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Geliebter Wochenmarkt! MÜNSTER URBAN #8 Stadtkultur – die Themen des Frühjahrs.

18 03 13 MU8 Gesamt LT01 - initiative-no-logo.deinitiative-no-logo.de/_data/downloads/MU8_Piene-2084.pdf · Reklame gewollt und sich nur unter massivem Druck fügen müssen. Um also

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GeliebterWochenmarkt!

M Ü N S T E R U R B A N # 8

Stadtkultur –die Themen

des Frühjahrs.

Mehrfach hat Münster Urban über die Debatte um das LWL-Logo in der Piene- Lichtplastik „Silberne Frequenz“ am LWL-Museum für Kunst und Kultur-geschichte berichtet. Mitte November letzten Jahres lud der Landschafts ver -band zu einer Piene-Podiumsdiskus sion. Die brachte vor allem eine Erkenntnis: Man wird sich an den Status quo gewöh-nen müssen. Die Leuchtreklame wird uns wohl bis 2084 erhalten bleiben – mindestens. Je nach Lesart als markante Absenderkennung oder als peinliches Menetekel.

Das Publikum verließ die vierstündige Debatte rat-los. Irgendwie war laut LWL-Landesdirektor Mat-thias Löb „alles gesagt“. Dabei arbeiteten sich zwei Podien und das Auditorium eigentlich nur an der Frage „Was wollte Otto Piene?“ ab. Warum ausge-rechnet und nur in Münster mit dem Landschafts-verband Westfalen-Lippe eine Behörde ein Kunst-werk als Leuchtreklame nutzte und das bis heute richtig zu finden scheint, geriet dagegen zur Neben-sache. Erste Erkenntnis: Die Wahrheit ist in dieser Angelegenheit etwa genauso fließend wie eine pie-nesche Lichtfrequenz. „Der Vorschlag der Drei-Buch-staben-Integration ins Lichtfeld kam von Piene selbst“, wird die LWL-Kulturdezernentin Dr. Barba-ra Rüschoff-Parzinger noch in der Oktober-Ausgabe der Kunstzeitung zitiert. Sechs Wochen später refe-rierte sie einen anderen Hergang. Prof. Dr. Erich Franz, 2009 zuständiger Mitarbeiter am LWL-Muse-um, sollte Piene per Telefon die Idee unterbreiten. Man rechnete mit Gegenwehr. „Ich dachte, er reißt ihm den Kopf ab“, erinnerte sich Rüschoff-Parzinger vor Publikum. Dass der Vorschlag im Kunstbetrieb eher unüblich ist, war im Januar 2009 offensichtlich allen noch sonnenklar. Wider Erwarten erklärte Pie-ne, das Anliegen sei berechtigt. So hat es auch Franz im Interview mit MU* berichtet. Die Idee entstand also in Münster. Franz saß während der Podiumsdis-kussion im Publikum und wurde als „Saalkandidat“ spontan aufs Podium gebeten.

Dort diskutierten insgesamt zwei Runden. Dr. Joachim Jäger, Leiter der Berliner Nationalgalerie und Ausrichter der großen Piene-Retrospektive 2014, führte eloquent aus, dass der Umgang mit Marken in der Kunst längst gang und gäbe sei. Was er nicht sagte: Dabei geht es eigentlich immer um kriti- sche Positionen und nicht um die Inszenierung

von Auftraggebern wie in Münster. Dr. Peter Raue, kunstbeflis sener Berliner Rechtsanwalt, führte noch beredter aus, bei Kunst am Bau seien künstlerische Kompromisse an der Tagesordnung. Was er nicht sag-te: Zu Logo-Applikationen dieser Art führt das rund um den Globus zumindest im freien Teil der Welt ei-gentlich nicht, nur in Münster.

Zudem, so Raue, sei die Causa urheberrecht-lich von „größter Langeweile“. Das Logo sei Bestand-teil des Kunstwerks und daher nur mit Einverständ-nis des Künstlers oder seiner Erben zu entfernen. Dazu passend hatte Rüschoff-Parzinger noch zwei Tage vor der Veranstaltung Statements aus dem Um-feld der Piene-Witwe eingeholt. Tenor: Es solle alles so bleiben, wie es ist, denn Piene habe es am Ende so gewollt. Raue fiel sogar selbstsicher dem Experten Franz ins Wort. Der hatte versucht darzulegen, Piene habe Logos genau wie Fensterrahmen oder Gebäude-ecken mit seinen Lichtfrequenzen „umwoben“, wodurch sie eben nicht Teil des Kunstwerks würden. Vor Gericht hätten in dieser Frage die Juristen zu schweigen und die Gutachter das Wort.

Dass Logo-Gegner die Stirn in Sorgenfalten warfen, dürfte allerdings auch an den Rissen im Ar-gumentationsgebäude der Piene-Puristen gelegen haben. Für die Kritiker ist Piene erpresst worden. Der Künstler habe eigentlich eine Lichtplastik ohne Reklame gewollt und sich nur unter massivem Druck fügen müssen. Um also dem „eigentlichen Künstler-willen“ zum Recht zu verhelfen, sei das Logo zwin-gend zu entfernen. Doch aus den vorliegenden Infor-mationen ergibt sich in etwa folgendes Bild: Sehr wahrscheinlich hätte Piene seine Lichtplastik lieber ohne Logo realisiert. Immerhin bemühte er schon ei-nen Rechtsanwalt, als der LWL plötzlich die Plastik an der Außenfassade in Frage stellte. Aber: Der Mann war kein armer Künstler, der sich nicht wehren konn-te und verzweifelt sein Lebenswerk retten wollte. Die Argumentation der Kritiker macht Piene zur Mario-nette. Die war er wohl nicht. Auch ökonomisch stand er wohl nicht unter Druck. Vielmehr war Piene auf-geschlossen für derartige Wünsche. Piene hat in der Logo-Implementierung wohl eher keinen imper-tinenten Angriff auf die Freiheit der Kunst gesehen. Nur so sind seine Aussagen vor laufender Kamera verständlich, in denen er die Lösung ausdrück - lich verteidigt. Möglich, dass andere Künstler Franz wirklich den Kopf abgerissen hätten. Die

2084Text Jörg Heithoff

LWL-Markenbildner hatten das Glück, auf einen Kre-ativen zu treffen, mit dem so etwas machbar war.

Erst 2084 läuft der urheberrechtliche Schutz aus, hinter dem sich die Verursacher also noch eini-ge Jahrzehnte verstecken können. Dann könnte der Träger das Logo entfernen. Wenn er denn wollte. Der-zeit kann davon keine Rede sein. LWL-Vertreter aus Landschaftsversammlung und Verwaltung verteidig-ten den Vorgang. Aus dieser Perspektive nehmen sich die Kritiker wie eine Fronde undankbarer Münstera-ner aus, die zwar gern von den Kulturausgaben des Landschaftsverbands profitieren, aber renitent wer-den, wenn dieser mal Flagge zeigen will. Aus Sicht des LWL ist das ein lokaler Aufstand. Selbst den Hin-weis, dass Ruhrgebietskommunen mehr Geld in den LWL-Topf legen als die Stadt Münster, erwähnte Lan-desdirektor Matthias Löb in seiner Vorrede. Damit wurde klar, dass es bei dieser Debatte – politisch gesehen – zuallerletzt um die Freiheit der Kunst geht. So gesehen war die mehrstündige Diskussion wohl auch nicht ergebnisoffen.

Spannend war ein Gedanke von Prof. Dr. Her-mann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Gatte der LWL-Kulturdezernentin und als Zuhörer im Saal. Der meldete sich zu Wort und wollte den Skeptikern nach Stunden des Hin und Hers eine Brücke bauen. Münster habe doch schon viel erreicht, wenn man künftig in solchen Fällen sorgsamer agiere, schlug Parzinger vermittelnd vor. Ein spannender Gedanke. Der impliziert allerdings, dass bei den Vorgängen um die pienesche Lichtplas-tik etwas schiefgelaufen ist. Von diesem Eingeständ-nis waren die Verantwortlichen zumindest im ver-gangenen November noch meilenweit entfernt.

* MU #7, November 2017, Seiten 30 bis 33

Foto

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Nei

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Otto Piene, Silberne Frequenz, 1971 / 2014, LWL-Museum

für Kunst und Kultur, Münster

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