine Geschäftsordnung als Rechtsgrundlage

ist daher zwar zulässig, aber wenig praktikabel.

Nicht ausreichend ist die alleinige Entscheidung des Versammlungsleiters.865 Die-

se genügt zwar für die Zulassung von Medienvertretern und anderen Gästen.866

857 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 15.858 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 210f.; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; Noack in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 16; Noack, BB 1998, 2533ff.,2534; wohl auch Schieber, Die dezentrale HV, S. 114f.

859 Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147, RN 177.860 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 211; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638.861 Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638.862 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 211; Habersack, ZHR 165 (2001), 177ff., 183; Noack in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 16; ders., BB 1998, 2533ff., 2534.863 Bezzenberger, ZGR 1998, 352ff., 366; Schaaf, Praxis der HV, RN 596r; vgl. das Beispiel der

HV der VBH Holding AG bei Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81ff., 85.864 Vgl. Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81ff., 81, die darauf hinweisen, dass in der Hauptver-

sammlungssaison 1998 nur eine Gesellschaft eine HV-GO erlassen hat.865 Hüffer, AktG, § 118 RN 16; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,

S. 16; Noack, BB 1998, 2533ff., 2534; aA Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 211; Rieg-ger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 395; Schaaf, Praxisder HV, RN 910; Mülbert in Großkomm. AktG, § 118 RN 77.

866 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 30; Eckardt in Geßer/Hefermehl/Eckardt/Kropff,AktG, § 123 RN 36; Semler in MünchHdb AG, § 36 RN 24; Mülbert in Großkomm. AktG,§ 118 RN 75.

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162

Die Entscheidung über die mit einer unbeschränkten Übertragung im Internet ver-

bundene Herstellung einer Massenöffentlichkeit übersteigt jedoch die Leitungs-

kompetenz des Versammlungsleiters. Anders als bei der Zulassung von Gästen

geht es nicht mehr um den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung,

sondern um eine grundsätzliche, die Aktionäre betreffende Frage hinsichtlich der

Öffnung der Versammlung.867 Die Hauptversammlung muss darüber entscheiden.

Sie aber erst zu befragen, wenn sich gegen die Entscheidung des Versammlungs-

leiters Widerspruch regt,868 ist nicht praktikabel, da insbesondere bei großen

Hauptversammlungen eine vorherige Abstimmung Schwierigkeiten bereitet und

zu erheblichen Verzögerungen führt.869

Auch wenn somit keine aktienrechtlichen Bedenken gegen eine öffentliche Über-

tragung der Hauptversammlung im Internet bestehen, hat der Aktionär ein Wider-

spruchsrecht bezüglich seines Beitrages.870 Die öffentliche Übertragung der Re-

debeiträge verletzt grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der jeweili-

gen Aktionäre. Der Redner kann nicht mehr über seinen Zuschauer- und Zuhörer-

kreis bestimmen. Zudem ruft das Wissen um die Übertragung möglicherweise

Hemmungen hervor, die den Aktionär von seiner Stellungnahme abhalten.

Dem Aktionär muss daher die Entscheidung überlassen bleiben, ob eine öffentli-

che Übertragung seines Redebeitrages erfolgt oder nicht. Das Widerspruchsrecht

kann nicht in der Satzung ausgeschlossen werden.871 Zwar genügt eine Satzungs-

regelung grundsätzlich als aktienrechtliche Legitimation für eine Übertragung. Sie

rechtfertigt jedoch nicht die Verletzung unentziehbahrer Rechte einzelner Aktio-

näre.872 Denn eine Satzungsänderung erfordert in der Regel einen Mehrheitsbe-

867 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 16.868 So Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 211; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; Hüffer,

AktG, § 118 RN 16; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 135; ebensofür die Entscheidung über die Zulassung von Gästen und Medienvertreter Stütz-le/Walgenbach, ZHR 1991, 516ff., 526; Martens, Leitfaden, S. 21.

869 Ebenso Schaaf, Praxis der HV, RN 910, der im Ergebnis aber eine Alleinzuständigkeit desVersammlungsleiters annimmt.

870 So im Ergebnis auch Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 264; Riegger, ZHR 165(2001), 204ff., 211; Habersack, ZHR 165 (2001), 177ff., 183; Claussen, AG 2001, 161ff.,165.

871 AA: Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 14ff., 16, da sich derAktionär aufgrund der Satzungsbestimmung auf die Verhältnisse einstellen könne.

872 K. Schmidt, GesR, § 16 III 3b; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapi-talmarkt, S. 148.

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163

schluss und nicht die Zustimmung aller Aktionäre.873

Auf die Übertragung und das Widerspruchsrecht muss der Versammlungsleiter

hinweisen. Die Gesellschaft hat dafür Sorge zu tragen, dass sie dem Verlangen

eines Aktionärs entspricht und die Übertragung für die Dauer des Redebeitrages

auf die elektronisch zugeschalteten Aktionäre beschränkt. Somit kann sie die

Öffentlichkeit ausschließen, ohne die Interessen der am Bildschirm teilnehmenden

Aktionäre einzuschränken.

c) Zusammenfassung

Ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung ist die

audio-visuelle Übertragung der gesamten Hauptversammlung inklusive der Aus-

sprache nur zulässig, wenn der Zugang zu dem Signal aus der Hauptversammlung

allein den zuvor legitimierten Aktionären der Gesellschaft ermöglicht wird. Die

Redner auf der Hauptversammlung können der Übertragung ihres Redebeitrages

bei einem geschlossenen Nutzerkreis nicht widersprechen. Eine öffentliche Über-

tragung der Hauptversammlung ist dagegen nur aufgrund einer rechtlichen Legi-

timation in der Satzung oder Geschäftsordnung zulässig. Zum Schutz ihres Per-

sönlichkeitsrechts können Aktionäre die öffentliche Übertragung für die Dauer

ihres Redebeitrages unterbrechen lassen. Online-Aktionäre bleiben aber weiterhin

zugeschaltet.

5. Praktische Umsetzung

a) Technische Voraussetzungen

Die Übertragung der Hauptversammlung erfolgt durch Bereitstellung eines Au-

dio/Video-Signals und eines Chartsignals auf der Homepage der Gesellschaft.874

Das Chartsignal stellt Charts und Grafiken des Vorstands sowie die Abstim-

mungsergebnisse in einem gesonderten Fenster neben dem Videobild aus der

Hauptversammlung dar. Die dem Audio/Video-Signal zugrundeliegenden Daten

werden dabei komprimiert und mittels Streaming-Technologie versendet. Zur De-

kompression und Darstellung dieses Signals benötigt der Empfänger auf seinem

873 Vgl. allgemein K. Schmidt, GesR, § 30 I 2.

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164

Computer die entsprechende Streaming-Software (Real Player oder MS Media

Player), die inzwischen in den meisten Betriebssystemen oder Internetbrowsern

integriert ist. Aktuelle Versionen können auf den Internetseiten der Hersteller ko-

stenlos abgerufen werden.875 Mit der vorhandenen Streaming-Technik ist ein Zu-

sammenbruch der Übertragung nicht zu befürchten. Allerdings kann eine Bild-

übertragung im Internet noch mit Qualitätsverlusten (ruckeln) verbunden sein.876

Steigende Bandbreiten und leistungsfähigere Übertragungsraten ermöglichen je-

doch in naher Zukunft flüssige Echtzeit-Videoübertragungen.877

b) Zugangsbeschränkte Übertragung

Bei der nicht-öffentlichen Übertragung der Hauptversammlung hat die Gesell-

schaft sicherzustellen, dass nur Aktionäre Zugang zu dem Audio-/Videosignal aus

der Hauptversammlung erhalten. Daher muss sich jeder Aktionär, der die Ver-

sammlung online verfolgen möchte, als solcher legitimieren. Für die Legitimation

der Aktionäre können die Gesellschaften aus dem Online-Banking bewährten PIN

und Password-Systeme verwenden.878 Beim „Login“ auf der Homepage der Ge-

sellschaft muss sich der Anleger durch die Angabe der elektronischen Codes

identifizieren und anmelden.879 So erhält er Zugang zu dem geschlossenen Nut-

zerkreis (Virtual Private Network)880 und kann die Übertragung verfolgen.

c) Öffentliche Übertragung

Soll die Versammlung öffentlich im Internet übertragen werden, ist beim Zugang

zwischen Aktionären und Gästen zu unterscheiden. Die Aktionäre müssen sich

nach oben beschriebenem Verfahren identifizieren und anmelden, wenn sie bei

einem eventuellen Ausschluss der Öffentlichkeit die Versammlung uneinge-

schränkt weiterverfolgen wollen. Die Gäste können sich über den Gastzugang in

874 Vgl. Zetzsche, ZIP 2001, 681ff., 683.875 Download möglich unter http://www.realplayer.com oder http://www.mediaplayer.com.876 Video-Streams benötigen für eine ruckelfreie Darstellung Highspeed-Internetverbindungen

mit einer Übertragungsrate von über 500 Kbi/s. Die gängigen Internet-Verbindungen überModem (höchstens 56 Kbit/s) oder ISDN (64 Kbit/s) sind dafür nicht ausreichend.

877 Die xDSL-Technologie erlaubt die Versendung umfangreicher Ton- und Bildpakete mit einerÜbertragungsrate von derzeit 768 Kbit/s.

878 Siehe dazu oben 3. Kapitel.G.II.5.879 Vgl. das Beispiel für eine „Login“-Eingabemaske bei Zuther in Semler/Volhard, Arbeits-

handbuch HV, RN I B 589.880 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683.

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165

das System der Gesellschaft einwählen. Zu Beginn der Hauptversammlung kün-

digt der Versammlungsleiter die Übertragung an und weist die Aktionäre auf ihr

Widerspruchsrecht hin. Eine schriftliche Einverständniserklärung eines jeden

Redners ist nicht erforderlich.881 Der Aktionär der ohne Widerspruch redet, erklärt

damit konkludent seine Zustimmung. Macht ein Redner von seinem Wider-

spruchsrecht Gebrauch, muss die Gesellschaft die Übertragung für die Dauer des

Redebeitrages auf die legitimierten Teilnehmer beschränken. Die Öffentlichkeit

kann sie in der Zeit mit anderen Informationen versorgen.882

6. Technische Störung

Eine technische Störung des Übertragungssignals hat keine Auswirkungen auf die

Beschlussfassung in der Hauptversammlung. Da der Online-Aktionär kein Teil-

nehmer im Rechtssinn ist, berechtigt ihn eine Unterbrechung der Live-

Übertragung nicht zur Anfechtung der in der Hauptversammlung gefassten Be-

schlüsse.

III. Einsicht in Unterlagen und Teilnehmerverzeichnis

Damit die Online-Aktionäre dieselben Informationen wie die Präsenzaktionäre

erhalten genügt es nicht, nur die Verwaltungsreden und die Aussprache zu über-

tragen. Die abwesenden Anleger müssen die Dokumente einsehen können, die in

der Präsenzversammlung ausliegen.883 Dies lässt sich einfach bewerkstelligen,

indem die Gesellschaft sämtliche erforderlichen Unterlagen auf der Homepage

zum Abruf bereitstellt. Auch das elektronisch geführte Teilnehmerverzeichnis

kann sie den Online-Aktionären auf diesem Weg zugänglich machen.884

Die Veröffentlichung auf der Homepage kann allerdings die Auslegung nicht er-

setzen. Weiterhin muss die Gesellschaft die Unterlagen auf der Präsenzhauptver-

sammlung den Aktionären zur Einsicht bereitstellen. Die Präsentation auf der

Webseite ist nur ein zusätzlicher Service.

881 Anders aber Schaaf, Praxis der HV, RN 906, unter Hinweis auf die Vorgehensweise auf der

Telekom-Hauptversammlung.882 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 264.883 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 212.

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166

IV. Internetgestützte Stimmrechtsausübung

Die Übertragung einer Hauptversammlung im Internet ermöglicht für sich ge-

nommen zunächst nur eine passive Teilnahme der Aktionäre. Um eine Steigerung

der Hauptversammlungspräsenzen zu erreichen, muss den ortsabwesenden Aktio-

nären jedoch eine aktive Teilnahme durch Ausübung ihrer Aktionärsrechte er-

möglicht werden. Für die internetgestützte Stimmrechtsausübung ist zwischen der

Online-Stimmabgabe (Direct-Voting)885 und der Stimmabgabe mittels Vertreter

zu unterscheiden.

1. Online-Stimmabgabe (Direct-Voting)

Die §§ 133 ff. AktG, die das Stimmrecht regeln, enthalten keine Aussage über die

Form der Stimmrechtsausübung. Gemäß § 134 Abs. 4 AktG ist die Satzung maß-

geblich. Dies legt den Schluss nahe, dass eine Stimmrechtsausübung über das In-

ternet in der Satzung zugelassen werden kann.886 Die Norm ist jedoch im Zusam-

menhang mit anderen Bestimmungen zu sehen. Wie bereits ausgeführt geht § 118

Abs. 1 AktG davon aus, dass der Aktionär seine Rechte „in der Hauptversamm-

lung“ ausübt.887 Zu diesen versammlungsgebundenen Rechten zählt vor allem das

Stimmrecht. Eine Stimmabgabe außerhalb der Hauptversammlung ist nach allge-

meiner Ansicht nicht zulässig und darf bei der Ermittlung eines Beschlussergeb-

nisses nicht berücksichtigt werden.888 Die Ausübung in der Hauptversammlung

gehört zum Tatbestand wirksamer Rechtsausübung.889 Der Aktionär oder sein

Vertreter müssen physisch präsent sein. Die Norm ist zwingendes Recht, von der

auch in der Satzung nicht abgewichen werden kann.890

Dennoch gibt es Stimmen, die schon heute eine entsprechende Satzungsregelung

zulassen wollen.891 Dies wird mit neuen Überlegungen zu § 23 Abs. 5 AktG be-

884 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 212.885 Teilweise auch als E-Voting bezeichnet.886 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 259ff., 273, die auf den weiten Gestaltungsraum in

§ 134 Abs. 4 AktG hinweisen.887 Siehe oben 4. Kapitel.A.I.1.888 Zöllner in Kölner Kommentar, § 118 RN 8, Mülbert in Großkomm. AktG, §§ 118-147

RN 61; § 134 RN 69; Hüffer, AktG, § 118 RN 7; Eckardt in Geß-ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 118 RN 7.

889 Hüffer, AktG, § 118 RN 7.890 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 118 RN 5.891 Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 288ff.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht

und Internet, S 13ff., 20; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 142;Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000. 259ff., wollen das Direct-Voting sogar ohne Satzungs-

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167

gründet.892 Danach sei § 23 Abs. 5 AktG – ähnlich wie das AGB-Gesetz - nur als

Mindestnorm zu verstehen, die Satzungsregeln dann nicht entgegenstehe, wenn

diese nicht gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der

abgewichen wird, verstoßen.893 Da die Stimmabgabe über das Internet und die

Stimmabgabe in der Hauptversammlung gleichwertig seien, könne die Satzung

das Direct-Voting freigeben.

Diese (moderne) Deutung des § 23 Abs. 5 AktG ist jedoch mit Wortlaut sowie

Sinn und Zweck nicht zu vereinbaren. Die Satzung kann von den Vorschriften

dieses Gesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Durch die

Satzungsstrenge wird das Aktienrecht der Privatautonomie entzogen.894 Anders

als GmbH oder andere Verbände können Aktiengesellschaften ihre organschaftli-

che Struktur nicht weitgehend selbst gestalten.895 Damit will das Aktiengesetz

Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen und die Verkehrsfähigkeit der Aktie

sicherstellen.896 Die Satzungsstrenge sorgt für eine Standardisierung der Gesell-

schaftsstrukturen.897 Aktionäre sind so vor ungewöhnlichen Bestimmungen in der

Satzung geschützt und müssen sich bei Erwerb einer Aktie nicht über deren Inhalt

informieren.898 Eine wie auch immer ausgestaltete Aufweichung des Grundsatzes

der Satzungsstrenge kollidiert zwangsläufig mit diesen Funktionen. Ein Satzungs-

autonomie über das zugelassene Maß hinaus bedeutet weniger Rechtsklarheit und

–sicherheit.

Die Auslegung des § 23 Abs. 5 AktG als Mindestnorm, wie im Verbraucher-

schutzrecht, führt dazu, dass bei jeder neuen Satzungsregel eine Abwägung erfol-

gen muss. Das dafür vorgeschlagene Kriterium der „Gleichwertigkeit“ ist als

Maßstab zu unbestimmt, um rechtssichere Aussagen treffen zu können. Letztlich

bestimmung zulassen.892 Hirte in Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im GesR (ZGR-Sonderheft 13), 1998, 61ff.,

69ff.; Mertens, ZGR 1994, 426ff.893 Hirte in Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im GesR (ZGR-Sonderheft 13), 1998, 61ff.,

69ff.; zusammenfassend Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 289; zustimmend Noack inNoack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S 13ff., 20.

894 Röhricht in Großkomm. AktG, § 25 RN 167.895 K. Schmidt, GesR, § 26 III 1.c).896 Röhricht in Großkomm. AktG, § 25 RN 167; Pentz in Münchener Komm. AktG, § 23

RN 150; Hüffer, AktG, § 23 RN 34;897 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 5; Röhricht in Groß-

komm. AktG, § 25 RN 167; K. Schmidt, GesR, § 26 III 1.c).898 Pentz in Münchener Komm. AktG, § 23 RN 150; Röhricht in Großkomm. AktG, § 25

RN 167.

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168

bliebe es Gerichten überlassen, Standards für die Gleichwertigkeit festzulegen; ein

Zustand, der die Verkehrsfähigkeit der Aktie beeinträchtigen kann.

§ 23 Abs. 5 AktG ist daher unbedingt wörtlich zu nehmen. Da § 118 Abs. 1 AktG

eine Stimmabgabe von außerhalb der Versammlung nicht zulässt, ist eine Sat-

zungsbestimmung, die dies vorsieht, nicht zulässig. Auch der Gesetzgeber wollte

mit dem NaStraG den Schritt von der Stimmabgabe in der Hauptversammlung zur

elektronischen Briefwahl per Internet nicht vollziehen.899 Eine Stimmrechtsaus-

übung über das Internet ist somit de lege lata abzulehnen.900

2. Stimmabgabe durch Vertreter (Vertretermodell)

Solange ein Direct-Voting rechtlich nicht zulässig ist, kann der ortsabwesende

Aktionär sein Stimmrecht nur über einen in der Hauptversammlung präsenten

Vertreter ausüben.901 Die dafür erforderliche Vollmachtserteilung ist nach neuer

Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen per E-Mail zulässig (§ 134 Abs. 3

S. 1 AktG n.F.).902 Auch Weisungen können Anleger über ein internetgestütztes

Weisungssystem formlos erteilen. Damit ist die Stimmrechtsausübung unter Ver-

zicht auf die Papierform zulässig.903 Da aber die Gesellschaften bislang Voll-

machts- und Weisungserteilung nur im Vorfeld der Hauptversammlung zulie-

ßen,904 war eine Reaktion des Aktionär auf den Ablauf der Hauptversammlung

nicht möglich.

Um eine dem Direct-Voting nahekommende Stimmrechtsausübung über das In-

ternet zu ermöglichen, muss der Online-Aktionär noch während der Hauptver-

sammlung Weisungen an seinen Stimmrechtsvertreter erteilen können. Nur dann

ist er wie körperlich anwesende Anleger in der Lage auf aktuelle Entwicklungen

vor Ort zu reagieren. Für die Umsetzung dieser Hilfskonstruktion bietet sich der

899 Bergr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.900 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 180f.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 213; Than in

FS Peltzer, 2001, 576ff., 595; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639; Zätsch/Gröning, NZG2000, 393ff., 396; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 437; Balz, Die Tele-HV, abrufbar unterhttp://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

901 Vgl. Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 21ff.; Habersack,ZHR 165 (2001), 172ff., 181ff.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 213; Claussen, AG 2001,161ff., 169f.; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 139f.

902 Vgl. dazu oben 3. Kapitel.G.I.1.903 Vgl. dazu oben 3. Kapitel.G.II.5.904 Die DaimlerChrysler AG lässt elektronische Weisungen bis zwei Tage vor der HV zu; vgl.

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169

Einsatz eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters an (Vertreter-

Modell).905 Zwar ist auch die Bevollmächtigung von Privatpersonen oder Kredit-

instituten denkbar. Aber nur der Gesellschaftsvertreter kann aufgrund seiner Ein-

bindung in das Abstimmungssystem der Gesellschaft eine organisierte Weisungs-

erteilung über das Internet ermöglichen.906 Rechtlich übt nach diesem Modell also

der Vertreter das Stimmrecht aus, faktisch aber stimmt der Online-Aktionär ab.

3. Praxismodell Online-Hauptversammlung

In der Hauptversammlungssaison 2001 sind erstmals in Deutschland so genannte

Online-Hauptversammlungen durchgeführt worden.907 Dieses Online-

Hauptversammlung ist eine internetgestützte Hauptversammlung auf Basis des

Vertretermodells. Die Besonderheit gegenüber der bisherigen Praxis ist die Mög-

lichkeit für ortsabwesende Aktionäre, dem Gesellschaftsvertreter auch noch bis

zur Abstimmung Weisungen über ein internetgestütztes Weisungssystem zu er-

teilen. Angeboten haben dies die Advantec Wagniskapital AG auf ihrer Hauptver-

sammlung am 30.3.2001 in Berlin, die Celanese AG am 9.5.2001 in Oberhausen

und die Ton-Art AG am 6.8.2001 in Düsseldorf.

Die technische Durchführung des neuen Praxismodells übernahm bei den Haupt-

versammlungen von Advantec und Ton-Art der HV-Spezialdienstleister Lai-Con

GmbH aus Düsseldorf, eine Tochtergesellschaft der Ton-Art AG, die eine speziell

für das Online-Weisungssystem entwickelte Software einsetzte.908 Die Online-

Hauptversammlung der Celanese AG organisierte die Registrar Services GmbH

aus Frankfurt.909 Vor allem die erste Online-Hauptversammlung bei der Advantec

AG fand viel Beachtung und ein großes Echo in der Presse.910

Bei allen Gesellschaften lief die Online-Hauptversammlung vergleichbar ab. Ak-

tionäre, die an der Hauptversammlung über das Internet teilnehmen wollten,

Klawitter in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 37ff., 46.905 Vgl. Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 20ff.906 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 25f.907 Zum Begriff: Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 18; Zetz-

sche, ZIP 2001, 682ff., 683; Claussen, AG 2001, 161ff., 166; Blank/Zetzsche, K&R 2000,448ff.

908 Vgl. http://www.lai-con.de.909 Vgl. http://www.registrar-services.com.910 Z.B. Financial Times Deutschland v. 14.3.2001, Die Welt v. 20.3.2001; Berliner Morgenpost

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170

mussten sich zuvor bei ihrer Gesellschaft anmelden und einem von der Gesell-

schaft benannten Stimmrechtsvertreter Vollmacht für die Stimmrechtsausübung

erteilen. Daraufhin erhielten sie elektronische Zugangscodes (PIN/TAN), mit de-

nen sie sich am Tag der Hauptversammlung Zugang zur Live-Übertragung und

zum elektronischen Weisungssystem auf der Homepage verschaffen konnten. Die

Versammlung wurde so an einen geschlossenen Nutzerkreis ohne Unterbrechun-

gen übertragen.911

Über das Online-Weisungssystem hatten angemeldete Aktionäre bis zur Abstim-

mung die Möglichkeit, Direktiven zu erteilen oder bereits erteilte Direktiven zu

ändern. In allen Fällen hielten sich die Gesellschaften dabei an die herrschende

Meinung zur analogen Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG und ließen den

Gesellschaftsvertreter nur aufgrund ausdrücklichen Einzelweisungen abstim-

men.912 Im Hauptversammlungssaal erhielt der Gesellschaftsvertreter die Ab-

stimmungswünsche der Aktionäre auf seinem Laptop. Kurz vor Ende der Aus-

sprache teilte der Versammlungsleiter den Online-Teilnehmern die bevorstehende

Schließung des Weisungssystems mit. Der Gesellschaftsvertreter übte anschlie-

ßend das Stimmrecht entsprechend der auf dem Proxy-Server aufgelaufenen Wei-

sungen für die Online-Aktionäre aus.

Die erste Online-Hauptversammlung war nach Angaben der Advantec AG ein

Erfolg.913 Von den rund 1.400 Inhaberaktionären der Gesellschaft hatten sich vor

der Hauptversammlung mehr als 130 Aktionäre für das Online-Weisungssystem

angemeldet und ihre Vollmachten erteilt.914 Während des Aktionärstreffens ver-

zeichnete die Gesellschaft 53 Zugriffe auf das virtuelle Weisungssystem. Damit

wurden 25 % des Hinterlegungsbestandes nach Personen, entsprechend 5 % aller

Aktionäre der Gesellschaft über das internetgestützte Weisungssystem repräsen-

tiert. Auch bei den anderen Gesellschaften waren die Reaktionen positiv. Techni-

sche Probleme gab es keine. Für die Hauptversammlungssaison 2002 haben be-

reits mehrere Unternehmen ihr Interesse am Einsatz dieses Modells angekün-

v. 30.3.2001.911 Bei Widerspruch eines Aktionärs wäre die Übertragung unterbrochen worden.912 Siehe dazu und zur hier vertretenen abweichenden Meinung oben 3. Kapitel.G.II.3.c).913 Vgl. http://www.advantec.net.914 Im Hauptversammlungssaal persönlich erschienen waren nur 108 Aktionäre.

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171

digt.915 Das Modell der Online-Hauptversammlung wird also von der Praxis an-

genommen und befindet sich vor dem Durchbruch.916

V. Internetgestützte Ausübung des Auskunftsrechts

Neben dem Stimmrecht ist das Auskunftsrecht wichtigstes Mitgliedschaftsrecht

der Aktionäre. Zu einer aktiven Teilnahme an der Hauptversammlung über das

Internet gehört daher die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zu unterscheiden ist

auch hier zwischen der direkten Online-Befragung durch den externen Aktionär

und der Rechtswahrnehmung über einen Stellvertreter.

1. Online-Befragung

Wie das Stimmrecht ist auch das Auskunftsrecht grundsätzlich ein versamm-

lungsgebundenes Recht.917 Gemäß § 131 Abs. 1 AktG ist jedem Aktionär auf

Verlangen „in der Hauptversammlung“ Auskunft zu geben. Eine Auskunftsertei-

lung außerhalb der Hauptversammlung sieht das Gesetz nicht vor, wird allerdings

nicht verboten. Gibt die Gesellschaft einem Aktionär außerhalb der Hauptver-

sammlung Auskunft, muss sie diese Information jedem anderen Aktionär auf

Verlangen in der Hauptversammlung mitteilen (§ 131 Abs. 4 S. 1 AktG). Diese

Vorschrift ist Ausfluss des in § 53a AktG statuierten allgemeinen Grundsatzes der

Gleichbehandlung der Aktionäre und soll ein Informationsmonopol von (Groß-

)Aktionären verhindern, die häufig außerhalb der Hauptversammlung Auskunft

erhalten.918 Damit wird jedoch nicht von dem Grundsatz der Versammlungsge-

bundenheit abgewichen.

Nach geltendem Aktienrecht ist die direkte Ausübung des Auskunftsrechts über

das Internet durch einen ortsabwesenden Aktionär nicht zulässig.919 Zwar kann

915 So die Aussage von Blank, Vorstandsvorsitzender der Ton-Art AG auf deren Hauptver-

sammlung am 6.8.2001 in Düsseldorf; vgl. auch DM 7/2001; „Chat mit dem Chef“.916 So auch Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683.917 Hüffer, AktG, § 118 RN 7; Mülbert in Großkomm. AktG, § 118 RN 16; Zöllner in Kölner

Komm. AktG, § 118 RN 10; aA Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen,S. 136, unter Hinweis auf seine abweichende Ansicht zur Auslegung des § 118 AktG.

918 Hüffer, AktG, § 131 RN 36.919 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 180f.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 212; Claussen,

AG 2001, 161ff., 170; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 437; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff.,639; Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm; aA nur Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 272.

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172

die Gesellschaft freiwillig Auskunft im Internet (z.B. in einem Chat-Room auf der

Homepage) erteilen. Eine Pflicht zur Beantwortung besteht jedoch gemäß § 131

Abs. 1 AktG nur für Fragen, die in der Hauptversammlung gestellt werden.

2. Fragen durch Stellvertreter

Da das Auskunftsrecht kein höchstpersönliches Recht ist, kann es ebenso wie das

Stimmrecht durch den in der Hauptversammlung physisch präsenten Stellvertreter

wahrgenommen werden.920 Der Online-Aktionär übermittelt dafür seinem Ver-

treter vor Ort Fragen über das Internet, die dieser in die Präsenzversammlung ein-

bringt.921

Eine solche Vertretung im Auskunftsrecht richtet sich allein nach dem Innenver-

hältnis zwischen Stellvertreter und Aktionär.922 Kreditinstitute und Aktionärsver-

einigungen bieten diese Möglichkeit wegen des damit verbundenen Aufwands

bislang kaum an.923 Ob die Gesellschaften neben der organisierten Stimmrechts-

wahrnehmung durch den Gesellschaftsvertreter den Aktionären auch die Aus-

übung des Auskunftsrechts auf gleichem Weg ermöglichen werden, hängt letztlich

von der organisatorischen Umsetzung und den ökonomischen Folgen ab.

Zwar ist über Kommunikationssoftware und ein so genanntes Tool zur Nachrich-

tenübermittlung eine technische Realisierung durchaus möglich.924 Online-Fragen

kann der Gesellschaftsvertreter aber, anders als Online-Weisungen, nicht vollau-

tomatisch und standardisiert bearbeiten. Vielmehr muss er die einzelnen Fragen in

der Hauptversammlung vortragen und bei unvollständiger Beantwortung durch

den Vorstand nachfragen.925 Es liegt auf der Hand, dass eine derart individuelle

Betreuung einzelner Aktionärsinteressen nur bei einer bestimmten Anzahl von

Fragen und Fragestellern sinnvoll umsetzbar ist.926

920 Hüffer, AktG, § 131 RN 4; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 131

RN 21; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 131 RN 8; Schaaf, Praxis der HV, RN 609.921 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 212; Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639.922 Claussen, AG 2001, 161ff., 170; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 688; Eckardt in Geß-

ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 134 RN 66.923 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 688; Claussen, AG 2001, 161ff., 170; Marsch-Barner in

Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 65.924 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 688.925 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 212.926 Kritisch auch Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff.,

65.

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173

Wegen technischer und organisatorischer Hindernisse kommt ein solches Angebot

somit überhaupt nur bei kleinen Gesellschaften mit wenigen Online-Teilnehmern

in Betracht. Selbst diese werden aber regelmäßig den Aufwand und die zusätzli-

chen Kosten scheuen. Dies belegen die ersten Erfahrungen mit dem Einsatz von

Gesellschaftsvertretern in der Praxis. Keines der Unternehmen bot ihren Aktionä-

ren eine Ausübung des Fragerechts über den benannten Stimmrechtsvertreter

an.927 Ein anfechtbarer Verstoß gegen das Aktienrecht ist darin aber nicht zu se-

hen, da die Online-Aktionäre de lege lata keine Teilnehmer im Rechtssinn sind

und ihnen das Auskunftsrecht im Netz nicht zusteht.

VI. Internetgestützte Ausübung des Rederechts

Das Rederecht, also das Recht sich zu Gegenständen der Tagesordnung zu äußern

und Gegenanträge zu stellen, ist vom Teilnahmerecht umfasst und ebenfalls ein

versammlungsgebundenes Recht.928 Beiträge und Anträge kann der Online-

Aktionär wiederum nur über seinen Stellvertreter in die Hauptversammlung ein-

bringen. Hierbei bestehen die gleichen Umsetzungsprobleme wie beim Auskunfts-

recht. Es gilt daher das oben gesagte. Da Redebeiträge häufig umfassender sind

als Auskunftsverlangen, werden Gesellschaftsvertreter noch weniger bereit sein,

diesbezüglich ihre Dienste anzubieten.

VII. Widerspruch zur Niederschrift

Neben dem Stimmrecht und dem Auskunftsrecht steht Aktionären auf der Haupt-

versammlung das Recht zu, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären (§ 245

Nr. 1 AktG).929 Der Widerspruch ist Voraussetzung für eine Beschlussanfechtung

durch den Aktionär und hat somit besondere Bedeutung. Die Erklärung kann je-

doch nur der „erschienene“ Aktionär, also ein Teilnehmer im Rechtssinn, erklä-

ren.930 Wird der Aktionär in der Hauptversammlung vertreten, steht die Rechts-

ausübung nur dem erschienenen Vertreter zu.931 Online-Aktionäre können daher

927 Vgl. Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 688.928 Hüffer, AktG, § 118 RN 9; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 18.929 Mülbert in Großkomm. AktG, § 118 RN 16; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 118 RN 9;

Hüffer, AktG, § 118 RN 7.930 Hüffer, AktG, § 245 RN 12.931 Hüffer, AktG, § 245 RN 12.

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174

den Widerspruch zur Niederschrift nur dann wirksam erklären, wenn sie diese

Möglichkeit mit dem Vertreter vereinbart haben und ihn während der Hauptver-

sammlung dazu anweisen. Auch dieses Verfahren bedeutet eine Berücksichtigung

individueller Interessen, die bei einer organisierten Stellvertretung regelmäßig

nicht möglich ist. Die in der Praxis bislang eingesetzten Weisungssysteme sehen

eine solche Option nicht vor.932

B. Tele-Hauptversammlung

Ein weiteres praktikables Modell um ortsabwesenden Aktionären eine aktive

Teilnahme an der Hauptversammlung zu ermöglichen ist die so genannte Tele-

Hauptversammlung.933 Dabei findet eine Präsenzhauptversammlung zeitgleich an

mehreren Orten statt, die kommunikationstechnisch miteinander verbunden sind.

Die Tele-Hauptversammlung unterscheidet sich von dem traditionellen Aktionär-

streffen einer großen Publikumsgesellschaften, bei der das Geschehen in mehrere

Versammlungsräume übertragen wird, allein dadurch, dass die Übertragung nicht

in einen Nachbarsaal, sondern eine andere Stadt erfolgt.

Die eigentliche Hauptversammlung (Kernveranstaltung) wird beispielsweise am

Sitz der Gesellschaft durchgeführt. Dort versammeln sich Verwaltung, Notar, Ab-

schlussprüfer und ein Großteil der Aktionäre. An anderen Orten im Inland oder

Ausland (Satellitenveranstaltungen), an denen die Gesellschaft etwa einen weite-

ren Börsensitz oder eine Zweigniederlassungen hat, verfolgen Aktionäre in zu-

sätzlichen Veranstaltungsräumen auf Großbildleinwänden die Kernveranstaltung

und üben dort ihre Rechte aus.934 Durch Zugangskontrollen stellt die Gesellschaft

sicher, dass nur Aktionäre und legitimierte Gäste Zutritt zu den Satellitenveran-

staltungen haben. Von dort können sie Beiträge oder Fragen über ein Videokonfe-

renzsystem per Satellit an die Kernveranstaltung übermitteln.935 Die Abstimmung

erfolgt dezentral in den einzelnen Versammlungsräumen und wird auf der Kern-

932 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 688.933 Vgl. zur Tele-Hauptversammlung: Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 61;

Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639f., Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht undInternet, S. 13ff., 32f.; Noack, BB 1998, 2533ff., 2534f.; Noack ZGR 1998, 593ff., 599f.;Spindler, ZGR 2000, 420ff; 433; Schaaf, Praxis der HV, RN 918; Zätsch/Gröning, AG 2000,393ff., 395f.; Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

934 Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 640; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht undInternet, S. 13ff., 32.

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veranstaltung zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst.

I. Zulässigkeit der Tele-Hauptversammlung

Das Aktiengesetz äußert sich nicht zu der Frage, ob die Gesellschaft ihre Haupt-

versammlung an verschiedenen, miteinander kommunikationstechnisch verbun-

denen Orten abhalten darf. Auch findet sich keine ausdrückliche Vorgabe, dass

die Hauptversammlung nur an einem „einzigen“ Ort zulässig ist.

Dennoch scheint das Aktiengesetz davon auszugehen, dass die Hauptversamm-

lung an einem physisch einheitlichen Ort stattfindet.936 Dafür sprechen verschie-

dene Normen, in denen vom „Ort“ der Hauptversammlung die Rede ist. Nach

§ 121 Abs. 3 S. 2 AktG muss die Einberufung der Hauptversammlung den Ver-

sammlungsort angeben. Dies ist der Sitz der Gesellschaft, wenn die Satzung

nichts anderes bestimmt (§ 121 Abs. 5 S. 1 AktG). Bei börsennotierten Gesell-

schaften kann nach § 121 Abs. 5 S. 2 AktG die Hauptversammlung auch am Bör-

sensitz stattfinden. § 130 Abs. 2 AktG spricht ebenfalls vom „Ort“ der Hauptver-

sammlung, der in der Niederschrift anzugeben ist. Das aus diesen Normen zum

Ausdruck kommende gesetzgeberische Leitbild ist die physische Anwesenheit der

mitwirkenden Aktionäre an einem geographischen Ort. Damit ist eine Durchfüh-

rung der Hauptversammlung an mehreren Orten nicht vereinbar.937

Demgegenüber wird teilweise die Tele-Hauptversammlung aktienrechtlich für

zulässig gehalten.938 Gestützt wird dies auf den Zweck der Versammlung: Alle

Aktionäre sollen mit „Auge und Ohr dabeisein“.939 Moderne Kommunikation-

stechniken ermöglichen dies, ohne dass die Anleger an einem Ort präsent sein

müssen. Durch Videokonferenzsysteme sei eine vollwertige Kommunikation zwi-

935 Noack, ZGR 1998, 593ff., 599.936 Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 121 RN 34ff.; Werner in Großkomm. AktG, § 121

RN 45ff.; Hüffer, § 121 RN 12ff.937 So auch Mülbert in Großkomm. AktG, vor §§ 118-147 RN 61; Riegger/Mutter, ZIP 1998,

637ff., 638; Schaaf, Praxis der HV, RN 918; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396; Noack,ZGR 1998, 592ff., 600 (anders aber Noack, BB 1998, 2533ff., 2535); Schieber, Die dezen-trale HV, S. 112f.

938 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535 (anders aber Noack ZGR 1998, 592ff., 600.); Spindler, ZGR2000, 420ff., 433; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 1122ff.; mitEinschränkungen auch Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

939 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.

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176

schen den Teilnehmern an verschiedenen Veranstaltungsorten sichergestellt.940 Da

der frühere Gesetzgeber diese technischen Möglichkeiten nicht kannte, habe keine

Veranlassung bestanden, in § 121 Abs. 3 S. 1 AktG von „Orte(n)“ zu sprechen.941

Wenn aber auch die Tele-Hauptversammlung Sinn und Zweck der Hauptver-

sammlung erfülle, verbiete sich ein stures Festhalten am Wortlaut des Gesetzes.942

Diese Auslegung ist jedoch mit dem geltenden Aktiengesetz nicht vereinbar. Der

Wortlaut der genannten Vorschriften ist eindeutig. § 121 Abs. 3 S. 1 AktG ver-

wendet den Begriff „Ort“ im Singular. Bei einer Tele-Hauptversammlung müsste

die Einberufung aber mehrere Orte, die der Kern- und Satellitenveranstaltung,

angeben. Auch der Formulierung in § 121 Abs. 5 AktG lässt sich nichts anderes

entnehmen. Erkennbar zählt die Norm Satzungssitz und Börsensitz nur als alter-

native Veranstaltungsorte auf. Selbst die Gesellschaften die einen Doppelsitz ha-

ben943 oder an mehreren Börsenplätzen notiert sind (§ 39 Abs. 3 BörsG), dürfen

ihre Hauptversammlung deshalb nicht an zwei oder mehreren Orten abhalten,

sondern müssen sich für einen entscheiden. Wenn die Satzung mehrere Veran-

staltungsorte zur Wahl des Einberufenden stellt, ist auch dies allein eine alternati-

ve Aufzählung.944

Richtigerweise darf sich die Auslegung von Vorschriften nicht allein mit dem

Wortlaut begnügen.945 Zu berücksichtigen ist, ob der Gesetzgeber bei deren

Schaffung einen Umstand nicht bedacht hat oder bedenken konnte.946 § 121

Abs. 3 S. 1 AktG ist 1965 in das Aktiengesetz aufgenommen worden, entspricht

aber im Wesentlichen dem § 105 Abs. 2 AktG 1937. Damals konnte der Gesetz-

geber nicht davon ausgehen, dass eine Hauptversammlung an mehreren miteinan-

der kommunikationstechnisch verbundenen Orten unter Wahrung der Aktionärs-

rechte durchführbar ist. Daher gab es tatsächlich keinen Grund, in der Norm den

Plural zu verwenden.

940 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.941 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.942 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535; im Ergebnis auch Wohlwend, HV im Wandel der Kommu-

nikationsformen, S. 122ff.943 Heider in Münchener Kommentar, AktG, § 5 RN 41ff.944 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 121 RN 40; Hüffer, AktG, § 121

RN 14.945 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 4. Kap. 2.a), S. 145.946 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 4. Kap. 3.b), S. 168ff.

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177

Dennoch ist nicht von einer nachträglichen Lücke im Gesetz auszugehen.947 Der

NaStraG-Gesetzgeber hat in Kenntnis der neuen technischen Möglichkeiten und

im Bewusstsein der üblichen Übertragung der Hauptversammlung in Nach-

barräume, mithin sehenden Auges, von einer Regelung der Tele-

Hauptversammlung abgesehen.948 Nur Aufsichtsratssitzungen sind jetzt unter Ein-

satz von Videokonferenz-Systemen möglich (§ 108 Abs. 4 AktG n.F.).949 Für die

Hauptversammlung ist eine solche Option gerade nicht vorgesehen, auch nicht bei

einer kleinen AG.

Wortlaut und Wille des Gesetzgeber lassen somit eine weitergehende Auslegung

nicht zu. Daher können Aktiengesellschaften de lege lata eine Hauptversammlung

nicht an mehreren Orten durchführen. Letztlich kommen auch die Befürworter der

Tele-Hauptversammlung zu der Erkenntnis, dass eine Klarstellung des Gesetzge-

bers erforderlich ist.950

II. Beurkundung

Aber auch bei einer Klarstellung durch den Gesetzgeber bestehen Probleme. Jede

Hauptversammlung bedarf einer notariell aufgenommenen Niederschrift, in der

die gefassten Beschlüsse beurkundet werden (§ 130 Abs. 1 AktG).951 Zweifelhaft

ist, ob es bei einer Tele-Hauptversammlung ausreicht, wenn der Notar nur an dem

Ort präsent ist, an dem sich Vorstand und Aufsichtsrat aufhalten.952 Der Notar

müsste dann einen Vorgang beurkunden, der nicht allein auf seinen Wahrneh-

mungen beruht.

Die Pflichten eines Notars reichen über die reine Beurkundungstätigkeit hinaus.

Auch wenn er keine umfassende Prüfungs-, Belehrungs- und Einwirkungspflicht

hat, da § 17 BeurkG nicht zur Anwendung kommt, darf er aufgrund seiner Amts-

stellung und dem Regelungszweck des § 130 AktG nicht über evidente Rechtsver-

947 Vgl. zu nachträglichen Lücken Larenz/Canaris, Methodenlehre, 5. Kap. 2.a), S. 199ff.948 So auch Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396; Schieber, Die dezentrale HV, S. 112f.949 Vgl. Reg. Begr. NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 12.950 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen,

S. 131; Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

951 Ausnahmen sieht aber § 130 Abs. 1 S. 3 AktG vor.952 Bejahend Balz, Die Tele-HV abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535; Wohlwend, HV im

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stöße „mit geschlossenen Augen“ hinweggehen.953 Er muss daher die Ordnungs-

mäßigkeit des Abstimmungsvorgangs und der Einlasskontrollen überprüfen.954

Wenn er jedoch nicht vor Ort anwesend ist, kann er sich kein eigenes Bild von der

allgemeinen Korrektheit des Hergangs machen. Zwar darf er sich der Unterstüt-

zung von Hilfspersonen bedienen.955 Diese sollen ihn jedoch bei seiner Tätigkeit

nur unterstützen, nicht aber seine Aufgaben vor Ort übernehmen. Ansonsten

könnte der Notar auch bei einer herkömmlichen Hauptversammlung in seinem

Büro bleiben, Hilfspersonen schicken und erst abends zur Beurkundung der Ab-

stimmungsergebnisse erscheinen. Nur wenn er mit eigenen Augen den Vorgang

verfolgt und in der Lage ist, beurkundungspflichtige Vorgänge stichprobenartig zu

überprüfen, kann seine Beurkundung die Ordnungsmäßigkeit des Willensbil-

dungsprozesses dokumentieren.956 Der Einsatz von Videosystemem, die nur eine

audio-visuelle Kontrolle ermöglichen, sind nicht ausreichend.957

Hinzu kommt, dass er möglicherweise Beschlüsse beurkunden müsste, die auf

einem außerhalb seines Amtsbereichs vorgenommenen Willensbildungsprozess

beruhen.958 Damit würde er gegen § 10 a Abs. 2 BNotO verstoßen.959 Bei einer

Tele-Hauptversammlung muss somit an jedem Versammlungsort ein zuständiger

Notar anwesend sein.960

III. Grenzüberschreitenden Tele-Hauptversammlung

Will die Gesellschaft ihren Aktionären eine grenzüberschreitende Tele-

Hauptversammlung mit Satellitenveranstaltungen im Ausland anbieten, ergeben

sich zusätzliche rechtliche Fragen.961 Nach herrschender Meinung ist eine Haupt-

versammlung im Ausland unzulässig, da der Veranstaltungsort im Geltungsbe-

Wandel der Kommunikationsformen, S. 127; aA Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396.953 Hüffer, AktG, § 130 RN 12; Zöllner in Kölner Komm. AktG, § 130 RN 64; Werner in Groß-

komm. AktG, § 130 RN 97; Schaaf, Praxis der HV, RN 47; Wilhelmi, BB 1987, 1331ff.,1335.

954 Schaaf, Praxis der HV, RN 47c und 48.955 Werner in Großkomm. AktG, § 130 RN 97.956 Hüffer, AktG, § 130 RN 1.957 Anders aber Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 127f.958 Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396.959 Was aber auf die Wirksamkeit der Beurkundungen keinen Einfluss hätte (§ 11 Abs. 3 BNotO

und § 2 BeurkG).960 Ebenso Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396; Reul, Vortrag auf dem Forum des DNotI,

„Hauptversammlung der AG: Neue Medien und Rechtssicherheit“ am 27.4.2001 in Köln.

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reich des Aktiengesetz liegen muss.962 Begründet wird dies damit, dass die Durch-

führung einer Hauptversammlung im Ausland für die deutschen Aktionäre unzu-

mutbar sei und deren Teilnahmerecht beschränke. Außerdem stehe das Erforder-

nis einer notariellen Niederschrift entgegen.

Findet nur eine Satellitenveranstaltung im Ausland statt, greift zumindest das Un-

zumutbarkeitskriterium nicht. Schon bei der ausschließlichen Durchführung der

Hauptversammlung im benachbarten Ausland ist zu bezweifeln, dass dies für

deutsche Aktionäre in der Regel unzumutbar ist.963 Eine Beschränkung des Teil-

nahmerechts ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn den Aktionären mit der

Satellitenveranstaltung nur eine zusätzliche Teilnahmemöglichkeit im Ausland

geboten wird.

Schwerwiegender ist allerdings der Hinweis auf das Erfordernis einer notariellen

Niederschrift. Deutsche Notare können Beurkundungen und sonstige Amtshand-

lungen nicht im Ausland vornehmen, da die Amtsbefugnisse eines Notars auf das

Inland beschränkt sind.964 Das Beurkundungserfordernis kann nicht durch Wah-

rung der Ortsform nach § 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB umgangen werden. Es bleibt

bei der Geschäftsform als Wirkungsstatut.965 Somit kann allein ein ausländischer

Notar die Beurkundung vornehmen.

Diese wird allerdings nur anerkannt, wenn sie der Niederschrift durch einen deut-

schen Notar funktionell gleichwertig ist.966 Die Rechtsprechung hat die strengen

Anforderungen bei Notaren aus der Schweiz,967 Österreich968 und Holland969 als

961 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.962 LG Stuttgart AG 1992, 236ff., 237; OLG Hamburg AG 1993, 384f., 384; Zöllner in Kölner

Komm., AktG, § 121 RN 34; Werner in Großkomm. AktG, § 121 RN 48f.; Heldrich in Pa-landt, BGB, Art. 11 EGBGB RN 13, Schaaf, Praxis der HV, RN 113; Goette, DStR 1996,709ff., 713; aA Hüffer, AktG, § 121 RN 15; Semler in MünchHdb AG, § 35 RN 32; Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 281.

963 Semler in MüchHdb AG, § 35 RN 33.964 BGH IPRax 2000, 29f., 29; Schiessl, DB 1992, 823ff., 824, mwN.965 H.M. Hüffer, AktG, § 121 RN 16; Semler in MünchHdb AG, § 35 RN 33; Schiessl, DB

1992, 823ff., 824; Goette, DStR 1996, 709ff., 711; aA OLG Düsseldorf, DB 1989, 569f.,569; Heldrich in Palandt, BGB, Art. 11 EGBGB RN 13.

966 BGHZ 80, 76ff., 78.967 BGHZ 80, 76ff., 78; OLG München, RIW 1998, 147f., 148; LG Nürnberg-Fürth, WM 1989,

1769; LG Köln, AG 1993, 45f.; aA LG Augsburg, NJW-RR 1997, 420.968 LG Kiel, DB 1997, 1223f.; BayObLG, DB 1977, 2320f., 2321.969 OLG Düsseldorf, DB 1989, 569f., 569.

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erfüllt angesehen.970 In der Literatur werden zudem Beurkundungen durch Notare

des „lateinischen Notariats“ akzeptiert.971 Notare der überwiegenden US-

amerikanischen Bundesstaaten erfüllen dagegen die Voraussetzungen nicht.972 In

derartigen Fällen soll nach verbreiteter Ansicht aber eine Beurkundung durch den

deutschen Konsul (§ 10 Abs. 2 KonsularG) ausreichend sein.973 Nach der hier

vertretenen Auffassung, welche die Anwesenheit eines Notars auf jeder Satelli-

tenveranstaltung verlangt, sind somit der grenzüberschreitenden Tele-

Hauptversammlung enge Grenzen gesetzt.

IV. Hilfskonstruktion mittels Vertretermodell

Da die Tele-Hauptversammlung de lege lata unzulässig ist, hat die Wissenschaft

eine Hilfskonstruktionen entwickelt, die sich des Vertretermodells bedient.974 Die

Hauptversammlung wird wie üblich nur an einem gesetzlichen Ort im Inland ein-

berufen (§ 121 Abs. 3 S. 2 AktG), an dem sich Aufsichtsrat, Vorstand, Notar,

Stimmrechtsvertreter und ein Teil der Aktionäre versammeln. Auf Satellitenver-

anstaltungen im Inland und Ausland, die im Rechtssinne keinen Hauptversamm-

lungscharakter haben, treffen sich Aktionäre, um die Kernveranstaltung auf Groß-

bildleinwänden live zu verfolgen.

Ihre versammlungsgebundenen Rechte können sie nur mittelbar durch den von der

Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter ausüben. Dafür stellen sie vor Ort

Vollmachten auf den Gesellschaftsvertreter aus und übermitteln diese online an

die Kernveranstaltung.975 Über Computerterminals auf den Satellitenveranstaltun-

gen können sie im Laufe der Aussprache Direktiven in das internetgestützte Wei-

sungssystem der Gesellschaft eingeben.

Die so konstruierte Tele-Hauptversammlung stößt auf keine aktienrechtlichen

Bedenken. Sie findet rechtlich gesehen an einem geographischen Ort statt, an dem

970 Überblick bei Spellenberg in Münchener Kommentar, BGB, Art. 11 EGBGB RN 48.971 Spellenberg in Münchener Kommentar, BGB, Art. 11 EGBGB RN 48, mwN; Heldrich in

Palandt, BGB, Art. 11 EGBGB RN 7.972 Biehler, NJW 2000, 1243ff., 1245.973 Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 282; Biehler, NJW 2000,

1243ff., 1245.974 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 32f.; Däubler-Gmelin in

Humboldt Forum Recht, abrufbar unter: http://www.humboldt-forum-recht.de/1-2000/.html.975 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 32.

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die Anleger ihre versammlungsgebundenen Rechte ausüben. Da die Abstimmung

ausschließlich auf der Kernveranstaltung stattfindet, muss der Notar nur dort an-

wesend sein. Seine Beurkundungen sind wirksam, selbst wenn eine Satellitenver-

anstaltung im Ausland stattfindet, da er nur Vorgänge im Inland beurkundet.

C. Virtuelle Hauptversammlung

Der Begriff „virtuelle Hauptversammlung“ wird in der Diskussion nicht einheit-

lich verwandt. Häufig dient er als Oberbegriff für sämtliche Hauptversamm-

lungsmodelle unter Einsatz des Internet.976 Bei einer virtuellen Hauptversamm-

lung in der eigentlichen Wortbedeutung findet eine Präsenzveranstaltung im Sinne

des Aktiengesetzes nicht mehr statt.977 An einem Ort versammeln sich nur noch

die Verwaltungsmitglieder und der Notar.

Sämtliche Aktionäre nehmen über das Internet teil. Dort verfolgen sie zunächst

die Übertragung der Verwaltungsreden. Anschließend stehen Vorstand und Auf-

sichtsrat zur Rechenschaftslegung und Auskunftserteilung für einen bestimmten

Zeitraum zur Verfügung. Fragen und Redebeiträge der einzelnen Aktionäre wer-

den per Videokonferenz-System, Webcam oder Textmail nicht nur der Verwal-

tung, sondern auch allen anderen Teilnehmern übermittelt. Die Abstimmung am

Ende der Aussprache erfolgt per Mausklick. Nach Schließung des Abstimmungs-

fensters entnimmt der Notar dem elektronischen Abstimmungssystem das Ergeb-

nis und protokolliert es. Die gefassten Beschlüsse macht die Gesellschaft an-

schließend über ihre Homepage zugänglich. Dieses Modell wird auch als Cyber-

HV bezeichnet.978

Eine virtuelle Hauptversammlung ist de lege lata nicht zulässig.979 Wie bereits

976 Z.B. bei Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 575; Blank/Zetzsche, K&R

2000, 486ff.977 Zur virtuellen Hauptversammlung vgl. insbesondere Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff.,

216ff.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 13 und 34f.;Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 260ff.; Hanloser, NZG 2001, 355ff., 358Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396; Noack, ZGR 1998, 592ff., 601f.; Riegger/Mutter,ZIP 1998, 637ff., 638f.; Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff.; Wohlwend, HV imWandel der Kommunikationsformen, S. 146ff.

978 So ausdrücklich Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 13 und34f.

979 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 216ff.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht undInternet, S. 13ff., 34; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 180f.; Than in FS Peltzer, 2001,577ff., 596; Hanloser, NZG 2001, 355ff., 358; Zätsch/Gröning, NZG 2000, 393ff., 396;

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182

ausgeführt geht das Aktienrecht von einer Präsenzveranstaltung aus, auf der Ak-

tionäre und andere Teilnehmer physische anwesenden sind.980 Ein Cybermeeting

ist keine Versammlung in diesem Sinne.981 Der Gesetzgeber wollte von dem Prin-

zip der Präsenzversammlung ausdrücklich nicht abrücken.982 Für eine moderne

Auslegung unter Berücksichtigung der technischen Fortschritte bleibt somit kein

Raum. Hinzu kommt, dass eine virtuelle Hauptversammlung das Teilnahmerecht

der Aktionäre verletzen würde, die über keinen Internet-Zugang verfügen.983 Eine

virtuelle Hauptversammlung kann daher nur Gegenstand zukünftiger Überlegun-

gen sein.

D. Zusammenfassung

Die Untersuchung zeigt, dass das Internet bei der Durchführung der Hauptver-

sammlung nur beschränkt eingesetzt werden kann. Aktionäre, die über das World

Wide Web an der Hauptversammlung teilnehmen wollen, sind keine Teilnehmer

im Rechtssinn. Daher können sie ihre versammlungsgebundenen Rechte, wie das

Stimmrecht, das Auskunftsrecht, das Rederecht und das Recht, Widerspruch zur

Niederschrift zu erklären, nicht direkt am Bildschirm ausüben. Durch Zwischen-

schaltung eines in der Hauptversammlung präsenten Stimmrechtsvertreters ist

aber eine vergleichbare Beteiligungsform über das Internet möglich.

Dies gilt zumindest für das Stimmrecht, dass ein von der Gesellschaft benannter

Vertreter entsprechend der vom Aktionär online während der Hauptversammlung

erteilten Weisungen wahrnimmt (Vertretermodell). Die dafür erforderliche voll-

ständige Übertragung der Hauptversammlung im Internet an einen geschlossenen

Nutzer(Aktionärs-)kreis ist zulässig. Auch die Einsicht in die erforderlichen Un-

terlagen kann über die Homepage gewährt werden. Schwieriger ist die mittelbare

Ausübung von Auskunfts-, Rede- und Widerspruchsrecht der Online-Aktionäre.

Sie richtet sich nach dem Innenverhältnis zum Vertreter und hängt vor allem von

organisatorischen und ökonomischen Faktoren ab. Grob zusammengefasst gilt: je

Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; aA Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff.;Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 147.

980 Siehe dazu oben 4. Kapitel.A.I.1.981 Anders aber Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 261.982 Begr. RegE NaStrag, BT-Drucks. 14/4051.983 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 34; Riegger/Mutter, ZIP

1998, 637ff., 638.

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183

mehr Online-Aktionäre, desto unwahrscheinlicher die Möglichkeit der Rechtsaus-

übung mittels Vertreter.

Über das Vertretermodell lässt sich auch eine Tele-Hauptversammlung durchfüh-

ren, bei der sich ortsabwesende Aktionäre auf zugeschalteten Satellitenveranstal-

tungen versammeln und die Kernveranstaltung über Großbildleinwände verfolgen.

Nicht zulässig ist aber eine dezentrale Durchführung der Hauptversammlung an

mehreren Orten. Ebenso unzulässig ist eine virtuelle Hauptversammlung im Cy-

berspace unter Aufgabe der Präsenzveranstaltung.

Page 186: 15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

184

5. Kapitel: Gesamtbewertung und Ausblick

A. Bewertung der Neuregelungen im Aktienrecht

Der Gesetzgeber hat durch das NaStraG und das FormAnpG die aktienrechtlichen

Bestimmungen rund um die Hauptversammlung weitgehend modernisiert und für

elektronische Kommunikationsformen geöffnet. Vor allem die Vorbereitungspha-

se der Hauptversammlung ist von überflüssigen Formzwängen befreit worden.

Bekanntmachungen, Mitteilungen und Vollmachten bedürfen nicht mehr zwin-

gend der Schriftform. Damit können die Beteiligten die Einberufungsprozedur

ausschließlich auf elektronischem Weg abwickeln. Dies bringt nicht nur Zeit- und

Kostenersparnisse, sondern sorgt auch für eine bessere Unterrichtung inländischer

und vor allem ausländischer Aktionäre. Besonders zu begrüßen ist die erleichterte

Vollmachts- und Weisungserteilung. Sie kann in der Praxis zu einer Steigerung

der Hauptversammlungspräsenzen bei gleichzeitiger Abnahme der Teilnehmer-

zahlen führen.

Trotz der Öffnung des Aktiengesetzes können oder wollen die Gesellschaften aber

auf die Schriftform in einigen Bereichen nicht verzichten. Das NaStraG trägt dem

Rechnung, indem es den Einsatz neuer Medien nicht vorschreibt, sondern nur er-

möglicht. Die Gesellschaften haben so Gelegenheit, die passende Verfahrensweise

zu wählen. Die Vorbereitungsphase einer Hauptversammlung ist jetzt in ein weni-

ger formales Regelungskonzept eingekleidet. Kleinere Schwächen und Unge-

reimtheiten der Bestimmungen lassen sich beheben.

Wenige Neuerungen betreffen den Ablauf der Hauptversammlung. Der Gesetzge-

ber hat sich für eine Politik der kleinen Schritte entschieden. Daran ist grundsätz-

lich nichts auszusetzen. Zu viele Gesetzesänderungen und Modernisierungen kön-

nen die Anwender in der Praxis überfordern. Es bleibt vorerst bei der Präsenz-

hauptversammlung an einem Ort. Einen (zu) großen Schritt wagte der Gesetzge-

ber aber mit der Einführung des von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsver-

treters (§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG). Mit dieser „sensationellen“ Neuerung kann sich

die deutsche Hauptversammlungslandschaft enorm verändern. Die neu geschaffe-

ne Vertretungsmöglichkeit bietet den Aktionären zwar eine unkomplizierte Alter-

native zur Stimmrechtsausübung. Dies kann nicht nur für steigende Präsenzen

Page 187: 15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

185

sorgen, sondern auch einen möglichen Rückzug der Kreditinstitute aus der

Stimmrechtsausübung für Namensaktien kompensieren. Bedeutend ist die Rechts-

figur zudem für den Interneteinsatz bei der Stimmrechtsausübung. Nur über den

Gesellschaftsvertreter lässt sich eine dem Direct-Voting vergleichbare Stimmab-

gabe realisieren.

Die uneingeschränkte Freigabe der gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung ist

jedoch bedenklich, da sie zu einer Zunahme des Verwaltungseinflusses führen

kann. Noch ist die Entwicklung nicht genau abzusehen. Aber der eingeleitete

Wechsel vom Depotstimmrecht zum Verwaltungsstimmrecht ist ohne gesetzliche

Rahmenbedingungen gefährlich. Eine Zunahme der Verwaltungsmacht kann

schwerwiegendere Folgen für die Corporate Governance haben. Der Gesetzgeber

ist daher gefordert und sollte Regeln zur Relativierung der Einflussmöglichkeiten

schaffen. Die hier vorgeschlagenen Einschränkungen hinsichtlich der Person des

Gesellschaftsvertreters sind dabei eine wirkungsvolle Option.984

Zu bemängeln am NaStraG ist, dass es keine Bestimmungen zur Übertragung der

Hauptversammlung im Internet getroffen hat. Zwar lassen sich, wie gezeigt, auch

de lege lata vernünftige Ergebnisse erzielen.985 Eine Klarstellung durch den Ge-

setzgeber wäre jedoch wünschenswert gewesen. Ausdrücklich abgesehen hat der

Gesetzgeber davon, eine Online-Ausübung der versammlungsgebundenen Rechte

und die vollständigen Virtualisierung der Hauptversammlung zuzulassen. Dies ist

aufgrund der möglichen Auswirkungen auf die Verfassung der Aktiengesellschaft

nachvollziehbar.

Insgesamt ist dem Gesetzgeber mit dem NaStraG und den flankierenden Ände-

rungen des FormAnpG ein positive und gut konzipierte Modernisierung des

Hauptversammlungsrechts gelungen. Er hat damit erstaunlich schnell auf die ra-

sant fortschreitende Entwicklung im Bereich der modernen Kommunikationstech-

nologien und deren Auswirkung auf die Kapitalmärkte reagiert. Das Aktienrecht

scheint vorerst gut gerüstet für die Herausforderungen des Internetzeitalters.

984 Siehe dazu oben 3. Kapitel.G.II.f)cc).985 Siehe dazu oben 4. Kapitel.A.II.

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186

B. Überlegungen de lege ferenda

Auch wenn gute Gründe für eine Zurückhaltung des Gesetzgebers in bestimmten

Bereichen sprechen, ist schon heute ein Blick in die Zukunft vorzunehmen. Das

Aktienrecht muss mit den laufenden Veränderungen und Modernisierungen der

Kapitalmärkte Schritt halten. Neben den bereits zuvor angestellten Überlegungen

de lege ferenda, interessiert an dieser Stelle vor allem die künftige Ausgestaltung

der versammlungsgebundenen Aktionärsrechte und die mögliche Abkehr vom

Prinzip der Präsenzveranstaltung. Dabei sind auch aktuelle Vorschläge der Regie-

rungskommission „Corporate Governance“ und der Bundesnotarkammer zu be-

rücksichtigen.986

I. Übertragung der Hauptversammlung

Zunächst sollte der Gesetzgeber eine Klarstellung hinsichtlich der Audio/Video-

Übertragung der Hauptversammlung im Internet und einer dadurch drohenden

Verletzung individualrechtlicher Aktionärsbelange vornehmen.987 Nach der hier

vertretenen, aber umstrittenen, Auffassung, kann der Aktionär bei einer Übertra-

gung im geschlossenen Nutzerkreis die Ausblendung seines Redebeitrages nicht

verlangen.988 Die Praxis gewährt aber wegen der vorhandenen Rechtsunsicherheit

den Rednern ein Widerspruchsrecht gegen die Übertragung. Auch wenn die Anle-

ger bislang von diesem Widerspruchsrecht anscheinend wenig Gebrauch machen,

besteht Regelungsbedarf.989

Damit Online-Aktionäre die Hauptversammlung ohne Unterbrechungen verfolgen

können und über denselben Informationsstand wie die körperlich anwesenden

Teilnehmer verfügen, ist die Übertragung ohne Einverständnis der jeweiligen

Redner aufgrund einer Satzungsbestimmung zu erlauben. Einen dahingehenden

Vorschlag hat auch die Regierungskommission „Corporate Governance“ unter-

breitet.990

986 Siehe dazu 2. Kapitel.C.I.987 Eine gesetzliche Regelung schlägt auch die Regierungskommission „Corporate Governance“

vor; vgl. Bericht S. D3.26 RN 109, abrufbar unter:http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

988 Siehe dazu oben 4. Kapitel.A.II.4.a).989 Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 683, FN 21; Bericht der Regierungskommission „Corporate Go-

vernance“, S. D3.26 RN 109, abrufbar unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

990 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, S. D3.26 RN 109, abrufbar

Page 189: 15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

187

II. Ausgestaltung der versammlungsgebundenen Aktionärsrechte

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob den ortsabwesenden Aktionären eine ef-

fektivere Partizipation an der Hauptversammlung über das Internet zu gewähren

ist. Bei einer direkten Online-Teilhabe am Willensbildungsprozess bedarf es nicht

der Hilfskonstruktion über das Vertretermodell. Die Aufgabe des Grundsatzes der

Versammlungsgebundenheit kann jedoch weitreichende Folgen für die Unter-

nehmensverfassung haben und muss daher wohl überlegt sein.

1. Stimmrecht

Ein Direct-Voting, bei dem der Online-Aktionär über Beschlussanträge per Maus-

klick auf der Gesellschafts-Homepage abstimmt, ist schon heute ohne weiteres

technisch durchführbar. Wegen der einfachen Ausgestaltung des Stimmrechts mit

den Alternativen Ja, Nein oder Enthaltung bietet sich der Einsatz elektronischer

Kommunikationsmedien für diesen Massenvorgang idealerweise an.991 Der Ak-

tionär loggt sich dafür unter Verwendung elektronischer Zugangscodes auf der

Homepage der Gesellschaft ein und gibt sein Votum in entsprechend gestalteten

Bildschirmformularen ab.992 Der Kunstgriff über das Vertretermodell ist dann für

die Rechtsausübung überflüssig.

Dennoch hat sich der Gesetzgeber nicht für diese naheliegende Möglichkeit der

Aktionärsbeteiligung entschieden.993 Auch andere Stimmen äußern Bedenken

gegen eine derart weitgehende Erleichterung der Stimmrechtsausübung.994 Sie

befürchten einerseits eine spürbare Auswirkungen auf die Corporate Governance

der Aktiengesellschaft.995 Andererseits sehen sie die Gefahr einer zunehmende

Volatilität des Abstimmungsverhaltens, welche die Beschlussfassung unbere-

chenbar macht und Zufallsmehrheiten fördert.996 Zudem werde durch das Direct-

Voting eine vom Aktienrecht nicht vorgesehene Briefwahl eingeführt.

unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.991 Seibert, BB 1998, 2536ff., 2537; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet,

S. 13ff., 18; Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 273.992 Vgl. die Beispiels-Maske bei Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 591.993 Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 16.994 Habersack, ZGR 156 (2001), 172ff., 195ff., für die börsennotierte AG; Spindler, ZGR 420ff.,

442ff.; Hüther, AG 2001, 68ff., 74f.; Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 295f.995 Habersack, ZGR 156 (2001), 172ff., 195f.996 Spindler, ZGR 420ff., 442f.; Habersack, ZGR 156 (2001), 172ff., 196.

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188

Die Bedenken überzeugen jedenfalls dann nicht, wenn das Direct-Voting nur als

Alternative zu den herkömmlichen Formen der Stimmrechtsausübung tritt und die

Hauptversammlung in ihrer bisherigen Form als Präsenzversammlung erhalten

bleibt. Denn wenn nur ein Teil der Anleger online abstimmt droht keine Verände-

rungen der Gesellschaftsverfassung. Auch bei Einführung der elektronischen

Stimmabgabe werden weiterhin viele Aktionäre zur Hauptversammlung erschei-

nen; etwa weil sie über keinen Internet-Zugang verfügen oder weil sie es vorzie-

hen bei diesem „Event“ hautnah dabei zu sein. Anleger, die aus ökonomischen

Gründen von der direkten Wahrnehmung ihres Stimmrecht Abstand nehmen,

werden wie bisher Stimmrechtsvertreter bevollmächtigen.

Somit ist ein Direct-Voting nicht der Anfang vom Ende der Präsenzversamm-

lung.997 Die Hauptversammlung als Beschlussorgan bleibt in ihrem Wesen und

Charakter unangetastet.998 Das Direct-Voting bietet den Aktionären nur eine zu-

sätzliche Möglichkeit, sich am Willensbildungsprozess der Hauptversammlung zu

beteiligen. Solange aber eine Präsenzveranstaltung stattfindet, führt die elektroni-

sche Stimmabgabe allein noch nicht dazu, dass die Entscheidungsprozesse flexi-

bler werden und die Stellung der Hauptversammlung im Bezug auf die Corporate

Governance gestärkt wird.999 Derartige Auswirkungen kann, wenn überhaupt, nur

eine rein virtuelle Hauptversammlung haben.

Auch der Hinweis auf eine mögliche Volatilität des Abstimmungsverhaltens we-

gen überforderter Kleinanleger eignet sich nicht als Argument gegen ein Direct-

Voting. Es ist schon etwas anrüchig, wenn Kleinanlegern per se die nötige Kom-

petenz zur Stimmabgabe abgesprochen wird.1000 Zwar ist richtig, dass der typische

Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft häufig nicht in der Lage bzw. nicht

gewillt ist, Informationen und Beschlussvorschläge umfassend zu evaluieren.

Doch gilt dies unabhängig davon, ob er physisch oder online teilnimmt. Das Er-

scheinen auf der Hauptversammlung bietet noch keine Garantie für eine kompe-

tente Stimmabgabe. Im Gegenteil: es sprechen gute Gründe für die Annahme,

dass potentiellen Nutzer eines Direct-Voting umfassender unterrichtet sind, als der

997 Hüther, AG 2001, 68ff., 75.998 Balz, Die Tele-Hauptversammlung, abrufbar unter

http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.999 Anders aber wohl Habersack, ZGR 156 (2001), 172ff., 195f.1000 In diese Richtung geht auch ein Vorschlag von Wilhelm, DB 2001, 520ff.; zur Beschränkung

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189

üblicherweise auf Hauptversammlungen anzutreffende Aktionärstyp. Denn eine

elektronische Stimmabgabe wird am ehesten die Anleger interessieren, die On-

line-Banking und/oder Online-Brokerrage praktizieren und daher das Medium

Internet bereits für die Informationsbeschaffung nutzen.

Auch der Einsatz von Intermediären führt nicht unbedingt zu einer intensiveren

Evaluation der Beschlussvorschläge im Aktionärssinn. Die organisierte Stimm-

rechtsvertretung ist in der Realität weit davon entfernt, sich an individuellen Inter-

essen des Vertretenen zu orientieren. Die gepriesene Berechenbarkeit des Ab-

stimmungsverhaltens ist nur eine Folge der abgegebenen Verfügungsgewalt der

Kapitalgeber. Wie willkürlich die vorgebrachte Begründung zudem ist, zeigt ein

weiterer Vergleich: Die Erteilung von Weisungen über das Internet an einen von

der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter wird allgemein nicht beanstan-

det, obwohl dabei der Aktionär nicht kompetenter oder besser informiert sein

wird, als wenn er direkt elektronisch abstimmt. Hier scheint also Inkompetenz

keine Rolle zu spielen.

Unabhängig von Spekulationen über Abstimmungsverhalten ist letztlich aber al-

lein entscheidend, dass das Aktiengesetz die Stimmabgabe nicht an ein - wie auch

immer zu bestimmendes - Maß an Kompetenz bindet. Dies wäre mit dem Ver-

ständnis vom Anleger als Kapitalgeber der Gesellschaft nicht vereinbar. Ein Di-

rect-Voting, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme durch Aktionäre verbes-

sert, ist daher aktienrechtlich zu begrüßen, selbst wenn es zu mehr Volatilität des

Abstimmungsverhaltens führen sollte.

Zu bedenken ist allerdings, dass eine elektronische Stimmabgabe im Ergebnis

einer Briefwahl nahe kommt.1001 Eine Briefwahl ist im deutschen Aktienrecht1002

nicht vorgesehen, da sie den Entscheidungsspielraum der Hauptversammlung be-

schneidet.1003 Der Willensbildungsprozess soll auf dem Meinungs- und Informati-

des Auskunftsrechts.1001 Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 291; Hüther, AG 2001, 68ff., 75; vgl. auch Begr. Re-

gE, BT-Drucks. 14/4051, S. 16: „Der weitergehende Wechsel [...] zur (elektronischen)Briefwahl wird [...] nicht vollzogen.“.

1002 Anders im amerikanischen (Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 19)und italienischen Recht (Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 259ff., 282).

1003 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 118 RN 7; Westermann in Fedder-sen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 264ff., 273; Noack in FS Lutter,2000, S. 1463ff., 1480f.; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff.,

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190

onsaustausch in einer Präsenzveranstaltung beruhen.1004 Wenn jedoch viele Ak-

tionäre ihr Votum bereits vor der Hauptversammlung per schriftlicher Briefwahl

abgeben, stehen Ergebnisse vorab fest und die Aktionäre können auf aktuelle

Entwicklungen nicht reagieren.1005 Allerdings entspricht diese Idealvorstellung

von der Stimmrechtsausübung nicht den Realitäten auf deutschen Hauptver-

sammlungen.1006 Auch ohne Briefwahl geben die meisten Anleger ihr Votum be-

reits faktisch vor der Hauptversammlung ab, indem sie Stimmrechtsvertreter be-

vollmächtigen und ihnen Weisungen erteilen.

Ob die elektronischen Stimmabgabe zu einer Briefwahl führt hängt in erster Linie

von ihrer Ausgestaltung ab. Erlauben die Gesellschaften die Online-Stimmabgabe

nur in einem bestimmten Zeitfenster simultan zur physischen Abstimmung vor

Ort, wird gewährleistet, dass Abstimmungsergebnisse nicht bereits vor der Aus-

sprache feststehen und auch die Online-Aktionäre aufgrund des Informations- und

Meinungsaustausches in der Präsenzversammlung entscheiden.1007 Die berat-

schlagende Funktion der Hauptversammlung bleibt dann erhalten. Aktionäre, die

sich aus anderen Zeitzonen zuschalten, müssen dabei möglicherweise in Kauf

nehmen, ihre Stimme „im Schlafanzug“ abzugeben.1008

Anders ist es aber wenn die elektronische Stimmabgabe während der gesamten

Dauer der Hauptversammlung oder bereits Tage zuvor zulässig ist (wie die Wei-

sungserteilung bei der Online-Hauptversammlung). Dann entspräche die Stim-

mausübung tatsächlich einer Briefwahl. Andererseits ließe sich so eine höhere

Beteiligung an der Abstimmung erzielen. Letztlich kann die Entscheidung über

die Prozedur den Gesellschaften überlassen bleiben, da die Bedenken gegen eine

Briefwahl nicht gravierend sind.

Aspekte der Rechtssicherheit stehen einem Direct-Voting ebenfalls nicht entge-

gen. Die elektronische Stimmabgabe lässt sich rechts- und anfechtungssicher

19; sie wurde aber bereits politisch gefordert: Antrag der Fraktion „Die Grünen, BT-Drucks.11/5401, S. 2f.; ausdrücklich gegen schriftliche Hauptversammlungsentscheidungen hat sichdie Regierungskommission „Corporate Governance“ ausgesprochen, D 3.28, RN 112, Be-richt abrufbar unter: http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

1004 Bachmann, WM 1999, 2100ff., 2107.1005 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 19.1006 Hüther, AG 2001, 68ff., 75.1007 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.1008 Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.

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191

durchführen, wenn die Gesellschaften die im Rahmen der Online-

Hauptversammlung (und des Online-Banking/Online-Broking) angewandten Si-

cherheitssysteme einsetzen. Besondere Sorgfalt müssen sie dabei auf den Zugang

zum internetgestützten Voting-System legen, damit nicht unberechtigte Personen

Einfluss auf die Beschlussfassung erhalten.1009 Die Verwendung elektronischer

Zugangscodes (PIN/TAN-Codes, HBCI oder digitale Signatur) reicht für die Le-

gitimierung aber aus.1010 Zudem müssen die Gesellschaften die Zuverlässigkeit

der eingesetzten Kommunikationssysteme gewährleisten und geeignete Sicher-

heitsvorkehrungen gegen Hacker-Angriffe (Firewalls) treffen.1011

Das Risiko technischer Störungen wird nach allgemeinen Grundsätzen verteilt.1012

Die Gesellschaft ist danach nur für ihre Risikosphäre (Audio/-Videotechnik, E-

Mail-Server, DV-Anlage, Datenleitungen) verantwortlich. Nicht von ihr zu ver-

tretende Störungen der Kommunikation begründen keine Anfechtbarkeit eines

Hauptversammlungsbeschlusses.

Der elektronischen Stimmabgabe stehen somit keine zwingenden Einwände ent-

gegen. Vielmehr überwiegen die Vorteile: Online-Aktionäre können direkt an den

Entscheidungsprozessen partizipieren ohne einen Vertreter zwischenschalten zu

müssen. Sie erhalten so das Gefühl wirklich „dabei zu sein“. Nur durch das Di-

rect-Voting ist über das Internet eine Stimmabgabe möglich, die der Ausübung

auf der Präsenzversammlung gleichwertig ist.1013 Auf das Vertretermodell, dass

ohnehin nur auf ein Durchleiten der Stimmen hinausläuft und für den typischen

Aktionär wegen der rechtlichen Konstruktion schwer nachvollziehbar ist, kann

verzichtet werden.1014 Damit relativieren sich auch die Gefahren, die mit einer

gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretung verbunden sind.

Die elektronische Stimmabgabe bietet insbesondere ausländische Anlegern die

Möglichkeit, am Entscheidungsprozess teilzuhaben. Sie kann so zu einer deutli-

chen Steigerung der Hauptversammlungspräsenz bei gleichzeitigem Rückgang der

1009 Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1137; Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 265ff.1010 Siehe dazu oben 3. Kapitel.G.II.5.1011 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 268f.; vgl. zur Online-HV Blank/Zetzsche, K&R

2000, 486ff., 490f.; Zetzsche, ZIP 2001, 682ff., 686.1012 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, D 3.33; Fleischhauer, ZIP

2001, 1133ff., 1137, abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.1013 So auch Hirte, FS Buxbaum, 2000, S. 283ff.; 290; Seibert, BB 1998, 2536ff., 2537.

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Besucherzahlen führen; ein Effekt der sich sonst nur über den Rückgriff auf die

organisierte Stimmrechtsvertretung erzielen lässt.1015 Schließlich spricht auch die

oft zitierte „rational Apathie“ der Kleinanleger für ein Direct-Voting, da es mit

weniger Aufwand verbunden ist, als alle anderen Teilnahmemöglichkeiten.

Der Gesetzgeber sollte das Direct-Voting jedoch nur auf Grund einer Satzungsre-

gelung ermöglichen. Mit dem Vorbehalt einer Satzungsklausel wird den Gesell-

schaften die Nutzung des neuen Mediums nicht aufgedrängt.1016 Sie können viel-

mehr eine individuell passende Regelung treffen. Auch die Regierungskommissi-

on „Corporate Governance“1017 und der Gesetzentwurf der Bundesnotarkam-

mer1018 schlagen (nahezu wortgleich) eine Einführung der elektronischen Stimm-

abgabe aufgrund einer Satzungsbestimmung vor. Beide Vorschläge beziehen al-

lerdings sämtliche versammlungsgebundenen Aktionärsrechte mit ein.

2. Auskunfts- und Rederecht

Anders als das Stimmrecht stößt die internetgestützte Ausübung des Auskunfts-

und Rederechts auf technische und organisatorische Hindernisse. Zwar ist es

technisch möglich, Wortbeiträge und Fragen ortsabwesender Aktionäre per

Webcam oder Video-Konferenz-System auf eine Großbildleinwand in der Haupt-

versammlung einzuspielen.1019 Doch lässt sich dies nur bei einer kleinen Gesell-

schaft mit überschaubarem Aktionärskreis sinnvoll koordinieren.1020 Wenn aber

bei Publikumsgesellschaft zu den Fragen und Reden persönlich anwesender Ak-

tionäre massenhaft Online-Beiträge eines weltweit gestreuten Anlegerkreises hin-

zu kommen, ist die Hauptversammlung in einem zeitlich zumutbaren Rahmen

nicht mehr durchführbar.1021 Das Hauptversammlungswesen, dass bereits heute

1014 Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1136.1015 Für die Online-Hauptversammlung Claussen, AG 2001, 161ff., 169.1016 Formulierungsvorschlag für eine Satzungsregelung bei Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000,

258ff., 275f.1017 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, S. D 3.31 RN 115, abrufbar

unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.1018 Vorschlag der BNotK für einen neugefassten § 118 Abs. 1 S. 2 AktG: „Die Satzung der Ge-

sellschaft kann vorsehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne eigenePräsenz an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne Rechte im Wege elektronischerKommunikation ausüben können.“

1019 Zuther in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch HV, RN I B 589; Marsch-Barner inNoack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 66.

1020 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 66.1021 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 198; Riegger, ZHR 165 (2001), 206ff., 209; Than in FS

Peltzer, 2001, S. 577ff., 596; Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und In-

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193

unter einer extensiven Ausnutzung des Fragerechts leidet, läuft dann Gefahr, so-

wohl für persönlich, als auch online teilnehmende Aktionäre noch mehr an At-

traktivität zu verlieren.1022

Als Alternative zur Bild- und Tonübermittlung könnten die Online-Teilnehmer

ausschließlich auf Fragen in Textform1023 per E-Mail verwiesen werden, die in

einem moderierten Chat-Room auf der Homepage der Gesellschaft gesammelt,

geordnet und dem Vorstand zur Beantwortung vorgelegt werden.1024 Bei dieser

Form der Rechtsausübung geht aber die disziplinierende Wirkung des physischen

Kontakts zwischen den Beteiligten verloren.1025 Zu befürchten ist ein „race to the

bottom“ hinsichtlich der Qualität der Beiträge, wie es auch in anderen Internet-

Meinungsforen zu beobachten ist.1026 Zudem besteht eine erhöhte Missbrauchsge-

fahr durch massenhaft übermittelte E-Mail-Beiträge.

Das Auskunftsrecht kann in seiner bisheriger Form bei einer möglichen Verviel-

fachung der Gesamtteilnehmerzahl durch das Internet nicht aufrecht erhalten blei-

ben. Daher ist über eine Beschränkung nachzudenken. Ansätze für eine Neuge-

staltung des aktienrechtlichen Auskunftsrecht gibt es viele.1027

Der 63. Deutsche Juristentag 2000 in Leipzig hat vorgeschlagen, die Versamm-

lungsgebundenheit des Auskunftsrecht durch ein schriftliches Vorverfahren zu

lockern.1028 Danach soll der Vorstand Auskünfte in der Hauptversammlung ver-

weigern dürfen, soweit er die Auskunft vorweg über das Internet allgemein zu-

gänglich gemacht oder sie dem fragenden Aktionär vorweg schriftlich beantwortet

hat und die Auskunft in der Hauptversammlung ausliegt.1029 In dieselbe Richtung

ternet, S. 57ff., 66f.; Heise in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 51ff., 55f.;Noack, BB 1998, 1998, 2533ff., 2535.

1022 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 199; Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmens-recht und Internet, S. 57ff., 66f.; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.

1023 Vgl. zur Zulässigkeit schriftlicher Fragen: Hüffer, AktG, 131 RN 8; Semler in MünchHdbAG, §37 RN 18; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 131 RN 26; Schaaf,Praxis der HV, RN 615b; Lutter in FS Möhring, 1975, 221ff., 223f.

1024 Dies fordert Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 138f.1025 Claussen, AG 2001, 161ff., 170; Balz, Die Tele-HV, abrufbar unter http://www.jura.uni-

duesseldorf.de/service/hv/tele-hv.htm.1026 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 436.; Balz auf der Tagung „Unternehmensrecht und Internet“

am 12./13.5.2000 in Düsseldorf, nach Zetzsche MMR 7/2000, XXI.1027 Aus der neueren Literatur Wilhelm, DB 2001, 520ff.; Joussen, AG 2000, 241ff.; Witt, AG

2000, 257ff., 267.1028 Vgl. Baums, Gutachten F für den DJT 2000, S 138f.1029 Mehrheitsbeschlüsse Nr. I.9.a,b; abgedruckt: DB 2000, 2109; kritisch aber Stellungnahme

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194

gehen Überlegungen, die auskunftsbegehrenden Aktionäre zu verpflichten, Fragen

eine angemessene Zeit vor der Hauptversammlung schriftlich oder per E-Mail

einzureichen.1030 Andere Stimmen empfehlen eine Ausweitung der kapital-

marktrechtlichen Publizitätspflicht im Internet mit der Folge, dass eine Auskunft

nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG nicht mehr erforderlich ist, wenn die Information

bereits auf der Webseite erteilt wurde.1031 Elektronische Informationssysteme

können so die aktienrechtliche Auskunftserteilung verdrängen.1032

Die Vorschläge enthalten wertvolle Ansätze für eine Neudefinition des Aus-

kunftsrechts. Ziel der Reformüberlegungen ist in erster Linie die Entlastung der

Hauptversammlung von der extensiven und missbräuchlichen Ausnutzung des

Fragerechts.1033 Dabei kann die Auskunftserteilung über das Internet nur ein Tei-

laspekt sein. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des ka-

pitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Informationssystems,1034 der Novellie-

rung des Beschlussmängelrechts1035 und möglicher Auswirkungen auf die Corpo-

rate Governance, die den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde.

Solange das Auskunftsrecht in seiner derzeitigen versammlungsgebundenen Form

besteht, ist aber zu überlegen, ob nicht kleinen börsenfernen Aktiengesellschaften

eine elektronischen Ausübung des Frage- und Rederechts aufgrund einer Sat-

zungsbestimmung erlaubt werden soll. Anders als Publikumsgesellschaften sind

Gesellschaften mit wenigen Aktionären in der Lage, Fragen und Meinungsäuße-

rungen der Online-Teilnehmer zuzulassen, ohne den ordnungsgemäßen Ablauf

der Hauptversammlung zu gefährden.1036 Wenn Gesellschaften eine Online-

Befragung sinnvoll und rechtssicher durchführen können ist nicht einzusehen,

des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsverein, NZG 2001, 181ff., 184;Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 67f.

1030 Zöllner AG 2000, 145ff., 153 und 156; Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 200; kritischMarsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 68.

1031 Hirte in FS Buxbaum, 2000, 283ff., 292ff.; Joussen, AG 2000, 243ff., 250f.; kritisch aberSpindler, ZGR 2000, 420ff., 438f.; Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrechtund Internet, S. 57ff., 67f.

1032 Hirte in FS Buxbaum, 2000, 283ff., 294; ähnlich auch Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff.,200; Seibert, BB 1998, 2535, 2537.

1033 Baums, Gutachten F für den DJT 2000.1034 Vgl. Hommelhoff, ZGR 2000, 748ff.1035 Siehe dazu die Vorschläge des 63. Deutschen Juristentages 2000, abgedruckt DB 2001, 2109;

Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance“, Bericht S. D 3.51, abrufbarunter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

1036 Marsch-Barner in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 57ff., 66; Rieg-ger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639.

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195

warum ihnen der Einsatz moderner Kommunikationsmittel bei der Aussprache

verwehrt bleiben soll.

Der Gesetzgeber sollte daher das Aktiengesetz ändern und die internetgestützte

Ausübung des Auskunftsrechts aufgrund einer Satzungsklausel zulassen. Dies

empfehlen auch die Regierungskommission „Corporate Governance“ und die

Bundesnotarkammer. Bei dem Vorschlag der Bundesnotarkammer ist allerdings

zweifelhaft, ob die zitierte Änderung in § 118 Abs. 1 AktG genügt.1037 Eine zu-

sätzliche Klarstellung in § 131 AktG erscheint angezeigt, damit eine Online-

Beantwortung nicht als außerhalb der Hauptversammlung erteilte Auskunft quali-

fiziert wird und die erweiterte Auskunftspflicht des § 131 Abs. 4 S. 1 AktG aus-

löst.1038

Die hier gefundene Lösung führt zu einer Entkopplung der versammlungsgebun-

denen Rechte von Online-Teilnehmern. Publikumsgesellschaften werden regel-

mäßig zwar ein Direct-Voting, aber keine Online-Befragung in der Satzung zulas-

sen. Der Online-Teilnehmer muss dann auf die volle Geltendmachung seiner

Rechte über das Internet verzichten.1039 Das führt zu zwei Klassen von Hauptver-

sammlungsaktionären,1040 verstößt aber nicht gegen den Grundsatz der Gleichbe-

handlung (§ 53a AktG).1041 Denn die Differenzierung zwischen Online- und Prä-

senz-Aktionären ist zur Wahrung von Gesellschafts- und Aktionärsinteressen er-

forderlich. Sie ist auch nicht willkürlich. Der Aktionär, der den Aufwand nicht

scheut und zur Hauptversammlung anreist, kann mehr Rechte geltend machen.1042

Außerdem wird den Online-Teilnehmern bereits mit der Möglichkeit der elektro-

nischen Stimmabgabe eine Verbesserung ihrer Rechtsstellung geboten.1043

Der erweiterten Satzungsautonomie steht nicht der Einwand entgegen, dass ein

„Wildwuchs“ unterschiedlicher Satzungsbestimmungen das Gebot der Standardi-

sierung börsennotierter Aktiengesellschaften verletzt und negative Auswirkungen

1037 Siehe dazu FN 1018.1038 Vgl. auch Heise in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 51ff., 56.1039 Dagegen Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 137.1040 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.1041 Anders aber Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 137.1042 Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.1043 Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, D3.33, RN 118, abrufbar unter

http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

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196

auf den Kapitalmarkt hat.1044 Eine Vielzahl unterschiedlicher Satzungen ist aber

nicht zu befürchten, da die meisten Gesellschaften nur eine Stimmrechtsausübung

regeln werden und sich dafür schon bald Standardbestimmungen in den Satzungen

herausbilden werden. Außerdem nehmen die Kapitalmärkte Satzungsbestimmun-

gen, welche die Rechte der Aktionäre erweitern und nicht beschränken, positiv

auf. 1045

3. Widerspruchsrecht

Zur Vollständigkeit sollte die Satzung auch regeln dürfen, ob und wie Online-

Teilnehmer Widerspruch zur Niederschrift erklären können.1046 Wenn der Online-

Aktionär seine Rechte weitgehend wie der physisch teilnehmende Anleger aus-

üben kann liegt es nahe, ihn als „erschienene(n)“ Aktionäre im Sinne von § 245

Nr. 1 AktG zu behandeln.1047 Technisch kann er die Erklärung ohne Weiteres on-

line übermitteln.

III. Tele-Hauptversammlung

Die Einführung einer Tele-Hauptversammlung mit parallelen Präsenzveranstal-

tungen an verschiedenen Orten ist dagegen nicht ratsam.1048 Das Modell birgt we-

gen einiger ungeklärter Rechtsfragen, insbesondere hinsichtlich der Beurkundung,

ein nicht unerhebliches Anfechtungspotential.1049 Mit der hier vorgeschlagenen

Gestattung der unmittelbaren Online-Teilnahme besteht kein Bedarf für eine de-

zentral durchgeführte Hauptversammlung.

Ein vergleichbares Modell lässt sich dann unter Beibehaltung der Präsenzver-

sammlung an einem „Ort“ im Rechtssinn erreichen. Die Gesellschaften können

1044 So Leven, Vortrag auf dem Forum Praxis & Wissenschaft des DNotI, „Hauptversammlung

der AG: Neue Medien und Rechtssicherheit“, zitiert nach Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff.,1136, FN 19.

1045 Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1136f.; Bericht der Regierungskommission „CorporateGovernance“, D3.34, RN 120, abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

1046 Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1136; keinen Regelungsbedarf sieht der Bericht der Regie-rungskommission „Corporate Governance“, D3.34, RN 119, abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

1047 So wohl auch Fleischhauer, ZIP 2001, 1133ff., 1136.1048 So auch der Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, D3.27, RN 110,

abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.1049 Siehe dazu oben 4. Kapitel.B.

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197

Satellitenveranstaltungen an verschiedenen Orten anbieten, auf denen sich Aktio-

närsgruppen versammeln und online zur Präsenz-Hauptversammlung zugeschaltet

werden. Ihre Rechte üben sie vor Ort ohne Zwischenschaltung eines Vertreters im

Wege elektronischer Kommunikation aus. So können die Gesellschaften ortsab-

wesenden Aktionären, die über keinen Internetzugang verfügen, die Teilnahme an

der Hauptversammlung erleichtern.

IV. Virtuelle-Hauptversammlung

Die rein virtuelle Hauptversammlung und die damit verbundene Abkehr vom

Prinzip der Präsenzversammlung stellt eine einschneidende und weitreichende

Veränderung des aktienrechtlichen Hauptversammlungswesens dar. Der Verzicht

auf jegliche körperliche Zusammenkunft muss daher gut überlegt sein.

Bei der börsennotierten Aktiengesellschaft scheint die virtuelle Hauptversamm-

lung technisch nicht durchführbar und zudem wenig opportun zu sein.1050 Die

steigende Zahl teilnehmender Kleinanleger macht eine Durchführung der Aus-

sprache über ein Videokonferenzsystem unmöglich.1051 Diskussion und Gedan-

kenaustausch können daher nur unter Verzicht auf den audio-visuellen Kontakt in

einem Chat erfolgen, mit den bekannt negativen Konsequenzen für die Qualität

der Beiträge.1052 Die Vorzüge einer mehrseitigen Kommunikation in „Festzelt-

Atmosphäre“ entfällt, zudem geht der Erlebniswert der Präsenzversammlung

verloren.1053 Die Gesellschaften schließlich müssten auf eine Marketing-

Veranstaltung verzichten, die einen bedeutenden Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit

ausmacht.

Eine virtuelle Hauptversammlung kommt daher nur bei börsenfernen Aktienge-

sellschaften in Betracht. Wenn nur wenige Aktionäre teilnehmen, lässt sich über

ein Videokonferenzsystem ein Kommunikationsforum schaffen, dass der Präsenz-

1050 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 196f.; Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 217f.; Noack,

BB 1998, 2533ff., 2535; Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 147f.;aA Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 261; vorsichtiger Spindler, ZGR 2000,420ff., 444, der die Entscheidung de lege ferenda den (börsennotierten) Gesellschaften unddem Kapitalmarkt überlassen will.

1051 Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639.1052 Siehe oben 4. Kapitel.A.V.1.1053 Hirte in FS Buxbaum, 2000, 283ff., 290; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 435; Riegger, ZHR 165

(2001), 204ff., 217.

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198

versammlung nahe kommt.1054 Aufsichtsratssitzungen (§ 108 Abs. 4 AktG

n.F.)1055 oder Gesellschafterversammlungen einer GmbH (§ 48 Abs. 2

GmbHG)1056 können wegen der begrenzten Teilnehmerzahl per Videokonferenz

abgehalten werden. Da die kleine Aktiengesellschaft von ihrer Struktur ohnehin

vergleichbar mit der GmbH ist, spricht einiges dafür auch bei ihr auf eine körper-

liche Zusammenkunft zu verzichten.

Die Vorteile einer virtuellen Hauptversammlung liegen auf der Hand.1057 Da die

Präsenzveranstaltung in einem Versammlungssaal entfällt, kann die Gesellschaft

sie mit wesentlich geringerem organisatorischen und finanziellen Aufwand ab-

halten.1058 Die Teilnehmer sparen die kosten- und zeitintensive Anreise an den

Veranstaltungsort und können sich bequem von überall in die Hauptversammlung

„einloggen“. Das Aktionärstreffen wird flexibler, da es ohne große Planungs- und

Vorlaufzeit praktisch jederzeit durchzuführen ist. Außerdem präsentiert sich die

Gesellschaft in der Öffentlichkeit als ein modernes, zukunftorientiertes Unter-

nehmen.1059 Aus diesen Gründen befürworten einige Stimmen die Einführung

einer virtuellen Hauptversammlung für die nicht börsennotierte AG.1060

Hiergegen gibt es aber gewichtige Bedenken. So steht zur Zeit (noch) die nicht

flächendeckende Verbreitung privater Internet-Anschlüsse einer vielfachen Um-

setzung der Cyber-Hauptversammlung entgegen.1061 Auch bei Aktiengesellschaf-

ten mit wenigen Anlegern ist nicht davon auszugehen, dass jeder über eine Zu-

gangsmöglichkeit zum virtuellen Netz verfügt. Diese Aktionäre auf Internet-Cafés

oder öffentliche Internet-Zugänge zu verweisen ist nicht zulässig.1062 Es ist nicht

Aufgabe des Aktionärs, die notwendigen Voraussetzungen für seine Teilnahme zu

1054 Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 639.1055 Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und Internet, S. 13ff., 35.1056 Zwissler, GmbHR 2000, 28ff., 29.1057 Keinen praktischen Bedarf für eine virtuelle Hauptversammlung sieht der Bericht der Regie-

rungskommission „Corporate Governance“, D3.27 RN 111, abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm; ebenso Wohlwend, HV im Wandel der Kommunika-tionsformen, S. 149ff.

1058 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 218.1059 Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 259.1060 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 197; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und

Internet, S. 13ff., 35; Spindler, ZGR 2000, 420ff., 444f.; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535.1061 Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637ff., 638; Noack in Noack/Spindler, Unternehmensrecht und

Internet, S. 13ff., 34; Schaaf, Praxis der HV, RN 915; Wohlwend, HV im Wandel der Kom-munikationsformen, S. 148.

1062 So aber Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 264.

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199

schaffen.1063 Auch die darüber hinaus erforderliche technische Ausstattung (Vi-

deokonferenz-System) kann von Anlegern nicht erwartet werden. Eine virtuelle

Hauptversammlung ist daher (wenn überhaupt) nur mit Einverständnis sämtlicher

Aktionäre möglich.1064

Umstritten ist auch die Ausgestaltung eines Aktionärstreffens im Cyberspace. Da

es weder an Zeit noch Ort gebunden ist, sind verschiedene Konstruktionen denk-

bar.1065 So können Aktionäre und Verwaltung an einem Tag für einen bestimmten

Zeitraum virtuell zusammengeschaltet werden, ihre Meinungen austauschen und

abschließend die Beschlüsse fassen. Der Ablauf entspricht dann weitgehend dem

Szenario auf der Präsenzversammlung.

Andererseits ist auch eine Dauerveranstaltung über mehrere Tage oder sogar Wo-

chen vorstellbar. Dabei findet die Diskussion über den gesamten Zeitraum in ver-

schiedenen thematisch getrennten Chat-Rooms statt. Am Ende der Veranstaltung

erfolgt zu einem festgelegten Zeitpunkt die gemeinsame Abstimmung. Letzteres

Modell ist aber wegen der fehlenden Konzentrationswirkung einer zeitlich eng

begrenzten Zusammenkunft und der non-visuellen Kommunikation in Chat-Foren

abzulehnen.1066

Unabhängig davon sind mögliche Auswirkungen einer virtuellen Hauptver-

sammlung auf die Corporate Governance zu berücksichtigen. Wenn die Hauptver-

sammlung jederzeit ohne viel Aufwand durchführbar ist, wären ad-hoc-

Beschlüsse des Aktionärsplenums möglich.1067 Die Gesellschaft könnte ihre Ak-

tionäre in außerordentlichen virtuellen Hauptversammlungen1068 zeitnah zu aktu-

ellen Strukturmaßnahmen oder Finanzierungsentscheidungen befragen. Das wür-

de auch die Position der Hauptversammlung im Organgefüge der Aktiengesell-

schaft stärken.1069 Eine Kompetenzverschiebung auf den Vorstand, wie sie beim

genehmigten Kapital (§ 182 Abs. 1 AktG) wegen Schwerfälligkeit der Hauptver-

1063 Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 148.1064 So auch Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 291; Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff.,

197; aA Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258ff., 272.1065 Vgl. Diskussionsbericht von Casper, ZHR 165 (2001), 219ff., 222.1066 Vgl. Diskussionsbericht von Casper, ZHR 165 (2001), 219ff., 222.1067 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 196.1068 Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 295, nennt sie „Interims-Versammlung“.1069 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 195f.; Riegger, ZGR 165 (2001), 204ff., 218;

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200

sammlung zugelassen ist, erscheint dann nicht mehr gerechtfertigt.1070 Vielmehr

könnte die Zuständigkeit der Hauptversammlung über die Fälle schwerwiegender

Eingriffe in Aktionärsrechte (Holzmüller-Entscheidung des BGH)1071 hinaus so-

gar ausgeweitet werden.1072 So könnte sich die Hauptversammlung zum obersten

Organ der Gesellschaft entwickeln.1073 Eine derart gesteigerte Entscheidungskom-

petenz der Anleger wäre aber nicht uneingeschränkt zu begrüßen.1074 Exempla-

risch für die damit verbundenen Gefahren seien nur die auch bei demokratischen

Wahlen zu beobachtenden populistischen und querulatorischen Tendenzen ge-

nannt.1075 Das Aktiengesetz sieht daher aus guten Gründen eine direkte Aktio-

närsdemokratie nicht vor.1076

Ohne diese Überlegungen fortführen zu wollen, bleibt jedenfalls festzuhalten,

dass eine virtuelle Hauptversammlung derart weitreichende Auswirkung auf die

Unternehmensverfassung haben kann, dass sie ohne eine umfassenden Novellie-

rung des Aktienrechts nicht eingeführt werden sollte. Dies gilt auch für die nicht

börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Trennung zwischen börsennotierten und

börsenfernen Unternehmen in einer für die Organisationsstruktur der Aktienge-

sellschaft so entscheidenden Frage, wie der künftigen Ausgestaltung des Haupt-

versammlungswesens, ist bedenklich. Zwar ist richtig, dass nur rund 10 % aller

Aktiengesellschaften börsennotiert sind1077 und die Struktur der kleinen AG mit

geschlossenem Gesellschafterkreis eher der GmbH entspricht.1078

Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er mit dem Gesetz für die

kleine AG das Aktiengesetz an einigen Stellen diesen Umständen angepasst

hat.1079 Einschneidende Veränderungen nahm er aber gerade nicht vor. Dahinter

steckt die richtige Überlegung, das Aktienrecht für börsennotierte und börsenferne

1070 Siehe dazu oben 1. Kapitel.B.V; Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 295; Noack, BB

1998, 2533ff., 2536; aA Wohlwend, HV im Wandel der Kommunikationsformen, S. 151f.1071 BGHZ 83, 122ff.; siehe dazu oben 1. Kapitel.A.IV.1072 Habersack, ZGR 165 (2001), 172ff., 196; Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 296f.1073 Riegger, ZHR 165 (2001), 204ff., 218; Semler in MünchHdb AG, § 34 RN 2; Henn, BB

1982, 1185ff., 1186ff.; Hüffer, AktG, § 118 RN 4; Nirk in Handbuch der AG, Teil IRN 1050.

1074 Vgl. K. Schmidt, GesR, § 28 IV 1a; Noack, BB 1998, 2533ff., 2536.1075 Spindler, ZGR 2000, 420ff., 442; Noack, BB 1998, 2533ff., 2535; die Befürworter außeror-

dentlicher virtueller Hauptversammlungen fordern daher auch ein Mindestbeteiligungsquo-rum; Hirte in FS Buxbaum, 2000, S. 283ff., 296.

1076 Martens, Leitfaden, S. 1ff.1077 Zahlen bei Hansen AG 2001, R 315ff.1078 Habersack, ZHR 165 (2001), 172ff., 194.

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201

Gesellschaften nicht zu weit auseinander klaffen zu lassen. Dieser negative Effekt

tritt jedoch ein, wenn die Unternehmen derart unterschiedliche Hauptversamm-

lungsmodelle einsetzen. Eine tiefgreifende Systemumstellung nur für bestimmte

Aktiengesellschaften dient nicht der beabsichtigten Standardisierung der AG als

Gesellschaftsform. Allenfalls ist daran zu denken, eine virtuelle Vollversammlung

(§ 121 Abs. 6 AktG) als Versuchsprojekt zuzulassen, soweit keine beurkundungs-

bedürftigen Beschlüsse zu fassen sind.1080 Vollversammlungen finden in der Pra-

xis sehr selten statt, so dass Auswirkungen auf die Corporate Governance nicht zu

befürchten sind.

Im Ergebnis muss somit die Präsenzhauptversammlung im Kern erhalten bleiben.

Sie ist ein wichtiger Bestandteil für die Kommunikation der Aktionäre unterein-

ander und mit der Verwaltung. Eine virtuelle Hauptversammlung hat derart ein-

schneidende Auswirkungen auf die organisatorische Grundstruktur der Aktienge-

sellschaft, dass sie nicht ohne eine Reform des Aktienrechts eingeführt werden

sollte. Sie ist daher auch nicht für börsenferne Aktiengesellschaften zuzulassen.

V. Zusammenfassung

Der Gesetzgeber sollte die Zulässigkeit einer Internet-Übertragung der Hauptver-

sammlung im Gesetz klarstellen. Außerdem sind die Teilnahmemöglichkeiten für

Online-Aktionäre zu erleichtern. Vor allem eine elektronische Stimmabgabe (Di-

rect-Voting) über das Internet sollte auf Grund einer Satzungsregelung möglich

sein. Gesellschaften, die auch die Ausübung anderer versammlungsgebundener

Aktionärsrechte über das Internet technisch und organisatorisch bewerkstelligen

können, sollte dies gestattet werden. Sinnvoll ist es den Unternehmen mehr Sat-

zungsautonomie und damit mehr Flexibilität für den Einsatz neuer Medien zu ge-

währen. So können sie eine auf ihre jeweilige Aktionärsstruktur zugeschnittene

Regelung finden.

Am Grundprinzip der Präsenzveranstaltung ist aber festzuhalten. Eine virtuelle

Hauptversammlung sollte der Gesetzgeber wegen der schwer kalkulierbaren

Auswirkung auf die Corporate Governance auch nicht für kleine Aktiengesell-

1079 Gesetz v. 2.8.1994 (BGBl. I S. 1961).1080 So auch der Vorschlag der Regierungskommission „Corporate Governance“, D3.28 RN 111;

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202

schaften einführen. Mit einer wenig praxisrelevanten virtuellen Vollversammlung

können allerdings Erfahrungen für zukünftige Entwicklungen gesammelt werden.

C. Schluss

Wie die Hauptversammlung der Zukunft aussehen wird, ist noch nicht abzuschät-

zen. Die zunehmende Verbreitung des Internet wird aber eine stärkere Einbindung

der neuen Medien in den Ablauf der Aktionärsversammlungen und die Kommu-

nikation zwischen Gesellschaft und Anlegern zur Folge haben. Der sich durch

Globalisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte vollziehende Wandel

der Unternehmensstrukturen wird zudem den Modernisierungsdruck auf den Ge-

setzgeber verstärken. Das heute noch fortschrittliche NaStraG kann schon bald

veraltet sein, so dass weitere Reformschritte erforderlich werden.

Aber nicht alles was aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung möglich

ist, sollte auch umgesetzt werden. Einschneidende Veränderungen in das bisherige

Hauptversammlungswesen bedürfen einer umfassenden Reform des Aktienrechts.

Dabei darf der Gesetzgeber vor lauter Reformeifer nicht den Aspekt der Rechtssi-

cherheit aus den Augen verlieren.

Eine zentrale Frage bei der Modernisierung der Hauptversammlung wird das

künftige Grundkonzept des Aktionärstreffens sein. Soll die Hauptversammlung

auf ihre wesentlichen Funktionen, Rechenschaftslegung der Verwaltung und Be-

schlussfassung der Aktionäre, reduziert werden oder zu einem gigantischen Show-

Event mit Volksfestcharakter mutieren. Vermutlich ist ein Mittelweg sinnvoll.

Darüber kann aber nicht alleine der Gesetzgeber entscheiden. Er muss vor allem

die Wirtschaft in die Überlegungen miteinbeziehen. Die Einsetzungen von Regie-

rungskommissionen mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Ministerien

ist eine sinnvolle Vorgehensweise. So kann künftig die Verknüpfung von Haupt-

versammlung und Internet zu einem gewinnbringenden Modell für Aktionäre,

Unternehmen und das gesamte Aktienwesen führen.

abrufbar unter http://www.otto-schmidt.de/corporate_governance.htm.

Page 205: 15 TENEA Bd. 15 Das Internet hat Einzug in alle Bereiche

203

Anhang: Reformen des Aktienrechts 2002

A. Aktuelle Entwicklung

Obwohl der Gesetzgeber bereits im Jahre 2001 durch das NaStraG und das Form-

AnpG die aktienrechtlichen Bestimmungen weitgehend modernisiert und für

elektronische Kommunikationsformen geöffnet hat, brachte er Anfang 2002 über-

raschend schnell zwei weitere Regelwerke mit aktienrechtlicher Bedeutung auf

den Weg:

Das Transparenz- und Publikationsgesetz (TransPuG)1081 und den Deutschen Cor-

porate Governance Kodex (Kodex)1082. Die Regelungen werden auch das Haupt-

versammlungsrecht erneut fortschreiben, allerdings nur punktuell.1083 Der Gesetz-

geber scheint nunmehr die von Zöllner bereits vor fast zehn Jahren geforderte

Aktienreform in Permanenz1084 verwirklichen zu wollen.

Soweit die aktuellen Regelungen das Thema Hauptversammlung und Internet be-

treffen, werden sie in diesem Anhang kurz mit Hinweisen auf die weiterführende

Literatur dargestellt.1085

B. Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG)

Das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. Juli 2002 ist im Wesentlichen am

26. Juli 2002 in Kraft getreten.1086 Das Gesetz versteht sich als Fortführung des

KonTraG aus dem Jahre 1998.1087 Es greift einen Teil der Empfehlungen der Re-

gierungskommission Corporate Governance auf und bindet den Deutschen Corpo-

rate Governance Kodex für börsennotierte Aktiengesellschaften an das Aktienge-

1081 BGBl. 2002, I Nr. 50, v. 25.07.2002, S. 2681ff.1082 Abgedruckt in NZG 2002, 75ff.; abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de.1083 Noack, DB 2002, 620ff., 626.1084 Zöllner AG 1994, 336ff.; so auch der Titel eines Vortrages von Seibert anlässlich des 75.

Geburtstages von Prof. Claussen, abgedruckt in AG 2002, 417ff.1085 Literatur zu TransPuG und Kodex: Bernhardt, DB 2002, 1841ff.; Berg/Stöcker, WM 2002,

1569ff., Schüppen, ZIP 2002, 1269ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002) 151ff.; Noack, DB 2002,620ff.; ders. BB 2002, Heft 18, S. 1; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789ff.; Claussen/Bröcker, DB2002, 1199ff.; Seibert, AG 2002, 417ff.; ders. BB 2002, 581ff.; ders. NZG 2002, 608ff.; Pelt-zer, NZG 2002, 593ff.; v. Werder, DB 2002, 801ff.

1086 Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Seibert, NZG 2002, 608ff.1087 Gesetz v. 27.4.1998, BGBl. I S. 786.

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204

setz an. Die Änderungen sollen die Transparenz und Publizität im Aktien- und

Bilanzrecht verbessern, um eine Unternehmensführung und –kontrolle sicherzu-

stellen, die internationalen Standards entspricht.1088 Aufgrund des herannahenden

Endes der Wahlperiode beschränkte sich der Gesetzgeber auf die Umsetzung der

Empfehlungen der Regierungskommission Corporate Governance, bei denen eine

möglichst breite Zustimmung zu erwarten war.1089

Folgende Änderungen des Aktienrecht durch das TransPuG betreffen das Recht

der Hauptversammlung:

I. Elektronischer Bundesanzeiger

§ 25 AktG n.F. bestimmt, dass Bekanntmachungen, die nach Gesetz oder Satzung

in den Gesellschaftsblättern zu erfolgen haben, jedenfalls in den elektronischen

Bundesanzeiger einzurücken sind. Damit wird die Veröffentlichung von Unter-

nehmensmitteilungen ganz auf die elektronische Form umgestellt.1090 Der Gesetz-

geber hat erkannt, dass Bekanntmachungen in Papierform nicht mehr zeitgemäß

sind. Um eine mögliche Zweigleisigkeit der Bekanntmachung zu vermeiden, hat

der Gesetzgeber von der im Referentenentwurf noch vorgesehenen Wahlmöglich-

keit der Veröffentlichung abgesehen und die Printausgabe für Pflichtveröffentli-

chungen nicht mehr in Betracht gezogen.1091 Die Gesellschaften sind damit zu

einer Einrückung in den Papier-Bundesanzeiger nicht mehr verpflichtet. Die Sat-

zung kann dies aber gleichwohl nach wie vor vorsehen. Für die Umstellung der

Bekanntmachungen und der Schaffung eines elektronischen Bundesanzeigers

wird dem Bundesanzeigerverlag und den übrigen Beteiligten eine angemessene

Übergangszeit eingeräumt. Die Änderungen des § 25 AktG treten erst zum 1. Ja-

nuar 2003 in Kraft.

II. Ankündigung von Gegenanträgen

Die Neufassung des § 126 Abs. 1 AktG sieht vor, dass Gegenanträge nicht mehr

1088 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02; abgedruckt in NZG

2002, 313ff.1089 Ihrig/Wagner, BB 2002, 789ff., 789.1090 Vgl. Noack, DB 2002, 620ff., 620f.1091 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02; abgedruckt in NZG

2002, 313ff.; Noack, DB 2002, 620ff., 620f.

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205

in gedruckter Form an alle Aktionäre versandt werden müssen. Sie sind den Ak-

tionären nur noch „zugänglich zu machen“. Dies bedeutet, dass sie insbesondere

auch ausschließlich auf der Webseite der Gesellschaft veröffentlicht werden kön-

nen.1092 Damit entfällt eine kostspielige und fehleranfällige Pflicht für die Gesell-

schaften.1093

Daneben wird auch die Frist für die Einreichung von Gegenanträgen zu Gunsten

der Aktionäre verlängert. Statt wie bisher eine Woche nach Einberufung, soll es

künftig ausreichen, wenn der Gegenantrag bis spätestens eine Woche vor dem Tag

der Hauptversammlung gestellt wird. Die Gesellschaft ist dann verpflichtet, den

Gegenantrag unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 S. 2 BGB zugänglich zu

machen. Diese Veröffentlichungspflicht soll nur dann bestehen, wenn der Ge-

genantrag nebst Begründung an eine dem Aktionär in der Einberufung mitgeteil-

ten Adresse gesandt worden ist, bei der es sich auch um eine Faxnummer oder E-

Mail-Adresse handeln kann.1094

III. Videozuschaltung von Aufsichtsratsmitgliedern

Nach § 118 Abs. 2 S. 2 AktG n.F. kann die Satzung bestimmte Fälle vorsehen, in

denen die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats an der Hauptversamm-

lung im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf. Der Gesetzgeber lässt

damit Ausnahmen von der Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder zur persönlichen

Teilnahme an der Hauptversammlung zu. Die Satzung kann die Aufsichtsratsmit-

glieder für im Einzelnen zu präzisierende Ausnahmefälle von der Abwesenheits-

pflicht befreien und ihnen die Teilnahme auf telekommunikativen Weg erlauben.

Eine generelle Freistellung von der Teilnahmepflicht darf sie jedoch nicht vorse-

hen.1095 Als mögliche Fallgruppe kommt insbesondere der gewöhnliche Aufent-

halt eines Aufsichtsratsmitglied im Ausland in Betracht.1096 Die Bild- und Ton-

übertragung muss dabei beidseitig sein, so dass das Aufsichtsratsmitglied auch für

1092 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02; abgedruckt in NZG

2002, 313ff.1093 Noack, DB 2002, 620ff., 622.1094 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02; abgedruckt in NZG

2002, 313ff.1095 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02; abgedruckt in NZG

2002, 313ff.1096 Vgl. Noack, DB 2002, 620ff., 624.

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206

die Hauptversammlung seh- und hörbar ist.1097

IV. Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung

§ 118 AktG erhält folgenden neuen Absatz (3):

„Die Satzung oder die Geschäftsordnung gemäß § 129 Abs. 1 kann bestimmen,

dass die Hauptversammlung in Ton und Bild übertragen werden darf.“

Damit wird die vielfach praktizierte Übertragung der Hauptversammlung im In-

ternet auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Bei entsprechender Bestimmung in

der Satzung oder der Geschäftsordnung ist zukünftig die Übertragung der gesam-

ten Hauptversammlung inklusive der Redebeiträge der Aktionäre auch gegen den

Widerspruch eines einzelnen Aktionärs zulässig.1098

C. Deutscher Corporate Governance Kodex

I. Grundlagen

Die zur Umsetzung der Empfehlungen der Regierungskommission „Corporate

Governance“ eingesetzte Regierungskommission „Deutscher Corporate Go-

vernance Kodex“1099 hat unter Leitung von Dr. Cromme am 26. Februar 2002

einen deutschen Corporate Governance Kodex verabschiedet und der Bundesmi-

nisterin für Justiz übergeben. Der Kodex verfolgt zwei unterschiedliche Ziele:

Zum einen soll der Kodex die geltende Unternehmensverfassung für deutsche

Aktiengesellschaften und die im zwingenden Gesetzesrecht verankerten Verhal-

tensmaßstäbe für Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung transpa-

rent und nachvollziehbar machen und dadurch das Vertrauen gerade auch der in-

ternationalen Investoren in die Leitung und Überwachung deutscher börsenno-

tierter Aktiengesellschaften fördern.1100 Zum anderen enthält der Kodex an die

Unternehmensleitung gerichtete unverbindliche Verhaltensempfehlungen. Von

1097 Begründung der Bundesregierung zum TransPuG, BR-Drucks 109/02, abgedruckt in NZG

2002, 313ff.1098 Noack, DB 2002, 620ff., 623f.1099 Zur Zusammensetzung der Kommission und zur Entwicklung des Kodex vgl. Seibert, BB

2002, 581ff., 581f.; kritisch dazu Bernhardt, DB 2002, 1841ff.

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207

diesen gesetzesergänzenden Regelungen des Kodex können die Unternehmen

ohne Weiteres abweichen. Allerdings sollen Unternehmen, die von den Kodex-

Empfehlungen abweichen, dies im Sinne eines „comply or explain“ deutlich ma-

chen.1101 Durch das TransPuG wird der neue § 161 in das Aktiengesetz eingefügt,

wonach der Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich

zu erklären haben, dass den im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemachten

Verhaltensempfehlungen der Kodex-Kommission für Unternehmensleitung und

–überwachung entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht an-

gewendet werden. Das Regelwerk hat somit keinen Gesetzescharakter.1102 Es soll

vielmehr als „soft law“ die bereits geltenden Vorschriften ergänzen und auf (mehr

oder weniger freiwilliger) Selbstbindung der Unternehmen wirksam werden.1103

II. Empfehlungen und Anregungen des Kodex

Der Kodex enthält ca. fünfzig Empfehlungen an die Gesellschaftsorgane (welche

durch „soll“ gekennzeichnet sind) und ca. fünfzehn Anregungen (welche durch

„sollte“ oder „kann“ gekennzeichnet sind). Nur das Abweichen von Empfehlun-

gen müssen die Gesellschaften offenlegen. Von den Kodex-Regelungen betreffen

vier Abschnitte den Bereich Hauptversammlung und Internet:1104

Gemäß Ziffer 2.3.1 des Kodex soll der Vorstand die vom Gesetz für die Haupt-

versammlung verlangten Berichte und Unterlagen einschließlich der Geschäftsbe-

richte nicht nur auslegen und den Aktionären auf deren Verlangen übermitteln,

sondern auch auf der Internetseite der Gesellschaft zusammen mit der Tagesord-

nung veröffentlichen. Weiter empfiehlt der Kodex den Gesellschaften (Ziffer

2.3.2), allen in- und ausländischen Finanzdienstleistern, Aktionären und Aktio-

närsvereinigungen, die dies vor nicht länger als einem Jahr verlangt haben, die

Einberufung der Hauptversammlung mitsamt den Einberufungsunterlangen mit-

zuteilen, auf Verlangen auch auf elektronischem Wege. Zudem sollen die Gesell-

schaften Vorkehrungen treffen, um den Aktionären die persönliche Wahrnehmung

ihrer Rechte zu erleichtern. Auch bei der Stimmrechtsvertretung soll die Gesell-

1100 Vgl. Präambel des Kodex.1101 Vgl. dazu Schüppen, ZIP 2002, 1269ff.; Bernhardt, DB 2002, 1841ff.; Berg/Stöcker, WM

2002, 31ff.1102 Zur Rechtsnatur des Kodex vgl. Ulmer, ZHR 166 (2002) 151ff.; 158ff.1103 Seibert, NZG 2002, 581ff., 584; zu den Haftungsfragen vgl. Berg/Stöcker, WM 2002, 1569ff.1104 Vgl. dazu Noack, DB 2002, 620ff.

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208

schaft die Aktionäre unterstützen. Der Vorstand soll für die Bestellung eines Ver-

treters für die weisungsgebundene Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre sor-

gen. Dieser sollte auch während der Hauptversammlung erreichbar sein (Ziffer

2.3.3). Schließlich regt der Kodex an, dass die Gesellschaft den Aktionären die

Verfolgung der Hauptversammlung über moderne Kommunikationsmedien (z.B.

Internet) ermöglichen sollte.

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