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No. 12, Mai 2015 freieliste.li WEISS Magazin der Freien Liste Mittelstand in der Krise Das Gespür verloren – die Entscheide der Elite

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No. 12, Mai 2015

freieliste.li

WEISSMagazin der Freien Liste

Mittelstand in der Krise Das Gespür verloren– die Entscheide der Elite

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2 – WEISS – Magazin der Freien Liste – 05/15

03 – Thron. Kein Jubel. – Dem Thronjubiläum des Fürsten beigemengt war die Angst, etwas falsch zu machen und nicht zur schreiben-den Mehrheit zu gehören: Soll man ihn überhaupt würdigen, fragt sich der Autor Stefan Sprenger.

06 – FAK-Geld an KiTas – eine weisse Idee wird schwarz – Vor zwei Jahren lehnte der Landtag den FL-Vorstoss ab, Geld aus der Familienausgleichskasse für dringend benö-tigte KiTa-Plätze zu verwenden. Dies würde zu einseitig berufstätige Eltern fördern. Vor kurzem präsentierte der Gesellschaftsminis-ter die gleiche Idee.

07 – Wo Geld versteckt, verschenkt und heraus-gepresst wird – Das Leben wird teurer, der Mittelstand wird belastet. Von der Sparpoli-tik ausgenommen werden Treuhänder und Reiche. Wirtschaftsuntergangsmythen und Eigeninteressen haben die Politik fest im Griff.

13 – Selber schuld, die Frauen?! – Die Gemein-deratswahlen haben es gezeigt: Frauen wird weniger zugetraut. Die Untervertretung der Frauen in der Politik und Wirtschaft wird aber zum «natürliches Phänomen» erklärt und damit zementiert.

Impressum Herausgeberin Freie Liste, LiechtensteinRedaktion WEISS, Landstrasse 140, FL-9494 Schaan Redaktionsleitung Barbara Jehle, [email protected] Gestaltung Mathias Marxer, Gregor Schneider, Triesen Titelbild Jürgen Schremser Druck LAMPERT Druckzentrum AG, VaduzSchrift Univers und New Baskerville Papier Bavaria, 80 g/m2, FSC Auflage 19’300 Ex.

EditorialInhalt

Text Pepo Frick, [email protected]

In allen Gemeinden werden die Parteien finanziell unterstützt, je nach Gemeinde nach unterschiedlichem Schlüssel und zum Teil nach individuellen Regeln. Allen gemeinsam ist, dass ein Sockelbeitrag ausbezahlt wird, um die kleinen Parteien nicht zu benachteiligen. Je nach Grösse werden zwischen 10’000 und 40’000 Franken an die Parteien verteilt. Neu gibt es Bestrebun-gen, den Sockelbetrag tiefer anzusetzen. So beantragt die FBP-Fraktion in Schaan, den Sockelbeitrag von 6000 Franken neu auf 2200 festzulegen, dafür soll der Beitrag pro Gemeinderatsmandat aufgestockt werden. Im Endeffekt würde dies bedeuten, dass die Grossparteien profitieren und die Kleinen weniger Unterstützung erhalten würden. Konkret ergäbe dies eine Umverteilung von un-ten nach oben. Ich hoffe, dass solche Überlegungen aus demokra-tiepolitischen Gründen nochmals überdacht werden. Durch eine Senkung des Sockelbetrages würden die kleineren Parteien klar benachteiligt. Ausserdem ist der Aufwand für eine Partei gleich gross, ob eine oder fünf Personen im Gemeinderat sitzen. Gerade im Gemeinderat braucht es Vielfalt und die Mitarbeit von mehre-ren Parteien. Pepo Frick

Machtpolitik statt Demokratie in den Gemeinden

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Machtpolitik statt Demokratie in den Gemeinden

Man musste Zeit vergehen lassen. An einer abgewandten Küste nachsinnen.Was erwidert man einem Landtagspräsi-denten, der 2014 in seinem Beitrag zum 25-jährigen Thronjubiläum das Staatsober-haupt als amüsanten Geschichtenerzähler lobt - fernab aller Ironie?

Man musste Zeit vergehen lassen.Aus beruflichen Gründen hatte man viel in den Liechtensteiner Landeszeitungen 1950 ! 1975 gelesen und dort einen Staat angetroffen, der sich in drei markanten Wesenszügen vom jetzigen unterschied: Zum einen geschah «Staat» als aktive Po-litik zwischen Regierung, Landtag und Volk – mit einem Fürsten im Hintergrund; zum Zweiten dachte man den Dualismus mit Stolz als gesamtliechtensteinische Leis-tung, Stolz deshalb auch auf seine eine schweizerisch-demokratischen Wurzel; zum Dritten scheint die Monarchie in jenem Dualismus eine Herzensangelegenheit, nicht ein Glaubenszentrum gewesen zu sein.

Man nimmt, von heute aus tastend, wahr, dass etwas jenen Staat gefüllt und prall gemacht hat, auch dass jenes Etwas warm, nährend und bestätigend war, we-niger im Sinne einer Zuflucht, mehr im Sinne einer Befähigung, sich Gegenwart und Zukunft angstlos zu stellen. Eine selt-same Mischung von Staatsmystik und Stall-wärme. Das wird beschworen- und auch öfters missbraucht, um etwa Frauen und Ausländer klein zu halten. Interessant ist, dass diese geheimnisvolle Staatswärme we-niger Wunsch als Wirklichkeit gewesen zu sein scheint, so als hätte man sie besessen und sich in der Pflicht gesehen, sie zu hü-ten, ohne sie nach aussen und nach innen wirklich erklären zu können. Diese Staats-ergriffenheit scheint auch Institutionen und Bevölkerung regelmässig übermannt

tenstein Versuche, die Geschichtsschrei-bung zugunsten einer makellosen Darstel-lung des Monarchen, des Fürstenhauses und der Monarchie zu beeinflussen. Diese Versuche werden vom Monarchen selbst und einer Gruppe von Hofberichterstat-tern betrieben. Es wird an der Geschichte liegen, ein Urteil über Hans Adam II. zu fällen.

Zeit muss vergehen.Man hat anzuerkennen: Er schafft Wirk-lichkeit. Er besetzt frühzeitig und strate-gisch Themenfelder mit schlagkräftigen Wörtern. «Oligarchie» und «Grüssaugust» sind ältere Beispiele für solche Wortladun-gen, «Monarchiefeind» ein jüngeres. Sie dienen einem einzigen Zweck: die Macht des Monarchen zu schützen oder zu ver-grössern. Oft ist ihnen scharfer, trennen-der Witz beigemischt, auch Polemik. Da sie nur ihm dienen, mangelt ihnen sowohl Einsicht in den Kern als auch Respekt vor Sache oder Person. Es sind keine Denkan-stösse, sondern Anwürfe aus seiner Ecke, allerdings mit der Fähigkeit, haften zu blei-ben. Er schafft seine Wirklichkeit damit. Ausserhalb des Gesetzes und über ihm: der mächtigste, der reichste Mann weit und breit. Man muss das ernst nehmen.

zu haben, ohne dass ein gescheites, auch ethisches Nachdenken über Liechtenstein unterdrückt worden ist. Die Selbstverständ-lichkeit, in der in jenen Zeiten Staatsfüh-len und Staatsdenken ineinandergreifen, ist, von heute aus betrachtet, vielleicht das Verblüffendste.

So hat man das letztjährige Thronju-biläum auch vor jener Hintergrundstrah-lung wahrgenommen und war, all innerer Distanz zur Monarchie liechtensteinischer Spielart zum Trotz, betroffen gewesen vom hohlen Hall in Feierlichkeiten und Son-derbeilagen, dem Wirklichkeitsentleerten, bestenfalls Verlegenen der Beiträge, der Pflichtnatur des Ganzen.

Zeit war vergangen: Das Pralle war hohl, das Warme war kalt geworden. Die zum Thronjubiläum offenkundig ge-wordene liechtensteinische Staatsverlegen-heit. Bereits das Wort Jubiläum: kein Jubel, nirgends. Beteuerungen, Lippenbekennt-nisse, auch Schmeichelei, Fürstenlob. Allem beigemengt die heimliche Angst, es falsch zu machen, ins ungnädige fürst-liche Auge zu fallen, ob schweigend oder schreibend nicht zur sicheren Mehrheit zu gehören.

Soll man ihn würdigen? Er, der im Lau-fe der Verfassungsdiskussion so viel Unver-zeihliches zu verantworten hat? Er, der, ob zynisch oder paranoid, so vieles verbogen, verzerrt, mit Giftrauch überzogen, ins Trü-be gebracht hat? Deswegen soll man: Zwei-fellos ist durch ihn ein anderes Liechten-stein entstanden.

Kann man ihn würdigen?Es wird an der Geschichte liegen, ein Urteil über Hans Adam II. zu finden. Es wird an der Geschichtsschreibung liegen, die Ge-schichte zu befähigen, ein angemessenes Urteil zu finden. Es gab und gibt in Liech-

Text Stefan Sprenger, [email protected]

Thron. Kein Jubel.

Kommentar

Ein Nachtrag zum 25-jährigen Thronjubiläum Hans Adam II.

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Teil der Unternehmenskultur ist die Trans-parenz, wer wo wann und wie waltet – und in der Verantwortung steht. Hans Adam II. hat mit dem von ihm erfundenen Wechselspiel zwischen Herrscher – und Bürgerrolle nicht nur Trennunschärfe in den Staat gebracht, sondern zusätzlich mit dem Fürstenhaus als neuem Verfassungs-organ ein Machtzentrum im Dunkeln ge-schaffen. Die dort ablaufende Meinungs-bildung entzieht sich öffentlicher Einsicht und Diskussion – das Fürstenhaus so die mächtige Geheimgesellschaft im Zentrum des Staates.

Man könnte sich an der Metapher des Staats als Unternehmen noch lange abar-beiten und Kubikmeter um Kubikmeter Ungereimtes zu Tage fördern ...

Man muss Zeit vergehen lassen, um zum Eigentlichen, zum Kern vorzudrin-gen.

Was hat das Pralle und das Warme ersetzt? War es miefig geworden, überkommen?Er war gefährdet, vielfach, immer, in Arten, von denen man sich in den Dörfern ver-mutlich keinen Begriff machen kann. Von Geschichte, Tradition, Haus, Stand, Erwar-tungen, Rollenspiel, Pflichten, später auch von einer Macht, wie sie einem Einzelnen

nicht aufgebürdet werden dürfte, und den Konsequenzen eines Milliardenvermö-gens. Ein guter Kopf, hell, systematisch, mit der Fähigkeit zum Weitblick, wort-mächtig, musenfrei – unmöglich für ihn, sich vor den Widersprüchlichkeiten seiner Stellung zu verstecken, er vermutlich in jener Zerreisprobe zwischen Geschichte und Gegenwart lange der einzig wirklich moderne Mensch in Liechtenstein. Dass er trotz anderer Interessen nicht aus der Verantwortung gesprungen ist, spricht auch für seinen Mut, seine Kämpfernatur. Erfrischend unbefangen in Standesdetails, verpasst er seine einzige wirkliche Emanzi-pationsmöglichkeit und heiratet standes-gerecht. Es scheint, als habe er die klassich-konservativen Anteile seiner Rolle – Status, Stand, Religion, Tradition – an seine Frau delegieren können. Die heute tief in christ-lichen Fundamentalismus verstrickte Frau Liechtenstein hätte vermutlich auch ande-re Lebenswege gehen können. Sich teilen, um herrschen zu können – auch darin schreibt sich eine enorme Gefährdung wei-ter, nicht nur für ihn.

Liechtenstein bekam Fürst Nr. 13 – und wollte nur einen weiteren Landesvater. Man hat ihn auch zu dem gemacht, was er geworden ist.

Kommentar

Er sehe den Staat als Unternehmen.Unternehmen werden senkrecht, von oben geführt. Das Bild für den Dualismus hingegen ist das der austarierten Waage. Im Bild des Staates als Unternehmen ist der Dualismus bereits abgeschafft. An sei-ner Stelle eine Befehlskette, an deren Spit-ze der Monarch steht. Das bedeutet schwa-che Parteien, einen schwachen Landtag, eine Regierung als erst zweite Führungs-stufe. Man sehe sich um: Es ist geschehen, der liechtensteinische Dualismus unsere Staatslüge. De facto leben wir in verkapp-ter Familiendiktatur.

Unternehmen werden auch nach ih-rer Unternehmenskultur beurteilt, sehr vereinfacht nach der Art, wie nach innen und nach aussen gehandelt und gespro-chen wird. Diesbezüglich festzustellen ist beim Volk das hörige, unfreie, verängstigte oder verschluckte Wort. Herrscherseits do-minieren schwarze Rhetorik, Machtlügen und Anspruch aufs Deutungsprimat. Dass man in der Art, wie in Liechtenstein öffent-lich gesprochen wird, der polarisierend-polemischen Herrscherrede anheimgefal-len ist, bedeutet auch den Verlust eines auf Ausgleich bedachten Umgangs, wie er als dörfliches Kulturerbe auf das Volk gekom-men war.

«Unternehmen werden senkrecht, von oben ge-führt. Das Bild für den Dualismus hingegen ist das der austarierten Waage.»

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Leute, die ihn näher kennenlernten, be-schreiben ihn als antennenlos, als Gamb-ler, als Panzerfahrer, dem zuerst das Blut aus der Nase tropfen müsse, ehe er seinen Kurs ändere. Das Bürgerliche war in der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre gut ent-wickelt und bot Widerstand, als er in Sa-chen EWR im Hans Adam II.-Tank übers politische Feld walzte. Er hätte begreifen können, dass er in der entstehenden De-batte als politischer Partner in der Kern-zone des Dualismus angenommen worden war, man ihn ernst nahm. Hätte er politi-sches Gespür gehabt, hätte er sich hier auf den anderen Souverän und die Dualismu-spraxis eingelassen. Statt dessen zwang er der bürgerlichen Seite eine Eskalation auf, die zur Staatskrise 1992 und ihren vielfälti-gen Folgen führte.

Er ist Duellant, nicht Dualist. Der Du-alismus ist ihm im Kern wesensfremd: Er hat ihn begriffen, verstanden hat er ihn nicht. Er hat begriffen, dass sein politi-scher Partner immer langsamer, wider-sprüchlicher, dem Kompromiss verpflich-teter entscheiden und handeln muss, als er es kann; das hat er für seine Ziele aus-genutzt. Nicht verstanden hat er, dass es im Dualismus keinen Sieger geben kann: Siegt einer, haben alle verloren. Er spricht viel von seinen Gegnern – und seinen Sie-gen. Schaden genommen hat vor allem der Dualismus, diese mutige, bewegte und einzigartige Staatsform. Schaden genom-men hat auch der Souverän Volk, sowohl an politischer Substanz als auch an poli-tischer Ausdruckskraft. Beschädigt wurde nicht zuletzt auch der Freigeist in ihm.

Der Kern seiner Innenpolitik: Der Mo-narch wird auch im Dualismus zum Chef. Die daraus entstandene Mutation eines demokratisch legitimierten Absolutismus ist sein persönliches Husarenstück. An-derswo wird das als Diktatur bezeichnet.

Im Kern ist es wohl Schmerz. Als Aussenpolitiker gilt er als Visionär. Das konnte man ihm das letzte Jahr über die Lager hinweg ohne schlechtes Gewissen als Anerkennung aussprechen. Dass da-mit unausgesprochen auch der von ihm eingeforderte Verteilschlüssel für politi-sche Themen bestätigt wird – die grossen Linien bestimmt das Fürstenhaus, Klein-kram bleibt für Regierung und Landtag – scheint niemandem aufzugehen. Mitglied-

schaft bei EWR und UNO waren zweifellos wichtig für Liechtensteins Souveränität. Genauso wichtig wäre ein europakompa-tibles Stiftungsrecht oder ein vorausschau-endes Kommunikationsverhalten mit der Bundesrepublik gewesen.

Dass seine Familie tief im Geschäft mit Steuerflüchtlingen steckte, hat auch dem Visionär den Sehstrahl gekrümmt. Was seine eine Hand geschaffen hat, zerschlägt die andere. Was erwidert man einem Land-tagspräsidenten, der in seinem Beitrag zum 25-jährigen Thronjubiläum Hans Adam II. als amüsanten Geschichtenerzähler lobt?

Man muss Zeit vergehen lassen, um alles zu sehen. Es ist auch eine Entschei-dung: Man muss alles sehen wollen.

Dass aus diesem grossen Einsamen ein Machtverlorener und Blendwerker wurde. Dass unter der Hülle des Dualismus eine Familiendiktatur pocht. Dass ein Volk im Drucksen, Heucheln, Schweigen festsitzt.

Im Kern ist es Schmerz. Auch Trauer.Was wünscht man ihm? Dass er sich jenseits des Fürsten nochmals findet, als Freigeist und Staatsmann. Freundschaften, gute, tie-fe. Gesundheit natürlich. Die Gnade, um Verzeihung zu bitten. Und ein Volk, das ihn den Dualismus verstehen lehrt.

Kommentar

«Was wünscht man ihm? Ein Volk, das ihn den Dua-lismus verstehen lehrt.»

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Manchmal geht es etwas länger, bis Ideen der Freien Liste ankommen: Der Landtag hat den Vorstoss der Freien Liste, die Auf-stockung der KiTa-Plätze aus der Familien-ausgleichskasse (FAK) zu bezahlen, im Ok-tober 2013 abgelehnt. Nach der Idee der Freien Liste hätte das aus der FAK finan-zierte Kindergeld nicht mehr nach dem Giesskannenprinzip an alle Eltern ausge-schüttet werden sollen. Spitzenverdiener sind auf das Kindergeld nicht angewiesen. Betreuungsplätze für Kinder werden aber dringend benötigt; diese kommen letztlich auch der Wirtschaft zugute, welche die FAK finanziert. Zudem hatte die FAK schon 2013 ausgezeichnete Zahlen vorzuweisen: Sie verfügt heute über ein Fondsvermö-gen von mehr als 153 Millionen Franken. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Reserve von einer Jahresausgabe, also 50 Millionen Franken.

Es wurde der FL-Fraktion vorgeworfen, sie wolle damit einseitig die Berufstätigkeit von Müttern fördern. Die Abgeordneten der FBP haben den Vorstoss mit der Be-gründung zurückgewiesen, dass sie einen besseren, umfassenderen Vorschlag liefern würden.

Gekommen ist von der FBP-Fraktion in diesen eineinhalb Jahren nichts: Kürzlich hat aber der Gesellschaftsminister Mauro Pedrazzini, der den Ausbaustopp der KiTa-Plätze zu Beginn seiner Amtszeit verlän-gert hat, eine Lösung präsentiert.

Er möchte, wie es die Freie Liste schon im Oktober 2013 vorgeschlagen hat, Geld aus der FAK für die KiTas verwenden – wei-tere Massnahmen seien nicht vorgesehen. Diese Ankündigung hat Christoph Beck (VU), der schon mehrfach die sogenannte Herdprämie für Hausfrauen gefordert hat, zur Frage veranlasst, ob andere Betreu-ungsmodelle nicht auch gefördert werden. Er stellt damit erneut den Vorwurf der ein-

seitigen Förderung von berufstätigen Müt-tern in den Raum. Der VU-Abgeordnete wünscht sich ein Betreuungsgeld für Müt-ter, die nicht berufstätig sind.

Der Gesellschaftsminister erklärt knapp, die KiTa Förderung lasse sich mit dem Interesse der Wirtschaft an der Er-werbstätigkeit der Frauen begründen. Angesichts des Fachkräftemangels ein nachvollziehbares Argument. Das gleiche Argument, das die Freie Liste schon vor zwei Jahren äusserte. Sie zeigte auch auf, warum die Herdprämie zu einem Bume-rang für Frauen wird, weil sie nach der Kinderpause nur schwer wieder Fuss in der Berufswelt fassen.

Text Barbara Jehle, [email protected]

FAK-Geld an KiTas – eine weisse Idee wird schwarz

Kommentar

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Das Leben in Liechtenstein wird teurer: alles, ob heiraten, ein Kind bekommen, oder banalere Dinge wie die tägliche Du-sche, Müll entsorgen oder die Busfahrt zur Arbeit. Jede und jeder sieht sich damit konfrontiert, dass Ämter für Dienste wie Heirat oder Identitätskarten ausstellen die Gebühren erhöhen (siehe folgende Sei-ten). Auch die Mehrwertsteuer wurde in den letzten Jahren erhöht und wird bald noch mehr steigen. Bei jedem Schluck Bier fliesst auch etwas in die Staatskasse. Jeder bezahlt gleich viel, unabhängig von Einkommen: Somit ist die Mehrwertsteu-er eine Kopfsteuer und macht den gröss-ten Brocken bei den Steuereinnahmen aus. Steuereinnahmen, die umverteilend wirken, sind in den letzten Jahren wegge-brochen. Mit der Revision des Steuergeset-zes im Jahr 2011 wurde beispielsweise die Erbschaftssteuer abgeschafft. Irgendwo muss das Geld nun hergeholt oder einge-spart werden: Dies geschieht besonders häufig auf Kosten des Mittelstands: Die-ser kann nicht, wie Menschen mit einem Einkommen von unter 50‘000 Franken im

Jahr, von Prämienvergünstigungen bei der Krankenkasse oder von der Mietbeihilfe profitieren. Von der vielzitierten Umver-teilung von oben nach unten über die Steuern ist kaum etwas spürbar. Was ver-heirateten Paaren mit zwei Kindern netto als Haushaltseinkommen zur Verfügung steht, steigt ab 50‘000 Franken linear an (Grafik BuA27/2015 zur Familienpolitik, S. 27). Die Regierung zeigt damit auf, dass die Steuerprogression nicht wirkt. Unab-hängig davon, wie viel ein Paar verdient, hat es als Haushaltseinkommen immer ca. 75 Prozent des Bruttoeinkommens zur Verfügung. Wer 100‘000 Franken brutto verdient, hat nach Abzügen 75‘000 Fran-ken zum Ausgeben. Wer 300‘000 Franken verdient, hat 225‘000 in der Tasche. Ob reich oder Mittelstand, alle zahlen prozen-tual, wie bei der Mehrwertsteuer, gleich-viel. Ein Ausgleich findet kaum statt.

Milde bei Treuhändern, Härte beim VolkDennoch treffen Regierung und Landtag Entscheidungen nach einer einfachen Formel, wenn es um die Sanierung des

Text Thomas Lageder, [email protected]

Ein Überblick – wo Geld versteckt, verschenkt und herausgepresst wird

Wen die Politik schont – und wen sie belastet

Staatshaushalts geht: Sie lassen Milde wal-ten, wenn es um Steuern bei Vermögen-den oder dem Finanzsektor geht und sind konsequent bei Sparmassnahmen, die die Bevölkerung insgesamt treffen. Das zeigt sich im Kleinen und Grossen: Wurden wie eingangs erwähnt Gebühren für Identitäts-karten auf 150 Franken erhöht, bleibt die Gebühr für einen Handelsregisterauszug bei gerade mal 15 Franken.

Die Regierung hat ihre liebe Mühe da-mit zu begründen, warum Kostenwahrheit bei Dokumenten für die Finanzbranche nicht gilt: Von den niedrigen Preisen pro-fitieren die Treuhänder und ihre Kunden, ähnlich wie bei der Mindestertragssteuer. Im Juni Landtag wird die FL-Fraktion er-neut eine Erhöhung auf ein vernünftiges Mass fordern. Es ist nichts als fair, wenn auch die Treuhänder etwas beitragen müs-sen. Dennoch halten die anderen Parteien der Freien Liste Aktivismus vor, weil sie die Mindestertragssteuer nach etlichen Versu-chen noch in dieser Legislatur erhöhen möchte. Wenn es um Treuhänder geht, dann herrscht im Landtag grosse Einig-

Die Reichen sind nach jeder Wirtschaftskrise reicher geworden. Wirtschaftsführer und die Mehrheit im Landtag schüren geschickt die Abstiegsängste aller und drücken durch, was dem Mittelstand schadet.

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Wen die Politik schont – und wen sie belastet

keit. Der Weltuntergang wird beschworen, Argumente wie «Überaktivismus» werden ins Feld geführt und der Abgeordnete Harry Quaderer läuft zu Hochform auf. Als Vize-Präsident der «Treuhänder mit eingeschränkter Bewilligung nach § 180a PGR» geht es ihm vor allem auch darum, sein Portemonnaie möglichst fett zu hal-ten.

Reichenfreundlich und illegalWirklich skurril ist das Argument der Re-gierung gegen die Aufhebung der Pau-schalbesteuerung von reichen Ausländern: Die Besteuerten seien schon sehr alt, des-halb sei es nicht zumutbar, sie «normal» zu besteuern. Dem Staat entgehen durch die-se Sonderbehandlung über 3 Mio. Fran-ken (BuA Pauschalbesteuerung 2014). Bei den Einmaleinlagen in die Pensionskasse, einem legalem Mittel, um Geld für Jahre steuerfrei zu verstecken, wollte der Land-tag, anders als die Regierung eine Fristver-längerung. Mit dieser ist zu befürchten, dass ein wahrer Steuervermeidungsboom ausgelöst wird.

Gerade in wirtschaftlich schlechteren Zeiten gelingt es den Wirtschaftsführern und ihrer Lobby in der Politik besonders gut, Ängste zu schüren. Das Bild von der untergehenden Wirtschaft, die alle mit hi-nunter zieht, wenn sie für sich nicht Pri-vilegien herausschinden kann, wirkt. Das Resultat davon ist, dass der Mittelstand schrumpft und Reiche reicher werden. Die nächstfolgenden Texte zeigen, welche Landtagsentscheide dafür verantwortlich sind.

Pauschalbesteuerung

Reiche Ausländer werden bevorzugt, Liechtensteiner diskriminiertText Petra Eichele, [email protected]

Die Besteuerung nach dem Aufwand ist eine Steuerbegünstigung für reiche, nicht-erwerbstätige Ausländer, die ihren Wohn-sitz nach Liechtenstein verlegen dürfen. Sie ist eine klare Diskriminierung gegen-über dem ordentlichen Steuerzahler, da sie dem Gleichheitsgebot der Verfassung widerspricht: Vermögende müssten eigent-lich bei der Besteuerung vom Staat stärker drangenommen werden. Momentan bezahlen von 37 pauschal Besteuerten 19 nicht einmal den Minimal-betrag von 300‘000 Franken. Im Schnitt werden gerade einmal 212‘000 Franken pro Besteuertem erhoben. Die Freie Lis-te hat der Regierung dazu mit einer In-terpellation Fragen gestellt. Die Exekutive begründet den Verzicht auf den Minimalbe-trag damit, dass diese Personen schon sehr alt seien und es nicht zumutbar sei, die Pau-schalsteuer zu erhöhen. Zu Ungunsten des Steuerzahlers wird so auf 3.3 Mio. Franken pro Jahr verzichtet.

Zu verärgertem Kopfschütteln führt auch die Information, dass vier pauschal besteuerte Personen mittlerweile die

Liechtensteinische Staatsbürgerschaft be-sitzen und trotzdem und ohne rechtliche Grundlage weiterhin von einer Pauschal-steuer profitieren. Dies ist sowohl klar gesetzes- als auch verfassungswidrig, ganz abgesehen davon, dass eine Pauschalbe-steuerung an sich schon diskriminierend ist. Die Freie Liste hat bisher ohne Erfolg unmissverständlich darauf aufmerksam ge-macht, dass dies schlicht eine Sauerei ist.

Einmaleinlagerungen in die Pensionskasse

Ein beliebtes Steuer-schlupfloch für be- güterte EndfünfzigerText Thomas Lageder, [email protected]

Wer sich mit dem Steuerrecht auskennt oder sich einen Steuerberater leisten kann, kam lange gut um die Einkom-menssteuer herum. Ein einfaches Mittel, Steuern zu umgehen ist der Trick, in den letzten Jahren vor der Pensionierung be-stehende Vorsorgelücken in der Pensions-kasse durch freiwillige Einkäufe zu füllen, also Einmaleinlagen in die Pensionskasse. Jeder einbezahlte Franken lässt sich vom steuerbaren Einkommen abziehen. So können es sich Spitzenverdiener einrich-ten, über Jahre hinweg um Steuerabgaben herumzukommen.

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Gebührenerhöhungen

Wir alle zahlen ge-mäss Kostenwahrheit, ausgenommen die TreuhänderText Patrick Risch, [email protected]

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass das Leben in Liechtenstein teurer geworden ist? Lebensereignisse wie die Geburt eines Kindes, eine Reise auf einen anderen Kon-tinent oder die tägliche Dusche schlagen auf einmal ordentlich auf die Geldtasche.

Für eine Identitätskarte des Familien-zuwachses müssen wir anstatt wie früher 80 Franken neu 150 Franken bezahlen. Ein Reisepass kostet anstatt 150 Franken neu 250 Franken. So wurden Kosten von rund 800‘000 Franken an die Bevölkerung überwälzt. Das Dusch-Wasser kostet neu je nach Gemeinde 0.95 Rappen pro m3. Ei-nen Hund besteuert man nicht mehr mit 75, sondern mit 100 Franken. Die Regie-rung rechtfertigt dies damit, dass sie mehr Kostenwahrheit für Amtsgänge erreichen möchte.

Bis zu einem gewissen Grad sind solche Erhöhungen gerechtfertigt: Wir bekom-men einen Service von einem Amt oder einer Gemeinde und kommen mehr oder weniger kostendeckend dafür auf.

Die Gebühren, die alle betreffen, wur-den wie die Beispiele zeigen, konsequent erhöht. Noch weniger zimperlich geht die Regierung mit Ausländern um: Für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen und Grenzgängerbewilligungen wird mit Stundensätzen von 100 bis 200 Franken gerechnet, eine bei der Regierung bear-beitete Aufenthaltsbewilligung kostet 1000 Franken.

Verdient eine Person Mitte 50 beispielswei-se aktuell 500‘000 Franken im Jahr, ist eine Altersrente von 400‘000 Franken zulässig. Dieser angehende Pensionist, diese ange-hende Pensionistin kann also mit einem Altersguthaben von rund 7 Mio. Franken rechnen. Hat eine Person in jungen Jahren viel weniger verdient, ist die Einkaufsmög-lichkeit entsprechend gross. Die Einkaufs-summe wird bei der Steuer abgesetzt. Die Regierung selbst warnte im Gesetzgebungs-prozess im Jahr 2013 mit Vehemenz vor dem Missbrauchspotential bei solch freiwilligen Einkäufen. Obwohl bekannt war, dass diese Einkäufe als immenses Steuerschlupfloch genutzt werden können, beschloss der Land-tag im letzten Herbst, dass es nicht rückwir-kend auf den 1. Januar 2014 gestopft werden soll, sondern lediglich rückwirkend auf den Tag der Behandlung im Landtag. Es war also bis zum 4. September 2014 möglich, sol-che Einkäufe praktisch ohne Limit steuer-frei vorzunehmen. Die Regierung warnte auch davor, dass eine Übergangsfrist einen Boom von Einkäufen bewirken würde.

Die Fraktion der Freien Liste möchte nun Klarheit darüber, ob sich diese Be-fürchtungen bewahrheitet haben. Die für den Mai Landtag eingereichte Interpellati-on soll die negativen Auswirkungen dieses Landtagsbeschlusses aufzeigen. Wie hoch waren die Steuerausfälle wegen diesem zu lange aufgehaltenen Steuerschlupfloch? Die Fraktion möchte auch wissen, welche Abgeordneten kürzlich so ihr Vermö-gen parkiert haben und ob dieser nicht nachvollziehbare Landtagsentscheid auch durch Eigeninteressen zustande kam.

Ein Arbeitsloser, der beantragen möchte, an einem Unterstützungsprogramm einer Wei-terbildung teilzunehmen, zahlt 100 Franken. Richtig spannend wird es zu beobachten, wo die Regierung blinde Flecken hat: Näm-lich bei der Finanzindustrie. Ein Handelsre-gisterauszug, den vor allem Treuhänder und Banken benötigen, kostet unverändert 15 Franken. Von «kostendeckend» kann hier kei-ne Rede sein. Jeder ausgestellte Handelsre-gisterauszug wird also vom Staat subventio-niert, auch wenn Banken und Treuhänder den Betrag an Kunden weiterverrechnen können. Die Freie Liste hat die Regierung schon öfters zum Handeln aufgerufen. Laut dieser brauche es vertiefte Abklärun-gen, ob das Land Banken und Treuhänder in diesem Bereich weiterhin subventionie-ren soll. Die Frage sei kompliziert.

Eine Erhöhung auf Schweizer Preise, nämlich 50 Franken pro Handelsregister-auszug, würde dem Staat jährlich 1.2 Mio. Franken einbringen. Momentan berappen diese Dienstleistung an die Finanzbranche die Steuerzahler. Dies erinnert stark an die Schonung der Treuhänder vor der längst fälligen Erhöhung der Mindestertragsteu-er bei Stiftungen.

Wen die Politik schont – und wen sie belastet

Gemeindegebühren Erhöhungen (Schellenberg)

_ Hundesteuer: alt 75.– neu 100.–_ Grundverkehrstaxe pro Vertrag statt bisher 50.– neu 100.– _ Einbürgerung: alt 0.– neu 1500.– _ Tageskarten SBB: alt 35.– neu 40.–

Gebühren Landesebene _ Strafregisterauszug: 9.– _ Betreibungsregisterauszug: 17.–_ Handelsregisterauszug: 15.–_ Führerscheintauglichkeitsprüfung für Senioren: 120.–_ Identitätskarte: 150.-_ Verlust Fahrzeugausweis/ Neuausstellung: 50.–_ Unterstützungsprogramm Arbeitslose: 100.– _ Grenzgängerbewilligung: 80.–

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10 – WEISS – Magazin der Freien Liste – 05/15

LIEmobil

Der Buspreisschock und der Auto fahren-de LandtagText Claudia Lins, [email protected]

Der aktuelle Geschäftsbericht der LIEmo-bil bringt es auf den Punkt: «Die Abwärts-spirale sowohl bei den Angebotsleistungen wie auch im Betriebsergebnis lassen für eine Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs keinen Spielraum zu.» Einige Leistungen der Liechtensteiner Busflotte sind wortwörtlich auf der Strecke geblie-ben. Weil der Landtag den Staatsbeitrag an die LIEmobil gekürzt hat, sind die Bus-Abo Preise seit dem Jahr 2002 um 400 Prozent ge-stiegen. Gesunken ist damit laut Umfrage der LIEmobil – wen wundert’s – die Kun-denzufriedenheit. Das zeigt sich auch in sinkenden Abo-Verkäufen. Dennoch wur-den im Jahr 2014 mehr Fahrgäste denn je befördert: Es gibt immer mehr Menschen, die sich kein Auto leisten können. Diese Leute, darunter Jugendliche und Senio-ren, sind auf den Bus angewiesen. Sie sind es also, die auf der Strecke geblieben sind. Der politische Entscheid hatte vor allem soziale Auswirkungen, auch auf die Ange-stellten der LIEmobil. So stellte der Abge-ordnete Herbert Elkuch (DU), der selbst alle Kürzungen mitgetragen hat, bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage ver-wundert fest, dass die Kürzungen zu mas-siv verschlechterten Arbeitsbedingungen geführt haben, die auf dem Buckel der Chauffeure ausgetragen werden. Es wirkt ironisch, dass eben dieser Abgeordnete kürzlich in einem Leserbrief festhielt, dass er gegen eine S-Bahn stimmen werde, da Liechtenstein ein hervorragendes Bussys-tem habe.

Der Landtag hat dem Sparkurs der Regierung bei der sowohl ökologisch als auch sozi-al sinnvollen Förderung der LIEmobil nicht nur nichts entgegengehalten, sondern noch eins oben drauf gesetzt. So stellte Christine Wohlwend (FBP) im Juni Landtag 2013 den Antrag, bei LIEmobil mehr als von der Regierung vorgeschlagen einzusparen: Ihr spontaner Vorschlag, die Sparsumme «auf eine runde Zahl» in Millionenhöhe aufzurunden, fand im Landtag leider eine Mehrheit. Die Freie Liste konnte nichts ausrichten. Die Kürzungsentscheide wer-den noch eine Weile nachwirken: Die LIE-mobil haben im Jahresbericht bereits wei-tere Preiserhöhungen bei den Jahresabos angekündigt – bei weiteren Leistungsre-duktionen.

Mindestertragssteuer

Treuhänder und Ban-ken werden geschont, die Zeche zahlen alleText Pepo Frick, [email protected]

Wenn es darum geht, alte Pfründe zu ver-teidigen, in diesem Fall die viel zu niedrige Mindestertragssteuer für Treuhänder, ist es offensichtlich schwierig, sachliche Argu-mente zu finden. Die Grossparteien und die DU mit Harry Quaderer an der Front machten bei der blossen Ankündigung einer Erhöhung der Mindestertragssteu-er klar, dass sie nicht zustimmen würden. Die Freie Liste wird im Juni Landtag eine Erhöhung von 1200 auf 2000 Franken, die bei der Eröffnung von Stiftungen bezahlt werden müssen, verlangen.

In der Vergangenheit war sowohl den VU Abgeordneten und ihrem ehemaligen Regie-rungschef als auch dem amtierenden FBP Regierungschef klar, dass auf 20 Mio. Fran-ken pro Jahr nicht verzichtet werden kann. Nur Harry Quaderer war immer schon (so lange wie die Freie Liste sich für eine Erhö-hung einsetzt) klar, dass Treuhänder nichts zur Sanierung des Staatshaushalts beitra-gen sollen. Wäre die Mindestertragssteu-er bereits bei den ersten Versuchen der Freie Liste und der Vorgängerregierung erhöht worden, wäre die Staatskasse nun um mehr als 50 Mio. Franken reicher. Ist es tatsächlich «peinlich», wie Harry Qua-derer schreibt, diese Millionen nach Jah-ren der Verzögerungstaktik von den Treu-händern einzufordern? «Aktivismus» und «übereilte Handlung» wird der Freien Liste vorgeworfen – wie immer, wenn gute Argumente fehlen. Wie sonst soll eine Un-gleichbehandlung und Schonung der Fi-nanzbranche gerechtfertigt werden als mit unsachlichen Vorwürfen?

Die anderen Parteien wollen offenbar nicht handeln, obwohl sie wissen, dass in den nächsten Jahren sicher schleichend Gebühren erhöht und Subventionen ge-kürzt werden, die uns alle empfindlich treffen. Der Landtag beruft sich darauf, zu-erst gesicherte Daten haben zu wollen, erst dann könne er in Sachen Mindestertrags-steuer entscheiden. VU-Fraktionssprecher Christoph Wenaweser sieht es goldrichtig, wenn er sich im Volksblatt folgendermas-sen zitieren lässt: «Bis zum Vorliegen der aktuellen Zahlen geht so viel Zeit verlo-ren ... dass der aktuelle Landtag gar nicht mehr imstande sein wird, eine Entschei-dung zu treffen.» Genauso sieht es die Freie Liste und genau deshalb reicht sie jetzt erneut einen parlamentarischen Vors-toss ein, damit endlich gehandelt wird und die dringend notwendigen Einnahmen in die Staatskasse fliessen.

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Steueramnestie und Sozialmissbrauch

Wer Steuern hinter-zogen hat, kann bei einer Amnestie profi-tierenText Claudia Lins, [email protected]

Eine Steueramnestie ist eine zweischnei-dige Sache. Sie spült massig Geld in die Staatskasse, was nicht zu verachten ist: Im vergangenen Jahr waren es bei 700 Selbst-anzeigen 41.6 Mio. Franken. Obwohl diese Personen ihr Geld vor der Steuer versteckt haben, müssen sie bei der Selbstanzeige weder eine finanzielle Einbusse noch eine sonstige Strafe hinnehmen. Dies nicht ein-mal nach der zweiten Steueramnestie. Es wurde gar vom Landtag (im Frühling 2014) möglich gemacht, dass ein Steuersünder einfach eine Pauschalabgeltung zahlt und so unter Umständen noch billiger davon kommt, als wenn er das Geld von vornherein legal versteuert hätte. Für diese völlig intranspa-rente Pauschalabgeltung, die quer in der Landschaft der neuen Offenlegungsstrategie steht, können sich alle Profiteure bei Harry Quaderer (DU) bedanken, der den Antrag ge-stellt hat.

Eine Interpellation der Freien Liste (Antworten Februar 15) hat ausserdem ge-zeigt, dass 100 Steuersünder mit der Steu-eramnestie 2011 gesamthaft Sozialleistun-gen in der Höhe von einer halben Million erschwindelt haben. 90 Personen müssen nun ihre zu Unrecht beanspruchten Prä-mienverbilligungen zurückzahlen. In eini-gen Fällen wurden auch AHV-Leistungen und Stipendien zurückgefordert. Die Steu-ersünder und widerrechtlichen Bezüger von Sozialleistungen wurden nicht ange-zeigt, weil bei ihnen die «tätige Reue» als

Strafaufhebungsgrund als erfüllt angese-hen wurde.

Das Geld fliesst nun zwar in die Staats-kassen, aber dies zeigt auch, in welchem Umfang in der Vergangenheit dem Staat Geld entgangen ist, weil die Praxis im Um-gang mit Steuereinnahmen bisher einfach schlicht zu lasch war.

Eigenkapitalzinsabzug

Steuergeschenke für die IndustrieText Thomas Lageder, [email protected]

Mit dem neuen Steuergesetz wurde 2011 die an sich berechtigte Möglichkeit ge-schaffen, einen gewissen Prozentsatz des Eigenkapitals vom Steueraufwand abzu-setzen. Die Absicht dahinter ist, dass sich Unternehmen zwischen der Bildung von Eigenkapital und der Aufnahme von Kre-diten entscheiden können. Das System hat aber einen Fehler, der zu Verlusten bei den Steuereinnahmen führt: Der Eigenkapital-zinsabzug wird nämlich an den Sollertrag gekoppelt. Beide betragen heute 4 Pro-zent. Der Sollertrag ersetzt die frühere Ver-mögenssteuer und wurde von 5 auf 4 Pro-zent gesenkt. Der Eigenkapitalzinsabzug steht mit 4 Prozent weit über den Marktbe-dingungen für einen Kredit. Unternehmen mit viel Eigenkapital müssen massiv weniger Ertragssteuern bezahlen als früher. Anstatt den Eigenkapitalzinsabzug beispielsweise an eine Schweizer Bundesanleihe zu kop-peln oder auf 1.5 Prozent zu senken, hat der Landtag letztes Jahr entschieden, dass Unternehmen stattdessen einen Abzug von 6 Prozent auf das modifizierte Eigen-kapital vornehmen müssen. Dadurch hat

sich die Steuerlast bei Banken ungefähr verdoppelt, bei Industriebetrieben hinge-gen nicht verändert. Das Steuergeschenk, verursacht durch das neue Steuergesetz, wurde nur zum Teil rückgängig gemacht. Gerade einmal 4 Abgeordnete (3 der Frei-en Liste) wollten den Eigenkapitalzinsab-zug ganz vom Sollertrag entkoppeln. 21 Abgeordnete holen das Geld anscheinend lieber beim Mittelstand, als eine überpro-portionale Entlastung der Industrie rück-gängig zu machen.

AHV

Ein schleichender Rückzug des Staates von der AHV?Text Derya Kesci, [email protected]

Die Altersvorsorge ist die wichtigste so-ziale Einrichtung überhaupt, die älteren Menschen ein würdiges Leben sichern soll. Weil der Staat sparen muss, hat die Regierung auch hier bereits Massnahmen vorgeschlagen, wie der Staatsbeitrag re-duziert werden kann.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen und Gegensteuer zu geben, damit der soziale Charakter dieser Institution nicht der Sparwut zum Opfer fällt. Der Regie-rungsvorschlag, die 13. Monatsrente – das Weihnachtsgeld – zu streichen, würde vie-le PensionistInnen hart treffen, vor allem jene 60 Prozent, die keine Rente haben und nur von der AHV leben müssen. Die Freie Liste schlägt vor, die gesamte Ver-mögenssituation einer Person anzuschau-en und weiterhin allen, die diese Rente

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zum Leben und Überleben brauchen, die 13. Monatsrente auszuzahlen. Genau hingeschaut werden muss auch beim Re-gierungsvorschlag, das Rentenalter um ein Jahr zu erhöhen. Es kann nicht sein, dass jemand, der körperlich hart gearbei-tet hat, bald länger arbeiten muss. Für jemand, der einen klassischen Büro Job verrichtet, sieht dies anders aus. Ein flexi-bler Eintritt in die Pension muss geprüft werden.

Aber es gibt begleitend noch einige andere Probleme zu lösen: Die Realität ist nicht so, dass alle bis zum Pensionsalter arbeiten können. Menschen über 50 ha-ben schlicht auf dem Arbeitsmarkt kaum mehr Chancen. Es braucht eine neue Ar-beits- und Alterskultur – eine Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit. Die Politik muss für Arbeitnehmende über 50 und gering verdienende Frauen Verantwor-tung übernehmen und nicht nur an Stell-schrauben drehen. Die von der Regierung momentan vor-geschlagene Anhebung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die AHV um 0.15 Prozent sind moderat. Es besteht aber die Gefahr, dass sich der Staat irgend-wann ganz aus der Finanzierung der AHV zu-rückzieht.

Die Regierung signalisiert bereits, dass sie Steuererhöhungen nicht der AHV überweisen möchte. Anders der Bundesrat in der Schweiz: Er erhöht die Mehrwertsteuer und möchte die neuen Steuereinnahmen gezielt für die AHV verwenden. Die Liechtensteiner Regie-rung lehnt eine zweckgebundene Nut-zung kategorisch ab. Warum eigentlich? Muss sie mit dem Geld andere Löcher stopfen? Etwa jene, die durch eine ein-seitige, zu wirtschaftsfreundliche Politik entstanden sind?

KVG-Revision

Der Landtag möchte bei unsolidarischen Kopfprämien bleibenText Patrick Risch, [email protected]

Wieder einmal ist der Landtag auf eine Regierungsvorlage eingetreten, die unso-lidarisch ist. Anstatt die Lasten besser zu verteilen und die Gesundheitskosten zu senken, wälzt diese Vorlage die Verant-wortung lediglich auf die Versicherten ab. Wer sich eine hohe Franchise leisten kann und das Glück hat, nie krank zu wer-den, zahlt weniger, alle anderen werden stärker zur Kasse gebeten.

Am falschen Anreizsystem für Ärzte und am hohen Verwaltungsaufwand der Krankenkassen wird auch die Einführung des Tarmed, der unabhängig von der Re-vision des KVG vollzogen werden kann, nichts ändern. Ärzte dürfen weiterhin mit dem Umsatz von Medikamenten Ge-winn machen, anstatt Medikamente zum Selbstkostenpreis abzugeben. Sogenann-ten Powersellern unter den Ärzten kann allerdings mit dem Tarmed bewiesen wer-den, dass sie im Vergleich zu Schweizer Kollegen unverhältnismässig viel Umsatz und Gewinn machen.

Auch am hohen Aufwand der im Land tätigen Krankenkassen wird sich nach dem Regierungsvorschlag nichts ändern, er wird weiterhin jährlich 21 Millionen Franken betragen. Das sind knapp 600 Franken pro Einwohner. Hätte die Regie-rung den Mut, eine Einheitskrankenkasse vorzuschlagen, könnten damit allein an Verwaltungsaufwand Millionen gespart werden.

In der Regierungsvorlage links lie-gengelassen wurden auch die Spitäler,

obwohl diese im Jahr 2013 mehr als 60 Mio. Franken verschlangen. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten Aufwendun-gen der obligatorischen Krankenpflege-versicherung. Nach Ansicht der Fraktion der Freien Liste sollen Ärzte und Spitäler keine profitinteressierten Unternehmer sein, denn Wettbewerb im Gesundheits-markt gibt es nicht.

Die ideale Lösung, das zu teure und un-faire Gesundheitssystem zu verbessern, ist eine Einheitskrankenkasse mit einkom-mens- und vermögensabhängigen Prämien. So bekommt die Politik nicht nur die Ge-sundheitskosten in den Griff, sondern die Krankenkasse wird wieder zu dem, was sie ihrem Grundgedanken nach sein soll: Eine solidarische Einrichtung für alle. Es braucht einen Systemwechsel, nämlich weg von den unfairen Kopfprämien und den falschen Anreizen für Leistungser-bringer im Gesundheitswesen.

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Selber schuld, die Frauen?!

Gleichstellung in der Politik

Text Barbara Jehle, [email protected]

Wenn die Bevölkerung öfter über die Far-be des Lieblingsoutfits der Frau Ministerin diskutiert und darüber wie sie ihre Kinder betreut, statt über ihren politischen Leis-tungskatalog, dann stimmt etwas nicht mit der Gleichstellung der Frauen in der Po-litik. Auch die Wahlergebnisse zeigen: Es stimmt etwas noch nicht.

Als Liechtensteiner Frau auf eine po-litische Laufbahn geschickt zu werden, ist wie mit Stöckeli-Schuhen einen 100 Meterlauf gegen Laufschuhträger anzu-treten. Sie fällt nicht nur mehr auf, son-dern hat offensichtlich nicht die gleichen Chancen. Die Ausbildung und die Quali-fikationen der Liechtensteinerinnen sind hervorragend. Eine Auswertung der Land-tagswahlen 2005 ergibt aber, dass Frauen eine 5 Mal geringere Chance hatten, in dieses politische Amt gewählt zu werden. Nach den Gemeindewahlen 2015 rutsch-te der Frauenanteil von 27.9 Prozent auf unterirdische 17.3 Prozent, obwohl sich in diesem Jahr mehr Frauen zur Wahl ge-stellt hatten. Diese Fakten sind bekannt: Bloss warum haben es Frauen so schwer? Und ist die Untervertretung der Frauen in den Augen der Parteien überhaupt ein Problem?

Frauenrechtlerinnen schaden? Eine FBP-Frauenvertreterin äussert in ei-nem Interview mit Linda Märk vom Liech-tenstein Institut («Frauen und politische Beteiligung in Liechtenstein», Arbeitspa-pier 2014), dass die tiefe Beteiligung der Frauen bei der FBP als Ausdruck der «na-türlichen Ordnung» angesehen wird. Das Verhältnis der Frauen zu den Männern, welche sich in der FBP engagieren, liege

etwa bei 1:8. Dennoch lehnt sie, zumin-dest war dies vor den Gemeindewahlen der Fall, «künstliche oder offensive Mass-nahmen zur Frauenförderung» ab. Sie er-klärt, dass gar einige FBP-Frauen der An-sicht seien, dass die Frauenrechtlerinnen dem Image der Frauen mehr geschadet als genützt hätten. Gleichstellung aktiv einzufordern, wäre demnach kontrapro-duktiv. Die Regierung hat in einer Kleinen Anfrage ebenfalls bereits signalisiert, dass sie wenig von Massnahmen wie einer Frau-enquote auf Wahllisten hält.

Die in der Studie von Märk befragte VU-Vertreterin begründet die Unterre-präsentanz mit natürlichen Unterschie-den: Frauen trauten sich weniger zu und stellten sich deshalb weniger für ein poli-tisches Amt zur Verfügung. Dies würden alle Parteien bestätigen, die Frauen für Ämter zu rekrutieren versuchen. Es ist aber weder verwunderlich noch liegt es am Naturell der Frau.

Es ist schlicht ein Fakt, dass eine Frau um einiges mehr Mut braucht, sich bei geringen Chancen überhaupt einer Wahl zu stellen. Dazu kommt, dass Frauen sehr genau beobachten, wie Politikerinnen auf ihrer Laufbahn beurteilt werden, was auch nicht gerade ermutigend wirkt. Violanda Lanter-Koller, Landtagsvizepräsidentin (VU), erklärt: Politisch engagierte Frauen würden nicht nur aufgrund ihrer Ansich-ten und Leistungen beurteilt. Oft stünden sie auch aufgrund ihres Äusseren oder ih-rer Lebensumstände im Fokus der Öffent-lichkeit. Fragen wie: «Ist sie verheiratet? Hat sie Kinder, eventuell sogar noch klei-nere? Wer schaut zu den Kindern, wenn sie weg ist? Mit wem ist sie verheiratet oder

liiert? Hat sie eine neue Frisur, zu- oder abgenommen?» habe sie bei Frauen schon öfter gehört. Auch bei der Qualifikation werde um einiges genauer hingeschaut: «Wie macht sie sich in der Öffentlichkeit? Hat sie überhaupt die Ausbildung und Erfahrung dazu?» Über männliche Kolle-gen habe sie solche Diskussionen selten gehört. Deshalb glaubt Lanter-Koller, dass diese Dinge für die Beurteilung einer Poli-tikerin einen Einfluss haben, sonst würden sie ja nicht thematisiert. «Frauen müssen eher in ein traditionell bestimmtes Sche-ma passen als Männer. Kleinste Abwei-chungen davon können über Wahl oder Nichtwahl entscheiden.»

Auch für Martina Brändle-Nipp von der Frauenunion ist klar, dass Frauen mit anderen Massstäben gemessen werden: «Frauen wird meines Erachtens weniger zugetraut als Männern. D.h. Frauen müs-sen ihr politisches Können mehr unter Beweis stellen.» So habe beispielsweise eine Umfrage des Liechtenstein Instituts gezeigt, dass Frauen eher in den Landtag gewählt werden, wenn sie vorher im Ge-meinderat aktiv waren.

«Natürlich?» – ein Schlag ins GesichtHelen Konzett Bargetze, Fraktionsspreche-rin der FL, sieht den Entscheid, sich nicht um ein politisches Amt zu bewerben unter diesen Voraussetzungen als «rational» an. Weshalb Lebenszeit zur Verfügung stellen, wenn der Erfolg gering ist? Frauen hät-ten nicht nur weniger Erfolgschancen auf ein Amt, sondern auch wegen der grösse-ren Lasten in der Familienarbeit weniger Zeit – und in einem Amt geringere Macht. Konzett Bargetze sieht es als Schlag ins Ge-

Frauen finden sich seltener in Führungspositionen und sind mit ihren Fähigkeiten weniger sichtbar. In ihrer Kompetenz werden sie häufi-ger infrage gestellt. Nur wenn die Parteien endlich Verantwortung für eine echte Frauenförderung übernehmen, macht eine Quote auf Wahllisten Sinn.

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«Bei Aurelia Frick scheint es wichtig zu wissen, wie sie die Betreuung ihrer Kinder regelt, einen Mann in vergleich-barer Position würde man so etwas wohl nicht fragen.» Linda Märk

«Genügend Betreuungsplät-ze ohne Wartelisten für Kinder? Bisher Fehlanzeige. Das bleibt sicher so, wenn die FBP weiter am Ruder der Familienpolitik sitzt. Rückschritte wie die alar-mierende Nicht-Repräsentanz der Frauen in der Politik und Wirtschaft wird weggelächelt.» Helen Konzett Bargetze (Freie Liste)

«Frauen, die sich gerne politisch engagieren möchten, empfehle ich einen «leichten Einstieg» in die Politik. Also sich allenfalls nicht gleich für eine Wahl zur Verfügung zu stellen, sondern zuerst in die Politik reinzuschnuppern. Dies kann durch Mitarbeit in einer Kom-mission oder in der Ortsgruppe geschehen.» Martina Brändle-Nipp (Frauenunion)

«Es kann allerdings nicht genügen, wenn schlicht fest-gehalten wird, dass sich eine Gleichverteilung der Chancen von Frauen und Männern mit der Zeit von alleine einstellen wird. Einerseits dürften dann die Frauenanteile im Landtag nicht stagnieren oder sogar rückläufig sein, andererseits verheisst auch der Blick auf die deutschen und schweizerischen Verhältnisse nichts Gutes.» Linda Märk

sicht, wenn eine FBP-Frauenvertreterin in der heutigen Zeit von einer «natürlichen gesellschaftlichen Ordnung» spricht, mit der sie die Unterrepräsentanz der Frauen erklären. Dies sei eine Haltung, die jede Verantwortung von sich weise.

Linda Märks Studie zeigt auf, dass die Parteien, ausgenommen die Freien Liste und in Ansätzen die Frauenunion, Frauen nicht fördern. Es gibt eine Tendenz, dass die Frauen in den beiden Grossparteien eher kurzfristig angefragt werden.

An den schlechten Wahlresultaten würde deshalb wohl auch eine Frauen-quote ohne Begleitmassnahmen nichts ändern, wenn Frauen weiterhin einen po-litischen Kaltstart hinlegen müssen. Ohne Aufbautraining und mehr Medienpräsenz würden Frauen weiterhin mit Stöckeli-Schuhen auf die Sprintbahn geschickt, um beim eingangs zitierten Bild zu bleiben: Wahlauswertungen zeigen, dass Frauen schlicht weniger Sympathiestimmen be-kommen. Märk, die sich im Rahmen ihrer Untersuchung auch mit Frauenquoten be-schäftigt hat, erklärt: «Quoten auf Wahllis-ten alleine vermögen das Problem kaum zu lösen.» Es müssten auch alte Rollen-bilder angepasst werden: «Es braucht ein Umdenken der Wirtschaft und des Staates. Quoten erhöhen den Druck, aber die Ver-änderungen müssen von vielen Akteuren vollzogen werden.» Die Forscherin rät den Parteien dringend, mehr Basisarbeit zu leisten: «Ein halbes Jahr vor den Wahlen genügend Frauen zu finden, die auch Aus-sicht für einen Wahlerfolg haben, scheint mir wenig erfolgsversprechend.»

Was wirklich hilft, ist ein Hürdenabbau für Frauen: Eine Bereitstellung von KiTa-Plätzen oder ein bezahlter Elternurlaub. Aber auch eine bessere Förderung der Frauen in der Wirtschaft kommt einem positiveren Frauenbild zugute: Frauen in Führungspositionen und Kommissionen sollten zur Alltäglichkeit werden, nur so wird Frauen irgendwann mehr Kompe-tenz zugeschrieben und sie werden selbst-verständlich in politische Ämter gewählt. Wenn Frauen in Führungspositionen all-mählich die magische Grenze von 30 bis 40 Prozent knacken, werden pinke Outfits im Umfeld von schwarzen Anzügen zur Normalität.

Das Thema Frauen muss also endlich umfassend angegangen werden: Violanda

Lanter-Koller wünscht sich, «dass die Ge-sellschaft den Mehrwert von Frauen und Männern in politischen Ämtern erkennt und bereit ist, die Vereinbarkeit von Fami-lie, Beruf und Politik zu fördern.»

Frauenfreundliche Politik wählenAn den Schalthebeln sitzen hauptsächlich Männer und eine Partei, der Frauenförde-rung und die Förderung von Vereinbar-keit von Familie und Beruf bisher schlicht nicht wichtig war.

In der Hand haben es also letztlich die Wählerinnen und Wähler. Sie entscheiden mit der Wahl, welche Bedeutung der Leis-tungsausweis der Parteien zur Chancenge-rechtigkeit hat.

Märk bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt, dass «die Teilnahme der Frauen an der Politik und auch in anderen bislang männerdominierten Bereichen nicht als Selbstläufer angesehen werden kann.»

Es sieht aber düster aus: Der Trend ist kein Freund der Frauen. Das zeigt sich nicht nur in Liechtenstein, sondern auch in Deutschland und der Schweiz. Der Frauenanteil in politischen Gremien ist in Deutschland am höchsten, aber stagnie-rend: Weil dort am meisten Frauenförde-rung betrieben wird, ist die Zahl immer-hin nicht rückläufig. In Liechtenstein ist der Anteil Frauen in der Politik am nied-rigsten und wie in der Schweiz sogar noch rückläufig.

Frauen kann nur geraten werden, sich nicht als politische Kaltstarterinnen für Wahllisten missbrauchen zu lassen, son-dern auf echte Förderung in Politik und Wirtschaft und auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu pochen. Profitieren von den Ressourcen der Frauen könnten alle.

Frauen in der Politik

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Nur 6.5% sind Chefinnen

Frauen in Führungsposition der Landesverwaltung

Text Barbara Jehle, [email protected]

Frauen auf dem Chefposten geben in Liechtenstein ein noch eher seltenes Bild ab. Es ist zu vermuten, dass ähnliche Rol-lenbilder und Mechanismen wirken wie bei Frauen in der Politik: Sie werden häu-figer in ihrer Kompetenz angezweifelt als Männer und Frauen trauen sich weniger zu (siehe Text S. 13). Ausserdem lastet die Doppelbelastung von Familie und Beruf hauptsächlich auf ihre Schultern. Der An-teil der berufstätigen Frauen war im Jahr 2012 mit 40.1 Prozent leicht rückläufig. Nur 10 Prozent der Führungspositionen sind laut einem Papier der Stabsstelle Chancengleichheit von Frauen besetzt. Dies überrascht, da Liechtensteins Frauen ausgezeichnet ausgebildet und fachkom-petent sind und den Männern diesbezüg-lich in nichts mehr nachstehen. In der Landesverwaltung, die als fami-lienfreundliche Arbeitgeberin bekannt ist, liegt der Anteil Frauen bei 42.4 Prozent. Tief ist allerdings der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Die Landesver-waltung ist eine Arbeitgeberin, die es Fa-milien vereinfacht, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen: Die KiTa der Landesverwaltung stellt ausreichend Plät-ze für den Nachwuchs der Angestellten zur Verfügung und es werden gleitende Arbeitszeit, Teilzeitarbeit und Jobsharing ermöglicht. Als staatlicher Arbeitgeber hat – oder hätte die Landesverwaltung auch bezüglich der Frauen in Führungspositio-nen eine Vorbildfunktion. 6.5 Prozent ChefinnenDennoch sind von 163 Führungspositio-nen nur 25 von Frauen besetzt, also gerade mal 6.5 Prozent. Der Anteil ist kleiner als in der Privatwirtschaft. Warum ist das so? Tho-mas Kind vom Amt für Personal und Orga-

nisation erklärt, «dass je höher die Stelle in der Organisationsstruktur eingereiht ist, umso kleiner der Anteil an Bewerbungen von Frauen. Dies könnte darauf zurückzu-führen sein, dass Frauen möglicherweise eher Teilzeitanstellungen suchen.» Dass Frauen so selten den Chefsessel besetzen, muss aber noch andere Gründe haben als der Wunsch nach Teilzeitarbeit: Schon heute arbeiten von den Frauen in Leitungspositionen neun zwischen 50 bis 90 Prozent. Thomas Kind erklärt, dass es zur Pensengrösse für eine Führungspositi-on keine Vorgaben gäbe. In der Regel zei-ge sich aber, dass eine Beschäftigung von 70 bis 80 Prozent zielführend sei. Je nach Stelle sei manchmal eine 100 Prozent An-stellung notwendig. Ein Top-Sharing sei schon diskutiert, aber in der Praxis noch kaum angewendet worden. «Es ist mit vie-len Herausforderungen verbunden», sagt Kind. Darüber, dass sich so wenige Frauen in Führungspositionen befinden, ist auch die Regierung nicht glücklich: Sie fügt seit kurzem in Stellenausschreibungen folgen-den Satz bei: «Die Regierung möchte den Anteil von Frauen in Führungspositionen anheben, Frauen werden daher besonders ermutigt, sich zu bewerben.» Ob das aus-reicht? Knackpunkt FührungserfahrungDas Dilemma bleibt, dass sich Frauen wohl häufig davon abschrecken lassen, dass bereits Führungserfahrung erforder-lich ist. Thomas Kind erklärt, dass diese Anforderung in einem Stelleninserat von Führungsstellen enthalten sei. «Dadurch werden bei einer ersten Vorselektion die Bewerbungen berücksichtig, welche die entsprechenden Anforderungen der Aus-schreibung erfüllen.» Wenn keine geeigne-

ten Bewerbungen mit Führungserfahrun-gen dabei sind, können in einem weiteren Schritt Bewerbungen mit fachlicher Kom-petenz ohne Führungserfahrung geprüft werden. Es bestehen also durchaus auch Chan-cen auf eine Führungsstelle, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind. Internationale Studien haben aller-dings gezeigt, dass sich Frauen viel häufi-ger als Männer davon abschrecken lassen, wenn in einem Stellenprofil ein grosser Anforderungskatalog formuliert ist und frau glaubt, nicht alles erfüllen zu können. Sie bewirbt sich dann gar nicht erst. Dass Frauen wie auch Männer man-gelnde Führungserfahrung in einem Be-trieb als PfadileiterIn oder in einer Lehrtä-tigkeit wettmachen können, lässt Kind nur beschränkt gelten: «Durchaus kann man sich auch Führungserfahrung im privaten Bereich aneignen, die Führungsarbeit in der täglichen Arbeit einer Ablauforganisa-tion wird aber sicherlich höher gewertet.» Bislang sei es auch noch nicht Praxis, Mit-arbeitende ohne Führungserfahrung spe-ziell zu fördern, damit sie irgendwann den Schritt wagen. Es gäbe erst beim Antritt einer Führungsposition die Möglichkeit einer individuellen Begleitung. Eine Frauenquote für Führungspositio-nen hält Thomas Kind für wenig sinnvoll, weil Frauen vermutlich nicht über eine Quote, sondern über die Qualifikation eine Stelle bekommen möchten.

Die Landesverwaltung hat eine KiTa und ist als familienfreundliche Arbeitgeberin bekannt. Dennoch sind Frauen dort in Führungspositio-nen noch dünner gesät als in der Privatwirtschaft.

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Spendenaufrufe Weiss-Magazin: Postkonto 92-392622-5, IBAN: CH64 0900 0000 9239 2622 5 Freie Liste: Postkonto 90-10730-2, IBAN: CH15 0900 0000 9001 0730 2

sich darüber beklagt, dass er eine leiten-de Position in der Verwaltung oder einen Verwaltungsratssitz in einem staatsnahen Betrieb bekommen hat, weil er ein ver-dienter Roter oder Schwarzer ist, der sich einst auf eine Wahlliste hat setzen lassen? Warum soll also Frauen eingeredet wer-den, dass sie es unter ihrer Würde finden, einen Job «wegen der Quote» anzutreten?

Mir ist kein Mann bekannt, der einen Job nicht angenommen hätte, weil er wuss-te, dass er besser vernetzt ist oder anders als seine Mitbewerber schlicht den richtigen Pass oder das richtige Parteibuch hatte.

Es trifft wohl zu, dass Frauen in der Re-gel weniger Führungserfahrung als Män-ner haben, deshalb braucht es sicher auch gezielte Förderung und ein Mentoring. Das beginnt schon bei der Entscheidung eines Chefs, frau nicht Protokoll schrei-ben oder an Sitzungen Kaffee kochen zu lassen, während gleichqualifizierte Män-ner freie Bahn haben, sich zu profilie-ren. Die Freie Liste wird sich dafür stark machen, dass in der Landesverwaltung Frauen in Führungspositionen gefördert werden. Wenn dies gelingt, hat dies sicher auch Ausstrahlung auf verkrustete Rollen-muster und das Abschneiden der Frauen an Wahlen. In einer vorurteilslosen und absolut gerechten Welt bräuchte es keine Quote. Wir aber brauchen sie.

Frauen sind gebildet und kompetent. Im-merhin 10 Prozent der Führungspersonen in der Privatwirtschaft sind weiblich. In der Landesverwaltung sind es nur 6.5 Pro-zent. Das ist schlicht inakzeptabel!

Gerade in der Landesverwaltung könn-ten Frauen auch die Politik mitgestalten und sie hat als «öffentliches Unterneh-men» eine Vorbildfunktion. Die Verant-wortung für den Rückstand darf nicht al-lein den Frauen überlassen werden. Viele stossen an die gläserne Decke: Ihnen wird weniger Führungsverantwortung zuge-traut, folglich trauen sie sich auch selbst weniger zu. Durchbrechen kann diesen Teufelskreis eine Frauenquote für Füh-rungspositionen auf Verwaltungsebene und ein gezieltes Mentoring und Füh-rungscoaching.

Niemand findet eine Quotenauswahl toll, dennoch ist sie allgegenwärtig – denn es geht bei einer Besetzung nicht immer nur um Fachkompetenz: Es kann kein Ar-gument sein, dass frau eine Stelle nicht an-nehmen soll, weil sie eine «Quotenfrau» ist. Quote und Qualifikation schliessen sich nicht aus, im Gegenteil: Eine Quote kann dazu beitragen, genauer hinzuschau-en, wo sich kompetente Mitarbeiterinnen finden lassen. Gerade in der Landesverwal-tung gab es in der Vergangenheit einige Quotenmänner: Welcher von ihnen hätte

Text Helen Konzett Bargetze, [email protected]

Her mit der Quote in der Landesverwaltung!

Kommentar zu «Nur 6.5 % sind Chefinnen»