22
DAM PREIS FÜR ARCHITEKTUR IN DEUTSCHLAND DAM AWARD FOR ARCHITECTURE IN GERMANY 20 |12

20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

DAM PREIS FÜR ARCHITEKTUR

IN DEUTSCHLAND

DAM AWARD FOR ARCHITECTURE

IN GERMANY

20 |12

Page 2: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Treppenhalle | Staircase Hall

Page 3: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,
Page 4: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,
Page 5: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

PETER CACHOLA SCHMAL

Diener & Diener haben einen neuen Klassiker für den Umgang mit dem Bestand geschaffen, wie schon Hans Döllgast vor 54 Jahren mit dem Wiederaufbau der Alten Pinakothek in München. Diener & Diener have created a

new classic in the treatment

of existing buildings, just like

Hans Döllgast did 54 years ago

with the reconstruction of the

Alte Pinakothek in Munich.

Fassadenausschnitt mit Einschusslöchern in der Sockelzone | Façade excerpt

with bullet holes in base zone

Ostfassade | East façade

Vorhergehende Seite: Wiederaufbau Ostfl ügel, Gesamtansicht mit ablesbarer

Nahtstelle zwischen Ziegel- und Betonrekonstruktion

Previous page: Reconstruction of East Wing, general view with readable seam bet-

ween brick and concrete reconstruction

Ostfassade | East façade

Fassadenausschnitt mit ablesbarer Nahtstelle zwischen Ziegel- und

Beton rekonstruktion | Façade excerpt with readable seam between brick and

concrete reconstruction

5

Page 6: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Ruine des Ostfl ügels, 2006 | Ruined East Wing, 2006

CORINNA SEIDE

Behutsamer lässt sich kaum eine Lücke schließen: Mit dem Ostfl ügel des Naturkundemuseums gelang eine wunderbare Rekonstruktion – modern und geschichtsbewusst zugleich. A gap could hardly be closed with greater sensitivity:

the East Wing of the Natural History Museum represents

a wonderfully successful reconstruction – at once modern

and fully aware of its history.

6

Page 7: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Montage eines Betonfertigteils

Mounting of a prefabricated concrete part

Fassadenausschnitt mit eingebautem Betonfertigteil

Façade excerpt with installed prefabricated concrete part

MICHAEL MARTEN

Ein in der Stadt verstecktes Puzzleteil – ein Kammerstück der Architektur. A puzzle piece hidden in the

city – and a chamber piece

of architecture.

7

Page 8: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

KRISTIEN RING

Das zuvor Bestehende fest im Blick, hat das Architekturbüro Diener & Diener eine Vision des Hier und Jetzt sowie des Zukünftigen entwickelt. By looking to the former and previously existing,

Diener & Diener Architects have developed a vision

for the here and now, as well as for the future.

ALEXANDER SCHWARZ

Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue, welches das verlorene Alte ersetzt, wird die Spur des Alten gegossen. Die Fassade bedeutet sich selbst und ist doch nicht, was sie bedeutet. An optical illusion of time and material. The trace

of the old is poured into the new, which replaces

what has been lost. The façade signifi es itself and

yet is not what it signifi es.

8

Page 9: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Ostfl ügel hofseitig | East Wing from courtyard

GIULIA ANDI

Zwischen dem Alten und dem Neuen gibt es immer Unterschiede. Hier ist diese Dichotomie subtil vereint worden, so dass die Identität des Bauwerks über die Zeiten hinweg bewahrt wurde. There are always

incompatible differences

between the old and

the new. Here this

apparent dichotomy is

transformed into a subtle

unity, preserving the

identity to the building

simultaneously of past

and present.

9

Page 10: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Neu eingerichtete „Nass-Sammlung“, öffentlicher Bereich

Newly installed “Wet Collections”, public area

Neues Glas-Treppengeländer mit Lederhandlauf vor der historischen

Brüstung | New glass stair balustrades with leather handrail in front of

historic parapet

SANDRA DANICKE

Es klingt wie ein Widerspruch, doch die Rekonstruktion wirkt auf radikale Weise subtil und auf subtile Weise radikal. Entstanden ist ein Bau, der den Eindruck von Geschlossenheit vermittelt, ohne seine historischen Wunden zu verleugnen.It may sound like a contradiction, but the

reconstruction is subtle in a radical way and

radical in a subtle way. A building has been

created that conveys the impression of

fi nality without denying its historical scars.

10

Page 11: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Haupthalle des Museums, denkmalgerecht saniert

Main hall of the museum, restored in accordance with monument preservation guidelines

Neu eingerichteter Forschungsbereich, nicht öffentlicher Teil

Newly installed research area, non-public section

ANNEKE BOKERN

Hier wird gezeigt, dass Rekonstruktion mit Abstraktion einhergehen kann. Es ist ein durch und durch zeitgenössischer Bau entstanden, der seinen Kontext nicht negiert, sondern ihn um eine Bedeutungsebene erweitert. Here it is shown that reconstruction can go

hand-in-hand with abstraction. A completely

contemporary building has been created,

which does not negate its context, but rather

adds to it another layer of meaning.

11

Page 12: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

ARCHITEKTEN | ARCHITECTS

Diener & Diener ArchitektenRosenthalerstraße 40/41

10178 Berlinwww.dienerdiener.ch

Diener & Diener ArchitektenHenric Petri-Strasse 22

4010 Baselwww.dienerdiener.ch

WETTBEWERB UND ENTWURF COMPETITION AND SCHEMATIC

DESIGN

Diener & Diener Architekten

HAUSTECHNIK | M & E ENGINEERS

Dr. Ing. Bernd Kriegel Ingenieure GmbH, Berlin

BAUHERR | CLIENT

Humboldt-Universität zu Berlin

AUSFÜHRUNGSPLANUNG EXECUTION PLANNING

Diener & Diener Architekten

BAULEITUNG / PROJEKT-STEUERUNG | SITE MANAGEMENT /

PROJECT GUIDANCE

Bauleitung | site management

Busse & Partner Projektsteuerer Architekten Ingenieure, Berlin

Projektsteuerung | project guidance

eins bis neun gesellschaft von architekten und ingenieuren mbh,

Berlin

TRAGWERK | STRUCTURE

Hildebrandt und Sieber GmbH, Ingenieurbüro für Tragwerks-

planung, Berlin

ARCHITEKT | ARCHITECT

DIENER & DIENER ARCHITEKTENGEBÄUDE | BUILDING

MUSEUM FÜR NATURKUNDE BERLIN

TEXT PETER CACHOLA SCHMAL

AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR EXHIBITION ARCHITECTURE

Diener & Diener Architekten

LICHTPLANUNG VITRINE LIGHTING CONSULTANT SHOWCASE

Kress & Adams – Atelier für Tages- und Kunstlichtplanung,

Köln | Cologne

KUNST AM BAU | ART

Erich Steinbrecher, Berlin / Zürich Titel der Arbeit | title of artwork

„Wiesengrafi k“

FERTIGSTELLUNG | COMPLETION

September 2010

STANDORT | LOCATION

Invalidenstraße 4310115 Berlin

www.naturkundemuseum-berlin.de

FOTOS | PHOTOS

Christian Richters, MünsterCarola Radke, BerlinStefan Müller, BerlinThomas Spier, Berlin

Lageplan | Site plan

Grundriss Erdgeschoss des Ostfl ügels mit „Nass-Sammlung“ | Floor plan

of ground fl oor of East Wing with “Wet Collections”

12

Page 13: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Berlin sollte für das Basler Architekturbüro Diener & Diener

nicht nur eine Zwischenstation mit temporärem Baubüro

werden. Noch vor der Fertigstellung der kantigen, kompromiss -

los in grauem Sichtbeton gehaltenen Erweiterung der Schweizer

Botschaft, 2001 im Spreebogen zwischen Kanzleramt und

Hauptbahnhof, hatte das Büro 1995 den Auftrag erhalten, das

„Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und

Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin“

umzubauen. Dieser Prozess sollte sich wegen Finanzierungs-

schwierigkeiten länger hinziehen, doch mit dem Ostfl ügel ist

nun der erste Bauabschnitt beendet und „Berlins letzte Kriegs-

ruine“ wiederhergestellt.

Dem Berliner – besonders Familien mit Kindern – sind der

bereits vor Jahren renovierte große Sauriersaal und vier weitere

Ausstellungshallen des Museums an der Invalidenstraße, direkt

neben dem Bundesbauministerium gelegen, bestens bekannt.

All dies ist das Werk von Diener & Diener, die sich jedoch demütig

hinter die Absicht stellten, eine Rekonstruktion des ursprüng-

lichen Raumeindrucks zu schaffen. Und der scheint eben nicht

wie Stülers Neues Museum farbenfroh geleuchtet, sondern

eine eher düstere, leicht bedrückend wirkende Farbpalette in

Ocker- und Erdtönen der 1890er-Jahre aufgewiesen zu haben.

Man muss den Architekten zugute halten, dass ihr Sauriersaal

eben nicht aussieht wie frisch restauriert, dass der Terrazzo-

boden sogar Patina ausstrahlt und die Glasscheiben mit ihren

fl irrenden Schlieren im Antikglas authentisch wirken. Man

könnte fast meinen, die Halle hätte den Zweiten Weltkrieg

unbeschadet überstanden. Doch stellt sich die Frage, ob man

jeden Originalzustand rekonstruieren muss, wenn der ursprüng -

liche Entwurf gestalterisch nicht vollkommen überzeugt? Edel

und elegant dagegen wirkt das zweite, höhere Geländer aus

Glas mit Lederhandlauf vor der historischen Brüstung der über-

dimensionierten Treppenanlagen. Die allerdings sind für Besu-

cher nur bedingt nutzbar. Die Obergeschosse nach dem öffent-

lichen ersten Stockwerk sind nur intern zugänglich.

Erst in der etwas versteckt im Ostfl ügel liegenden neuen

Nass-Sammlung spielen die Basler Architekten ihr ganzes

Können aus. Da für die über 270 000 Gläser mit den in Alkohol

eingelegten Tierpräparaten kein Tageslicht, sondern nur ein

gleichmäßiges Klima erforderlich war, benötigten die Räume

auch die früher vorhandenen Fenster nicht mehr. Das sechs

Meter hohe Schaulager ist daher eine geschlossene Kiste, die,

wie um den Schauder zu erhöhen, innenseitig sauerkirschrot

(„Caput mortuum“) gestrichen ist. Dort hineingestellt ist eine

von innen leuchtende, zweigeschossige Glasvitrine, bestückt

mit den Körpern der absurdesten Wesen. Um das außen im

Dunkel vorbeidefi lierende und sich freudig gruselnde Publikum

von den im Inneren im hellen Licht arbeitenden Forschern

aus Sicherheitsgründen zu separieren, werden beide nicht nur

räumlich durch die Scheiben, sondern auch zeitlich voneinander

getrennt, was sehr schade aber verständlich ist. Diese Insze-

nierung einer Schausammlung ist einzigartig und jeden Besuch

wert. Denn die Humboldsche Sammlung war jahrzehntelang

nur Forschern zugänglich. Berlins Bürger und Besucher haben

jetzt endlich die Gelegenheit, diese Schätze zu entdecken.

Über der Schausammlung folgen zwei weitere perfekt ausge-

stattete und klimatisierte, allerdings nicht öffentliche Sammlungs -

räume. In den obersten Geschossen herrscht Funktionalität vor:

Hinter schlichten Türen entlang heller, kahler Flure werden die

eigentlichen Präparate mit komplizierten Apparaten hergestellt.

Hier unterstreicht die Sachlichkeit der Architektur die Notwen-

digkeit, Abstand zum eigentlich grausigen Treiben zu wahren.

For the Basel architects Diener & Diener, Berlin would turn out to be

more than just a way station with a temporary offi ce. Long before they

put up, in 2001, their boxy, uncompromisingly grey exposed concrete

extension to the Swiss Embassy, at the bend of the River Spree

between the Kanzleramt (Federal Chancellery) and Hauptbahnhof

(Main Station), the offi ce had received the commission in 1995 to

restore the “Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions-

und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin”

(Natural History Museum – Leibniz Institute for Research into

Evolution and Biodiversity at Berlin Humboldt University). Due to

fi nancing diffi culties, this job would prove to be a long-drawn-out

process, but now the fi rst building phase, the new East Wing, is

complete, and “Berlin’s last war ruin” has at last been restored to its

former glory.

Berliners – particularly families with children – are quite familiar

already with the great World of Dinosaurs that was renovated several

years ago along with four additional exhibition halls at the Natural

History Museum, which is located on Invalidenstraße directly adjacent

to the Federal Ministry of Transport, Building and Urban Development.

All of this is the work of Diener & Diener, who however claimed only

the humble intention to reconstruct the original impression made by

the spaces. Indeed, back in the 1890s those interiors seem not to have

been awash in brilliant colours like Stüler’s Neues Museum, but rather

to have exhibited a slightly oppressive palette of ochre and earth

tones. The architects must be given credit for the fact that the World

of Dinosaurs does not look freshly restored, that the terrazzo fl oor

even exudes patina, and the antique glass panes with their shimmer -

ing streakiness make an authentic impression. One would almost think

the hall had survived the Second World War unscathed. But then

the question arises of whether it was really necessary to reconstruct

its original state when that design was not completely satisfactory

in the fi rst place? The second, higher balustrade of glass with a leather

handrail placed in front of the historic one in the oversized staircase

looks dignifi ed and elegant. But visitors can only enjoy it to a limited

extent because the levels above the public fi rst fl oor are open to

staff only.

It is only in the new “Wet Collections”, housed in the somewhat hidden

East Wing, that the architects from Basel display their full range of

skills. As the over 270,000 jars holding animal specimens preserved

in ethanol do not require daylight but rather a consistent climate, the

rooms no longer need the windows that were once here. The six-

metre-high showcase holding the research collections is therefore a

closed box, and, as if to increase the viewer’s shudder, it’s painted a

violet red (“caput mortuum”) on the inside. A two-storey glass case

Grundriss Erdgeschoss und Umgebung

Floor plan of ground fl oor and environs

13

Page 14: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Der Höhepunkt der Museumserweiterung ist

aber das, was der Besucher des Museum von

innen nicht sehen kann, an dem auch die

Passanten draußen normalerweise nicht vorbei -

laufen. Es ist die vorgehängte und hinterlüftete

Außenhaut des wieder aufgebauten Gebäude-

fl ügels, die einem vom Haupteingang an der

Invalidenstraße nicht einsehbaren Hof auf der

östlichen Seite zugewandt ist. Diese Fassade

könnte sich bald zu einem Architektenmekka

mausern. Was Roger Diener hier, im Kontext

der hin- und herwogenden deutschen Rekon-

struktionsdebatte beigetragen hat, kann nicht

hoch genug eingeschätzt werden.

Künstler wie Rachel Whiteread haben die

Methode penibler Kopien einer Fassadenober-

fl äche mittels aufgetragenem Silikon zur

Herstellung einer Gussform vorgemacht, aller-

dings zu anderen Zwecken. Die Berliner

Architekten von Diener & Diener verzahnen

hingegen die geschosshohen und tonnen-

schweren Abgüsse mit den bestehenden Klin-

kerschichten derart präzise, das ihre serielle

Fertigung nicht mehr erkennbar ist. Auf

irritierende Weise und durch die Einfarbigkeit

noch überhöht, scheint das Wesenhafte der

früheren Klinkerwand mit ihren Holzfenster-

profi len präsent zu sein. Dabei bleibt der

Verlust des Originals deutlich spürbar. Dies

ist ein großer Verdienst, der in der heutigen

Debatte um die Wiederauferstehung ganzer

Altstädte gern ignoriert wird.

Diener schreibt dazu: „Die Reproduktion in

Beton soll für sich stehen und die ganze

Fassade wieder vergegenwärtigen wie in der

Restaurierung des während einem Feuer

beschädigten Gemäldes ‚Tierschicksale‘ von

Franz Marc, in der Paul Klee die zerstörten

Formen unbunt ergänzte.“ Dieses Gemälde ist

Roger Diener wohl vertraut, hängt es doch im

Original im Kunstmuseum Basel, für dessen

künftige Erweiterung er kürzlich eben nicht

beauftragt wurde, sondern Zweiter wurde.

Die Analogie der farblosen Betonfassade zur

monochromen Restauration des farbigen

Marc-Bildes ist evident. Der Eingriff hier wie

da vereint das Gesamtbild visuell und schließt

die formalen Gesetzmäßigkeiten, erinnert aber

trotzdem an die Zerstörungen der Geschichte

und betont damit das Unwiederbringliche und

somit Authentische des Originals. Diener

beruft sich zudem auf das Münchener Vorbild

der „Schöpferischen Sicherung“ der Alten

Pinakothek durch Hans Döllgast, das die

Kriegszerstörungen sichtbar ließ und daher

bis heute in der Bevölkerung umstritten

und bei Fachleuten hoch geschätzt ist. Er ist

sich dabei der Gefahr einer späteren Rekon-

struktion bewusst und formuliert seine Version

daher so deutlich aus, dass sie endgültig ist.

Hier lassen sich keine neuen Fenster mehr

einfügen oder neue Ziegelverbände hochmauern,

has been placed within it, lit from inside and fi lled with the bodies of

the most absurd creatures. For security reasons, the general public

fi ling by in the dark and cheerfully shivering at what they see had to be

separated from the researchers working inside in bright light, so the

two groups are divided not only by the panes of glass, but also by a

different time schedule, which is very unfortunate but understandable.

This display of a research collection is unique and defi nitely worth a

visit, for the Humboldt Collection was for decades accessible only to

scientists. Berlin’s citizens and visitors now fi nally have a chance to

discover these hidden treasures.

On the fl oors above the showcase collection are two further perfectly

equipped and climate-controlled collection rooms, which are however

not open to the public. On the top fl oors, functionality prevails: behind

plain doors lining brightly illuminated, bare corridors the actual speci-

mens are produced using complex apparatus. Here, the sobriety of the

architecture underscores the necessity for maintaining a mental

distance from what are actually quite gruesome goings-on.

The highlight of the museum extension is something the visitor cannot

see when inside, nor is it located in an area that passers-by on the

street are likely to come across: it is the ventilated curtain wall of the

restored wing, which faces a courtyard on the east side of the building

not visible from the main entrance on Invalidenstraße. Despite its

sequestered site, this façade might very well soon blossom into an

architects’ mecca. What Roger Diener has accomplished here in the

face of all the ups and downs of the German reconstruction debate

cannot be praised highly enough.

Artists such as Rachel Whiteread have already demonstrated a

method for making painstaking copies of façade surfaces by applying

silicon to make a mould – but in their case with a completely different

purpose in mind. By contrast, the Berlin architects from Diener &

Diener interlocked the storey-high, multi-ton casts they made of the

façade so precisely with the existing brick layers that their identity as

serial productions is no longer discernible. The essence of the former

brick wall with its wooden window frames thus still seems to exert its

presence, in a perplexing manner that is enhanced further by the

monochromatic surfaces. And yet the loss of the original can nonethe-

less be felt keenly. This sense of the past is of great merit, and some-

thing that many ignore in today’s debate on the resurrection of entire

old quarters.

Diener has this to say: “The reproduction in concrete should stand on

its own and call to mind again what the entire façade once looked like,

just as Paul Klee restored a fi re-damaged Franz Marc painting called

‘Tierschicksale’ by monochromatically completing the destroyed

fi gures.” Roger Diener obviously knows this painting, because he

recently came in second in a competition to extend the Kunstmuseum

Basel, where the original hangs. The analogy between the colourless

concrete façade and the monochromatic restoration of the colourful

Marc painting is clear. In both cases, the intervention unites the image

visually and completes its formal patterns while also reminding the

viewer of the ravages of history, emphasising the irreclaimable loss,

and hence the authenticity, of the original. Diener also invokes the

Munich model of “creative securing” of the Alte Pinakothek by Hans

Döllgast, who left the building’s war scars visible – a move that is still

controversial today amongst Munich’s citizenry and yet highly

acclaimed by experts. Diener is cognisant here of the risk of a subse-

quent reconstruction, and has therefore formulated his version in such

a distinctive manner as to ensure that he has the fi nal say. No new

windows can be inserted here or new brick walls put up, as happened

in Munich with the ruined dome of the former Army Museum, which in

its conversion into the Bavarian State Chancellery forfeited every trace

of its history and its function as a reminder to future generations of

the disasters of war.

Längsschnitt der rekonstruierten

Fassade | Longitudinal section of

reconstructed façade

14

Page 15: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Once again, public funding has managed here to restore a museum buil-

ding in a way that represents a major contribution to the future treatment

of monuments – and not only in Germany. The jury members, among

them Alexander Schwarz, head of design at last year’s award-winner

David Chipperfi eld Architects Berlin, voted unanimously for the extension

to the Natural History Museum Berlin as winner of this year’s DAM Award

for Architecture in Germany.

THE RESTORATION OF THE WAR-RUINED EAST

WING OF THE NATURAL HISTORY MUSEUM

FROM THE POINT OF VIEW OF THE CLIENTS

In September 2010 the Museum of Natural History and the Humboldt

University of Berlin had the pleasure of celebrating an important occasion:

the offi cial ceremony, after several years of construction, to dedicate the

reconstructed East Wing including the two restored frontage buildings. For

the museum, and the university as client, a major milestone has now been

reached in the process of completely renovating the museum complex.

The reconstruction of the war-ruined East Wing of the Natural History

Museum, a project that has been in planning since 1945, is an essential

step in the urgently required restoration sequence for the museum complex

on Invalidenstraße. The building was erected from 1886 to 1889 by the

architect August Tiede as a purpose-built structure to house the rampantly

growing research collections of what was at the time known as Friedrich

Wilhelm University and is today Humboldt University; a North Wing was

then added in 1913–1917. The natural history collections stored here have

in the meantime burgeoned to encompass some 30 million objects.

The central aim of the building work now carried out, comprising a con-

struction volume of 29.6 million euros – fi nanced with the help of the

University Construction Promotion Act (HBFG) and university funds – was

to gather the specimens preserved in ethanol together in their own display

tract. By housing the collection in a new building equipped with the latest

technology on the site of the ruined East Wing, a decisive improvement

was achieved in terms of conservation and fi re prevention, as well as in

the conditions for handling the specimens in the collection and examining

them in the lab. Berlin’s Senate Department for Urban Development took

charge of overseeing this complex undertaking on behalf of the university.

The architects Diener & Diener deserve credit for successfully seeing

through a diffi cult planning process in which the confl ict between the

requirements of a high-tech research and collection building and those of

a signifi cant architectural monument had to be reconciled over and over

again.

Now, after the fi rst months of operation, the reconstruction and new buil-

ding have proven their value both as part of the extended museum area

and as a component of the museum as research institution. The Natural

History Museum can now turn its attention with renewed optimism to the

further renovation projects that are in store.

Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz

President of Humboldt University of Berlin

Dr. Ferdinand Damaschun

General Director of the Natural History Museum Berlin

wie in München bei dem ruinösen Kuppelbau des früheren

Armeemuseums geschehen, welches in seiner Umwandlung zur

Bayerischen Staatskanzlei jegliche Geschichtlichkeit und seine

Mahnmalfunktion an den Weltkrieg verlor.

Wieder ist es der öffentlichen Hand mit einem Museumsbau

gelungen, einen großen Beitrag für den künftigen Umgang

mit Denkmälern zu leisten; nicht nur in Deutschland. Die Jury,

darunter als Vertreter des letztjährigen Preisträgers David

Chipperfi eld Architects Berlin, Entwurfschef Alexander Schwarz,

stimmte einstimmig für die Erweiterung des Museums für

Naturkunde Berlin als Gewinner des diesjährigen DAM Preises

für Architektur in Deutschland.

DER WIEDERAUFBAU DES KRIEGS- ZERSTÖRTEN OSTFLÜGELS DES MUSEUMS FÜR NATURKUNDE AUS SICHT DER BAUHERRENIm September 2010 konnten das Museum für Naturkunde und

die Humboldt-Universität zu Berlin ein wichtiges Ereignis feiern:

Nach mehrjähriger Bauzeit fand die feierliche Einweihung des

wiederaufgebauten Ostfl ügels einschließlich der sanierten

beiden Kopfbauten statt. Für das Museum und die Universität

als Bauherrin ist damit ein wichtiger Meilenstein in der Gesamt-

sanierung des Museums erreicht.

Der seit 1945 geplante Wiederaufbau des kriegszerstörten

Ostfl ügels des Museums für Naturkunde ist wesentlicher Teil

einer dringend notwendigen Sanierungssequenz des Komplexes

in der Invalidenstraße. Das Gebäude wurde 1886–1889 von

dem Architekten August Tiede als Zweckbau für die enorm

anwachsenden Forschungssammlungen der damaligen Friedrich-

Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität,

konstruiert und 1913–1917 um den Nordfl ügel erweitert. Die hier

untergebrachten naturkundlichen Sammlungen haben inzwi-

schen eine Dimension von etwa 30 Millionen Objekten erreicht.

Zentrales Ziel der jetzt durchgeführten Maßnahme mit einem

Bauvolumen von 29,6 Millionen Euro – fi nanziert aus HBFG-

Mitteln und Mitteln der Universität – war die Zusammenziehung

der alkoholkonservierten Präparate in einem eigenen Samm-

lungstrakt. Untergebracht in einem technisch hochgerüsteten

Neubau im Bereich der ehemaligen Ostfl ügelruine, konnte

eine entscheidende Verbesserung der konservatorischen und

Brandschutzbedingungen, der Handhabbarkeit und der labora-

tiven Bearbeitung der Sammlung erzielt werden. Die Durch-

führung dieses komplexen Vorhabens hat die Senatsverwaltung

für Stadtentwicklung für die Universität übernommen. Für den

gelungenen Abschluss eines schwierigen Planungsprozesses,

bei dem es galt, den Konfl ikt zwischen den Anforderungen an

einen hoch technisierten Forschungs- und Sammlungsbau und

an ein bedeutendes Baudenkmal immer wieder neu zu lösen,

zeichnen die Architekten Diener & Diener verantwortlich.

Nach den ersten Monaten Betriebszeit hat sich der Um- und

Neubau sowohl als Teil des erweiterten Museumsbereichs als

auch als Teil der Forschungsinstitution Museum bewährt. Das

Museum kann sich nun optimistisch den weiteren Sanierungs-

projekten des Hauses zuwenden.

Prof. Dr. Jan-Hendrik OlbertzPräsident der Humboldt-Universität zu Berlin

Dr. Ferdinand DamaschunGeneraldirektor Museum für Naturkunde Berlin

Längsschnitt durch den rekonstruierten Ostfl ügel | Longitudinal section

through reconstructed East Wing

15

Page 16: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Neu eingerichtete „Nass-Sammlung“, öffentlicher Bereich

Newly installed “Wet Collections”, public area

Page 17: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM FRANKFURT AM MAIN

PRESTEL VERLAG MÜNCHEN | LONDON | NEW YORK

20 12

17

Page 18: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

DEUTSCHES ARCHITEKTUR JAHRBUCH | GERMAN ARCHITECTURE ANNUAL

VORWORT | FOREWORD

PETER CACHOLA SCHMAL

CHRISTINA GRÄWE

Das Deutsche Architektur Jahrbuch 2011 | 12, vom Deutschen

Architekturmuseum (DAM) herausgegeben, bleibt dem

Anspruch seiner Vorgänger treu: Es zeigt einen vielseitigen

Querschnitt der besten Bauten, die kürzlich in Deutschland

realisiert wurden, und stellt darüber hinaus anhand von

vier Beispielen herausragende Gebäude deutscher Architekten

im Ausland vor. Und wieder wurde eines der nominierten

Gebäude mit dem DAM Preis für Architektur in Deutschland

gekürt, der – ein kleines Jubiläum – bereits zum fünften Mal

vergeben wird. Diener & Diener Architekten erhalten ihn für

den Ostfl ügel des Museums für Naturkunde Berlin. Sie haben

dort nicht nur die Ausstellungsfl ächen erweitert. Sie haben

vor allem auf höchstem handwerklichen Niveau den kriegs-

zerstörten östlichen Gebäudeteil des Museums durch ein

raffi nier tes Abgussverfahren mit Betonfertigteilen wieder

hergestellt. Die Nahtstelle zwischen Alt und Neu zeichnet sich

deutlich und zugleich subtil an der Fassade ab. Dieses Ver -

fahren interpretiert das Weiterbauen neu und ist in der immer

wieder auffl ammenden Rekonstruktionsdebatte natürlich

nicht unbemerkt geblieben. Diener & Diener sind mit ihren

Bauten keine Neulinge im Jahrbuch. So waren sie mit dem

Wettbewerbsbeitrag für das neue Ruhrmuseum auf der Zeche

Zollverein im Jahrbuch 2000 sowie dem „Neuen Bauen am

Horn“ in Weimar im Jahrbuch 2006 vertreten. Die Jury dieses

Jahrbuchs konnte sich einhellig für den Wiederaufbau des

Ostfl ügels begeistern, und wieder werden die Preisträger nicht

nur im Buch vorgestellt. Sie präsentieren sich auch Anfang

2012 in der Ausstellung „DAM Preis 2011. Die 23 besten

Bauten in/aus Deutschland“ auf der obersten Ebene des

„Hauses im Haus“ im DAM, umrahmt von den weiteren Bauten

dieses Jahrgangs. Erstmalig wurde aus dieser Ausstellungs-

reihe eine Wanderausstellung für die Goethe Institute weltweit

konzipiert; das Institut in Athen machte im Juli 2011 den

Anfang. Im November 2011 wurde diese Leistungsschau darüber

hinaus zum Deutschen Architektentag in Leipzig präsentiert.

ESSAYSZwei Essays zu übergeordneten Themen begleiten die Auswahl

der gebauten Beispiele.

The German Architecture Annual 2011 | 12, published by the German

Architecture Museum (DAM), remains true to the aspirations of

past editions: to show a varied cross-section of the best of recent

architecture in Germany in addition to four examples of outstanding

buildings executed by German architects abroad. This year once

again, one of the nominated buildings has been distinguished with

the DAM Award for Architecture in Germany, now celebrating its fi fth

anniversary. Diener & Diener Architekten received the award for the

East Wing of the Natural History Museum in Berlin. They have not

only extended the exhibition space available there; more importantly,

they have restored the war-ruined East Wing of the museum in a

manner displaying the highest possible level of workmanship using a

sophisticated casting process with prefabricated concrete parts.

The seams between old and new stand out clearly, and yet subtly,

from the surrounding façade. This procedure constitutes a whole new

take on what it means to build onto existing structures, one that

has not gone unnoticed in the recurring debates on reconstruction.

Diener & Diener are by no means new to the Annual. Their compe t-

ition entry for the new Ruhrmuseum on the grounds of Zeche

Zollverein was featured in 2000, and their “New Development am

Horn” in Weimar in 2006. The jury for this year’s Annual voiced

unanimous enthusiasm for the reconstruction of the East Wing. This

year once more, the award winners will be introduced not only in the

book; they will also be presented in early 2012 in the exhibition

“DAM Award 2011. The 23 Best Buildings in/from Germany” on the

top fl oor of the “House within the House” at the DAM, fl anked by the

other buildings of this volume. A travelling exhibition compiled from

this exhibition series to be presented at Goethe Institutes worldwide

makes its debut this year; fi rst stop is Athens in July 2011. In November

2011 this showcase of architectural achievement was also presented

at the Deutscher Architektentag in Leipzig.

ESSAYS

Two essays on overarching themes pertinent to architecture accompany

the selection of the nominated buildings.

Up-to-the-minute and of far-reaching signifi cance is the issue of

civil protest, in the context of which catchwords such as “enraged

citizenry” are bandied about and which, despite its prominence, is no

longer associated only with demonstrations against the “Stuttgart 21“

18

Page 19: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Brandaktuell und von weitreichender Bedeutung ist das Thema

„Bürgerprotest“, das von Schlagworten wie „Wutbürger“

gekennzeichnet ist und trotz aller Prominenz längst nicht mehr

ausschließlich mit der Bewegung gegen „Stuttgart 21“

verbunden wird. Was geht schief im Dialog zwischen Planern,

Politikern und Bürgern? Findet dieser Dialog überhaupt ausrei-

chend statt? Wie können Planer dazu beitragen, Fehler nicht zu

wiederholen, Vorgänge transparent zu gestalten und gleich-

zeitig den eigenen Expertenstatus behalten? Mit diesen Heraus-

forderungen beschäftigt sich der Stadtplaner Albert Speer. Er

ist seit Jahrzehnten in der Praxis mit diesen Fragen konfron-

tiert, entwickelt seine Verfahren ständig weiter und ist damit

international erfolgreich. Im Interview mit dem freien Architek-

turkritiker Oliver G. Hamm zieht er eine Zwischenbilanz und

blickt in die Zukunft.

Der Export des Know-how deutscher Planer und ihrer Gebäude,

damit verbindet man hauptsächlich Aktivitäten in China und in

den arabischen Ländern. Franken Architekten aus Frankfurt sind

wie ihre Kollegen von KSP Jürgen Engel Architekten und von

gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner nach Vietnam

gegangen. Dort sammeln Erstere Erfahrungen ganz neuer Art.

Das Modell beginnt – wenn auch noch zaghaft – auch umgekehrt

zu funktionieren: Der Bauherr aus Vietnam investiert in Deutsch -

land, plant und baut hier mit seinen deutschen Kooperations-

partnern. Architektur-Export in zwei Richtungen; die Rollenver-

teilung und die Auswirkungen untersucht der FAZ Ressortleiter

Rhein-Main, Matthias Alexander, in seinem Beitrag.

DIE JURY DES JAHRBUCHSWieder fand nach der Vorauswahl und der Nominierung von

knapp 100 herausragenden Bauten die fi nale Auswahl durch

eine interdisziplinär besetzte Jury aus externen Experten und

DAM-Mitarbeitern statt. Zu der zweitägigen Sitzung Ende

Januar 2011 trafen sich: als Vertreter des letztjährigen Preisträ-

gers David Chipperfi eld Architects deren Entwurfschef Alexander

Schwarz, die Pressesprecherin der Bundesarchitekten kammer

Corinna Seide, Michael Marten vom Bundesministerium für

Verkehr Bau und Stadtentwicklung, Referat Baukultur und

Städtebaulicher Denkmalschutz, die ehemalige Direktorin des

project. What has gone wrong these days with the dialogue between

planners, politicians and citizens? Is such a dialogue even taking

place at all? How can planners help to ensure that mistakes are not

repeated, that processes are kept transparent, while at the same time

preserving their own status as experts? These are challenges with

which city planner Albert Speer occupies himself on a daily basis. He

has been confronted with such issues for years and has developed

methods for dealing with them that have proven internationally

successful. In an interview conducted by freelance architecture critic

Oliver G. Hamm, he takes stock of the current situation and looks

at what the future may bring.

When speaking of the export of German planning expertise and buildings

one automatically thinks mainly of China and the Arab countries.

But Franken Architekten from Frankfurt, like their colleagues from KSP

Jürgen Engel Architekten and gmp Architekten von Gerkan Marg

und Partner, are now working in Vietnam. They are gathering initial

experience there of an entirely new kind. And, although still

cautiously, the usual model is also beginning to function in reverse: a

client from Vietnam invests in Germany, planning and building here

with the help of his German cooperation partners. Architectural export

in two directions: in his essay, Matthias Alexander, editor-in-chief of

the Rhein-Main desk at the Frankfurter Allgemeine Zeitung newspaper,

examines the division of roles and responsibilities and the impact of

current developments.

THE JURY OF THE GERMAN

ARCHITECTURE ANNUAL

Once again this year, a shortlist of nearly 100 outstanding buildings

was compiled, after which an interdisciplinary jury of external experts

and DAM staff members made the fi nal selection. Convening for the

two-day session in late January 2011 were: representing last-year’s

award-winner David Chipperfi eld Architects, their design director

Alexander Schwarz; the press offi cer of the Federal Chamber of German

Architects, Corinna Seide; Michael Marten from the Department

of Building Culture and Urban Monument Protection at the Federal

Ministry of Transport, Building and Urban Development; former

director of the German Centre for Architecture (DAZ) Kristien Ring;

Giulia Andi from the Berlin architecture studio LIN Finn Geipel + Giulia

Andi (participants in last year’s Annual); freelance culture journalist

19

Page 20: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

Deutschen Architektur Zentrums (DAZ) Kristien Ring, Giulia

Andi vom Berliner Architekturbüro LIN Finn Geipel + Giulia Andi

(Teilnehmer im letzten Jahrbuch), die freie Kulturjournalistin

Sandra Danicke und die freie Architekturkritikerin Anneke

Bokern aus Amsterdam. Das DAM war durch seinen Direktor

Peter Cachola Schmal, die Kuratorinnen Annette Becker und

Christina Budde, den Kurator Oliver Elser, die Archivleiterin Inge

Wolf sowie den Mitherausgeber des Vorjahres Yorck Förster

und die diesjährige Mitherausgeberin Christina Gräwe vertreten.

Die Diskussionen in der Bibliothek des DAM verliefen lebhaft

und – wie es sich für eine anständige Jurysitzung gehört –

stellenweise kontrovers. Dennoch kristallisierte sich mit

Diener & Diener Architekten rasch ein eindeutiger Gewinner

heraus. Ein zweites Gebäude, das Depotgebäude des Albertinums

in Dresden – von Staab Architekten auf ungewöhn liche Weise

erweitert, indem es als Hofüberdachung dem Bestandsgebäude

einen stimmungsvollen Raum hinzufügt –, erregte ebenfalls

besondere Aufmerksamkeit und wird deshalb hier etwas

ausführlicher als die anderen Bauten vorgestellt.

ARCHITEKTUR IN DEUTSCHLANDDie Bandbreite des Jahrbuchs 2011 | 12 reicht vom Einfamilien-

haus über soziale und Bildungseinrichtungen, Forschungsge-

bäude, Museen und einem Wohnhochhaus hin zu exotischeren

Bauaufgaben. So haben becker architekten in Kempten eine

Betonskulptur in den Fluss gegossen, die der Bewegung des

Wassers folgt und mit diesem poetischen Ansatz doch ein rein

technisches Gebäude geschaffen: das Iller-Wasserkraftwerk.

Ebenfalls skulptural und gleichzeitig sehr karg gestalteten AFF

architekten in Thüringen ein spartanisch ausgestattetes

Ferienhaus; als Schalung diente der Bestand, eine ehemalige

hölzerne Schutzhütte. Nicht nur sporadisches Wohnen bietet

eine großzügige, in Grüntönen gehaltene Einfamilienvilla mitten

im Frankfurter Westend – trotz der dichten Bebauung mit

Garten – von Meixner Schlüter Wendt. Ebenfalls in Frankfurt am

Main haben Stefan Forster Architekten ein leer stehendes Büro-

hochhaus aus den 1960er-Jahren in ein Wohnhaus verwandelt

und damit eine innovative Bauaufgabe formuliert. Fink + Jocher

bauten am ehemaligen Standort des Flughafens München-Riem

Sandra Danicke, and freelance architecture critic Anneke Bokern from

Amsterdam. The DAM was represented by its director, Peter Cachola

Schmal, the curators Annette Becker, Christina Budde and Oliver Elser,

archive director Inge Wolf, last year’s co-editor Yorck Förster, and

this year’s co-editor Christina Gräwe. Animated discussions were

conducted in the DAM library, some of them quite heated – as befi tting

a proper jury session. Nevertheless, the winner was soon clear:

Diener & Diener Architekten. A second building, the storage depot of

the Albertinum in Dresden – which Staab Architekten expanded in

an innovative manner by creating storage space as a roof above the

courtyard, thereby adding a unique new space to the existing building

– was likewise deemed particularly interesting by the jury, for which

reason it is described in somewhat more detail here than the other

selections.

ARCHITECTURE IN GERMANY

The spectrum covered by the 2011 | 12 Annual ranges from a single-

family home to social and educational institutions, from research

buildings and museums to a residential highrise and more exotic

building assignments. In Kempten, for example, becker architekten

poured a cast concrete sculpture, which follows the movement of the

water, into the river, achieving by means of this seemingly poetic

approach a purely technical building: the Iller hydroelectric power plant.

Also sculptural and at the same time extremely spartan is the

meagrely equipped holiday home designed by AFF architekten in

Thuringia; the prior building, a simple wooden shelter, was used here

as a shell. Offering greater comfort for year-round family living in

Frankfurt’s Westend is a spacious green-coloured villa conceived by

Meixner Schlüter Wendt, which, despite its inner-city location, features

its own garden. Frankfurt am Main is also where Stefan Forster

Architekten have demonstrated an innovative approach to conversion

by transforming a vacant 1960s offi ce highrise into an elegant

apartment building. On the former site of Munich-Riem Airport, Fink +

Jocher have erected an oblong primary school that, with its orange,

red and ochre-coloured concrete elements, one could also picture in

the Arizona desert. The MRT Research Building in Berlin-Buch is a

strict yet congenial block that Glass Kramer Löbbert equipped with a

cleverly conceived second skin made up of white expanded metal parts

that can in some cases be opened for light and ventilation. On the

20

Page 21: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

eine lang gestreckte Grundschule, die man sich mit ihren

orange-rot-ockerfarbenen Betonelementen auch in der Wüste

Arizonas vorstellen kann. Das MRT-Forschungsgebäude in

Berlin-Buch ist ein streng-freundlicher Quader mit einer raffi -

nierten, teils zu öffnenden zweiten Fassade aus weißem Streck-

metall von Glass Kramer Löbbert. Am Berliner Spreeufer steht

das Modezentrum Labels 2 des Baseler Büros HHF architekten,

das Showrooms für Modelabels beherbergt und mit volantar-

tigen Fassadenelementen diese Nutzung nach außen trägt. Ein

besonders gelungenes Beispiel für den Umgang mit dem Erbe

„Plattenbau“ stellt die Bezirkszentralbibliothek Friedrichs hain-

Kreuzberg von Peter W. Schmidt Architekt dar. Ein viertes

Berliner Gebäude, wieder von AFF architekten, ist die Gemein-

schaftsschule Anna Seghers, die außen mit einer weißen

Lochmuster-Fassade und innen mit schwefelgelb gestrichenen

Räumen auffällt. Im Oderbruch steht ein anthrazitgraues

Ferienhaus der Architekten Heide & von Beckerath. Der Clou

sind haushohe Schiebeelemente, die dem Haus quasi die

Augen öffnen oder schließen. WEBERWÜRSCHINGER Archi-

tekten haben in Rehau ein Ausbildungszentrum (an)gebaut,

das das bestehende Ziegelgebäude behutsam verlängert und

doch eigenständig auftritt. Lederer + Ragnarsdóttir + Oei

haben ebenfalls ein bestehendes Gebäude erweitert und mit

dem Bildungszentrum Bestehornpark die Stadtmitte Aschers-

lebens ergänzt und aufgewertet. Die Cologne Oval Offi ces in

Köln stellen ein weiteres überzeugendes Beispiel im Umgang

mit Form und Farbe des Büros Sauerbruch Hutton dar. Auf

den ersten Blick unspektakulär und dem Ortsbild angemessen,

aber mit ganz eigenen ästhetischen und räumlichen Qualitäten

versehen, ist das katholische Gemeindezentrum St. Laurentius

von kaestle ocker roeder Architekten. Tadao Ando Architect

& Associates haben mit ihrem lokalen Partner Zapp Architekten

in Bad Münster ein Steinskulpturenmuseum geschaffen: oben

eine (translozierte) Scheune aus dem 18. Jahrhundert, unten

ein schlichter Betonbau mit Höfen in Ando-typischer Haptik

und Optik. Staab Architekten sind zweifach vertreten: neben

dem erwähnten Albertinum mit einem rostroten Erweiterungsbau

der Firma nya nordiska in Dannenberg, das sich dem Ortsbild

anpasst und gleichzeitig werbewirksam auffällt.

banks of the River Spree in Berlin stands the Labels 2 fashion centre

created by the Basel studio HHF architekten, which broadcasts the

showrooms for various fashion labels inside with fl ounce-like façade

elements. A particularly successful example of the treatment of the

“concrete slab” heritage in East Germany is the Central District Library

in Friedrichshain-Kreuzberg by Peter W. Schmidt Architekt. A fourth

Berlin building, once again the work of AFF architekten, is the Anna

Seghers Comprehensive School, which features a striking white perfo-

ration pattern on its façade and cheery sulphur-yellow walls within.

Oderbruch is the location of a charcoal-grey holiday retreat by the

architects Heide & von Beckerath. The highlight here consists of

house-high sliding elements that can be opened and closed as if they

were the house’s “eyes”. WEBERWÜRSCHINGER Architekten have

designed a new wing for a training centre in Rehau that carefully

extends the existing brick building and yet stands out as a new and

independent addition. Lederer + Ragnarsdóttir + Oei likewise extended

an existing structure, enhancing Aschersleben’s town centre with their

Bestehornpark Training Centre. The Cologne Oval Offi ces represent

another impressive example of Sauerbruch Hutton’s unique handling

of form and colour. Unspectacular at fi rst glance and melding well with

its surroundings, the Catholic Community Centre St. Laurentius by

kaestle ocker roeder Architekten boasts some unique aesthetic and

spatial qualities. Tadao Ando Architect & Associates have joined forces

with local partner Zapp Architekten in Bad Münster to create a Museum

of Stone Sculpture, with a (translocated) 18th-century barn on top and

a sleek concrete structure with courtyards below that exudes Ando’s

typical look and feel. Staab Architekten are recognised twice in this

year’s Annual: along with the Albertinum mentioned above, they are

also the authors of a rust-red extension to the headquarters of the nya

nordiska textiles company in Dannenberg that respectfully fi ts into

the townscape while asserting its own striking profi le.

EXPORT

Elegant and refi ned down to the last detail, the Cape Town Stadium by

the seasoned team of gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner

and Schlaich Bergermann und Partner joins the already spectacular

landscape as a new local landmark. Similarly sleek and elegant, with a

well-planned spatial organisation, is the Centre des Sports in Luxem-

bourg’s city district of Belair designed by Auer + Weber + Assoziierte.

21

Page 22: 20 |12 · Diener & Diener Architects have developed a vision for the here and now, as well as for the future. ALEXANDER SCHWARZ Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue,

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Peter Cachola Schmal, Christina Gräwe

Deutsches Architektur Jahrbuch 2011/12German Architecture Annual 2011/12

PaperbackBRSU, 218 Seiten, 22,0 x 28,0 cm243 farbige AbbildungenISBN: 978-3-7913-5135-3

Prestel

Erscheinungstermin: September 2011

Zukunftsweisend, herausragend, ausgezeichnet: Die 23 besten Bauten in und aus Deutschland Das diesjährige Deutsche Architektur Jahrbuch bleibt dem Anspruch seiner Vorgänger treu:Wieder zeigt es anhand von 23 Beispielen einen vielseitigen Querschnitt der besten Bauten,die jüngst in Deutschland oder im Ausland realisiert wurden. Der Band widmet sich dembrandaktuellen Thema „Bürgerprotest“, und das weit über die Bewegung gegen „Stuttgart 21“hinaus. Zudem befasst er sich neben dem Export des „Know-hows“ deutscher Planer mit einerneuen Tendenz: dem Reimport deutsch-asiatischer Kooperationen nach Deutschland.