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Neue Risiken und Nebenwirkungen bei Kooperationen im Gesundheitswesen Antikorruptionsgesetz Auf dem Sofa zu Olympia? Computerspielen ist ein Sport! Denn sie wissen nicht, was sie tun WLAN-Urteil aus Luxemburg scha keine Rechtssicherheit Verbraucherschutz ja! Aber wo bleibt eigentlich der Unternehmerschutz? 2016 AUSGABE NR. 12

2016 AUSGABE NR. 122016/12/12  · 2016 AUSGABE NR. 12 Dr. Jochen Schmidt Dr. Till Wegmann Dr. Notker Lützenrath ein bemerkenswertes Jahr mit einigen Überraschungen liegt (fast)

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Neue Risiken und Nebenwirkungen bei Kooperationen im Gesundheitswesen

Antikorruptionsgesetz

Auf dem Sofa zu Olympia?Computerspielen ist ein Sport!

Denn sie wissen nicht, was sie tunWLAN-Urteil aus Luxemburg schafft keine Rechtssicherheit

Verbraucherschutz ja!Aber wo bleibt eigentlich der Unternehmerschutz?

2016 AUSGABE NR. 12

Dr. Till Wegmann Dr. Notker LützenrathDr. Jochen Schmidt

ein bemerkenswertes Jahr mit einigen Überraschungen liegt (fast) hinter uns, und es ist traditionell an der Zeit, im Rahmen unserer SOH-News das abgelaufene Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen.

Mindestens zweimal werden sich die meisten die Augen gerieben haben, sind wir doch wahrscheinlich alle in der (nahezu) sicheren Erwartung, die Briten würden gegen den Austritt aus der Europäischen Union stimmen, zu Bett gegangen und wurden am darauffolgenden Morgen von der Nachricht überrascht, dass sich – entgegen den letzten Prognosen – doch eine Mehrheit für den „Brexit“ ausgesprochen hatte.

Und am 08.11. entließen uns die Abendnachrichten wiederum in den wohlverdienten Schlaf mit der nahe-zu sicheren Prognose, die nächste US-Präsidentin werde Hillary Clinton heißen – mit der noch allgegenwärtigen Überraschung am nächsten Morgen, als bereits nahezu feststand, dass entgegen aller Erwartungen die US-Wahlen doch durch Donald Trump gewonnen worden waren.

Ganz so spektakuläre Entwicklungen hat es bei SOH in diesem Jahr natürlich nicht gegeben, wohl aber Berich-tenswertes, Positives, aber auch Trauriges.

Um mit dem Letztgenannten zu beginnen:

Zum 31.03.2016 ist unser langjähriger Partner Dr. Bernd Klein nach Vollendung des 70. Lebensjahres in den wohl-verdienten Altersruhestand eingetreten; hierüber wollten wir eigentlich an dieser Stelle berichten. Umso trauriger ist es, dass wir uns von „KL“, wie er bei uns kurz genannt wurde, für immer verabschieden mussten, nachdem er nach kurzer, schwerer Krankheit am 29.09.2016 verstor-ben ist (siehe hierzu den gesonderten Nachruf).

Ausgeschieden bei uns ist auch unser (nicht ganz so) langjähriger und zuletzt geschäftsführender Partner Dr. Lars Kolks, der in eine neue, verantwortliche Posi- tion bei einem unserer Mandanten, der Unternehmens-gruppe ALDI Nord, gewechselt ist.

Weiter verstärken konnte sich SOH im Jahr 2016 mit einem erfahrenen Kollegen im Bereich des öffentlichen Rechts, Herrn Dr. Hans-Jörg Schulze, der diesen Bereich zukünftig bei uns verantworten wird.

Liebe Leserinnen und Leser,

Editorial

Ebenfalls zu SOH gestoßen ist Frau Dr. Anna Vorspohl, die den Bereich des allgemeinen Zivilrechts und des Han-delsrechts mitbetreut.

Beide Neuzugänge stellen sich in diesen SOH News per-sönlich und mit einem redaktionellen Beitrag vor.

Neuer und weiterer Geschäftsführer von SOH ist seit Kurzem Herr Dr. Notker Lützenrath. Vielen von Ihnen ist Herr Dr. Lützenrath als SOH-Eigengewächs, der hier schon im Rahmen seiner Ausbildung zum Rechtsanwalt während der Referendarzeit tätig war, sicherlich bekannt. Wir wünschen ihm für seine neue, verantwortungsvolle Aufgabe eine stets glückliche Hand!

Bei Ihnen, liebe Leser der SOH-News und Mandanten von SOH, dürfen wir uns für das uns im Jahr 2016 entgegenge-brachte Vertrauen an dieser Stelle sehr herzlich bedanken.

Wir nutzen die Gelegenheit, Ihnen und Ihren Lieben ein frohes, friedvolles Weihnachtsfest zu wünschen sowie ein glückliches, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2017.

Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen!

Viel Spaß beim Lesen der nunmehr 12. Ausgabe unserer SOH-News!

Mit vorweihnachtlichen Grüßen Ihre

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Abschied von SOH nach fast 15 Jahren

Dr. Lars Kolks (kurz: „LK“) ist mit Wirkung zum 31.10.2016 bei SOH ausgeschieden, um zukünftig eine verantwortliche Position in der Un-ternehmensgruppe ALDI Nord, die seit vielen Jahren von SOH beraten wird, wahrzunehmen.

LK hat SOH schon im Rahmen seiner Ausbildung als Referendar kennen und schätzen gelernt – und wir ihn!

In memoriam Dr. Bernd Klein Am 29.09.2016 verstarb Herr Rechtsanwalt und Notar

a.D. Dr. Bernd Klein in seinem 71. Lebensjahr.Herr Dr. Klein war vor seinem Eintritt in den Ruhestand

zum 31.03.2016 fast 40 Jahre Partner unserer Sozietät. Als Rechtsanwalt und Notar hat er sich in der Beratung

und Betreuung bedeutender gemeinnütziger Stiftungen bleibende Verdienste erworben. Mit großem Engagement und Erfolg war Herr Dr. Klein als Stiftungsvorstand und für zahlreiche Unternehmen tätig. Er war ein von Kollegen und Mandanten stets geschätzter Berater.

Wir werden ihn aufgrund seiner menschlichen und fachlichen Verdienste um unsere Sozietät immer in bester Erinnerung behalten.

Herr Dr. Hans-Jörg Schulze ist seit März 2016 in unserem öffent-lich-rechtlichen Bereich tätig und wird diesen zukünftig verantwortlich leiten. Er verfügt über eine mehr als zehnjährige Berufserfahrung, die er in einer international tätigen Groß-kanzlei in Düsseldorf, von der er zu uns gewechselt ist, erworben hat. Seine Arbeitsschwerpunkte bei SOH liegen u.a. im öffentlichen Bau- und Planungsrecht, dem Umweltrecht und in Compliance-Fragen.

Nach Tätigkeiten in einer interna-tionalen Großkanzlei in Düsseldorf sowie in einer mittelständischen Kanzlei in Münster verstärkt Frau Dr. Anna Vorspohl nunmehr un-ser SOH-Team. Frau Dr. Vorspohl erweitert bei uns die Abteilungen Allgemeines Zivilrecht mit einem Schwerpunkt im unternehmerischen Rechtsverkehr und Handelsrecht.

Dr. Hans-Jörg Schulze

Dr. Anna Vorspohl

Seit 2002 war er dann als Anwalt bei SOH tätig. Im Jahre 2007 wurde er Partner der Sozietät und vor eini-gen Jahren auch geschäftsführender Partner.

Er ist also eines der (vielen) „Ei-gengewächse“ von SOH. Umso mehr bedauern wir sein Ausscheiden.

Wir danken LK für seine lang- jährige und verdienstvolle Tätigkeit und sein außerordentliches Engage-ment in den unterschiedlichen Funk-tionen, die er bei SOH wahrgenom-men hat.

Neu im SOH-Team

Für seine neue Aufgabe wünschen wir ihm alles Gute und viel Erfolg.

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Dieser Slogan begeistert nicht nur Hunderttausende von Mitgliedern von FITX, sondern auch uns. Unsere Mandantin FITX ist eines der am schnellsten wachsenden und eines der innovativsten Fitness-Unternehmen Deutschlands. Und das auf einem Zukunftsmarkt mit unglaublichem Wachstumspotential. Was FITX anderen Fit-ness-Unternehmen voraus hat, ist sicherlich, dass FITX mit der überzeugendsten Un-ternehmensphilosophie antritt: Entstanden 2009 hier in Essen hat FITX Fitness neu definiert und bietet ein breites Leistungsangebot zu Preisen, die es niemandem mehr erlauben, die persönliche Fitness vom Geldbeutel abhängig zu machen.

SOH berät FITX seit den Anfängen umfassend. Inzwischen hat FITX knapp 50 Stu-dios in allen Regionen Deutschlands eröffnet – und wächst weiter sehr dynamisch. Damit ist FITX ein Musterbeispiel des vielbeschworenen Strukturwandels im Ruhrge-biet. Dabei hat FITX es geschafft, sich die Innovationskraft eines StartUps zu bewahren. Seit Kurzem gestaltet eine „Digital Unit“ die Digitalisierung der Fitness-Branche mit.

Möglich wurde all dies durch eine Kernmannschaft, die den Gründer und „Vater“ von FITX, Jacob Fatih, seit den Anfängen begleitet, und die vertrauensvolle Zusam-menarbeit mit einem Investor, der mit dem weiteren Geschäftsführer Burkhard Revers seit mehreren Jahren im Managementteam von FITX vertreten ist.

Wir bei SOH sind stolz, FITX mit unserer juristischen Fitness unterstützen zu dürfen!

FITX - For all of us© TRENT PERRETT

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SOH NEWS NR. 12SOH NEWS NR. 12

Niemand heißt es gut, wenn Ärzte von der Pharma- oder Medizinprodukteindustrie für die Verordnung bestimmter Arznei- oder Hilfsmittel „Bonuszahlungen“ oder von Krankenhäusern für die Einweisung von Patien-ten „Zuweiserprämien“ erhalten. Bis hierher dürfte – ein-schließlich der gesamten Ärzteschaft – breiter gesellschaft-licher Konsens bestehen.

Die neu eingeführten Strafvorschriften §§ 299a und 299b StGB bereiten in der Praxis jedoch erhebliche Pro-bleme. Danach ist es Angehörigen eines Heilberufs mit staatlich anerkannter Ausbildung untersagt, im Zusam-menhang mit ihrer Berufsausübung für sich oder einen Dritten einen Vorteil als Gegenleistung dafür zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, dass sie

››› bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,

››› bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren

Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder

››› bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungs-material

einen anderen im inländischen oder ausländischen Wett-bewerb in unlauterer Weise bevorzugen.

Wie soll nunmehr z. B. das Verhalten eines konservativ tätigen Arztes eingeordnet werden, der gemeinsam mit einem operativ tätigen Arzt seines Fachgebietes eine Ge-meinschaftspraxis betreibt? Wie verhält es sich, wenn ein niedergelassener Arzt, der im Rahmen einer Nebentätig-keit als Operateur an einem Krankenhaus tätig ist, Patien-ten mit OP-Indikation aus seiner Praxis in das jeweilige

Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (Antikorruptionsgesetz)

Neue Risiken und Neben-wirkungen bei Kooperationen

im Gesundheitswesen

Am 4. Juni 2016 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft getreten. Die damit verbundene Botschaft, jetzt gehe es korrupten Ärzten endlich

an den Kragen, wird von Patientenverbänden naturgemäß begrüßt. Wer will als Patient schon gerne Opfer von korrupten Medizinern werden?

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Dr. Roland FlasbarthDr. Stefan Bäune

Krankenhaus einweist, um dann dort als Operateur selbst die erforderliche Operation durchzuführen? Wie ist es rechtlich zu bewerten, wenn ein Arzt mit dem Arzt eines anderen Fachgebietes eine fachübergreifende Gemein-schaftspraxis führt und die beiden Ärzte sich die Patien-ten des jeweils anderen Fachgebietes bei entsprechender medizinischer Behandlungs- bzw. Untersuchungsbedürf-tigkeit gegenseitig „zuweisen“?

In sämtlichen vorstehenden Beispielen erhält der je-weilige Arzt für die „Steuerung“ seiner Patienten einen Vorteil, da sowohl die Gewinnbeteiligung bei der Ge-meinschaftspraxis als auch der vom Krankenhaus ange-botene Anstellungsvertrag und das zu zahlende Angestell-tengehalt für die operative Tätigkeit dem Vorteilsbegriff der Korruptionsdelikte unterfallen. Es stellt sich allein die Frage, ob in der „Patientensteuerung“ eine unlautere Be-vorzugung des eigenen Gemeinschaftspraxispartners bzw. des als Arbeitgeber auftretenden Krankenhauses liegt.

Hier kommt es zum Konflikt zwischen ärztlicher Ethik und ärztlichem Unternehmertum. Nach dem ärztlichen Gelöbnis soll die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der Patienten das oberste Gebot ärztlichen

Handelns sein. Liegt nun eine unlautere – weil berufs-rechtlich unethische – Bevorzugung im Wettbewerb vor, wenn der konservativ tätige Arzt seinen Patienten mit OP-Indikation an seinen operativ tätigen Gemeinschafts- praxispartner empfiehlt, obwohl er weiß, dass andere Operateure den anstehenden Eingriff mit höherer Qua-lität ausführen können? Diese Frage wird in ähnlicher Form bei jeder Kooperation eines Arztes mit anderen Ärzten oder anderen Heilberufsangehörigen zu stellen sein. Denn Kooperationen haben zum einen regelmäßig – zumindest faktisch – auch eine „Patientensteuerung“ zwischen den Kooperationspartnern zum Gegenstand und zum anderen einen (erhofften) wechselseitigen unter-nehmerischen Vorteil. Kooperationen unter Ärzten oder mit anderen Heilberufsangehörigen sind vom Gesetz-geber vielerorts aber gerade gewollt, um Synergieeffekte zu heben, Reibungsverluste an den Schnittstellen abzu-bauen oder Kosteneinsparungen bei der medizinischen Versorgung zu realisieren. Wie sich nun die Stellung des freiberuflichen Arztes als Unternehmer sowie die gesetz-geberisch gewünschte Kooperation einerseits mit der „vorteilsorientierten Patientensteuerung“ im Rahmen ärztlicher Kooperationen andererseits miteinander vertra-gen, bleibt offen.

Die neuen Strafvorschriften berühren aber nicht nur das Spannungsfeld zwischen ärztlichem Unternehmer-tum und ärztlicher Ethik. Auch einzelne alt hergebrachte Versorgungsstrukturen, die von den Versicherten bisher gerne in Anspruch genommen worden sind, werden teilweise kritisch betrachtet. So beliefern z. B. viele Her-steller von Blutzuckerteststreifen diabetologische Praxen unentgeltlich mit Blutzuckermessgeräten zwecks Weiter- gabe an die Patienten. Der Beweggrund ist klar: Verfügt der Patient erst einmal über das Blutzuckermessgerät, so benötigt er die dafür passenden Blutzuckerteststreifen des Herstellers, die er über ärztliche Verordnungen zu Las-ten der Krankenkasse erhält. Da für dieses Versorgungs-konzept unterschiedliche Rechtsauffassungen zur straf-rechtlichen Bewertung nach dem Antikorruptionsgesetz bestehen, hat der erste namhafte Hersteller diese Verfah-rensweise unter Hinweis auf die bestehende Rechtsunsi-cherheit bereits eingestellt. Die Preise für die Blutzucker-teststreifen dürften dadurch allerdings nicht beeinflusst werden, so dass es bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Erhöhung der Kosten bei der Versorgung von Diabetikern mit Blutzuckermessgeräten und Blutzuckerteststreifen kommen dürfte.

Die in der medizinischen Landschaft insgesamt auf-getretene Unsicherheit lässt sich auch nicht mit einigen allgemeingültigen Aussagen oder Empfehlungen behe-ben. Für eine rechtliche Bewertung einzelner Angebote oder Kooperationen kommt es auf sämtliche Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere sollte im Rahmen jeder laufenden oder neuen Vereinbarung stets ehrlich (!) die

Frage gestellt werden, warum der Arzt oder ein anderer Heilberufsangehöriger einen Vorteil von seinem Koope-rationspartner erhält. Liegt der Grund ersichtlich in dem Bestreben, durch die Vorteilsgewährung eine Zuweiser-bindung sicherzustellen, wird man die jeweilige Koopera-tion ohne Weiteres als kritisch einzuordnen haben. Dabei hilft es im Übrigen nicht weiter, wenn die im Rahmen der Kooperation vereinbarte Vergütung (z. B. das Angestell-tengehalt für eine operative Krankenhaustätigkeit) grund-sätzlich angemessen ist, da es – entgegen einer weit ver-breiteten irrigen Ansicht – für die Frage der unzulässigen Vorteilsgewährung eben nicht auf die Angemessenheit ankommt. Es bleibt stets die maßgebliche Frage, warum im Rahmen einer Kooperation durch den Kooperations-partner der jeweilige Vorteil gewährt wird. Eine überhöh-te Vergütung kann dabei aber sehr wohl ein Indiz für eine unzulässige Vorteilsgewährung sein.

Die durch das Antikorruptionsgesetz auftretenden Risiken und Nebenwirkungen können zu diesem Zeit-punkt nicht abschließend eingeschätzt werden. Man wird insbesondere abwarten müssen, wie Staatsanwaltschaften und Gerichte mit diesen neuen Strafvorschriften umge-hen werden. Um allerdings nicht selbst im Mittelpunkt derartiger Verfahren zu stehen, sollten einzelne Koopera-tionsmodelle kritisch hinterfragt und überprüft werden.

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Dr. Caspar Luig

Dr. Eric Sebastian Barg

mende motorische Aktivität eines jeden zum Ziel haben, der sie be-treibt. Die Ausübung der eigenmoto-rischen Aktivitäten muss Selbstzweck der Betätigung sein. Und die Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie z. B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klas-seneinteilungen gewährleisten.

Zu einfach wäre es, auf den Deut-schen Schachbund zu verweisen, weil die „sportartbestimmende mo-torische Aktivität“ des Schachspiels zumindest diskussionswürdig er-scheint. Die Mitgliedschaft des Deut-schen Schachbundes wird nämlich mit seiner historischen Rolle bei der Gründung des DOSB begründet. Ein Privileg, von dem der eSport nicht mehr profitieren wird. Wissenschaft-ler der Deutschen Sporthochschule Köln haben aber die körperliche Belastung beim eSport untersucht. Zu den Ergebnissen erläutert Prof. Ingo Froböse: „Besonders die moto-rischen Ansprüche und Fähigkeiten haben uns beeindruckt. Die eSport-ler schaffen bis zu 400 Bewegungen pro Minute an Tastatur und Maus, vier Mal mehr als der Normalbürger! Das Ganze auch noch asymmetrisch, denn beide Hände werden parallel bewegt, es werden unterschiedli-che Hirnregionen parallel genutzt.“ Selbst Tischtennisspielern attestiert er geringere Anforderungen an die Hand-Auge-Koordination. Es wur-de ein Cortisolspiegel – also des Stresshormons – auf dem Niveau von Rennfahrern festgestellt. Die Herz-frequenz liegt teilweise zwischen 160 und 180 Schlägen pro Minute. Prof. Ingo Froböse sieht daher die körperliche Belastung beim eSport mindestens auf dem Niveau anderer Sportarten.

Auch die Anforderung, dass die ei-genmotorische Aktivität Selbstzweck der Tätigkeit sein muss, steht den eSportlern nicht im Wege. Dies soll solche „Leibesübungen“ ausschlie-ßen, die Arbeits- oder Alltagsverrich-tungen sind. Holzhacken ist für den DOSB also kein Sport.

Kritisch ist die für Sportsleute nachvollziehbare Forderung des DOSB nach der Einhaltung ethischer Werte wie Fair Play; sind doch eini-ge Computerspiele von erheblichen Gewaltdarstellungen geprägt. Zwar kann man hier ins Feld führen, dass auch der Deutsche Boxverband und der Deutsche Schützenbund Mitglie-der im DOSB sind. Allerdings wird man zwischen den Spielen differen-zieren müssen: Dem DOSB ist zuzu-geben, dass auch in der Darstellung des Spiels durch Regeln und Wett-kampfeinteilungen die Unverletzlich-keit der Person und Partnerschaft ge-währleistet sein muss. „Ballerspiele“ sind daher sicherlich kein Sport.

Es sprechen daher gute Gründe dafür, zahlreiche Disziplinen des eSports als „echten“ Sport zu begrei-fen. Eine Aufnahme in den DOSB scheitert jedoch an anderer Stelle: Dieser verlangt Verbandsstruktu-ren, in denen mittelbar über 10.000 Sportler organisiert sind. Außer-dem muss es sich bei einem solchen eSport-Verband um eine steuerbe-günstigte Körperschaft handeln, die gemeinnützige Zwecke verfolgt. Die-sen Anforderungen wird der eSport in seiner momentanen Form nicht gerecht.

Der eSport birgt auch rechtliche Herausforderungen: Da die im Sport-recht sonst verbreiteten Verbands-strukturen fehlen, werden Ligen und Turniere meist durch schuldver-tragliche Vereinbarungen mit den Softwareherstellern reglementiert.

Auf dem Sofa zu Olympia?

Ihre Kinder werden es schon immer gewusst haben: Computerspielen ist ein Sport!

Über zehntausend Zuschauer ver-folgten im November 2015 das Finale der Weltmeisterschaft der League of Legends – eines Computerspiels – in der Mercedes-Benz Arena in Berlin, die nach nur 90 Sekunden ausver-kauft war. Diese Zuschauerresonanz würde auch den Eisbären Berlin und Alba Berlin, die sonst an dieser Stätte auf Tore- bzw. Körbe-Jagd gehen, alle Ehre machen. Im Internet verfolgten 36 Millionen Zuschauer das Finale.

Das erreicht Dimensionen von Fußball-Länderspielen. Das höchst-

dotierte Turnier der Welt des elek-tronischen Sports, auch „eSport“ genannt, ist „The International“ in Seattle. Im Jahr 2016 wurde dort ein Preisgeld von 20 Millionen US-Dol-lar ausgespielt. Dies übertrifft die Preisgelder der Einzelkonkurrenz der US-Open im Tennis in demselben Jahr. Die Gewinnermannschaft strich allein ein Preisgeld von über 9 Millio-nen US-Dollar ein. Angelique Kerber musste sich für den Gewinn der US-Open mit 3,5 Millionen US-Dollar begnügen.

Diese Zahlen machen aus dem Computerspielen sicherlich noch keine Sportart. Skeptisch ist auch der Deutsche Olympische Sportbund („DOSB“), der dem Vernehmen nach den eSportlern die Aufnahme in den Verband verweigert. Neben der öf-fentlichen Anerkennung ginge damit auch der Genuss von öffentlichen Fördermitteln einher. Die Aufnah-meordnung des DOSB stellt hierfür die folgenden sportlichen Vorausset-zungen auf: Die Ausübung der Sport-art muss eine eigene, sportartbestim-

Durch das Internetstreaming stellen sich neue Anforderungen an Ver-marktungslösungen. Spielerverträge müssen von Grund auf neu unter Berücksichtigung der zumeist inter-nationalen Rahmenbedingungen ge-staltet werden. Denn im eSport wird nicht nur in den obersten Ligen von vornherein in internationalen Wett-bewerben gespielt.

So ist der eSport auch in der Bera-tungspraxis von SOH angekommen. Wir freuen uns, den FC Schalke 04 bei seinem Engagement im eSport zu beraten. Als erster deutscher Verein ist der Bundesligist im Frühjahr in die „League of Legends“ eingestiegen. Inzwischen geht auch eine virtuelle Fußballmannschaft in der Disziplin „Fifa“ für die Königsblauen an den Start. Glück auf!

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Im Sommer 2016 standen die Zeichen noch auf Grün. Das Damo-klesschwert der sog. Störerhaft ung schien beseitigt, welches seit Langem über Händlern schwebt, die ihren Kunden off enes WLAN anbieten. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit ein Anbieter von WLAN-Internet-zugängen für Rechtsverstöße seiner Nutzer – zu denken ist etwa an Ur-heberrechtsverletzungen durch sog. Filesharing – einstehen muss. Der Gesetzgeber sah sich aufgerufen, hier endlich die dringend erforderliche Rechtssicherheit zu schaff en, um den Digital-Standort Deutschland nicht zu gefährden. Er änderte das TMG und stellte die WLAN-Anbieter den Access-Providern gleich, um auf diese Weise Schadensersatz- und Unterlas-sungsansprüche gegen Anbieter von öff entlichem WLAN auszuschließen. Eine Verankerung dieses Ziels im Gesetzestext blieb allerdings aus, was sich nunmehr als fatal herausstellen könnte. Denn der EuGH hat in ei-nem mit Spannung erwarteten Urteil vom 15.09.2016 (Az. C-484/14) ent-schieden, dass ein Geschäft sinhaber, der der Öff entlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, zwar für Urheberrechtsverletzungen ei-nes Nutzers nicht verantwortlich sei und damit nicht auf Schadensersatz haft e – gleichzeitig jedoch einschrän-kend erklärt, dass ihm durchaus zur Beendigung oder Vorbeugung von Rechtsverletzungen per Anordnung eine Passwortsicherung und Nutzer- identifi zierung aufgegeben werden dürfe. Dies soll vor Urheberrechtsver- stößen abschrecken.

Wie sich das Urteil aus Luxemburg auf die deutsche Rechtsprechung auswirkt, ist noch völlig off en. Zwar

verfolgte die jüngste Änderung des TMG ausdrücklich das Ziel, den red-lichen Vermittler von Informations-zugängen über drahtlose lokale Net-ze von der Störerhaft ung zu befreien. Mangels entsprechender Veranke-rung im Gesetzestext ist allerdings zu erwarten, dass Rechteinhaber sich im Streitfall auf das EuGH-Urteil berufen werden, wonach zumindest dann Unterlassungsansprüche gegen WLAN-Anbieter bestehen, wenn die WLAN-Nutzer Rechtsverletzungen begehen und der WLAN-Anbieter keine hinreichenden Sicherungs-maßnahmen ergriff en hat, z. B. durch Einstellung eines Passwortschutzes unter Implementierung einer Iden-tifi kationsmaske. Bis hier eine ober-gerichtliche Klärung in Deutschland erfolgt, werden voraussichtlich noch Jahre ins Land gehen. Rechtssicher-heit sieht anders aus.

Die längst totgeglaubte Störerhaf-tung lebt also! Die Diskussion zur Störerhaft ung wird bis zur endgül-tigen Klärung durch deutsche Ge-richte oder durch eine Klarstellung durch den Gesetzgeber im Gesetzes-text weiter anhalten.

Wie soll sich nun aber ein Händ-ler, der seinen Kunden WLAN anbieten möchte, verhalten? Eine Möglichkeit ist es, die bestehende Rechtsunsicherheit dadurch zu um-schiff en, einen auf diesem Gebiet erfahrenen Dritt- anbieter mit der Bereitstellung von WLAN zu be-auft ragen. In diesem Fall wäre der Drittanbieter WLAN-Betreiber und damit ggf. unter dem Gesichtspunkt der Störerhaft ung für etwaige über diesen Anschluss begangene Rechts-verletzungen in der Verantwortung.

Wer WLAN selbst anbieten und hierbei auf Nummer sicher gehen möchte, dem ist anzuraten, einen Passwortschutz und eine Identifi ka-tionsmaske zu implementieren. Wer hingegen risikofreudig ist und auf eine zahlenmäßig zu vernachlässi-gende Missbrauchsquote bei off e-nen WLAN-Netzen setzt, wird sein WLAN ohne entsprechende Imple-mentierung öff nen. Dabei kann er sich mit Blick auf das EuGH-Urteil und die bereits erfolgte Änderung des TMG zumindest insoweit in Si-cherheit wiegen, im Falle von Rechts-verstößen keinen Schadenersatz leisten zu müssen. Abmahnungen, Prozesskosten sowie die Geltendma-chung von Unterlassungsansprüchen sind allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen. Spätestens im Falle einer entsprechenden Abmahnung kommt es dann zum Schwur: Entwe-der er verschlüsselt sein WLAN doch noch oder nimmt eine gerichtliche Auseinandersetzung in Kauf. So oder so: SOH ist jederzeit behilfl ich und steht Gewehr bei Fuß.

Dr. Cay Fürsen

Denn sie wissen nicht, was sie tun Mit Spannung erwartetes Urteil aus Luxemburg zur Haftung von Anbietern von öff entlich-

zugänglichem WLAN schaff t keine Rechtssicherheit. Politik ist abermals gefordert.

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Eigentümer, Besitzer und – sofern er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädli-che Bodenveränderung hierbei kann-te oder kennen musste – auch den ehemaligen Eigentümer des Grund-stücks. Für diese und den Verursacher besteht im Regelfall sogar eine sog. Ewigkeitshaftung. Sie können sich ihrer öffentlich-rechtlichen Haftung nicht entziehen.

Die zuständige Behörde ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung weitgehend frei in der Entscheidung, wen sie aus dem Kreis der potentiell Sanierungspflich-tigen heranzieht. Sie ist insbesondere nicht verpflichtet, sich zuerst an den Verursacher oder den aktuellen Ei-gentümer zu halten. Es liegt auf der Hand, dass dieser Regelungsrahmen weitreichende Haftungsrisiken be-gründet. So kann etwa der ehemalige Eigentümer öffentlich-rechtlich her-angezogen werden, obwohl er aktu-ell von seinem früheren Grundstück denkbar weit entfernt ist.

Das Bundes-Bodenschutzgesetz selbst regelt das mit diesem weiten Haftungsrahmen verbundene gefühl- te Gerechtigkeitsdefizit (wenn z. B. statt des Verursachers ein früherer Eigentümer herangezogen wird), in-dem es einen Ausgleichsanspruch der Sanierungspflichtigen gegen den Verursacher vorsieht. Dieser besteht sogar unabhängig davon, ob die Be-hörde einen potentiell Sanierungs-pflichtigen tatsächlich heranzieht. Das Insolvenzrisiko des Verursachers tragen dabei jedoch die weiteren Sa-nierungspflichtigen – und etwa nicht die Behörde. Der Gesetzgeber sichert damit die Effektivität der Gefahren-abwehr.

Diese umfassenden öffentlich- rechtlichen Haftungsrisiken legen es nahe, in einem Grundstückskaufver-trag Regelungen dazu vorzusehen, wie im Falle einer behördlichen In-anspruchnahme vorgegangen wer-den soll. Der Veräußerer wird dabei regelmäßig das Interesse haben, sein eigenes Haftungsrisiko als ehemali-ger Eigentümer zu minimieren. Dem Erwerber wird es darum gehen, ein etwaiges Kostenrisiko auf den Ver-äußerer abzuwälzen. Hierfür stehen mannigfaltige Gestaltungsmöglich-keiten zur Verfügung. Diese reichen von Garantien in Verbindung mit Schadenersatzpflichten über Rück-trittsrechte bis hin zu dezidierten Freistellungsklauseln (die wiederum z. B. mit besonderen haftungsauslö-senden Elementen, Stufenregelungen zum Haftungsumfang oder mit dif- ferenzierten Verjährungsregelungen kombiniert werden können). Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass privatrechtliche Vereinbarungen die öffentlich-rechtliche Haftung unbe-rührt lassen. Auch die beste vertrag-liche Regelung hindert eine Behörde folglich nicht, diese zu ignorieren und einen Sanierungspflichtigen ih-rer Wahl heranzuziehen.

Dies führt zu der Frage, wie man sich im Falle einer (drohen-den) behördlichen Inanspruchnah-me verhalten sollte. Hierbei gilt die Grundregel, dass eigene und umfassende Sachverhaltskenntnis die wichtigste Voraussetzung für ein interessengerechtes Verhalten ist. Es ist deswegen anzuraten, alle behörd-lichen Untersuchungen und Gut-achten durch eigene Sachverständige prüfen und analysieren zu lassen. Zudem ist – gleichsam als Vorfrage – zu klären, ob aus rechtlicher Sicht

eine Inanspruchnahme überhaupt in Frage kommen kann. Eine enge Ko-operation zwischen Umweltsachver-ständigem und Rechtsberater ist hier unabdingbar. Beide müssen dieselbe Sprache sprechen. Nur so ist gewähr-leistet, dass alle wesentlichen Aspek- te zusammengetragen und entlasten-de Elemente angemessen gewürdigt werden.

Zurück zu unserem Beispiel: Das in Anspruch genommene Unterneh-men wehrte sich erfolgreich. Mittels eigener Sachverständigengutachten und einer überzeugenden recht- lichen Stellungnahme konnte der Nachweis geführt werden, dass die Kontaminationsquelle nicht auf dem Unternehmensgrundstück, sondern im Bereich einer ehemaligen chemi-schen Reinigung einige Straßenzüge entfernt lag. Damit fiel das Unter-nehmen aus dem Kreis der potentiell Sanierungspflichtigen und war nicht mehr der Gefahr der behördlichen Inanspruchnahme ausgesetzt.

Wie häufig erfordert jede kon- krete Situation und Interessenlage eine passgenaue rechtliche Lösung – so auch im Bereich Altlastenhaf-tung. Wir freuen uns, Ihnen dabei zu helfen.

Folgendes Beispiel verdeutlicht die praktische Relevanz: Ein Indus- trieunternehmen beabsichtigt die Verlagerung des bislang innerstäd-tisch gelegenen Betriebs in ein neu entwickeltes Gewerbegebiet. Dies soll einhergehen mit einer Neuent-wicklung des bestehenden Betriebs-geländes zu einer innerstädtischen Mischnutzung von Wohnen, Einzel-

handel und Büro. Eine im Rahmen des Bauleitplanverfahrens für den alten Standort durchgeführte Er-kundungsuntersuchung lässt Grund-wasserverunreinigungen im Bereich des bisherigen Standorts erkennen. Die zuständige Behörde droht dem Unternehmen als (vermutetem) Ver-ursacher dieser Verunreinigungen nunmehr den Erlass eines Verwal-

tungsaktes an, mit dem umfangreiche Abhilfemaßnahmen zur Grundwas-sersanierung verlangt werden sollten.

Nach dem einschlägigen Bundes- Bodenschutzgesetz trifft die Verant-wortung für schädliche Bodenverän-derungen und von diesen verursachte Verunreinigungen des Grundwassers u.a. den Verursacher, aber auch den

Belastende AltlastenDer Wert eines Grundstücks hängt – das ist eine alte Weisheit – ganz maßgeblich von seiner Lage und seinem Zustand ab. Vor allem die vorhandene Bebauung, die für die möglicherweise

angestrebte Anschlussnutzung beseitigt oder angepasst werden muss, kann erhebliche Investitionen erfordern. Darüber hinaus kann aber auch der Zustand des Bodens den Grundstückswert signifikant

beeinflussen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er verunreinigt ist und deswegen entweder Maßnahmen zur Gefahrenabwehr notwendig werden oder der derzeitige Zustand die angestrebte

Anschlussnutzung nicht erlaubt.

Dr. Hans-Jörg Schulze

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Dr. Anna Vorspohl

Verbraucherschutz ja, aber wo bleibt eigentlich der

Unternehmerschutz?

Die Europäische Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie bestimmt seit nunmehr 15 Jahren den Rechtsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Der Europäische Gesetzgeber

hatte es sich zum Ziel gemacht, dem Verbraucher europaweit ein möglichst einheitliches hohes Schutzniveau zu bieten. Unternehmer haben sich seitdem mehr und mehr mit einem

wahren Paragraphendschungel auseinanderzusetzen. Verständlicherweise verlieren nicht wenige bei all den Vorschriften zu Widerrufsrechten, Allgemeinen Geschäftsbedingungen

und Gewährleistungsrechten der Verbraucher schnell den Durchblick.

Der Europäische Gerichtshof und der Verbraucher, so scheint es, sind über die Jahre beste Freunde gewor-den. Sobald es gilt, die Interessen des Verbrauchers zu wahren, scheint der EuGH kein anderes Argument mehr gelten lassen zu wollen als das des Verbraucherschutzes.

So muss der Verbraucher bei-spielsweise seit dem Quelle-Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Falle der Rückabwicklung eines Kaufver-trages keinen Nutzungsersatz mehr für den Gebrauch einer gekauften Sache zahlen. Immerhin habe der Verkäufer – so der EuGH – die Ver-pflichtung zur Lieferung einer man-gelfreien Sache übernommen und müsse daher auch für alle Folgen der Lieferung einer mangelhaften Sache einstehen.

Erwirbt der Käufer eine Sache und stellt sich nach Einbau dieser Sache (wohlgemerkt durch den Käufer) he-raus, dass sie mangelhaft ist, so muss der Verkäufer laut EuGH sowohl die Ausbaukosten der mangelhaften Ware – z. B. Parkettstäbe oder Fliesen – als auch die Einbaukosten der man-gelfreien (und natürlich kostenfrei zu liefernden) Ersatzware tragen, selbst wenn ursprünglich nur die Lieferung der Ware, nicht aber deren Einbau ge-schuldet war.

Besonders spektakulär ist ein Ur-teil des EuGH aus dem Jahre 2015. In dem Fall, der in den Niederlan-den spielte, hatte eine Käuferin einen PKW erworben, der innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe Feuer fing und vollständig ausbrann-te. Obwohl feststand, dass der PKW im Zeitpunkt der Lieferung unver-sehrt war, muss der Verkäufer nach Ansicht des EuGH beweisen, dass der Mangel nicht aus seinem Bereich her-rührt, sondern von der Käuferin ver-

ursacht wurde (z. B. durch fehlerhafte Bedienung). Wie sollte der Verkäu-fer dieses Wunder aber vollbringen? Schließlich war das Auto als „Be-weisstück“ völlig ausgebrannt. Pech gehabt – hierauf nahm der EuGH jedenfalls keine Rücksicht.

Die Konsequenzen und Folgen für den unternehmerischen Verkäu-fer sind erheblich. Durch die Recht-sprechung des EuGH wird dem Ver-braucher (mittlerweile) ein Schutz geboten, der über das hinausgeht, was von der europäischen Richtlinie gefordert wird: Denn bereits an sich verbraucherschützende Vorschriften werden von den Gerichten zudem verbraucherfreundlichst ausgelegt.

Der Unternehmer muss sich die-sen Anforderungen im gesamten geschäftlichen Verkehr stellen:

Das beginnt schon bei der Be-werbung seiner Produkte, die nicht irreführend sein darf. So hat das OLG Stuttgart beispielsweise am 03.11.2016 entschieden, dass die Bewerbung von Bierspezialitäten als „bekömmlich“ unzulässig ist, weil sie dem Konsumenten den Eindruck vermittele, dass das beworbene Pro-dukt auch bei längerem Konsum in keiner Weise schade. Das Wort „be-kömmlich“, so das OLG Stuttgart, sei ein Versprechen gegenüber dem Verbraucher.

Bei Vertragsschlüssen im Internet ist der Verbraucher ferner ordnungs-gemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren. Wie eine solche Wider-rufsbelehrung auszusehen hat, war zumindest in der Vergangenheit kei-ne einfach zu beantwortende Frage. Jedenfalls meinten einige Gerichte, selbst der Gesetzgeber sei an dieser Aufgabe gescheitert. So wurde das amtliche Muster für eine Widerrufs-belehrung vorsorglich neu gefasst,

nachdem Zweifel an dessen Verein-barkeit mit höherrangigem Recht aufgekommen waren.

Aber selbst wenn es nach den Mühen der Vertragsanbahnung zum eigentlichen Vertragsschluss kommt, stellen sich für den Unternehmer neue verbraucherschützende He- rausforderungen. Denn wenn Unter-nehmer bei Vertragsschluss vorfor-mulierte Muster verwenden, haben sie zudem AGB-rechtliche Vorgaben zu beachten. Aber selbst wenn sich der Unternehmer gegen die Verwen-dung vorformulierter Bedingungen entscheidet, hat er gleichwohl nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, die gesetzlich vorgesehenen Gewähr-leistungsrechte des Käufers zu be-schränken.

Er sollte daher im ureigensten Interesse die Kaufsache vor Übergabe an den Käufer bestmöglich unter- suchen und etwaige Mängel dem Käufer offenlegen.

Da stellt sich dem unvorein- genommenen Betrachter eigentlich nur noch eine Frage: Wo bleibt heute eigentlich der Unternehmerschutz?

Haben Sie genau diese oder ande-re Fragen? Wir helfen Ihnen gern.

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