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+ Seite A6 DIE WELT Samstag, 5. Dezember 2009 BootsWelt Anzeige Von Matthias J.Müncheberg T rifft ein Klassiker auf eine junge Wilde – nein, so ein- fach ist es nicht. Henrike Gänß (27) hat das neue Boot nicht allein entworfen, die Wiedergeburt der legendären Deh- ler Varianta stammt von den Zei- chenbrettern des renommierten Konstruktionsbüros Judel/Vrolijk. Doch die junge Innenarchitektin hat versucht, dem eher einfachen Kunststoff-Bötchen so etwas wie Seele zu geben. „In der neuen Varianta 18 schwingt viel Poesie mit“, sagt Hen- rike Gänß. Von der herkömmlichen Varianta habe sie im Innenraum le- diglich die Idee des Segelns für alle übernommen, egal, ob es nun Fahr- ten- oder Regattasegler betrifft. An- sonsten blättert der Interessent, an- gelockt vom extrem niedrigen Ein- standspreis von 10 000 Euro, durch den Katalog der Varianta 18 und fühlt sich weniger wie im Boots- handel, sondern denkt an ein schwedisches Einrichtungshaus: Zubehörteile sind mit lustigen Na- men versehen, etwa Slipi, Torqui, Biba, Mimi, Kobo und Gazper. Alles kostet extra, das ist der Trick, um den Preis zu halten. Dennoch zielt Dehler, im April erst von Hanse Yachts übernommen, mit den aus- gefallenen Begriffen auf junge Käu- fer. Slipi – das bezeichnet bei der Werft ab sofort einen Autoanhän- ger, mit dem man die Varianta 18 auch zu Wasser lassen (slippen) kann. Torqui meint einen Elektro- Außenborder von Torqueedo, Biba ist ein Sonnensegel, Mimis sind Mittelschiffsmatratzen, die Einbau- küche heißt Kobo, und Gazper ist die aktuelle Ganzpersenning für den Hafen, von den Dehler-Leuten liebevoll Vogelscheuche genannt. Bei der gerade zu Ende gegange- nen Bootsmesse Boot und Fun in Berlin, einer eher regionalen Veran- staltung, hat sich die Varianta 18 zum ersten Mal dem Publikum ge- zeigt, und der stete Andrang am Stand lässt die Mannschaft der vor dem Aus geretteten Dehler-Yacht- werft hoffen. Mit dem nur 5,75 Me- ter langen, modernen Segelkreuzer (Länge Wasserlinie 4,78 Meter) soll im sauerländischen Meschede- Freienohl wieder Geld verdient werden, außerdem will man den hart umkämpften Kleinboot-Markt aufmischen. Die Chancen dafür ste- hen gut, schon wegen des weithin bekannten Namens des neuen Pro- duktes. Das Wort Varianta knüpft an das bis 1982 rund 4250-mal ver- kaufte Erfolgsmodell der nord- rhein-westfälischen Werft an. Doch mit dem 6,40 bis 6,50 Meter langen Kielschwerter älteren Typs, der es als nationale Einheitsklasse nach wie vor auf 30 Ranglistenregatten pro Jahr bringt, hat der neue Deh- ler-Wurf nicht viel gemein. Die völlige Neuartigkeit des Ju- del/Vrolijk-Risses war es denn auch, welche die Klassenvereini- gung der schon bestehenden Vari- antas dazu veranlasste, sich von dem Boot zu distanzieren. „Der Neubau besitzt einen Festkiel und ist schon deshalb aus Regattasicht nicht mit den älteren Variantas mit Kielschwert zu vergleichen“, sagt der für Technik zuständige Björn Hartz, Klassenobmann der Flotte Ratzeburg. „Schade, dass nicht ein anderer Name für die neue Yacht verwendet wurde.“ So könne es schnell zu Missverständnissen kommen, bedauert Hartz. Dehler stört das nicht, man will mit der Varianta 18 an das Konzept einer kleinen Yacht anknüpfen, die gegen Aufpreis mit einem Genna- ker (großes Vorsegel) schneller ge- macht werden kann. So lässt sich das Boot sowohl für gemütliche Fahrten als auch bei Regatten ein- setzen. „Mit einem kleinen Boot wie der neuen Varianta 18 betritt die Hanse Group Neuland“, sagt Jörn Bock von der Greifswalder Mutterwerft. Doch sei ihm die Pro- duktion dieser kleinen Yacht eine Herzensangelegenheit. „Wir hof- fen, dass der kleine Kreuzer positiv vom Markt aufgenommen wird und die bestehenden Varianta-Typen gut ergänzt“, sagt Segler Bock. Da- für spricht zum einen der Preis der nur 750 Kilogramm (davon entfal- len 240 Kilogramm auf den Ballast) schweren und mit 24 Quadratme- tern Segelfläche überdurchschnitt- lich betuchten kleinen Yacht, der nach Werftangaben bei weniger als 10 000 Euro liegt (segelfertig, aber ohne Antifoulinganstrich des Un- terwasserschiffes). Zum anderen finden tatsächlich zwei Erwachse- ne und zwei Kinder genug Platz zum Schlafen an Bord – wenn man sich lieb hat und Nähe kein Pro- blem ist. „Das Boot geht komplett ausge- stattet nach Hause für dreizehn- bis fünfzehntausend Euro“, schätzt der für den Verkauf zuständige Jan Spengler. Dann sind auch Torqui, Mimi, Biba und Co. mit an Bord, und auch für einen geeigneten An- strich, Festmacherleinen, Fender und einen Anker ist dann gesorgt. Mit dem Boot wolle Spengler vor allem junge Leute vom Surfshop oder der Jollenschule abholen. Und da genau diese Käuferschicht durch Ausbildung oder Familiengrün- dung oft nicht so viel Geld habe, wird auch gleich die passende Fi- nanzierung zum Boot angeboten: Ab 250 Euro pro Monat könnten junge Käufer mit dabei sein, sagt Spengler. Und in zehn Jahren – da kaufen dann die Varianta 18-Segler ihre erste „richtige“ Yacht. Natür- lich bei Hanse, so das Kalkül. Henrike Gänß, die Innenarchi- tektin, denkt noch nicht so weit nach vorn. Die 27-Jährige hat – von der Studienbank weg – bei ihrem ersten maritimen Designprojekt das Element Wasser kennen und lieben gelernt, auf einer kleinen, wendigen Kajüt-Segelyacht, die durchaus das Zeug hat, zu einem Klassiker für Einsteiger, Familien und junge Leute zu werden. Die kleine Yacht, deren äußere Gestalt mit dem offenen Heck, der großen Plicht und der kleinen Kajü- te eher einem Facelift des Dehler- Modells Rotkäppchen nahe kommt, hätte wohl auch Willi Dehler gefal- len. Der 1999 gestorbene Firmen- gründer legte vor mehr als 40 Jah- ren mit seiner Ur-Varianta G1 den Grundstein für ein neues Lebensge- fühl auf dem Wasser: Sein Boot war einfach gehalten, gleichwohl sport- lich zu segeln, preiswert und dazu per Anhänger zu transportieren. In- sofern ist die Varianta 18, zertifi- ziert für den Betrieb in der Zwölf- meilenzone vor der Küste, keine neue Idee. Aber eine gute. Die Dehler Varianta 18 bei einem ersten Probeschlag auf der Ostsee. Auffällig ist das geräumige Cockpit Henrike und die 10 000-Euro-Yacht Das Budget war knapp, deswegen ist der Innenarchitektin des neuen Volks-Bootes Dehler Varianta ein Trick eingefallen Erstlingswerk: Die 27-jährige Innenarchitektin Henrike Gänß hat die Einrichtung der Va- rianta 18 entworfen FOTOS: DEHLER YACHTS, MÜNCHEBERG

2009 henrike und die 10.000 euro-yacht

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innendesign fuer yachten: henrike gaenss gestaltete die neue dehler varianta 18

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Seite A6 DIE WELT Samstag, 5. Dezember 2009B o o t s Welt

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Von Matthias J.Müncheberg

Trifft ein Klassiker auf einejunge Wilde – nein, so ein-fach ist es nicht. HenrikeGänß (27) hat das neue

Boot nicht allein entworfen, dieWiedergeburt der legendären Deh-ler Varianta stammt von den Zei-chenbrettern des renommiertenKonstruktionsbüros Judel/Vrolijk.Doch die junge Innenarchitektinhat versucht, dem eher einfachenKunststoff-Bötchen so etwas wieSeele zu geben.

„In der neuen Varianta 18schwingt viel Poesie mit“, sagt Hen-rike Gänß. Von der herkömmlichenVarianta habe sie im Innenraum le-diglich die Idee des Segelns für alleübernommen, egal, ob es nun Fahr-ten- oder Regattasegler betrifft. An-sonsten blättert der Interessent, an-gelockt vom extrem niedrigen Ein-standspreis von 10 000 Euro, durchden Katalog der Varianta 18 undfühlt sich weniger wie im Boots-handel, sondern denkt an einschwedisches Einrichtungshaus:Zubehörteile sind mit lustigen Na-men versehen, etwa Slipi, Torqui,Biba, Mimi, Kobo und Gazper. Alleskostet extra, das ist der Trick, umden Preis zu halten. Dennoch zieltDehler, im April erst von HanseYachts übernommen, mit den aus-gefallenen Begriffen auf junge Käu-fer. Slipi – das bezeichnet bei derWerft ab sofort einen Autoanhän-ger, mit dem man die Varianta 18auch zu Wasser lassen (slippen)kann. Torqui meint einen Elektro-Außenborder von Torqueedo, Bibaist ein Sonnensegel, Mimis sindMittelschiffsmatratzen, die Einbau-

küche heißt Kobo, und Gazper istdie aktuelle Ganzpersenning fürden Hafen, von den Dehler-Leutenliebevoll Vogelscheuche genannt.

Bei der gerade zu Ende gegange-nen Bootsmesse Boot und Fun inBerlin, einer eher regionalen Veran-staltung, hat sich die Varianta 18zum ersten Mal dem Publikum ge-zeigt, und der stete Andrang amStand lässt die Mannschaft der vordem Aus geretteten Dehler-Yacht-werft hoffen. Mit dem nur 5,75 Me-ter langen, modernen Segelkreuzer(Länge Wasserlinie 4,78 Meter) sollim sauerländischen Meschede-Freienohl wieder Geld verdientwerden, außerdem will man den

hart umkämpften Kleinboot-Marktaufmischen. Die Chancen dafür ste-hen gut, schon wegen des weithinbekannten Namens des neuen Pro-duktes. Das Wort Varianta knüpftan das bis 1982 rund 4250-mal ver-kaufte Erfolgsmodell der nord-rhein-westfälischen Werft an. Dochmit dem 6,40 bis 6,50 Meter langenKielschwerter älteren Typs, der esals nationale Einheitsklasse nachwie vor auf 30 Ranglistenregattenpro Jahr bringt, hat der neue Deh-ler-Wurf nicht viel gemein.

Die völlige Neuartigkeit des Ju-del/Vrolijk-Risses war es dennauch, welche die Klassenvereini-gung der schon bestehenden Vari-

antas dazu veranlasste, sich vondem Boot zu distanzieren. „DerNeubau besitzt einen Festkiel undist schon deshalb aus Regattasichtnicht mit den älteren Variantas mitKielschwert zu vergleichen“, sagtder für Technik zuständige BjörnHartz, Klassenobmann der FlotteRatzeburg. „Schade, dass nicht einanderer Name für die neue Yachtverwendet wurde.“ So könne esschnell zu Missverständnissenkommen, bedauert Hartz.

Dehler stört das nicht, man willmit der Varianta 18 an das Konzepteiner kleinen Yacht anknüpfen, diegegen Aufpreis mit einem Genna-ker (großes Vorsegel) schneller ge-

macht werden kann. So lässt sichdas Boot sowohl für gemütlicheFahrten als auch bei Regatten ein-setzen. „Mit einem kleinen Bootwie der neuen Varianta 18 betrittdie Hanse Group Neuland“, sagtJörn Bock von der GreifswalderMutterwerft. Doch sei ihm die Pro-duktion dieser kleinen Yacht eineHerzensangelegenheit. „Wir hof-fen, dass der kleine Kreuzer positivvom Markt aufgenommen wird unddie bestehenden Varianta-Typengut ergänzt“, sagt Segler Bock. Da-für spricht zum einen der Preis dernur 750 Kilogramm (davon entfal-len 240 Kilogramm auf den Ballast)schweren und mit 24 Quadratme-

tern Segelfläche überdurchschnitt-lich betuchten kleinen Yacht, dernach Werftangaben bei weniger als10 000 Euro liegt (segelfertig, aberohne Antifoulinganstrich des Un-terwasserschiffes). Zum anderenfinden tatsächlich zwei Erwachse-ne und zwei Kinder genug Platzzum Schlafen an Bord – wenn mansich lieb hat und Nähe kein Pro-blem ist.

„Das Boot geht komplett ausge-stattet nach Hause für dreizehn- bisfünfzehntausend Euro“, schätzt derfür den Verkauf zuständige JanSpengler. Dann sind auch Torqui,Mimi, Biba und Co. mit an Bord,und auch für einen geeigneten An-

strich, Festmacherleinen, Fenderund einen Anker ist dann gesorgt.Mit dem Boot wolle Spengler vorallem junge Leute vom Surfshopoder der Jollenschule abholen. Undda genau diese Käuferschicht durchAusbildung oder Familiengrün-dung oft nicht so viel Geld habe,wird auch gleich die passende Fi-nanzierung zum Boot angeboten:Ab 250 Euro pro Monat könntenjunge Käufer mit dabei sein, sagtSpengler. Und in zehn Jahren – dakaufen dann die Varianta 18-Seglerihre erste „richtige“ Yacht. Natür-lich bei Hanse, so das Kalkül.

Henrike Gänß, die Innenarchi-tektin, denkt noch nicht so weitnach vorn. Die 27-Jährige hat – vonder Studienbank weg – bei ihremersten maritimen Designprojektdas Element Wasser kennen undlieben gelernt, auf einer kleinen,wendigen Kajüt-Segelyacht, diedurchaus das Zeug hat, zu einemKlassiker für Einsteiger, Familienund junge Leute zu werden.

Die kleine Yacht, deren äußereGestalt mit dem offenen Heck, dergroßen Plicht und der kleinen Kajü-te eher einem Facelift des Dehler-Modells Rotkäppchen nahe kommt,hätte wohl auch Willi Dehler gefal-len. Der 1999 gestorbene Firmen-gründer legte vor mehr als 40 Jah-ren mit seiner Ur-Varianta G1 denGrundstein für ein neues Lebensge-fühl auf dem Wasser: Sein Boot wareinfach gehalten, gleichwohl sport-lich zu segeln, preiswert und dazuper Anhänger zu transportieren. In-sofern ist die Varianta 18, zertifi-ziert für den Betrieb in der Zwölf-meilenzone vor der Küste, keineneue Idee. Aber eine gute.

Die Dehler Varianta 18 bei einemersten Probeschlag auf der Ostsee.Auffällig ist das geräumige Cockpit

Henrike und die 10 000-Euro-Yacht Das Budget war knapp, deswegen ist der

Innenarchitektin des neuen Volks-Bootes

Dehler Varianta ein Trick eingefallen

Erstlingswerk: Die 27-jährigeInnenarchitektin Henrike Gänßhat die Einrichtung der Va-rianta 18 entworfen

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