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 344 150 psychologische Aha-Experimente Den Forschern zufolge sollte man sich mit genetischen Erklärun- gen – die zuweilen unüberlegt vorgebracht werden – zurückhal- ten, da sie das Verhalten beeinflussen. Wenn ich beispielsweise glaube, mein Übergewicht sei genetisch bedingt, ist meine Wil- lensstärke für eine Diät oder mehr Sport viel geringer . Diese Studie sagt nichts darüber, ob Frauen in Mathematik besser oder sc hlechter sind als Männer. Sie beweist vielmehr , dass Frauen, wenn sie die Leistungsunterschiede in Mathematik für angeboren oder genetisch bedingt halten, weniger gut abschnei- den, als wenn sie diese Unterschiede nicht als angeboren, sondern als erlernt betrachten. Hier sieht man deutlich, dass Überzeugun- gen die Leistung von Frauen bei einfachen Mathematikaufgaben beeinflussen können. Da die Leute genetische Erklärungen meist für unumstößlich halten, kann dies „sich selbst erfüllende Pro- phezeiungen“ heraufbeschwören. Fazit  Ja, in den Naturwissenschaften findet man weniger Frauen, und offenbar beruhen einschlägige geschlechterspezifische Leistungs- unterschiede, wenn es sie gibt, zumindest teilweise auf Überzeu- gungen, die zum Hindernis für die Leistungsfähigkeit werden. Dem sollten wir entgegenhalten, dass Frauen in bestimmten wissenschaftlichen Disziplinen genauso häufig vertreten sind wie Männer. In Frankreich sind dies vor allem die Biologie (Wissen- schaft von den lebenden Systemen), die Pharmazie und die Medi- zin 51 , wo Frauen die Hälfte (50 %) der Immatrikulierten ausma- chen. In Québec bilden sie eine bedeutende Mehrheit in der Biologie (61,9 %), und in der Schweiz beginnen sie doppelt so oft wie die Männer eine Doktorarbeit in diesem Fach. Warum? Vielleicht weil hier wiederum ein Stereotyp am Werk ist: die 51  Siehe Tabelle „Aufteilung der Universitätsstudenten nach Geschlecht, Stu- diengang und Fach 2004–2005“ auf der Website des französischen Bildungs- ministeriums (http://www.education.gouv.fr/stateval/rers/rers2005.htm#6).

150 Psychologische Aha-Experimente (2011) 347

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150 Psychologische Aha-Experimente (2011) 347

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  • 344 150 psychologische Aha-Experimente

    Den Forschern zufolge sollte man sich mit genetischen Erklrun-gen die zuweilen unberlegt vorgebracht werden zurckhal-ten, da sie das Verhalten beeinflussen. Wenn ich beispielsweise glaube, mein bergewicht sei genetisch bedingt, ist meine Wil-lensstrke fr eine Dit oder mehr Sport viel geringer.

    Diese Studie sagt nichts darber, ob Frauen in Mathematik besser oder schlechter sind als Mnner. Sie beweist vielmehr, dass Frauen, wenn sie die Leistungsunterschiede in Mathematik fr angeboren oder genetisch bedingt halten, weniger gut abschnei-den, als wenn sie diese Unterschiede nicht als angeboren, sondern als erlernt betrachten. Hier sieht man deutlich, dass berzeugun-gen die Leistung von Frauen bei einfachen Mathematikaufgaben beeinflussen knnen. Da die Leute genetische Erklrungen meist fr unumstlich halten, kann dies sich selbst erfllende Pro-phezeiungen heraufbeschwren.

    Fazit

    Ja, in den Naturwissenschaften findet man weniger Frauen, und offenbar beruhen einschlgige geschlechterspezifische Leistungs-unterschiede, wenn es sie gibt, zumindest teilweise auf berzeu-gungen, die zum Hindernis fr die Leistungsfhigkeit werden.

    Dem sollten wir entgegenhalten, dass Frauen in bestimmten wissenschaftlichen Disziplinen genauso hufig vertreten sind wie Mnner. In Frankreich sind dies vor allem die Biologie (Wissen-schaft von den lebenden Systemen), die Pharmazie und die Medi-zin51, wo Frauen die Hlfte (50 %) der Immatrikulierten ausma-chen. In Qubec bilden sie eine bedeutende Mehrheit in der Biologie (61,9 %), und in der Schweiz beginnen sie doppelt so oft wie die Mnner eine Doktorarbeit in diesem Fach. Warum? Vielleicht weil hier wiederum ein Stereotyp am Werk ist: die 51 Siehe Tabelle Aufteilung der Universittsstudenten nach Geschlecht, Stu-

    dien gang und Fach 20042005 auf der Website des franzsischen Bildungs-ministeriums (http://www.education.gouv.fr/stateval/rers/rers2005.htm#6).