1.Die Zukunft Des Kapitalismus (8)_ Die Revolution Der Gebenden Hand - Kapitalismus - Feuillet On - FAZ

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  • 8/8/2019 1.Die Zukunft Des Kapitalismus (8)_ Die Revolution Der Gebenden Hand - Kapitalismus - Feuillet On - FAZ

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    AktuellFeuilletonDebattenKapitalismus

    Die Zukunft des Kapitalismus (8)

    Die Revolution der gebenden Hand

    Von Peter Sloterdijk

    Enteignung qua Einkommenssteuer: Peter Sloterdijk kritisiert den modernen Steuerstaat

    13. Juni 2009 Am Anfang aller konomischen Verhltnisse stehen, wenn man den Klassikernglauben darf, die Willkr und die Leichtglubigkeit. Rousseau hat hierber in dem berhmtenEinleitungssatz zum zweiten Teil seines Diskurses ber die Ungleichheit unter den Menschenvon 1755 das Ntige erklrt: Der erste, der ein Stck Land eingezunt hatte und es sicheinfallen lie zu sagen: Das gehrt mir!, und der Leute fand, die einfltig (simples) genug waren,ihm zu glauben, ist der wahre Grnder der brgerlichen Gesellschaft (socit civile).

    Demnach beginnt, was wir das Wirtschaftsleben nennen, mit der Fhigkeit, einenberzeugenden Zaun zu errichten und das eingehegte Terrain durch einen autoritativenSprechakt unter die Verfgungsgewalt des Zaun-Herrn zu stellen: Ceci est moi. Der ersteNehmer ist der erste Unternehmer - der erste Brger und der erste Dieb. Er wird unvermeidlichbegleitet vom ersten Notar. Damit so etwas wie berschusstrchtige Bodenbewirtschaftung inGang kommt, ist eine vorkonomische Tathandlung vorauszusetzen, die in nichts anderembesteht als der rohen Geste der Inbesitznahme. Diese muss aber durch eine nachtrglicheLegalisierung konsolidiert werden. Ohne die Zustimmung der Einfltigen, die an die Gltigkeitder ersten Nahme glauben, ist ein Besitzrecht auf Dauer nicht zu halten.

    Was als Besetzung beginnt, wird durch den Grundbucheintrag besiegelt - zuerst die Willkr,dann ihre Absegnung in rechtsfrmiger Anerkennung. Das Geheimnis der brgerlichenGesellschaft besteht folglich in der nachtrglichen Heiligung der gewaltsamen Initiative. Eskommt nur darauf an, als Erster da zu sein, wenn es um den anfnglichen Raub geht, aus dem

    spter der Rechtstitel wird. Wer hierbei zu spt kommt, den bestraft das Leben. Arm bleibt, wer

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    auf der falschen Seite des Zauns existiert. Den Armen erscheint die Welt als ein Ort, an dem dienehmende Hand der anderen sich schon alles angeeignet hat, bevor sie selber den Schauplatzbetraten.

    Willkrvoraussetzungen der konomie

    Der Rousseausche Mythos von der Entstehung der brgerlichen Gesellschaft aus der

    Landokkupation hat seine Wirkung bei den Lesern in der politischen Moderne nicht verfehlt.Marx war von dem Schema der ursprnglichen Einzunung so beeindruckt, dass er die ganzeFrhgeschichte des Kapitalismus, die sogenannte ursprngliche Akkumulation, auf dieverbrecherische Willkr einiger britischer Grogrundbesitzer zurckfhren wollte, die es sicheinfallen lieen, groe Flchen Landes einzuzunen und groe Herden wolletragenden Kapitalsdarauf weiden zu lassen - was naturgem ohne die Vertreibung der bisherigen Besitzer oderNutznieer des Bodens nicht geschehen konnte.

    Zum Thema

    Meinhard Miegel im Gesprch: 2015 - das Jahr der finalen KriseDie Zukunft des Kapitalismus (5): Die nchste Blase schwillt schon anDie Zukunft des Kapitalismus (6): Der Schaden der anderenDie Zukunft des Kapitalismus (4): Die Firma ist eine ZumutungDie Zukunft des Kapitalismus (3): Martin Walser

    Wenn Marx seine Theorie der kapitalgetriebenen Wirtschaftsweise fortan in der Form einerKritik der politischen konomie entwickelte, so auf Grund des von Rousseau inspiriertenVerdachts, dass alle konomie auf vorkonomischen Willkrvoraussetzungen beruhe - aufebenjenen gewalttrchtigen Einzunungsinitiativen, aus denen, ber viele Zwischenschritte, dieaktuelle Eigentumsordnung der brgerlichen Gesellschaft hervorgegangen sei. Die erstenInitiativen der beati possidentes kommen ursprnglichen Verbrechen gleich - sie sind nicht

    weniger als Wiederholungen der Erbsnde auf dem Gebiet der Besitzverhltnisse. DerSndenfall geschieht, sobald der Privatbesitz aus dem Gemeinsamen ausgegrenzt wird. Erzeugt sich fort in jedem spteren konomischen Akt.

    Wiedergutmachung anfnglichen Unrechts

    In solchen Anschauungen grndet der fr den Marxismus, aber nicht nur fr diesen,charakteristische moderne Habitus der Respektlosigkeit vor dem geltenden Recht, insbesonderedem brgerlichsten der Rechte, dem Recht auf die Unverletzlichkeit des Eigentums. Respektloswird, wer das Bestehende als Resultat eines initialen Unrechts zu durchschauen glaubt. Weildas Eigentum, dieser Betrachtung gem, auf einen ursprnglichen Diebstahl am diffusenGemeinbesitz zurckgefhrt wird, sollen die Eigentmer von heute sich darauf gefasst machen,dass eines Tages die Korrektur der gewachsenen Verhltnisse auf die politische Agenda gesetztwird. Dieser Tag bricht an, wenn die Einfltigen von einst aufhren, bloe simples zu sein. Dannerinnern sie sich an das Verbrechen, das von den Errichtern der ersten Zune begangenwurde. Von einem erleuchteten revolutionren Elan erfllt, raffen sie sich dazu auf, diebestehenden Zune abzureien.

    Von da an muss Politik Entschdigung fr die Nachteile bieten, die von den meisten bei derfrhen Verteilung hinzunehmen waren: Es gilt jetzt, fr das Allgemeine zu reklamieren, was vonden ersten privaten Nehmern angeeignet wurde. Auf dem Grund jeder revolutionrenRespektlosigkeit findet man die berzeugung, dass das Frher-Dagewesensein der jetzigenrechtmigen Besitzer letztlich nichts bedeutet. Von der Respektlosigkeit zur Enteignung ist es

    nur ein Schritt. Alle Avantgarden verknden, man msse mit der Aufteilung der Welt von vornbeginnen.

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    Als solches macht es gegenwrtig erneut die Runde. Es steht fr die Fortsetzung der feudalenSklaven- und Leibeigenenausbeutung mit den Mitteln der modernen oder bourgeoisenLohnempfngerausbeutung. Das ist es, was mit der These besagt war, die kapitalistischeWirtschaftsordnung werde durch den basalen Antagonismus von Kapital und Arbeit bewegt -eine These, die bei all ihrem suggestiven Pathos auf einer falschen Darstellung der Verhltnisseberuhte: Das Movens der modernen Wirtschaftsweise ist nmlich keineswegs im Gegenspiel vonKapital und Arbeit zu suchen. Vielmehr verbirgt es sich in der antagonistischen Liaison vonGlubigern und Schuldnern. Es ist die Sorge um die Rckzahlung von Krediten, die dasmoderne Wirtschaften von Anfang an vorantreibt - und angesichts dieser Sorge stehen Kapitalund Arbeit auf derselben Seite.

    Immerhin, in diesen Finanzkrisentagen erfhrt man es schon aus den Boulevardzeitungen: DerKredit ist die Seele jedes Betriebs, und die Lhne sind zunchst und zumeist von geliehenemGeld zu bezahlen - und nur bei Erfolg auch aus Gewinnen. Das Profitstreben ist einEpiphnomen des Schuldendienstes, und die faustische Unruhe des ewig getriebenenUnternehmers ist der psychische Reflex des Zinsenstresses.

    Kapitalismus und Staat

    Gleichwohl, die Unterstellung, Kapital sei nur ein Pseudonym fr eine unersttliche ruberischeEnergie, lebt weiter bis in Brechts Sottise, wonach der berfall auf eine Bank nichts bedeute imVergleich mit der Grndung einer Bank. Wohin man auch sieht: In den Analysen der klassischenLinken scheint der Diebstahl an der Macht, wie seris er auch kaschiert sein mag und wievterlich sich manche Unternehmer auch fr ihre Mitarbeiter einsetzen. Was den brgerlichenStaat angeht, kann er diesen Annahmen gem nicht viel mehr sein als ein Syndikat zumSchutz der allzu bekannten herrschenden Interessen.

    Es wrde sich an dieser Stelle nicht lohnen, die Irrtmer und Missverstndnisse aufzuzhlen, dieder abenteuerlichen Fehlkonstruktion des Prinzips Eigentum auf der von Rousseau ber Marxbis zu Lenin fhrenden Linie innewohnen. Der Letztgenannte hat vorgefhrt, was geschieht,

    wenn man die Formel von der Expropriation der Expropriateure aus der Sphre sektiererischerTraktate in die des Staatsparteiterrors bersetzt. Ihm verdankt man die unberholte Einsicht,dass die Schicksale des Kapitalismus wie die seines vermeintlichen Gegenspielers, desSozialismus, untrennbar sind von der Ausgestaltung des modernen Staates.

    Das geldsaugende Ungeheuer

    Tatschlich muss man auf den zeitgenssischen Staat blicken, wenn man die Aktivitten dernehmenden Hand auf dem neuesten Stand der Kunst erfassen will. Um die unerhrteAufblhung der Staatlichkeit in der gegenwrtigen Welt zu ermessen, ist es ntzlich, sich an diehistorische Verwandtschaft zwischen dem frhen Liberalismus und dem anfnglichen

    Anarchismus zu erinnern. Beide Bewegungen wurden von der trgerischen Annahme animiert,man gehe auf eine ra geschwchter Staatswesen zu. Whrend der Liberalismus nach demMinimalstaat strebte, der seine Brger nahezu unfhlbar regiert und sie bei ihren Geschften inRuhe lsst, setzte der Anarchismus sogar die Forderung nach dem vollstndigen Absterben desStaates auf die Tagesordnung.

    In beiden Postulaten lebte die fr das neunzehnte Jahrhundert und sein systemblindes Denkentypische Erwartung, die Ausplnderung des Menschen durch den Menschen werde inabsehbarer Zeit an ein Ende kommen: im ersten Fall durch die berfllige Entmachtung derunproduktiven Aussaugungsmchte Adel und Klerus; im zweiten durch die Auflsung derherkmmlichen sozialen Klassen in entfremdungsfreie kleine Zirkel, die selber konsumierenwollten, was sie selber erzeugten.

    Die Erfahrung des zwanzigsten Jahrhunderts hat gezeigt, dass Liberalismus wie Anarchismus

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    die Logik des Systems gegen sich hatten. Wer eine gltige Sicht auf die Ttigkeiten dernehmenden Hand htte entwickeln wollen, htte vor allem die grte Nehmermacht dermodernen Welt ins Auge fassen mssen, den aktualisierten Steuerstaat, der sich auch mehr undmehr zum Schuldenstaat entwickeln sollte. Anstze hierzu finden sich de facto vorwiegend inden liberalen Traditionen. In ihnen hat man mit beunruhigter Aufmerksamkeit notiert, wie sich dermoderne Staat binnen eines Jahrhunderts zu einem geldsaugenden und geldspeiendenUngeheuer von beispiellosen Dimensionen ausformte.

    Enteignung per Einkommenssteuer

    Dies gelang ihm vor allem mittels einer fabelhaften Ausweitung der Besteuerungszone, nichtzuletzt durch die Einfhrung der progressiven Einkommensteuer, die in der Sache nicht wenigerbedeutet als ein funktionales quivalent zur sozialistischen Enteignung, mit dembemerkenswerten Vorzug, dass sich die Prozedur Jahr fr Jahr wiederholen lsst - zumindestbei jenen, die an der Schrpfung des letzten Jahres nicht zugrunde gingen. Um das Phnomender heutigen Steuerduldsamkeit bei den Wohlhabenden zu wrdigen, sollte man vielleicht daranerinnern, dass Queen Victoria bei der erstmaligen Erhebung einer Einkommensteuer in Englandin Hhe von fnf Prozent sich darber Gedanken machte, ob man hiermit nicht die Grenze des

    Zumutbaren berschritten habe. Inzwischen hat man sich lngst an Zustnde gewhnt, in deneneine Handvoll Leistungstrger gelassen mehr als die Hlfte des nationalenEinkommensteuerbudgets bestreitet.

    Zusammen mit einer bunten Liste an Schpfungen und Schrpfungen, die berwiegend denKonsum betreffen, ergibt das einen phnomenalen Befund: Voll ausgebaute Steuerstaatenreklamieren jedes Jahr die Hlfte aller Wirtschaftserfolge ihrer produktiven Schichten fr denFiskus, ohne dass die Betroffenen zu der plausibelsten Reaktion darauf, dem antifiskalischenBrgerkrieg, ihre Zuflucht nehmen. Dies ist ein politisches Dressurergebnis, das jedenFinanzminister des Absolutismus vor Neid htte erblassen lassen.

    Kleptokratie des Staates

    Angesichts der bezeichneten Verhltnisse ist leicht zu erkennen, warum die Frage, ob derKapitalismus noch eine Zukunft habe, falsch gestellt ist. Wir leben gegenwrtig ja keineswegsim Kapitalismus - wie eine so gedankenlose wie hysterische Rhetorik neuerdings wiedersuggeriert -, sondern in einer Ordnung der Dinge, die man cum grano salis als einenmassenmedial animierten, steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus aufeigentumswirtschaftlicher Grundlage definieren muss. Offiziell heit das schamhaft SozialeMarktwirtschaft. Was freilich die Aktivitten der nehmenden Hand angeht, so haben sich dieseseit ihrer Monopolisierung beim nationalen und regionalen Fiskus berwiegend in den Dienst vonGemeinschaftsaufgaben gestellt. Sie widmen sich den sisyphushaften Arbeiten, die aus denForderungen nach sozialer Gerechtigkeit entspringen. Allesamt beruhen sie auf der Einsicht:

    Wer viel nehmen will, muss viel begnstigen.

    So ist aus der selbstischen und direkten Ausbeutung feudaler Zeiten in der Moderne einebeinahe selbstlose, rechtlich gezgelte Staats-Kleptokratie geworden. Ein modernerFinanzminister ist ein Robin Hood, der den Eid auf die Verfassung geleistet hat. Das Nehmen mitgutem Gewissen, das die ffentliche Hand bezeichnet, rechtfertigt sich, idealtypisch wiepragmatisch, durch seine unverkennbare Ntzlichkeit fr den sozialen Frieden - um von denbrigen Leistungen des nehmend-gebenden Staats nicht zu reden. Der Korruptionsfaktor hltsich dabei zumeist in migen Grenzen, trotz anderslautenden Hinweisen aus Kln undMnchen. Wer die Gegenprobe zu den hiesigen Zustnden machen mchte, braucht sich nur andie Verhltnisse im postkommunistischen Russland zu erinnern, wo ein Mann ohne Herkunft wie

    Wladimir Putin sich binnen weniger Dienstjahre an der Spitze des Staates ein Privatvermgenvon mehr als zwanzig Milliarden Dollar zusammenstehlen konnte.

  • 8/8/2019 1.Die Zukunft Des Kapitalismus (8)_ Die Revolution Der Gebenden Hand - Kapitalismus - Feuillet On - FAZ

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    Umgekehrte Ausbeutung

    Den liberalen Beobachtern des nehmenden Ungeheuers, auf dessen Rcken das aktuelleSystem der Daseinsvorsorge reitet, kommt das Verdienst zu, auf die Gefhrdungen aufmerksamgemacht zu haben, die den gegebenen Verhltnissen innewohnen. Es sind dies dieberregulierung, die dem unternehmerischen Elan zu enge Grenzen setzt, dieberbesteuerung, die den Erfolg bestraft, und die berschuldung, die den Ernst der

    Haushaltung mit spekulativer Frivolitt durchsetzt - im Privaten nicht anders als im ffentlichen.

    Autoren liberaler Tendenz waren es auch, die zuerst darauf hinwiesen, dass den heutigenBedingungen eine Tendenz zur Ausbeutungsumkehrung innewohnt: Lebten im konomischenAltertum die Reichen unmissverstndlich und unmittelbar auf Kosten der Armen, so kann es inder konomischen Moderne dahin kommen, dass die Unproduktiven mittelbar auf Kosten derProduktiven leben - und dies zudem auf missverstndliche Weise, nmlich so, dass sie gesagtbekommen und glauben, man tue ihnen unrecht und man schulde ihnen mehr.

    Verschuldete Zukunft

    Tatschlich besteht derzeit gut die Hlfte jeder Population moderner Nationen aus Beziehern vonNull-Einkommen oder niederen Einknften, die von Abgaben befreit sind und deren Subsistenzweitgehend von den Leistungen der steueraktiven Hlfte abhngt. Sollten sich Wahrnehmungendieser Art verbreiten und radikalisieren, knnte es im Lauf des einundzwanzigsten Jahrhundertszu Desolidarisierungen groen Stils kommen. Sie wren die Folge davon, dass die nur allzuplausible liberale These von der Ausbeutung der Produktiven durch die Unproduktiven der lngstviel weniger plausiblen linken These von der Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital den Rangabluft. Das zge postdemokratische Konsequenzen nach sich, deren Ausmalung man sich zurStunde lieber erspart.

    Die grte Gefahr fr die Zukunft des Systems geht gegenwrtig von der Schuldenpolitik derkeynesianisch vergifteten Staaten aus. Sie steuert so diskret wie unvermeidlich auf eine

    Situation zu, in der die Schuldner ihre Glubiger wieder einmal enteignen werden - wie schon sooft in der Geschichte der Schrpfungen, von den Tagen der Pharaonen bis zu denWhrungsreformen des zwanzigsten Jahrhunderts. Neu ist an den aktuellen Phnomenen vorallem die pantagruelische Dimension der ffentlichen Schulden. Ob Abschreibung, ob Insolvenz,ob Whrungsreform, ob Inflation - die nchsten Groenteignungen sind unterwegs. Schon jetztist klar, unter welchem Arbeitstitel das Drehbuch der Zukunft steht: Die Ausplnderung derZukunft durch die Gegenwart. Die nehmende Hand greift nun sogar ins Leben der kommendenGenerationen voraus - die Respektlosigkeit erfasst auch die natrlichen Lebensgrundlagen unddie Folge der Generationen.

    Die einzige Macht, die der Plnderung der Zukunft Widerstand leisten knnte, htte eine

    sozialpsychologische Neuerfindung der Gesellschaft zur Voraussetzung. Sie wre nichtweniger als eine Revolution der gebenden Hand. Sie fhrte zur Abschaffung der Zwangssteuernund zu deren Umwandlung in Geschenke an die Allgemeinheit - ohne dass der ffentlicheBereich deswegen verarmen msste. Diese thymotische Umwlzung htte zu zeigen, dass indem ewigen Widerstreit zwischen Gier und Stolz zuweilen auch der Letztere die Oberhandgewinnen kann.

    Peter Sloterdijk ist Rektor der Staatlichen Hochschule fr Gestaltung in Karlsruhe und lehrt dortPhilosophie und sthetik. Von ihm erschien zuletzt Du musst dein Leben ndern: berAnthropotechnik (2009).

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    Text: F.A.Z.Bildmaterial: Jacqueline Godany

    Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2009.

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