5
28 Süddeutsche Zeitung Magazin Suter und sein wichtigster Mann, José, sind zufrieden mit der Ausbeute. In der Hand hält Suter eine Art Kamm, damit kann man die Oliven am besten vom Baum rupfen. Rechts: das Haus der Familie. Neulich im Oliven- hain Martin Suter ist der erfolg- reichste Autor der Schweiz, lebt teilweise in Guatemala und baut auf Ibiza Wein und Gemü- se an. Wie kommt man bei so einem Leben überhaupt zum Arbeiten? Ein Besuch zur Olivenernte VON MAX FELLMANN FOTOS: RICARDO CASES

2012-46 Olivenhain

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Olivenernte mit Martin Suter

Citation preview

  • 28 Sddeutsche Zeitung Magazin

    Suter und sein wichtigster Mann, Jos, sind zufrieden mit der Ausbeute. In der Hand hlt Suter eine Art Kamm, damit kann man die Oliven am besten vom Baum rupfen. Rechts: das Haus der Familie.

    Neulich im

    Oliven- hain

    Martin Suter ist der erfolg-reichste Autor der Schweiz, lebt teilweise in Guatemala und

    baut auf Ibiza Wein und Gem-se an. Wie kommt man bei so einem Leben berhaupt

    zum Arbeiten? Ein Besuch zur Olivenernte

    Vo n M a x f e l l M a n n

    f o to s : r i c a r d o c a s e s

  • 30 Sddeutsche Zeitung Magazin

    Es ist, natrlich, eine Frage der Leidenschaft. Zehn Romane hat Martin Suter geschrieben, seine Sprache ist immer knapp und przise, bei jedem Satz prft er, was man noch krzen knnte. Aber beim Thema Essen tanzen ihm die Worte davon. Keine sei-ner Figuren wrde einfach einen Teller Nudeln essen, die wrfeln Zwiebeln mit schweren Messern, streuen seltene Salze, gieen erle-sene le in gusseiserne Pfannen.

    Suter liebt Essen. Er kocht selbst gern. Und rund um sein Haus auf Ibiza baut er so viel wie mglich an, Oliven, Gemse, Wein. Von dem Mann ein bisschen was ber gutes Essen, Landwirtschaft und feines l zu lernen, das knnte Spa machen. Da passt es gut, dass er Ende Oktober Helfer fr die Olivenernte sucht. 35 Hel- fer sind es schlielich. Freunde, Nachbarn, Bauern aus der Ge-gend. Und ich.

    Auf dem Weg zu seinem Haus zeigen Plakatwnde an der Landstrae das absurde Ibiza: Werbung fr Botox-Kliniken, Dentallabors, Groraumdiscos und Star-DJs. Dann biegt man eine Viertelstunde auerhalb der Hauptstadt rechts ab, lsst sich

    auf Feldwegen durchschtteln, muss ein paar Mal die rich- tige Abzweigung erwischen, und pltzlich ist man ganz weit weg von allem, mitten in der Stille. Niedrige Steinmauern, karge Felder, halb vertrocknete Bume. Morgens um neun, nur der Wind rauscht, ein paar letzte Grillen sirren leise. Der Himmel spannt sich blau und wolkenlos ber dem Haus, das hinter einem schweren, metallenen Tor mitten im Nirgendwo auftaucht.

    Suter steht schon drben bei den Bumen. Er begrt mich hflich und drckt mir etwas in die Hand, das aussieht wie ein gelber Spielzeugrechen. Damit kmmt man die ste wie dicke Haarstrhnen. Geht nicht anders,

    die Oliven sind gerade erst reif ge-nug, sitzen also noch ziemlich fest. Meine erste Frage entlarvt mich als totalen Laien: Ginge das nicht spter leichter? Suter sagt: Ja, dann muss man den Baum nur noch schtteln. Es gibt dafr so-gar Schttelmaschinen. Viele Bau-ern glauben, dass die Oliven sp-ter mehr l ergeben. Dabei wird aber nur ihr Wasseranteil kleiner und dadurch der lanteil relativ zum Gesamtgewicht grer. Ab-solut bleibt er gleich, und das l ist eher schlechter.

    Die andere gngige Methode: warten, bis die Oliven von selbst fallen. Aber einmal am Boden, beginnen sie zu oxidieren, das macht sie sauer. Bei weniger als einem Prozent Sureanteil darf

    EWichtiger Tipp fr Anfnger Ab und zu das Netz schtteln, damit man nicht stndig in der Ernte rumtritt.

    Sddeutsche Zeitung Magazin 31

    man das l virgen extra nennen, das ist die hchste Qualittsstufe. Wir verarbeiten die Oliven ein paar Stunden nach der Ernte und schaffen weniger als 0,3 Pro-zent. Ich merke mir: ab jetzt den Wert immer auf der Flasche nachschauen. Suter ist zufrieden mit seinen Oliven, er lacht ver-gngt. Ein Bubenlachen. Man sieht ihm seine 64 Jahre an, aber wenn er von seinem l spricht, wird er zwanzig Jahre jnger.

    Der Bestseller-Autor im Oli-venhain, das klingt natrlich nach Besserverdiener-Romantik. Es gibt ja viele, die an Suter rum-nrgeln. Ein Leichtgewicht sei er, ein bloer Unterhalter. Ein ehe-maliger Werber, der auf Ibiza das schne Leben geniet, was soll

    der schon fr Bcher schreiben? Gehrt der nicht in Frauenzeit-schriften? Mir ist das egal, ich mag ihn. Ich mag seine Bcher, ich mag seine Sprache, den Witz sei-ner Kolumnen. Die Romane, vor allem die ersten vier, sind gro-artig, weil sie eben nie so tun, als msste alles, ach Gott, hchste Hochliteratur sein. Suhrkamp-sches Gedankenmandern inte-ressiert ihn nicht. Die Ameri- kaner, die Englnder, nirgends wrden sie ber einen wie ihn berhaupt gro streiten. Der Mann schreibt gute Bcher, fertig.

    Um uns herum kmmen und rupfen 35 gut gelaunte Helfer. Das hat weniger was von harter Arbeit, eher: ein nettes gemein-sames Projekt. Martin Suter mit-

    Gut zu wissen Schwarze Oliven sind auch nichts anderes als grne. Sie sind nur ein Stckchen reifer.

    Der Hausherr

    Suter, Jahrgang 1948, gebrtiger Zrcher, ist der erfolgreichste Schweizer Schriftsteller der Gegenwart. Er war viele Jahre lang Werbetexter und Creative Director, nebenher schrieb er Drehbcher, Reportagen und Kolumnen.

    Mit Ende vierzig verffentlichte er seinen ersten Roman, Small World (erfolgreich mit Grard Depardieu verfilmt), es folgten Bestseller wie Die dunkle Seite des Mondes, Lila, Lila

    oder Der Koch. Gerade ist sein Roman Die Zeit, die Zeit erschienen. Wenn man Suter darauf anspricht, dass in vielen Buchhandlungen sein Verlag, Diogenes, ein eigenes Regal hat, das irgendwo zwischen Unterhaltungsliteratur

    und gehobener Belletristik steht, lacht er und sagt, genau da fhle er sich am wohlsten.

  • 32 Sddeutsche Zeitung Magazin

    tendrin, kleiner, als er auf seinen Pressefotos wirkt. Steht da mit etwas hngenden Schultern, und immer wieder gibt es Momente, in denen er pltzlich verharrt. Schweigt. Beobachtet. Man denkt, er sei irgendwie in Gedan-ken, aber nach einiger Zeit wird klar: Er schaut zu. Vielleicht spei-chert er Bilder im Kopf. Wie die Nachbarin Maria mit beiden Hnden im Baum whlt. Wie sei-ne kleine Tochter Ana bermtig ber die Terrasse tnzelt. Wie Aire, die Kchin, Gemse schnei-det. Vielleicht kann er das irgend-wann mal fr ein Buch brauchen.

    Die Sonne steigt, der Morgen wird zum Vormittag. Jos kommt vorbei. Ein gemtlicher Mann um die sechzig, sonnengertetete Haut, runder Weintrinkerbauch, weie Schiebermtze. Er ist der

    eigentliche Chef, ein Bauer von nebenan, der fr Suter den Hof schmeit. Suter wrde sich nie als Experten bezeichnen. Vor Jahren gab es mal ein TV-Portrt ber ihn, in dem fiel der Begriff Gentle-man Farmer. Darber rgert er sich heute noch. Ich wurde ge-fragt, ob ich mich als Farmer sehe. Aber ich habe ja keine Ahnung von Landwirtschaft, ich meinte scherzhaft: Bei mir reicht es hchs-tens zu so einem, der im guten Anzug ber seine Felder luft und schaut, was die echten Land-wirte machen. Zur Olivenernte trgt er keinen Anzug, stattdessen schwere, nicht ganz billige Leder-schuhe, eine sandfarbene Leinen-hose, eine braune Lederjacke, die er der Hitze wegen bald ablegt. Er knnte gerade einer Fitzgerald-Erzhlung entstiegen sein. >>

    Kamm man hier noch was helfen? Suter hat 35 Helfer, aber er rupft die Oliven auch gern selbst vom Baum.

    Martin Suters Olivenpaste

    300 g eingelegte Oliven, entsteint100 g gerstete ungesalzene Mandeln

    2 EL Olivenl virgen extra1 Prise Thymianblten

    Zitronensaft nach BeliebenPfeffer aus der Mhleungesalzenes Brot

    Oliven, Mandeln, l und Thymian in den Mixer geben und darin sehr kurz hacken, nicht prieren.

    Mit Zitrone und Pfeffer abschmecken. Salz ist in der Regel nicht ntig, da die eingelegten

    Oliven salzig sind.

    Brot in dnne Scheiben schneiden und knusprig toasten.

    Toastscheiben mit der Paste bestreichen, diagonal halbieren und servieren.

    Sddeutsche Zeitung Magazin 33

    Nein, diese Frau ist nicht drei Meter gro. Manch-mal gehts nicht ohne Leiter, auch wenn Suter auf buschig wachsende Olivenbume setzt, die eher nicht so hoch werden.

  • 34 Sddeutsche Zeitung Magazin

    Wir stapfen zwischen den Bumen hindurch, die rote Inselerde, feucht von der Nacht, bleibt in dicken Klumpen am Schuhprofil hngen, man geht wie mit Betonfen. Gleich die nchste Laien-Frage: Wa-rum soll Olivenl immer kalt ge-presst sein? Martin Suter ist ein wirklich hflicher Mann, er lacht mich nicht aus, sondern erklrt es mir in aller Ruhe (er spricht sehr langsam, immer). Das bedeutet, man gibt die Oliven in die Presse, presst sie einmal, und fertig. Eine ehrliche Sache. Bei der weiter ver-breiteten Technik giet man da-nach die Rckstnde mit heiem Wasser auf und presst den Brei noch mal. So machen das viele Bau-ern, die auf die Menge angewiesen sind. Das Ergebnis ist natrlich lang nicht so gut.

    Stille Wasser Suter hat einen Teich angelegt, in dem man auch baden darf (die Kois haben nichts dagegen).

    Martin Suters Col con Carne

    1 mittelgroer Weikohl oder Wirsing, 34 groe Zwiebeln,1,5 kg mageres Rind- oder Lammfleisch, gewrfelt, Salz und Pfeffer aus der Mhle,

    1 Bund frischer Koriander, 500 g eingelegte Oliven, halbiert und entsteint, 300400 ml Wasser, 68 mittelgroe Kartoffeln, 3 EL Olivenl virgen extra

    Kohl entblttern, Bltter waschen, Blattrippen herausschneiden. Zwiebeln schlen, lngs halbieren und in grobe Halbringe schneiden. Den Boden eines gusseisernen Kochtopfs mit einer Schicht Zwiebeln und Kohlblttern bedecken. Ein Drittel des Fleisches darber

    verteilen. Leicht salzen und pfeffern, ein Drittel der Korianderbltter und der Olivenhlften dar-berstreuen. Eine weitere Schicht Zwiebeln, Kohl und Fleisch darauf geben. Wieder salzen und pfeffern, Koriander und Oliven zugeben. Die dritte Schicht auf die gleiche Art einlegen und mit Kohlblttern abschlieen. Das Wasser zugeben und zugedeckt kurz aufkochen,

    dann auf kleiner Flamme ziehen lassen. Nach 1,5 Stunden die ungeschlten Kartoffeln den Topfrand entlang hineingeben. Olivenl beifgen, Topf wieder zudecken und weiterkcheln

    lassen, bis die Kartoffeln gar sind. Die Suppe als Vorspeise servieren, die Kohlfleisch- Portionen mit einem groen Lffel bis zum Topfboden abstechen.

    Tipp: Man kann den Kohl auch vorher blanchieren, damit der Topf nicht zu voll wird.

    Sddeutsche Zeitung Magazin 35

    Am Rand des weitlufigen Grund-stcks steht Suters Haus. Seine Frau Margrith hat es entworfen, sehr gro, aber schlicht, ineinanderge-schobene Wrfel mit klaren Kan-ten, Bauhaus-Einfluss, khle Stein-flchen, kleine Fenster, damit nicht zu viel von der sdspanischen Hitze reinkommt. Im Wohnzimmer ein gewaltiger Tisch, an dem locker 15 Leute essen knnen, eine groe of-fene Kche. Die Suters haben eine Haushlterin, ab und zu hilft eine Kchin, wenn Besuch im Haus ist.

    Ein gutes Leben? Ja. Ein An- geberleben? Nein. Hier erinnert nichts an Grnwalder Villen. Luxu-ris leben, trotzdem bescheiden sein, das geht. Statussymbole inte-ressieren Suter berhaupt nicht. Dafr gut gearbeitete Schuhe. Her-vorragendes Essen. Edle Weine. Aber teure Autos, mit denen man an der Promenade von Ibiza-Stadt imponieren kann? Ach was. Er hat einen Familienwagen. Das Einzige, was ich wissen will, ist: Wie sicher ist darin meine Tochter? Zwischen zwei und drei Millionen Bcher soll Suter verkauft haben. Aber als seine Frau und er das Grundstck vor 15 Jahren kauften, bauten sie nur ein winziges Steinhaus, zwei kleine Zimmer. Jahrelang bekamen sie keine Baugenehmigung fr ein greres, also lebten sie auf den paar Quadratmetern. Suter schrieb seine Romane im Schlafzimmer.

    Jos kommt vorbei und hebt grinsend den Daumen: viele Oliven diesmal. Am Schluss werden es 1281 Kilo sein. Wichtig ist vor allem, dass man ber 1000 Kilo kommt. Es gibt auf Ibiza eine einzige Oliven-Zentri-fuge (schneller und besser als die klassische Presse), aber unter 1000 Kilo wird sie nicht angeschmissen. Frher musste Suter mit anderen Bauern zusammenwerfen. Wahr-scheinlich wei es lngst jeder auer mir, aber ich lerne jetzt: am besten l von einzelnen Bauern kaufen, nicht von einer Kooperative. Wir haben immer sehr zurckhaltend gespritzt. Beim Zusammenwerfen wei man aber nie, wie die anderen ihre Oliven behandeln.

    Irgendwann ging es dann ohne die anderen Bauern. Man muss eben durchhalten. Beim Stichwort Durch-

    halten kommen Suter und ich auf ein ganz anderes Thema. Er hat mal in einem Interview erzhlt, dass er jahrelang versucht hat, religis zu werden. Wie geht das? Man kann es ja nicht trainieren. Ich habe einen Priester gefragt, wie ich das machen soll, sagt er, der meinte: Tun Sie einfach erst mal so, als ob. Der Glau-be kommt dann von selbst. Er kam nicht. Und als unser Sohn starb, war er ganz weg. Er schaut jetzt mde aus. Ana hatte einen Bruder, Toni, die Suters haben die beiden vor sechs Jahren in Guatemala adop-tiert. Vor drei Jahren erstickte Toni beim Essen, seitdem wird Suter in absolut jedem Interview gefragt, wie er damit umgeht, zigmal hat er das schon erzhlen mssen. Lassen wir ihn damit jetzt mal in Ruhe.

    Reden wir lieber darber, wie er in diesem Paradies berhaupt zum Arbeiten kommt. Die meisten Men-schen wrden sich hier entspannt auf eine Steinmauer setzen und in den Himmel schauen. Suter sagt: Ich warte nie auf Inspiration, ich setze mich morgens an den Schreib-tisch und arbeite. Oft tippe ich, was ich gedanklich zu fassen versuche sonst denke ich zu chaotisch.

    Suter arbeitet in einem schmuck-losen Eckzimmer im ersten Stock, an einem Art-dco-Schreibtisch. Das kleinste MacBook Air, ein normaler Esstischstuhl. Auf dem Schreibtisch Papier, Rechnungen, Durcheinander. Man kme nicht auf die Idee, dass hier Romane entstehen. An den Wnden ungeordnete Stapel seiner Bcher. Er lacht, ich kriege bei jeder neuen Auflage sechs Belegexemplare geschickt, wohin damit? An diesem Tisch macht sich Suter eine genaue Struktur fr sein nchstes Buch, es wird der dritte Krimi der Allmen-Reihe. Erst wenn der Plan steht, be-ginnt er zu schreiben. Klingt gar nicht so romantisch. Warum auch?, fragt er. Schreiben ist Arbeit.

    Die Landwirtschaft ist das Hob-by. Ein Zuschussgeschft. 35 Helfer, je vier Stunden zu 12,50 Euro, dazu die Arbeit der Zentrifuge, die lau-fenden Kosten bers Jahr, Joss Be-zahlung Suter kommt auf mehr als 6000 Euro Kosten fr 300 Liter l. Das meiste verschenkt er, ab und zu verkauft er eine Flasche, dann

  • 36 Sddeutsche Zeitung Magazin

    Geschafft Nach der erfolgreichen Ernte gibts Brotzeit fr alle (sehr gut brigens auch: die Granatapfelkerne vorne links).

    Sddeutsche Zeitung Magazin 37

    nimmt er zwanzig Euro fr den Li-ter, Selbstkostenpreis. Natrlich ist das eine absurde Form von Land-wirtschaft. Aber ich glaube: Wenn es Leute wie mich nicht gbe, dann lge auf Ibiza vieles brach. Die klas-sische Landwirtschaft lohnt sich fr viele gar nicht mehr.

    Die Suters haben dieses Haus, dazu einen Wohnsitz in Zrich und ein Haus in Guatemala. Dort, schn warm, haben sie bisher die Winter-monate verbracht. Abends beim Es-sen (Salat mit Avocados und Granat-apfelkernen, katalanische Suppe mit Lachs und Artischockenherzen) wird Suter erzhlen, dass sie lang nicht mehr da waren. Die Krimina-litt wird immer schlimmer, auch in dem Ort, wo die Suters leben, haben jetzt die Narcos, die Drogenkartelle, das Sagen. Die Suters hatten vor vie-len Jahren mal einen Gerichtsstreit mit einem Mann, der sie um Geld betrogen hatte. Heute ist er in dem guatemaltekischen Ort der rtliche Vertreter der Narcos. Suter zeigt mir Fotos, die man ihm gemailt hat, darauf zeigt sich der Kerl mit ge-kreuzten Pistolen. Wir wagen uns da im Augenblick nicht mehr hin, sagt Suter, mit unserer Tochter wrden wir uns dort sehr exponiert fhlen.

    Er wei nicht, wie es weitergehen soll. Er hofft, dass sich die Lage wie-der bessert. Das Haus aufzugeben kann er sich nicht vorstellen. Vor allem wegen der Menschen, die dort von ihm abhngig sind. Grtner, Hausangestellte. Meine Vorstellung war immer: Wenn man als wohlha-bender Europer nach Guatemala kommt, muss man dort Jobs schaf-fen. Den Leuten helfen. Aber was, wenn wir unser Haus aufgeben . . ? Vorerst bleibt Suter auf Ibiza.

    Zurck zum Mittag. Nach vier Stunden ist die Ernte geschafft, frher, als alle erwartet hatten. Die Sonne heizt das Land auf, ein sptes Gefhl von Sommer im Oktober. Auf einer kleinen Mauer richtet Aire, die argentinische Kchin, das Essen fr die Helfer her, verschie-dene Sorten Brot, Kse, scharfe Cho-rizo, eingelegte Oliven. Suter erklrt Aires Olivenrezept: Sie wickelt sie mit grobem Meersalz in ein Hand-tuch, das sie ber einen Eimer hngt. Das Salz entzieht den Oliven das

    Wasser, es tropft ab, bis die Oliven klein, schrumplig und herrlich sal-zig sind und dann legt Aire sie in frisches Olivenl ein. Schmeckt wahnsinnig gut, ich muss das aus-probieren, wenn ich das nchste Mal im Sden Urlaub mache.

    Martin Suter holt ein paar Fla-schen Wein, auch den baut er selbst an, rund 1200 Liter im Jahr. Der 11er-Jahrgang seines Monastrell ist sehr gut geworden, ein sanfter Rot-wein, auf den er ein bisschen stolz ist. Suter verkauft ihn nicht, aber zum Abendessen serviert er spter eine groartige Alternative: einen Wein aus Jumilla, einem Anbauge-biet bei Murcia. Er heit Altico Sy-rah, man kriegt ihn auch in Deutsch-land, ein Wein, so weich, dass man am liebsten darin schlafen wrde.

    Jeder Helfer kriegt fnfzig Euro fr vier Stunden Arbeit, gutes Geld, fr Ibiza sogar sehr gutes. Suter grinst und murmelt: Es gibt doch nichts Dooferes als knauserige Lh-ne, oder? Dann verwandelt sich der Arbeitstag in eine Art Familienfeier, die Helfer essen, trinken, plaudern, spanisch, hochdeutsch, schwedisch, rumnisch. Alte Bauern aus der Um-gebung, Schweizer Freunde, junge Deutsche, die im Sommer Batik- tcher verkaufen, spanische Hippies. Ein etwas zerzauster Hollnder, den irgendwer mitgebracht hat, erzhlt, dass er erst seit ein paar Wochen auf der Insel ist, sich aber genau heute entschlossen hat zu bleiben.

    Suter steht inmitten seiner Hel-fer, wiegt ein paar Oliven in der Hand, schaut zu, lchelt schweigend. Autoren und ihre Figuren zu verglei-chen ist natrlich verboten, aber gerade erinnert er ein bisschen an seinen Weynfeldt, den Mann, der still zahlt und den anderen zufrieden bei ihrem Treiben zusieht.

    Dann sagt der rotbackige Jos etwas zu ihm, breites Spanisch, ich verstehe kein Wort. Suter dreht sich um, nickt, es ist, als wrde er aus der Ruhe des Beobachters aufwachen. Er lchelt. Zwanzig Jahre jnger.

    m a x F e l l m a n n ist es manchmal ein wenig peinlich, dass er Comedy-Serien wie 30 Rock und How I Met Your

    Mother schtzt. Mit Erleichterung sah er, dass auch in Suters Wohnzimmer genau diese DVDs stehen.