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Jahrbuch Menschenrechte 1999 Herausgegeben von Gabriele von Arnim, Volkmar Deile, Franz-Josef Hutter, Sabine Kurtenbach und Carsten Tessmer in Verbindung mit deutsche Sektion von amnesty international Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte (Wien) Institut für Entwicklung und Frieden (Duisburg) Suhrkamp

1999 Reinhard Weisshuhn - ai - Menschenrechte in der DDR

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1999 Reinhard Weißhuhn: Menschenrechte in der DDR, in: Gabriele von Arnim/ Volkmar Deile/ Franz-Josef Hutter, Sabine Kurtenbach und Carsten Tessmer (Hrsg.) in Verbindung mit amnesty international/ Ludwig-Boltzmann-Institut (Wien) und Institut für Entwicklung und Frieden (Duisburg): Jahrbuch der Menschenrechte 1999, Suhrkamp, S. 247-269. http://www.jahrbuch-menschenrechte.at/content/site/projekt/archiv/texte/article/13.html

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JahrbuchMenschenrechte

1999

Herausgegeben von

Gabriele von Arnim, Volkmar Deile, Franz-Josef Hutter,Sabine Kurtenbach und Carsten Tessmer

in Verbindung mit

deutsche Sektion vonamnesty international

Ludwig-Boltzmann-Institutfür Menschenrechte (Wien)

Institut für Entwicklung und Frieden(Duisburg)

Suhrkamp

Jahrbuch Menschenrechte 1999, S. 247-260.

Reinhard Weißhuhn

Menschenrechte in der DDR

Die Menschenrechte und der Stalinismus

Weil die Respektierung der Menschenrechte un-trennbar an funktionierende demokratische Grund-regeln gebunden ist, mußte die Marxsche »Diktaturdes Proletariats« in Widerspruch zu ihr geraten.Marx hatte ein Problem erkannt, das bis heutenicht gelöst ist: Gleichheit wird durch Eigentumkonterkariert. Weil manche viel und andere wenighaben, haben manche viel und andere wenig Macht.Wer viel Macht hat, dem nützt Demokratie mehr,wer wenig Macht hat, dem nützt sie wenig, bisweilengar nichts.

Auf das Ungleichgewicht zwischen politischenund sozialen Rechten reagierte Marx mit der Ideedes Sozialismus, also der Abschaffung des Privat-eigentums. Wenn allen alles gehörte, konnte nie-mand mehr kraft seines Eigentums andere unter-drücken. Der Anspruch auf soziale Sicherheit für al-le, jedenfalls soziale Gleichheit aller, ist ein starkesArgument sozialistischer Ideologie geblieben. Ge-nährt wurde es durch die bis heute zumindest latenteVernachlässigung dieses Bedürfnisses in allen For-

men bürgerlicher Demokratie.Es blieb die Frage, wie dieser Zustand erreicht

werden könne. Lenin errichtete die Diktatur desProletariats, geführt von dessen Avantgarde, derbolschewistischen Partei. Gleichheit war im Rußiandvon 1917 nur mit Gewalt bis hin zum Terror durch-zusetzen. Unter solchen Bedingungen konnte mansich natürlich keine Demokratie leisten, zumal dieseim Grunde als kapitalistisches Täuschungmanöverzur Aufrechterhaltung der Macht der Bourgeoisiegesehen wurde. Wozu braucht ein Analphabet imRußland von 1917 Pressefreiheit, wenn er nochnicht einmal genug zu essen hat?

Das Ergebnis war die stalinistische Form der Dik-tatur, eines der furchtbarsten Kapitel der Weltge-schichte. Ohne demokratische Tradition und öko-nomisch zurückgeblieben, wurde die Sowjetunionvon einem Terrorregirne kontrolliert, das keine Re-geln kannte außer der totalen Herrschaft einer Per-son. Die ideologsche Legitimation bezog dieses Sy-stem aus der marxistischen [Seitenwechsel] Theo-rie, angewandt auf eine von Marx nicht vorgesehe-ne Situation, für die Lenin die »Theorie vomschwächsten Kettenglied« entwickelt hatte. Stalinrespektierte weder die politischen noch die sozialenRechte, der Aufbau des Sozialismus in einem Landerforderte zuerst und zuletzt die Machterhaltung.

Verbunden mit der Mobilisierung des russischenNationalgefühls zur Bekämpfung des deutschenÜberfalls im Großen Vaterländischen Krieg mutier-te darüber hinaus der marxistische Gedanke der

Weltrevolution bei ihm zu einer Fortsetzung desgroßrussischen Imperialismus. Die Teilung der Weltnach Zerschlagung des deutschen Faschismus sah soden östlichen Teil Deutschlands im Einflußbereicheines sowjetischen Imperiums, das von vornhereinjedes Element westlicher Entwicklung als feindlichansah und bekämpfte. Dieses System war natürlichnicht schlimmer als das des Nationalsozialismus,aber es war fremder. Es paßte nicht einmal auf dieSowjetunion, wo es den Spätfeudalismus abgelösthatte, um so weniger auf das kapitalistisch hochent-wickelte Deutschland. Die einzige Kontinuität fürdie künftige DDR bestand in der fortdauernden Ab-wesenheit von Demokratie und Menschenrechten.

Die Situation der Menschenrechte in der DDR

Die Gründungsphase der DDR 1949 bis 196o

Auch Stalin war bewußt, daß die Sowjetunion nichtin ihrer Besatzungszone sofort und unmittelbar dassowjetische Herrschaftssystem einführen konnte.Er brauchte die Akzeptanz seiner Westalliierten,und er brauchte über die KPD hinaus deutsche Ver-bündete. Deshalb hieß die politische Linie zunächst»antifaschistische Demokratie«. Auch in der Sowje-tischen Besatzungszone waren mehrere Parteien zu-gelassen. Enteignungen hielten sich in Grenzen,Zensur existierte – aber auch in den westlichen Zo-nen. Wahlen liefen formal demokratisch ab, aberdie anderen Parteien wurden durch administrative

Restriktionen und politischen Druck kleingehalten.Noch mehrere Jahre lang betrieb die SowjetischeMilitäradministration einige KZs wie Sachsenhausenund Buchenwald weiter und führte willkürliche De-portationen in sowjetische Arbeitslager durch, teil-weise als eine Form der Repa-[Seitenwechsel]ration.Ab 1946 proklamierte die SED unter sowjetischerKontrolle den Sozialismus. Die Sowjetisierung be-schleunigte sich nach Beginn des Kalten Krieges1947 und mündete schließlich in die Gründung derDDR 1949.

Die Gründungsverfassung der DDR war entspre-chend der Anpassung an die Übergangsphase formalweitgehend demokratisch. Ihr Grundrechtskatalogorientierte sich an dem der Weimarer Verfassungvon 1919 und widersprach damit theoretisch der so-zialistischen Vorstellung von der Aufhebung derNicht-Identität von Staat und Bürgern. Allerdingsfehlte bereits das Prinzip der Gewaltenteilung, undes gab keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Von Be-ginn an war die Justiz getreu der marxistischenRechtsauffassung ein Instrument des Staates, alsonicht unabhängig. Die »Vergesellschaftung« des Ei-gentums wurde als längerfristiger Prozeß betrachtet.Privates Eigentum unterlag jedoch bereits – analogzur Praxis der Bodenreform und der Enteignung derGroßbetriebe – deutlichen Einschränkungen.

Überhaupt hatte die Verfassungswirklichkeit vonAnfang an wenig mit der Verfassung zu tun. Beson-ders deutlich wurde das un Strafrecht. Die auffälligeBetonung einer Bedrohung von »Boykotthetze«

sollte sich in der Praxis als weitgehende Aufhebungder Grundrechte erweisen. Substantielle Verteidi-gungsrechte des Angeklagten existierten nicht. Esgab Schau- und Geheimprozesse mit Todesurteilenwie die berüchtigten Waldheimurteile, Folter war inpolitischen Fällen tägliche Praxis, Tod oder »Ver-schwinden« nicht selten. Namen von Gefängnissenwie Bautzen oder Hoheneck behielten ihre furcht-einflößende Wirkung bis zum Ende der DDR. Esmuß hinzugefügt werden, daß zunächst ein Großteilder politischen Prozesse sich gegen NS-Täter rich-tete. Deren Zahl nahm jedoch ab zugunsten vonVerfahren gegen Andersdenkende und »Abweich-ler«. Als frühe Beispiele seien genannt die Prozessegegen Mitglieder der bis 1953 verbotenen JungenGemeinde in der Phase des »Kirchenkampfes« undvor allem die Prozesse nach dem 17. Juni 1953.Während die Religionsfreibeit im Prinzip aufrecht-erhalten blieb und der Druck auf die Kirchen undihre Mitglieder sich auf Propaganda, Schikanen undsonstige Einschränkungen konzentrierte, wurde derAufstand gegen Normerhöhungen, für Streikrechtund freie Wahlen mit allen Nütteln bekämpft.

Das Wahlrecht wurde durch die Gleichschaltungaller Medien und Parteien in der »NationalenFront« mit ihren Einheitslisten zur Farce. Statt ei-ner Entscheidung zwischen verschiedenen Politik-vorstellungen blieb nur die Demonstration derNichtbeteiligung, die einem staatsfeindlichen Aktgleichkam. Wahlbeteiligungen von stets über 99Prozent bis 1989 zeigen den Erfolg des ausgeübten

Drucks. Ebensowenig wie parlamentarische Opposi-tion konnte es natürlich außerparlamentarische ge-ben, da beide notwendig gegen die SED als Vorhutder Arbeiterklasse gerichtet sein mußten. Das stali-nistische Dogma der Unfehlbarkeit der Partei, dasbis zum Ende der DDR aufrechterhalten wurde,schloß jede Form freier Meinungsäußerung in derÖffentlichkeit aus. Was Öffentlichkeit und wasMeinung waren, definierte die Partei, im konkretenFall das MfS. Die Willkür dieser Situation läßt sichparadoxerweise gut am Beispiel der Kirchen illu-strieren, die per definitionem eine andere Meinungals die Partei vertraten und dennoch toleriert wur-den.

Nach dem Tode Stalins, besonders aber nach demBeginn der Entstalinisierung 1956 lockerte sich derDruck etwas. Konkrete Auswirkungen gab es imStrafregime. Einige wegen Abweichung von der Par-teilinie Verurteilte wurden – teils posthum – rehabi-litiert, zehntausende Häftlinge freigelassen. DerVersuch, in dieser Phase des Tauwetters oppositio-nelle Meinungen zu artikulieren, z. B. die Vorstel-lung einer Verbindung von Sozialismus und Demo-kratie, endete allerdings mit sofortiger Verhaftung.Beispiele aus dieser Zeit sind die »Revisionisten«-Prozesse gegen Wolfgang Harich und viele andereim Jahre 1957 sowie eine Reihe von Prozessen ge-gen Studentengruppen.

Die Konsolidierung der DDR 1961 bis 1970

Nach und nach vervollständigte die SED die Umset-zung des sowjetischen Sozialismusmodells. Die mehroder minder freiwillige Kollektivierung von Hand-werk und Landwirtschaft wurde 1960 abgeschlossen,Kultur und Kunst zum Propagandainstrument ver-urteilt. All diese Entwicklungen waren von Anfangan von massiven Fluchtwellen begleitet. Trotzstrafrechtlicher Bedrohung war die Flucht in denWesten wegen der in Berlin noch offenen Grenzerelativ einfach und vor allem die einzige Möglich-keit, sich der alle Bereiche der Gesellschaft erfas-senden SED-Herrschaft zu entziehen. Die perma-nente Massenflucht entwickelte [Seitenwechsel]sich zu einer zusätzlichen Bedrohung für die ohne-hin infolge der Zwangsmaßnahmen schwache DDR-Wirtschaft. Beendet wurde sie deshalb mit der voll-ständigen Schließung der Grenze durch den Bau derBerliner Mauer am 13. August 1961. Mit diesemSchritt erlangte die Partei endgültig völlige Hand-lungsfreiheit nach innen. Beispielsweise konnte nunerst die Wehrpflicht eingeführt werden, was 1961prompt geschah.

Nachdem 1967 die deutsche durch die DDR-Staatsbürgerschaft abgelöst worden war, komplet-tierte die SED das sozialistische System schließlich1968 mit einer Verfassung, die die DDR als soziali-stischen Staat mit allen entsprechenden Eigenschaf-ten definierte – sozialistisches Eigentum und Rechtsowie die Führungsrolle der »Partei der Werk-

tätigen«. Alle verbleibenden Grundrechte wurdenausdrücklich an die Loyalität zum Sozialismus ge-bunden und mit einem Gesetzesvorbehalt versehen.Die Verfassung schrieb nun auch die Rechte auf Ar-beit, Wohnraum, Bildung und Gesundheit fest. DieseRechte entsprachen dem Anspruch sozialer Garan-tien und wurden sämtlich administrativ umgesetzt.Bemerkenswert ist das ebenfalls enthaltene Asyl-recht, das als Kann-Bestimmung definiert und des-sen Adressatenkreis eingeschränkt war auf Perso-nen, die im sozialistischen Sinn aktiv und deshalbverfolgt waren, ungeachtet ihrer Methoden – alsotheoretisch und auch praktisch bis hin zu Terrori-sten. Ergänzend erließ die SED ein neues Straf-gesetzbuch, das für im Sinne der Verfassung politi-sche Straftaten härtere Strafen vorsah als bisher.Weiter verschärft und verfeinert in den Folgejah-ren, enthielt es auch äußerst dehnbare Paragraphenwie »Sammlung von (nicht der Geheimhaltung un-terliegenden) Nachrichten«, »staatsfeindliche Ver-bindungsaufnahme« oder »Herabwürdigung (staatli-cher Maßnahmen)«.

Die Internationale Anerkennung und ihre Folgenab 1971

Die Entspannungspolitik seit Ende der sechzigerJahre und die darauf folgende Welle internationalerAnerkennung der DDR hatte für die innere Situa-tion, gerade auch für die Respektierung der Men-schenrechte, deutliche Folgen. Zwar blieben alle

gesetzlichen Bestimmungen erhalten oder wurdensogar verschärft. Aber ihre Anwendung zum Zweckpolitischer Verfolgung, begann, nicht mehr nurnach dem Kriterium innenpolltischer Opportuni-[Seitenwechsel]tät entschieden zu werden. Wach-sende Bedeutung erhielt das aus Sicht der DDR-Füh-rung gravierende Problem des außenpolitischenImages. Hinzu kam, daß infolge der Aufnahme indie UN 1973 auch deren Erklärungen und Konven-tionen einen deutlich höheren Stellenwert bekamen.Die DDR-Führung und ihre Propaganda gerieten inArgumentationszwang, wenn ihr Verhalten mit denappellativen Forderungen der Allgemeinen Erklä-rung der Menschenrechte und noch mehr der ver-traglichen Bindung der Konvention über politischeRechte konfrontiert wurde.

Noch deutlicher wurde dieses Problem nach Un-terzeichnung der Helsinki-Schlußakte 1975. AmBeispiel der DDR läßt sich deren Wirkung plastischillustrieren, übrigens auch belegen, weshalb eine völ-kerrechtliche Verbindlichkeit der Schlußakte völligausgeschlossen war. Hauptsächlich berief sich aufdieses und die UN-Dokumente eine schnell wach-sende Zahl von Menschen, die Anträge auf Ausreisebzw. Übersiedlung in den Westen stellen wollten.Dafür gab es weder Behörden noch Verfahren. DiePartei versuchte, sich auf zwei Wegen dieses Phä-nomens zu erwehren: Sie erklärte derlei Wünscheschlicht für illegal und verfolgte die Ausreisewilligenmit Arbeitsentlassungen und Verhaftungen, und sieberief sich auf die staatliche Souveränität, die der

DDR quasi beliebige staatliche Regelungen ermög-liche. Anders gesagt, sie erklärte mißliebige interna-tionale Verpflichtungen einfach für irrelevant.

Allerdings hatte sich die DDR mit der Schließungdes Ventils nach Westen wachsenden Druck im In-nern erkauft. Gleichzeitig hielt trotz partieller Sta-bilisierung nach dem Mauerbau die chronischeSchwäche der Wirtschaft, besonders ihre mangelndeExportfähigkeit, an. Deshalb versuchte sich dieSED dieser Probleme neben einer Reihe andererMaßnahmen ab 1964 damit zu erwehren, daß sie ei-nen staatlichen Menschenhandel mit der Bundes-regierung begann: Sie verkaufte politische Häftlinge– Republikflüchtige, Fluchthelfer und politischeGegner – an die Bundesrepublik. Diese Form der De-visenbeschaffung dehnte sich im Laufe der Zeitauch auf die schier unerschöpfliche Zahl der Ausrei-sewilligen aus. Preiskategorien entwickelten sich,abhängig von der Qualifikation der Freizukaufendenund der Höhe ihrer Strafen. Es bedarf wenig Phanta-sie für die Annahme, daß die Zahl der VerhaftungenAusreisewilliger und die Schwere der ihnen vorge-worfenen Verbrechen nicht zuletzt nach dem Devi-senbedarf der [Seitenwechsel] DDR reguliert wurden,zumal die Finanzierung auch durch private Geld-geber – Verwandte und Freunde – im Westen erfolg-te. Die Zahl Freigekaufter erreichte bis 1989 fünf-stellige Größenordnung. Über den Ertrag läßt sichnur spekulieren – eine dreistellige Millionenhöhewäre eine vorsichtige Vermutung.

Diesem Vorgehen widerspricht auch nur auf den

ersten Blick der Umstand, daß ebenfalls ab 1964 zu-nehmend Reisen von Rentnern in den Westen zu-gelassen wurden. Die stille Hoffnung der SED, daßein möglichst großer Teil von ihnen dort bleibenund so die Versorgung in der DDR gespart werdenkönne, erfüllte sich allerdings nur ungenügend. Ab-gesehen davon, daß auch Dienstreisen für ausge-wählte Personen immer möglich waren, eröffneteman in den letzten Jahren auch Berufstätigen dieMöglichkeit zu Verwandtenbesuchen im Westen. Danie ganze Familien und selten Alleinstehende reisendurften, hielt sich das Risiko ausbleibender Rück-kehr in Grenzen.

Reiseprobleme gab es nicht nur in Richtung We-sten. Die generell nötige Genehmigung von Aus-landsreisen in jedem Einzelfall wurde erst Anfangder siebziger Jahre und nur für Polen und die Tsche-choslowakei aufgehoben, im Fall Polen nach Auf-treten der Solidarnosc im Herbst 1980 wieder rück-gängig gemacht. Dieser Ablauf war typisch für dieAnfänge der Amtszeit Honeckers seit 1971. AufAnerkennung im In- und Ausland bedacht, versuch-te die SED vorsichtige Liberalisierungen an be-herrschbar scheinenden Punkten. So konnte sich inder Kultur- und Jugendpolitik zwischen 1971 und1975 ein relativ entspanntes und lebendiges Klimaentwickeln. Als sich die subversive Potenz dieserGebiete zeigte, nahm man die Öffnung zurück,spektakulär erkennbar an der Ausbürgerung WolfBiermanns 1976.

Das Ende der DDR

Diese Halbherzigkeit und Sprunghaftigkeit wiesenauf eine neue Erscheinung hin: Die SED begann, diegewohnte totale Kontrolle über die Gesellschaft zuverlieren. Das in Dogmen erstarrte, jeder Entwick-lungsdynamik verlustig gegangene und auch buch-stäblich vergreisende Herrschaftssystem verlor ra-sant an Glaubwürdigkeit und an Handlungsfähigkeit.Anfänge nicht nur einer kulturellen, sondern aucheiner unabhängigen politischen Subkultur waren ent-standen, die nach Einführung des Wehrkundeunter-[Seitenwechsel]richts 1978 und dem Beginn derNachrüstungsdebatte in eine breit gefächerte Frie-densbewegung unter dem Dach der protestantischenKirche mündeten. Deren Unterdrückung gelang derSED trotz erheblicher Bemühungen schon nichtmehr. Zwar hatte der jahrzehntelang intensiv be-triebene Aufbau eines jede Pore der Gesellschaftdurchdringenden Kontroll- und Abschreckungsappa-rats inzwischen bis dahin ungekannte – und außer-halb sozialistischer Länder unvorstellbare – Perfek-tion und Tiefenwirkung erreicht. Dafür hatten aberdie realen Gefahren oppositionellen Verhaltens ge-genüber der brutalen Verfolgung in den fünfziger undsechziger Jahren nachgelassen. Entscheidend für dasletztliche Scheitern des Kampfs der Partei gegen diebeginnende Opposition war jedoch zweierlei: Andersals früher gab es den Ausweg nach Westen nichtmehr, oppositionelles und Unzufriedenheits-Poten-tial blieb vor Ort. Und die internationale Entspan-

nung hatte außenpolltische Zwänge hervorgebracht,deren Bedeutung für einen Staat im Herzen Europaswie die DDR kaum überschätzt werden kann. Nichtzuletzt die moralische Instanz der internationalenMenschenrechtskonventionen erzeugte einen er-heblichen indirekten Druck, dem sich auch die SEDnicht völlig zu entziehen wagte.

Nachdem – neben den hier nicht betrachtetenmassiven ökonomischen Schwierigkeiten – auchnoch die ideologische Grundlage der SED-Herrschaftmittels Glasnost und Perestroika aus der Sowjet-union selbst in Frage gestellt war, blieb es nur nocheine Frage der Zeit, bis das erodierte System DDR-Sozialismus sein Ende fand. Der Druck nach außen –die Ausreisewilligen – und der Druck von innen –die im Herbst 1989 ihre kurzzeitige Massenbasis imNeuen Forum findende Opposition – ließen dieMacht von Partei und MfS schließlich wie ein Kar-tenhaus zusammenfallen.

Menschenrechte von unten gesehen

Das Erbe der Vergangenheit und der Einfluß derBundesrepublik

Die Bevölkerung der DDR – anfangs nur die jünge-ren, die während des Faschismus großgeworden wa-ren, am Ende die gesamte – war ihr ganzes bewußtesLeben lang ohne praktische Erfahrun-[Seitenwech-sel]gen mit der Ausübung politischer Rechte und de-mokratischer Spielregeln geblieben. Sie kannte nur

einen allmächtigen Staat, der keinen Widerspruchund schon gar keinen Widerstand duldete. Die Men-schen waren es gewöhnt, keine Rechte zu, haben,sondern allenfalls Gnade erwiesen zu bekommen. Siewaren es gewöhnt, über gesellschaftliche Fragen we-der informiert noch nach ihrer Meinung gefragt zuwerden. Das Phänomen Information gab es in die-sem Sinne nicht, statt dessen wurden offizielle Mei-nungen geliefert, deren Hintergrund, Sinn und Reali-tätsgehalt ohne Belang blieben. Nichts war über-prüfbar, es sei denn durch den bloßen Augenscheindes Alltags – was allerdings oft genügte. Das Ergeb-nis war ein fast vollständiger Mangel an gesell-schaftlichem Bewußtsein, eine Art künstlicher Dau-erinfantilität. Der Verlust an buchstäblichem Selbst-bewußtsein und die dadurch verursachte Zerstörungder Gesellschaft als Akteur sind eine der drama-tischsten, zugleich dauerhaftesten und am schwer-sten zu verstehenden Folgen der Diktatur.

Wenn trotzdem – über das elementare Gerech-tigkeitsempfinden hinaus, das es natürlich immerund überall gibt – in der Bevölkerung Reste vondemokratischen Werten erhalten blieben, dann hatdas drei Gründe: Zum einen hatte die kurze Zeit derWeimarer Republik mit Meinungsvielfalt und Pres-sefreiheit offenbar ein demokratisches Grundgefühlerzeugt, das als Spurenelement in der Erinnerung derGesellschaft vorhanden blieb. In diesem Sinne kon-servative, meist christlich, seltener liberal geprägteWerte überdauerten nach zwölf Jahren DrittemReich auch vierzig Jahre DDR. Bedeutsamer war –

zum zweiten – der emanzipatorische Impuls, der ausder marxistischen Ideologie selbst in ihrer vulgari-sierten und pervertierten Form als Herrschaftsideo-logie noch erkennbar geblieben war. Nicht zufälligbewirkten Erscheinungen wie der »Prager Frühling«oder Glasnost und Perestroika eine sofortige Mobi-lisierung dieses Anspruchs, ein Aufleben von Hoff-nung in weiten Teilen der Bevölkerung.

Drittens und mit Abstand am wichtigsten aberwar der Einfluß des Westens und natürlich besondersder Bundesrepublik. Trotz drastischer Abgrenzungs-perioden, weit weniger Reisemöglichkeiten fürNicht-Rentner als vergleichbar die der Tschechen,Ungarn oder Polen, war die Bundesrepublik von An-fang an der natürliche tägliche Bezugspunkt derüberwältigenden Mehrheit der DDR-Bevölkerung.Nicht nur Verwandtenbesuche, sondern die all-[Sei-tenwechsel]abendliche »Emigration« zu ARD undZDF bewirkten, daß der normale DDR-Bürger dieBundesrepublik und die dortigen Zustände kannteoder zu kennen meinte. So unvollkommen diesesBild – wie auch die westdeutsche Realität – bleibenmußte, bildete es doch den Maßstab für vierzig JahreDDR. Daher wußte jeder nicht nur, was Wohlstandist, sondern kannte auch Wahlen und Reisefreiheit,Pressefreiheit und Pluralismus, erfuhr, was in derWelt und sogar, was in der DDR geschah. Das Infor-mationsmonopol der DDR – klares Ziel der SEDund Bedingung für ihre Machterhaltung – existiertenicht nur nicht für Privilegierte und besondersEngagierte, sondern de facto überhaupt nicht.

Flucht und Ausreise

Aus dem Umstand, daß Deutschland geteilt war, dieBundesrepublik auch die Bürger der DDR als ihreStaatsbürger ansah und diese zum großen Teil in derDDR zwar lebten, aus der Bundesrepublik aber ihreeigentlichen Orientierungen und Maßstäbe bezogen,resultiert die neben der alltäglichen Verweigerunghauptsächliche Reaktion auf die Zustände in derDDR: die Ausreise. Sie war ein spezifisches Problemder DDR, nicht vergleichbar mit zeitweiligen Wel-len politischer Emigration zum Beispiel aus Polennach 1981, aus Ungarn nach 1956 oder aus derTschechoslowakei nach 1968. Ausmaß und Bedeu-tung dieses Phänomens sind – zumindest im Europanach 1945 – einmalig. Nach vorsichtigen Schätzun-gen sind in den Jahren von 1949 bis 1989 minde-stens drei Millionen in den Westen gegangen, etwa90 Prozent davon bis zum Bau der Mauer. Das ent-spricht einem Anteil von etwa 18 Prozent der Ge-samtbevölkerung am Ende der DDR. Wenn man be-rücksichtigt, daß seit dem Bau der Mauer 1961 biszum Beginn der legalisierten, aber extrem restriktivgehandhabten Ausreisemöglichkeit 1975 mit Aus-nahme der vom Tode bedrohten Flucht über dieMauer praktisch keine Ausreisemöglichkeit bestandund dann nur ein Bruchteil der Anträge genehmigtwurde, kann man darüber hinaus auf eine ganzerheblich größere Zahl von Ausreisewünschenschließen.

Nachdem zu Anfang einen Großteil der Flüchtlin-

ge enteignete Kleinunternehmer, Handwerker undBauern sowie andere von politischer Verfolgungwährend der frühen Phase der sozialistischen Um-gestaltung unmittelbar Bedrohte bildeten, veränder-te [Seitenwechsel] sich seit den sechziger Jahren mitder fortschreitenden »Entfaltung der sozialistischenGesellschaft« auch die Motivlage der Ausreisewilli-gen. In den letzten zwanzig Jahren der DDR rekru-tierte sie sich aus jenen, denen DDR und Sozialismusegal waren, weil sie jede Hoffnung auf Veränderungaufgegeben hatten. Sie formulierten per Antrag, aufDemonstrationen und bisweilen in verzweifeltenAktionen die Forderung nach Reisefreiheit. DieseForderung war die Metapher für weit mehr: dasRecht auf Entwicklung, auf Entfaltung der Persön-lichkeit, auf Bewegungs-, Meinungs- und Entschei-dungsfreiheit. Natürlich spielten auch die Konsum-Verlockungen der Bundesrepublik und die rechtlichproblemlose Integration in die dortige Gesellschafteine Rolle. Aber nicht Hunger oder Arbeitslosigkeitmachten die DDR zum größten AuswanderungslandEuropas nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern dieUnterdrückung der Menschenrechte in einem wohl-habenden Wohlfahrtsstaat unmittelbar an der Gren-ze zum Westen. Am Ende war der Druck so groß ge-worden, daß die Suche nach dem Weg aus der DDRnahezu panische Dimensionen erreichte.

Die Menschenrechtsopposition der achtzigerJahre

Aber es gab auch die – vergleichsweise winzige –Gruppe jener, die sich selbst mit wachsendem Be-wußtsein als Opposition verstanden. Im Unterschiedzu den »Antragstellern« wollten sie nicht ihren Ortwechseln, sondern ihn verändern. Ihr Konsens un-tereinander, unabhängig von jeweiligen inhaltlichenSchwerpunkten – Ökologie, Frauenrechte, Ab-rüstung, Wehrdienstverweigerung, Dritte Welt oderauch der wahre Sozialismus – und mit denen, die dasLand verlassen wollten, war die Forderung nach derGrundvoraussetzung jeden gesellschaftlichen Diskur-ses und damit jeder wirksamen Veränderung: derVerwirklichung der Menschenrechte. Jede der vielenkirchlichen oder unabhängigen Gruppen scheitertemit ihrem Thema sofort daran, daß es außerhalb derKirche keinerlei legale öffentliche Artikulations-und Diskussionsmöglichkeit gab, keinen legalen Zu-gang zu Informationen, keine Möglichkeit, sich le-gal zu organisieren.

Natürlich gab es im Laufe der DDR-Geschichteimmer Menschen, die sich ausdrücklich auf dieMenschenrechte beriefen und daraus Forderungenableiteten. Aber erst der Helsinki-Prozeß rückte denBegriff ins Zentrum politischer Auseinandersetzung,[Seitenwechsel] verstärkt noch durch das Beispielder Charta 77 in der Tschechoslowakei und die öf-fentliche Schwerpunktsetzung des amerikanischenPräsidenten Carter in der zweiten Hälfte der sieb-

ziger Jahre. Aus der Friedensbewegung in der DDRgingen Mitte der achtziger Jahre auch Anfänge ei-ner Menschenrechtsbewegung in Gestalt einer Reihevon Gruppen in verschiedenen Orten hervor. Ge-nannt seien die »Arbeitsgruppe Menschenrechte«,gegründet 1987 in Leipzig, und die Berliner Grup-pen »Initiative Absage an Praxis und Prinzip derAbgrenzung«, entstanden ebenfalls 1987, und »Ini-tiative Frieden und Menschenrechte«, gegründet1986. Die Menschenrechtsgruppen trugen trotz ih-rer geringen Zahl – das MfS zählte 1988 DDR-weitzehn Gruppen – erheblich zur Politisierung derOpposition und zur Bildung der Bürgerbewegungen1989 bis hin zur späteren Gründung des Bündnis 90bei.

Exemplarisch für diese Orientierung ist die Ini-tiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Ent-standen in Reaktion auf die Anpassung der Amtskir-che an die staatliche Politik, formulierte sie ihrePrämissen: Frieden und Menschenrechte sind un-trennbar verbunden. Zum Frieden gehört auch derinnerstaatliche, der ohne Garantie der Menschen-rechte nicht möglich ist. Deshalb müssen demokra-tische Rechte gefordert werden, gleichgültig, ob ihreWahrnehmung Sozialismus zur Folge hat oder nicht.Solange diese Rechte nicht legal sind, gilt das Prin-zip der Legitimität – sie wahrzunehmen heißt, legi-tim zu handeln. Nach diesen Prämissen agierten dieMitglieder der IFM, mit dem Erfolg, daß einige vonihnen Anfang 1988 verhaftet und in den Westenzwangsexiliert wurden. Aber ihre öffentlichen Ak-

tionen und nicht zuletzt ihre Publikationen, darun-ter die Zeitschrift »Grenzfall«, erzielten unter dengegebenen Bedingungen Wirkungen, die weit überdie oppositionellen Kreise hinausgingen.

Am prägnantesten formuliert sind die Erkennt-nisse und Vorstellungen der Menschenrechts-Oppo-sition der DDR in den Entwürfen einer Verfassungfür die DDR und das vereinigte Deutschland, die amRunden Tisch Anfang 1990 und einer nachfolgen-den gesamtdeutschen Initiative bis zum Herbst 1990entstanden sind. Hier ist der Versuch gemacht wor-den, aus der Geschichte erlebter Diktatur und denErfahrungen der westdeutschen Demokratie ein Re-sümee zu ziehen, das sich vorrangig an der Garantieder Menschenrechte als Voraussetzung für eine le-bendige Zivilgesellschaft orientiert. Diese Entwürfekönnen ge-[Seitenwechsel]trost als die in diesemSinne modernsten Konzepte demokratischer Gesell-schaften betrachtet werden – so modern, daß sie so-wohl von der Volkskammer der DDR als auch vomDeutschen Bundestag abgelehnt wurden.

Das Menschenrechtsverständnis der SED

In der Theorie hat die SED von Anfang an das klas-sisch marxistische – also kritische – Verhältnis zureinseitigen Betonung der politischen und bürgerli-chen Rechte im Menschenrechtsbegriff der westli-chen Philosophie und politischen Theorie vertre-ten. Nur der Kommunismus bzw. der Übergang zuihm, also der Sozialismus, könnten mittels Besei-

tigung der Ausbeutung die freie Entfaltung des Men-schen und damit die Respektierung aller, also auchder sozialen Menschenrechte ermöglichen. Hinzukam, besonders in der Auseinandersetzung mit so-zialdemokratischen Traditionen, die These, daß Re-volution und Diktatur des Proletariats legitime undnotwendige Mittel zum Erreichen dieses Ziels seien.Demzufolge sei das Beharren auf gleichen individu-ellen Rechten unvereinbar mit den »gesellschaftli-chen Notwendigkeiten«. Damit war die Anwendungjeden geeigneten Mittels legitimiert, um die Herr-schaft der Arbeiterklasse und ihrer führenden Kraft,der Partei, durchzusetzen und zu erhalten. Denn nurso könne »sozialistisches Menschenrecht« erreichtwerden.

Die nach der Revolution von 1917 entwickelteund auch für den real existierenden Sozialismus derDDR gültige Fortsetzung lautete: Da der »inter-nationale Klassenkampf« auch nach dem »Sieg desSozialismus« in einzelnen Ländern nicht zu Endesei, bestünde nach wie vor die Notwendigkeit, die»Errungenschaften des Sozialismus« gegen seine in-und ausländischen Gegner zu verteidigen. Zudemwürden in vielen Teilen der Dritten Welt »nationa-le Befreiungskämpfe« geführt, und der »sozialisti-sche Internationalismus« verpflichte die DDR zumBeistand. Auch hier war das Argumentationsmusterdas gleiche: Kolonialistische oder imperialistischeUnterdrückung verstoße gegen die Menschenrechte,ihre Überwindung sei nur durch Gewalt und die Er-richtung einer sozialistischen Gesellschaft erreich-

bar. Beispiele wie Allendes Sturz in Chile 1973 wur-den als Beleg für die Reformunfähigkeit des Kapita-lismus herangezogen. [Seitenwechsel]

Die Entwicklung des DDR-offiziellen Menschen-rechtsbegriffs war am Ende der sechziger Jahre zueinem Abschluß gekommen, der – z. B. in Gestaltder Verfassung von 1968 – auch die Definition dersozialistischen Demokratie beeinflußte. Dieses Ver-ständnis der Menschenrechte hatte seine erste Pro-be in der Auseinandersetzung mit dem »demokrati-schen Sozialismus« des Prager Frühlings zu beste-hen, später gegenüber dem westeuropäischen Euro-kommunismus. In den Folgejahren wurde es –hauptsächlich von dem Rechtsphilosophen Her-mann Klenner – weiterentwickelt. Klenner vertratdiese Position auch in der UN-Delegation der DDRund im DDR-Komitee für Menschenrechte. Gegen-über westlichen Kritiken an der Menschenrechts-politik der DDR wandte man darüber hinaus das in-ternational übliche Argument an, sich unter Beru-fung auf die staatliche Souveränität gegen Einmi-schung in innere Angelegenheiten zu verwahren.

Es ist nicht zu bestreiten, daß die Behandlung dersozialen Seite der Menschenrechte in der DDR er-folgreich war. Es gab weder Arbeitslosigkeit nochObdachlosigkeit im westlichen Sinn. Soziale Sicher-heit war garantiert und in der Bevölkerung ver-innerlicht. Ihr Verlust gehört zu den gravierendstenErfahrungen der Ostdeutschen nach der deutschenVereinigung. Das – vorsichtig formuliert – taktischeVerhältnis der SED zu den politischen Rechten je-

doch war eine der wesentlichen Ursachen für dasScheitern der DDR und des sozialistischen Gesell-schaftsmodells insgesamt. Die Vorenthaltung ele-mentarer individueller Rechte und die Bekämpfungpraktisch jeder authentischen Artikulation, die auchnur im weitesten Sinn als politisch verstanden wer-den kann, beraubten die DDR aller gesellschaft-lichen Triebkräfte. Ohne gesellschaftliches Korrek-tiv wurde der Staat DDR mitsamt den ihn Beherr-schenden zu einem realitätsfremden Phantom, dasdie in ihm lebenden Menschen und ihre Bedürfnissenicht mehr zu reflektieren, geschweige denn zu re-präsentieren imstande war. Schließlich entledigtendie Menschen sich dieses nutzlosen und schädlichenGebildes. Das Ende der DDR beweist, daß die Re-spektierung der Menschenrechte lebensnotwendigist.