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Das Jahr in Kleinwachau. erlebt. gesehen. erzählt. 2013 2014: Wir feiern 125 Jahre Barrierefreiheit Aktionstag macht Mut zur Selbsterfahrung. Lampenfieber Schüler tanzen für die Umwelt. Bauarbeiten In Kleinwachau kommt einiges ins Rollen. Mein Foto des Jahres Besondere Augenblicke.

2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Der Jahresrückblick aus Kleinwachau.

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Das Jahr in Kleinwachau. erlebt.

gesehen.erzählt.

2013

2014: Wir feiern 125 Jahre

BarrierefreiheitAktionstag macht Mut zur Selbsterfahrung.

Lampenfieber Schüler tanzen für die Umwelt.

Bauarbeiten In Kleinwachau kommt einiges ins Rollen.

Mein Foto des Jahres Besondere Augenblicke.

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inhaltMein Foto des JahresBesondere Augenblicke4, 16, 26, 34, 40

Barrierefreiheit Aktionstag macht Mut zur Selbsterfahrung 6

Baustelle Kleinwachau Neue Konzepte für alte Häuser 9

Freiwilligendienste Eine Zeit, die reich macht 12

Schuljubiläum 20 Jahre staatliche Anerkennung 18

Lampenfieber Schüler tanzen für die Umwelt 20

Erweiterung Fachkrankenhaus will Angebot ausbauen 28

Porträt Schauspieler Philipp Otto 30

Erfahrungsexport Epilepsieberatung in Litauen 31

Einweihung Neues Leben in der Schloßstraße 36

Sitzgelegenheit Über die Entstehung eines Möbelstücks 42

Ein starkes Team Von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt 47

Volltreffer Ralf Minge trainiert Kleinwachauer Fußballer 48

Impressum 55

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Wer hat denn diese Jahreslosung ausgesucht? Da denkt man ja das ganze Jahr an Totensonntag.“ So hörte ich es im Januar von einer Mitarbeiterin. Sie hat damit fast Recht. „Wir haben hier keine bleibende Stadt“ – das erinnert uns daran, dass unser Leben be-grenzt ist. Zweimal haben wir Trauergottesdienst in unserer Kirche gehalten. Von zwei Bewohnern haben wir endgültigen, bitteren Abschied genommen. „Wir haben hier keine bleibende Stadt“ – das erinnert da-ran, dass die Dinge nicht bleiben, wie sie sind. Vieles im Leben verändert sich. Zum Beispiel sind langjähri-ge Mitarbeiter gegangen. Etliche Kleinwachauer sind in Außenwohngruppen gezogen. Im Talhaus wohnt gar keiner mehr. Die „Alte Tischlerei“ wird von der Förder- und Betreuungsstätte genutzt. Das Brun-nenhaus hat einen Fahrstuhl. Manche Veränderung macht uns traurig, andere sind schön und lassen uns strahlen. Manche Veränderung macht uns unsicher.

Die Jahreslosung geht aber weiter: „… die zukünfti-ge Stadt suchen wir.“ Unser Leben treibt also nicht ziellos dahin. Wir haben ein Ziel: in der zukünftigen Stadt bei Gott zu Hause zu sein. Vollkommen werden wir erst in Gottes Stadt sein, wenn wir gestorben sind oder wenn Christus wiederkommt. Aber als Christen leben wir schon hier in der Gegenwart Gottes. Wir sind noch nicht in Gottes Stadt angekommen, aber einen Vorort haben wir schon erreicht. Wir treffen uns in guten und in schweren Zeiten in der Kirche und leben unseren Alltag unter Gottes liebevollen Augen. Wir müssen nicht allein bleiben, wenn wir Angst haben. Gott schenkt uns Menschen, die un-sere Trauer mit uns tragen. Wir teilen unsere Freude miteinander.

Mich erinnert die Jahreslosung nicht an den Toten-sonntag, sondern an den Ewigkeitssonntag. Ja, wir haben in diesem Jahr in Kleinwachau dunkle Stunden und Tage erlebt. Aber wir haben auch den Glanz von Gottes Ewigkeit gesehen. Er hat uns fröhliche, helle Zeiten beschert. Beeindruckende Geschichten haben wir erlebt. Auf den folgenden Seiten laden wir Sie ein, sich mit uns darüber zu freuen. So möge Gott auch weiterhin Seine Hand über Kleinwachau halten und schenken, dass es für viele ein fröhlicher Vorort des Himmels ist.

Ihre Pfarrerin Elisabeth Roth

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zu-künftige suchen wir.Hebräer 13,14

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„Das Foto zeigt mir ganz klar: Der beste Weg, Barri-eren abzubauen ist, sie selbst zu erfahren.”

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Warum sitzt der junge Mann auf dem linken Foto eigentlich im Roll-

stuhl? Er wirkt doch kerngesund! Das ist er auch. Er ist Ingenieur für Landschaftsarchitektur und hat im Juli beim Aktionstag Barrierefrei-heit in Kleinwachau die Chance genutzt, Barrieren selbst zu tes-ten. Das Foto wurde zu „Meinem Foto des Jahres”, weil es zeigt, wie wichtig es ist, Barrieren selbst zu erfahren. Auch ich schlüpfte an diesem Tag in einen Altersanzug. Belastende Gewichte erschwer-ten das Laufen, eine Spezialbril-le schränkte meine Sehkraft ein. Dass wir in Kleinwachau in puncto Barrierefreiheit noch viel zu tun haben, das habe ich schon vorher gewusst. Wie schwer das Laufen wurde, wie langsam ich war, das war mir erschreckend neu.

Im Zeitalter der Inklusion ist der Abbau von Barrieren in aller Munde. In unserer Einrichtung arbeiten wir seit vielen Jahren verstärkt daran. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Alters einer ganzen Reihe von Bewohnerinnen und Bewohnern bleibt uns das ein großes Anliegen. Auch zie-hen immer mehr Menschen mit schweren und schwersten Behin-derungen in unsere Einrichtung. Daher werden wir in Kleinwachau das Wegenetz verändern müssen, Barrieren weiter abbauen. Stu-denten aus Dresden, u. a. auch der junge Mann vom Foto, zeig-ten uns im Juli mit wirklich tollen Ideen, wie das gehen könnte. Für

diese Hilfe sind wir sehr dankbar. Obwohl es noch eine Menge zu tun gibt, sind wir schon auf einem guten Weg. Das Brunnenhaus, das Verwaltungsgebäude unserer Ein-richtung, wird gerade barrierefrei. Vor allem Dank der Inbetrieb-nahme des neuen Aufzuges. So können nun auch Rollstuhlfahrer einfach per Knopfdruck zu den Büros der Verwaltung gelangen.Im Talhaus, wo nach Auszug der Bewohner jetzt umfangreiche Bauarbeiten für die neue Senio-renstätte und die Physiotherapie laufen, werden bestehende bauli-che Barrieren abgebaut.

Barrierefreiheit zeigt sich aber auch in unserer Integrationsfirma Paso doble. Hier arbeiten mittler-weile 15 Beschäftigte in normalen sozialversicherungspflichtigen Ar-beitsverhältnissen. Ungefähr die Hälfte von ihnen ist in irgendeiner Weise schwerbehindert. Es macht mich froh, dass wir neben den Kleinwachauer Werkstätten hier ein weiteres Angebot etablieren konnten, und es ist für mich ein erster Schritt, auch die Barrieren in den Köpfen der Menschen ab-zubauen.

Auf dem Weg zur inklusiven Schule in Kleinwachau versperren uns noch viele Barrieren den Weg. Wir sind aber eifrig auf der Suche nach Lösungen.

Sie werden es gemerkt haben, wir haben in Kleinwachau noch

viel zu tun, um möglichst bald mit möglichst wenigen Barrieren konfrontiert zu werden. Weniger Barrieren, die das Zusammenle-ben von Menschen behindern.Und - Sie werden es schon er-wartet haben: Wir sind wieder einmal auf Ihre Unterstützung angewiesen. Ganz sicher, der Ab-bau von Barrieren kostet Geld. Für Ihre Spenden sind wir sehr dankbar. Wir brauchen Ihre eh-renamtliche Mitarbeit z. B. in der Begleitung von Freizeitakti-vitäten unserer Bewohnerinnen und Bewohner. Wir brauchen aber auch Ihre ideelle Unterstützung bei Politik, Behörden und Insti-tutionen. Viele Genehmigungen und Fördermittel sind für unsere Aufgaben notwendig.

Martin WallmannGeschäftsführer

neue Wege finden

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Ein LEBEN OHNE HINDERNISSE - das ist unsere Vision. Und dieser VISION sind wir ein kleines Stück näher gekommen. Von April bis Juli befassten sich in einem einzigartigen Semesterprojekt 13 Studenten vom Institut für Landschaftsarchitektur der TU Dresden damit, Konzepte zur Beseitigung von Barrieren auf dem

Gelände des Epilepsiezentrums zu finden. Innovative Ansätze ohne Budgetgrenzen waren dabei gefragt. Denn auf dem rund 20 Hektar großen Areal sind einige Wege zwischen den Häusern aufgrund der topografischen Lage nicht einfach zu bewältigen. Gerade die älteren Patienten und Bewohner sehen sich täglich auf dem Weg zur Seniorenstätte, zur Physiotherapie oder zur Kirche diesen Hürden ausgesetzt. Durch einen Problemlösebo-gen verschafften sich die Senioren Gehör und stießen auf studentische Unterstützung. Der Tag der Projektprä-sentation wurde zu einem großen Aktionstag rund um das Thema Barrierefreiheit.

In einem Begleitprogramm konnten die Mitarbeiter und Besucher testen, wie sich Barrieren wirklich anfühlen. Rollstühle, Rollatoren und ein Altersanzug sorgten für die nötige Realität. Auch die Studenten nutzten den Selbsterfahrungsparcours. „Das war einfach toll. Wir sagen immer 7% Steigung ist doch gar nicht viel, aber

Aktionstag „Barrierefreiheit“.

Studenten finden innovative Konzepte zum Abbau von Barrieren.A

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wenn man erstmal selbst in einem Rollstuhl sitzt, dann sehen 7% ganz anders aus“, sagte Dia-na Wenzel. Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Maria Wagner befasste sie sich ausführlich mit Kleinwachaus Wegen. „Nach unserem Einfüh-rungstreffen sind wir am Wochenende gleich nochmal nach Kleinwachau gefahren. Und wir haben erkannt, dass der kleine Wald neben dem Gartenhaus eine Menge Potenzial bietet“, fügt sie an.

Die beiden Studentinnen im 8. Semester sprachen in ihrer Präsentation über ein Perso-nenförderband in Endlostechnologie, mit dem man Steigungen bis zu 25% überwinden kann. „Mit einer besonders rutschfesten Bandoberflä-che ist es vor allem für Rollstuhlfahrer geeignet und wird zum Beispiel in Skigebieten einge-setzt“, sagte Diana Wenzel und blickte dabei stolz ins Publikum.

Außerdem schlugen sie vor, in den Wald neben dem Gartenhaus Wege zu führen, die auf-grund der geringen Steigung barrierefrei sind. Möglich wird das durch Stützwände aus COR-TEN-Stahl. Deren auffällig rostige Farbe hat eine raumgreifende Wirkung und kann so als Leitele-ment die Orientierung verbessern - neben einer Stützwand also zugleich Wegweiser sein. Die beiden Studentinnen nannten sie „Sinneswege“ und planten dabei auch Farne, Waldmeister und Goldnessel mit ein, typische Pflanzen für die Region.

Bei der Materialauswahl des gesamten Wege-netzes beschränkten sie sich auf vier Materialien. So soll der Lieferverkehr auf Asphalt rollen, die Fahrbahn zur Geschwindigkeitsreduzierung an beiden Rändern mit Pflaster optisch eingeengt werden. Eine Erleichterung für die Fortbewegung von Fußgängern und Rollstuhlfahrern sollen Be-tonsteinplatten und Holzdielen erreichen.

Dieses Konzept klang so gut, dass Diana Wenzel und Maria Wagner dann auch den Pub-likumspreis des Epilepsiezentrums ernteten. „Wir haben vorher noch nie mit behinderten Men-schen gearbeitet“, sagte Maria Wagner und fuhr fort: „Der menschliche Aspekt, die Herzlichkeit der Leute hier in Kleinwachau, ist einfach toll.“

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„So etwas sollte jeder, der mit alten Men-schen arbeitet, einmal auspro-bieren.”

Die Hand umklammert fest den stützenden Rollator, die Füße schlürfen schwerfällig über den Asphalt. Ein junger Pfleger steht zur Seite, er hilft Elisabeth Möller auf dem schwierigen Anstieg. Sie sieht hochkonzentriert aus, womöglich um ein Stolpern zu verhindern. Doch die Frau, die in gebeugter Haltung so dahin-schlürft, kennt sonst nur forschen Schritt. Was sie heute ausbremst ist ein Altersanzug, in den die Se-niorenbetreuerin des Sächsischen Epilepsiezentrums geschlüpft ist. Eine schwere Weste, zusätzliche Gewichte an Händen und Füßen, eine Halskrause, Gehörschutz und eine Brille wirken auf die Frau einschränkend.

Frau Möller, wie fühlen Sie sich?„Der erste Eindruck ist niederdrü-ckend. Das Gewicht zieht mich fast in die Kniebeuge. Da beugt sich ehrlich gesagt auch mein Selbstwertgefühl.”

Aber so schlecht kann das Ge-fühl doch nicht sein. Sie haben ja einen jungen Helfer an der Hand!„Das ist aber auch wichtig, je-manden zur Seite zu haben, der einen unterstützt. Selber fühle ich mich mit dem Ding gar nicht so sicher. Alles um mich herum ist so schnell und rauscht förmlich an mir vorbei. Ich muss mich hier richtig konzentrieren.”

Auf was denn zum Beispiel?„Na das fängt schon beim Los-laufen an. Da muss ich die Füße richtig heben, sonst schlürf ich vor mich hin und irgendwann kann man da ja auch stolpern.”

Was ist denn sonst noch anders als im „wahren” Leben?„Wenn mich jemand anspricht, muss ich erst mal stehen bleiben und mich dann in die richtige Richtung drehen, damit ich auch etwas verstehe. Mit dem Hör-schutz klingt ja alles viel dump-fer, da schrei ich bestimmt ein wenig.”

Ist es nicht etwas dunkel mit der riesigen Sonnenbrille? „Das ist keine Sonnenbrille. Die Brille soll einen Tunnelblick darstellen, also gucke ich quasi durchs Schlüsselloch.“

Und das Fazit?„Mit dem Anzug ist es richtig kräftezehrend. Da braucht man vor allem Motivation zum Laufen! So etwas sollte jeder, der mit alten Menschen arbeitet, einmal ausprobieren.”

nachgefragtalt sein auf probe

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1. BRUNNENHAUS

Im Brunnenhaus, dem Verwaltungsgebäude Kleinwachaus, gab es im Jahr 2013 zahlreiche Umzüge. Es wurde Platz geschaffen für den Einbau eines Aufzuges. Dieser gibt nun vor allem

Rollstuhlfahrern und älteren Menschen die Möglichkeit, einfach per Knopfdruck in die jeweilige Etage zu gelangen. Also ein barrierefreier Zugang zu so wichtigen Anlaufstellen wie dem Sozialdienst, dem Wohnbe-reichsleiter, der Pfarrerin, der Küche, der Mitarbeitervertretung und natürlich dem Geschäftsführer. Bis Ende 2013 gehen die Arbeiten weiter. So wird im Erdgeschoss die gesamte WC-Anlage neu gestaltet. Hier entsteht auch eine Toilette für Rollstuhlfahrer. Darüber hinaus soll der Empfangsbereich mehr Offenheit erfahren. Besonders die Flure sind schon jetzt offener geworden. Die schweren Schwingtüren mitten in den Gängen wurden gegen moderne, gläserne Brandschutztüren am Treppenhaus ausgetauscht. Das schafft helle Gänge, die barrierefrei überwindbar sind. Die Bauarbeiten machen auch nicht im Dachgeschoss des Hauses halt. Hier werden die Gästewohnungen komplett saniert. Auch brandschutztechnisch ist das gesamte Haus auf den neuesten Stand gebracht worden. Während der Ausschachtungsarbeiten für den Fahrstuhlschacht stießen die Arbeiter übrigens auf eine histori-sche Kostbarkeit: Sie fanden einen fast 100 Jahre alten, sehr gut erhaltenen Strohhut.

bauarbeitenneue Konzepte

für alte häuser

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Wichtig für Kleinwachau ist und bleibt, dass hier noch wirklich selbst gekocht wird. Die Küche ist nicht an

Drittanbieter ausgelagert und das Küchenpersonal wird demzufolge nach Tarif bezahlt. Bereits 1992 gab es im Bereich der Küche umfassende Renovie-rungsarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war sie aber nur für 250 Portionen am Tag konzipiert. In den letzten Jahren haben sich vor allem die Mittagspor-tionen auf 500 Einheiten verdoppelt. Die jetzigen Renovierungsarbeiten sind also eine Antwort auf den gestiegenen Anspruch an Logistik und Hygienemaß-nahmen.Die neue Küche wird vor allem im Bereich der Essensausgabe deutlich moderner werden. Vertä-felung, Tablettstrecke und Lichtdesign werden auf die Gäste einladend wirken. Darüber hinaus werden neue Tische für vielfältige Stellmöglichkeiten sorgen. Doch auch da, wo wirklich handfest gekocht und

gebacken wird, gibt es Verbesserungen. Der produ-zierende Teil der Küche erhält einen komplett neuen Raum für die Abwascharbeiten. Somit vergrößert sich auch die Produktionsfläche der Köche.

2. KÜCHE

3. TALHAUS

Am 30. Juli fand die Abschiedsfeier „110 Jahre Wohnen im Talhaus” mit derzeitigen und ehemaligen Bewoh-

nern und Mitarbeitern statt. Der Hintergrund dieser Veranstaltung war aber kein trauriger. Vielmehr blick-ten wir mit Fotos und alten Filmaufnahmen auf die Geschichte des Hauses zurück. Am 31. Juli wurde das Talhaus dann leer gezogen und als Wohnheim geschlossen.

Ab Juli 2014 soll es einer vielfältigen neuen Nutzung dienen. Im Kellergeschoss entstehen Praxisräume für einen Allgemeinarzt, der vorwiegend die Versorgung auf den Wohnbereichen übernehmen soll. Zugleich wird er auch den Bewohnern Liegau-Augustus-bads zur Verfügung stehen. In das Erdgeschoss des Talhauses zieht die Verwaltungsleitung des Wohnbe-reiches ein. Auf den restlichen 230 m2 bekommt die Physiotherapie des Epilepsiezentrums neue Räume. Mit sechs Behandlungs- und zwei großen Gymnas-tikräumen verdoppelt sich die Nutzungsfläche im Vergleich zur bisherigen Fläche im Krankenhaus. Das gesamte Obergeschoss des Talhauses wird dann der Kleinwachauer Seniorenbetreuung gehören. Neben verschiedenen Gruppenräumen und einem Gemeinschaftsraum wird es auch eine Kreativ- und Bastelwerkstatt geben.

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» 3 Praxisräume Allgemeinarzt » Wirtschaftsräume

ERDGESCHOSS

KELLERGESCHOSS

OBERGESCHOSS» Senioren-Begegnungsstätte mit Gemeinschaftsräumen, Kreativraum

» Physiotherapie (Behandlungsräume, 2 große Gymnastikräume)» Verwaltung Bereich Wohnen

geplante Fertigstellung: 30. Juni 2014

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SENIORENGARTEN

Im Zuge des Semesterprojektes der Landschaftsarchitekturstudenten hat sich auch eine Gruppe mit der Ge-

staltung eines Seniorengartens beschäftigt. Dieser soll zwischen Scheune, alter Tischlerei und dem Talhaus entstehen. Das Gelände der alten Kiesgrube hinter der Scheune soll vor allem für Gartenbebau-ung genutzt werden. Zwischen dem Waldhaus und der Scheune wird Erdreich abgetragen und eine Mauer gebaut, so dass ein weiterer Weg an der Scheune vorbei führen kann.

4.

Die Bauarbeiten sind jedoch recht kompliziert. Der Einbau eines Aufzuges ist mit der Erweiterung der Kel-lerräume verbunden. Dazu müssen die Außenmauern verstärkt werden. Da die Wände aus Naturstein sind, fordert dies eine aufwendige Trockenlegung. Daneben werden alle Elektro- und Sanitäranlagen komplett erneuert und das Treppenhaus neu gestaltet.

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Menschen unterstützen, sie in ihrem Alltag begleiten – das sind die Haupt-aufgaben von freiwilligen Helfern in Kleinwachau. Der Koordinator für Freiwilligendienste hat diese Aufgabe von Volkmar Barthel, dem ehemaligen Wohnbereichsleiter, übernommen. Und so ist Karsten Bilz bestrebt, die Frei-willigenstellen auch weiter zu füllen. Er kennt sich aus mit allen fachlichen Abkürzungen: ob ICE (Initiative Christen für Europa), FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) oder BFD (Bundesfreiwilligendienst). Egal, um welche Abkürzung es sich auch handeln mag, hinter jeder steckt ein Mensch. „Und diese Men-schen sind jeder für sich unterschiedliche Persönlichkeiten, die oftmals auf der Suche sind“, sagt Herr Bilz. Auf dieser Suche hilft er ihnen zumindest den bürokratischen Alltag zu erleichtern. Bei den ICE-Freiwilligen bedeutet das zum Beispiel: ein Konto auf der Bank einrichten, bei Behördengängen dol-metschen und auch mal Fahrräder organisieren, damit die oft jungen Leute zum Bahnhof nach Radeberg gelangen können. „Es ist eine Zeit, die reich macht“, lächelt Herr Bilz und fügt einer bewusst gesetzten Pause an: „Reich an Erfahrungen.“ Lebenserfahrung, Sprachkennt-nisse, Akzeptanz und Toleranz – all das bietet freiwilliges Engagement.

eine zeit, die reich macht

IMMER

AUF DER SUCHE

NACH FREIWILLIGEN

HELFERN.

Karsten Bilz organisiert den Freiwilligendienst in Klein-wachau. Jeder, der sich für ein FSJ, ein Schülerprakti-kum oder den Einsatz als „Bufdi” interessiert, ist bei ihm goldrichtig.

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ein freiWilliges soziales jahr

bringt orientierung

Geduldig macht es Gudula Vogler vor: sie spannt drei Wollfäden in einen Schraubstock und flechtet sie alle ineinander. Dabei wird sie mit großen Augen von Sandra K. beobachtet. Frau K. ist nicht etwa die Vorgesetzte von Gudula Vogler, sondern ein junges Mädchen, das im Berufsbildungsbereich der Klein-wachauer Werkstätten neue Fertigkeiten erlernt. „So Sandra, jetzt flechten Sie weiter. Richtig straff, ja?“, sagt die 19-jährige Gudula ihrer nicht viel jüngeren Anvertrauten. 24 kleine Säckchen haben die beiden in den letzten Tagen schon zusammengenäht. Auf ei-ner Leiter aus Stöcken und Tannenzweigen sollen sie dann einen Adventskalender bilden. Die Wollfäden werden dafür sorgen, dass der Inhalt verschlossen bleibt.

Das ist nur eine von vielen Arbeiten, die Gudu-la Vogler in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) verwirklicht. Seit September ist sie in Kleinwachau, obwohl dieser Schritt bei ihr anfangs nur in die Ka-tegorie „Plan B“ fällt. „Meine Eltern brachten mich darauf, mal über ein FSJ nachzudenken, falls es mit dem Studium nicht klappt“, sagt sie. Mit dem Stu-dium hätte es zwar geklappt, doch Gudula Vogler entscheidet sich bewusst für das FSJ in Kleinwachau. „Ich hatte früher nie etwas mit behinderten Men-schen zu tun und ehrlich gesagt hätte ich auch eher einen großen Bogen um sie gemacht“, räumt die junge Frau ehrlich ein. Jetzt geht sie jeden Tag voller Wertschätzung auf genau diese Menschen zu. Ihre anfängliche Zurückhaltung hat sie abgelegt, den Wunsch vom Studium nicht. Sie selbst kann ein FSJ nur weiterempfehlen: „Es gibt einem einfach Zeit zum Durchatmen und zur Orientierung. Man kann in dieser Zeit vor allem auch testen, ob einem die Richtung überhaupt liegt.“ Gudula Vogler scheint die Richtung zu liegen. Denn Sandra K. hat in der Zwischenzeit den Wollfaden fertiggeflochten. Ganz ohne weitere Hilfe.

freiWillig dabei

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initiative christen für europa

nebo chicho

Er ist 23 Jahre, kommt aus Serbi-en und sein Vorname „Nebojša” bedeutet „der Unerschrockene”. Durch die harten Lebensumstände in der Heimat musste er das Vete-rinärmedizinstudium abbrechen. Angekommen in der Sackgasse des Lebens nennt Nebo es selbst Gottes Fügung, dass er auf das Freiwilligenprogramm der Initiati-ve Christen für Europa stößt. Nach charitativen Einsätzen in Bulgarien und der Slowakei führt es ihn nach Kleinwachau. Er hat für sein Leben wieder einen Sinn gefunden - und eine tolle Freundschaft obendrein. Die Ordnung in Deutschland ge-fällt ihm sehr, obgleich er die doch ruhigere Gangart seiner Landsleu-te vermisst. Stufe für Stufe will er sein Leben weitergehen und sieht Kleinwachau als ein kleines Stück im großen Lebenspuzzle.

10 Jahre Theaterschule, abge-schlossenes Soziologie-Studium und ein weiteres freiwilliges Jahr in London im Visier - Narciso hat einen Plan. Auch Kleinwachau scheint Teil dessen zu sein. „Hier kann ich sehr gut helfen und endlich mal die Praxis kennen-lernen“, sagt der 22-jährige Spanier. In seinem Studium habe er nur theoretische Kenntnisse vermittelt bekommen, die Praxis in Kleinwachau scheint ihn zu motivieren. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er hier einen epileptischen Anfall hautnah er-leben müssen. „Das war anfangs ein großer Schock, aber jetzt weiß ich damit umzugehen, egal in welchem Land ich gerade bin.“ An Deutschland jedenfalls liebt er die tolle Organisation, nur die Toma-ten schmecken ihm hier nicht und Siesta gibt es leider auch keine.

Gleich am ersten Tag in Klein-wachau musste Lucia einen Grand mal Anfall erleben. „Das war für mich wirklich eine Katastrophe”, sagt die 24-jährige Ungarin. Doch jetzt, ein gutes halbes Jahr spä-ter, findet sie „ihre” Kinder- und Jugendgruppe im Wiesenhaus 1 „den besten Platz, den ich treffen konnte.” Sie scheint ihre Gruppe wirklich lieb gewonnen zu haben. Und so wird der Abschied gewiss auch ein wenig wehmütig wer-den. Denn Lucia geht nach ihrer Zeit in Kleinwachau zurück nach Budapest. Dort studiert sie Medi-zin und möchte im nächsten Jahr ihre Bachelorarbeit schreiben. Be-eindruckt an Deutschland hat sie vor allem, dass die Bevölkerung sehr offen mit behinderten Men-schen umgeht. „Da besteht in Ungarn noch eine Menge Nach-holbedarf", fügt sie vehement an.

lucia

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„Das Foto strahlt eine der Stärken unserer Schule aus: gegenseitig helfen, einander bedenken und für-einander sorgen.”

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Das Jahr 2013 begann für uns mit einem Pauken-schlag:

20 Jahre Schule Kleinwachau!

„Mein Foto des Jahres” zeigt zwei Geburtstagsschüler. Beide sind mit unserem Schulshirt beklei-det. Paul, ein Jugendlicher ohne körperliche Einschränkungen ist einer der Ältesten und Mitarbeiter der Schülerfirma „Kleinwachauer Jugendladen”. Er reicht einer unserer jüngs-ten Schülerinnen Vivien, die im Rollstuhl sitzt, ein Stück Geburts-tagstorte.Das Foto strahlt eine der Stärken unserer Schule aus: sich gegen-seitig helfen, einander bedenken und füreinander sorgen.

Die Entscheidung, unsere Schul-pforten öfter und weiter zu öffnen, bringt Früchte: Zahlreiche Schüler absolvieren im letzten Abschnitt ihrer Schulzeit Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ein Schüler fand seit Sommer 2013 seine berufliche Perspektive in ei-nem Radeberger Autohaus. Auch

das Teilprojekt des Radeberger Lionsclubs „Handwerker in die Schulen“, hat sich etabliert. Dabei kommen Vertreter von Hand-werksbetrieben der Region zu uns und stellen wesentliche Arbeiten und Fertigkeiten ihres Berufs vor. Der Kleinwachauer Handwerker Herr Garten und der Küchenleiter Herr Janke haben uns ebenfalls unterstützt. Danke!

Mit Erfolg, Spaß und öffentlicher Beachtung trafen wir uns mit Lesefreunden der Radeberger Mittelschule „Pestalozzi“. Zu unse-rem Lesenachmittag kam ein prominenter Vorleser: Radebergs Oberbürgermeister Herr Lemm.Mit der Teilnahme einer Gruppe von tanz- und trommelbegeister-ten Schülern und Erwachsenen an der Kinderturnshow in Dresden zeigten wir Präsenz und Talente.

Stolz sind wir auf die Öffnung unserer Ferienbetreuung. Das Angebot, auch Kinder, die nicht unsere Schüler sind, zu betreu-en, wird allmählich angenommen. Mit dem Hort der AWO-Kinder-tagesstätte Liegau-Augustusbad

verbindet uns innerhalb der Feri-engestaltung eine unkomplizierte, fröhliche und anerkennende Ko-operation.

Wir helfen einander, denken an-einander und sorgen füreinander – ganz wie Paul und Vivien auf dem Foto links. Ilona LisowskiSchulleiterin

ein pauKenschlagvoll gegenseitiger hilfe

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Jubiläum: 20 Jahre

staatliche Anerkennung

der schulischen Arbeit in Kleinwachau.20Das Geburtstagsmotiv war bewusst gewählt: vier verschiedenfarbige Hände mit jeweils fünf Fingern. Zählt

man die zusammen, dann kommt natürlich die Geburtstagszahl 20 heraus. Die Farben wiederum bezie-hen sich auf die verschiedenen Bereiche Kleinwachaus, die gemeinsam zur erfolgreichen Entwicklung

der Förderschule beigetragen haben. Außerdem stehen sie stellvertretend für die Gruppen von Mitwirkenden, die Hand in Hand schulische Arbeit tragen, begleiten und unterstützen: Schüler, Eltern, Pädagogen und viele externe Partner.

Ende Januar 2013 war es dann soweit. Mit einer abwechslungs- und erlebnisreichen Festwoche feierte die Klein-wachauer Förderschule den 20. Jahrestag ihrer staatlichen Anerkennung. Unter den Gästen und Gratulanten auf der Festveranstaltung am 23. Januar waren zahlreiche Partner und Unterstützer der Schule aus Wirtschaft, Politik und verschiedenen Institutionen. Viele, die auf unterschiedlichste Weise bei Aufbau und Entwicklung der schulischen Arbeit in Kleinwachau mitgewirkt haben, nahmen die Gelegenheit wahr, das Erreichte zu fei-ern und Erinnerungen wie auch Wünsche und Visionen für die Zukunft auszutauschen. Die Festgemeinde traf sich in der Kleinwachauer Kirche zum Gottesdienst, der von unserem Posaunenchor feierlich umrahmt wurde.

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Der Weg der Schule in den letz-ten 20 Jahren wurde verglichen mit dem Weg der Heiligen Drei Könige zum Stall von Bethlehem: Ein Weg voller Fragen, Irrtümer, Sackgassen und Lösungen, die letztendlich zum Ziel führten. Das Kleinwachauer Schulhaus ver-wandelte sich in diesen Tagen in ein bunt und ideenreich gestal-tetes Festgelände und bot viele Attraktionen für große und kleine Geburtsagsgäste.

Ein Höhepunkt war das eindrucks-volle Konzert des Liedermachers Gerhard Schöne. Damit erfüllte sich ein langgehegter Traum. Vie-le Kinder, Jugendliche, Mitarbeiter und Einwohner der Umgebung sangen die alten und lauschten den neuen Liedern. So wurde der Abend dem Motto „Wir feiern mit dem Dorf” gerecht.

Ein Treffen ehemaliger Schüler und Mitarbeiter der Kleinwachau-er Schule beschloss die Festwoche. Szenen aus der Geschichte der Kleinwachauer Förderschule wur-den dabei von Schülerinnen und Schülern anschaulich dargestellt. Rhythmische, musikalische und tänzerische Elemente schafften es, die Zuschauer und Gäste mit in das Programm einzubeziehen.

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KleinWachau

tanzt den

taffi-tanz

Das Lampenfieber ist ihnen kaum anzumerken. Im Gegenteil: Ein Lachen strahlt über die Ge-sichter der 16 Förderschüler aus Kleinwachau.

Und trotzdem sind sie alle „ein klein wenig sehr“ auf-geregt, wie es die 14-jährige Lea mit wippenden Fü-ßen erzählt. „Bei der Generalprobe war ich schon ein wenig zittrig“, sagt sie. Im gleichen Moment muss die Schülerin auch schon auf die Bühne und ruft noch hinterher: „Aber die Leute hier sind alle klasse!“

Die Leute, das sind 223 Schüler aus neun verschie-denen Schulen aus Dresden und der Umgebung. Sie alle gestalten die Kinderturnshow, ein Projekt der Deutschen Turnerjugend. Im Mittelpunkt steht dabei das Miteinander von Kindern mit und ohne Behin-derungen ganz nach dem Motto „Wer sich bewegt kann etwas bewegen“. Und Leas Bewegungen gehen hoch hinaus: ganz in Grün gekleidet springt sie auf dem Trampolin wie ein kleiner Frosch in die Höhe. Ihre aufgeklebten Froschäuglein wippen passend im Takt. Überhaupt haben sich die Schüler und Lehrer viel Mühe bei den detailreichen Kostümen gegeben. Die Kinder scheint das sichtlich stolz zu machen. Stolz sind natürlich auch die Eltern in der seit Wochen aus-

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verkauften Turnhalle der Graf-Stauffenberg-Kaserne in Dresden. Auch Lea ist mit Unterstützung angereist: „Meine ganze Familie ist bei der Premiere dabei. Ich hoffe, dass ihnen der Taffi-Tanz gefällt, denn ich finde ihn super!“

Der Affe „Taffi“ ist der Hauptdarsteller des Bühnen-programms der Kinderturnshow. Er lebt zusammen mit dem „Graslöwen“ im Wald und ärgert sich mäch-tig über die Umweltverschmutzung der Menschen. Die Menschen verdrecken einfach alles. Das verärgert die Tiere so sehr, dass sie sich zusammenschließen und mit Liedern und Tänzen gegen diese Verschmut-zung lauthals demonstrieren.

Die Affen, gespielt von den anderen Förderschü-lern aus Kleinwachau, trommeln förmlich ihre Wut heraus. Und der „Graslöwe“ würde am liebsten alle Menschen auffressen - nur leider ist er Vegetarier. Am Ende aber siegt das Gute und der Wald wird wie-der sauber. Damit sich auch die Erwachsenen diese Botschaft einprägen, versammeln sich alle Kinder auf der Bühne und singen förmlich mit erhobenem Zeigefinger auf die ältere Generation ein. „Halte die

Umwelt fit!“ ist ihre Botschaft, die jeder mit nach Hause nehmen soll.

Neben einem gestiegenen Umweltbewusstsein neh-men die Förderschüler aus Kleinwachau aber ganz andere Dinge mit. Tina Stöhr, die Rhythmiktrainerin der Schüler, überblickt schon jetzt die Vorteile der Bewegungs-Show. Über vier Monate probte sie mit den Schülern jeden einzelnen Schritt der Choreo-graphie. Ihr Fazit: „Es ist einfach toll, wie gut sich die Schüler die Choreographie gemerkt haben. Sie haben vor allem gelernt, sich zu konzentrieren. Und damit werden sie sich auch später schneller neue Sachen einprägen können.“ Lea unterdessen ist noch immer ganz in ihrer Rolle. Für einen Fotografen springt sie nochmals auf die Bühne und stellt sich zu drei anderen Kindern. Dabei ist Lea die einzige mit einem Handicap und es ist sie, die sofort ihre Hände um die Schultern der an-deren Schüler legt. Es scheint so, als nähme sie das schwere Wort „Inklusion“ ohne nachzudenken selbst in die Hand. Ein kleiner Frosch, der heute sehr hoch gesprungen ist.

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„Viel besserals Filme gucken!”

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Jenny, Armin, Anne Lene und André sind wahre Freuden-bringer. Die vier Schüler der

Mittelschule Pestalozzi aus Rade-berg sind „Lesefreunde“ und ver-mitteln anderen Menschen Freude am Lesen. Für die Kleinwachauer Schüler haben sie ganz beson-dere Bücher im Gepäck. Schon bei den Buchtiteln können sich die Schüler das Lachen nicht ver-kneifen. Denn in einer Schule ist ein Buch wie „Hilfe, ich habe mei-ne Lehrerin geschrumpft!“ eher selten. Doch die 12-jährige Jen-ny Gollnow aus Radeberg sorgt genau mit diesem Buch für eine Menge Lacher. Ihr gleichaltriger Klassenkamerad Armin Rohrmann aus Wallroda liest aus Dagmar

Chidolne‘s Buch „Millie in Berlin“. Mit dieser Geschichte entführt er die Schüler auf Millies Reise durch den Berliner Großstadtdschungel, der für Millie abrupt im Kranken-haus endet. Angeregt von diesen Geschichten greifen auch die För-derschüler zu ihren Büchern und zeigen den Lesefreunden ihr Kön-nen.Die Idee hinter dem Projekt: Jugendliche kennen die Lese-vorlieben anderer Jugendlicher selbst am besten. Deshalb haben die Meinungen und Empfehlun-gen Gleichaltriger häufig einen viel höheren Stellenwert und sind motivierender als die Ratschlä-ge von Eltern oder Lehrkräften. Das Projekt „Lesefreunde“ setzt

bewusst auf diesen Effekt. Der Leseclub ist Teil des Ganzta-gesangebotes der Radeberger Mittelschule. Tipps und Anregun-gen erhielten die Lesefreunde vor drei Jahren in einem Projekt der Stiftung Lesen. In Workshops entwickelten die Schüler gemein-sam mit ihrer Lehrerin, wie sie lebendig und packend vorlesen können. Für Kleinwachau such-ten die jungen Lesefreunde dann passende Bücher aus und üb-ten bewusst langsam zu lesen. „Und das ist viel besser als Filme gucken“, sagt Lesefreund Armin. „Denn schließlich muss man sich beim Lesen die Bilder selbst vor-stellen.“

lesefreundemachen schülern lust auf bücher

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Berge von Schutt, unbrauchbar gewordene Mö-bel und Hausrat türmen sich um das Haus von Van Le thi hong und Binh Le thanh in Pirna Prat-

schwitz. Die beiden haben vor zwei Jahren das Gast-haus „An der alten Mühle” gekauft. Durch jahrelange Arbeit in einem Imbisswagen haben sie sich das Geld dafür gespart. Nach und nach richten sie ihr vietnamesisches Restaurant ein - bis das Hochwasser im Juni 2013 alles zerstört. Noch während das Wasser das Elbtal in Atem hält, beschließen Jugendliche aus der Kleinwachauer Förderschule, den Betroffe-nen zu helfen. Die Mitarbeiter der Pirnaer Fluthilfe schicken sie zu der vietnamesi-schen Familie nach Pratzschwitz. Im Fernsehen haben die meisten Schüler schon Bilder von den Hochwasserschäden gesehen. Doch der Anblick der enormen Zerstörung, die das schlammige Wasser bei Van und Binh und bei ihren Nachbarn angerichtet hat, ist beklemmend. „Vieles war kaputt, Wasserschaden überall”, schildert Schülerin Lisa Schenkl ihre Eindrücke und erzählt weiter: „Herr Meißner und ich haben den Fernseher mit der Schubkarre zum Müll gefahren. Ich habe das Wohnzimmer ausgeräumt.” „Es war schlimm”, sagt ein anderer. „So etwas habe ich noch nicht gesehen. Wir wussten erst gar nicht, wo wir anfangen sollen”.Doch die Jungen und Mädchen mobilisierten alle Kräfte. Sie befreiten das Haus von zu Sperrmüll ge-wordener Einrichtung. Sie versuchten zu bergen und zu säubern, was vielleicht noch brauchbar war. Am Schluss überreichten sie der Familie eine Spende aus den Einnahmen ihrer Schülerfirma. Der riesige Schaden, die Trümmer der Existenz und das damit verbundene Leid der Familie beschäftigt die Schüler noch lange nach dem Hilfseinsatz. Im neuen Schuljahr fuhren die Schüler erneut in das kleine Dorf an der Elbe. Sie übergaben die Spenden, die bei der Kleinwachauer Sommerfest-Tombola ge-sammelt wurden. Van Le thi hong und Binh Le thanh haben viel aufgeräumt. Das Erlebnis großer Hilfsbe-reitschaft macht sie optimistisch, dass sie ihr kleines Lokal irgendwann wieder eröffnen können.

„Es war schlimm! Alles kaputt. Wir wußten erst gar nicht, wo wiranfangen sollen.”

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hilfe, die mut macht

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Wo gibt es denn so etwas: deftige Kartoffel-suppe in einem brasilianischen Café? Das klingt exotisch und irgendwie ist es das

auch. Denn das „Café Brasil“ ist ein besonderes Café. Es wird von den Förderschülern des Sächsischen Epi-lepsiezentrums betrieben. Die Schüler erfahren ihren praktischen Unterricht hier. Dabei lernen sie in der voll ausgestatteten Lehrküche kochen und servieren. Sie achten aber vor allem auch auf eine genaue Ab-rechnung der Gäste. Dieses kulinarische Kleinod hat sich bis ans Dresdner Hilton Hotel an der Frauenkir-che herumgesprochen. Dort arbeitet Mandy Ader-hold und betreut das Programm „Blue Energy“ für soziales Engagement und Nachhaltigkeit. Die gelern-te Köchin wohnt in Liegau-Augustusbad und kennt das Epilepsiezentrum recht gut. Ihre eigenen Kinder hatten mit den Förderschülern aus Kleinwachau ge-meinsam Sportunterricht. Und damit ist auch schon die Brücke geschlagen, auf der nun Kartoffeln und Möhren, gesponsert vom Hilton Hotel, nach Klein-

wachau rollen. „Wir werden euch heute ein paar Tipps und Tricks zeigen, wie man richtig professionell mit den Zutaten umgeht“, sagt Frau Aderhold, während sich Carolina schon voller Vorfreude die große Koch-mütze aufsetzt. Und dann geht es ran ans Gemüse: putzen, schneiden, anschwitzen und mit Zwiebel und Knoblauch würzen. Carolina lernt zum Beispiel, dass man die Paprikakerne ganz einfach rausklopfen kann, anstatt mit der Messerspitze detektivisch nach jedem einzelnen zu suchen. Am Ende wird der große Topf durchgerührt und abgeschmeckt. Die deftige Kartof-felsuppe geht weg wie warme Semmeln. Den Schü-lern treibt es so bei den sommerlichen Temperaturen Schweißperlen auf die Stirn. In Brasilien ist das aber auch nicht anders.

Besuchen auch Sie das „Café Brasil“ in der Kleinwachauer Förderschule. Geöffnet hat es jeden Donnerstag (außer in der Ferienzeit) von 10.30 Uhr bis 13.00 Uhr.

Kartoffelsuppe mit „brasilianischem flair”

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Kleinwachauer Schüler nehmen zum

dritten Mal erfolgreich am Radeberger Rosso-

Majores-Kunstwettbewerb teil.Zum Kleinwachauer Sommerfest zeigen Schüler noch einmal ihren Tanz aus der Kinderturnshow.

Schon traditionell ist der Kleinwachauer

Herbstlauf, gemeinsam mit der Liegauer

Grundschule.

Das Becken des Therapiebades ist dringend sanierungsbedürftig. Viele Spen-der unterstützen das Projekt, unter ihnen das Hilton Hotel Dresden.

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und sonst...

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spenden

Ferien

Juli

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„Menschen wie Philipp Otto helfen dabei, der Krankheit Epilepsie ihr Myste-rium zu nehmen."

» Das Stück „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" läuft im aktuellen Programm des Societaetstheaters Dresden.

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Schauen Sie doch einmal nach links. Sie sehen den Dresdner Schauspieler Phil-

ipp Otto. Er ist förmlich in seinem Metier. Eine Momentaufnahme mitten aus seinem aktuellen Stück „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Aber was macht dieses Bild zu „Meinem Foto des Jahres“? Die Antwort ist ganz einfach: Phi-lipp Otto hatte Epilepsie und be-kennt sich dazu. Obwohl er jetzt anfallsfrei ist, geht er offen mit seiner Vergangenheit um. Seine Erkrankung bestand seit dem 28. Lebensjahr. Er hatte Auren, aber auch Anfälle mit Bewusstseinsver-lust und große Anfälle mit Sturz. Für einen Schauspieler extrem ungünstig. Medikamente nützten ihm zu diesem Zeitpunkt nicht viel. Als wir den Anfallsursprung auf eine Schädigung im rech-ten Schläfenlappen zurückführen konnten, entschloss er sich zur epilepsiechirurgischen Operation und wurde anfallsfrei. Diese Ope-ration fand vor anderthalb Jahren statt, seither ist bei ihm unter Me-dikation kein Anfall mehr aufge-treten. Die schauspielerische Leis-tung hat dabei nicht gelitten. Erfreulicherweise ist das kein Einzelfall. Seit fast zehn Jah-ren ist Epilepsiechirurgie ein erfolgreiches Angebot unseres Hauses. Wir arbeiten dabei in enger Kooperation mit dem Uni-

versitätsklinikum Dresden. Unsere Zusammenarbeit geht aber auch darüber hinaus. Gemeinsam mit den Dresdner Kollegen bieten wir ein intensives Fortbildungs-programm mit vielen bekannten Gastwissenschaftlern an. Im April 2013 zeigte unser Kleinwachauer Symposium Kontroversen in der Epilepsieberatung auf. In diesem Jahr waren wir auch selbst auf nationalen wie internationalen Kongressen vertreten, so zum Beispiel in Montreal und Inter-laken. Wir haben neue Studien durchgeführt, unter anderem mit einem neuartigen Stimulati-onsgerät im Ohr. Durch dessen tägliche Stimulation soll es in der Lage sein, Anfälle zu verhindern. Darüber hinaus intensiviert sich die Arbeit mit unseren Epilep-siepatienten Jahr für Jahr. Wir können mittlerweile immer jün-geren Kindern eine differenzierte Diagnostik und Therapie anbieten. Bei Menschen mit Behinderung verzeichnen wir häufig schwie-rige Begleiterkrankungen, dabei wird die Differentialdiagnose an-fallartiger Störungen zunehmend anspruchsvoller. Einen Schwer-punkt unserer Arbeit sehen wir bei psychosomatisch erkrank-ten Menschen mit Anfällen. Oft kommen sie von weither nach Kleinwachau und profitieren von unserer täglichen Arbeit.

So, wie es unser „geheilter“ Pati-ent Philipp Otto macht. Er ist seit Langem wieder zurück auf der Bühne und spielt in seinem ak-tuellen Stück von Thomas Mann den Felix Krull, einen Hochstapler. Dabei müssen Sie wissen, dass Felix Krull epileptische Anfälle simuliert, um vom Militär ausge-mustert zu werden. Wer kann das besser als ein Mann, der selbst unter epileptischen Anfällen litt und offen mit dieser Krankheit umgeht. Menschen wie Philipp Otto helfen dabei, der Erkran-kung Epilepsie ihr Mysterium zu nehmen.

Dr. med. Thomas MayerChefarzt

frei von epilepsie die erKranKung entmystifiziert

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erweiterung geplant.

Fachkrankenhaus für neurologie

will therapieangebot ausbauen.ED as Fachkrankenhaus für Neurologie am Sächsischen Epilepsiezentrum Radeberg gehört deutschlandweit

mit seinen 47 Betten zu den größten und erfahrensten Kliniken für Anfallserkrankungen des Gehirns. Auch wenn die letzte Erweiterung der Klinik noch keine zwei Jahre zurück liegt, wird bereits über den

Bau einer neuen Station nachgedacht. Chefarzt Dr. med. Thomas Mayer, gleichzeitig der 1. Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie, meint hierzu: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass jeder Anfallspatient sich mit ganz unterschiedlichen Problemen rund um die Erkrankung auseinandersetzen muss.“ Auch Nils Holert, Leiter der Kinderstation des Fachkrankenhauses, betont die Notwendigkeit maßgeschneiderter Angebote: „Die vor vier Jahren neu konzipierte Kinderstation bietet mit ihren Rooming-In-Zimmern, der Krankenhausschule und vielfältigen Spiel- und Freizeitmöglichkeiten hierfür optimale Bedingungen“. Um allen Patienten mit ihren unterschiedlichen Anfallsformen (Epilepsien sind dabei die häufigsten), Begleiterkrankungen und oft schwie-rigen Lebenssituationen ideale therapeutische Möglichkeiten zu bieten, wurden spezialisierte Behandlungs-schwerpunkte entwickelt. So gibt es beispielsweise ein breites therapeutisches Angebot für Patienten mit zu-sätzlichen Angststörungen und Depressionen, für Patienten mit Schwierigkeiten in Ausbildung oder Beruf und für Patienten mit zusätzlicher Intelligenzminderung. In eng verknüpften Teams arbeiten Neurologen und Psych-

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iater, Psychologen, Neuropsycho-logen, Sozialarbeiter, Ergo- und Physiotherapeuten, Gestaltungs-, Körper- und Musiktherapeuten, Pädagogen und Erzieher mit den Pflegekräften zusammen.

Das Herzstück des Fachkranken-hauses bildet die Diagnostik-Station, auf der neurochirurgische Eingriffe zur Anfallsbehandlung vorbereitet werden können, aber auch Gedächtnisprobleme aller Art untersucht werden und unge-klärte Ohnmachten mit moderns-ter Technik analysiert werden.

„Durch die geplante Erweiterung der Klink werden wir unsere Angebotspalette weiter ausbau-en können“, meint Dr. Mayer, der mit seinem Team in der Klinik Behandlungsangebote für alle Altersgruppen vor-hält. „Und wer weiß schon, dass Epilepsiepatienten unter bestimm-ten Bedingungen Autofahren dürfen, Nachtschichten und Diskobesuche nicht in jedem Fall meiden müssen und manchmal auch Berufe wie Krankenschwester oder Tischler ausüben können“, wie die Sozialarbeiterin Frau Lippold hervorhebt.

WANN SOLLTE EIN AUFENTHALT

IN UNSERER KLINIK ERWOGEN WERDEN?

» Bei Unklarheit hinsichtlich der Ursache der Anfälle. Nicht immer ist es Epilepsie.

» Bei fehlender Anfallsfreiheit trotz regelmäßiger Medika- menteneinnahme.

» Bei psychisch verursachten Anfällen.

» Bei starken Nebenwirkungen der Medikamente.

» Bei epilepsiebedingten Gedächtnisstörungen, Depressionen oder beruflichen Schwierigkeiten.

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Philipp Otto ist Schauspieler. Das freiberufliche Leben auf den Bühnen Deutschlands treibt ihn zwischen Hamburg, Stuttgart und seinem lieb-

gewordenen Dresden hin und her. Ein Leben wie ein Montagearbeiter. Und doch anders. Voller Kreativität und Schaffensgeist. Die klatschenden Hände des Pu-blikums als Lohn des Tages vor Augen, das nächste Ziel im Navi schon geparkt. Dann ein Autounfall, Au-ren, Panikattacken, der erste Sturz. In seiner „kleinen Bude“ in Hamburg wacht er auf dem Fußboden auf. Er fühlt sich wie nach einem komatösen Mittagsschlaf und fragt sich selbst: „Sag mal, bin ich jetzt wirklich grad umgefallen?“ Plötzlich steht das Leben Kopf: Diagnose Epilepsie. Und das als Schauspie-ler. Bei den vielen Reisen. Den Führerschein ist er los, die Bahn sein neues Gefährt. „Das ist ein Gefühl, als würde ein Cowboy sein Pferd verlieren. Man büßt ein gravierendes Stück Freiheit ein“, sagt er, fährt sich mit der Hand durch die Haare und holt neuen Anlauf: „Zwangsläufig bin ich dann nur noch Zug gefahren. Und Sturzanfälle im Zug sind wirklich nicht witzig. Du wachst auf dem Boden des Bordbistros auf und guckst in verschrocke-ne Gesichter. Du erklärst ihnen, dass du Epilepsie hast, es nicht dein erster Anfall ist und es dir wieder gut geht und trotzdem rufen sie den Notarzt. Das nervt. Zum Schluss wirst du dann noch vom Rettungsdienst im Rollstuhl durch den ganzen Zug geschoben. Na toll!“ Die Anfälle machen auch auf der Bühne nicht halt. Er erzählt es seinen Kollegen. Eingeweiht in das Ge-heimnis funktionieren alle wie ein Team. Vor tausend Zuschauern ist das auch wichtig. „Es war wirklich gut, mich zu öffnen und ich war viel beruhigter, wenn die Menschen um mich herum es wussten“, sagt er heute.

Die Zahl der Anfälle wächst stetig an, die Suche nach Hilfe treibt Philipp Otto zur Recherche. In Dresden erfährt er auf der langen Nacht der Wissenschaften vom Epilepsiezentrum in Kleinwachau. Die Monitoring-Station ist seine neue Bühne. Nur die Zuschauer sind anders: Kameras. Sie zeichnen seine Anfälle auf. Jeden kleinsten Moment. „Da dacht ich mir: Komm Junge, Hände über die Bettdecke!“, schmunzelt er. Die Ärzte lokalisieren den Ausgangspunkt seiner Epilepsie und raten ihm zur operativen Entfernung des betroffenen Areals im Gehirn. „Ich hatte nicht erwartet, dass es am Ende so viel Mut braucht,

der Operation zuzustim-men“, erinnert er sich mit leiser Stimme. Er lässt sich beraten, findet ehemalige Patienten wie Ines Preußer. Sie machen ihm Mut, für den er heute noch dankbar ist. Am Universitätsklinikum Dresden wird er operiert, der Eingriff gelingt. Nach zehn Tagen Klinikaufenthalt erholt er sich zu Hause bei seiner Familie. Von der Narbe ist heute nichts mehr zu sehen.Seit anderthalb Jahren ist Philipp Otto anfallsfrei. „Das allein ist schon ein riesiges Geschenk“, freut er sich ehr-lich. Sein Lachen, sein schau-spielerisches Talent, seine Fähigkeit sich Texte zu mer-

ken und immer wieder abzurufen sind bei ihm nicht verloren gegangen. Im Rückblick möchte er jedem Patienten raten, offen mit der Erkrankung Epilepsie umzugehen. Und noch einen Tipp hat er: „Je mehr Infos man selbst über die Krankheit bekommt, desto sattelfester wird man im Umgang mit ihr.“Philipp Otto ist wieder sattelfest. Der Cowboy hat sein Pferd zurück und darf wieder Auto fahren. Seinen Alltag geht er nun etwas ruhiger an: „Ab und zu ist es besser, mal einen Gang runter zu schalten.”

porträt„ich War eher beruhigt, Wenn alle es Wussten.”

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Ob Zukunftsvisionen wie autonomes Fahren oder moderne Alternativen wie E-Bikes, die Beiträge zum diesjährigen Epilepsieforum

Dresden sprachen das Grundbedürfnis aller Men-schen an: Mobilität. Denn mobil zu bleiben ist für Menschen mit Anfallserkrankungen nicht immer einfach. Mögliche Gefahren und persönliche Frei-heit gegeneinander abzuwägen fällt oft schwer. Das zeigte Dr. med. Thomas Mayer in einem spannenden Eröffnungsvortrag. Der Chefarzt des Sächsischen Epi-lepsiezentrums Radeberg ist selbst begeisterter Rad-fahrer. Gemeinsam mit seinem Team brachte er inte-ressante Vorträge und Experten zum Epilepsieforum nach Dresden – und das schon zum elften Mal. So sagte er: „Mobil sein ist heute eine wichtige Voraus-setzung in allen Bereichen des Lebens. Epilepsie-Pa-tienten fürchten bei Verlust des Führerscheins eine starke Einschränkung ihrer eigenen Mobilität. Dabei muss es doch nicht immer das Auto sein. Bus, Bahn und Fahrrad sind gute Alternativen.”Eine weitere Alternative zeigte Frau Dreßel von den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB). Sie wies auf Mobilitätshilfen in Bus und Bahn hin und stellte den Begleitservice in der sächsischen Landeshaupt-stadt vor. So können sich behinderte oder von Krankheit eingeschränkte Menschen kostenlos vom Serviceteam der DVB in öffentlichen Verkehrsmitteln begleiten lassen. Von ihren eigenen Erfahrungen berichteten Patienten in einem Podiumsgespräch. Sie zeigten, dass auch

mit Epilepsie tolle Reisepläne möglich sind. Für wei-tere Bewegung sorgten am Rand der Veranstaltung die Testangebote der Firma Fahrrad XXL Emporon. Mit den mittlerweile recht verbreiteten E-Bikes lässt sich manch lange Strecke nun doch mit wesentlich geringerem Kraftaufwand meistern.

Und dann hatte das Team des Sächsischen Epi-lepsiezentrums Radeberg noch einen besonderen Vortrag zu bieten. Unter der Überschrift „Unabhän-gig in die Zukunft“ stellte Bennet Fischer von der Freien Universität Berlin ein Forschungsprojekt vor, über das momentan viele deutsche Tageszeitungen berichten: autonomes Fahren und das eigens dafür entwickelte Forschungsfahrzeug. Ausgestattet mit speziellen Sensoren ist es bereits seit zwei Jahren völ-lig selbstständig auf Berliner Straßen unterwegs. Aus juristischen und versicherungsrechtlichen Gründen muss ein Testfahrer aber jederzeit das Auto abbrem-sen können. Die Ingenieure und Informatiker vom Projekt AutoNomos gehen schon jetzt einen Schritt weiter und arbeiten an einem System, das einen epi-leptischen Anfall erkennen kann und infolgedessen das Fahrzeug sicher zum Anhalten bringt und einen Notruf absetzt. Bis zur Serienreife bleibt das natürlich alles noch Zukunftsmusik. Sollte es aber in Zukunft Autos geben, die keinen Unfall mehr bauen, egal wer am Steuer sitzt, dann hätten auch Menschen mit Epilepsie einen Grund weniger, sich über Mobilität Sorgen zu machen.

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mobil mit epilepsieein thema, das beWegt

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Neben der täglichen Arbeit mit unseren Patienten legen wir einen ho-hen Wert auf Forschung und Fortbildung. Dazu gehört eine vielfältige Fortbildungsreihe, die wir in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden durchführen. Darüber hinaus publizieren wir unsere Forschungsergebnisse in Fachzeitschriften und auf nationalen und internationalen Kongressen. Hier finden Sie einen Auszug unserer Veröf-fentlichungen aus den Jahren 2012 und 2013:

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• Böhme, U. (2013). „Wo wohnst du…“ Innovative Wohnprojekte und rechtliche Voraussetzungen. In: Tagungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 48-56.

• Brückner, K. E. & Lutz, M. T. (2012). Schwerpunktheft Neuropsychologie. Zeit-schrift für Epileptologie. 25 (4), 241-242.

• Brückner, S. (2013). Erwerbstätigkeit und berufliche Rehabilitation in Sachsen. In: Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 125-142.

• Brückner, S., Fritzsche, K., Lippold, M., Nietzsch, V., Mayer, T. & Lutz, M. T. (2013). Effekte der klinischen Sozialberatung von Epilepsiepatienten zum Thema Schwerbehindertenrecht. Poster P63, präsentiert auf der 8. Dreiländertagung in Interlaken, 08. bis 11. Mai 2013.

• Coban, I., Lippold, M. Thorbecke, R. (Hrsg.) (2013). Sozialarbeit bei Epilepsie 12, Bethel-Verlag: Bielefeld.

• Finzel, M. Brückner, S., Lutz, M. & Mayer, T. (2012). Correlation of psychiatric and social outcome after temporal lobe epilepsy surgery. Poster präsentiert auf: 2nd International Congress on Epilepsy, Brain and Mind in Prag, March 28-31, 2012.

• Holert, N. & Kieliba, U. (2013). Psychogene Anfälle bei Kindern und Jugendli-chen. In: Tagungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 210-215.

• Kempf, H., Saar, J., Wilde, B. & Zechert, C. (2013). Soziales Kompetenztraining für Menschen mit Epilepsie. In: Tagungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 76-87.

• Kundmüller, S. & Schaffer-Röhricht, H. (2013). Körper- und Gestaltungstherapie. In: Tagungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 70-75.

• Lutz, M. (2013). Kognitive Beeinträchtigungen bei neuen Antiepileptika. In: Ta-gungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 143-146.

• Lutz, M. T. & Kieliba, U. (2012). Aufmerksamkeitsstörungen bei Epilepsie. Zeit-schrift für Epileptologie, 25 (4), 247-251.

• Lutz M. T. & Mayer T. (2013). Clinical validation of an online tool to determine appropriateness for an epilepsy surgery evaluation. Poster P592, präsentiert auf: 30th International Epilepsy Congress, Montreal, Canada, 23 – 27 June 2013. Epilepsia, 54 (Supplement s3), 186.

• May, T., Mayer, T., Holert, N., Brandt, C. et al. (2012). Concentrations of Stiri-pentol in Children and Adults With Epilepsy: The Influence of Dose, Age, and Comedication. Therapeutic Drug Monitoring. 34(4):390-397.

• Mayer, T. (2013). Zur Geschichte des Sächsischen Epilepsiezentrums Radeberg gGmbH. In: Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 12-16.

• Mayer, T. (2012). Bleiben die Patienten auf der Strecke? Editorial. DNP – Der Neurologe & Psychiater, 13 (7-8), 3-4.

• Mayer, T., Hopp, P. & Lutz, M. Neue Studien zur Epilepsie. (2012). DNP – Der Neurologe & Psychiater, 13 (7-8), 24-29.

• Mayer, T., Hopp, P. & Lutz, M. Neue Studien zur Epilepsie. (2013). DNP – Der Neurologe & Psychiater, 14 (4), 24-28. (Abst. 3.226 ), 2012

• Mueller, A., Kovacevic-Preradovic, T., Kluger, G. et al. (2012). Retrospective evaluation of antiepileptic drugs in patients with CDKL5 mutations. Poster 3.226 präsentiert auf: American Epilepsy Society (AES) 66th Annual Meeting. Novem-ber 30 - December 4, 2012; San Diego, California.

• Reichel, E. & Lippold, M. (2013). Epilepsieberatungsstelle und Netzwerk Epilep-sie und Arbeit in Sachsen. In: Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 176-186.

• Runde, G. (2013). „Den Stein ins Rollen bringen“ Umgang mit schwierigen Bera-tungssituationen. In: Tagungsband Sozialarbeit bei Epilepsie 12, 88-90.

• Schlotter, S. (2013). Epilepsie und Autismus. Einfälle - Die Mitgliederzeitschrift der Deutschen Epilepsievereinigung e.V. (in Vorbereitung)

Publikationen

Liste der veröffentlichtenwissen-schaftlichenArbeiten aus dem Fach-krankenhaus

»

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Diagnose Epilepsie. In der Gesellschaft Litauens ein Schlagwort, das aufgrund

fehlender Aufklärung noch immer eine Menge Vorurteile erntet. Be-troffene schämen sich, empfinden die Diagnose als Strafe oder Ma-kel. Patienten verschweigen die Erkrankung vor ihrem Arbeitgeber. Der Grund: Angst vor Kündigung, Angst vor der Öffentlichkeit.Diesem Missstand hat sich eine Frau angenommen: Dr. Polina Se-diene. In Kaunas betreibt sie seit April 2013 die erste Epilepsiebe-ratungsstelle Litauens. In der gut eine Autostunde von der Haupt-stadt Vilnius entfernten Stadt leben ca. 400 epilepsiekranke Kin-der. Frau Sediene will gerade deren Familien erreichen, um die Aus-grenzung und Isolation schon im Kindesalter abwenden zu können. Dabei wird sie auch vom Sächsi-schen Epilepsiezentrum Radeberg unterstützt. Mit den Erfahrungen der Epilepsieberatung Dresden unterstützt insbesondere Maria Lippold das Engagement von Dr. Sediene in Litauen. Gegenseitige Besuche und Erfahrungsaustausch stehen im Mittelpunkt der Zu-sammenarbeit. Gefördert durch die Osteuropa-Hilfe der Aktion Mensch ist Kleinwachau als deut-scher Träger für die Durchführung und Finanzierungssteuerung ver-antwortlich. Vor Ort in Litauen wird das Projekt durch die dortige

Caritas getragen. Obwohl Dr. Po-lina Sediene ihr einfaches Büro mit einem Mitarbeiter teilt, bleibt sie im Grunde Einzelkämpferin. Denn in Litauen engagieren sich nur wenige Fachkräfte im sozialen

Bereich. „Das soll sich ändern“, sagt Dr. Polina Sediene. Die jun-ge, engagierte Frau rührt kräftig die Werbetrommel für die Be-ratungsstelle. Medien, Mediziner und Patienten sollen aufmerksam werden. Der Erfolg lässt nicht lan-ge auf sich warten. Gemeinsam mit der Neurologischen Univer-sitätsklinik in Kaunas schließt sie eine Kooperation. Mit Unter-stützung der Chefärztin kann Dr. Polina Sediene nun wöchentlich Eltern epilepsiebetroffener Kinder und Jugendlicher direkt in der Uniklinik beraten. Das erleichtert Hilfesuchenden den ersten Kon-takt.

Im September 2013 dann der gro-ße Erfolg. In der Hauptstadt Vilnius diskutiert Dr. Polina Sediene auf breiter Bühne mit Pädagogen und Politikern über psychosoziale Fra-gen von Menschen mit Epilepsie. Sie ist angekommen, zumindest in den Köpfen der Politiker. Die litau-ische Regierung hat vor kurzem ein Gesetz erlassen. Bis 2019 sol-len Menschen mit Behinderungen in pädagogische Einrichtungen und in die Arbeitswelt integriert werden. Menschen mit Epilepsie werden dabei ausdrücklich als Zielgruppe genannt. Frau Sediene weiß, dass dieser Beschluss in den meisten Stadtverwaltungen völlig unbekannt ist. Das will sie nun ändern.

Dr. Polina Sediene (links) bei einem Treffen mit der Kleinwachauer Sozial-pädagogin Maria Lippold

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erfahrungsexportepilepsieberatung in litauen

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Im Jahr 2013 wurden im Wohn-bereich lange vorbereitete Plä-ne verwirklicht - für fast alle

Bewohner und Mitarbeiter war das mit Veränderungen verbun-den. 60 Bewohner sind in diesem Jahr umgezogen, zum Teil inner-halb ihrer Gruppe, meist jedoch in neue Zusammenhänge. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten Dank sagen! Danke für das Pla-nen, das gemeinsame Erarbeiten von Alternativen, das Einpacken von Gegenständen, das Schlep-pen von Möbeln, das Renovieren von Zimmern, das zugewandte Unterstützen bei allem Neuen.

Bei der Suche nach „Meinem Foto des Jahres” bin ich auf eine Zeichnung einer langjährigen Be-wohnerin Kleinwachaus gestoßen. Sie zeichnete ihren Gruppenver-antwortlichen. Das Bild steht für mich für die hohe Flexibilität und das Engagement aller Mitarbei-ter Kleinwachaus. Die breiten Schultern und die großen Hän-de zeugen von der Bereitschaft, tatkräftig mit anzupacken und Menschen mit Behinderungen im Alltag zu begleiten. Angepackt haben wir in diesem Jahr sehr viel.

Die Schließung des Talhauses verlangte allen eine Menge ab. Im Konkreten bedeutete das den schrittweisen Auszug der Bewoh-ner in andere Gruppen, das Lösen bestehender, das Anbahnen neu-

er Beziehungen, die Gestaltung eines neues Wohnumfeldes. Im Wiesenhaus ist in diesem Jahr eine Wohngruppe für Menschen mit Autismus entstanden. Trotz des Gegensatzes der Worte „Au-tismus“ und „Gruppe” geht es darum, mit Hilfe besonderer Begleitung und Förderung ein Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Das haben wir ge-schafft!

Auch auf der Schloßstraße in Radeberg wurde eine Menge er-reicht. Neben dem Einzug in 17 neue Wohnungen haben wir neue Räume für die Ambulanten Diens-te in Betrieb genommen. Damit wurde eine eigenständige Abtei-lung innerhalb des Wohnbereichs geschaffen. Ehemalige Bewoh-ner Kleinwachaus sind als Mieter und Nutzer von Wohnungen in Liegau-Augustusbad und in Ra-deberg angekommen. Es bleibt ein wichtiges Anliegen, für diese Bürger nun auch Angebote der Stadt Radeberg zu erschließen und Begegnung zu ermöglichen.

Die Förder- und Betreuungs-stätte und die Angebote der Seniorenstätte ermöglichen den Bewohnern einen Wechsel im Tagesablauf. Diese verschiede-nen Milieus sind wichtiges und konsequentes Prinzip in der Strukturierung des Alltags der Bewohner. Auch in diesem Be-

reich war das Jahr 2013 von Veränderungen geprägt. Die Alte Tischlerei, bisher Teil der Seniorenstätte, wird nun als För-der- und Betreuungsstätte der Werkstatt genutzt. Neun Senio-rinnen treffen sich jetzt tagsüber in der Caféteria der Tobiasmühle. Die inhaltliche Arbeit orientiert sich stark an den Möglichkeiten der Stadt Radeberg. Im Laufe des nächsten Jahres wird für diese Gruppe ein entsprechendes An-gebot in Radeberg entstehen.

Andreas OschikaLeiter Bereich Wohnen

breite schulternKönnen helfen

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Die Sanierung und der Umbau der historischen Häuser auf der Radeberger Schloßstraße hin zu einer barrierefreien Wohnanlage sind nun Realität. 350 m³ Beton, 60 km Leitungen, 25.000 Ziegelsteine und hunderte von Arbeitsstunden stecken in den Gebäuden.

„Kürzlich besuchte ich die Baustelle und erlebte, wie eine der neuen Bewohnerinnen auf der Straße vor dem Haus mit einem Radeberger ins Gespräch kam. Als die junge Frau feststellte, dass sie ja Nachbarn waren, meinte sie: Da können wir ja mal was zusammen machen!” Architekt Mario Schubert erzählt diese kleine Begebenheit zur Einweihung der neuen Wohnanlage am 22. Juni. Er fügt hinzu: „So ein unkompliziertes Mit-einander, das ist mein Wunsch für dieses Haus!”

Das Datum ist bewußt gewählt: es ist Stadtfest in Radeberg.

neues leben

in radebergs ältesten Häusern.

Wohnen auf der schloßstraße.N

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Viele Gäste nehmen diese Gele-genheit war und schauen sich um in den neuen barrierefreien Woh-nungen. Mit dabei ist auch der sächsische Ministerpräsident Sta-nislaw Tillich. Er hat gleich Stephan Pöhler mitgebracht, den sächsi-schen Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen. Auch Radebergs Oberbürger-meister Gerhard Lemm begrüßt mit zuversichtlichen Worten die neuen Mieter und ihre Gäste.

Und dann greifen viele zu Pflanz-handschuhen und Gießkanne. Mit bunten Sommerblühern werden die Blumenkästen des neuen Hauses bepflanzt. Wie ein i-Tüp-felchen beleben sie die Balkone. Um den guten Geist des Hauses kümmert sich währenddessen Ka-ren Hobelsberger. Sie gestaltet mit ihrer Kettensäge eine Figur, die den Garten der Wohnanlage beleben soll.

Mitten im Radeberger Zentrum bietet die neue Wohnanlage ihren Mietern ein hohes Maß an Le-bensqualität und Unabhängigkeit. Die Wohnungen sind weitestge-hend barrierefrei zugänglich. Mit technischer Unterstützung ist es möglich, auch mit Epilepsie in den eigenen vier Wänden zu le-ben.

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Sie gehört zu den ersten Mie-tern in der neuen Wohnan-lage auf der Schloßstraße

in Radeberg: Jana Geißler. Schon anderthalb Monate vor der offi-ziellen Einweihung packt sie zu-sammen mit ihrer Mutti die Um-zugskartons aus. „Wir haben uns eine Menge Kisten besorgt und eine ganze Woche lang gepackt“, sagt sie und stellt den gelben Ak-tenordner gleich neben den ro-ten. Im Regal herrscht schließlich Ordnung.

Ordentlich, so hat Jana Geißler ja auch ihre alte Wohnung in einer Dresdner Wohnstätte übergeben. Jetzt heißt es aber weiter fleißig auspacken in Radeberg. „Wir sind mit drei vollgepackten Autos an-

gekommen“, sagt ihre Mutti Petra Geißler. „Das Zimmer ist sehr ge-mütlich und modern. Das ist toll. Jetzt müssen wir aber erst mal den Schrank einräumen“, fährt die Mutti fort. Sie ist es, die sich besonders für ihre Tochter freut: „Ich bin wirklich total überwäl-tigt, wie schön es hier ist und mit welcher Freundlichkeit wir emp-fangen wurden.“ Dabei kennt Jana Geißler Kleinwachau schon sehr lange. Seit 1994 arbeitet sie in der Werkstatt im Montagebereich. Um von ihrer alten Wohnung in Dresden pünktlich mit den öf-fentlichen Verkehrsmitteln nach Kleinwachau auf Arbeit zu kom-men, klingelte ihr Wecker bisher schon vor 6 Uhr. Ab jetzt kann sie länger schlafen.

Doch bevor sie sich heute zur Ruhe legt, muss Jana Geißler noch einkaufen gehen. „Der Kühl-schrank ist neu und leider leer, den werde ich gleich vollmachen“, sagt sie.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten noch nicht ganz ab-geschlossen sind, freut sich Jana Geißler schon auf die Einwei-hungsfeier. Nicht nur wegen der Feier selbst, sondern vor allem wegen dem Tag: 22. Juni 2013. Das ist Frau Geißlers Geburtstag. Und den feiert sie in diesem Jahr zusammen mit der Schloßstrasse in Radeberg.

freude beim auspacKenjana geissler zieht in die schlossstrasse

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Page 39: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Höhepunkt des Jahres: das Sommerfest.

Gartenfest in der Tobiasmühle.

Ernte im Seniorengarten.

Wechselnde Ausstellungen im Wiesenhaus.Hier: Bilder von Ursula Stoschek.

und sonst...

Juli

september

märz

August

Juli

Senioren in Radeberg.

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Page 40: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

„Robin Kowtsch hat eine ganz klare Motivation zur Be-wegung: Den Hund ausführen. Einfach nur Laufen wäre bei Weitem nicht so attraktiv."

Page 41: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Es war ein wirklich bewegtes Jahr für die Werkstatt und es begann mit einer perso-

nellen Veränderung: Hartwig Rei-chel, der „Vater der Kleinwachau-er Werkstätten” hat Kleinwachau verlassen. Dieser Umstand be-wegte Emotionen und Gemüter, sowohl der Mitarbeiter als auch der Beschäftigten. An dieser Stel-le möchten wir uns nochmals für seine engagierte und kreative Ar-beit bedanken! Das brachte na-türlich auch Bewegung in mein Aufgabengebiet. Ich wurde damit vertraut, für eine Übergangszeit in seine Fußstapfen zu treten und die Werkstattleitung zu über-nehmen. Eine große Herausfor-derung, die nur mit einem super Team zu meistern war!

Bewegung hilft uns, neue Sichtweisen anzunehmen und al-ternative Perspektiven zu finden. Manchmal fällt es uns schwer in Bewegung zu kommen und wir benötigen Motivation. Auch Robin Kowtsch aus der Förder-gruppe unserer Werkstatt geht das so. Seine Gruppe hat ein neues Konzept erarbeitet: mit viel Bewegung an der frischen Luft wird dort der Alltag gestal-tet. Deswegen ist es auch „Mein Foto des Jahres“ geworden. Denn Robin hat eine ganz klare Moti-vation zur Bewegung: die Hündin

Tamona ausführen. Einfach nur laufen wäre ja bei Weitem nicht so attraktiv.

Die Motivation für Veränderun-gen im Bereich der Werkstatt sind in erster Linie die Bedar-fe der betreuten Menschen. Mit dieser Sichtweise sollte es uns weiterhin leicht fallen, uns auf Veränderungen einzulassen. Im Bereich Hauswirtschaft gab es so einige Veränderungen. Durch gestiegene Hygieneanfor-derungen und immer weniger geeignete Beschäftigte für die anspruchsvollen Arbeiten ist die schwere Entscheidung gefallen, diesen Dienstleistungsbereich aufzulösen. So wurde im Sommer eine der beiden Hauswirtschafts-gruppen geschlossen, die andere folgt Ende des Jahres. Die Rei-nigungsarbeiten werden dann durch das Integrationsunter-nehmen Paso doble ausgeführt. Die Beschäftigten der Hauswirt-schaftsgruppe haben alle einen neuen Platz gefunden und tol-le neue Erfahrungen machen können. Nach vielen Jahren Hauswirtschaft tut ein Tätigkeits-wechsel ja auch gut.

In der „Alten Tischlerei“ konnten wir einen neuen Förder- und Be-treuungsbereich und damit Platz für zehn Personen schaffen. Und

auch im Integrationsunterneh-men Paso doble ist Bewegung drin. Nach neun Jahren auf einem Einzelarbeitsplatz in der Werkstatt konnten wir Katja Zimmermann in das Integrationsunternehmen vermitteln und damit auf den all-gemeinen Arbeitsmarkt.

Es hat sich im Jahr 2013 so eini-ges bewegt. Mein Dank gilt allen, die sich darauf einlassen konnten, die an den Veränderungen mit-gewirkt haben und sie weiterhin mitgestalten werden!

Susanne Hartungamtierende Werkstattleiterin

perspeKtivWechseldurch beWegung

Page 42: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Die Freude am Neuen merkt man Knut Richter förmlich an. Der Mann mit den vielen Ideen trägt heute ein rotes T-Shirt. Auf dessen Rücken steht „Gruppenführer“. Dabei muss der gelernte Tischler gar nicht viel führen, denn die Beschäftigten der Holzabteilung kennen jeden Handgriff aus dem Effeff. Das ist auch

wichtig, denn die Produktion im Kleinmöbelbereich verlangt höchste Qualität. „Ziehen Sie mal ein bisschen fester“, sagt er zu Andreas Berger, während der gerade ein Stück sägeraues Escheholz aus dem Regal holt. Herr Berger ist Beschäftigter der Kleinwachauer Werkstätten. Obwohl sein Herz mehr für Metall schlägt, macht ihm die Arbeit mit Holz eine Menge Spaß. „Da kann man wenigstens auch mal Probe sitzen. Beim Metall geht’s nur um Schrauben und Nägel“, lächelt er gar nicht verschämt. Bei dem Produkt, welches heute gefertigt wird, steht Sitzen ja auch im Mittelpunkt.

Holzbearbeitung zum Draufsitzen.

Kleinwachauer Werkstätten bauen

Hocker und Bank in Eigenproduktion.H

Page 43: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Das Team der Holzfertigung baut gerade eine Klein-serie eines neuen Hockers. Diese Eigenproduktion hat Knut Richter im März 2013 auf der Nürnberger Werkstättenmesse erstmalig der Öffentlichkeit vor-gestellt. „Im November 2012 habe ich einfach mal einen Prototypen zusammengebaut. Es hat eine Weile gedauert, bis ich endlich die richtigen Bänder für die Oberfläche des Hockers fand“, sagt er und markiert ganz nebenbei mit seinem Bleistift ein Holz-stück. Die Bänder kommen von einem Produzenten aus dem Kreis Bautzen und Herr Richters Bleistift kommt natürlich wieder hinters rechte Ohr. Da gehört ein echter Tischlerbleistift auch hin. Denn jetzt rollen die Maschinen an. Andreas Berger übernimmt das Holzzurichten. Zuerst wird die Groblänge geschnit-ten, dann das Brett gesäumt – also von seiner Rinde befreit. Nachdem die Bretter auf Breite geschnitten sind, wird daraus eine plane Fläche mit rechtem Winkel gemacht. „Abrichten“ nennt es der Fachmann und hobelt das Brett im nächsten Arbeitsschritt auf die richtige Dicke. Auf der Breitbandschleifmaschine wird das Holzstück dann auf Glanz geschmirgelt. Währenddessen steht Knut Richter schon an der Langbohrmaschine und überprüft mit gewissenhaf-tem Blick die Einstellungen der Dübellöcher: „Ich kontrolliere die Maßeinstellungen der Bohrer immer nochmal selbst. Denn die Maschine kommt aus Itali-en und da kann man sich auf die Maßeinheiten nicht ganz verlassen.“ Das Bohren übernimmt dann Peggy Krüger. Seit 13 Jahren arbeitet sie schon in der Werk-statt und hat hier auch ihre Liebe zum Holz entdeckt: „Es ist einfach eine schöne Arbeit und Holz riecht ja auch wirklich gut.” Die Stuhlbeine werden mit Holz-dübeln verleimt und fest verbunden, die Oberfläche danach mit Möbelhartöl behandelt. Das zieht tief-schützend ins Holz ein und wirkt edel. „Da muss ich dann nur nochmal drüber wischen, das ist viel besser als lackieren", sagt Frau Krüger mit fachmännischer Stimme. Bei der Endmontage tackert sie dann eine Reihe Bänder an der Unterseite des Hockers fest und flechtet sie ineinander. Damit der Sitz auch wirklich bequem wird, stellt sie den Hocker einfach auf den Kopf und drückt eine Lage Schaumstoff gegen die Sitzfläche. „Jetzt schraube ich hier nur noch die Abdeckung drauf und dann ist der Hocker fertig“, strahlt Frau Krüger während der Akku-Schrauber die letzte Edelstahlschraube festzieht. Erwerben können Sie den Hocker im Werksverkauf der Kleinwachauer Werkstätten. Der Hocker kostet 51,35 EUR, die passende Bank 90,95 EUR.

Page 44: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Die Produktion der Werk-statt planen, steuern und überwachen – das sind die neuen Aufgaben von Bernhard Fischer. Der 32-jährige Dresdner ist für diese Aufgabe in die Heimat zu-rückgekehrt. Zuvor leitete der Ingenieur für Holztechnik euro-paweit große Ladenbauprojekte. Diese Expertise setzt er nun in Kleinwachau ein. „Ich möchte, dass beide Werkstattstandorte, Kleinwachau und Radeberg, gleich ausgelastet sind“, sagt er recht zuversichtlich. Dabei ist es das

Ziel, kontinuierliche und langfris-tige Kunden als Auftraggeber zu binden. „Der offene und ehrliche Umgang zwischen den Mitarbei-tern und den Beschäftigten hat mich vom ersten Tag an be-geistert“, freut er sich über sein neues Team und muss am ersten Arbeitstag gleich zwei epilepti-sche Anfälle miterleben. Das ist für Bernhard Fischer aber nicht neu. Als Zivildienstleistender am St.-Benno-Gymnasium Dresden betreute er Schüler mit Behinde-rungen als Alltagsbegleiter.

Maria Nacke sieht sich als Vermittlerin zwischen Werkstattbeschäf-tigten, Eltern, Betreuern und Kostenträgern. Seit Juli 2013 führt sie nun Aufnahmegespräche für die Werkstatt, beantragt Fahrdienste und Kostenzusagen. Dabei ist Maria Nacke ein bekanntes Gesicht in Kleinwachau. Freiwilliges Soziales Jahr, Einsätze in der Schule und im Krankenhaus liegen bereits hinter ihr. Für die Zukunft wünscht sie sich gutes Gelingen in ihrer Vermittlerposition und hofft, die Interessen ihrer „Kunden“ immer individuell vertreten zu können.

Neuer Produktionsleiter»

Sozialdienst Werkstatt»

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Unsere Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 8.30 - 18.00 Uhr

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„Besuchen Sie uns in Radeberg!”

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Page 45: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Kleinwachauer Unikate sind Verkaufsschlager auf

der Werkstättenmesse in Nürnberg.

Im Juli startete in der Alten

Tischlerei eine neue Gruppe der

Förder- und Betreuungsstätte.

Im Direktverkauf in der Werkstatt in Liegau finden die Produkte guten Absatz.

und sonst...

messe

Juli

märz

WerKsverKAuF

Juli

45

Page 46: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Menschen mit Behinderungen eine Chance in der Arbeitswelt zu bieten - mit diesem Ziel wurde vor 3 Jahren das Kleinwachauer Integrationsunternehmen Paso doble gGmbH gegründet. In-

zwischen sind hier 15 Menschen beschäftigt. Sie bieten Dienstleistungen auf den Gebieten Transport und Logistik, Reinigung und Hauswirtschaft, Winterdienst, Café und Catering sowie Raumvermietung. Thomas Weigelt organisiert den Bereich der allgemeinen Dienstleis-tungen. Mit seinen Kollegen hat er beispielsweise einen großen Teil der Umzüge im Wohnbereich bewältigt und das Talhaus noch vor den Umbauarbeiten beräumt. 2014 soll das Arbeitsfeld Reinigung und Hauswirtschaft unter der Leitung von Heike Walter ausgebaut werden. Bereits jetzt haben die Mitarbeiter einen großen Teil der Dienst- und Unterstützungsleistungen im hauswirtschaftlichen Bereich in Kleinwachau übernommen. Für Be-schäftigte aus den Kleinwachauer Werkstätten bietet das die Chance auf einen Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.Am Standort Radeberg kümmert sich Elisabeth Jäpel um Café, Catering und die Vermietung des großen Tanzsaales. Am 2. November gab es dort die Paso-doble-Geburtstagsparty. Neben dem Café hatten auch die Außenstelle der Kleinwachauer Werkstätten und der Werkstattladen ihre Türen geöffnet. Viele Gäste nutzten die Gelegenheit, Einblicke in das Integrationsunternehmen in Radeberg zu bekommen.

46

3 jahrepaso doble

Page 47: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Zurzeit ist es ein fast aussichtsloser Kampf, den Katja Zimmermann täglich führt. Das Kleinwachauer Brunnenhaus ist eine Baustelle, an allen Ecken und Enden wird gehämmert, gesägt und gebohrt.

Kaum ist ein Flur gewischt, hinterlassen Baustaub und die schweren Schuhe der Arbeiter ihre Spuren. Und doch schafft es Frau Zimmermann immer wieder, Ordnung und Sauberkeit ins Haus zu bringen. Denn das ist die Aufgabe der 29-jährigen, die seit Mai 2013 als Mitarbeiterin im Reinigungsteam des Paso doble für das Verwaltungsgebäude verant-wortlich ist. Die Arbeit ist ihr nicht neu: seit neun Jahren sorgt sie im Brunnenhaus für saubere Büros, Flure und Sanitärbereiche. Gelernt hat sie das im Be-rufsbildungsbereich der Kleinwachauer Werkstätten. In den folgenden Jahren arbeitet sie als Werkstattbeschäftigte in einem kleinen Reini-gungsteam im Brunnenhaus. Im Laufe der Zeit wird sie immer selbständiger, ersetzt erkrankte Kol-legen und kennt sich schließlich so gut in ihrem Aufgabengebiet aus, dass man ihr eine Stelle im Kleinwachauer Integrationsunternehmen Paso doble anbietet. Nun ist sie allein zuständig für die Reinigung und hauswirtschaftlichen Unterstützungsarbeiten im Verwaltungsgebäude, dem angrenzenden Kirchsaal und den Gästezimmern im Dachgeschoss. Bei der Einarbeitung in veränderte Aufgabengebiete und neue Maschi-nen steht ihr Heike Walter, ihre Vorgesetzte aus dem Paso doble, weiter zur Seite. Mit dem Sprung vom geschützten Werkstattbereich auf den allgemei-nen Arbeitsmarkt ist nicht nur größere Verantwortung im Arbeitsleben verbunden. Auch privat ist Frau Zimmermann nun finanziell unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen. Zurzeit lebt sie mit ihrem Freund in einer kleinen Wohnung in Seifers-dorf. Mit dem Rad oder dem Bus kommt sie jeden Morgen um 8 Uhr zur Arbeit. Die Zeit bis zum Feierabend um 14.30 Uhr vergeht schnell. Von den Mitarbeitern des Verwaltungsgebäudes erhält die junge Frau viel Wertschätzung: „Frau Zimmermann arbeitet gern und zuverlässig. Sie ist flexibel und hilft auch in anderen Bereichen aus, wenn Not am Mann ist. Seit ihrer Anstellung im Paso doble ist sie selbstbewusster und aufgeschlossener - es ist eine Freude, diese Entwicklung zu erleben!“Mit dem Eintritt ins Integrationsunternehmen kann auch die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes von Frau Zimmermann durch eine groß-zügige Förderung vom Integrationsamt des KSV Sachsen verbessert werden. Wichtigste Neuerung ist eine Reinigungsmaschine, die das mühsame Wischen der Fußböden deutlich erleichtert. Nun arbeitet Katja Zimmermann sozusagen wieder im Zweierteam - zusammen mit ihrem neuen blauen Wischautomaten.

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ein starKes team

Page 48: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Lässig lehnt er an der Brüstung vor dem Vereinshaus. Er trinkt genüsslich einen Kaffee. Wie jeder andere Sportler trägt er einen Trainingsanzug. Und doch ist der Mensch darin für die Fußballer vom FC Klein-wachau etwas ganz Besonderes. Denn nur ihretwegen ist Ralf Minge nach Liegau-Augustusbad gekom-

men. 222 Spiele absolvierte der heute 52-jährige für Dynamo Dresden, in 36 Länderspielen trug er das Trikot der DDR-Nationalmannschaft. Als Trainer der U23-Mannschaft bei Bayer 04 Leverkusen arbeitet er seit 2012 fernab der Heimat. Und doch ist er vor allem eins: auf dem Boden geblieben. Als Botschafter von Special Olym-pics Deutschland engagiert sich Ralf Minge schon seit Langem für behinderte Sportler und sucht gar nicht erst nach Begründungen: „Das macht einfach richtig Spaß. Und vor allem ist es keine Einbahnstraße. Ich bekomme so viel zurück - einfach ehrliche Emotionen.“

Und diese Emotionen erwarten ihn auch beim FC Kleinwachau. Erst Ende April wurde die Unified Mannschaft des SV Liegau-Augustusbad vom DFB mit der Sepp-Herberger-Urkunde für das Miteinander von behinderten und nicht behinderten Fußballern ausgezeichnet. Und um dieses Miteinander geht es auch beim Spezialtrai-ning mit Ralf Minge. Der lässt die ganze Mannschaft gleich mal zur Erwärmung aufstellen. Dann ein starker Pfiff in die Trillerpfeife und es bewegen sich Fußballmänner und Fußballfrauen rund um den Star des Tages. Es scheint, als hätte Ralf Minge eine Menge vor mit den ehrgeizigen Sportlern. Gewissenhaft stellt er kleine Hütchen auf eine Linie und lässt die Fußballer drum herum dribbeln. Beim Üben des Doppelpasses muss der Torwart schon öfter mal hinter sich greifen.

sepp-Herberger-urkunde

für Kleinwachauer Fußballer und sv liegau.

ehrliche emotionen für ralf minge.S

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Page 49: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Einer aber schaut sich das Training genau an: Mar-kus Rebs. Als Präsident des SV Liegau-Augustusbad liegt ihm viel an der Aktion: „Für die Kleinwachauer Sportler wird das ein nachhaltiges Ereignis bleiben. Für mich persönlich ist es eine Bestätigung, dass der seit 2005 gemeinsam mit dem Epilepsiezentrum eingeschlagene Weg der richtige ist.” Markus Rebs und der Trainer des FC Kleinwachau, Lutz Höhne, haben sich Anfang des Jahres für die Sepp-Herber-ger-Urkunde beworben. Der Erfolg - mit dem keiner so richtig rechnete - zeigt, dass ihr Engagement Vor-bildcharakter hat. Beim SV Liegau wird gelebt, wovon andere nur reden: Inklusion. Damit die behinderten Sportler auch im Umfeld gute Bedingungen vorfin-den können, gehen die 5.000 EUR Siegprämie direkt in Umbaumaßnahmen für eine behindertengerechte Toilette und einen barrierefreien Zugang zum Ver-einsheim. Finanziell ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, man hofft auf zusätzliche Fördergelder.

Ralf Minge hält die Nachwuchs-Profis richtig auf Trab. Jeder einzelne bekommt Tipps und Anregungen. Das Abschlussspiel endet schließlich 1:1. Ein ausgegli-chenes Ergebnis für eine Mannschaft, die einen sehr ausgeglichenen Gast-Trainer hat. Ganz locker packt Ralf Minge ein paar Bälle und fasst zusammen: „Ich denke, dass die Fußballer sich an das Training als einen besonderen Moment zurückerinnern werden, der vielleicht auch in den Köpfen bleibt. Letztend-lich ist es nämlich wichtig, dass nicht die Siege in diesem Sport entscheiden, sondern vielmehr die Leidenschaft. Und die sollen die behinderten Sport-ler bloß nicht verlieren.“ Und genauso locker wie der Fußballprofi am Anfang seinen Kaffee trank gibt er noch Autogramme, hier und da ein Foto und dann verabschiedet er sich von jedem persönlich. So toll kann Fußball sein.

„Nicht die Siege entscheiden in diesem Sport, sondern vielmehr die Leidenschaft. Und die sollt ihr bloß nicht verlieren!”

sepp-Herberger-urkunde

für Kleinwachauer Fußballer und sv liegau.

ehrliche emotionen für ralf minge.

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Page 50: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Dresdner Offizierschüler helfen beim Sommerfest.

Kleinwachauer Fußballer beim Turnier der

Herzen in Wiesbaden.

und sonst...

september

Tanz in den Mai.

Frau Kruse, eine der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in Kleinwachau, bei der Gestaltung der Kulissen fürs Sommertheater.

Juni

mAi

OKtOber

Die Sachsenmeisterin beim Special

Olympics Schwimmfest 2013 kommt

aus Kleinwachau: Mandy Schwarz.

Juli

50

Page 51: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Deutschlands Athletensprecher Roman Eichler bei den Welt-Winterspielen in Südkorea.

Erntetanz im Kirchsaal.

FebruAr

september

Juli

Beim REWE-Team Challenge in Dresden ist ein

gemischtes Team aus Mitarbeitern und Werk-

stattbeschäftigten dabei.

Zur Unterstützung unserer tschechischen

Partnereinrichtung Domeček wird ein

Förderkreis ins Leben gerufen.

Kleinwachauer Langläufer bei den Special Olympics Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen.

Juni

JAnuAr

und sonst...

Frau Kruse, eine der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in Kleinwachau, bei der Gestaltung der Kulissen fürs Sommertheater.

Juni

51

Page 52: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Der ehemalige sächsische Staatsminister für So-ziales, Gesundheit und Familie, Dr. Hans Geis-ler, kennt Kleinwachau seit der Studienzeit.

Es ist 1966 und Hans Geisler noch in der Promotion zum Doktor der Chemie an der TU Dresden. Als be-kennender Christ ist er dort Mitglied der Evangeli-schen Studentengemeinde. Er besucht ein befreun-detes Akademiker-Paar, das gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in Kleinwachau absolviert. Das gibt es schon 1966, trotz sozialistischer Regierung. In der To-biasmühle, zu dieser Zeit noch ein Altenheim, hilft er mit seinen Kommilitonen beim Arbeitseinsatz. Klein-wachau lässt ihn nie ganz los.Vielfältig hat er später auch als Minister mit dem Epi-lepsiezentrum zu tun. 2003 wird er in den Vorstand des Förderverein Epilepsiezentrum Kleinwachau e.V. gewählt. Die Umwandlung des Epilepsiezentrums zu einer gemeinnützigen GmbH erfolgt 2007 unter der Verantwortung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Lücke. Veränderungen im Gesellschaftsrecht be-gründen diesen notwendigen Schritt. Der Förderverein Epilepsiezentrum Kleinwachau e.V. wird mit seinen 16 ordentlichen Mitgliedern Träger der Kleinwachau - Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg gemeinnüt-zige GmbH. Zur Leitung der täglichen Geschäfte wird ein Geschäftsführer bestellt. Der Förderverein wirkt somit als Kontrollorgan des Geschäftsführers.2010 übernimmt Dr. Hans Geisler den Vorstands-

vorsitz des Fördervereins. Es ist eine Verantwortung, die er von Beginn an nur mit zeitlicher Befristung angeht. Jetzt, 2013, gibt er den Vorsitz an Jens Ger-lach ab. Dr. Hans Geisler bleibt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender unterstützend erhalten. Für Kleinwachau wünscht er sich: „Einen weiteren Aus-bau individueller Wohnformen. Damit verbunden sehe ich natürlich auch die Reduzierung stationärer Wohnstätten. Wir müssen uns weiter öffnen und die Barrieren in den Köpfen der Bevölkerung abbauen.”

Neuer Vorstandsvorsitzender des Fördervereins ist Jens Gerlach. Er tritt nun in die großen Fußstap-fen seines Vorgängers, wie er selbst mit Respekt sagt. Der Diplom-Kaufmann aus Dresden ist als Wirtschaftsprüfer weit über die sächsische Landes-hauptstadt hinaus aktiv. Die ehrenamtliche Arbeit im Förderverein sieht er nicht als Belastung, sondern eher als Mehrwert. Er empfindet Kleinwachau als einen besonderen Ort, der wirklich gelebt wird. Für die Zukunft wünscht auch er sich, Kleinwachau wei-ter zu öffnen: „Kleinwachau zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es sich ständig weiterentwickelt und immer wieder neu am Leben und seinen Heraus-forderungen orientiert. Für diese Herausforderungen wünsche ich uns bei allen Entscheidungen eine gute Hand, viel Kraft und Freude sowie Gottes reichen Segen.“

im vorstandführungsWechsel

Page 53: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

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Seit 10 Jahren gibt es das Bewegungsbad der Kleinwachauer Förderschule. Neben dem Schwimmunterricht dient es vor allem vielen Therapieangeboten. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit körperlichen Beein-trächtigungen sind die Behandlungen im Bewegungsbad eine unersetzliche Möglichkeit, ihre Beweglichkeit und motorischen Fähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten. Es wird intensiv von den Schülern, den Bewoh-nern des Wohnbereiches und den Patienten unseres Neurologischen Fachkrankenhauses genutzt.Diese Dauerbelastung zeigt jetzt deutliche Spuren: An der folienbedeckten Innenhaut sind Schäden ent-standen, die dringende Renovierungsarbeiten notwendig machen. Das Badebecken muss gegen eines aus Edelstahl augetauscht werden. Ein Becken aus dem robusten Material Edelstahl ist nicht nur haltbarer als Folie, sondern auch besser zu pflegen und zu reinigen. Außerdem hält es den therapiebedingt notwendigen hohen Temperaturen länger stand. Eine nachhaltige Lösung also in puncto Kosten, Technik, Reinigung und Umwelt.

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende!Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

»

therapie ist Wichtig

SPENDENKONTO

EmpfängerFörderverein Epilepsiezentrum Kleinwachau e.V.

IBANDE25 3506 0190 1615 9600 94

BICGENODED1DKD

VERWENDUNGSZWECKTherapiebad

Bitte geben Sie bei Ihrer Überweisung Ihre Adresse mit an. So erhalten Sie automatisch eine Spendenquittung von uns.

Page 54: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

»

Hier arbeiten Menschen

mit und ohne Handicap gemeinsam.

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Page 55: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

„Seitdem ist wieder über Jahr und Tag vergangen und unsere Freunde werden längst auf neue Nachrichten aus Kleinwachau ausgesehen haben.”

IMPRESSUM

HERAuSgEbERKleinwachau Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg gGmbHWachauer Str. 3001454 Radeberg

Tel.: 03528 / 431-0E-mail: [email protected]

vERANTWoRTLiCH füR DEN iNHALTMartin Wallmann (Geschäftsführer)

KoNzEPT, REDAKTioN, LAyouT & gRAfiKAbteilung ÖffentlichkeitsarbeitAlexander Nuck (Leitung)Patricia Wachsmuth

Seit 1890 gibt es in Kleinwachau einen Jahresrück-blick und natürlich veränderte dieser immer wieder seine Form. Heute halten Sie ein völlig neu gestal-tetes Heft in der Hand. Die Fotos und Geschichten sollen Ihnen zeigen, mit wieviel Engagement und Herzlichkeit hier in Kleinwachau gearbeitet wird. Das ist uns heute wichtig und war es früher auch.„Als im April 1890 der erste Bericht ins Land ging, ward es kund, dass die mühevolle Arbeit des Anfangs nicht vergebens gewesen war; er konnte bereits von

deutlich spürbarem Segen erzählen zum Trost und zur Ermutigung für alle, die im Vertrauen auf Gottes Hilfe das Werk begonnen hatten. Seitdem ist wieder über Jahr und Tag vergangen und unsere Freunde werden längst auf neue Nachrichten aus Kleinwachau ausgesehen haben.” So steht es am Anfang des Jah-resberichtes von 1891. Wir hoffen, dass wir Ihnen mit unserem aktuellen Jahresrückblick Freude schenken konnten und Sie vielleicht schon bald auf neue Nach-richten aus Kleinwachau Ausschau halten.

der zeitim Wandel

foToS & biLDERÖffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Epilepsiezentrums Radeberg, S.10 Norbert Mutschmann, S.11 Christine Tenne, Aaron Winkler, S.32 Springer Medizin, S.26 Detlef Ulbrich, S.28-29 © Lothar Sprenger, S.30 Robert Schultze, S.56 Annegret Koch

AufLAgE: 3.000 Stück, kostenlose Verteilung frei Haus

DRuCKKONSTA Druck & WerbungInhaber: Ralf GauptysRadeberger Straße 3401454 Feldschlößchen

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Page 56: 2013 Das Jahr in Kleinwachau

Kleinwachauer Sommerfest5. Juli 2014 Jubiläumsfeier 125 Jahre Kleinwachau20 Uhr live im Konzert: DIKANDA

12. Epilepsieforum18. Oktober 2014 Dresden, An der Kreuzkirche 6

www.kleinwachau.de

Gott nahe zu sein ist mein Glück.

Psalm 73,28

Jahreslosung 2014

G Wir laden Sieherzlich ein. 2014

» Tag der offenen Tür in der Kleinwachauer Förderschule 28. März 2014

» Kleinwachauer Epilepsiesymposium3. Mai 2014 Brunnenhaus - KircheThema: „Epilepsie in der Öffentlichkeit”

»»»

Tanz in den Mai3. Mai 2014 Saal der Kleinwachauer WerkstättenLive: ¡Más Shake! mit Rod González (Die Ärzte)

Weihnachtsmarkt der Förderschule5. Dezember 2014»

Kleinwachauer Dampferausflug28. März 2014 »