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2015-04-01 Suki Kim unterrichtete an Uni in Nordkorea - Uni-Spiegelhttp://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/autorin-suki-kim-unterrichtete-aneiner-nordkoreanischen-uni-a-1020072.html
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Nachrichten > UniSPIEGEL > Job & Beruf > Studium in echt > Autorin Suki Kim unterrichtete an einer nordkoreanischen Uni
Es gibt viele Unrechtsstaaten auf dieser
Erde, Nordkorea ist vielleicht der
merkwürdigste von allen.
Rar sind die
Berichte, die aus
der stalinistischen
Diktatur an die
Öffentlichkeit
gelangen, und
lachhaft wirken
die offiziellen
Darstellungen des
Staates - etwa all
die Bilder, die aussehen wie aus einem
Paralleluniversum realsozialistischer Romantik,
mit einem gütigen Diktator, der sich der
Studium in Nordkorea: Wie eine Sekte
Von Gabriela Seidel-Hollaender
Courtesy Of Suki Kim
Abgeschottet vom Rest der Welt: Die Amerikanerin Suki Kim weiß,
wie sich das anfühlt. Sie war Dozentin an einer Uni in Nordkorea.
Und traf dort auf Studenten, die weder Facebook noch Apple
kannten.
Arbeiter annimmt, Babyköpfe streichelt und
sich mit gigantischen Militärparaden feiern
lässt.
Gibt es Hoffnung auf Reformen in diesem
bitterarmen und wirtschaftlich isolierten Staat,
der sich fast schon zynisch "Demokratische
Volksrepublik Nordkorea" nennt, in Wahrheit
aber so undemokratisch ist wie nur möglich?
Courtesy Of Suki Kim
Autorin Suki Kim: Einmal Nordkorea und zurück
Eher nicht, glaubt die amerikanische Autorin
Suki Kim, die 2011 nach einer Bewerbung
beim nordkoreanischen Bildungsministerium
ein halbes Jahr lang als Englischlehrerin an der
Pjöngjang University of Science and
Technology arbeitete. Ihre Studenten waren
Männer, die von der Welt außerhalb ihrer
Staatsgrenzen so gut wie nichts wussten und
absolut staatshörig erschienen, berichtet die
44-Jährige in ihrem Buch "Without You, There
Is No Us", das nun in englischer
Originalsprache erschienen ist.
Die Autorin erlebte die letzten Monate der
Regentschaft von DiktatorKim Jong Il mit, der
2011 an Herzversagen starb und der Vater
des jetzigen Regenten Kim Jong Un war.
Jeden Tag marschierten die Studenten
Richtung Seminarraum und sangen
Lobeshymnen auf den Großen Führer. "Ohne
dich gibt es kein Mutterland, ohne dich gibt es
uns nicht", lautet der Refrain. Das alles sei
"gespenstisch" gewesen, schreibt Kim.
Christliches Geld für die Sprache des
Feindes
Die Universität, an der sie lehrte, wird nur von
Männern besucht und von evangelikalen
Missionaren aus dem Ausland geleitet. Auch so
ein Widerspruch in diesem an Widersprüchen
reichen Land.
Christen gelten in Nordkorea nämlich
eigentlich als Volksverräter und werden nach
allem, was man weiß, auch in Arbeitslagern
festgehalten. Doch was die Uni angeht, gibt es
einen finanziellen Deal: Die Führung in
Pjöngjang akzeptiert die christlichen
Lehrkräfte, lässt sich die Ausbildung aber mit
Spenden aus den USA finanzieren. So lernen
die Studenten unter anderem die Sprache des
Feindes - und vielleicht auch ein paar
Strategien, die helfen können, das vor dem
wirtschaftlichen Zusammenbruch stehende
Land zu stabilisieren.
Suki Kim ist in Seoul, der Hauptstadt
Südkoreas, geboren und aufgewachsen, bevor
sie mit ihren Eltern in den frühen
Achtzigerjahren in die USA emigrierte. Erzählt
sie von der Familie ihrer Mutter, die zwischen
Nord- und Südkorea hin- und hergerissen
wurde, rührt sie stellvertretend für viele
Koreaner an einem Trauma dieser
Gesellschaften, die 1948 in Folge des Zweiten
Weltkrieges voneinander getrennt wurden.
"A Memoir" untertitelt Kim ihre
Aufzeichnungen aus dem abgeschotteten
Land. Die jungen Männer, die sie unterrichtet,
sind höflich, diszipliniert, kontrolliert - und
haben zumindest offiziell keine Ahnung von
dem, was anderswo auf der Welt passiert. Die
Studenten scheinen nicht zu wissen,
was Facebook ist, haben den Namen Steve
Jobs noch nie gehört und glauben, dass
außerhalb ihres Landes Begeisterung für
Nordkorea vorherrscht.
Was Kim besonders eindrucksvoll beschreibt,
ist das Klima der Überwachung, das den Alltag
beherrscht. Die jungen Männer bewegen sich
niemals allein, jedem ist ein "bester Freund"
zugeordnet, der die Rolle eines Spitzels und
Revisors ausfüllt.
AP
Studenten in Pjöngjang: Ständig überwacht
Sogar nach dem Mittagessen in der Mensa
werden Protokolle über die Gesprächsthemen
angefertigt. Die Studenten dürften zwar in
einem kirchenähnlichen Lesesaal ihre Zeit
verbringen, allerdings wird dieser Saal von
etlichen Kommilitonen bewacht, damit ja keine
Gesprächs- oder gar Diskussionsatmosphäre
aufkommen kann. Alle Ausflüge für den
Lehrkörper aus dem Ausland, etwa zu einer
blühenden Vorzeige-Apfelplantage, sind straff
organisiert und dienen einem einzigen Zweck:
das Land als große, glanzvolle Nation
darzustellen.
Kim plagt natürlich die Angst, dass ihre
Absichten, ein Buch zu schreiben, auffliegen
könnten. Daher trägt sie ihre Aufzeichnungen
auf einem versteckten USB-Stick an einer
Kette ständig mit sich herum. Ein solcher
Verrat könnte einen Menschen in Nordkorea
teuer zu stehen kommen. Es gibt kaum einen
Zweifel daran, dass Tausende Menschen in
den Straf-Gulags des Landes dahinvegetieren,
viele sogar gefoltert und getötet wurden.
Lügen, damit alle fröhlich bleiben
Suki Kims präzise Beschreibungen entlarven
das System, werden zu einer Studie der
verordneten Verlogenheit. Was die jungen
Studenten nicht wissen dürfen, geben sie vor,
auch nicht zu wissen - oder sie retten sich gar
in einen Mechanismus, den man kontrolliertes
Lügen nennen könnte. So behaupteten sie
Kim gegenüber
beispielsweise
stets, ihre Eltern
regelmäßig zu
besuchen, obwohl
es ihnen in
Wahrheit nicht
erlaubt war, das
Gelände zu
verlassen, auch
wenn die Eltern ganz in der Nähe wohnten.
Die Szenen des oberflächlich-freundlichen
Miteinanders gleichen dem Leben in einer
Sekte, die von allen verlangt, die
vermeintliche Gemeinschaft über das
Empfinden des Einzelnen zu stellen.
Kim ist keine Missionarin. Ihre Motivation,
nach Pjöngjang zu gehen, war biografisch
geprägt und beflügelt vom journalistischen
Ehrgeiz der Autorin. So beschreibt sie die
bizarre Konstellation an der Universität auch
mit kleinen Seitenhieben auf den Eifer ihrer
evangelikalen Kollegen, deren Weltsicht in
mancher Hinsicht ebenfalls von Engstirnigkeit
und Gehorsam geprägt ist. Es wirkt hysterisch,
wie empört eine Kollegin auf Kims Idee
reagiert, den Studenten zum Jahresabschluss
einen "Harry Potter"-Film zu zeigen. Die Welt
dieses Zauberschülers aus Hogwarts, der
gegen einen bösen Magier antritt, hält sie für
"unverantwortlichen ketzerischen Irrglauben".
So aufschlussreich das Buch für Leser
hierzulande ist, so gefährlich könnte es für die
Studenten sein, die Kim in Nordkorea
kennenlernte. Mit der Veröffentlichung riskiert
sie die Existenz der Universität und nimmt
mögliche Probleme für die Schüler in Kauf.
Ihre christlichen Kollegen werden sich verraten
fühlen. Kann sie das verantworten? Sie selbst
sagt, sie wolle "die Wahrheit dieses
schrecklichen Ortes" erzählen, an dem 25
Millionen Menschen als Geiseln gehalten
werden.