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THE CUTTING EDGE Wie viele Gänge hat die Zukunft? Eine Publikation der ANGER MACHINING GmbH

2012 The Cutting Edge by Anger Machining

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Wieviele Gänge hat die Zukunft? Eine Publikation der Anger Machining GmbH

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Wie viele Gänge hat die Zukunft?

E i n e P u b l i k a t i o n d e r A N G E R M A C H I N I N G G m b H

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Und im Endeffekt nennt man so wasdann Premium ...Ein Gespräch mit Joachim Eisenhut von ZF Seite 12

Anton AngerSein Name steht auf unseren Maschinen Seite 16

Wir liefern dem Goldschmied seinen HammerWie wir unsere Maschinen sehen Seite 17

Und so sieht er ausEine Produktdarstellung Seite 18

Der Stand der DingeNotizen zur EMO Seite 20

Ausgezeichnete ArbeitDer österreichische Staatpreis für Innovation Seite 22

ZukunftsoptimiertBetrachtungen zur Energieeffizienz Seite 24

„Die Energiekosten sind bereits höher als die Werkzeugkosten.“Wie Prof. Dr. Ing. Eberhard Abele die Dinge sieht Seite 25

Also müssenwir uns Maschinen-bauer als glück-liche Menschen vorstellen Universitäre Zusammenarbeit. Forschung und Entwicklung Seite 28

Wenn die Blüten zur Biene kommen ...Die Idee des Transferzentrums Seite 4

Sieht alt ausWas hat sich denn im Maschinenbau geändert? Seite 6

The Art of PartsTechnische Teile einmal anders betrachtet Seite 8

HeinrichshöheDas Volkswagenwerk bei Kassel Seite 10

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Von der Brillenmaschine 1982 zur Doppelbearbeitung von Motorblöcken. Eines haben all die unterschiedlichen Anwendungen im Wandel der Zeit gemeinsam: die Präzision und das Maschinenprinzip.

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Erfolg durch konsequente Ausrichtung auf Veränderung

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Lasst uns Maschinen bauen Die aktuelle Frage: Gibt es zu wenig Nachwuchs für die Branche? Seite 30

Österreich und die AutosEine kurze, historische Betrachtung Seite 32

Ab morgen MotorenANGERs nächster Schritt – in die Königsklasse Seite 33

Knight MovesDetroit einmal anders betrachtet

Seite 34

Anfang statt EndeEin Projekt in Kokomo, Indiana

Seite 36

Alles im Leben kommt zurückDie Renaissance des Mehrspindelkopfs Seite 38

SplitterImpressum und mehr Seite 39

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

hier liegt nun die erste Ausgabe einer Zeitung vor, die wir für alle Kunden, Mitarbeiter, Geschäfts- und Branchen-kollegen, für Interessenten und Freunde des Hauses gemacht haben. Sie erscheint anlässlich der EMO 2011, hat die Aufgabe, unser Unternehmen darzustellen und soll auch ein Ausblick sein, auf das, was kommen wird. Deshalb tauften wir sie „2012“. Die erfolgreiche Entwicklung unseres Unter-nehmens in den letzten Jahren hat seinen Ursprung in der Veränderung. Es ist Tradition bei ANGER, neue Wege zu gehen, neue technische Lösungen zu suchen, um die industrielle Fertigungsproduktivität immer wieder ein Stück voranzubringen. Von den ursprünglichen Brillenbearbeitungs-maschinen haben wir die Technologie im Laufe der Jahre zu Lösungen für komplexe automotive Präzisionsteile weiterentwickelt. ANGER schreibt seit 30 Jahren, seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1982, eine immer-währende Geschichte der Veränderung. Nur so konnte das Unternehmen bestehen und gilt heute international als anerkannter innovativer Lösungsanbieter für die Metallbearbeitung in der Serienfertigung.

ANGER im Kreis der besten Maschinenbauunternehmen

In Anbetracht des bevorstehenden Jubiläums blicken wir mit großer Freude auf die positive Entwicklung der letz-ten Jahre zurück. Auf die Freude, dass es uns mit unseren Anstrengungen gelungen ist, die führenden Kunden in der Automobilbranche zufriedenzustellen, bestehende Be- ziehungen auszubauen und neue Kunden zu überzeugen. Wir sind stolz, in den Club der Besten auf-genommen worden zu sein. Für das entgegengebrachte Vertrauen sind wir sehr dankbar.

Gut gerüstet für die Zukunft

ANGER ist für 2012 solide aufgestellt. Seit 2006 verzeichnen wir eine durchschnittliche Wachstumsrate der Betriebs-leistung von 30 % per anno, selbst im Krisenjahr 2009. Für das Jahr 2011 erwarten wir sogar ein Wachstum von rund 50 %. Eine solide Ergebnis- und Kapitalstruktur sind der Erfolg unserer Neustrukturierung. Mit dem stufenweisen Ausbau und der Modernisierung unserer Betriebsliegenschaft haben wir die Voraussetzungen für weiteres Wachstum geschaffen. Die inzwischen auf rund 125 Mitarbeiter angewachsene Belegschaft wird ständig weitergebildet, der Ausbildungsgrad wird noch wei-ter steigen. Durch sorgfältiges Wachstumsmanagement und kontinuierliche Entwicklung der Organisation und der Prozesse ist es gelungen, die Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und Kreativität der Führungskräfte und der Mitarbeiter deutlich zu heben und zu bündeln. Der Österreichische Staatspreis für Innovation 2011 ist dafür eine hohe Auszeichnung und gleichzeitig betrachten wir es als einen Auftrag, diesem Preis auch weiterhin gerecht zu werden.

Wachstumskurs nachhaltig weiterführen

In unseren Kernmärkten Europas und Nord Amerikas setzen wir auf die konsequente Weiterentwicklung unserer Prozesslösungen. Produktiver, flexibler, ökologischer und schneller geliefert – so lautet die Zusammenfassung unserer Bemühungen. Die bereits 2007 eingeschlagene Strategie der Konzentration auf hochwertigste Getriebe und Motorteile wird weiter ausgebaut. Nach erfolgreichen Installationen und weltweit beachteten Beauftragungen in diesem anspruchs-vollen Segment kommen bei ANGER für Motorblock, Zylinderkopf, Bed Plate, Ventilsteuergeräte, Getriebe- gehäuse und dergleichen nun intelligente neue Konzepte zur Anwendung. Unter anderem auch in innovativen Kooperationsmodellen mit anderen Maschinenherstellern. Großes Potenzial hat die neue hochflexible „ANGER HCXchange“ Maschine. Sie kommt im Zuliefersegment

zum Einsatz, überall dort, wo die Fertigung auf ver-änderte Anforderungen schnell reagieren muss, aber niedrigere Stückkosten als mit traditionellen BAZ erzielt werden müssen, um konkurrenzfähig anbieten zu können. In den USA bauen wir für unsere nordamerika-nischen Kunden 2011 eine sehr enge und kompetente Servicepartnerschaft mit Sitz in Cincinnati, Ohio, auf. Das mehrmonatige Training aller neuen ANGER Fachkräfte am österreichischen Stammsitz wird auch für eine steigende Zahl deutscher Servicetechniker aus unserer Service-Niederlassung in Karlsruhe durch- geführt. Umfangreiche Maßnahmen sind für die Optimierung unserer Wertschöpfungskette eingeleitet worden, um unsere Durchlaufzeiten zu reduzieren. Das Spektrum reicht hier von der Prozesssimulation über die Teilelogistik und neuen Projektsoftware Tools bis hin zur Modularisierung und Standardisierung der Steuerungsprogramme.

ANGER Technologie in BRIC-Staaten einführen

ANGER plant, in den nächsten Jahren die Erfolge in den größten Industrieländern wie Deutschland und den USA auch auf die Wachstumsmärkte auszudehnen. Das Kundenpotenzial der Transferzentrum Technologie ist um ein Vielfaches größer, als wir derzeit adressieren können. Mit der rasanten Entwicklung Chinas, Mexikos, Brasiliens und anderer Wachstumsmärkte werden wir diese Chancen nutzen. Neben Investitionen in Vertrieb und der Qualifizierung von Personalressourcen sehen wir es als große Herausforderung, die Maschinentechnologie an die Regeln und Möglichkeiten dieser Märkte anzupas-sen und neue technische Standards zu definieren. Überall dort, wo das Know-How in der prozess-sicheren Fertigung von hochpräzisen Teilen noch nicht ausreichend vorhanden sein wird, ist darüber hinaus die Produktionsunterstützung für das Erzielen hoher Effizienzgrade und Qualität entscheidend. Dabei spielen wir als Technologie- und Lösungs-lieferant eine wichtige Rolle.

Ausbau des Standorts Traun zur internationalen Know-how-Zentrale

Unsere Strategie ist es, das Stammunternehmen in Öster- reich zu einer Know-how-Zentrale auszubauen. Das um- fangreiche Bearbeitungsprozesswissen und die Engineering- Kompetenz für Bearbeitungsprojekte soll als Drehscheibe weltweit nutzbar gemacht werden. Der eigentliche Maschinenbau, die Beschaffung, die Automatisierung und auch spezifische Programmierung sollten je nach Kundenanforderungen und mit Realisierungspartnern auch an anderen Standorten eingerichtet werden.

Wir hoffen, Ihnen mit „2012“ eine interessante und anregende Lektüre geschaffen zu haben.

Wir freuen uns über Ihr Interesse und Ihr Feedback.

D. Bahn K. Dirnberger

Geschäftsführer und Eigentümer der ANGER MACHINING GmbH.

Klaus Dirnberger

Dietmar Bahn

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Die fleißige Biene erspart sich in diesem Fall das eifrige Herumschwirren, spart also Zeit und auch Platz. Sie kann sich wesentlich besser auf die einzelnen Blüten konzen-trieren und spart in Summe Arbeitskraft und Zeit. Das ist die Idee des Transferzentrums ANGER HCX. Das generisch als Transferzentrum Technologie bezeichnete System ist vom Prinzip her die logische Weiterentwicklung von hochproduktiven Transferlinien, die mit der immer bedeutender werdenden Flexibilität der Bearbeitungszentren kombiniert werden. Das Beste beider Welten, sozusagen. In besonders kompakter und daher Raum sparender Form stellt es ein Hochgeschwindigkeits-Bearbeitungssystem zur Verfügung, dessen wesentlicher Vorteil darin besteht, dass die Werkstücke auch zum Werkzeug kommen und nicht nur umgekehrt.

„Das ist mit Sicherheit die Zukunft“, sagt der anerkannte Universitätsprofessor und Produktionsforscher Eberhart Abele an anderer Stelle (siehe Seite 25). Der Wissenschaftler sieht darin eine „vom Grundansatz revolutionäre Technologie – nämlich das Teil zu handhaben und nicht nur das Werkzeug!“ In der Geschichte des Maschinenbaus, also seit mehr als 80 Jahren, werden immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das Werkstück. Und nun muss man – so Eberhard Abele weiter – der Industrie und den Fertigungsplanern vermitteln, dass damit günstigere Konzepte erstellt wer-den können!

Genau das wollen wir an dieser Stelle tun.

Die bis zu 70 % unproduktive Nebenzeit, in denen wegen Werkzeugwechsel in einem BAZ keine Späne gemacht werden, reduziert das Transferzentrum radikal. Für jede

Bearbeitung sind fest stehende Spindeln vorgesehen, meist Mehrspindelköpfe, die sogar bis zu 60 Bohrungen auf einen Hub durchführen. Die Werkstücke werden durch eine Spannvorrichtung CNC-gesteuert von Bearbeitung zu Bearbeitung bewegt. Verglichen mit BAZ-Linien bedeutet das 3-facher Output, halber Flächenbedarf, halbe Wartungskosten über die Lebenszeit, 30 % weniger Energieverbrauch.

Das erweiterte, auf noch mehr Flexibilität und Wirt-schaftlichkeit abzielende Konzept HCXchange basiert auf der bereits ausgereiften Architektur von HCX, die bei verschiedensten Premiumkunden in der Auto-mobilindustrie sehr erfolgreich im Einsatz ist. Erweitert wurde diese Technologie nun um ein variabel positionierbares Werkzeugwechselsystem, das bis zu 2x2 Hauptspindeln und Wechseleinheiten möglich macht. Die Grundmaschine beinhaltet also entweder ein oder zwei Doppelspindler. Zusätzlich aber können die bekannten ANGER Vorteile genutzt werden. Das heißt, dass Mehrspindelköpfe in allen Ausprägungen für die simul-tane Mehrfachbearbeitung, fix montierte HF-Spindeln für sehr hohe Genauigkeiten oder mit Spezialwerkzeugen, Kronenrevolverköpfen und Werkzeugwechseleinheiten in ein und demselben Maschinenraum kombiniert werden. Und zwar gleichzeitig. Die stabile Position des Werkzeugs – bei sich bewegendem Werkstück – macht einen hauptzeitparallelen Werkzeugwechsel möglich. Und zwar zwischen Haupt-spindel und anderen Spindeleinheiten. So werden die Netto-Taktzeiten deutlich verringert, ohne die Spindeln beim Abbremsen oder Beschleunigen so stark zu bean-spruchen, wie es beim konventionellen BAZ der Fall ist. Change bezeichnet also nicht nur den Wechsel des Werkzeugs, sondern auch die Haltung, die dahintersteht. Change stellt den nächsten Schritt zur noch effizienteren und damit wirtschaftlicheren Bearbeitungs-Technologie dar. Der Name dieses innovativen Maschinentyps ist deshalb HCXchange.

Wer immer nur das tut, was er schon kann, wird auchimmer das bleiben, was er ist.

Das sagte schon Abraham Lincoln.

Wenn die Blüten zur Biene kommen, ist das ein Transferzentrum.

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Ist es auch. Fotografiert irgendwann in den letzten 80 Jahren – ganz salopp ausgedrückt. „Etwa 80 Jahre lang wurden in der Industrie immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das Werkstück.“ Das ist eine Aussage von Eberhard Abele. Und dann: „Jetzt kommt jemand, der plötzlich auch das Werkstück handhabt. Im Grundansatz eine revolutionäre Technologie.“Dafür steht dieses wunderbare Dokument amerikanischer Industriegeschichte. ANGER gab es noch nicht, als Schlosser und Werkzeugmacher Alex Tiebs hier im berühmten Ford-Werk am Roten Fluss – dem River Rouge Complex – fotografiert wurde. Es war ein weiter Weg von den ursprünglichen Fließbändern des Henry Ford zur heutigen Produktionstechnologie. Und trotzdem blieben einzelne Prozesse im Prinzip unangetastet. Eigentlich ist es sehr überraschend, dass es über 80 Jahre dauerte, bis jemand sich dachte: „Man könnte ja auch das Werkstück in der Maschine bewegen!“ Plötzlich sieht alles andere alt aus.

1948Sieht alt aus.

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Es sind Skulpturen, die Sie hier sehen. Skulpturen, wie sie auch in einem Museum für moderne Kunst auf einem Sockel thronen könnten. Das dachte sich auch der Wiener Fotograf Bernhard Angerer, als er diese Teile inszenierte. Und das dachte sich ANGER MACHINING. „Wir bauen Maschinen und wir sind stolz aufunsere Produkte“, sagte Dietmar Bahn, „aber noch beeindruckender ist, was diese Maschinen machen. Die Teile unserer Auftraggeber!“ Mehr zu dieser Philosophie lesen Sie an anderer Stelle: „Wir liefern dem Goldschmied seinen Hammer.“ Für alle, die mit dieser Kunst nicht so vertraut sind: Links sehen Sie ein Getriebegehäuse und rechts das entscheidende Steuerteil eines 8-Gang-Automatik-Getriebes.Art of Parts – dieser Titel gebührt jedem einzelnen Teil. Teile, die nicht nur wie besondere Schmuckstücke wirken, sondern es auch sind.

2011The Art of Parts ...

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Da steht es in der Abendsonne - wie das industrielle Pendant zu Schloss Wilhelmshöhe. Und ziemlich unmissverständlich gibt das unter Heinrich Nordhoff erworbene Gebäude darüber Auskunft, wer hier wohnt: VOLKSWAGEN. Der Schriftzug auf dem sogenannten Nordrandbau ist 190 Meter breit und fünf Meter hoch. Das Werk auf den Hügeln in der Umgebung von Kassel war ursprünglich für Flugzeugmotoren zuständig. Gebaut wurde es 1936 für Henschel. 1957 zog Volkswagen ein. Hier werden keine Autos gebaut, sondern Komponenten. So ist Kassel zum Beispiel das „Leitwerk“ für den Getriebebau – mit über 3 Millionen Getrieben pro Jahr sogar eines der größten der Welt. Das Werk verfügt über eine eigene Aluminium- und Magnesium-Gießerei. Seit 1997 stehen hier – korrekterweise müsste man von Braunatal sprechen – auch Maschinen von ANGER. Der Schriftzug leuchtet nachts übrigens in Volkswagen-Blau.Zum fünfzigjährigen Bestehen des Werks waren die Buchstaben K und S im Schriftzug hell hervor-gehoben. Zum Zeichen der Verbundenheit mit Kassel. KS ist das Kfz-Kennzeichen der Stadt.

1997Heinrichshöhe

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Und im Endeffekt nennt man so was dann Premium ... Joachim Eisenhut über Autos, ANGER, Produktion und perfektes Fahren.

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Die erste Frage zum Einstieg: Ich habe mich immer sehr für Autos interessiert – und schon in den späten 60er Jahren ist mir ZF das erste Mal untergekommen. In einem Zeitungsbericht, als Marke, die am Auto nicht sichtbar ist. Seiher hat ZF für mich eine besondere Bedeutung. Es war übrigens eine englische Autozeitschrift.Haben Sie eine Erklärung dafür – aus Ihrer Sicht?

ZF liefert Systeme, die im Verborgenen des Fahrzeuges arbeiten, das heißt, sie sind nicht an der Außenhaut des Fahrzeuges sichtbar. Den meisten Endverbrauchern ist der Hersteller dieser Systeme nicht bekannt und es ist ihm eigentlich gleichgültig, solange die Systeme bzw. Getriebe im Fahrzeug perfekt funktionieren.

Es ist aber etwas Besonderes – trotzdem. Wenn eine englische Autozeitschrift schreibt, dass ein Modell – ich glaube es war ein Jaguar – ab jetzt ein ZF-Getriebe hat, ein Fünf-Gang-Getriebe damals, dann ist das doch ungewöhnlich.

ZF ist in der Vergangenheit nicht so offensiv an den Markt herangegangen und hat für die Produkte aktive Werbung gemacht. ZF hat mehr den OEMs, den Autoherstellern, die Technik vorgeschlagen und diese von der ZF-Technik über-zeugt und nicht den Endverbraucher, damit dieser sagt: „Ich will ein ZF-Produkt in meinem Fahrzeug!“ Dies hat sich in jüngster Vergangenheit geändert und ZF macht in vielen Werbeträgern auch direkte Werbung für die eigenen Produkte. Aber wie gesagt: Ich erlebte das als Kind so und mein Vater hat mir dann erklärt, dass das „Zahnradfabrik Friedrichshafen“ heißt. Mir ist kein anderes Produkt aus dieser Zeit bekannt – an der Außenhaut nicht sichtbar, wie Sie gesagt haben –, das bekannt war, ohne begleitende Maßnahmen, wie sie „Intel“ mit viel Aufwand betreibt – intel inside –, um zu sagen, ein Computer ist eigentlich nur wirklich ein guter Computer, wenn Intel drinnen steckt ...

Aber wenn man überlegt, was alles an Systemen in einem Fahrzeug verbaut ist, das zur Performancesteigerung bei-trägt, dann ist doch relativ viel aus dem ZF Konzern – Getriebe, Fahrwerks-Komponenten, Stoßdämpfer, Lenkungen und vieles mehr. Den OEMs ist es natürlich nur recht, wenn die Performance, die von der ZF kommt, mit als Teil ihrer eigenen Perfomance gesehen wird.

Klar!

Natürlich leisten auch unsere Kunden einen großen Ent-wicklungsbeitrag – wie zum Beispiel BMW – bei der Entwicklung des 8 HP. Aber unsere Entwickler sind beson-ders stolz auf ein so gutes Produkt, das aktuell extrem gut am Markt ankommt.

Für mich gibt es einen „Mythos ZF“. Anders als Borg Warner zum Beispiel, als Erfinder des Automatik-Getriebes.

Borg Warner und die ZF hatten ursprünglich ein Joint Venture zur Produktion von Automatikgetrieben hier in Saarbrücken. Anfang der 70er Jahre hat Borg Warner wohl gedacht: Europa oder Deutschland, das ist kein Markt für Automat-Getriebe und ist aus dem Joint-Venture ausge-stiegen. ZF hat in Saarbrücken allein weitergemacht – in der Überzeugung, mit der Zeit wird auch das Automatik - Getriebe in Deutschland und in Europa an Bedeutung gewinnen.

Wobei Deutschland schon ein besonderer Markt ist – aus irgendeinem Grund mögen Deutsche das, wenn sie schalten dürfen – habe ich das Gefühl.

Die Durchdringung mit Automatikgetrieben in den Luxus-fahrzeugen ist schon relativ hoch. Aber auch in den Mittel-klasse-Fahrzeugen steigt der Anteil permanent. Nachdem VW in der Golfklasse die Doppelkupplungsgetriebe – was im Endeffekt auch ein Automatik-Getriebe ist – forciert anbietet, sind Durchdringung und Akzeptanz auch in der mittleren Klasse klar gestiegen.

Es ist gestiegen. Aber ich meine, neun Gänge lassen sich ja kaum noch händisch sortieren – da ist man ja nur noch am Schalten. Ich verstehe Menschen nicht, die viel im Stadtverkehr fahren und immer noch freiwillig ein Schaltgetriebe verwenden ...

Da teile ich Ihre Meinung. Aber egal ob manuell oder auto-matisch, jeder Gang mehr gibt Ihnen die Möglichkeit, sich näher am Optimum der Motorkennlinie entlangzuhangeln und spritsparender zu fahren. Je mehr Gänge sie haben, umso näher sind sie am Optimum der Motorkennlinie und damit auch im Verbrauchsoptimum. Wenn dann die Schaltvorgänge noch entsprechend gut funktionieren – Schaltzeiten unter-halb der Wahrnehmungsgrenze – dann ist das nahezu „per-fektes Fahren“. Das war – zumindest in den ZF-Produkten – eigentlich schon immer so. Ob das ein 5-Gang, ein 6-Gang war oder ein 8-Gang ist – von der Schalt-Performance waren alle extrem gut. Der Fortschritt ist aber noch ein anderer: Ich fahre zur Zeit unser 8-Gang-Getriebe in einem 525er BMW und hatte vorher das Vorgänger-Produkt – mit dem 6 HP. Für den „Normalfahrer“ ist zwischen 6-Gang und 8-Gang im Fahrverhalten kaum ein Unterschied. Aber die CO2- bzw. die Spriteinsparung ist gravierend. In der gleichen Fahrzeugklasse, im Prinzip die gleiche Motorisierung, fahre ich heute mit ca. 2 Liter weniger Diesel als vorher.

Mit zwei Gängen mehr als vorher ...

Sicherlich ist dieses Ergebnis eine Optimierung im gesamten Antriebsstrang – das heißt Motor und Getriebe bzw. weitere Optimierungen in der Aerodynamik und andere Maßnahmen. Aber ein Großteil der Einsparung ist auf unser Getriebe zurückzuführen. Je nach Motorisierung auf jeden Fall mehr als 10% im Vergleich zu den früheren 5-Gängern sogar bis 14%. Und wir sind dabei noch nicht am Ende ... .

Gibt es eine Obergrenze? Ich meine, bei 16 Zylindern ist beim Motor Feierabend, gibt es auch beim Getriebe so eine magische Zahl wie: Wenn wir einmal zwölf Gänge haben, dann ist Schluss.

Das kann ich nicht sagen, ich bin da kein Entwickler! Aber aus unserer Entwicklungsabteilung heißt es: Das 8 HP ist in seiner Konfiguration – das bedeutet in der Kombination von Kupplungen, Schaltelementen, Bremsen – so optimal, dass selbst in diesem Standard-Antriebesstrang kaum eine weitere Verbesserung möglich ist. Die nächste Entwicklungsstufe wird sicherlich sein, dass man noch ein bisschen an der Spreizung dreht, dass man noch die inneren Komponenten optimiert, aber von der Gesamtkonfiguration ist dieses Getriebe absolut zukunftsfähig. Es ist nicht so, dass man generell sagen kann, zehn Gänge sind besser als neun, oder neun sind besser als acht! Das Optimum kommt über die Spreizung, die Reduzierung der internen Verluste im Getriebe, die Anordnung von Kupplungen-Schaltelementen und Bremsen. Erst diese Gesamtkonfiguration ergibt ein Optimum innerhalb des Automatikgetriebes zur Reduzierung

des Verbrauches und Verbesserung der Performance. Aber noch mal: Ich bin da jetzt nicht der Entwicklungs-Experte. Mein Metier ist mehr, das, was mir von den Entwicklern geliefert wird, auch optimal in der Produktion umzusetzen.

Auf das würde ich gern noch kommen, aber es gibt eben auch ein paar allgemeine Dinge, die zu dem ganzen Komplex gehören und gerade in der Produktionsplanung und -vorbereitung, da muss es doch im Moment eine ziemliche Unsicherheit geben, wohin es überhaupt geht. Wir unterhalten uns jetzt über acht, neun Gänge und weitere Optimierung. Auf der anderen Seite gibt es eine Entwicklung, von der man noch nicht weiß, wohin sie geht. Es gibt Hybrid- und Brennstoffzellen, man weiß nicht genau, was sich durchsetzen wird. Erst kürzlich las ich, das es holländischen und deutschen Wissenschaftlern gelungen ist, Wasserstoff in Magnesiumblöcken zu binden, weil eben das Volumen von Wasserstoff ganz andere Tanks erfordern würde – ganz abgesehen davon, dass sie auch kleine Wasserstoffbomben sind ...Was ich damit ausdrücken will, ist die Frage: Wohin geht die Zukunft? Und wie wird sich die Produktion darauf ein-stellen müssen und können, dass Antriebe in Kombination mit Elektromotoren, ausschließlich mit Elektromotoren oder mit etwas ganz anderem funktionieren müssen?

Okay! Die Basiskonfiguration der aktuellen Automatikgetriebe ist immer noch vergleichbar mit dem mechanischer Aufbau der älteren Baureihen. Das heißt, die Elemente, aus denen ein heutiges 8-Gang- oder 9-Gang-Getriebe zusammengesetzt ist, sind im Prinzip noch die gleichen Elemente wie in den 5 oder 6 Gängern. Das heißt: Das sind Wellen, Kupplungen, Blechteile, Aluminiumteile, Gehäuseteile ...

... und Zahnräder!

Und Zahnräder! Natürlich! Und von daher ist es immer ein Ziel der Fertigungsplanung, die Produktion so zu optimieren, dass man die Bauteile der unterschiedlichen Getriebetypen auch optimal herstellen kann. Eine Antriebswelle war auch in unseren Getrieben 5 HP oder 6 HP drin. Nur die Produktionsmethoden haben sich teilweise geändert, die konnten wir gravierend optimieren. Die Taktzeiten, die Performance der Maschinen, die Genauigkeiten haben sich verbessert. Und so hat man sowohl – in der Entwicklung des Getriebes - die Performance nach oben getrieben, als auch die Produktionsmethoden so optimiert, dass man parallel dazu auch eine Optimierung in den Produktionskosten erzielt hat.

Heißt das, dass die Produktion – ich übertreibe jetzt – sich zurücklehnen kann und sagen: Ich wart mal ab, wie sich das entwickelt? Und wenn die technische Entwicklung oder die Forschung sagen: Jetzt brauchen wir einen leichteren Elektromotor und der wird wahrscheinlich so aussehen, dann kümmern Sie sich darum, dass er optimal produziert wird?

Sicherlich ist das alles mit einem gewissen Vorlauf zu sehen. In unserer Vorschau wissen wir in etwa schon, was an Technologie in den nächsten fünf – oder vielleicht auch zehn Jahren – auf uns zukommt.

Wissen Sie das schon?

Joachim Eisenhut ist Leiter der Fertigungsplanung PKW-Antriebstechnik bei ZF in Saarbrücken. Patrick Schierholz unterhielt sich mit ihm.

Interview

Und im Endeffekt nennt man so was dann Premium ... Joachim Eisenhut über Autos, ANGER, Produktion und perfektes Fahren.

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Wir sind uns relativ sicher. Das 8 HP ist jetzt weit-gehend industrialisiert und wir überlegen uns bereits: Wie sieht die nächste Generation aus? Es ist ja nicht so, dass wir davon ausgehen, dass wir jetzt ein sehr gutes Produkt haben, das auch in 10 oder 15 Jahren noch State of the Art ist.

Kurze Zwischenfrage: Ist es diesem 8 HP wurscht, woher die Kraft kommt, die es zu übersetzen hat? Also wenn sie von Hybrid-Technologie kommt? Ist das so flexibel, auch wenn das ein reiner Elektromotor wäre?

Wir haben auch Hybrid-Getriebe auf der Basis des 8-HP-Getriebes aktuell im Einsatz. Außerdem bauen wir auch die Elektromotoren im Konzern.

Schon für die Kombination mit Verbrennungsmotoren?

... in Kombination mit Verbrennungsmotoren. Zudem beschäftigen wir uns mit der Weiterentwicklung unserer Automatikgetriebe, um Elektromotoren im Getriebe zu integrieren. Das heißt, wir sehen sicher-lich eine Entwicklung des Antriebsstranges hin zur

Elektrifizierung. Parallel dazu müssen wir uns aber auch fra-gen: Was läuft die nächsten zehn Jahre im Volumenmarkt? Wann werden die neuen Produkte wirklich serienreif sein, um in den Massenmarkt eintreten zu können? Das wird sicherlich in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren passie-ren – aber parallel müssen wir uns überlegen: Wie können wir unsere Fabrikanlagen auf diese neue Antriebstechnologie umstellen? ZF hat hier in Saarbrücken über 5.000 Beschäftigte, ein riesiges Vermögen an Einrichtungen und Baulichkeiten. Das heißt: Wir machen uns heute schon Gedanken darüber, wie die Produktionstechnologie aussieht, wenn es zu diesem Produktschwenk kommt? Aber wir sehen den nicht in den nächsten zehn Jahren, nicht massiv im Volumengeschäft. Die Elektrifizierung wird zwar wachsen, aber die mechanisch, hydraulisch, elek-tronisch gesteuerten Getriebe werden nach wie vor einen großen Marktanteil haben. Die Volumina im Forecast zeigen das auch ...

Wobei – der reine Elektromotor braucht eigentlich dieses Getriebe nicht mehr ...

Nun ja – es hängt schon davon ab, in welcher Konfiguration er gemacht wird – also ein paar Zahnräder dürften immer noch notwendig sein, ob das jetzt eine Untersetzungsstufe ist oder was auch immer! Wenn Sie in Radnabenmotoren den-ken, ist vielleicht weniger mechanischer Inhalt drin, als wenn ein Elektromotor in die Hinterachse oder in die Vorderachse mit einem Getriebeanteil integriert wird ... Das wird sicherlich kommen, aber ob ein Volumenmarkt in den nächsten Jahren geschaffen werden kann, der vergleichbar mit den Verbrennungsmotoren ist, das glaube ich persönlich nicht.

Gut! Aber was passiert ist – glaube ich –, dass die Anforderung in der Produktion an die Flexibilität und an kurzfristigere Produktzyklen vor allem in der Autoindustrie eine immer größere Rolle spielen. Ich meine, früher hatten wir Modelllinien, die haben sich jahrelang nicht verändert – einen unten, einen in der Mitte und einen oben – Dreier, Fünfer, Siebener – und heute ist die Produktpalette gigantisch ...

Ja, die Varianz ist auch in unserem Unternehmen – speziell hier in Saarbrücken – recht groß. Wir haben natürlich auch Grundtypen beim 8-HP-Getriebe, das 8 HP 45, 8 HP 70, 8 HP 90, mit den entsprechenden Varianten, den Allrad-Varianten, den Hybrid-Varianten. Aktuell fertigen wir auch noch 6-Gänger, sogar 5-Gänger in China, das heißt: Wir haben ein riesiges Produktspektrum und auch Teilespektrum hier in Saarbrücken abzuwickeln.

Für die zunehmende Zahl an Modell-Varianten, der äußeren Form oder Typenreihe des Autos ist das Getriebe im Prinzip egal, man kann es jeweils den Gegebenheiten anpassen?

Ja, es wird dann entsprechend angepasst, über das elektronische Schaltgerät, über die entsprechenden Schalt- konfigurationen, Schaltprogramme, die Wandleranbindung, die Abtriebsflansche und so weiter, aber im Inneren sind die Getriebe natürlich weitestgehend gleich. So können wir hier, trotz der hohen Varianz, auch eine sehr hohe Gleichteilphilosophie fahren. Aber um noch einmal auf die Produktionstechnik zurückzukommen, da haben Sie recht:

Wir haben in den letzten Jahren einen sehr starken Fokus auf die Standardisierung unserer Produktions-Technologien gelegt. Vor zehn Jahren hatten wir noch über 50 unter-schiedliche Technologien im Einsatz, um ein Getriebe zu produzieren. Das heißt auch: Die Varianz innerhalb der Maschinen war relativ hoch. Dann starteten wir intern ein Projekt mit dem Ziel, unsere Produktions-Technologien zu standardisieren, sodass wir das Produkt mit weniger unter-schiedlichen Technologien herstellen können. Es gelang uns, von über 50 auf weniger als 30 unterschiedliche Produktionstechnologien zu kommen, die wesentlich dazu beigetragen haben, die internen Prozesse zu standardisieren. Wenn Sie jetzt bei uns in die Linien reinschauen, sehen Sie viele gleichartige, standardisierte Maschinen und Prozesse in der Fabrik.

Sind das dann Transferlinien, sind das BAZs oder Transferzentren, wie ANGER sie anbietet?

Es ist eine Kombination! In der Vergangenheit setzten wir sehr auf Transferlinien, die natürlich hochproduktiv arbeiten ...

... aber am wenigsten flexibel sind!

Richtig, die wenig flexibel sind! Dann folgte der Trend zur Flexibilität, was zu den Bearbeitungszentren führte. Dabei haben wir erkennen müssen, dass weder das eine noch das andere die 100%ige Wahrheit ist. Wir haben uns also nach Konzepten umgesehen, die sowohl flexibel als auch hoch-produktiv sind. Das sind die Transferzentren, wie sie ANGER entwickelt hat. Eine hochproduktive Anlage, die aber trotz-dem – auf das Bauteil bezogen – noch einen gewissen Grad an Flexibilität gewährleistet.

Ist es das, was in Ihren Augen die Maschinen von ANGER besonders auszeichnet?

Das ist einer der Gesichtspunkte! Und zwar speziell bei dem Teilespektrum von Ventilplatten und Ventilgehäusen haben wir in der Vergangenheit relativ stark auf Transferstraßen gesetzt. Wenn das Produkt ausläuft, ist es aber in der Regel zu teuer, diese Transferstraßen auf ein neues Produkt – selbst auf ein ähnlich gestaltetes Produkt – umzubauen!

Das heißt, Sie reißen sie komplett ab?

Wir reißen diese in der Regel nach einem, max. zwei Produkt-Zyklen ab. Im nächsten Schritt sind wir in die Flexibilität gegangen, in verkettete Bearbeitungszentren, haben allerdings festgestellt, dass die Produktivität dieser verketteten Einzelzentren bei Weitem nicht ausreicht, um zum einen den Output zu gewährleisten und auf ein akzep-tables Kostenniveau zu kommen. Die Transferzentren bilden das logische Bindeglied zwischen Transferlinien und den fle-xiblen Zentren, hochproduktiv, aber auch – zu einem gewis-sen Grad – flexibel innerhalb des Teilespektrums ... Natürlich kann man nicht hingehen – wie etwa beim Bearbeitungszentrum – und heute eine Ventilplatte bearbei-ten und morgen ein Getriebegehäuse. Das ist nicht möglich. Aber es ist durchaus möglich, eine Ventilplatte, die aus einem Vorgängerprodukt kommt, mit einem gewissen Umbauaufwand auf ein Nachfolgeprodukt zu transferieren.

Das heißt: Solange die Lebenszyklen verlässlich länger waren, waren die Transferlinien geeignet. In den Total Costs of Ownership rechnete sich das ...

Ja. Hochproduktiv, eine gesicherte Ausbringung, geringe Flexibilität – und über die Zeit hat sich die Anlage amor-tisiert. Jetzt aber sind die Lebenszeiten der einzelnen

Getriebetypen wesentlich geringer. Unser 4-Gang-Getriebe lief in der Größenordnung von zwölf Jahren.

Das lief 12 Jahre?

Ja – mit Ein- und Auslauf sogar ein bisschen länger. Dann folgte das 5 HP in der Größenordnung acht bis zehn Jahre. Dann kamen die 6-Gang-Getriebe und jetzt die 8 HP – und wir überlegen uns schon jetzt: Wie können wir das 8 HP wieder upgraden, um auch entsprechend wettbewerbsfähig zu bleiben? Da wird es noch mal Änderungen geben. Wenn ein bestimmtes Produktionsvolumen erreicht ist, ist es im Getriebebau extrem teuer, eine komplett neue Fertigungseinrichtung zu installieren und alles andere zu verschrotten. Das heißt: Wir müssen auf die Produktions-einrichtungen der Vorgängermodelle zurückgreifen. Und wenn die Laufzeiten der Getriebe immer kürzer werden, sind die Einrichtungen natürlich noch nicht verschlissen!

Und dann kann man sie umrüsten!

Ja, wenn eine solche Einrichtung geeignet ist, sinnvoll umgebaut werden ist das ein enormer Vorteil.

Verschleiß ist das Stichwort, das mich gleich zum nächsten Thema bringt: Das Condition Monotoring – also das ständige Beobachten des Betriebszustandes. Eigentlich dachte ich, das sei ganz normal, das macht man immer! Warum gewinnt das jetzt so an Bedeutung?

Heute laufen die Einrichtungen bei uns in der Regel drei Schichten, rund um die Uhr, im Moment sogar samstags und sonntags. Das heißt: Wir müssen genau wissen, in wel-chem Zustand befinden sich unsere Einrichtungen. Kommt es in absehbarer Zeit zu einem Ausfall von bestimmten Komponenten? Wir beobachten kritische Komponenten mit Sensoren, um zu sehen, ob die Maschine oder die Spindel noch rund läuft. Gibt es da Unwuchten bzw. Lagerschäden? Oder was auch immer! Ein gewisser Verschleiß ist immer vorhanden. Im Rahmen von Preventive Maintenance – also vorbeugender Instandhaltung – müssen wir sicherstellen, dass wir kontinuierlich eine sichere Ausbringung haben.

Sind die Ansprüche in den letzten Jahren größer geworden?

Absolut! Auch die planerischen Ansätze sind wesentlich aggressiver geworden – wenn wir früher von 90 % oder 95 % technischer Verfügbarkeit reden, reden wir heute in der Größenordnung 97 % und 98 %.

Das heißt: Früher hat man gesagt: „Uuups, Spindel kaputt – die müssen wir jetzt austauschen!“ Und heute versucht man das von vornherein zu vermeiden?

Es gab früher nicht die Möglichkeiten, so gezielt zu monitoren! Diese Technologien sind in den letzten Jahren aufgekommen und man nutzt sie, um die Performance der Maschinen entsprechend zu monitoren und die Stillstandzeiten von Maschinen zu vermeiden, die Werkzeug-Laufzeiten zu opti-mieren und alles wirklich in einen Grenzbereich zu treiben – um kostenoptimal die Getriebe und die Bauteile herzustellen zu können.

ZF ist für mich ein Premium-Hersteller. Als Autofahrer und Auto-affiner Mensch ist das für mich absolut Premium. Besser geht’s nicht, sag’ ich jetzt einmal!

Das ist eigentlich auch unser Anspruch!Der ist bei Konsumenten wie mir auch durchaus angekommen.

... Es gibt ja auch die Herausforderung des Produkts, mit höchsten Anforderungen hinsichtlich der Präzision, der Toleranzen. Wir reden über Mikrometer ...

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Die Performance unserer Produkte ist im obersten Segment anzusiedeln. Wir produzieren unsere Getriebe hier in einem Hochlohnland und wir wissen auch, dass wir mit unseren Produkten nicht die billigsten sind.

Darauf zielt auch meine Frage ab: So wie Mercedes, Audi, BMW – das ist ein Preisgefüge unter dem Motto: Es kostet, was es kostet!

Nee, nee! Das sicherlich nicht! Ich glaube, da bewegen wir uns in zwei Kategorien! Der Kostendruck auf unsere Produkte ist wirklich enorm.

Obwohl es Premium ist? Natürlich muss man vernünftige Angebote machen, aber ist es nicht so: Ich will unbedingt ein ZF Getriebe, weil es einfach das Beste ist, weil es auch mir hilft – als OEM – also dem Ruf der Automarke ...

Auch heute sind Wettbewerbsprodukte auf dem Markt, zum Beispiel aus Japan, die eine Performance bieten, mit der wir uns messen müssen. Mit denen stehen wir permanent im Wettbewerb. Wir stehen auch mit den Eigenprodukten der OEM’s im Wettbewerb.

Mercedes und Volkswagen – zum Beispiel – produzieren ihre eigenen Getriebe...

Kaufen aber auch bei Ihnen, oder? Daimler macht auf dem Automatik-Getriebe-Sektor alles selber. Es gibt natürlich immer mal wieder Gespräche, wir benchmarken unsere Produkte gegenseitig, trotzdem haben wir ein relativ gutes Verhältnis zu unseren Kollegen in Hedelfingen. Das heißt, unsere Produkte – weil wir ja ein freier Wettbewerber auf dem Markt sind – müssen im Minimum die Performance der Eigenprodukte der OEMs zeigen bzw. mit bestimmten Features besser sein. Ob das jetzt preisliche Features sind oder technologische Features. Sonst hätten wir ja keinerlei Chance.

Wobei die technologischen Features meinem Gefühl nach gegeben sind – deshalb glaubte ich bisher, dass ZF weniger unter Preisdruck steht.

Es ist nicht so, dass wir sagen können: Okay, das ist der Preis vom Getriebe! Bezahlt’s ...

Bezahlt’s – oder ihr kriegt es nicht!

Genau! Wir haben gute und langjährige Lieferbeziehungen zu Kunden wie etwa BMW, Audi, Jaguar u.a. Aber trotz des hohen technischen Anspruchs können die Autos und unsere Produkte ja nicht endlos teuerer werden. Zu uns kommen Kosten-Analytiker unserer Kunden ins Werk, die in die Tiefe des Getriebes einsteigen, die unsere Fabrik kennen und mit uns diskutieren, was ein Bauteil kosten darf. Wir werden entsprechend gebenchmarkt und ste-hen daher auch unter einem enormen Preisdruck. Wir sind gezwungen, permanent unsere Systeme zu optimieren. Und das gilt eben nicht nur für die Produktionstechnologie, son-dern auch für alle Elemente des Getriebes. State-of-the-Art- Produkte und Technologie plus den Schnaps besser sein, als unser Wettbewerb..

Produktions-Know-How, vor allem ...

Produktions-Know-How, neue Technologien einzusetzen – das ist ein absoluter Zwang. Das wird permanent nach vorne getrieben!

Träumen Sie manchmal von einer Ideal-wäre-wenn-Technologie? Denken Sie manchmal an eine Technologie, die das, was ANGER jetzt hat – die hochproduktiven Transferlinien einerseits, die flexiblen Bearbeitungszentren andererseits und jetzt die Transferzentren – als Möglichkeit, das beste beider Welten miteinander zu verbinden – denken Sie manchmal, ideal wäre wenn ...? Sehen Sie da eine Weiterentwicklung?

Ich meine als Produktionstechniker – ich bin jetzt schon 25 Jahre im Geschäft – da versucht man natürlich immer wieder sich ein optimales Bearbeitungskonzept für die ein-zelnen Bauteile zu überlegen. Was benötigt man, um dieses Optimum zu erreichen? Auch an Maschinenkonzepten! Ich kenne die Firma ANGER schon über 10 Jahre – auch schon aus meiner Zeit in Amerika. Dort hatten wir die ANGER Maschinen der älteren Generationen laufen ...

Ältere Generationen sind vor HCX, oder?

Ja, die HCP, die wesentlich leichter baut. Diese Maschinen sind auch in Saarbrücken heute noch eingesetzt, jetzt schon weit über zehn Jahre in der Produktion und liefern tagtäglich die

geforderten Volumina. In den USA wickelten wir mit der Firma ANGER auf Basis der Vorgänger-Generation, HCP, ein relativ großes Geschäft zur Produktion eines stufenlosen Getriebes ab. Dann folgte ein Einschnitt. Unsere aktuellen Produkte erforderten eine noch höhere Stabilität, eine noch höhere Performance – und da war mit der Firma ANGER ein kleiner Abriss zu verzeichnen, aber – jetzt seit drei, vier Jahren – zwischenzeitlich wurde die HCX entwickelt, hat sich das wieder geändert. Die HCX zielt genau auf diese Marktlücke und liegt absolut im Trend. Und man sieht ja auch, dass es der Firma ANGER gelungen ist, relativ schnell ein bestimmtes Marktpotenzial zu heben. Es war sicherlich für uns ein bestimmtes Risiko zu sagen: Ja, wir weichen von unseren bewährten Konzepten ab – ob das jetzt die Transferstraßen waren oder die flexiblen Bearbeitungszentren – und kaufen bei der Firma ANGER eine HCX-Maschine, die ja bis zum damaligen Zeitpunkt nur ein-, zweimal verkauft worden war.

Die haben von Ihnen einen Vertrauensvorschuss erhalten?

Ja – wir waren bereit, ein gewisses Risiko für uns einzugehen, und zeitweise hatte ich da schon ein paar Bauchschmerzen, bis dann die Maschine hier die ersten Teile gefertigt hat und abzusehen war, dass wir sie in den Griff kriegen. Bei der ersten Installation war es sicherlich nicht so, dass dies wie ein Fingerschnippen umzusetzen war, aber gemeinschaftlich, ZF mit ANGER, haben wir schon relativ früh erkannt: Ja, wir schaffen das!

Also Ihre Anforderungen, Ihre Techniker, Ihre Planer haben gesagt, das ist die richtige Richtung?

Ja, es gibt zum einen die Herausforderung über das Produkt mit höchsten Anforderungen, hinsichtlich der Präzision und Toleranzen. Wir reden über Mikrometer, bis die richtige Einstellung an der Maschine gefunden wird. Bei den Folgeinstallationen ging dann das alles relativ flott über die Bühne, sodass die Maschinen sehr gut in die Produktion eingelaufen sind. Daher haben wir uns auch bei den Kapazitätserhöhungen für die Firma ANGER, für die HCX-Maschine entschieden. Es geht dabei ja nicht nur um Vertrauen in die technologische Performance der Einrichtungen, sondern auch um das Vertrauen in die Mannschaft, die dahinter steht. Das ist sehr wichtig.

Das ist auch mein Gefühl – ZF ist einfach ganz, ganz wichtig. Das ist natürlich auch Stolz, weil ZF eine Premiummarke ist ...

Wir wissen schon, dass wir der Firma ANGER die eine oder andere Tür geöffnet haben! ZF stellt für ANGER eine Referenz dar, in der Automobil-Industrie, aber auch bei anderen Getriebe-Herstellern. Ich hoffe natürlich, dass daraus eine langfristige Lieferbeziehung entsteht.

Wir wissen alle, es gab eine Krise, wir haben jetzt das Damokles-Schwert „Griechenland“ über uns hängen. Als ich kürzlich mit einem Banker sprach und sagte „Ich mache mir große Sorgen um Griechenland!“, da antwortete er: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was wir uns für Sorgen machen!“ Weil man nicht weiß, was dort passiert! Kein Experte weiß das. Es könnte sein, dass die das nicht packen und Griechenland geht pleite, führt die Drachme wieder ein und es hat überhaupt keine Auswirkungen auf den Rest der Welt! Es könnte aber sein, dass wir sozusagen Lehmann Brothers II kriegen!

Ich frage mich natürlich auch: Wie geht das weiter? Wir erhalten ja auch die Prognosen unserer Kunden und im Prinzip will jeder wachsen. Bei uns kommen dann diese Volumina kumuliert an und dann ist die Frage schon erlaubt:Wer wird all diese Fahrzeuge kaufen?

Irgendwann ist auch China gesättigt!

Das glaube ich schon! Eine andere Frage, die ich mir per-sönlich stelle: Wie geht es weiter hinsichtlich Tempolimits, CO2-Vorgaben und anderer Restriktionen? Sind wir dafür richtig aufgestellt?

Ein letztes Thema, das ich gern noch ansprechen möchte, ist die Umwelt – in Zusammenhang mit der Mindermengen-Schmierung ...

Sicher, die Mindermengen-Schmierung: Bei dem Einsatz von Kühlschmierstoffen geht es meistens um –zig Kubikmeter an Kühlemulsionen. Das heißt Öle und Fette mit chemischen Zusätzen, die wirklich sehr, sehr komplex aufgebaut sind.Wenn man dies eliminieren kann, hat man in Richtung Kostenoptimierung und Umweltverbesserung einen großen Erfolg erzielt ...

Sie müssen die chemischen Zusammensetzungen aufwendig entsorgen?

Die Kühlemulsion muss großteils sogar sehr aufwendig auf-bereitet werden. Das Wasser wird verdampft, die Emulsion wird verdickt, die dann entsprechend entsorgt wird. Das ist schon recht aufwendig. Ein technologisches Feature wie die Mindermengen-Schmierung senkt den Verbrauch von Ölen und Fetten dramatisch.

Gerade der Aufwand für die Entsorgung ist ja demnach riesig ...

Wir gehen ganz konsequent den Weg, dass wir von Nassbearbeitung auf Trockenbearbeitung umstellen. Dies ist ein komplexer Entwicklungsprozess. Er muss von der Werkzeugmaschine geleistet werden können, aber auch von den Schneidmitteln. Es geht um eine kom-plexe Prozessentwicklung. Viele Fachleute sind an dieser Entwicklung beteiligt, von den Maschinenherstellern über die Werkzeughersteller, die Prozessplaner, die später den Prozess mit gestalten – bis man ein solches Thema gelöst hat.

Prof. Abele von der TU Darmstadt erläuterte mir kürzlich, dass gerade hochpräzise Teile immer noch große Sorgen bereiten, weil es zu thermischen Schwankungen kommen kann, wenn nicht genug Kühlung vorhanden ist.

Hochpräzise Maschinen sind extrem empfindlich gegen-über Temperaturschwankungen. In einigen Hallenbereichen mussten wir sogar die Dachluken verschließen. Auch im Sommer, damit in den kritischen Bereichen keine Dachluke geöffnet werden kann und ein Schwall kalter Luft in den Maschinenbereich kommt, denn: Schon veränderten sich die Maße im Mikrometer-Bereich. Deshalb haben wir jetzt alle kritischen Maschinen an einer Kaltwasserleitung. Kritische Bauteile werden gekühlt, die Spindeln, das Maschinenbett etc. – sie werden permanent auf einer bestimmten Temperatur gehalten. Wir müssen diese Konstanz sichern, um die engen Toleranzen der Bauteile halten zu können und damit die Präzision des Getriebes zu gewährleisten. Jede Maßabweichung in der Toleranz, zum Beispiel bei einem Ventilgehäuse, macht sich direkt negativ im Schaltverhalten des Getriebes bemerkbar. Da ist eine absolute Konstanz und Perfektion vom ersten Tag an gefordert. Sie möchten ja kein Auto mit einem Automatikgetriebe von ZF kaufen und ärgern sich dann über schlechte Schaltperformance. Deshalb: Diese Konstanz in der Produktion muss gewährleistet sein – das ergibt dann die Performance des Produkts.

Und im Endeffekt nennt man so was dann auch Premium.

Was Ihre Marke mit Sicherheit ist.

Und damit schließt sich der Kreis. Herr Eisenhut, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Hier zeigt Jürgen Gross, Meister in der Fertigung 1, eine der wichtigsten Veränderungen der Produktions-Technologie der letzten Jahre: Die ständig präziser gewordene Beobachtung der Fertigung von ebenfalls immer präziser gewordener Teile-Qualität.

In diesem Bereich der fast einen Kilometer langen Fertigungshalle von ZF in Saarbrücken geht es um Ventilgehäuse und -platten. Das DMG, das Durchmesser-Messgerät, ermittelt und bestimmt mit Hilfe von Düsendornen die Durchmesser-Lage/Maße im laufenden Prozess.

Sehen Sie sich den 1000stel Millimeter an.

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Vor 30 Jahren gründetet Anton Anger das Unternehmen, das immer noch seinen Namen trägt. Gefragt, welche technologische Entwicklung er in der nächsten Zeit sieht, antwortete der inzwischen 83-Jährige:„Ach, das weiß ich nicht, darum hab‘ ich mich nie gekümmert! Ich bin immer einfach zum Kunden gegangen und habe mir angehört, welches Problem er hat. Das gilt es dann zu lösen!

Ob es da einen technologischen Trend gibt oder nicht, ist mir nicht wichtig. Man kann auch selbst einen neuen Trend machen, man muss immer nur alles infrage stellen. Ich habe Zeit meines Lebens bei den Kunden mit Technikern zu tun gehabt, die versuchten, ihre bestehende Arbeitsweise zu verteidigen. Na ja, einige haben wir ja doch überzeugen können, neue Wege zu gehen!“Von Anton Anger stammt übrigens auch der revolutionäre Ansatz, vom stehenden zum bewegten Werkstück zu denken.

1982

Auf den Maschinen wird auch weiterhin sein Name stehen

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30 Jahre – Von der Idee zur weltweiten industriellen Fertigungstechnologie

Wir schreiben das Jahr 1982: Der renommierte Industrielle Anton Anger grübelt wieder über einem technischen Problem. Er weiß natürlich nicht, dass sein Lösungsansatz die Fertigungsproduktion revolutionieren wird – vielleicht aber ahnt er es. Bereits in den 1970er Jahren schrieb er Technik-geschichte: Mit der Erfindung der Doppelschnecken-Extrusionstechnologie revolutionierte er die Kunststoffindustrie. Nun geht es um die Fertigung von Brillen. Jeder Bearbeitungsschritt in einem eigenen Arbeitsgang – das dauert zu lange, kostet zu viel und bedeutet unendlich viel unproduktive Nebenzeit. Anton Anger sucht einen Weg, mehrere Aufgaben in einen Arbeitsgang zu fassen oder sogar ein Werkstück in einer Aufspannung komplett zu bearbeiten – das ultimative Ziel, erreichbar durch CNC-gesteuertes Transferieren von einer feststehenden Spindel zur nächsten … „Das war Steinzeit damals!“, sagt Anton Anger heute, „Jedes Werkstück musste zigmal umgedreht werden.“ Und er entwickelt jene Lösung, die nach Jahren der Optimierung nun den Ausgangspunkt einer jahrzehntelangen Erfolgsstory darstellen wird.

Die Einführung der damals „Reihenmaschine“ genannten Technologie stellt die weltweite Brillenindustrie auf den Kopf. Kein namhafter Brillenhersteller in Europa, Russland, Japan oder in den USA, der nicht mit dem Namen ANGER verbunden ist. Das weltberühmte Ray-Ban-Modell „Wayfarer“ – produziert auf einer ANGER Maschine in Irland. Was mit der Optimierung der Brillenfertigung beginnt, zieht bald sehr weite Kreise. Denn bis heute kämpfen viele Industriezweige mit dem Problem, dass bis zu 70 Prozent der gesamten Bearbeitungszeit von Werkstücken auf unproduktive Nebenzeit entfal-len, insbesondere auf das Rüsten und Werkzeugwechseln. Anger erkennt das als Chance. Hier erkennt er das wohl größte Potenzial für die Reduktion der Stückkosten. Die Herausforderung der Nebenzeit wird zum Hauptthema seines neu gegründeten Unternehmens, von nun an baut und vertreibt ANGER eine neuartige Maschinentype: das „Transferzentrum“. In den 1990er Jahren wird die Technologie in andere Industriesegmente eingeführt. Sie kommt bei der Bearbeitung von Kunststoff-, Magnesium- und Aluminiumteilen zur Anwendung. Allen voran: die Automobilindustrie. Speziell dort treffen die vier Anforderungen zusam-men, die als Erfolgsfaktoren für ANGER Technologie gelten: hohe Präzision,

großes Volumen, viele Bearbeitungen pro Werkstück und hoher Kostendruck.

Der mittelständische Betrieb wird nach der Pensionierung Anton Angers Ende der 1990er Jahre und der Nachfolge der beiden Söhne Gerhard und Norbert Anger nun in dritter Generation unter dem Namen ANGER MACHINING GmbH betrieben. Schrittweise, von 2005 bis 2007, übernehmen Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn das Unternehmen. Der Familienbetrieb wandelt sich zum Wachstumsunternehmen, es gilt, die Tugenden der österreichischen Techniker mit einer neuen strategischen Positionierung, moderns-ten Managementmethoden und klarer Kundenkonzentration zu verbinden. Bis heute wird die ANGER´sche Grundphilosophie verfolgt, Fertigungs- prozesslösungen für die Industrie zu entwickeln, die die höchste Produktivität und Wirtschaftlichkeit im Wettbewerb erzielen.

In der Praxis bedeutet das: Zunächst erprobt die deutsche und amerikanische Automobilindustrie die Transferzentrum Technologie bei einzelnen, kleineren Teilen in Einzelinstallationen. ANGER Maschinen produzieren Ventilkörper, kleinere Aluminiumteile, Getriebewellen. So fassen Automobilhersteller und deren Zulieferer Vertrauen in die innovative Technologie. Es steht viel auf dem Spiel, weshalb neue Konzepte für langfristige Investitionsgüter in der Großindustrie konservativ und wohlüberlegt eingeführt werden müssen. Die Testphase ist längst vorbei, die guten Erfahrungen im Betrieb führen zu einer außerordentlich positiven Entwicklung dieses Marktsegments. Auch neue kompetente Anbieter wie ELHA (1997) oder Krause Mauser (2007) werden auf den Plan gerufen. Bei ANGER MACHINING steigt die Nachfrage seit 2007 unaufhörlich. Selbst im Krisenjahr 2009 kann ein 30-prozentiges Wachstum der Betriebsleistung erzielt werden. Einzelne OEMs setzen als strategische Fertigungstechnologie auf ANGER. Dazu zählen etwa der ZF Konzern im PKW-Getriebebereich sowie Daimler, VW, Chrysler und Mahle um einige weitere der großen Proponenten der ANGER Technologie zu nennen, die inzwischen ganze Fertigungslinien mit Transferzentren ausgestattet haben. Und auch die Königsteile (Ventilsteuergeräte für Automatikgetriebe, Kurbelgehäuse, Zylinderkopf, Getriebegehäuse, Kurbelwelle, Pleuel usw.), die traditionell den ganz großen Maschinenherstellern vorbehalten waren, werden inzwischen auf ANGER Anlagen produziert. Die Zeiten ändern sich, auch in der Fertigungsindustrie. Der Kosten- druck ist so hoch, dass heute für verkrustete Paradigmen längst der Spielraum fehlt. Die Transferzentren Technologie hält Einzug in Deutschland, wo jeder Quadratmeter Fläche bare Münze wert ist. Wenn beispielsweise eine einzige HCX-Maschine in dreifacher Fünfachbearbeitung über 700.000 Antriebswellen für ein Automatikgetriebe bearbeitet, dann bedeutet das Standorterhaltung. Doppel- oder gar Dreifachbearbeitung sind heute Standard in der westlichen Industriewelt. Nicht zu vergessen: Genauigkeit spielt eine wachsende Rolle in der Fertigung. Ökologische Nachhaltigkeit, umgesetzt in Umwelt- vorschriften, erfordert neue Motor- und Getriebegenerationen, die allesamt eine Verschärfung der Präzisionsanforderungen bedeuten. Niedrige Taktzeit und hohe Genauigkeit – das sind exakt die immanenten Vorteile des Transferzentrums. War der Fokus zu Beginn rein auf Produktivität gerichtet, wird heute keine Anlage ausgeliefert, die nicht zumindest eine Teile-familie abdecken kann. Flexibilität steht im Mittelpunkt, durch Rekonfiguration von Gesamtprozessen für die Umrüstung auf einen neues Teil. Verbunden ist das Konzept auch mit beträchtlich geringeren TCO-Kosten. Weniger Vorschubachsen, weniger Kühl-mittelanlagen, weniger bewegte Teile, weniger Automatisierung in weniger Maschinen heißt auch: weniger Kosten.

Drei Jahrzehnte nach Josef Angers Erfindung halten die Transfer-

zentren auf breiter Basis Einzug in die Industrie.

ANGER hat es sich zum Ziel ge- setzt, weltweit Marktführer in diesem

Segment zu sein. Dazu gehören die Kreativität zur Entwicklung der effizientesten

Prozesslösung, die Innovationskraft zur kontinuier-lichen Weiterentwicklung der Maschinenarchitektur sowie

die Professionalität der Abwicklung durch modernstes Prozess- und Projektmanagement. Das sind die Ingredienzien des ANGER Jubiläumscocktails zum 30-jährigen Bestehen des Unternehmens. Wir bringen dem Goldschmied den Hammer, auch in Zukunft.

Wir liefern dem Goldschmied seinen Hammer.

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Transferlinien sind teuer und unflexibel, dafür produzieren sie hohe gleichbleibende Stückzahlen zu geringen Kosten. BAZ sind dagegen wesentlich flexibler, man kann sie viel besser auf Nachfrageschwankungen einstellen und auf Teilevarianten umrüsten. Das allerdings zum Preis höherer Betriebs- und Stückkosten und bei größerem Flächenbedarf. Das Transferzentrum verbindet als Fertigungstechnologie die Vorteile beider Systeme. Das ANGER HCX Transferzentrum kann sowohl produktiv als auch flexibel ausgelegt werden.

Dipl.-Ing. Roland HaasTechnischer Leiter Prokurist

„Die HCX hat sich in den letzten Jahren im Echtbetrieb als extrem leistungsfähige Maschinenarchitektur bewährt“.

HCX – Produktiv, leistungsfähig, präzise und schnell –der Nebenzeitkiller…Marktführend im Segment der Produktivitäts-systeme in der Serienfertigung in Sachen Steifigkeit und Dynamik. Großer Bearbeitungs-raum ermöglicht Mehrfach- und Großteile-bearbeitungen. Flexibel automatisierbar. Sowohl Aluminium- als auch massive Stahl-zerspanung. Modulare Bauweise für Teile-spezifische Auslegung in verschiedenen Baugrößen und Steifigkeiten. Seit Ende 2008 als leistungsfähige Maschinenarchitektur bewährt.

Technische Prozesslösungen

Komplexe technische Prozesslösungen für Bearbeitungsanlagen garantieren die Erfüllung aller geforderten Qualitätskriterien. Von der Einhaltung enger Toleranzen bis hin zum Nachweis der statistischen Wiederholgenauigkeit und technischen Verfügbarkeit der Anlagen:

Das Leistungsspektrum ANGERs zur Lieferung einer schlüsselfertigen Prozesslösung•GesamtprozessEngineeringund Auslegung des Bearbeitungsprozesses•Konstruktionderspezifischen Anlagenkomponenten wie Bespindelung, Spannvorrichtungen, Automatisierung, Auslegung nach Kundenspezifikationen•Projektmanagement•ProgrammierungSPSundCNC•Beschaffungsmanagement•QualitätssicherungundMesstechnik

Virtuelles Engineering

Dazu werden modernste Software Tools für die 3D-Prozesssimulation in Echtzeit eingesetzt. BereitsinderVorprojektierungkönnendadurchdie mechanischen Grenzen einer Bearbeitung ausgelotet werden (Kollisionskontrolle), Kunden haben die Möglichkeit, im Laufe des Betriebs ihre Fertigungsprozesse selbst zu modifizieren undinihrerCAM-Softwarezuprogrammieren.

Und so sieht er aus.

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Bedienoberfläche Steuerung (HMI)

Die Fernwartung, die Betriebsdatenanalyse und die grafischen Visualisierungsmodule in der Steuerung komplettieren ANGER Maschinen als intelligente Systeme.

Um Bedienfehler bei komplexen Bearbeitungs-prozessen zu vermeiden, Umrüstvorgänge bzw. Werkzeugwechsel rasch und problemlos durchzuführen und Fehlerquellen schnell zu detektieren, kommen innovative Softwaremodule zum Einsatz.

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Gruppenbild mit Dame – Die Dame und die Herren bilden das Fachexperten-Team von ANGER. Das ist geballte Kraft und mehr als 100 Jahre Erfahrung im Spezial-Maschinenbau.

Anger Maschinen.

Nur Männer können Maschinen? Hier in der ANGER Technik: Dipl.-Ing. Snezana Gavrilovic, Automatisierungstechnik.

HCP – Dynamische Produktivmaschine, seit 2000 im Betrieb bewährt. Kleine und mittlere Teilegröße. Aluminium-, Magnesium-, Stahlteile. Flexibel automatisierbar, effizient und raumsparend.

HCX 1400 und HCX 2000, Produktivmaschinen für mittlere bis Großteile, mit fixen Spindeln für maximalen Output, wählbar in 2 Verfahrwegen, 1400 mm und 2000mminderhorizontalenAchse,jenach Bearbeitungsanforderung.

Heinz Bürgstein, Leiter System Engineering

„Ständig die Grenzen des technisch Machbaren erweitern, um den letzten Mikrometer prozesssicher rauszuholen.“

Dipl.-Ing. (FH) Christian Boucek,Vorprojektierung

Die HCX ist die ‚Produktivitätswaffe‘ der westlichen Industrieländer.

Produktivität

Transferlinien sind teuer und unflexibel, dafür produzieren sie hohe gleichbleibende Stückzahlen zu geringen Kosten. BAZ sind dagegen wesentlich flexibler, man kann sie viel besser auf Nachfrageschwankungen einstellen und auf Teilevarianten umrüsten. Das allerdings zum Preis höherer Betriebs- und Stückkosten und bei größerem Flächenbedarf. Das Transferzentrum verbindet als Fertigungstechnologie die Vorteile beider Systeme. Das ANGER HCX Transferzentrum kann sowohl produktiv als auch flexibel ausgelegt werden.

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Die Innovationen von ANGER 2012 – bereits auf der EMO in Hannover von 19.–24. September 2011 – Der Stand der Dinge.

Stückzahlen oder Flexibilität?

Beides, sagt ANGER.

Nun ist ANGER der Brückenschlag gelungen, Produktivität und Flexibilität zu vereinen, mit demneuenHCXchangeMaschinentyp.Beider Transferzentrum Technologie werden die Werkstücke meist 2-fach gespannt und CNC-gesteuertvonBearbeitungswerkzeugzuWerkzeug transferiert. Dieser neue Maschinentyp symbolisiert den Wandel der traditionellen Maschinenkonzepte in der bearbeitenden Industrie. Unter dem Produktnamen HCXchange verbirgt sich der mutige Anspruch auf Veränderung. Das neue Maschinenkonzept ANGERs erregt derzeit viel Aufmerksamkeit und Aufsehen in der Branche. DieHCXchangehaterstmalseinenoderoptional2 Doppel-Werkzeugwechsler in ein Transferzentrum integriert.

Flexible Fertigung für die Zulieferindustrie

MitdieseräußerstflexiblenHCXchangekön-nen auch mittelständische Unternehmer die Möglichkeit erhalten, eine Maschinentechnologie zu nutzen, die bisher nur den Großen vorbehalten war. „Wir haben die ANGER Basistechnologie aus der Hochleistungs-Serienfertigung mit den enor-men Präzisions- und Betriebsanforderungen der Automobilhersteller so weiterentwickelt, dass wir nun endlich den schwierigen Spagat zwischen Produktivität und Flexibilität schaffen. Voraussetzung war konsequente Lösungsentwicklung und die Ausrichtung am Kundennutzen“, ist Dietmar Bahn überzeugt. Wie innovativ dieser neue Maschinentyp ist, erkannte auch die Jury des Österreichischen Staatspreises für Innovation, der 2011 an ANGER vergeben wurde.

Flexibilität: Der intelligente, anpassungsfähige Baukasten

BeiderHCXchangekönnendurcheinBaukasten-system verschiedenste Maschinen- und Bearbeitungsmodule kombiniert werden. Das neue Flexibilitätskonzept umfasst die Automatisierung, das Spannsystem und alle denkbaren Bearbeitungseinheiten, vom Werkzeugwechsler über Spezialspindeln, standardisierte oder teilespezifischeMehrspindelköpfebishinzu

Kronenrevolver.ImBaukastenfindensichverschiedene technische Lösungen für die MMS- Bearbeitung, sowohl ein- als auch zweikanalig, wie auch verschiedene Beladungssysteme und Software-Anwendungen zum einfachen Programmieren, Simulieren und kollisionsfreien Betreiben der Maschine.

Flexibilität: Nullpunkt-Spannsystem –Flexibles Spannen für die vollautomatische Maschinenbestückung

BeiderHCXchangeerlaubteinNullpunkt-Spannsystem das rasche Einrüsten neuer Teile. Standardisierte Aufnahmen, rasche steuerungstechnische Prozessänderungen und unkomplizierte Qualitätseinstellungen der Werkzeuge und Werkstücke stehen zur Auswahl.

Der wesentliche Vorteil des eingesetzten Systems ist die pneumatische Selbstreinigung. Möglich wird das dadurch spänefreie Wechseln in vertikaler aber auch in horizontaler Lage. Durchgeführt von vierAbblasstiftenandenAuflagepunkten,diebeimEntkoppeln ausgefahren werden. Dazu kommt derschmutzunempfindlicheMittenverschluss.Ein Kolben fährt beim Entkoppeln mit aus und verschließt die Aufnahmebohrung für die Einzugsnippel. Außerdem ist dieser Verschluss mit Sperrluft beaufschlagt, was ein wiederholgenaues Nullpunkt-Spannen erlaubt. Die Spannelemente können genauso mit vier Medienkupplungen für Öl, Wasser, Druckluft oder Vakuum ausgestattet werden.

Die wesentlichen Vorteile im Überblick:

•PneumatischesSelbstreinigungssystem, schmutzunempfindlichdurchden Mittenverschluss•HoheProzess-Sicherheitbeimannloser Fertigung•VerkantungsfreiesHandlingauchbei ungünstigen Gewichtsverteilungen durch spezielle Spannnippel-Geometrie•IntegrierteMediendurchführungen•HohepermanenteEinzugskraftund Ausfallsicherheit durch vibrationsdämpfende Federkraft•Auflagen-undSpannkontrolle

Dipl.-Ing. Werner Bramhas, BereichsleiterVorprojektierung,Produktmanagement & Einkauf, Prokurist

„Die HCXchange ist ein völlig neuer Maschinentyp. Produktiv und flexibel, das ist Wirtschaftlichkeit auf geringster Fläche.“

ANGER HCXchange, variable Bearbeitungseinheiten in einemMaschinenraumkonfigurieren.ImBild:Doppel-bearbeitung eines Aluminium-Getriebegehäuses.

HCXchange 1400 und HCXchange 2000. FlexibleMaschinen wählbar mit 1x oder 2x Doppelwerkzeugwechsler-Konfiguration.

Nullpunkt-Spannsystem mit dem Speedy Sweeper 2000 von „STARK Spannsysteme“

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Minimalmengen-schmierung (MMS)Systemkombinationen 1-Kanal / 2-Kanal in Mehrspindelköpfen

ANGER hat gemeinsam mit Kunden und ProjektpartnerninnovativeMMS-Lösungenentwickelt und Fertigungsabläufe auf MMS- Tauglichkeit und -Anforderungen optimal ausgelegt. Der Ersatz von herkömmlichen Kühlschmierstoffen hat nicht nur bei unseren Kunden aufgrund der wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte hohe Priorität.

10-jährigeProjekterfahrungmitMMS-AnlagenfließenbereitsindieVertriebs-Vorprojektierungein. Die Planung systemischer Anforderungen bei MMS-Bearbeitung umfasst dabei das MMS-Gerät, die Drehdurchführung, Spindel, Spannsatz, Werkzeugaufnahme und Werkzeug. Die Abstimmung zwischen den Bearbeitungsverfahren, das Material, Einsatzdaten und Dosierung der Schmierstoffmenge sind dabei ebenso wichtig wie die Werkzeugauslegung, konkret des Schneidstoffs, die Beschichtung, die konstruktive Ausführung der Werkzeuge und die Aerosol-Kanäle.

Die wesentlichen Vorteile der ANGER MMS-Fertigungslösungen:

•AbstimmungzwischenBearbeitungund MMS-System (1-Kanal, 2-Kanal) und der Aufbringungsart (innen/außen)•Systemkombinationen1-Kanal/2-Kanal sind in ANGER Transferzentren möglich.•Bearbeitungsspindelnkönnenfürhöhere Drehzahlen und Vorschübe ausgelegt werden.•OptimierungderAerosol-Strömungs- geschwindigkeit und Systemdruck zur Späne-Abfuhr •AbsaugungfürAerosolrückstände bzw. Metallstaub•StrömungsoptimierteMMS-Medien-Zuleitung vom MMS-Gerät in die Maschine bis zur Werkzeugschneide•Lösungenauchfürdie Mehrspindelkopfbearbeitung

HCXchange – Transferzentrum mit integriertem BAZ!

Fleixibilität

Hadi Taam, Leiter Vertrieb Nordamerika

„Eine neue Brücke zwischen hoch produktiver Fertigung und kostengünstiger Umrüstbarkeit ist geschlagen.“

MMS Bearbeitung, der künftige Bearbeitungsstandard.Bild: Bielomatik

Stabile Serienprozesse mit MMS Bearbeitung, kombiniert 1-Kanal und 2-Kanal in Mehrspindelköpfen

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Der „Staatspreis Innovation 2011“ klingt für deutsche Ohren vermutlich ein bisschen sehr streng. So etwas würde in Deutschland „Bundespreis“ heißen. Es geht um die vermutlich höchste – und mit Sicherheit begehrteste – Auszeichnung, die von der Republik Österreich an die Wirtschaft vergeben wird. Im Bild oben ist der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (links im Bild) bei der Verleihung zu sehen, neben ihm Klaus Dirnberger, Geschäftsführer von ANGER Machining. Aus der hohen Anzahl von 614 eingereichten Unternehmensinnovationen wählte die prominentbesetzteFachjury–wieesauchinHollywood so üblich ist – sechs Nominierungen aus.DieEntscheidungfielschließlichaufdieHCXTechnologievonANGER.

2011AusgezeichneteArbeit.

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Die Thematik ist schnell umschrieben, beschäftigt sämtliche Anbieter von Produktions-techniken gleichermaßen und konzentriert sichaufdieFrage:WiefunktioniertinZukunfteine erfolgreiche Fertigungstechnologie in Hochlohnländern? Die Komplexität der Problematik liegt auf der Hand: Unterschiedlichste Faktoren nehmen Einfluss, ständig verändern sich die Bedingungen, was heute rentabel scheint, ist morgen längst zu teuer. Und die Lösung? Konkret, logisch und beständig muss sie sein. Einen entsprechenden Ansatz bietet ANGER.

Vorausgesetzt: Die Verbesserung der Produktionstechnik basiert auf Optimierung. Auf die Effizienzsteigerung von Prozessen, auf Flexibilität, auf den exakten Einsatz von Energie kommt es an. Optimieren bedeutet, die Verwendung von Hochleistungskomponenten inflexiblenSystemenimZusammenspielmitinnovativer Software bis ans Limit zu steigern und selbst dann noch eine Möglichkeit zu finden, weiter zu verbessern. Hier beginnt das innovative Fertigungskonzept von ANGER.

Durch Verkürzung des Arbeitsprozesses den Energiebedarf reduzieren

Im Mittelpunkt steht die Energieeffizienz, umgesetzt in einer Reihe von Maßnahmen. ZuallererststehtderEinsatzderReihen-/Transferzentrumstechnologie in der mit-tel- bis hochvolumigen Serienfertigung, der von Vornherein Energie spart. Warum? Ein TransferzentrumersetztjenachAuslegung3–5 Bearbeitungszentren. Das bedeutet ganz einfach weniger angetriebene Achsen, weniger Kühlmittelpumpen, weniger Automatisierung. Oder die perfekte Auslegung der Spindeleinheiten in Bezug auf Drehzahl und -moment, die in Verbindung mit dem ge-schwindigkeitssensiblen Hochfahrmodus über-schüssigen Verbrauch drastisch verringert. Weiters die Mehrspindelköpfe, die in der Praxis nichts anderes bedeuten als:

Kein Werkzeugwechsel, kein abruptes Beschleunigen und Abbremsen ist mehr nötig, dennjetztwirdjedeBearbeitungvoneinereinzelnen Spindel erledigt („Oversizing“ ist ausgeschlossen). Anders gesagt: Verkürzter Arbeitsprozess bei höherer Hauptzeit auf geringerem Raum mit weniger Teilelogistik – Energieeffizienz made by ANGER. ZumVergleichseihierdieBearbeitungvonVentilgehäusensamt-plattenbeiZFSaarbrückenerwähnt:NeunBAZbearbeitendort 150.000 Stück pro Jahr. DiesechsHCXvonANGERkommenaufüber500.000StückOutputimgleichenZeitraum.

Kostenfaktor steckt im Detail.

Doch welche Auswirkungen ergeben sich durch die angeführten Innovationen in der Produktions-technik für den tatsächlichen Energieverbrauch? Die Analyse ist verblüffend: 75 Prozent der auf-gewendeten Energie entfallen auf Aggregate und nur25ProzentsindfürdenZerspanungsprozessvonnöten. Daraus ergeben sich in logischer Konsequenz: 1.JehöherdieHauptzeitundjekürzerderProzess, desto effizienter die Energienutzung. 2. Es lohnt sich genauer hinzusehen, denn der Kostenfaktor steckt im Detail.

Jedes Funktionsmodul für sich birgt beachtliche Möglichkeiten der Energieaufwandsminimierung. Die Hochdruckpumpe der KSS-Anlage etwa, die mittels Drehzahlregelung nicht nur Über-strömungen vorbeugt, sondern ihren Energie-bedarf mehr als halbiert. Trägheitsmomentreduktion, berührungslose Abdichtungsformen, zentrale Schmieranlagen, automatisches Standby-Management – es sind kleine, aber umso wesentlichere Verbesserungen an oft unscheinbaren Stellen des komplexen Produktionsablaufs,dieeineobjektiveRessourcenoptimierung erlauben.

Energieinput durch Energieoutput

In Sachen Enegieeffizienz ist bei ANGER kein Ende absehbar. Gemeinsam mit der TU Wien, anderen Maschinenherstellern und Architekten wirdnunimRahmeneinesForschungsprojektsdie Abluftrückführung bei MMS-Betrieb unter-sucht. Bis zu 60 Prozent der Abluft lassen sich in der Maschine zum Abblasen wieder verwenden. „Reduzierung des Energieinputs durch die erneute Nutzung des Energieoutputs“, heißt das dann. Wo das noch hinführen wird? Welche Innovation ist die nächste? Fest steht jedenfalls:SokanninZukunfteineerfolgreicheFertigungstechnologie in Hochlohnländern funktionieren.

Zukunftsoptimiert

Energieeinsparung beim Dauerbetrieb der Mehrspindelkopfgetriebe durch berührungslose Abdichtungsformen

Höhere Leistung bei niedrigerem Energiebedarf – das innovative Fertigungskonzept von ANGER

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Von Maximilian Berggold

Transferzentrum Technologie Energiebedarf im Vergleich zum Bearbeitungszentrum (BAZ) Produkt: Radträger, Material: AlSi7MgFirma: Daimler AG, Stuttgart; Komplettbearbeitung

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Die Energiekosten sind bereits höher als die Werkzeugkosten. Prof. Dr.-Ing Eberhard Abele kommt in aktuellen Forschungsprojekten nicht nur zu dieser verblüffenden Erkenntnis.

Er hat noch einige andere auf Lager:

Forschung

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s fühlt sich casual an wie Freitag Nachmittag, es ist aber Donnerstag. Zwei Studenten nicken freundlich, sie kommen wohl aus einer kurzen Besprechung. Der Professor wirkt wie einer seiner Studenten, nur ein bisschen älter halt.

So wird die Atmosphäre gern in Filmen dargestellt, Elite- Universitäten, man kennt das. Kumpel und Campus. Prof. Dr.-Ing Eberhard Abele serviert selbst den Kaffee. Es gibt jede Menge über ihn, wenn man goo-gelt. Wandlungsfähigkeit in der Produktion. Intelligenter produzieren. Integrierte Produkt- und Prozessentwicklung. Wandel im PKW-Antriebsstrang. Herausforderungen für die Produktionsforschung – oben drüber prangen schon mal Adler und „Bundesministerium für Bildung und Forschung“. Symposien, Tagungen, Forschungsgipfel, öffent-liche Diskurse. Vor so einem umfassenden Hintergrund darf man auch gleich die wichtigste Frage stellen: Was macht eigent-lich die Industrie, wenn sie nicht weiß, was auf sie zukommt – was machen zum Beispiel die Automobilindustrie und ihre Zulieferer? Ist morgen alles Hybrid? Oder alles elektrisch? Werden es Lohner-Porsches – The Next Generation - mit Radnabenmotoren oder tanken wir Wasserstoff, der über chemische Reaktionsenergie Strom produziert? Die Industrie ist also kurz vor´m Pferderennen. Und jetzt bitte auf ein Pferd setzen ... „Wenn man aus Sicht eines Produktionsingenieurs auf die zukünftige Entwicklung des Kraftfahrzeugantriebs schaut, ist da sehr viel Unsicherheit über die Produkte, über die Stückzahlen, über die Varianten vorhanden“, antwortet Eberhard Abele, „denn er weiß nicht, wie sich letztendlich die Stückzahlen, die Anforderungen oder die Toleranzen entwickeln. Wir können den Erfolg des Elektromotors nicht vorhersagen, wir können zwar bedingt vorhersagen, wie die Brennstoffzelle funktionieren oder sich etablieren wird, aber was bleibt, ist die Unsicherheit im Bereich der Produktionsplanung.“ Und das Fazit lautet: Wer sich nicht festlegen kann, muss flexibel bleiben. Genau das gilt auch für die Maschinenkonzepte, die in Zukunft gefragt sein werden. Also hat ANGER Machining – wir treffen uns ja zu diesem Thema – den Punkt erwischt.

Prof. Abele nickt kurz, um sofort zu erweitern: „Aber Flexibilität ist nur die eine Seite der Medaille, das zweite ist das Thema der Kosten, der Produktionskosten. Wir werden nur eine Chance haben, die zukünftigen neuen Antriebssysteme hier in Europa zu fertigen, wenn es uns gelingt, auch die Kosten im Wettbewerb zu halten. Wir müs-sen in beiden Disziplinen exzellent sein. Gerade die neue „Exchange-Baureihe“ von ANGER ist hier ein gutes Beispiel:

Hier wurde die Flexibilität mit dem Thema der Produktivität toll fusioniert. Weil das Grundkonzept, das ANGER bietet, genau diese Grundflexibilität beinhaltet und damit sehr viel kostengünstiger möglich macht, als es bei vielen anderen Maschinenkonzepten der Fall ist.“ Ein Fertigungsplaner kann heute eigentlich gar nicht genügend Systemflexibilität in den modernen Produktionsanlagen vorsehen. Unter dem Strich stehen immer die TCO, die Total Costs of Ownership. Der Druck, der von den Niedriglohnländern kommt, von den Schwellenländern, wird wohl auch im Maschinenbau immer stärker werden? „Mit den Konzepten, die wir hier in Europa in den letzten dreißig Jahren hatten, könnte ein Produktionsstandort wie Deutschland nicht überleben. Die Technologie ist längst auch in anderen Ländern Stand der Technik!“, lautet die klare Antwort. „Das Curriculum im Wissen wird über die nächsten Jahre sehr rasch vorhanden sein“, sagt Eberhard Abele an anderer Stelle (siehe Seite 28). „Wenn wir in den Hochlohn- ländern noch eine Chance haben, dann müssen wir mit den Produktions-Konzepten und damit auch mit den Maschinen, einen relevanten Schritt voraus sein – in Richtung Flexibilität, in Richtung Produktivität, aber auch in Richtung der Umweltgerechtheit. Ebenso bei der Raumbeanspruchung – also des Aufstellplatzes, – in diesen Punkten hat ANGER sicherlich eine gewisse Pionierarbeit geleistet. Die Arbeits-flächenproduktivität dieses Konzepts ist einfach höher, als es in vielen anderen Konzepten der Fall ist.“ Die Transferzentrum Technologie – fassen wir hier also zusammen – ist wie bei Robert Palmer „The Best of Both Worlds“. Das Beste vom Bearbeitungszentrum und das Beste von der Transferlinie. Der Professor lächelt. Klar, Leute, die so etwas schreiben, tragen gern dick auf.

„Es gibt wahrscheinlich kein ideales System für die Produktion, für das Zerspanen per se. Sondern alles muss auf die Produktionsmengen, auf die Produkte abgestimmt sein, aber ich glaube sehr wohl, dass das Konzept von ANGER gerade in dem Automotive-Bereich sehr große Chancen hat, weil es auf-grund vieler Faktoren sehr gut geeignet ist und es bietet auch noch Potenzial für weitere attraktive Verbesserungen. Themen wie die Wechselsysteme, die Mehrfach-Wechselsysteme, es wird sicherlich die Geschwindigkeit noch ein Thema sein, und auch die Standardisierung. Fortschritte, die man auch mit den Kunden gemeinsam machen kann. Standardisierung von Wechselköpfen, von Spindeleinheiten, um die Kosten noch einmal kritisch betrachten zu können. Ich glaube, das Konzept ist eine ganz tolle Entwicklung - und es hat sicher-lich auch Potenzial für gewisse Weiterentwicklungen.“ „Ich glaube, das Konzept ist eine ganz tolle Entwicklung.“ Aus Sicht von ANGER Machining ist die neue HCXchange- Generation in ihrem Grundkonzept bereits in hohem Maße standardisiert. Auch Prof. Abele stimmt dem zu. Und ergänzt: „Das ist mit Sicherheit die Zukunft. Man darf aber nicht über-sehen, dass der klassische Maschinenbau und damit auch der klassische Produktionsplaner relativ konservative Elemente sind. ANGER hat vom Grundansatz ja eine revolutionäre Technologie – nämlich das Teil zu handhaben und nicht nur das Werkzeug. Etwa 80 Jahre lang wurden in der Industrie immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das Werkstück. Jetzt kommt jemand, der plötzlich auch das Werkstück hand-habt. Der Industrie und den Fertigungsplanern zu vermitteln, dass damit günstigere Konzepte erstellt werden können, ist sicher nur über entsprechende Überzeugungsarbeit möglich. Das Segment ist extrem gut besetzt mit vielen Anbietern, die eher noch ein klassisches Konzept fahren.“ Nun steigen wir also aus. Aus auch für das runde, uns so vertraute, gelbe Zeichen: „Atomkraft? Nein danke!“ Der Schritt vom „Versorgen“ zu den Sorgen ist ein klei-ner und die Sorgen sind groß, bei den Energieversorgern, wer das alles bezahlt, wenn Atomstrom nicht mehr die satten Gewinne liefert. „Forschung für energiearme Werkzeugmaschinen“ ist ein großen Schwerpunkt, hier am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt. Und Prof. Abele hat die Zahlen bereits auf dem Tisch:

Für die Industrie sind die Strompreise allein in den letzten sechs Jahren um rund 150 % gestiegen.

Aber es geht dabei nicht nur um den Industriestrom allein: Die Genauigkeit der Werkstücke wird ständig größer, was zu neuen Anforderungen an das Klima führt und bereits geführt hat. Das heißt vor allem: exaktes Regeln der Raumtemperatur, in dem die Werkzeugmaschinen ste-hen. Wo es mehr Abwärme gibt, muss die Abwärme der Werkzeugmaschinen wieder mit sehr viel Energieaufwand runtergekühlt werden. Verblüffend die folgende Erkenntnis des Instituts: Wenn eine Kilowattstunde Strom an der Werkzeugmaschine gespart wird, so liegt das Potenzial bei etwa 1,5 bis 2 Kilowattstunden im Bereich der Klimatisierung. Deshalb kommt neben wahrscheinlich höheren Kosten beim Industriestrom nochmals ein Hebel über die Energiekosten. Nur durch die Genauigkeits-Steigerung der nächsten Jahre. Der Energiekostenfaktor wird um ein Vielfaches wichtiger werden, als es vor zehn Jahren noch der Fall war. Wenn eine Kilowattstunde Strom an der Werkzeugmaschine gespart wird, so liegt das Potenzial bei etwa 1,5 bis 2 Kilowattstunden im Bereich der Klimatisierung. Der Hauptenergie-Einsatz steckt heute außerdem im Hochdruck- und im Niederdruck-Kühlkreislauf einer Werkzeugmaschine, zum Pumpen der Kühlschmierstoffe. Auch zu diesem Thema hat Prof. Abele ein konkretes Papier auf dem Tisch: In einem Forschungsprojekt für einen großen Automobilhersteller steckt eine weitere sehr bemerkens-werte Erkenntnis. Im konkreten Fall liegen die Kosten für die Werkzeuge bei rund 19 Cent, die Energiekosten für die Rundtischmaschine liegen dagegen bereits über 20 Cent. Die Energiekosten sind bereits höher als die Werkzeugkosten.Seit Jahren und Jahrzehnten rationalisiert die Industrie mit größtem Aufwand die Werkzeugkosten. Mit viel Aufwand, und auch mit Erfolg. Bei den Energiekosten dagegen steckt sie noch in den Kinderschuhen – wir stehen erst am Anfang.

Ansätze gibt es im Institut der TU Darmstadt sehr viele. Ansätze, die in Projekten mit der Kraftfahrzeug-Industrie und auch der Werkzeugmaschinen-Industrie bereits verfolgt wer-den. Einer davon liegt nahe: Es werden technische Lösungen erforscht und erprobt, die einzelnen Antriebskomponenten der Maschine, wie etwa die Pumpen oder die Verfahrachsen, möglichst optimal auszulegen, energetisch optimal. Hier zeigt sich bereit das entsprechende Potenzial. Ein Stichwort sind „Energieeffizienz-Motoren“, die zwar etwas mehr kosten, sich aber in zwei bis vier Jahren amortisiert haben. In einem zweiten Ansatzpunkt geht es um die Betriebsweise der Maschinen. Eine Idee hört sich wie die Start-Stop-Automatik an. Es werden alle Verbraucher abge-schaltet, die man im momentanen Zustand nicht braucht – und bei Bedarf wieder zugeschaltet. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan, weil die Maschine in ihrem Temperaturgang zu leben beginnt. Wird alles abgeschaltet, wird sie kühler, wird alles wieder zugeschaltet, wird sie wärmer. Die Maschine atmet. Die Forschung kann aber nach-weisen, dass hier bis zu 50 % Energiekosten einzusparen sind. „Allerdings ist nur die Hälfte davon nach momentanem Stand der Kosten wirtschaftlich“, erläutert Eberhard Abele, „die anderen 25% sind zwar technisch ohne Weiteres mög-lich, aber die Investitionen dafür sind noch relativ hoch und nicht ohne Weiteres wirtschaftlich gerechtfertigt.“ Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in der Gebäudeplanung, in der energetischen Optimierung der gesamten Fabrikhalle. Wärme, die unten in der Maschine entsteht, wird oben für die Kühlanlage genutzt. Allerdings muss dabei die gesamte Infrastruktur einer Produktionshalle infrage gestellt werden. Man muss neue Hallen bauen oder zumindest komplett neue Klimatisierungsgeräte installieren, was aber sorgfältig geplante und funktionierende Abläufe komplett verän-dern kann. Prof. Abele erwartet auf diesem Gebiet keine Revolution. Die physikalischen Effekte sind bekannt, das Auftauchen eines komplett neuen Ansatzes ist nicht zu erwarten. Das Potenzial steckt in der beständigen Evolution. Eberhard Abele macht keinen Hehl daraus, wie sehr er hier die „Vorkoster der Nation“ schätzt. Und jene, die bereit sind, wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen, um Erkenntnisse für zukünftige Ziele zu gewinnen – wie etwa die Lufthansa, die vor einiger Zeit beschloss, teures Bio-Kerosin auf eini-gen Strecken zu testen, um die Umweltbilanz des Fliegens verbessern zu können. Eberhard Abele nennt Unternehmen wie Bosch oder Rexrodt, die bereits zu nicht unbedingt wirt-schaftlichen Maßnahmen greifen, um ihre CO2 Bilanz in den Griff zu bekommen. Sie setzen sich Ziele wie 20 % oder 25 % CO2-Einsparung bis zum Jahr 2020. Die kann man eben nur erreichen, wenn man auch alle Möglichkeiten ausschöpft, die man heute auch bei den Werkzeugmaschinen hat. Umwelt ist – wie schon erwähnt – ebenfalls ein Thema, zu dem man Prof. Abele befragen sollte. Wie ist denn das mit der MMS, der Mindermengen-Schmierung, im Gegensatz zur KSS? Die Minimalmengen-Schmierung ist seiner Meinung nach eine wesentliche Entwicklung sowohl in Richtung Umwelt als auch in Richtung Energie. Und es geht zweifellos um einen großen Schritt nach vorn. Was die Energie betrifft, ist das mehr als eindrucksvoll. Wer mit MMS arbeitet, betreibt keinen großen Aufwand mehr, die Kühlstoffmengen zu pumpen, zu reinigen und zu fördern. Es gibt eben nur eine ganz kleine Menge, die sehr dosiert eingesetzt wird. Der Energieaufwand ist also minimal. Die Energieeinsparung macht einen Quantensprung.

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Mit der MMS macht die Einergieeinsparung einen Quantensprung Ebenso groß ist auch die Bedeutung für das Thema „Umwelt“. KSS-Mittel müssen in großen Mengen eingesetzt werden, Mengen, die viel Geld kosten, mit viel Energieaufwand ver-arbeitet werden und mit großem Aufwand entsorgt werden müssen. Zusätzlich beinhalten sie Bestandteile, die in die Luft gelangen und abgesaugt werden müssen, weil sie im Arbeitsraum bei häufigem Hautkontakt schädlich sein könnten. „Könnten“, weil das Thema nach wie vor umstritten ist. Zusätzlich müssen diese KSS-Schmierstoffe sehr penibel von dem Eindringen in das Erdreich abgehalten werden.Der Aufwand ist also enorm. Auf der anderen Seite wissen Techniker, dass man nichts umsonst bekommt. Der Nachteil der MMS ist, dass die Thermik der Maschine zu leben beginnt. Der Einsatz einer Minimalmenge bedeutet, hier kommt ein kleines Tröpfchen reibungsmindernder Stoff zum Einsatz. Man kühlt nicht mehr. Während die großen KSS-Systeme einige Liter pro Minute auf das Werkstück spülen und damit immer auf einer Temperatur von rund 24° halten. Bei der MMS wird – bei kräftigem Bohrereinsatz oder hohen Fräsleistungen – das Werkstück sehr heiß und die Genauigkeit ist damit tendenzi-ell in Gefahr. Die Forschung ist selbstverständlich schon dran, über Simulationen die entstehenden Temperaturen genau zu ermitteln und so die Möglichkeiten zu bieten, ebenso genau dieses Maß vorzuhalten, um das dieses Bauteil später wieder abkühlen wird. Wohin der Trend mittelfristig geht, das ist sehr umstritten. Es gibt noch zahlreiche Verfechter der KSS-Schmierung, die darin die einzige Möglichkeit sehen, Maschinen prozessstabil zu betreiben. Damit fällt das Atmen weg.Andere sind überzeugt, dass die Minimalmengenschmierung der richtige Weg ist. „Die MMS wird sicherlich bei gewissen Teilen gut funktionieren“, resumiert Prof. Abele, „allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Maschinen entsprechend gebaut und für thermischen Schwankungen nicht besonders anfäl-lig sind. Gerade im Kraftfahrzeugbereich gibt es allerdings Funktionen, die ganz besonders kritisch sind, wenn es um die thermische Ausdehnung geht. Andere sind es vielleicht weniger. Eine generelle Regel für bestimmte Bauteile existiert jedenfalls nicht“ Bemerkenswert in Darmstadt ist übrigens die Lernfabrik, eine praxisbezogene Initiative von Prof. Abele. Eine auch von der Größe her durchaus eindrucksvolle Fabrik mitten auf dem Campus, die schon jetzt für Forschungsprojekte und für die gesamte Maschinenbauindustrie von Bedeutung ist, sondern in Zukunft möglicherweise auch der richtige Schritt in eine Richtung, über die auf Seite 28 mehr zu lesen ist.

Wenn eine Kilowattstunde Strom an der Werkzeugmaschine gespart wird, so liegt das Potenzial bei etwa1,5 bis 2 Kilowattstunden im Bereich der Klimatisierung.

Mit Prof. Abele unterhielt sich Patrick Schierholz.

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Wenn man über ein sehr komplexes Thema schreibt, sollte man es irgendwie locker beginnen. Das dachte wohl auch die Zeitschrift Science vor einiger Zeit, als sie schrieb: „Wissenschaft ist die aufregendste Sache, die man mit angezogenen Hosen tun kann.“Das ZEIT MAGAZIN griff diese Zeile auf und befand: „Mit Atomphysik oder Gentechnik kann man auf einer Party jedes Gespräch abwürgen!“ Und ein paar Absätze weiter: „Wissenschaftliches Denken hat viel mit Lust zu tun (was der Schulunterricht leider erfolgreich verdrängt). Und es gibt wenig Aufregenderes – da hat Science recht – als das Glücksgefühl, das sich beim gemeinsamen Lösen eines lange bearbeiteten Rätsels einstellt.“ Ergo müssen wir uns Maschinenbauer als Menschen mit häufigen Glücksgefühlen vorstellen.

Die Lernfabrik des Eberhard Abele an der PTW der TU Darmstadt ...

... – an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben – ist wohl ein ganz besonders gutes Beispiel dafür. Überhaupt das Institut der Technischen Universität, mit dem ANGER Machining schon seit Jahren eng zusam-men arbeitet. Aber nicht nur mit Darmstadt. Eine ebenso langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit gibt es auch mit dem ...

... Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TU München.„Die Hauptaufgabe der Themengruppe ist die inter-disziplinäre Entwicklung, Konstruktion und Optimierung von Werkzeugmaschinen sowie die Umsetzung einer dafür geeigneten methodischen Vorgehensweise“, erklärt die Hochschule. In der Zusammenarbeit mit ANGER Machining geht es um die mechatronische Simulation kompletter HCX Maschinen und die daraus abgeleitete mechatronische Optimierung. So wird die gezielte Optimierung von Bauteilen auf das Bearbeitungsergebnis möglich gemacht. Der optimale Prozessaufbau in der Maschine in Abhängigkeit vom Nachgiebigkeitsfrequenzgang, sei es nun für die hochgenauen Feinbohroperationen oder auch für die Schwerzerspanung wird durch parametrische Modelle des Bearbeitungsraumes gewährsleistet. „Die gemeinsam erarbeiteten Modelle und Kenntnisse liefern einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der HCX Architektur, als eine der

Forschung und Entwicklung. Das heißt im Falle ANGER: Zusammenarbeit mit dem PTW Darmstadt, der TU München, der Universität Stuttgart, der TU Wien, der RISC Software und natürlich – mehr oder weniger vor der Haustür – dem Produktionstechnik-Forschungsinstitut PROFACTOR.

Also müssen wir uns Maschinenbauer als glückliche Menschen vorstellen.

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Prof. Dr.-Ing. Michael ZähOrdinarius für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der TU München. Umfang-reiche internationale Industrieerfahrung, u.a. beim Maschinenhersteller Gleason-Pfauter. Sprecher des Fachkollegiums für Produktionstechnik der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Mechatronische Simulation der HCX Maschinen-Konstruktion. Laufende FEM-Strukturmodell-Optimierung, Berechnung von Bearbeitungskräften, Schwingungen und Verhalten von Maschinenkomponenten.

Prof. Dr.-Ing. Gunther ReinhartOrdinarius fürBetriebswissenschaften und Montagetechnik an der Technischen Universität München. Umfangreiche Erfahrung in der Industrie, u.a. bei der BMW AG und beim Maschinenbauer IWKA AG. Sprecher des Bayerischen Clusters für Mechatronik und Automation und Leiter der Fraunhofer IWU Projektgruppe für Ressourceneffiziente Mechatronische Verarbeitungsmaschinen (RMV) in Augsburg.

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leistungsfähigsten Maschinentypen in der weltweiten Serienfertigungsindustrie“, fasst Dipl.-Ing. Roland Haas, Technischer Leiter und Entwicklungschef von ANGER, die bisher gemachten wesentlichen Fortschritte zusammen.

Universität Stuttgart: ”... kostenbewusstere Produktion in der von der Automobilproduktion geprägten deutschen Wirtschaftslandschaft.“

Prof. Dr.-Ing. Uwe Heisel

Ganz aktuell ist der Austausch zwischen ANGER und der Universität Stuttgart mit dem Institut für Werkzeugmaschinen von Professor Heisel. Sehr beachtenswert ist das Projekt „Effizienzsteigerung durch intelligente Planung - Agentenbasierte Fertigungssystemplanung von rekonfigurierbaren Transferzentren von Dipl.-Ing. Walther Maier und Dipl.-Ing. Alexander Bader. Man findet sie im Internet als pdf. Das Fazit nehmen wir hier jetzt einfach vorweg: „Grundvoraussetzung für eine Effizienzsteigerung der Produktion durch den Einsatz der Transferzentren ist eine bedarfsgerechte Planung der gebotenen Flexibilitäten bezüglich der einsetzbaren Bearbeitungs-verfahren und Maschinenkonfigurationen. Die Konfiguration der Transferzentren ist bestimmt durch das zu bearbeitende Werkstück und beeinflusst von zahlreichen Einflüssen durch Konstruktionsbedingungen der Bearbeitungsmodule und den fertigungstechnischenEinflüssen durch die zur Fertigung notwendigen Bearbeitungsschritte.

Zur Unterstützungdes Fertigungssystemplaners wird daher ein komplexitätsreduzierendesagentenbasiertes Assistenzsystem zur Planung eines Fertigungssystems entwickelt. Das Ziel einer Effizienzsteigerung in der Produktion kann zum einen durch eine optimale prozesstechnische Planung des Fertigungssystems von Herstellerseite erreicht werden. Zum anderen kann diese Effizienzsteigerung durch die Einbeziehung von Rekonfigurationsvorgängen in die Auslegungsplanung des Assistenzsystems auf Kundenseite realisiert werden. Damit gelingt es auch dem Anwender selbst, ein optimal ausgelegtes Fertigungssystem dem turbulentenUmfeld durch sicher planbare und validierte Rekonfigu-rationen stetig anzupassen. Der vermehrte Einsatz der Transferzentrum Maschinentypen verspricht eine deutliche energie- und ressourceneffizientere und damit kostenbewusstere Produktion in der von der Automobil-produktion geprägten deutschen Wirtschaftslandschaft.“

TU Wien. Energieeffizienz in Maschinen und Fertigungshallen

Ein weiteres wichtiges Forschungsprojekt läuft im Rahmen des „IFT – Intelligente Fertigungstechnologien“- Programms zusammen mit anderen Maschinenherstellern – General Motors in Wien Aspern und einigen Haus-technikunternehmen, die bei diesem Projekt ent-scheidende Partner sind. Hier geht es einerseits um die Reduzierung des Energieinputs in der Fertigung. ANGER untersucht dabei die Reduktionspotenziale des Energiebedarfs der Transferzentren durch gezielte Abschaltung von Einzelaggregaten und Spindeln, Reduzierung von Drehzahlen, sowie Einsatz energieopti-mierter Komponenten. Andererseits werden Lösungen zur weiteren Nutzung des Energieoutputs gesucht. Darunter fällt zum Beispiel die Kühlung von Maschinen über die Haustechnik und umgekehrt. Was dabei heraus

kommt, ist die Nutzung der Wärmeabluft für die Heizung von Büros bzw. ganz einfach nur des Wassers.

PROFACTOR. Digitale Fabrik Das Produktionstechnik-Forschungsinstitut und ANGER Machining arbeiten seit mehreren Jahren am Schwerpunktthema „Digitale Fabrik“. Ziel ist die Entwicklung eines ganzheitlichen, digitalen Engineering- und Fertigungskonzepts für den kun-denspezifischen Maschinenbau zur Beschleunigung des Entstehungsprozesses bei gleichzeitiger Reduktion des Ressourcenbedarfs. Unter anderem wurde die Prozesssimulation-Software NX-Cam als die automa-tische CNC-Programmgenerierung bereits erfolgreich bei ANGER eingeführt.

Gemeinsame Arbeiten wurden auch im Rahmen eines mehrjährigen EU-Forschungsprojektes „Launch Micro“ durchgeführt. Hier ging es um die Anwendung von Piezo-Sensoren für Feinjustierungen von Spannvorrichtungen in einer Maschine.

RISC Software. Intelligente Steuerung. www.risc-software.at

In der RISC Software GmbH werden spezialisierte Softwarelösungen für Modellierungen und Analysen in Ingenieurwissenschaften (Computational Engineering) sowie für Simulationen und Steuerungen von Fertigungssystemen und Produktionsprozessen (Manufacturing Systems and Processes) für nam-hafte Kunden aus den Bereichen Maschinenbau, Automobilindustrie und Flugzeugindustrie entwickelt. Bei einem der wichtigsten gemeinsamen Projekte ging es um die Einwicklung des SPS Software Moduls zur Kollisionsvermeidung, genannt AutoRetrace ™. 2012 wird ein F&E-Projekt intensiv auf das Thema Durchlaufzeitreduktion ausgerichtet. Zusammen mit RISC und anderen Partnern wird die Modularisierung der SPS-Programmierung für Plug & Produce und die automatische Code-Generierung der SPS-Codes von ANGER Maschinen vorangetrieben. Ziel ist letzt-lich die virtuelle Inbetriebnahme, die eine beträchtliche Reduktion der Durchlaufzeit ermöglichen soll.

Von dem Hirnforscher Valentin Braitenberg stammt die wohl auch ein bisschen scherzhaft gemeinte Theorie, Menschen verfügen über einen „Kapiertrieb“, der dem Sexualtrieb ganz ähnlich ist. Und wie sagte erst kürzlich ein namhafter Forscher – ein Humanbiologe, übrigens – im ZEIT MAGAZIN: „Bisher war es aufregend. Jetzt wird es dramatisch!“

Das gilt wohl auch für den Maschinenbau.

Prof. Dr.-Ing. Uwe HeiselLeiter des Institut für Werkzeugmaschinen derUniversität Stuttgart

Versuchshalle des iwb an der TU München

Mag. Andrea Möslinger Geschäftsführerin Profactor GmbH

Schloss Hagenberg, Wissenschafts- und Ausbildungszentrum für Software Entwicklung, sowie Sitz hoch spezialisierter Industriesoftware-Unternehmen wie die RISC Software GmbH.

Also müssen wir uns Maschinenbauer als glückliche Menschen vorstellen.

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Der Verkehr staut. Der junge Taxifahrer folgt dem nicht vorhandenen Verkehrsfluss, rückt ein kleines Stück vor, nach Gefühl, denn er ist halb über die Rückenlehne gedreht, blickt nach hinten. Über Eurokrise, Mikrokredite und Muhammad Yunus, der sie 1976 in Bangladesh initi-ierte, sind wir inzwischen bei Adam Smith angelangt, 200 Jahre früher, sozusagen. Der Schotte ist wohl Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaft. Der Taxifahrer dagegen ist eine Art Wirtschaftshistoriker. Er hat den Blick zwar weniger im Verkehrsgeschehen, dafür aber auf’s Ganze gerichtet. So ist das, wenn der Taxifahrer gleichzeitig Wirtschaftswissenschaftler ist.

„Unsere Studenten haben in der Regel alle einen Arbeitsplatz. Die haben im Maschinenbau einen Arbeitsplatz und sind nicht Taxifahrer!“

Diese klare Feststellung kommt von Prof. Dr.-Ing Eberhard Abele, Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt. Sie bezieht sich auf die Ergebnisse regelmäßiger Erhebungen. Sechs Monate nach Studienabschluss erhalten die Absolventen einen kurzen Fragebogen. Haben Sie schon einen Job? Wo? Wie viel verdienen Sie? Und so weiter ... Das Ergebnis bringt Eberhard Abele auf den Punkt: „Die Ingenieure leben eigentlich in einem kleinen, goldenen Königreich!“ Dabei gilt der Maschinenbau als eine der Romantik eher unverdächtige Szene. Was der Szene neben der Romantik fehlt, ist Nachwuchs. Das ist nicht erst seit der Wirtschaftskrise und dem nun folgenden Boom so, sondern ist ein seit Jahren im Raum schwebender Zustand. „Wir müssen bei den Jungendlichen wieder für mehr Technikbegeisterung sorgen!“ appelliert Eberhard Abele und meint die Physik- und Mathematiklehrer.

Lasst uns Maschinen bauen. Und einen Park.

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Dann ergänzt er: „Wir stellen fest, dass die meisten Studenten, die zu uns kommen, sich sehr negativ äußern über ihre Physik- und Mathematiklehrer – vor allem über die Mathematiklehrer!“Technikbegeisterung gibt es und sie hat griffige Namen: iPod. iPad. Smartphone. Oder auch Gameboy. Wo liegt heute noch ein Märklin-Baukasten unter dem Weihnachtsbaum? (Das Produkt wurde mit Jahresende 1999 nach über 80 Jahren eingestellt.) Sollte ein Vater die Anschaffung einer Dampfmaschine in Erwägung ziehen, tritt vermutlich der gesamte Freundeskreis der Kinder zum Fremdschämen an. Das Wissen auf der Welt pendelt sich viel schneller auf ein gewisses Gleichgewicht ein, als wir es wahrhaben wollen. Oder wie Eberhard Abele es formuliert: „Das Curriculum im Wissen wird sehr rasch vorhanden sein. In nur wenigen Jahren. Und dann stellt sich die Frage: Wer hat die besseren Tools, die besseren Software-Werkzeuge? Wer hat die besse-ren Netzwerke in den Industrie-Regionen?“ Noch ist die Maschinenbauindustrie der Exportmotor der deutschen Wirtschaft.

„Das war so! Das ist so. Aber ob das immer so bleibt? Da habe ich gewisse Zweifel!“, erwidert der Wissenschaftler sofort. „Die Werkzeugmaschine hat eine große Bedeutung für die Produktivität einer Volkswirtschaft. Wenn wir nur mit den Mitteln im Wettbewerb stehen würden, die inzwischen auch die Inder oder andere Niedriglohnkosten-Standorte haben, dann hätten wir keine Chance mehr, mit den Kosten in Mitteleuropa noch wettbewerbsfähig zu sein. Dabei kommt der Werkzeugmaschine und der Innovation rund um die Werkzeugmaschine eine ganz große Bedeutung zu, für den Industriestandort per se. Damit beginnt unser Wohlstand, so unsere Zukunft!“ Eine wichtige Initiative ist der bereits Realität gewor-dene Traum des Eberhard Abele: die Lernfabrik der TU Darmstadt, ein Maschinenbau-Unternehmen – mitten im Campus. Die Lernfabrik bietet die Möglichkeit, jungen Leuten die Produktion zu zeigen. Es ist eine moderne Fabrik. „In kleinem Maßstab, natürlich“, stellt Eberhard Abele beschei-den fest, „aber wir begeistern damit junge Leute für die Produktion. Wenn sich jemand heute für den Maschinenbau entschieden hat und nach dem Abitur hier beginnt, hat er wahrscheinlich bereits ein Praktikum gemacht, in irgendei-ner kleinen Firma, in einem Handwerkerbetrieb, und hat die Produktion eher als schmutzige Erfahrung in Erinnerung. In unserer Lernfabrik sieht er die Realität und stellt fest: „Wow! Die Produktion ist ja etwas, das systematisch ist, das sauber

ist, clean! Sie entdecken die besonderen Abläufe dahinter und die meisten sind sofort interessiert, viele sogar begeistert. Seit wir die Fabrik gebaut haben, ist bei uns hier in Darmstadt der Anteil der Studenten, die Produktion vertiefen und sich für Produktion interessieren, sehr stark gewachsen. Ein weiterer Aspekt ist, dass auch die Industrie großes Interesse zeigt. Die Lernfabrik ist heute zu mehr als 50 % ausgelastet – allein durch Kurse mit Industrieunternehmen, die sehen wollen, wie Produktionsprozesse mustergültig ablaufen. Sie interessieren sich für die Methoden, die für ihre Systemverbesserung und für ihre Qualitätsverbesserung relevant sind!“

Grundsätzlich ist die Lernfabrik ein Modell, das vor allem geeignet ist, jungen Menschen die Produktionsprozesse und Produktionsmaschinen zu zeigen, eine klare Vorstellung zu vermitteln und in vielen Fällen auch Begeisterung zu wecken.Ein Besuch der Lernfabrik – ein auch architektonisch hoch-modernes Gebäude gleich neben dem Institut, für dessen Architektur die Amerikaner das schöne Wort „Brutalism“ erfanden – ist in jeder Beziehung eindrucksvoll. Eine Vielzahl hochmoderner Produktionsmaschinen beherrscht das Bild, umgeben von einer noch größeren Zahl eindrucks-voller Messgeräte. Bildschirme überall. „Werden Ihnen die Maschinen von den Herstellern zur Verfügung gestellt?“ lau-tet die – eigentlich bereits ein klares „Ja“ erwartende – Frage.„Nein! Wir legen großen Wert darauf, unabhängig zu sein. Wir kaufen alle Maschinen und bezahlen sie. Das sind zum Teil sehr teure Anlagen!“

Ein von Schmunzeln begleiteter Blick zur Seite, auf die Wand, auf der sehr deutlich und unter den zuständigen Haken jeweils die Silhouette von Besen, Kehrblech und Handfeger gezeichnet ist. Jawohl – Maschinenbau ist clean. Angewandte Philosophie, sozusagen. Könnte man nicht die Lehrer einladen, die Lernfabrik zu besuchen und eine Vorstellung davon zu bekommen? Das hat man in Darmstadt schon versucht. Aber die Lehrer kommen nicht. Keine Zeit, Überlastung, vielleicht auch nur Desinteresse.

Außerdem könnte man noch viel früher ansetzen, um bei jungen Menschen für mehr Verständnis und Präsenz der Technik zu sorgen. Vier von fünf Mädchen wollen schließlich irgendwann einmal Tierärztin werden, ebenso ist der Herr Doktor bei den Jungs präsent. Und dann stehen sie vor dem Numerus clausus oder sitzen in völlig überfüllten Hörsälen. Technik dagegen sieht und benutzt man täglich, ohne dabei die Menschen zu erkennen, die diese Technik erfinden, ent-wickeln und bauen.

„Ich würde bereits im Kindergarten beginnen!“, sagt Eberhard Abele. Das ist vermutlich richtig, die Frage ist nur: Wie? „Maschinenbau“ – das klingt wohl ein bisschen nach James Watt mit der Ölkanne in der Hand. Vielleicht sollte die Industrie sich auf einen Technikpark einlassen, eine Art Disneyland des Maschinenbaus. Wie die Autostadt in Wolfburg, nur noch viel unterhaltsamer. Zuerst vorfinanziert von verschiedenen Unternehmen, aber ein Park, der sich vermutlich schon bald selbst trägt. Dazu bauen und sponsern große Unternehmen einzelne Attraktionen und fördern auch die Ausflüge, die Reisen der Schulklassen aus dem ganzen Land. Die Lehrer, die vielleicht keine Lust haben, erhalten eben von den Kultusministern der einzel-nen Ländern den Auftrag, sich wenigsten einmal hier mit ihrer Klasse einzufinden. Basta. Wir bauen schließlich an Deutschlands Zukunft. Die Kids können in einem atembe-raubenden Rollercoaster fahren und dann sehen, wie viel Präzision, wie viel Technik notwendig ist, so ein Ding zum Funktionieren zu bringen, und die Maschinen, die solche Räder und Rollen produzieren und deren Antrieb. Und in Folge kann plakativ oder spielerisch erläutert werden, wer die Menschen sind, die sich mit komplexen technischen Fragen beschäftigen, die Autos erfinden und Flugzeuge und Rollercoaster – und die Maschinen, um solche Dinge über-haupt erst fertigen zu können.

Es sind ja wohl auch Maschinen, die jene Teile fertigen, die man zu Smartphones zusammensetzt, an denen sie schließ-lich alle rumfummeln, die Kinder.

Schöne, neue Welt.

Lasst uns Maschinen bauen. Und einen Park.

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Aber ganz kurz: Der erste Porsche – abgesehen vom Lohner Porsche 1899 – wurde in Gmünd ge-baut. In Kärnten, Österreich. Der Lohner Porsche hatte bereits Elektromotoren an den Radnaben, was mehr nach 2012 klingt und nicht nach 1899. Der 904 GTS, eine Sportwagenlegende, ist ein Ent-wurf von Ferdinand Alexander Porsche, der in Zell am See lebt und übrigens auch den 911er zeich-nete. Keine Form, aber einen Namen lieferte ein anderer Österreicher: Konsul Emil Jellinek benannte erst seine Rennfahrzeuge von Daimler und später alle Daimler Fahrzeuge, die er impor-tierte, nach seiner Tochter: Mercedes. Der Steyr Baby von 1936 gilt als erster aerodynamischer Kleinwagen der Welt. Das BMW-Motorenwerk in Steyr war der erste Hersteller, der die digitale Dieseltechnologie zur Marktreife entwickelte und damit in Serie ging. Mit einem der innovativsten Motorentwickler der Welt, einer großen Tradition auf dem Gebiet der Antriebstechnologie, mit Werken von BMW, Magna und General Motors spielt Österreich eine sehr wichtige Rolle in der europäischen Autoindustrie.

Bernhard Angerer ist ein österreichischer Fotograf. Er fotografierte die Teile namhafter Hersteller, die Sie als „Art of Parts“ auf einigen Seiten sehen. Die Autoaufnahmen entstanden für den Ausstellungskatalog des Technischen Museums Wien zur Sonderausstellung „Chromjuwelen – Autos mit Geschichte“. Der Heel Verlag (www.heel-verlag.de) produzierte einen Nachdruck dieses Katalogs, ISBN: 978-3-86852-062-0, unter dem Titel: „Autos mit Geschichte, fotografiert von Bernhard Angerer“

1899

Österreich und die Autos - das ist eigentlich eine sehr lange Geschichte.

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Ab morgen Motoren.

Zylinderkurbelgehäuse –Innovatives Doppelbearbeitungskonzept von ANGERVolvo Car Corporation hat sich bei der Planung einer Fertigungslinie der neuen Motorengeneration im schwedischen Motorenwerk Skövde für HCX Anlagen zur hochproduktiven Doppelbearbeitung von 4- und 5-Zylinder-Kurbelgehäusen entschieden. Die Anlagen werden mit enorm leistungsstarker und produktiver Mehrspindelkopf-Technologie ausgestattet, sodass pro Maschine über 100 fixe Werkzeuge zum Einsatz kommen werden. Ohne Werkzeugwechsel kann ANGER die Prozessnebenzeiten auf ein Minimum reduzieren, das Transferzentrum kann damit ihre größten technologiebedingten Vorteile voll und ganz zur Geltung bringen. Der Vergleich zeigte, dass mit jeder dieser ANGER Maschinen mindestens 10 Einzelspindel BAZ ersetzt werden und sogar 6 Doppelspindel-Maschinen.

Das intelligente Prozess-Engineering ermöglicht aber dennoch eine hohe Teileflexibilität, denn alle Varianten der Volvo Cars Motorblocktypen können über die ANGER HCX Anlage bearbeitet werden. Die Automatisierung erfolgt durch ein Gantry System über die gesamte Linie. Zwei Roboter entnehmen dann vom Band und be- bzw. entladen die Transferzentren von der Seite mit jeweils 2 Werkstücken in eine Handling Station. Nachdem die Spannvorrichtung die beiden Teile zur vollautomatischen Bearbeitung abholt, übernehmen die Roboter Hauptzeit parallel weitere Prozessaufgaben wie Reinigen, Messen und Codieren. Die hohe Wirtschaftlichkeit der HCX Anlagen wird durch die Parameter geringste TCO Kosten, geringste Stellfläche und geringstes Gesamtinvest erzielt. Volvo Cars verfolgt die Fertigungsstrategie, unterschied-liche Technologien innerhalb einer Fertigungslinie einzusetzen, und nicht ausschließlich BAZ. Im konkreten Fall werden Bohr- und Gewindeoperationen der Motorblöcke auf produktive ANGER HCX Transferzentren gebündelt und in die Linie integriert.

Thomas Faller, Vorprojektierung

„ANGER HCX Maschinen werden jetzt zur Doppelbearbeitung von Motorblock, Zylinderkopf und Getriebegehäuse eingesetzt.“

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Am meisten beeindruckten mich die schiere Größe und dieser verchromte Busen. Es handelte sich vermutlich um den Series 62 von 1955, mit diesen beiden Stoßzähnen, die rechts und links vom Kühlergriff wie zwei vorn im Auto steckende Bomben aussehen. Ein Cadillac!

Das muss so um 1957 herum gewesen sein, in Norddeutschland. Ein Nachbar von uns hatte damals einen Mercedes 220 und der Anwalt meines Vaters fuhr einen BMW 501, den Barock-engel. Das waren auch große Autos, aber nichts gegen einen Cadillac. Rolls-Royce – so einen kannte ich damals nur von Bildern – und Cadillac, das war in der Auto-Hierarchie der späten fünfziger Jahre ein Stück über ganz oben. Fast fünfzig Jahre später fragte mich ein Headhunter, ob ich mir vorstellen könnte, nach Detroit zu gehen. Es gäbe wohl ein Projekt, die Marke Cadillac wieder ganz nach vorn zu bringen. Und weil ich doch immerhin dem Kern jenes Teams angehörte, das im Jahr 1989 damit begann, die Marke Audi neu zu positionieren und 1994 mit der Einführung des Audi A8 den Prozess als erfolgreich eingeleitet betrachten konnte, fragte also der Headhunter an, ob das, was bei Audi gelungen sei, auch bei Cadillac möglich wäre.Ich darf es gleich vorweg erwähnen. Ich ging nicht nach Detroit. Audi sei nun wirklich kein Vorbild für Cadillac - ließ angeblich ein Markting-Experte aus Detroit verlauten, Cadillac hätte weit höhere Ziele. Diese wurden unter anderen von Susan Docherty definiert. Man wolle zurück zu „Art und Science“, dem Kern der Marke Cadillac. „Art & Science“ sei genau die Markenposition, von der sich Konsumenten angezogen füh-len, die sich jetzt für Mercedes oder BMW entscheiden. Mit dem Escalade habe man schon die richtigen Schritte in diese Richtung gesetzt. Ich dachte die nächsten Tage darüber nach, weshalb ein Riesenschiff – gängige Farbwahl: Tiefschwarz – mit fetten Chromfelgen zum bevorzugten Gefährt von Rappern werden kann und was das wiederum mit „Art & Science“ zu tun haben könnte. Ach ja: Frau Docherty ließ noch verlauten, dass man nun die Tagline „Life. Liberty. And the Pursuit“ nicht mehr verwenden wolle, weil ja „Art & Science“ jene Käufer mehr anspricht, die – wie schon erwähnt – auch mit Mercedes liebäugeln.

So geht das: Man ändert eine Tagline und schon sehen poten-zielle Käufer die Marke mit anderen Augen und Cadillac steht wieder da wie zu Zeiten der Series 62. Logischerweise kann dann auch Audi kein Vorbild sein, denn wer will schon Jahre, um das Ansehen einer Marke zu ändern, wenn man das ganz einfach mit einer Tagline machen kann? I’ve got a question for you! What does this city know about luxury? Ha?! What does a town that’s been to hell and back know about the finer things in life? So beginnt einer der bemerkenswertesten Werbefilme des Jahres 2011. Mehr als 100 Millionen Fernsehzuschauer bekamen den Film während der Übertragung des Superballs zu sehen, zwei Minuten lang, Music by Eminem. Der fasst dann am Schluss zusammen: „This is the Motor City. And this is what we are doing!“ What they are doing ist der neue Chrysler 200. Und schließlich der zentrale Satz: Imported from Detroit.

Ich habe mir den Film schon oft angesehen. Man muss dazu den Ton ganz laut drehen und einfach warten, bis die Gänsehaut kommt. Am Ende ist man ganz begeistert – von Detroit. Das ist meine Stadt. Ich liebe Detroit. Das ist Bob Seger. Night Moves. Out in the back seat of my `60 Chevy.China ist jetzt der größte Automarkt der Welt. Die Chinesen fühlen sich offenbar von „Art & Science“ nicht so sehr angezogen. Wer Geld hat, kauft lieber Mercedes oder Audi, manche haben auch ganz viel davon und greifen gleich zum Phantom.Autos made in USA kommen inzwischen aus Tuscaloosa County, Spartanburg oder Chattanooga und natürlich auch aus Tupelo/Mississippi oder Georgetown/Kentucky, wo Toyota Werke betreibt. Alles im Südosten. Und was pas-siert dort oben im Norden? In Hitsville/USA? Das stand auf einem Schild am Haus von Barry Gordy Jr., als er Motown Records gründete und uns bald darauf mit den Supremes, K

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tMoves.

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Temptations oder Little Stevie Wonder beglückte. Auch Aretha Franklin, Madonna, Alice Cooper, Kid Rock oder Eagles-Gitarrist Glenn Frey kommen aus Detroit, plus viele Rapper und die halbe Techno-Szene. Man muss Detroit einfach lieben!

Die USA sind vielleicht nicht mehr der größte Automarkt der Welt, aber werden immer das Autoland bleiben. Als ich für Audi arbeitete, war ich ein paar Mal in Simi Valley. Wir arbeiteten während der Neupositionierung der Marke mehr mit Designern und technischen Entwicklern als mit Taglines, um eine Sprache zu finden, mit der sich die Marke im Produkt ausdrückt. Simi Valley im Norden von Los Angeles ist Heimat des DCC, des Volkswagen Design Center California.

„Von allen Autos, die je irgendwo auf der Welt gebaut wur-den, gibt es mindesten ein Exemplar in Los Angeles“, erklärte mir J. Mays, der jetzt bei Ford ist, „wer Autos verstehen will, muss hier beginnen!“ (Am nächsten Morgen begegnetet mir tatsächlich ein NSU Prinz 3 auf dem Santa Monica Boulevard). Mag schon sein, dass die Herren Gottlieb Daimler und Carl Benz das Auto erfunden haben, mehr oder weniger zur selben Zeit, als auch gerade der Otto-Motor erfunden wurde. Aber zum Welterfolg macht es ein anderer, der ein ganz einfaches Auto baute, das in jeder Farbe zu haben war, solange es schwarz ist.

Henry Ford. In Detroit. Hier begann die Demokratisierung des Automobils, die unsere Welt veränderte.

Im Kunstmuseum von Detroit erinnern riesige Wandgemälde von Diego Rivera an die Fließbandarbeit, mit der die Autos produziert wurden. Detroit ist nicht nur Auto und Musik, sondern auch Auto und Kunst. Seit einiger Zeit entdecken Künstler und Musiker erneut diese Stadt und ziehen hierher. Aus den USA und aus der ganzen Welt. Wissen Sie, worauf ich hinaus will? Es werden bald wieder großartige Autos gebaut in Detroit, davon bin ich überzeugt. Es fängt ja immer mit der Kunst an, die in verfallene Häuser zieht. Begleitet von der Musik. Das ist der Zyklus. Das ist immer so. Die USA sind das Autoland Nummer eins und werden immer der Automarkt Nummer eins bleiben. Natürlich ist es ein wenig schwieriger. in einem total gesättigten Markt mit Stückzahlen zu prahlen. Die Schwellenländer haben den Nachholbedarf, nicht die USA. Aber die Erfahrung ist in den USA zu Hause. „And the know how runs deep in every last one of us!“ wird auch gesagt in dem Chrysler-Film, der ja ein Detroit-Film ist. Die Autos

n a c h der Krise werden Autos sein, die

aus den neuen Herausforderungen entstehen. Sie werden Antworten sein auf die Fragen der Zukunft. Technisch hervorragend, ganz neue Ideen, mit der Energie umzuge-hen, verblüffende Gedanken und Lösungen, Achtgang- und Neungang-Automatik-Getriebe schon bald im Chrysler – um irgendwo zu beginnen. Das ist doch bereits ein Statement! Manchmal muss man ganz unten sein, um wieder aufzu-steigen können. Eine alte Lebensregel, die auch für Detroit gilt – ich schwöre. Hinreichend bekannt ist, dass der Präsident gern von „change“ spricht. Das tat er auch im Januar 2011. Barack Obama kündigte in seiner alljährlichen „State of the Union“- Ansprache an, Amerika werde weltweit das erste Land sein, das bis 2015 eine Million „Advanced Technology“-Fahrzeuge im Straßenverkehr hat. Das wird auch Detroit verändern. Denn wenn die Amerikaner sich etwas wirklich vornehmen, dann schaffen sie es auch. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte man sich weitgehend unbehelligt mit abgefahrenen Reifen oder herunterhängender Stoßstange auf dem Highway bewegen. Bewegte man sich dabei aber mit 56,2 Meilen, stand man wenig später neben seinem Auto und hatte beide Hände auf dem Autodach. Das nennt man Prioritäten setzen.

Das Center for Automotive Research (CAR) in Ann Arbor, westlich von Detroit, recherchiert und evaluiert die neuesten Entwicklungen und Technologien im Bereich des Automobils. Direktor Jay Baron und seine Leute arbeiten eng mit einem Infrastruktur-Industriekonsortium – dem National Research Council – zusammen. Die Aufgabe ist die Entwicklung einer akzeptablen Infrastruktur für das Elektroauto – 25 namhafte Unternehmen gehören dem Industriekonsortium an. Sie lesen gerade „2012“. Die Zeitung wird von Anger Machining erstmals herausgegeben und die Leute von Anger glauben fest an die USA. Wenn man Maschinen baut,

die anspruchsvolle Teile für Autos bauen, muss man einfach die USA mögen. (Die USA sind das Autoland Nummer eins – das sage ich immer wieder, damit man mir endlich glaubt.) Also wurde ich gefragt, ob ich was über Detroit schreiben kann, die Autostadt im Autoland. Eigentlich sollte ich sofort erwähnen, dass einer der ersten großen Erfolge der Anger HCP in Detroit stattfand. Bei ZF und auch bei Chrysler. Das war bereits im Jahr 2000. Nun aber verliere ich mich in Assoziationen, um auf uner-wartete, eigentlich unlogische Zusammenhänge

zu kommen, mit denen ich Detroit erklären kann. Für dieser Verbindung von vordergründig völlig verschiedenen Ideen zieht man ja ganz gern die Metapher des Springers im Schachspiel heran – knight’s move. Genau das ist Detroit.

Vor einige Zeit lernte ich Hadi Taam kennen. Er wohnt in Ann Abor – in Rufweite von CAR, sozusagen. Hadi Taam ist Mister Anger of America. Man sagt, er habe wesentlich zum Erfolg von Anger in den USA beigetragen. Wie weit das stimmt, kann ich nicht überprüfen, aber es gibt wohl einen Satz seiner Frau, der zumindest darauf hindeutet: „Anger – it’s not an emotion. It is a machine!“, soll sie wohl häufig gesagt haben. Vermutlich hat sie dabei auch die Augen ver-dreht. Andererseits schlug sie den Satz sogar als Tagline vor, für Anger. Mir gefällt das.

Vor einigen Jahren unterhielt ich mich einmal mit dem Erzbischof von New York. Kein Scherz. Er hat mich getraut. Damals sagte er in seiner Rede: „Wir Amerikaner lieben einfach alles. Es ist schrecklich! Die Griechen besitzen fünf verschiedene Wörter, um Liebe auszudrücken. Wir aber lieben Spaghetti. Wir lieben unsere Mutter. Wir lieben Autos. Und wir lieben Gott.“

Sie haben ja recht, Hochwürden.

Ich sage es trotzdem: I love Detroit.

Men Working in Car Factory. Das berühmte Fresko von Diego Rivera.

Das im Detroit Institute of Arts gezeigte Segment ist eine Szene der Montage des Ford V8-Motors im Jahre 1932 im Werk Rouge.

Moves.Von Patrick Schierholz

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Die riesige Halle ist fast leer. „Kokomo, Indiana, ist Ground Zero für die Entlassungen in der Autoindustrie“, war im April 2009 noch bei CNNMoney zu lesen. Der „Bodennullpunkt“ – hier wirkt die Bombe am meisten. Auch die Lokalpresse fürchtete Vergleichbares: „Die Arbeiter sagen, wenn man nicht bald etwas unternimmt, ihre Jobs zu retten, ist die Stadt am Ende.“ Es geht um dieses Werk: Kokomo Transmission Plant, kurz KTP. In den Hallen, die ursprünglich abgerissen werden sollten, herrscht inzwischen Aufbruchstimmung. In Kokomo werden bald zwei der modernsten Getriebe der Welt produziert: Das 8-Gang-Automatik-Getriebe und das 9-Gang-Automatik-Getriebe für quer einge-baute Motoren mit Frontantrieb. Chrysler hat etwas unternommen. Zusammen mit FIAT ist Chrysler wieder dabei, ein neues, dynamisches Geschichtskapitel für die amerikanische Auto-mobilindustrie zu schreiben. Schon 2013 werden die neuen Getriebe in Chrysler-Modelle eingebaut. Der Mann in Gelb ist Thomas Ernstreiter. Er ist als Projektleiter für die Realisierung des ANGER Projekts verantwortlich. Eine aus sechs HCX Maschinen bestehende ANGER Anlage mit vollautomatisierter Roboterbeladung wird die Ventilplatte und das Ventilgehäuse der neuen 8-Gang-Getriebe bearbeiten.

2012Anfang statt Ende.

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Es wird behauptet, alles im Leben käme zurück, hätte ein Ureinwohner Australiens erstmals gesagt, kurz nach Erfindung des Bumerangs.Man hört diese Erkenntnis in allen

möglichen Zusammenhängen und sie gilt wohl auch für den Mehrspindelkopf. Die Bearbeitungsnebenzeiten eines Transfer-zentrums sind durch das Verfahren, das Werkstück von Spindel zu Spindel zu führen, auf ein Minimum reduzierbar. Durch die gestiegenen Produktivi-tätsanforderungen sind Prozesslösungen in simultaner Mehrfachbearbeitung von Werkstücken heute Standard. Die Gleichzeitigkeit von Bearbeitungsaufgaben wird durch den Einsatz von Mehrspindelköpfen mit höchster Leistungs-fähigkeit und Genauigkeit erreicht. Die dafür benötigte Technologie der Mehr-spindelköpfe hat jedoch nur wenig mit deren Einsatz in konventionellen Transferstraßen und Rundtischmaschinen aus vergangenen Jahr- zehnten zu tun. Hier geht es um Mehrspindelköpfe der Gattung „The Next Generation“.

Höchste Spindeldrehzahlen für den Einsatz moderner Schneidstoffe (bis zu 12.000 U/min) und geringe Massenträgheitsmomente der Wellen und Zahnräder für schnelles Beschleunigen und Abbremsen der Getriebe sind die primären An-forderungen an die neue Generation unserer Mehr-spindelköpfe. Ein wichtiger Systempartner von ANGER ist die österreichische Firma Hellmerich in Seeboden,der weltweite Marktführer bei Mehrspindelköpfen. Spindelköpfe von Hellmerich sind bekannt für höchste Bauteilgenauigkeit und Wuchtwerte. Vergleichbar mit denen in der Luftfahrtindustrie. Massenträgheitsreduzierte Getriebebauteile ermöglichen einerseits den energiesparenden Betrieb, andererseits verminderte Belastung von Getriebewellen und Lagerungen, und dadurch

höhere Nutzungsdauer und die Wartungsfreiheit der Einheiten. Die konsequent verbauten, berührungslosen Abdichtsysteme reduzieren außerdem die ansonsten durch Dichtringreibung erzeugte Wärme an den Mehrspindelköpfen und stellen durch ihre Wartungsfreiheit eine optimale Lösung für Maschinenbetreiber dar. Die von ANGER MACHINING eingesetzten Mehrspindelköpfe erfüllen durch die in der kon-struktiven Auslegung berücksichtigte Reibungs-armut alle Genauigkeitsanforderungen der zu fertigenden Werkstücke. Serienmäßig vorgesehene Kühlungssysteme für Getriebe- und Spindel- gehäuse sorgen für sehr geringe Temperatur- unterschiede vom Maschinenstart bis zur Erreichung der Betriebstemperatur, um auch bei den statistischen Abnahmen von Werkstück- merkmalen zu überzeugen. Als Folge der insge-samt erzielten Reibungsreduktion bei allen Bauteilen der Mehrspindelköpfe neuester Techno-logie, kann die verminderte Wärmeverbringung in der Maschine durch den Einsatz von Mindermen-genschmierung zur Werkzeugkühlung anstelle konventioneller Kühlschmierstoffe weitgehend kompensiert werden. Effizienz, minimaler Energieeinsatz und Scho-nung der Umweltressoucen sind die Leitlinien,

h

nach dem heute jede Komponente einer Werkzeug-maschine gestaltet werden muss. Dabei sind bei mehrspindeligen Bearbeitungs-einheiten schon systembedingt die meisten dieser Anforderungen erfüllt.

Die von ANGER eingesetzten Mehrspindelköpfe setzen diese Vorgaben jedoch in einer nochmals verbesserten Technologie durch:

• Ein Motor mit einer Steuerung betreibt bis zu 60 Spindeln. • Optimierte Auslegung der Massenträgheit (GD²) der Getriebeteile reduziert die notwendige Motorleistung beim Beschleunigen der Einheit. • Hochpräzise Verzahnungstechnologie ermöglicht höchsten Wirkungsgrad der Getriebe.• Schmiermittel- und Bauteilereduktion durch Verwendung gemeinsamer Ölumlaufschmier- systeme für bis zu vier Mehrspindelköpfe.• Reibungsoptimierte Getriebeschmierung durch mengengesteuerte Schmierstoff-Einzelzufuhr zu den Lagern und Getriebeteilen.• Deutliche TCO-Vorteile durch langlebige modulare Bauweise mit Wiederverwendbarkeit und reduzierter Ersatzteilhaltung.

Hochleistungs-Mehrspindel-Bearbeitungs-einheiten sind Schlüsselkomponenten im Transferzentrum. Bei ANGER feiern sie eine Renaissance. In höchster Fertigungsqualität bei geringsten Wartungsanforderungen.

Alles im Leben kommt zurück. Auch der Mehrspindelkopf.

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Durch die Erarbeitung einer neuen DIN-Norm zur Standardisierung von Mehrspindelbohrköpfen für Transferzentren (DIN 69010 – Status: in Vorlage) ermöglichen ANGER und Hellmerich den künftigen Austausch der Bohrkopf-Einheiten von Transferzentrum zu Transferzentrum auch von unterschiedlichen Maschinenherstellern.

Hellmerich Präzisionskomponenten, Geschäftsführer Dipl.-Ing. Gunther Kranabether

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(Das ist der Titel eines neuen Reimbuches von Bjarne Mädel – erschienen im KiWi Verlag.)Hat nichts mit ANGER zu tun, aber wir mögen es.

IMPRESSUM. ”2012“ ist ein periodisches Druckwerk und erscheint erstmals anlässlich der Exposition Mondiale de la Machine Outil (EMO). “2012“ erscheint erstmals am 19. September 2011 zur EMO in Hannover. Erscheinungsort ist Traun/Österreich. Als Verlag und Medieninhaber fungiert die ANGER MACHINING GmbH, 4050 Traun/Österreich, Zaunermühlgasse 3-5. Gedruckt bei Holzhausen Druck GmbH/A-1140 Wien. Übersetzung: Creative Translation – Susanne Kosma e. U., 1090 Wien, Alserbachstraße 15/1 und MB International Languages GmbH, Technoparkstraße 4, A-5310 Mondsee. Redaktion: schierholzsaxer ssx, Pfarrplatz 4, 1190 Wien/Österreich. Gestaltung: schierholzsaxer ssx. Art-Director: Hanns-Georg Saxer. Fotorafen: Bernhard Angerer, Seite 1, 2, 8, 9, 32 und 40; Manfred Weis, Seite 4/5, 12/13. 14/15, 25, 26/27, 30; Archive: Fotolia, Seite 2; Corbis, Seite 6/7 und Seite 34/35; alle anderen Abbildungen: ANGER Archiv, sofern nicht anders angegeben.”2012” ist eine kostenlose, alle zwei Jahre erscheinende Information der ANGER MACHINING GmbH in Traun. Ziel ist ein informativer und unterhaltsamer Überblick zur aktuellen Lage des Maschinenbaus mit Schwerpunkt „Maschinen für die Automobilindustrie“ und zur Rolle, die ANGER MACHINING in diesem Umfeld einnimmt. ”2012“ enthält keine „entgeldlichen Einschaltungen“ oder „Werbung“.

Erfolgreiche Zertifizierung ANGERs gemäß DIN 9001 Qualitätsmanagement und erstmals auch nach 14001 Umweltmanagement im Juni 2011

„Größer, schöner praktischer“ – bezieht sich nicht auf ein neues Regal aus Schweden, sondern auf die nächste Erweiterung.Modell der Erweiterung des Stammwerks im oberösterreichischen Traun.

ANGER wird nächstes Jahr 30. Karl Dorn ist schon 40 Jahre dabei.Klingt wie ein Druckfehler, ist aber ein Beispieloberösterreichischer Unternehmenstreue. Karl Dorn arbeitete schon 1971 mit dem Industriepionier Anton ANGER zusammen, elf Jahre bevor, das heutige Unternehmen gegründet wurde.

Splitter*

Nachwuchs wurde bereits an anderer Stelle behandelt. Hier ist er weiblich. Der „Girl’s Day“ hat Tradition in Traun. Links Ulrike Rabmer-Koller, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer OÖ, Klaus Dirnberger und ein zukünftigerMaschinenbauer. Vorsicht Gender! Heißt das dann Maschinenbäuerin? Oder BauerIn?

Das Band ist wie immer rot, die Herren sind fröhlich, denn sie durften es zerschnippeln, und H3 ist damit eröffnet. Halle 3 verdoppelt die Produktionskapazität. Seit März 2011.

Glück reimt sich nicht auf Leben. Na ja, so ist das eben.

*Gibt’s in allen Zeitungen.

Also auch hier.

Hochleistungs-Mehrspindel-Bearbeitungs-einheiten sind Schlüsselkomponenten im Transferzentrum. Bei ANGER feiern sie eine Renaissance. In höchster Fertigungsqualität bei geringsten Wartungsanforderungen.

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presented byTHE ART OF PARTS