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SELEKTIVKOSMETIK Themen – Trends – Thesen Eine Sonderpublikation von MARKENARTIKEL Das Magazin für Markenführung

SelektivkoSmetik · 2020. 4. 5. · metik geht. SeiDel: Und das wird er bleiben. Als Präsident des Kos-metikverbandes ist es mein Ziel, exzellente Verbands-arbeit auf hohem Niveau

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SelektivkoSmetikthemen – trends – thesen

eine Sonderpublikation von mARkeNARtikel – Das magazin für markenführung

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Exquisite Düfte, wertvolle Cremes, hochwertige Lippenstifte oder aber trendige Nagellacke in ausgefal-lenen Verpackungen sind heutzutage ein Stück kleiner Luxus im Alltag. Kosmetik hat für nahezu alle Menschen eine Relevanz; Schönheit ist ein Ideal nach dem Viele streben. Ein gepflegtes Äußeres wird mit Dynamik und Erfolg assoziiert. Die Kosmetikwirtschaft hat sich so zu einem bedeutenden Wirt-schaftsfaktor entwickelt.

Der VKE-Kosmetikverband vertritt seit mehr als 60 Jahren die Fachinteressen der mit der Vermarktung von Parfums und Kosmetik befassten Hersteller und Distributeure des selektiven Vertriebssegments. Aktuell sind rund sechzig Unternehmen Mitglied. Diese realisieren mit über 250 Marken wie zum Beispiel Boss, Burberry, Chanel, Clarins, Clinique, Dior, Jean Paul Gaultier, Lancôme, Shiseido, Versace und Börlind einen Deutschlandumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Arbeitsschwerpunkte des VKE unter dem Motto »Selektivvertrieb stärken, fairen Leistungswettbewerb bewahren« sind, neben der Stärkung des Eigenverständnisses der Depotkosmetik innerhalb eines klaren ordnungspolitischen Rahmens, die Gestaltung der Beziehungen Industrie und Handel, der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie, die Eindämmung der Graumärkte und die Schaffung eines positiven Bewusstseins für gehobenen Konsum.

Der Handel mit Markenfakes und sogenannter Graumarktware von nicht autorisierten Online-Shops stellt in diesem Zusammenhang ein oftmals unterschätztes Problem dar. Daher hat der VKE-Kosmetik-verband ein Qualitätssiegel initiiert, das ausschließlich offiziell autorisierten Handelspartnern zur Kennzeichnung ihrer Homepage zur Verfügung gestellt wird. Unseriösen Plattformen und dubiosen Anbietern von Kosmetik im Internet soll damit Einhalt geboten werden. Auch das ist ein ganz ent-scheidender Schritt zu mehr Verbrauchersicherheit und dem Schutz der Rechteinhaber.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für unsere Branche haben wir in dem vorliegenden Heft zusammengefasst. Ich wünche Ihnen angenehme Lektüre

Ihr

»

martin Ruppmann

Geschäftsführer vke-kosmetikverband, Berlin

Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.

Wilhelm von Humboldt

3

eDitoRiAl vke-kosmetikverbandmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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kosmetik: ein markt in Bewegung 6

Recht: Branche stärken 18

VKE: KosmEtiK im FoKus

martin Ruppmann, vke-kosmetikverband: Selektivvertrieb stär-

ken, fairen leistungswettbewerb bewahren

interview: vke-Präsident Stephan Seidel und vke-Geschäftsführer

martin Ruppmann über trends und entwicklungen in der Branche

'Autorisierter online-Händler': Neues online-Siegel schafft

verbrauchersicherheit

Historie: Die kultur des Schönen pflegen, interessen der Hersteller

selektiver kosmetikprodukte in Gesellschaft und Politik vertreten

Zeit der gesteigerten lebensqualität: trends und Wertewandel im

kosmetikmarkt der Zukunft

Selektivvertrieb: kartellrechtliche Rahmendaten anpassen

mehrwert schaffen: internet wird als informations- und inspirati-

onsquelle immer wichtiger

Der vke-kosmetikverband, Berlin wurde 1952 in frankfurt am main gegründet und nimmt die gemeinsamen

Berufs- und fachinteressen der Distributeure bzw. Hersteller selektiv vertriebener Duft- bzw. kosmetikpro-

dukte in Deutschland wahr. mitglieder des vke sind heute fast 60 deutsche vertriebstöchter ausländischer

Stammhäuser bzw. inländische kosmetikproduzenten, die über 250, zum teil weltbekannte marken und

einen Umsatz von mehr als zwei milliarden euro in Deutschland repräsentieren.

www.kosmetikverband.de

vke-kosmetikverband

iNHALtmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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»VKE-Kosmetikverband«markenartikel-sonderheft Januar 2014

Herausgeber:VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V.unter den Linden 4210117 Berlintel. +49 30/206168-22 Fax. +49 30/206168-722 E-mail: [email protected]

Produktmanagement:Antje Brüne martin Ruppmann

Verlag:New Business Verlag GmbH & Co. KGNebendahlstr. 1622041 HamburgFon: 040 / 60 900 9-0Fax: 040 / 60 900 9-15E-mail: [email protected]

Chefredakteur: Peter strahlendorf (ps)Chef vom Dienst: Vanessa Göbel (vg)

Redaktion: uwe Käckenhoff (kae)torsten schöwing (tor)Autoren dieser Ausgabe (s. gekennzeichnete Beiträge)

Grafik/Layout: Daniela Rocksintitelgestaltung: Anne Allert (Fotos: fotolia)

Geschäftsführung: Antje-Betina Weidlich-strahlendorfAnzeigenleitung: Jens Jansen (-52)Anzeigendisposition: silke-Reyher-timmann (-54)Vertriebsmarketing: Birgit Jessen (-62)Vertrieb: Angelika schmidt (Ltg. -65), ingrid siegmund

Anzeigen-Preisliste: Nr. 35 vom 1. Januar 2012issN: 0342-1236

Bankverbindung: Hamburger sparkasse 12 17 / 13 13 23 (BLZ 200 505 50)Commerzbank 48 22 821 (BLZ 200 400 00)ust.-id.-Nr.: DE 217 920 773

Das Heft und alle enthaltenen Beiträge sind urheber-rechtlich geschützt. mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist die Verwertung nur mit schriftlicher Einwilligung des Verlages erlaubt.

Für unverlangt eingesandte manuskripte, Datenträger und Fotos wird keine Haft ung übernommen. Namentlich gekennzeichnete Fremdbeiträge geben nicht unbedingt die meinung der Redaktion wieder.

Copyright markenartikel 2014

Druck: Lehmann offsetdruck GmbH, Norderstedt

imPREssum

Werbung: trends und entwicklungen38

kaufprozess: internet wird als informations- und inspirations-

quelle immer wichtiger

interview: Steffen Seifarth, Coty Prestige, über den kampf gegen

Produkt- und markenpiraterie und das engagement der Branche

interview: Susanne Rumbler, Beauté Prestige international, über Düf-

te bekannter Designer und den Hauch der verführung

interview: Andreas Sistig, Shiseido Deutschland, über die Zusam-

menarbeit mit dem Handel und das thema Wertschöpfung

interview: Rolf Sigmund, l’oréal luxe, über luxuskosmetik in der Wer-

bung und die Besonderheiten der unterschiedlichen Werbekanäle

interview: michael lindner, Annemarie Börlind, erläutert, worauf es

bei grünen Produkten ankommt und warum Authentizität trumpf ist

Überblick: informationen zum vke-kosmetikverband

Nachhaltigkeit: konsequent und authentisch40

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vke-kosmetikverbandiNHAltmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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Kompetent und konsequent Der VKE-Kosmetikverband steht seinen Mitgliedern in politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite. Präsident Stephan Seidel und Geschäftsführer Martin Ruppmann sprechen über die Herausforderungen des Marktes.

mARkeNARtikel: Vor über 60 Jahren wurde der VKE-Kos-metikverband gegründet. Was waren in diesen Jahren einschneidende Veränderungen in der Kosmetikbranche? StePHAN SeiDel: Das ist ein langer Zeitraum, und die Veränderungen gehen seit Ende der 1990er-Jahre im-mer schneller vonstatten. Die Halbwertszeit für In-novationen hat sich dramatisch verkürzt, und die Verbraucher sind informiert wie noch nie. Unsere Branche ist insofern mit einer herausfordernden Mi-schung aus gesellschaftlichen, technologischen, han-delspolitischen und rechtlichen Entwicklungen kon-frontiert, die alle auf ihre spezifische Art und Weise unseren Markt beeinflusst haben beziehungsweise weiterhin massiv beeinflussen.

mARkeNARtikel: Können Sie diese Entwicklungen er-läutern?SeiDel: Beispielsweise ist es spannend zu beobachten, wie sich die Einstellung von Männern zu Kosmetik ver-ändert hat. Was heute fast selbstverständlich erscheint – etwa eigene Pflegeprodukte, der Besuch im Kosme-tikstudio und vielleicht sogar die Verwendung von Ge-sichtspuder – war vor gut zehn Jahren nur etwas für eine sehr kleine Randgruppe. Oder nehmen Sie die wei-terentwickelten Möglichkeiten, hochwirksame Inhalts-stoffe zu gewinnen, die den Konsumenten neue, fort-schrittliche Produkte beschert haben. Aber auch die zunehmende Konzentration im Handel hat den Markt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder sehr be-einflusst, bewegt ihn weiterhin und macht ihn in man-cher Hinsicht leider recht unbeweglich.

mARkeNARtikel: Die Zusammenarbeit mit dem Handel gehört zu einem der wichtigsten Knackpunkte bei der Arbeit des VKE-Kosmetikverbandes...mARtiN RUPPmANN: Dem VKE als Fachverband geht es in seiner Arbeit vor allem darum, das Verständnis für De-potkosmetik zu stärken und auf allen politischen, wirt-schaftlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ebe-

nen zu manifestieren. Kernpunkte unserer Tätigkeit als wichtiger Meinungsbildner der Branche sind dem-zufolge der Erhalt und die Festigung des selektiven Ver-triebssystems, der Schutz der Marke sowie die Infor-mation der Verbraucher. Und ja, besonders wichtig ist uns dabei auch die Sicherstellung einer fachlich kompe-tenten, autorisierten, im Sortiment umfassenden, qua-litativ hochwertigen Distribution.SeiDel: Die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von Markenwerten am POS durch entsprechende Kom-munikation mit unseren Handelspartnern ist uns sehr wichtig. Im Fokus steht dabei die konstruktive Ausge-staltung der Beziehungen zwischen Industrie und Han-del. Dies ist nicht immer einfach und erfordert erheb-liches Beharrungsvermögen.

vke-Präsident Stephan Seidel

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vke-kosmetikverband im GeSPRäCH mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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mARkeNARtikel: Der VKE setzt sich damit klar für die Belange der Industrie ein.RUPPmANN: Die Bedeutung und Verwendung von Kosme-tik in unserer Gesellschaft hat zugenommen und damit verbunden natürlich auch die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Interessen der Beteiligten. Wich-tig ist uns, in dem für uns relevanten Umfeld gehört zu werden. Dazu gehört es auch, Themen unter Umstän-den gar nicht erst groß zu machen. Wir agieren häu-fig schon im Vorfeld beratend und vermittelnd – aber eher im Hintergrund. Dabei kommt es beispielsweise darauf an, die bilateralen Beziehungen zwischen Han-del und Industrie zu gestalten und dort konsequent tä-tig zu werden, wo es angemessen, notwendig und na-türlich juristisch einwandfrei möglich ist.

mARkeNARtikel: Haben Sie ein Beispiel?RUPPmANN: Seinerzeit haben wir etwa unsere Mitglieder mit Rat und Tat durch die Karstadt-Insolvenz beglei-tet. Auch können immer wieder unberechtigte Han-delsforderungen zurückgewiesen werden. Zudem ist der VKE durch konsequente PR-Arbeit sicherlich ei-ne bedeutende Stimme, wenn es um das Thema Kos-metik geht.SeiDel: Und das wird er bleiben. Als Präsident des Kos-metikverbandes ist es mein Ziel, exzellente Verbands-arbeit auf hohem Niveau zu bieten und dabei – un-ternehmerisch gedacht – notwendige Anpassungen, Modernisierungen oder auch Optimierungen vorzu-nehmen. Wir arbeiten insgesamt immer strategischer. Die Mitglieder bringen sich dabei in erfreulicher Weise ein und das Vorstandsteam ergänzt sich ideal.

mARkeNARtikel: Beste Voraussetzungen, um den Heraus-forderungen des Marktes zu begegnen.SeiDel: Zu unseren Tätigkeitsschwerpunkten gehören ja insbesondere auch die Eindämmung des Graumarktes und der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie sowie das Eintreten für die Wahrung selektiver Ver-

mARkeNARtikel: Klingt, als seien die Beziehungen zum Handel nicht immer unproblematisch. Welche Heraus-forderungen gibt es? SeiDel: Ich glaube, unsere Branche ist überwiegend von einer zielorientierten Zusammenarbeit zwischen Lie-feranten und dem Einzelhandel geprägt. Natürlich gibt es immer wieder Punkte, wo es gewaltig knirscht. Punkte, wo handelsseitig Ideen entwickelt, Konzepte versucht oder Forderungen erhoben werden, die einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten. Hier werden wir als Verband im Sinne unserer Mitglieder aktiv und versuchen, im gebotenen Rahmen des Kartell-rechts tragfähige Lösungsangebote zu entwickeln. Ei-ne besondere Herausforderung sind in diesem Zusam-menhang sicherlich die fortgesetzte Preisfokussierung des Handels, die teilweise unbefriedigende Inszenie-rung von Markenwelten und eine unangemessen do-minante Eigenmarkenpolitik.RUPPmANN: Zwei Projekte, die wir deshalb in enger Zu-sammenarbeit mit dem Handel umgesetzt haben be-ziehungsweise gerade umsetzen, sind die Multi-Cli-ent-Studie »Duft & Kosmetik« zur Wahrnehmung des Parfümerie-Angebotes aus Kundensicht und der Bran-chenguide »Stammdatenaustausch Selektive Kosmetik«.

mARkeNARtikel: Welche Ziele verfolgen Sie mit den bei-den Initiativen?RUPPmANN: Im Rahmen der Multi-Client-Studie wur-den unter anderem Erkenntnisse zum Einkaufsverhal-ten und zum Thema Einkaufserlebnis gewonnen, die jetzt fundierte Hilfestellung bei der Optimierung des Category Managements bieten. Beim Branchenguide geht es darum, umfassende Möglichkeiten aufzuzei-gen, wie insbesondere auch kleine und mittlere Unter-nehmen auf Basis bewährter Standards Artikelstamm-daten austauschen, ihre Prozesseffizienz erhöhen, eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit generieren und durch erhöhte Kundenzufriedenheit eine verbesserte Kunden-bindung erreichen können.

vke-Geschäftsführer martin Ruppmann

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vke-kosmetikverbandim GeSPRäCHmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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triebssysteme. Hier gibt es noch viel zu tun – und das können wir nur gemeinsam schaffen.RUPPmANN: In diesem Zusammenhang ist auch enorm wichtig, einen klaren ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, in dem wir mit unseren Geschäftspartnern auf der Basis eines fairen Leistungswettbewerbs perspek-tivisch agieren können. Selektive Vertriebssysteme mit ihren Feinheiten, die allen Beteiligten zugute kommen – also Industrie und Handel Wertschöpfung generie-ren lassen und den Konsumenten ganz besondere Ein-kaufserlebnisse mit erheblichem Mehrwert verschaffen –, müssen auch weiterhin möglich sein. Und mit Blick auf die Produkt- und Markenpiraterie fordern wir die konsequente Umsetzung der vorhandenen, erfreulicher-weise optimierten, gesetzlichen Vorschriften zur Ein-dämmung gewerblich begangener Schutzrechtsverstöße.

mARkeNARtikel: Forderungen, die sicher Gehör finden sollten. Schließlich ist der Wirtschaftsfaktor Kosme-tik hierzulande nicht unerheblich. SeiDel: Der VKE hat heute über 50 namhafte Mitglieds-unternehmen und repräsentiert einen Einverkaufs-Um-satz von mehr als zwei Milliarden Euro in Deutschland. Unsere Mitglieder und deren Zulieferer, aber auch un-sere Partner aus dem Handel, den Agenturen und den Medien stehen für tausende Arbeitsplätze. Und wir ge-hen auch für die Zukunft von einer kontinuierlich posi-tiven Entwicklung aus. Wichtig ist natürlich außerdem die gesellschaftliche Bedeutung von Kosmetik.

mARkeNARtikel: Wie meinen Sie das?SeiDel: Wer jeden Tag mit dem Thema Schönheit zu tun hat, weiß, wie elementar die Bedeutung von gutem Aussehen für nahezu alle Menschen ist. Und ich meine nicht nur diejenigen, die sich täglich an einem guten Duft erfreuen, die Spaß an den aktuellen Nagellack-farben haben und damit Akzente setzten, die vielleicht ein paar Hautunreinheiten mit einem neuen Make-up kaschieren oder diejenigen, die sich mit einer hochwer-tigen Pflege puren Luxus gönnen. Ich meine insbeson-dere die Frauen, die eine gesundheitlich bedingte Krise durchleben. Auch hier kann Kosmetik helfen, wieder ein Stück mehr Lebensqualität zu erlangen.

mARkeNARtikel: Inwieweit hat sich das Verbraucherver-halten denn mit den Jahren verändert – und was be-deutet das für die Vermarktung von Selektivkosmetik?SeiDel: Die Verbraucher sind informierter und kri-tischer, sehr qualitäts- und zugleich äußerst preisbe-

wusst. Zudem sind die Erwartungen an die Indus-trie immer weiter gestiegen: Neue Produkte müssen immer noch wirksamer sein. Für die Vermarktung der Selektivkosmetik bedeutete dies, auf Basis inhalt-lich überdurchschnittlicher Produkte die richtige Ver-braucheransprache zu finden, um die Glaubwürdig-keit und Begehrlichkeit unserer Marken nachhaltig im Bewusstsein zu verankern und den Mehrwert klar zu kommunizieren.

mARkeNARtikel: In diesem Zusammenhang spielt auch das Internet zunehmend eine wichtige Rolle. Wie sieht Ihrer Meinung nach das optimale Zusammenspiel zwi-schen On- und Offline aus? SeiDel: Auf die weite Zukunft gesehen, wäre das bei der rasanten Entwicklung neuer Technologien und Mög-lichkeiten ein Blick in die Glaskugel. Mittelfristig und zum Teil auch kurzfristig bin ich jedoch sehr optimi-stisch, dass gerade die Kosmetikbranche prädestiniert ist für ein gutes Miteinander von On- und Offline. Das bestätigen aktuelle Untersuchungen zu diesem Thema. Sie zeigen, dass Duft und Kosmetik vom Look and Feel und der Beratung im stationären Fachhandel le-ben. Nachkäufe bzw. Ergänzungen erfolgen zusätzlich im Internet.

mARkeNARtikel: Wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft werfen: Welches sind die größten Herausforderungen, denen sich der VKE künftig stellen muss?RUPPmANN: Das Tagesgeschäft hält immer wieder aufs Neue grundlegende Herausforderungen bereit. Wir sehen uns als aufmerksamer Marktbeobachter, der Trends und Entwicklungen aufgreift, analysiert, aufbereitet, diskutiert und Handlungs- oder Reakti-onsmöglichkeiten ableitet. Das Thema Online- oder Multichannel-Handel ist und bleibt auf absehbare Zeit eines der schwierigen Themen, weil es äußerst vielschichtig ist. Zudem ist Nachhaltigkeit ein wich-tiges Gebiet, das stark mit dem gesellschaftlichen Wertewandel verbunden ist und immer mehr Ein-zug auch in unsere Branche hält. Der VKE als Inte-ressenvertreter der Selektivkosmetik muss sich daher den sich verändernden Rahmenbedingungen anpas-sen und neuen Themen stellen. Verbandsarbeit ist eben nicht statisch, sondern in unserem Fall außer-ordentlich dynamisch.

interview: vanessa Göbel

Wir müssen die Glaubwürdigkeit und Begehrlichkeit unserer Marken nach- haltig im Bewusstsein zu verankern. »

Stephan Seidel, vke-Präsident

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vke-kosmetikverband im GeSPRäCH mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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online-siegel schafft VerbrauchersicherheitDas vom VKE-Kosmetikverband initiierte Siegel 'Autorisierter Online-Händler' soll den Internethandel mit gesundheitsgefähr-denden Markenfälschungen und Graumarktware, die oft überaltert ist und damit Qualitätsstandards nicht mehr genügt, eindämmen.

»AB SofoRt können autorisierte Vertragshändler un-serer Mitgliedsunternehmen ihre Online-Shops über das vom VKE-Kosmetikverband initiierte Siegel 'Au-torisierter Online-Händler' auf der Startseite kenn-zeichnen«, sagt Martin Ruppmann, VKE-Geschäfts-führer. »So erhalten die Verbraucher die Sicherheit, dass es sich um einen seriösen Online-Shop handelt, der auf vertraglicher Basis qualitativ einwandfreie und sichere Originalprodukte verkauft.«

siegel für mehr Verbrauchersicherheit Der VKE-Kosmetikverband warnt seit Jahren vor dem Kauf minderwertiger Kosmetika im Internet. Marken-fakes oder überlagerte beziehungsweise beschädigte Waren aus Parallelmärkten werden dort sehr häufig – oftmals auf Online-Plattformen/Marktplätzen – ange-boten. Für den Käufer ist es praktisch unmöglich, hier Original und Fälschung voneinander zu unterschei-den oder aber die wirkliche Qualität der Waren im

Vorfeld zu erkennen. Die Einführung des Siegels soll den Erwerb des hochwertigen, sicheren Originals ga-rantieren und damit der Verbrauchersicherheit dienen. Von Seiten der Handelspartner wird die Initiati-ve des VKE-Kosmetikverbands und seiner Mitglie-der ausdrücklich begrüßt. Als erste Händler verwen-den Anschlusshäuser der Einkaufs-Kooperation Beauty Alliance, Bielefeld, seit Dezember 2013 das Siegel 'Autorisierter Online-Händler' bei ihren Web-Shops.

orientierungshilfe für die KonsumentenDer Fachhändler mit seiner umfassenden Beratungs-leistung spielt im selektiven Kosmetikvertrieb eine ent-scheidende Rolle. Das Siegel stärkt diese wichtige Po-sition. Damit die hohe Fachhandelskompetenz aber auch im Multichannel-Handel für die Konsumenten deutlich wird, müssen sie wissen, welcher Internet-Shop sicheres Einkaufen gewährleistet. Ohne aner-kanntes Siegel funktioniert das leider nicht mehr.

Das Siegel gibt den verbrauchern die Sicherheit, dass sie einwandfreie Ware erwerben.

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vke-kosmetikverbandGÜteSieGelmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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DeUtSCHlAND Nimmt ZUm eRSteN mAl seit Kriegs-ende wieder an den Olympischen Spie-len teil. Die Insel Helgoland kommt wieder unter deutsche Verwaltung. Ja-pan und die Bundesrepublik nehmen diplomatische Beziehungen auf. Bun-despräsident Heuss und Bundeskanz-ler Adenauer einigen sich auf das »Deutschlandlied« als Nationalhym-ne. Die Bundesrepublik wird Mitglied des Internationalen Währungsfonds

und der Weltbank. Und der deut-sche Theologe und Missions-

arzt Albert Schweitzer erhält für sein Wirken den Frie-densnobelpreis. Würde man all diese Ereig-

nisse aus dem Jahre 1952 unter eine gemein-

same Formel brin-gen, könnte sie lauten: Rück-kehr zur Nor-malität. Inter-national gewann

Deutschland nach den Gräueltaten des

Zweiten Weltkrieges wieder an Ansehen, und der Wiederaufbau des zerstörten Landes lief auf Hochtouren. Wirtschaftswunder lautete das Wort der Stunde. Beste Rahmenbe-dingungen also, um im gleichen Jahr in Frankfurt am Main ei-

Die Kultur des schönen pflegenAls Interessenvertretung für hochwertige Kosmetika ist der VKE-Kosmetikverband 1952 an den Start gegangen. Seitdem hat sich nicht nur der gesamte Kosmetikmarkt, sondern auch das Aufgaben-spektrum des Verbandes stetig gewandelt und vergrößert.

Der Griff zum Schminkpinsel

ist für frauen inzwischen eine

Selbstverständlichkeit.

Foto: iStock Photo

ne Interessenvertretung für hochwertige Kosmetika zu gründen, den Verband der kosmetischen Einfuhr-firmen (VKE). Denn mit der zunehmenden Norma-lisierung des Alltags nach dem Krieg entstand immer stärker der Wunsch, wieder die Kultur des Schönen zu pflegen und zu leben – mit Genuss, Stil und Lei-denschaft. Und genau für diese Werte steht der VKE von Anfang an.

sprachrohr für Genuss, stil und LeidenschaftDie Organisation, die Anfang 2007 ihren Sitz nach Berlin verlagerte, vertritt heute wie damals die ge-meinsamen Berufs- und Fachinteressen der mit der Vermarktung von Parfums, Kosmetik und Körperpfle-geprodukten befassten deutschen Distributeure und Herstellerfirmen. Die Zahl der Mitglieder wuchs dabei über die Jahre auf heute knapp 60 vorwiegend selektiv vertreibende Tochterunternehmen ausländischer Stammhäuser be-ziehungsweise deutsche Kosmetikanbieter, die zusam-men mehr als 250 zum Teil weltbekannte Marken an-bieten und einen Deutschland-Umsatz von über zwei Milliarden Euro repräsentieren. Der Verband vertritt dabei vor allem die Anbieter von Kosmetika des mittleren, hohen und höchsten Preis-segments. Entscheidend sind aber keinesfalls Größe oder Umsatz der Einzelunternehmen, sondern die Ein-haltung der qualitativen Kriterien des beratungsinten-siven selektiven Vertriebs. Bei seiner Arbeit geht es dem VKE seit Anbeginn vor allem darum, das Eigenverständnis der Depotkos-metik zu stärken und auf allen politischen und wirt-schaftlichen Ebenen zu manifestieren. Stark im Fokus steht dabei, die Position des selektiven Vertriebssy-stems weiter zu festigen und Imagepflege für den ge-hobenen Konsum zu betreiben. Sichergestellt werden soll eine fachlich kompetente, autorisierte, im Sorti-ment umfassende, qualitativ hochwertige und trotz-dem breite Distribution – ein Anspruch, den besonders

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vke-kosmetikverband veRBANDSHiStoRie mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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vom Zoll in Deutschland gefälschte Waren im Wert von 22,7 Millionen Euro sichergestellt – bei einer ver-mutet sehr hohen Dunkelziffer gefälschter Kosmetika, die über nicht autorisierte Vertriebswege, etwa Inter-net-Auktionsplattformen, ihren Weg zum Verbrau-cher finden. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den Schwer-punkten der VKE-Arbeit: Der Verband ist Ansprech-partner für alle Medien, wenn es beispielsweise um hochwertige Kosmetik, quantitative und qualitative Trends und Entwicklungen im Markt sowie Konsu-mentenverhalten geht. Zudem versteht man sich als kompetenter Ansprech-partner im Falle diskriminierender oder diffamie-render Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Bei-spiel durch fragwürdige Berichte über vermeintlich gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe. Mit Hilfe von Experten aus Forschung und Wissenschaft erhalten die betroffenen Mitgliedsfirmen fundierte Argumen-tationshilfen. Doch auch ein wenig Glamour erlaubt sich der VKE: Der Verband koordiniert die Arbeit der Fragrance Foundation Deutschland, um der Banalisierung des Kulturguts Parfum entgegenzutreten und die Faszina-tion Parfum zu fördern – etwa durch die jährliche Ver-leihung des deutschen Parfumpreises »DUFTSTARS« im Rahmen einer hochkarätigen Galaveranstaltung in Berlin.

auch der im Januar 2001 gegründete Arbeitskreis »Se-lektiver Vertrieb und Recht« verfolgt. Gestärkt werden sollen insbesondere auch das Anspruchsbewusstsein und der Produktinformationsgrad beim Verkaufsper-sonal in dem deutschen Parfümiehandel.

Verbraucherschutzstandards sicherstellenEin weiteres Tätigkeitsfeld des VKE als Industriever-band und damit Informationsdrehscheibe zwischen Experten aus Wissenschaft, Handel, Endverbrau-chern, Verbänden und den Regierungsinstitutionen ist, die Einhaltung der hohen europäischen Verbrau-cherschutzstandards sicherzustellen. Ein anderes zen-trales Anliegen ist die Bekämpfung der Produktpirate-rie beziehungsweise der Einfuhr von Kosmetika über sogenannte Graumärkte sowie die Bewahrung eines fairen Wettbewerbs im Kosmetikmarkt. In diesem Zusammenhang spielt die 2001 mit dem Markenverband eingegangene enge Kooperation ei-ne wichtige Rolle. Gemeinsam wurden gleich gelagete vertriebs- und markenpolitische Interessen gebündelt, ebenso die vorhandene Expertise auf dem Gebiet des Markenaufbaus, der Markenpflege und vor allem des Marken- sowie Kartellrechts. Produkt- und Markenpiraterie wird dabei als innova-tionsfeindlich, Gefahr für die Verbrauchersicherheit und Arbeitsplatzvernichter bekämpft. Allein 2012 wurden im Produktsegment Parfum und Kosmetik

ich kaufe aus

Überzeugung

immer die

gleiche marke

ich habe eine

bestimmte Aus-

wahl von marken,

zwischen denen

ich je nach lust

und laune aus-

wähle

ich habe eine be-

stimmte Auswahl

von marken, unter

denen ich diejeni-

ge aussuche, die

gerade besonders

preisgünstig ist

ich nehme im-

mer das Preis-

günstigste,

ohne auf die

marke zu

achten

kaufe ich nie

Dekorative kosmetik make-up, Nagel-

lack, lippenstift, Wimperntusche usw.

14 % 41 % 25 % 10 % 9 %

Gesichtspflege tagescreme, Nacht-

creme, Reinigungs-milch, Gesichts-

maske usw.

31 % 33 % 24 % 8 % 4 %

körperpflege Seife, Deodorant, Bade-/

Duschzusätze usw.

14 % 39 % 34 % 13 % 0 %

Haarpflege Shampoo, Haarkur, Haar-

spray, tönungsmittel usw.

23 % 37 % 30 % 9 % 0 %

Düfte Parfüm, eau de Cologne, eau de

toilette

18 % 48 % 23 % 6 % 6 %

Sonnenschutzmittel 18 % 25 % 32 % 18 % 7 %

Zahnpflege Zahnpasta, mundwasser,

Zahnbürste usw.

27 % 30 % 29 % 14 % 0 %

Basis: 29,99 Mio. Frauen zwischen 14 und 70 Jahren

KoNsumENtiNNEN ZWisCHEN mARKENtREuE uND PRoBiERLust

Setze frau früher meist auf eine einzige lieblingsmarke, wählt sie heute nach lust, laune und Preis aus einer Gruppe verschiedener Produkte.

Que

lle:

Bri

gitt

a K

A 2

012

11

vke-kosmetikverbandveRBANDSHiStoRiemARkeNARtikel SoNDeRHeft

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Ein markt in steter BewegungDie Relevanz der VKE-Arbeit zeigen nicht zuletzt die Zahlen. In einer repräsentativen Umfrage haben der Verband und TNS Infratest 1045 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren zu ihren persönlichen Verwendungsgewohnheiten von Duft befragt.Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Män-ner gaben dabei an, täglich Eau de Toilette oder Eau de Parfum zu verwenden. Für jeden Zweiten ist die Verwendung damit tägliche Routine. Bei den 18- bis 34-Jährigen greifen sogar genau so viele Männer wie Frauen täglich zum Duft. Auffällig dabei: Selten- bzw. Nicht-Verwender gibt es nur wenige. Lediglich jeder fünfte Mann und noch weniger der Frauen verwenden niemals Eau de Toilette oder Eau de Parfum.Die Verwendung von Düften ist also für die meisten Menschen selbstverständlich geworden – nur noch wenige können sich einen Verzicht darauf vorstellen. Zwischen Frauen und Männern zeigen sich dabei nur geringfügige Unterschiede: Besonders bei den jungen Männern ist die Verwendung genauso selbstverständ-lich wie bei den Frauen.Auch wurden von VKE und TNS Infratest 507 Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren zu den Verwen-dungsgelegenheiten dekorativer Kosmetik befragt. Da-bei beantworteten 22 Prozent der Konsumentinnen die Frage, zu welchen Gelegenheiten sie die von ih-nen verwendete dekorative Kosmetik auftragen, mit »immer«. Zu Hause oder beim Sport legen Frauen je-doch deutlich weniger Wert darauf, sich zu schmin-ken: Im Durchschnitt gaben hier nur knapp 8 Prozent der Frauen an, dekorative Kosmetik aufzutragen. Ver-lassen sie das Haus, ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild: Bereits bei alltäglichen Dingen wie dem Einkauf gaben 22 Prozent an, sich zu schminken.

Total Alter

18 - 34 35 - 54 55 - 64

Täglich oder fast täglich

3-4 Mal pro Woche

1-2 Mal pro Woche

1-2 Mal im Monat

Seltener als einmal im Monat

Nie

Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland

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9

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8

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7

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Frauen

Männer

Wie häufig verwenden Sie Eau de Toilette oder Eau de Parfum?

Gehört die Verwendung von Parfüm zur täglichen Routine?

PARFum GEHöRt iNZWisCHEN FüR ViELE ZuR täGLiCHEN RoutiNE

fast die Hälfte der frauen und ein Drittel der männer verwenden täglich eau de toilette oder eau de Parfum.

Geht es zu geselligen Anlässen wie Feierlichkeiten, in die Diskothek oder zu einem Date, so verwenden durchschnittlich 55 Prozent der befragten Konsumen-tinnen dekorative Kosmetik. Und besondere Gelegen-heiten wie eine Hochzeit veranlassen sogar fast drei Viertel der Frauen sich zu schminken. Mascara ist dabei das Produkt, das Frauen am häu-figsten verwenden: Zwei Drittel der 18- bis 64-Jäh-rigen nutzen es mindestens einmal in der Woche. Zum Vergleich: Nagellack wird zwar auch von drei Viertel der Frauen gelegentlich verwendet, aber die meisten lackieren sich die Nägel eher zu besonderen Gelegen-heiten – nur ein Viertel tut dies regelmäßig.Besonders verbreitet ist die Nutzung von Mascara un-ter jüngeren Frauen (18 bis 34 Jahre). Andere Pro-dukte, die besonders von Jüngeren verwendet werden, sind Puder und Make-up, wobei letzteres auch von Frauen mittleren Alters öfter genutzt wird. Lippen-stift und Lipliner dagegen nutzen die Jüngeren zwar gelegentlich, häufiger werden diese Produkte aber von Frauen über 35 Jahren verwendet.

optimistisch in die ZukunftDer Parfum- und Kosmetikmarkt entwickelt sich also beständig weiter, und auch die Unternehmen des selek-tiven Kosmetikvertriebs konnten 2012 auf ein erfolg-reiches Geschäftsjahr zurückblicken. Die vom VKE-Kosmetikverband repräsentierten Unternehmen der mittel- und höherpreisigen Kosmetik haben für 2012 ein Umsatzplus von 3,9 Prozent im Vergleich zum Vor-jahr gemeldet. Als Gründe dafür angesehen werden starke Quali-tätsmarken, hohe Innovationskraft und konstruktive Lösungsansätze zur Fortentwicklung des Marktes. Zudem habe eine geänderte Absatzpolitik in den Par-

Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland

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vke-kosmetikverband veRBANDSHiStoRie mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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fümerien dazu geführt, den Konsumenten den Wert von Marken noch deutlicher zu machen und damit ihr Vertrauen zurückzugewinnen.Aber es gibt auch immer wieder neue Herausforde-rungen. Beispielsweise hält es der VKE-Kosmetikver-band auch in Zukunft für unerlässlich, dass seine Mit-gliedsunternehmen der auch in der Kosmetikbranche wachsenden Nachfragemacht der Händler begegnen und überzeugende Konzepte von dort einfordern. Fer-ner gelte es, übermäßige regulatorische Eingriffe auf europäischer sowie nationaler Ebene zu verhindern, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.Wie die Branche in 60 Jahren dasteht und welche Ge-

in % Total 18-34 Jahre 35-49 Jahre 50-64 Jahre n=501 n=165 n=242 n=94

Mascara

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Dekorative Kosmetik: Wer verwendet was?

Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 501 Frauen ab 18 Jahre, März 2013, Deutschland

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regelmäßige Verwendung Verwendung überhaupt (zumindest 1-2mal / Woche)

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Dek. Kosmetik allgemein Mascara Lippenstift Make-up

in % n = 507 n = 422 n = 397 n = 392

Bei besonderen Gelegenheiten (z.B. Hochzeit, Jubiläum, andere Feste/Feierlichkeiten)

Wenn ich abends tanzen oder in eine Bar gehe

Bei kulturellen Anlässen (Theater, Oper, Ausstellung etc.)

Wenn ich abends Essen gehe

Wenn ich ein Date habe

Wenn ich ins Kino gehe

Bei der Arbeit

Wenn ich mich spontan mit engen Freunden treffe

Beim Einkaufen

Wenn ich mit meinem Partner/meiner Familie Zeit zu Hause verbringe

Wenn ich alleine zu Hause bin

Beim Sport

Immer

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mAsCARA ist BEi DER DEKoRAtiVEN KosmEtiK BEsoNDERs BELiEBt

Zu WELCHEN ANLässEN DEKoRAtiVE KosmEtiK Zum EiNsAtZ Kommt

Selbst zum einkauf schminken

sich 22 Prozent der frauen. Und

bei Hochzeiten verwenden so-

gar fast drei viertel aller frauen

dekorative kosmetik.

klarer favorit: Zwei Drittel der 18- bis 64-Jährigen nutzen mascara mindestens einmal in der Woche, um sich zu schminken.

schehnisse dann die Menschen bewegen werden, lässt sich heute natürlich noch nicht beantworten. Die na-he Zukunft aber, soviel lässt sich schon jetzt sagen, scheint vielversprechend. Der VKE rechnet für 2013 mit Umsatzzuwächsen von circa zwei Prozent und geht auch für 2014 von einer Fortsetzung des Positivtrends aus. Dabei sehen die Firmen vor allem die Dekorative Kosmetik, Damendüfte sowie das Herrensegment als Wachstumssegmente. Denn Genuss, Stil und Leiden-schaft, kurzum die Kultur des Schönen gilt es heute ebenso zu pflegen wie schon vor sechs Jahrzehnten bei der Gründung des VKE.

torsten Schöwing

Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 501 Frauen ab 18 Jahre, März 2013, Deutschland

Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 507 Frauen ab 18 Jahre, Februar 2011, Deutschland

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trends und Wertewandel im Kosmetikmarkt Die Werte der Deutschen wandeln sich. Freiheit, Familie und Ge-sundheit werden immer wichtiger. Dieser Wertewandel hat Aus-wirkungen auf den Kosmetikmarkt der Zukunft. Self-Designing gewinnt an Bedeutung.

WiR HABeN GeNAU HiNGeHöRt: Eine halbe Million Doku-mente im Internet wurden ausgewertet, um mehr darü-ber zu erfahren, was die Deutschen denken und was ih-nen wichtig ist. Herausgekommen ist eine Top 10-Liste der wichtigsten Werte der Deutschen: der Werte-Index 2014, herausgegeben von Trendbüro in Zusammenar-beit mit TNS Infratest. Auf den ersten drei Plätzen und damit die wichtigsten Werte der Deutschen: Gesund-heit, Freiheit und Erfolg.

Gesundheit ist wichtigster WertVon den veränderten Bedürfnissen der Menschen ist die Kosmetikbranche unmittelbar betroffen. So steht Gesundheit erstmalig an höchster Stelle und ist den Deutschen damit noch wichtiger als Freiheit, der Nummer-1-Wert in den Jahren zuvor. Gesundheit heute bedeutet nicht mehr nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern beinhaltet die Optimierung von Wohlbefinden, Jugendlichkeit, Schönheit und insbe-sondere Leistungsfähigkeit. Der gesamte Lifestyle wird zum Healthstyle. Die Verbindung zur Kosmetikindu-strie liegt nahe. Deren Produkte können uns dabei hel-fen, dieses Bedürfnis zu erfüllen.Entwicklungen im Grenzbereich zwischen Kosmetik und Medizin wie zum Beispiel das Nahrungsergän-zungsmittel Inneov boomen und symbolisieren einen Wachstumsmarkt, der sich aus dem anhaltenden Al-tersbeben in unserer Gesellschaft ergibt. Die Botschaft: Gesundheit wird nicht nur zum Ideal, Gesundheit wird zum persönlichen Langzeitprojekt. In Zeiten von de-mographischem Wandel und Selbstoptimierung möch-ten wir das Beste aus uns herausholen, um für den All-tag und die Zukunft gewappnet zu sein. Kosmetika, denen wir vertrauen, geben uns dabei Sicherheit und nehmen uns Verantwortung ab. Gerade multifunktio-nale Innovationen sind in der Lage, den mehrdimen-sionalen Gesundheitswunsch zu erfüllen. Sie vermit-teln uns das Gefühl, uns und unserer Gesundheit etwas Gutes zu tun und werden zum Helfer bei der Suche

des Einzelnen nach mehr Lebensqualität. Neben den Cosmeceuticals werden es die hochinnovativen Kosme-tikprodukte sein, die in den nächsten Jahren für neue Umsätze sorgen werden. Die tiefe Sehnsucht nach Ver-jüngung auf Seiten der Konsumenten sorgt dafür, dass sich die Investitionen in die Entwicklung neuer Wirk-stoffe und Wirkverfahren auszahlen. Hier sind vor allem Produkte auf der Basis von pflanzlichen Stammzellen, Gluco-Glycerol zur Aktivierung der Aquaporine, Api-aceen-Peptide und weiterhin Hyaluronsäure und Urea zu nennen. Aber auch Ungewöhnliches wie der Acerola-Extrakt als Inhaltsstoff in Kosmetika oder Anti Aging-Produkte mit Arctiin, das aus der Klettenfrucht gewon-nen wird, werden den Markt verändern.

Naturkosmetik kennt viele spielartenDaneben werden die Umsätze im Bereich der Natur-kosmetik weiter steigen – auch dafür sorgt die wach-sende Bedeutung des Wertes Gesundheit. Unabhängig davon, dass es für die Konsumenten schwierig ist, den Unterschied zwischen zertifizierter und nicht zertifi-zierter, naturnaher und herkömmlicher Kosmetik zu durchschauen. Mit einem Umsatz von 800 Millionen Euro ist Deutsch-land europaweit der größte Markt für Naturkosmetik. Jeder achte der 12,6 Milliarden Euro, die die Deut-schen im vergangenen Jahr für Pflegeprodukte ausge-geben haben, floss bereits in Naturkosmetik. Davon profitieren sowohl die klassischen Anbieter wie Wele-da oder Dr. Hauschka als auch die großen Hersteller wie Beiersdorf. Das Unternehmen landete mit der Ein-führung der 'Pure & Natural'-Serie einen großen Er-folg landeten und hat das Sortiment weiter ausgebaut.

DiY-optionen versprechen FreiheitAuch der zweitplatzierte Wert der Freiheit spielt eine Rolle für die Kosmetikindustrie. Denn Freiheit bedeu-tet heute nicht mehr freie Auswahl oder mehr Indivi-dualität, sondern Autonomie. Wir möchten selbstbe-

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neue Produkte an einem Abbild seines selbst auszu-probieren. Bildschirme in japanischen Shiseido-Filialen oder digitale Spiegel in britischen L’Oréal Verkaufsstel-len zeigen, wie die Zukunft in diesem Segment ausse-hen wird.

Kosmetik als Helferlein zum ErfolgAuch der drittwichtigste Wert der Deutschen, Erfolg, be-inhaltet ein Verständnis, das direkt an die Attribute von Kosmetik geknüpft werden kann. Das klassische öko-nomische Wachstumsstreben hat als gesellschaftlich an-erkanntes Kriterium ausgedient. Stattdessen rücken im-materielle Werte in den Fokus: Erfolg wird verstanden als hohe Lebensqualität. Die enge Verknüpfung an die vorherigen Werte Gesundheit und Freiheit ist offensicht-lich. Indem Kosmetikprodukte uns helfen, unser Wohl-befinden zu steigern und uns zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, steigern sie unseren wahrgenommenen Erfolg. Statt künstliche Perfektion anzustreben, geht es darum, sich persönliche Ziele zu setzen, authentisch zu bleiben und mit sich selbst im Reinen zu sein. 'Miracle Skin'

stimmt leben, eigenständig an unserem Glück arbeiten und Selbstbestimmung bewahren. Während Tryvertising-Optionen und Probierpakete in den vergangenen Jahren den Anfang machten, fordern heutige Konsumenten noch größere Freiheit und Per-sonalisierung in der Produktauswahl. Dabei geht es jedoch nicht um crowdgesourcete Verpackungen oder Testimonials, sondern um wirklichen Mehrwert durch Mitspracherecht. Selbst mitmischen heißt die Devise, auch im Beautyseg-ment. Modulare DIY-Kits verbinden dabei die Exper-tise des Herstellers mit den besonderen Eigenschaften der eigenen Person. Rowenta wagte sich mit Natura-lis als erster auf das unbekannte Terrain und verbindet höchstpersonalisierte Cremes mit natürlichen Inhalts-stoffen. Hiermit sollen Pflege und Behandlung noch optimiert werden. Eine andere Möglichkeit, die Kunden zum Kauf zu animieren und gleichzeitig ihr Bedürfnis nach Freiheit ernst zu nehmen, besteht in den vielfältigen neuen Vir-tual Makeover-Simulatoren. Diese machen es möglich,

virtual makeover-Simulatoren wie digitale Spiegel in britischen l’oréal-verkaufsstellen zeigen, wie die Zukunft in diesem Segment aussehen wird.

Unternehmen müssen den konsumenten An-

gebote unterbreiten, die ihre Sehnsucht nach

einem neuen Wir-Gefühl aufgreifen. es gilt,

vertrauen zu schaffen und den verwendern

die möglichkeit zu geben, sich mit Gleichge-

sinnten über die Produkte auszutauschen.

Neben Unternehmens-Websites und face-

book-Profilen bieten sich dafür microblogs

und microsites an. ein Beispiel ist die 'make-

up lounge' von l’oréal.

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und BB-Creams versprechen ein natürliches Gesicht mit »Stolz zur Schau getragenen Spuren des Lebens«. Flexi-bilität, Selbstsicherheit und Belastungsfähigkeit – alle-samt Attribute, die auch von den Herstellern von Kos-metikprodukten benutzt werden – werden zu wichtigen Faktoren von Erfolg.

sicherheit durch Gemeinschaft & technologieTechnologie und ihre Auswirkungen haben die Deut-schen in Unsicherheit versetzt. So stürzte der Wert Si-cherheit im Ranking um fünf Positionen ab. Auf der anderen Seite ist technologische Infrastruktur aus un-serem Alltag nicht mehr wegzudenken und bietet große Vorteile. Selbst für analoge Produkte sind Apps und technologiegestützte Dienstleistungen essentiell gewor-den. Darum gilt es, Sicherheit im Kleinen zu schaffen und Vertrauen zu gewinnen. Neben den bereits gut etablierten Unternehmens-Web-sites und Facebook-Profilen haben sich Microblogs etabliert, bei denen Communities Hintergrundwissen und Tipps austauschen können. Ein gutes Beispiel für eine Microsite in der Kosmetikbranche ist die 'Make-up Lounge' von L’Oréal. Der Austausch von Erfah-rungen und auch Daten wird dabei zum kollektiven Wissenspool, der einen Mehrwert über das reine Pro-dukterlebnis hinaus bietet. Ein weiterer Ansatz ist das Beauty oder Health Tra-cking. Apps wie der 'Skin Scan' sind in der Lage, via Smartphone-Kamera die Haut nach gefährlichen Mut-termalen abzusuchen und ihre Größe und Form zu do-kumentieren. So kann das Programm alarmieren, wenn man besser einen Arzt aufsuchen sollte. Damit positio-niert sich Kosmetik außerhalb der reinen Produktgren-zen und wird zum Dienstleister. Der Anbieter löst nicht nur ein Problem, sondern nimmt Menschen eine Last ab. Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen. Smar-te Technologie fungiert als Sicherheit. Solche Angebote funktionieren jedoch nur als vertrauenswürdiger Anbie-ter. Indem Privatsphäre immer mehr zur knappen Res-

source wird, wird es für Hersteller zunehmend zur He-rausforderung, Zugriff auf persönliche Informationen zu gewinnen. Vertrauen wird mit Daten bezahlt, wel-che die Grundlage für noch bessere Angebote bieten.

Vertrauen bleibt die BasisIm Streben nach Lebensqualität kann die Kosmetik-branche wertvolle Dienste leisten. Der Werte-Index 2014 zeigt, dass Gesundheit zum ganzheitlichen Le-bensprojekt wird und dass die Menschen die Gestal-tung ihres Aussehens noch stärker selbst in die Hand nehmen möchten. Das persönliche Wohlbefinden ist der Schlüssel zu Gesundheit, Freiheit und Erfolg. Es geht nicht darum, Fehler zu vertuschen, sondern uns in unserer Autonomie zu bestärken und das Optimum aus unserer Person herauszuholen. Wir wünschen uns, Produkte zu kaufen, die uns die-sem Ziel etwas näher bringen und von den Herstellern als Individuen ernst genommen zu werden. Egal, ob wir uns im Beiersdorf-Flagshipstore eine Analyse un-serer Haut erstellen lassen oder unsere Fortschritte in der Community besprechen. Und wir möchten darauf vertrauen können, dass die Produkte, die wir so nah an unser Gesicht, an Haut und Haar heranlassen, auch wirklich das halten, was sie versprechen.

Prof. Peter Wippermann

Die menschen werden in Zukunft noch stärker als bisher versuchen werden, die Gestaltung ihres Aussehens selbst in die Hand zu nehmen.

Peter Wippermann ist

Gründer des Hamburger

trendbüros, ein Beratungs-

unternehmen für gesell-

schaftlichen Wandel.

Seit 1993 ist er als Profes-

sor für kommunikations-

design an der folkwang

Universität der künste

tätig.

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Woher und wohin?Die Depotkosmetik hat stürmische Zeiten erlebt und ein sich ständig änderndes rechtliches Umfeld. Als eine der wenigen Branchen ist sie vom Selektivvertrieb geprägt. Ob das so bleibt, ist offen. Noch passen die kartellrechtlichen Rahmendaten nicht.

iN DeUtSCHlAND RUHte DeR SelektivveRtRieB für Jahrzehnte auf zwei Säulen: einerseits dem Verbot der Ungleich-behandlung und andererseits der Freiheit der Hersteller zur Ausgestaltung ihres Absatzsystems nach eigenem Gutdünken. Für Markenartikel spielte der Selektiv-vertrieb dabei insbesondere als Mittel zur Abwehr des (imageschädlichen) Versandhandels eine wich-tige Rolle. Auf Ebene der Europäischen Wirtschafts-gemeinschaft (EWG) galt ebenfalls das Diskriminie-rungsverbot. Hier drohte allerdings das allgemeine Kartellverbot, von dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) nur für »bedürftige Produkte« eine Ausnah-me machen wollte. Zudem mußten Vertriebsbindungs-verträge bei der Kommission zur Freistellung vom Kar-tellverbot angemeldet werden.

Aura von Luxus: Düfte ebnen den Weg 1992 brachten die Freistellungen der Kommission für Givenchy und Yves Saint Laurent (YSL) einen Durch-bruch für die Branche, denn damit war die Zulässig-keit des Selektivvertriebs für Luxusparfums erstmals auf europäischer Ebene geklärt. Das verlor jedoch an Bedeutung, nachdem ab Mitte der 1990er-Jah-re die Kommission den Selektivvertrieb für eine ge-plante Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) bran-chenunabhängig in den Blick nahm. Diese Verordnung 2790/99 trat zur Jahrtausendwende in Kraft.Bereits zuvor waren die Verträge von Givenchy und YSL auf dem Prüfstand des EuGH, der mit einer Entschei-dung vom Dezember 1996 beiden Unternehmen das Recht zur Lieferverweigerung gegenüber dem franzö-sischen Einzelhandelsriesen Leclerc zugesprochen hatte. Das Gericht bestätigte den Unternehmen eine Notwen-digkeit zur Pflege und Aufrechterhaltung der »Aura von Luxus« als Besonderheit der Depotkosmetik. Die novellierte Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/10 vom 20. April 2010 schreibt die Vorgaben der ersten Verordnung fort. Sie bringt aber mit der nun-mehr auch für den Handel geltenden Marktanteils-

schwelle von 30 Prozent die Depotkosmetik vor allem hierzulande in Probleme. Denn der größte deutsche Händler überschreitet diese Schwelle, weshalb sich je-der Hersteller fragen muss, ob er ihn auch ohne den Schirm der Gruppenfreistellung weiter beliefert. online-Handel: Gefahr für das Besondere Im Vorgriff auf die neue GVO hatte sich die Branche vehement einem Zwang zur Online-Zulassung wie-dersetzt, denn die durch den EuGH geadelte »Aura von Luxus« war nach allgemeiner Ansicht im Inter-net existentiell bedroht. Am Ende konnte man sich schließlich mit der Kommission auf das Leitbild des Internet-Handels als »virtuelles Schaufenster« des physischen Ladengeschäfts verständigen.Wie wichtig das war, zeigte sich anläßlich der Belie-ferungsklage von Beautynet gegen Lancaster, die mit der BGH-Entscheidung »Depotkosmetik im Internet« vom November 2003 abgewiesen wurde. Der Bundes-gerichtshof stellte dabei vor allem auf die Nähe des In-ternethandels zum Versandhandel als Rechtfertigung für die Zurückweisung des reinen Online-Handels ab. Lancaster hatte den Internetshop nicht mit Kosmetika beliefern wollen, weil das Web nicht den Grundsätzen selektiver Vertriebssysteme entspräche und somit nicht die »Aura des Luxus« gewährleiste.Die Kommission hatte sich bereits in den Leitlinien zur ersten GVO des Jahres 1999 bezüglich des On-line-Handels an ihren Kriterien für zulässige und un-zulässige Gebietsaufteilungen nach aktiven und pas-siven Verkäufen orientiert. Entsprechend definierte sie den Internet-Handel als passiven Verkauf. Damit wird es unmöglich, den Vertrieb über diesen Kanal zu ver-bieten. In den Leitlinien des Jahres 2011 wurden die Daumenschrauben zur erzwungenen Öffnung des On-line-Vertriebs nochmals angezogen. Denn die bis dahin üblichen Klauseln zur mengenmäßigen Beschränkung des Online-Vertriebs zugunsten des Offline-Vertriebs wurden kategorisch als unzulässig erklärt.

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gebracht, aber längst noch nicht zu einem Abschluß gebracht worden. Es geht hierbei um Instrumente der Kundenerfassung und Kundensteuerung, die allesamt datenschutzrechtlich problematisch sind und es geht insbesondere um die gezielte Verlinkung von Inhal-ten autorisierter Seiten auf die Webseiten Dritter. Die-se »Partnerschaften« mögen für den Online-Depositär

nützlich sein, weil sie neuen Verkehr auf der eigenen Seite generieren. Allerdings geht damit genau

das verloren, was der Selektivvertrieb be-zweckt – die Herrschaft über das Erschei-nungsbild des eigenen Markenauftritts auch am virtuellen Point of Sale. Bei Keyword-Werbung ist Google aufgrund der Entscheidung »Google France« des EuGH vom März 2010

zwar zunächst aus der Schusslinie. Die Folgeentscheidungen »Ice.de«, »Bergspechte«,

»Portakabin« und »Interflora« markieren jedoch eine Entwicklung zu erhöhten Anforderungen an die Wer-benden und damit neue Gestaltungsformen von Mar-kenrechtsverletzungen.

Graumarkt: Kein unmittelbarer RechtschutzAnfang der 1990er war hierzulande aufgrund der BGH-Entscheidung »Schweizer Loch« der Rechtsschutz gegen Außenseiter zusammengebrochen. Darunter versteht man nicht autorisierte Händler, die sich aus dem Grau-markt mit Ware versorgen. Bis dahin war der Außen-seitervertrieb wettbewerbswidrig. Fortan galt auch das Dekodieren, das heißt die Entfernung oder Unkenntlich-machung von Kontrollnummern, nicht mehr als Wettbe-werbsverstoß. Graumarktquoten im zweistelligen Pro-zentbereich waren danach keine Seltenheit mehr. Zehn Jahre später, im Juli 1999, konnte sich jedoch Lancaster nicht nur mit einem neuen Kodierungssystem auf der Grundlage der Chargennummer vor dem BGH durchsetzen. In der Entscheidung »Entfernung der Her-stellungsnummer« nahm der BGH zugleich eine Rich-tungsänderung vor und bestimmte, dass es fortan auf die praktische Lückenlosigkeit nicht mehr ankomme. Anstelle dessen wurden die Kontrollinstrumente ge-schärft, mit denen die Vertriebsbinder ihr System über-wachen sollten. Das zielte allerdings nicht mehr auf die Außenseiter, sondern auf die vertragsuntreuen Händler im System. Als Konsequenz dieser Entwicklung ist heu-te das früher erreichbare Verbot eines Außenseiterver-

Damit können die Absatzwege heute nicht mehr nach eige-nem Gutdünken ausgestal-tet werden. Die Branche muss ihren Depositären den Interne-thandel freigeben. Sie hat jedoch die Möglichkeit zur Steuerung des Erscheinungsbildes und der Geschäftsab-wicklung über gesonderte Internetkriterien in ihren Depotverträgen. Schon dieser Zwang ist abzu-lehnen. Zudem zeigen bereits einige Depositäre eine kla-re Tendenz, sich mit ihrem Online-Shop möglichst vom physischen Ladengeschäft (auch namensmäßig) abzuset-zen, um dort eine reine Discounter-Vermarktungsstrate-gie zu verfolgen. Stand das Jahr 1996 noch ganz ist Zei-chen von »AoL« (Aura of Luxury), so gibt 2012 Search Engine Optimizing (SEO) den Takt vor.

Problematischer markenschutz im internet Vom markenrechtlichen Ausgangspunkt her sind fast alle Marken der Depotkosmetik »bekannte Marken«, die für sich einen erweiterten Schutz beanspruchen können. Von Dritten werden sie im Internet als An-ker oder Navigationshilfen benutzt, um auf eigene Geschäftsangebote aufmerksam zu machen. Das be-einflusst die Hoheit des Markeninhabers über die Marke als Kommunikationsmittel. In diesem Zusam-menhang geht es auch um die Reichweite des Schut-zes gegen Bekanntheits- und Rufausbeutung bei der Markenverwendung auf unautorisierten Seiten – ins-besondere im Rahmen der Suchwortwerbung. Zudem gewinnen Facebook und Co. an Bedeutung und erfor-dern von den Herstellern eine neue Politik.Zukünftig wird die Branche der Markendarstellung und Markenbenutzung ihrer Depositäre im Internet noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Die Auseinandersetzungen über die Affiliate-Werbung und sonstige Aktivitäten zur Suchmaschinenoptimierung sind durch Anfragen aus Handelskreisen ins Rollen

Die kosmetikbranche sieht

die »Aura des luxus« im

Web bedroht.

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triebs abgeschafft. Es ist durch einen Kontroll-nummernschutz ersetzt, der eine Verpflichtung der Hersteller begründet, ihre Vertriebssysteme von innen her sauber zu halten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass es zu-künftig auch wieder zu einem unmittelbaren Rechtsschutz gegen Außenseiterangebote kommt, wenn sich die Grundsätze der »Dior/Copad«-Entscheidung des EuGH vom April 2009 durchsetzen. Denn danach gehört die Si-cherung einer angemessenen Luxusumgebung zum Qualitätssicherungssystem des Markenin-habers und ist damit markenrechtlich geschützt. Wer gegen vertragliche Vorgaben zur Sicherung der angemessenen Verkaufsumgebung verstößt und damit nachweislich das Markenimage be-einträchtigt, begeht nach dieser Entscheidung nicht nur selbst eine Markenrechtsverletzung, sondern er setzt zugleich die Ursache für ein markenrechtsverlet-zendes Verhalten seiner Abnehmer. Das ist neu und re-volutionär, aber bislang auch reine Theorie.

Ebay: mühsames miteinander Schon lange führt Ebay gegen die Kosmetikbranche ei-nen versteckten Kampf, denn Ebay möchte auch Depo-sitären der Luxuskosmetik den Betrieb eines Ebay-Shops ermöglichen. Das gipfelte 2009 in einer Grassroot-Cam-paign und dem an die EU-Kommission adressierten Pa-pier »A Call for Action«, mit dem Ebay die Abschaffung des Selektivvertriebs als Handelshemmnis zwischen den Mitgliedsstaaten propagierte. Hierbei geht es Ebay auch um vorbeugenden Selbst-schutz, denn obwohl sich abzeichnet, dass es einer der Haupthandelsplätze für Fälschungen und Nach-ahmungen ist, laufen die Hersteller bis heute mühsam den Einzelanbietern hinterher. Allerdings erging im Juni 2011 auf eine von L’Oréal in England erhobene Klage hin ein richtungsweisendes Urteil des EuGH. Dabei qua-lifizierten die Richter nicht nur spezifisch Angebote von Parfumtestern oder Angebote von kosmetischen Pro-dukten ohne Umverpackung als rechtswidrig. Vielmehr schufen sie erstmals auch die notwendigen Grundlagen für eine eigenverantwortliche Haftung des Plattformbe-treibers. Danach ist er für rechtsverletzende Angebote auf seinem Portal (mit-)verantwortlich, wenn er die be-troffene Marke selbst in der eigenen Suchwortwerbung für sich benutzt oder seinen Anbietern in sonstiger Weise aktive Verkaufsunterstützung zukommen lässt.

Rufausnutzung durch trittbrettfahrer Das Geschäft mit Duftnachahmungen wird profes-sionell betrieben. Hersteller wie Bellure oder Keco-fa haben ein breites Sortiment von »Markendüften« im Programm. Die dazu eingesetzten Duftvergleichs-listen waren schon in den 1990er-Jahren von den deut-schen Oberlandesgerichten einheitlich als unzulässige vergleichende Werbung oder als markenrechtsverlet-zende Rufausbeutung qualifiziert worden. Was aber die versteckteren Nachahmungsbotschaften anging, er-litten die der Markenhersteller gegen diese Trittbrett-Industrie mit der BGH-Entscheidung »Imitationswer-bung« vom Dezember 2007 einen herben Rückschlag. »Icy Cold« sah »Cool Water« ähnlich, roch wie »Cool Water« und war angeblich doch nicht ausreichend klar als Imitationsprodukt zu erkennen. Sehr viel beherzter

ging der Europäische Gerichtshof im Juni 2009 in der Entscheidung L’Oréal/Bellure das Thema an, indem er feststellte, dass der Hersteller Bellure sich mit seinen Nachahmungen von Lancôme-Düften in die Sogwir-kung bekannter Marken begeben habe, um daraus un-lauter für sich zu profitieren. Leider ist die Botschaft des EuGH in Deutschland im-mer noch nicht verstanden worden. Vor den hiesigen Gerichten bis hin zum BGH scheitern weiterhin auch klarste Fälle der Produktimitate und Rufausbeutung. Immerhin hatte der BGH kürzlich so weit ein Einse-hen, dass er jetzt nicht nur den angeblich unwissenden Verbraucher berücksichtigt, der zum Beispiel in »Ora-cle« den bekannten Lancôme-Duft Miracle nicht er-kennen soll, sondern auch die Händler derartiger Pro-dukte, die natürlich ein ganz anderes Branchenwissen haben. Vielleicht klappt es ja damit.

testerhandel: ungelöste Problematik Irgendwann wollten Coty Prestige und Ebay einmal ih-re juristischen Positionen gerichtlich klären lassen. Sie verständigten sich auf Testerangebote beim Auktions-haus als den vermeintlich klarsten Fall einer Marken-rechtsverletzung. Das ging gründlich daneben, denn sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg als auch der Bundesgerichtshof sahen die Markenrechte von Coty schon bei der Auslieferung an den Depositär erschöpft. Erst der Umweg über eine Vorlage des OLG Nürnberg brachte Abhilfe: Im Juni 2010 entschied der Europäische Gerichtshof im Verfahren »Coty/Simex« zu Recht, dass derjenige eine Markenrechtsverletzung begeht, der ein als unverkäuflich bezeichnetes Produkt,

Wohin geht die Reise? Zukünftig wird die kosmetikbranche der

markendarstellung und markenbenutzung ihrer Depositäre im in-

ternet noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen.

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das dem Handel ausschließlich zu Werbezwecken über-lassen wird, anbietet oder verkauft.Für die Zukunft wird sich daran mit Sicherheit nichts ändern. Allerdings geht die Problematik inzwischen deutlich weiter. Denn der Kosmetikbranche ist klar ge-worden, dass auch an sonstigen Werbemitteln wie Pla-katen, Filmen, Fotos etc. Rechte Dritter existieren, de-ren Nutzung oft nur für eine gewisse Zeit gestattet ist. Die Hersteller müssen sich deshalb darauf einstellen, die Sachherrschaft und den Zugriff auf den einmal in den Handel gegebenen Werbemittel zu erhalten und sowohl die unkontrollierte Verbreitung im Internet als auch die Weiterbenutzung abgelaufener Rechte zu verhindern.

travel Retail: sonderkonditionen gerechtfertigtIm Juni 1999 liefen die Ausnahmeregelungen zum steu-erfreien Verkauf an Bord von Fähren, Flugzeugen und Flughäfen aus. Das bedeutete aber keineswegs das En-de für einen vom nationalen Binnenmarkt getrennten Absatzkanal. Duty Free existiert als Travel Retail wei-ter und wird weiterhin zu Sonderkonditionen beliefert, um die traditionell niedrigeren Preise zu halten. Den De-positären der nationalen Binnenmärkte ist das ein Dorn im Auge. Hier rechtfertigen jedoch die hohen Flächen-kosten, die Lagerbedingungen und die besondere Nach-frage in den Absatzstätten sowohl die eingeschränkten Anforderungen an die Sortimentsführung als auch die günstigeren Konditionen. Ein Verstoß gegen das Diskri-minierungsverbot ist nicht zu befürchten. Die privilegierte Behandlung des Travel Retail-Geschäfts ist aber nur dann aufrecht zu erhalten, wenn sie den Charakteristika dieses Absatzkanals verpflichtet bleibt. Sowohl die Einrichtung von Border-Shops als auch die sich abzeichnende Aufnahme eines Internetvertriebes stehen damit nicht in Einklang. Hier sollte die Branche auf eine saubere Abgrenzung zwischen dem nationalen Selektivvertrieb und Travel Retail achten.

Zwischen Datenschutz und DatennutzungSchon mit dem Engagement in sozialen Netzwerken und der eigenen Kundenkommunikation über Internet bewe-gen sich die Hersteller heute in einem Datenstrom und speichern dazu große Mengen persönlicher Daten. Bei der Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet ste-hen Auskünfte über die realen Namen der Anbieter mit an erster Stelle. Das setzt aber eine Vorratsdatenspei-cherung der Internetunternehmen voraus, die bekann-termaßen rechtlich äußerst problematisch ist. In beiden

Bereichen sind die Trennlinien zwischen Datennutzung und Datenschutz völlig ungeklärt. Möglicherweise liegt hier am Ende die Lösung in einer Trennung der Daten nach geschäftlichen und privaten Anbietern schon bei der Erfassung und Speicherung.

Funktionentrennung von Herstellern und Handel?Die Grenzen zwischen Herstellern und Händlern ver-schmelzen zunehmend. So hat etwa LVMH Sephora ge-kauft und Douglas plant die Aufstockung des Umsatz-anteils der Exklusiv- und Eigenmarken von bislang zehn auf zwanzig Prozent. Zudem rüsten immer mehr Her-steller ihre Websites auf E-Commerce um. Außerdem wächst die Kooperation zwischen Herstellern und Han-del. Die Kosmetikproduzenten bieten unter anderem Ex-klusivlinien für einzelne Kunden an und Kooperationen im Marketing sind längst Alltag. Diesen Aktivitäten tra-gen die neuen Leitlinien zur Gruppenfreistellungsver-ordnung Rechnung, indem sie das Preisbindungsverbot für zeitlich begrenzte Werbeaktionen und für zeitlich begrenzte Markteinführungskampagnen lockern. Das Bundeskartellamt hat sich dem verweigert und 2011 mit einer »Handreichung« an Unternehmen des Lebensmit-telhandels Kooperationen eine kategorische Absage er-teilt. Das Amt geht weiterhin von einer strengen Funk-tionentrennung zwischen Herstellern und Handel aus. Das ist nicht mehr zeitgemäß und auch im Sinne des Wettbewerbs nicht förderlich.Für die Kosmetikbranche bleiben die Zeiten spannend. Nicht zuletzt der technische Forschritt und neue Urteile dazu sorgen dafür, dass der Markt sich verändert. Die Hersteller müssen ihre Interessen artikulieren und die Eckpunkte des Selektivvertriebs verteidigen. Das ist für ihr größtes Gut, die Marken, überlebensnotwendig. Das erhält den Verbrauchern eine echte Alternative zur rei-nen Bedarfsdeckung und sichert die Existenz eines Fach-handels, der diesen Namen verdient. Dr. Andreas lubberger

Rechtsanwalt Dr. Andreas

lubberger ist mitbegründer

der Berliner Sozietät lubberger

· lehment. Zuvor war er unter

anderem bei der kanzlei linkla-

ters oppenhoff & Rädler tätig.

er konzentriert sich auf die

Bereiche Gewerblicher Recht-

schutz und Selektivvertrieb.

Die Hersteller müssen ihre Interessen artikulieren und die Eckpunkte des Selektivvertriebs verteidigen. »

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vke-kosmetikverbandSelektivveRtRieBmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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mehrwert schaffenUm auch künftig mehr Umsatz zu generieren, können die Herstel-ler von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten nicht mehr allein auf Mengenwachstum bauen. Es muss gelingen, dem Verbraucher den Mehrwert der Produkte zu vermitteln.

BANkeN- UND eURo-SCHUlDeNkRiSe, internationale Span-nungen und Kriege – all das beunruhigt den Ver-braucher, lässt ihn aber in seinem persönlichen Um-feld nicht in eine Phase des Konsumverzichts fallen. Ganz im Gegenteil: Während der Wachstumstreiber in Deutschland jahrelang ausschließlich der Export war und die Deutschen energisch zu mehr Inlandskon-sum gemahnt werden mussten, sind sie bereits seit ei-nigen Monaten wach geworden. Der Geschäftsklima-indikator im Einzelhandel (Ifo Konjunkturtest) zeigt nach einem etwas stärkeren Anstieg in der Vergan-genheit eine stabile Situation – die sich auch in der Einschätzung der Einzelhändler widerspiegelt – mit Tendenz nach oben für das zweite Halbjahr 2013. Gerade im Vergleich zu anderen europäischen Län-

dern ist Deutschland überdurchschnittlich stark. Dies spiegelt sich auch in den Umsatzentwicklungen des ersten Halbjahres 2013 wider: Die Abverkäufe wurden in den meisten Warenkörben wertiger. Men-genwachstum gab es nur noch in wenigen Bereichen – die Umsatzsteigerungen wurden durch höhere Prei-se beziehungsweise höherwertige Produkte erzielt. Die Verbraucher gaben ihr Geld gezielter aus und schauten auf Qualität. Gründe waren im Bereich der Nahrungs-mittel insbesondere die Lebensmittelskandale, aber auch die gestiegenen Rohstoffpreisen, die zumindest teilweise an die Verbraucher weiter gereicht wurden. Der Warenkorb der Körperpflege/Kosmetik weist da-hingegen auf den ersten Blick ein anderes Bild auf: Bei einer stabilen Preissituation konnte weder über

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eher hochpreisig geprägten Umfeld der Parfümerien sowie der Kauf- und Warenhäuser wurde das erste Halbjahr 2013 mit einem stabilen Ergebnis abge-schlossen (Abb. 3). Besonders hervorzuheben ist das positive Ergebnis bei Karstadt, Kaufhof und Co. Endlich ein kleiner Hoff-nungsschimmer nach den vergangenen Jahren konti-nuierlichen Abwärtstrends?

Der Hauch von nicht vergänglichem LuxusIn diesem selektiven Umfeld gibt es mehrere potenti-elle Wachstumstreiber: Bei den Düften finden höher-wertige und höherpreisige Neuheiten das Interesse des Kunden. Gleichzeitig erinnern sich einige Firmen ver-stärkt an ihre Kernkompetenzen und stellen die pre-stigehaltigen Fashionnamen wieder stärker in den Vor-dergrund. Klassiker wie Chanel und Dior verzeichnen hohe Zuwachsraten. Sie vermitteln dem Verbraucher gerade in unsicheren Zeiten einen Hauch von nicht vergänglichem Luxus – für den er dann auch bereit ist, hohe Preisniveaus zu akzeptieren.

Menge, noch über Stückabverkäufe Wachstum gene-riert werden (Abb. 2). In diesen Zahlen stecken zwei sehr unterschiedliche Trends, die eng mit der Entwick-lung einzelner Handelsschienen verbunden sind.Mit Ausnahme der deutlich rückläufigen Drogerie-märkte, die die Kunden nach der Schlecker-Insolvenz nicht komplett für sich im Drogeriemarktumfeld hal-ten konnten, gelang es in allen Kanälen, die Umsätze für Körperpflege/Kosmetik auszuweiten (Abb. 1). Be-reits vor der dem endgültigen Aus von Schlecker wur-den bei vielen LEH-Schienen die Weichen neu gestellt: höherwertige Ladenkonzepte und Sortimente und da-mit stärkere Konzentration auf diese Warenbereiche konnten die Verbraucher davon überzeugen, ihren Be-darf an Kosmetik und Körperpflege verstärkt auch im Verbrauchermarkt zu decken. Gerade Rewe und Ede-ka sind in diesen Sortimentsbereichen stark vertreten und setzen ihre Politik hier ungebrochen fort. Aber auch die Discounter sehen diese Sortimentsschiene zu-nehmend als Gewinnbringer und listen – eher unty-pisch zur Vergangenheit – auch Markenprodukte. Im

Körperpflege/Kosmetik: Umsatzverteilung nach Einkaufsstätten: 1.HJ 2013

Körperpflege/Kosmetik total 11,0 Mrd €; -1,2% zum Vorjahr

Discounter; 9,1%

VM; 16,7%

DM; 43,6%

Parfümerie/ KWHs; 20,3%

Sonstige; 10,3%

Quelle: IRI InfoScan Retailer; [LEH>200m² inkl. Aldi + Drogeriemärkte + Parfümerien + KWH + Apotheke (Apotheke für ausgewählte Kategorien)] [1. HJ 2013 vs. VJ]

9,2%

0,1%

-7,3 %

4,1%

5,1%

Discounter

Verbrauchermärkte (VM)

Drogeriemärkte (DM)

Parfümerie/KWHs

Sonstige

Körperpflege und Kosmetik überwiegend im Plus – Schlecker Insolvenz in den Drogeriemärkten spürbar

ABB. 1: KöRBERPFLEGE uND KosmEtiK üBERWiEGEND im PLus

Die meisten einkaufsstätten konn-

ten im 1. HJ 2013 ihre Umsätze mit

kosmetik- und körperpflegepro-

dukten steigern. verluste verbuch-

ten allerdings die Drogeriemärkte.

Quelle: IRI Group - InfoScan Retailer; LEH>200m² + Drogeriemärkte inkl. Aldi, C&C, Parfümerien, KWHs, GAMs

+/- Absatz in % zum Vorjahr

FMCG Total

Getränke

Food inkl. Babynahrung und Babygetränke

Gelbe Linie

Weiße Linie

Süßwaren inkl. salzige Snacks

KPF inkl. Babypflege

Tiefkühlprodukte

WPR

Tiernahrung und Hygiene

Papier inkl. Damenhygiene und Windeln

Sonstige

-2,5

-0,6

1,5

-2,9

0,5

0,7

-1,2

-3,1

-27,6

-3,3

-2,2

3,1

0,6

1,5

1,0

2,2

4,1

-1,8

-0,9

-7,2

-0,9

1,3

-2,1

-1,1

3,2

2,1

-0,5

4,3

1,6

3,4

-0,7

2,3

-3,9

0,1

2,2

FMCG Umsatz-, Absatz- und Preis-Entwicklung der Warengruppenkörbe 1.HY 2013 vs. 2012

28,3

+/- Umsatz in % zum Vorjahr Preistrend in % zum Vorjahr

Stabile Preistrends für Körperpflege

ABB. 2: stABiLE PREistRENDs FüR KöRPERPFLEGE

Bei einer stabilen Preissituation

konnte weder über menge, noch

über Stückabverkäufe Wachstum

generiert werden

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Sabine Hefter ist Director

Premium Cosmetics bei der

informations Resources GmbH.

Seit 1990 war sie federführend

am Aufbau des selektiven

kosmetikpanels in Deutsch-

land beteiligt und leitet diesen

themenbereich seit 1996 in

eigener verantwortung. Zuvor

war sie in der Pharma-industrie

und bei der Gfk tätig.

Copyright © 2013 Information Resources, Inc. (IRI). Confidential and Proprietary. 4

Total Markt: Vergleich Parfümerien und KWH

Parfümerien, Umsatzanteil in % KWH, Umsatzanteil in %

54 54

23 22

23 24

913 906

Dekorative Kosmetik

Gesichtspflege

Düfte

57 56

19 20

24 24

175 183

1. HJ 2013

1. HJ 2012 +/- % +/- %

+3

-4

-1

-1

+7

+7

+4

+5 in Mio. €

1. HJ 2013

1. HJ 2012

dekorative Kosmetik weiterhin Wachstumsträger

Quelle: IRI Group – Xcat; Parfümerien und KWH; 1.HJ 2012 vs. 2013

ABB. 3: DEKoRAtiVE KosmEtiK WEitERHiN WACHstumstRäGER

konzentriert man sich auf die

drei kernbereiche Düfte, deko-

rative kosmetik und Gesichts-

pflege, konnten kauf- und Wa-

renhäuser im ersten 1. HJ 2013

zum 1. HJ 2012 ein Plus von fünf

Prozent erzielen. Bei den Pafü-

merien gab es ein Umsatzminus

von einem Prozent.

Die dekorative Kosmetik schafft es mittlerweile in Se-rie, Jahr für Jahr ihre Umsätze zu erhöhen. Im ersten Halbjahr 2013 war es vor allem das Segment ‚Auge‘ mit Fokus auf Mascara, das für Wachstum sorgte. Bei den Nagellacken – Wachstumssegment der ver-gangenen Jahre – hingegen zeigt sich, wie schnellle-big die Mode ist: Während ähnlich wie bei den Düf-ten die großen Designermarken Farbtrends vorgeben und es teilweise schaffen, durch Verknappung des An-gebots regelrechte Hypes auszulösen, sind die Verfol-ger im preiswerten Einstiegsbereich mittlerweile fast zeitgleich mit ähnlichen Angeboten für den kleineren Geldbeutel anzutreffen. Beide Angebotsgruppen fin-den ihre Käufer. Jedoch sind auch hier dem Wachs-tum Grenzen gesetzt: nach dem Markteintritt vieler neuer Marken (gerade auch im unteren und mittleren Preissegment) zeichnet sich in jüngster Zeit eine Kon-solidierung ab, die mit leichten Verkaufsrückgängen einhergeht. Anbieter mit einer starken Kompetenz im ‚Lack‘-Bereich jedoch werden auch in Zukunft nicht um ihre Käufer fürchten müssen.Bleibt zuletzt noch der Blick auf die Gesichtspflege, das Sorgenkind der letzten Jahre in allen Kanälen. Ob preiswert oder hohes Preisniveau, ob Apotheke oder Drogeriemarkt: Die Kundin cremt weniger. Liegt es an fehlenden neuen Angeboten? Die Neuheitenpalet-te war im vergangenen Jahr vergleichsweise übersicht-lich: es wurde stärker auf Einzelprodukte als auf große (Linien-) Lancierungen gesetzt. Jedoch geraten Inno-vationen und neue Trends bei neuen Formulierungen wieder stärker in den Fokus. Die könnte einen mög-lichen »Startschuss« darstellen, um die Wertigkeit se-lektiver Produkte zu vermitteln.

suche nach sicherheit und Konsistenz Zusammenfassend kann man sagen: 2013 war für die Körperpflege/Kosmetik ein stabiles Jahr. Aber was bringt die Zukunft? Das Stichwort Mehr-Wert zeigt

den Weg: Gerade in der längerfristigen Betrachtung wird es zwangsläufig weniger Mengenkonsum geben. Umsatzwachstum durch höhere Preise ist auf Dauer nur machbar, wenn dem Verbraucher glaubhaft der Mehr-Wert vermittelt wird. Gerade ein Konsument, der in anderen Lebensbereichen dauerhaft mit Wech-sel und Unwegsamkeiten leben muss, sucht in seinem Konsumportfolio nach Sicherheit und Konsistenz über die Jahre. Eine kontinuierliche Markenpolitik, über-zeugend kommuniziert, wird immer wichtiger. Hier spielt auch die Entwicklung der Alterspyramide eine große Rolle: Ältere Konsumenten verfügen über die Möglichkeiten, ihr Portfolio in der Kosmetik wer-tiger zu gestalten. Allerdings haben sie auch die not-wendige Erfahrung, um Markenstrategien verstehen oder auch entlarven zu können. Die Pflege des Kon-sumenten – basierend auf dem Wissen um seine Wün-sche – wird damit immer entscheidender. Sofern es Industrie und Handel schaffen, diese Punkte verstärkt und überzeugend aufzugreifen, dürfte die künftige Entwicklung der Körperpflege/Kosmetik in Deutschland weiterhin von einem Abwärtstrend ver-schont bleiben.

Sabine Hefter

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Die ungeschminkte Wahrheit über KundenKonsumentinnen greifen aus unterschiedlichen Gründen zu Kosmetik und Parfum. Aber egal, welche Motivation den Kauf treibt: Das Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle im Kaufprozess immer wichtiger.

oNliNe veRäNDeRt veRHAlteN – und dies nachhaltig. Ob zur Information, Diskussion, Unterhaltung, ob zum Kaufen, Flirten, Arbeiten oder Spielen – das Internet gehört für breite Bevölkerungsschichten mittlerweile wie selbstverständlich zum täglichen Leben. Diese Ver-änderungsprozesse machen auch vor Marketing, Me-dia und Handel nicht halt. Langjährig gelernte Ent-scheidungs- und Kaufprozesse werden auf den Kopf gestellt, Vertriebs-, Verkaufs- und Distributionsmecha-niken greifen nicht mehr optimal. Handel und Mar-kenführung müssen sich auf die neuen Begebenheiten einstellen und Strategien entwickeln, um Geschäftsmo-delle, Vermarktungs- und Kommunikationskonzepte den neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

Diskussion über Kosmetik mit Fokusgruppen Wir haben uns die Frage gestellt, inwieweit dieser Wan-del auch für die Produktbereiche Parfum und deko-rative Kosmetik zutrifft. Wie stark haben sich durch Kauf- und Entscheidungsprozesse verändert? Wie müs-sen Media und Marketing auf diese Entwicklungen re-agieren, um weiter erfolgreich zu sein? Um die Fragen beantworten zu können, war ein Forschungsszenario notwendig, das zum einen möglichst authentisch und lebensnah die Faszination von Parfum und Kosmetik auf Frauen in den Blick nimmt, zum anderen einen Ein-blick in Kauf- und Entscheidungsprozesse gewährlei-stet. Dafür boten sich qualitative Verfahren an, die im Rahmen der Studie zum Einsatz kamen. In einem er-sten Schritt galt es, die Rolle und Funktion von Parfum und Kosmetik im Alltag zu verstehen. Das Verständnis über die psychologischen und gesellschaftlichen Me-chanismen, die dabei eine Rolle spielen, ist entschei-dend, da sie letztendlich unmittelbaren Einfluss auf Markenwahrnehmung und Kauf haben. Hierzu wurden mehrere qualitativ-psychologische Fo-kusgruppen mit Frauen zwischen 20 und 39 Jahren durchgeführt, die mindestens regelmäßig Markenkos-metik und Parfum kaufen und verwenden. Auf die-

sen Ergebnissen aufbauend, wurde mit einer online-basierten »Insight Community« eingesetzt. Für zwei Wochen wurde zusammen mit dem Paneldienstleister Respondi eine Onlineplattform ins Leben gerufen und 99 Konsumentinnen eingeladen, miteinander und mit Moderatoren über Beauty-Produkte zu diskutieren. Je-de Teilnehmerin konnte einen Blog führen, in dem sie ihre Kauf- und Suchprozesse im Internet nachzeichnen und jeweils mit Links, Bildern und Erklärungen ver-anschaulichen konnte. In einem Forum wurden gezielt Themen gesetzt und Diskussionen unter den Verwen-derinnen angeregt. In Echtzeit-Chats wurden Online-fokusgruppen durchgeführt, um bestimmte Themen zu vertiefen. Insgesamt wurden über 1.100 Beiträge und mehr als 250 Blogbeiträge mit 380 Kommentaren ge-neriert. Zusätzlich wurden knapp 100 Bilder hochge-laden, aus denen Insights aus dem unmittelbaren All-tag der Verwenderinnen gewonnen werden konnten.

Rollenbilder wandeln sichDie Studie zeigt, dass Parfum und Kosmetik im Alltag von Frauen eine sehr wichtige Rolle spielen. Dies lässt sich unmittelbar aus der gesellschaftlichen und sozia-len Lebenswirklichkeit heraus erklären. Denn das Auf-brechen tradierter Rollenbilder führt dazu, dass die Erwartungen an Frauen steigen. Zu den bestehenden Rollenbildern kommen weitere hinzu, die es zu erfül-len gilt. Frauen haben alles zu sein: liebende Ehefrau, fürsorgliche Mutter und fleißige Hausfrau, die gleich-zeitig zielstrebig ihre Karriere vorantreibt und sich um ihr soziales und familiäres Umfeld kümmert. Frauen müssen immer wieder in die unterschiedlichs-ten Rollen schlüpfen. Und genau hier entfalten Beauty-Produkte auf der psychologischen Ebene ihre Stärke. Denn ihnen wohnt das Versprechen der Wandlungs-fähigkeit inne und damit die Möglichkeit, verschie-dene Rollenbilder einnehmen zu können. Dabei kann das Wandlungsversprechen durchaus unterschiedlich sein: Profilierungsstrategien dienen beispielsweise da-

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RAtioNALER BZW. EmotioNALER KAuF

4. Frustkauf: Stress mit dem Chef? Ärger mit Kun-den oder Streiti mit dem Partner? Dies wird von vielen Frauen mit kleinen Frustkäufen im Bereich der dekora-tiven Kosmetik kompensiert – als kleine Trostpflaster. Ob Lipgloss oder Nagellack, gerade die niedrigpreisi-gen Produkte dienen dazu, Frust und Verärgerung im Alltag zu kompensieren. 5. Ersatzkauf: Den Ersatzkauf kann man als eine Art Si-cherheitskauf beschreiben, bei dem man zu Bewährtem greift, wenn einen der Mut zur Veränderung verlässt. Frauen mit dem Wunsch nach einem Typwechsel testen am POS verschiedene Dinge aus, fallen aber dann doch wieder in die eigene Komfortzone zurück und kaufen die Artikel, die sie sonst immer kaufen. 6. Lustkauf: Auch als situativer Spontankauf zu be-zeichnen, der sehr stark impulsgetrieben ist und als kleine Freude den Alltag versüßt. Diesen Lustkäufen geht keine konkrete Einkaufsverfassung voraus, son-dern sie können spontan durch externe Impulse ausge-löst werden – etwa durch ein interessantes Onlinewer-bemittel oder POS-Aktivitäten. Zwischen Impuls und Kauf liegen oftmals nur wenige Minuten. 7. On-Top-Kauf: Diese Käufe sind klassische Zusatz-käufe im Zuge einer ausgiebigen Shopping-Tour. Oft-mals kombiniert mit Bekleidungskäufen werden hier Kosmetikartikel mit dem Ziel gekauft, das Einkaufser-leben zu komplettieren oder zu verlängern. Zum Hauptkauf werden noch weitere Kleinigkeiten zum Verwöhnen hinzugekauft, die in der ohnehin schon be-trächtlichen Gesamtsumme des Einkaufes kaum auffal-len. Auch dies ist ein emotionaler Kauf, der im Rausch des Hauptkaufes mitgenommen wird.Wie man sieht, ist Kauf nicht gleich Kauf. Somit kann es keine singuläre Antwort auf die Frage geben, was diesen nun eigentlich treibt. Jeder Kauf hat seine ei-genen Gesetze. Diese zu verstehen, in entsprechende Kommunikationskonzepte zu übersetzen und passende Off- und Online-Touchpoints optimal zu nutzen, ist aus Media- und Marketingsicht existenziell.

zu, aus der Menge herauszustechen, aufzufallen sowie Einzigartigkeit und Individualität zu vermitteln. Knal-lige Farben, ein extravaganter Look sowie schwere und markante Düfte helfen, den eigenen Charakter zu un-terstreichen. Uniformierungsstrategien dienen dahin-gegen der Anpassung. Sie helfen dabei, nicht aufzufal-len, mit dem Mainstream zu gehen und sich beinahe unsichtbar zu machen. Gedeckte Farben und dezente Düfte sind Teil dieser Strategie.

Käufertypen: von emotional bis funktionalIn der Studie haben sich verschiedene Käufertypen he-rauskristallisiert. Insgesamt wurden sieben Konsu-mententypen identifizieren, mit zum Teil völlig unter-schiedlichen Needs und Motivationen. Dabei lassen sich emotionale und funktionale Käufe unterscheiden.1. Nachkauf: Das Auffüllen des zur Neige gehenden Bestandes ist die funktionalste Kaufvariante und nur in sehr geringem Maße emotional aufgeladen. Der Kauf-entscheidungsprozess ist stark verkürzt, da man genau weiß, was man will. Bei diesem Käufertyp dominieren faktische Überlegungen wie Preis, Verfügbarkeit, Ge-schwindigkeit und Einfachheit. 2. Vorratskauf: Der Vorratskauf gehört nur auf den er-sten Blick zu den funktionalen Käufen. Das Bunkern wird von den Verwenderinnen auch als Angstkauf ge-schildert. Hat man einmal das richtige Parfum gefun-den, das zur eigenen Persönlichkeit passt, weckt dies gleichzeitig Befürchtungen, dass dieser Artikel in ab-sehbarer Zeit nicht mehr verfügbar sein könnte. Es wird gelagert und gehamstert. 3. Belohnungskauf: Hier steht eindeutig das Ein-kaufserlebnis im Vordergrund. Das Produkt ist eher nebensächlich. Die Frauen verglichen den Einkauf mit einem Wellness-Erlebnis, bei dem Wohlfühlen und Ent-spannen an erster Stelle stehen. Zum Einkauf sind Par-fümerien gut geeignet, wo man Produkte ausprobieren kann und vom Personal beraten wird. Eindeutige Bot-schaft: »Hier stehe ich im Mittelpunkt.«

kosmetikkäufe werden von unter-

schiedlichen Bedürfnissen getrie-

ben. entsprechend gibt es emotio-

nale und funktionale käufe. Que

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inspiration, Entscheidung und KaufEine Frage, die die Studie beantworten sollte, ist die nach dem Zusammenspiel von Online und Offline auf dem Weg zum Kauf der Kosmetika. Es zeigte sich, dass es drei Stufen auf diesem Pfad gibt: Inspiration und In-formation, Entscheidung und Kauf. Inspiration findet kontinuierlich statt, unabhängig von einem geplanten Kauf. Inspirieren lassen sich die Kos-metikkundinnen dabei sowohl explizit durch Werbung, Produktbesprechungen in Zeitschriften/Blogs und die Präsentation am POS, als auch implizit – das heißt spontan aus dem Kontext heraus. Online spielt bei bei-den Aspekten eine wichtige Rolle, denn die Frauen nut-zen unterschiedliche Quellen und tauschen sich in So-cial Networks über Kosmetik aus. Insbesondere bei Düften spielt aber die sinnliche Wahrnehmung am POS eine wesentliche Rolle bei der Inspiration. Aus der Inspiration und der gesammelten Informati-on speist sich die Produktentscheidung. Hier spielt die sinnliche Erfahrung eine zentrale Rolle. Der ganzheit-liche Eindruck – Verpackung, Flakon, persönliche Be-ratung und das Produkterleben – bilden den Rahmen für die Entscheidung. Den meisten Frauen ist am POS die Möglichkeit des direkten Vergleichs der Produkte wichtig. Online holen sie sich dahingegen rationalen Input – zum Beispiel über Inhaltsstoffe, vor allem in Zusammenhang mit Allergien und Hautunverträglich-keiten, und ethische Aspekte wie Tierschutz.Zwar wird die Kaufentscheidung also letztlich unver-ändert wesentlich vom direkten Erlebnis vor Ort ge-prägt. Nichtsdestotrotz können Marken durch Online-Kommunikation ihren Käuferinnen die Entscheidung leichter machen. Neben Werbung und der Kommu-nikation über Fashion- und Beautyblogs können sie beispielsweise Farbberatung, virtuelle Stylingtest etc. anbieten. Dadurch erhalten die interessierten Frauen nicht nur die von ihnen gewünschten Informationen, sondern die Marke wird als serviceorientiert und of-fen wahrgenommen.

Der mix aus on- und offline macht’sUnternehmen sollten es den Kundinnen so leicht wie möglich machen, sich im Web über die Marke umfas-send zu informieren. So können sie sie durch das vir-tuelle Markenerlebnis inspirieren, so dass die Marke anschließend am POS im Relevant Set ist.Je nach Funktion, die der Kauf für die Frau erfüllt, wird der Entscheidungsprozess unterschiedlich stark von der direkten Erfahrung im Store und der indirekten Infor-mation im Internet beeinflusst. Allerdings spielt das Web im Kaufprozess eine immer wichtigere Rolle, um etwas über Marke und Produkt zu erfahren. Die Kom-munikationsstrategie sollte dem Rechnung tragen. Un-ternehmen müssen beginnen, On- und Offline stärker miteinander zu verzahnen.

klaus Stinnertz

ZusAmmENsPiEL VoN oN- uND oFFLiNE im KAuFPRoZEss

Je nach käufertyp finden inspira-

tion und information, entschei-

dung und kauf online oder im

stationären Handel statt. Die

offline-tester lassen sich zum

Beispiel im Web inspirieren und

informieren sich dort, im ent-

scheidungsprozess testen sie

die Produkte offline, bevor sie

sie im internet kaufen.

klaus Stinnertz ist Director media

Research bei der mediaCom Agen-

tur für media-Beratung GmbH in

Düsseldorf. er verantwortet in

seiner funktion den Bereich kon-

sumentenforschung mit Schwer-

punkt Zielgruppen-, medien- und

Werberezeptionsforschung.

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vke-kosmetikverbandkAUfPRoZeSSmARkeNARtikel SoNDeRHeft

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Billig gekauft, teuer bezahltZu den großen Aufgaben der Kosmetikbranche gehört, die Produkt- und Markenpiraterie einzudämmen, erklärt Steffen Seifarth, Regional Vice President DACH/Eastern Europe bei Coty Prestige und Vizepräsident im VKE-Kosmetikverband.

Steffen Seifarth ist bei Coty Prestige Regional vice

President der Region DACH/eastern europe sowie

vizepräsident im vke-kosmetikverband.

mARkeNARtikel: In den vergangenen Jahrzehnten ist Pro-dukt- und Markenpiraterie gerade auch in der Kos-metikindustrie zu einem ernst zu nehmenden Thema geworden. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, die zum Anstieg dieser Wirtschaftskrimi-nalität geführt haben?SteffeN SeifARtH: Gefälscht wird, was der Verbraucher schätzt und gerne kauft. Das rückt die bekannten und mit Prestige behafteten Produkte in den Fokus. Ver-führt wird der Verbraucher dann noch durch die be-liebte Jagd nach einem Schnäppchen – doch das be-deutet am Ende: billig gekauft, aber teuer bezahlt.

mARkeNARtikel: Wie meinen Sie das?SeifARtH: Ein geringer Aufwand in der Produktion – von der Ausbeutung der Arbeiter unter unmöglichen Arbeitsbedingungen bis hin zu verbotener Kinderar-

beit – stehen so ergaunerte hohe Gewinnmargen ge-genüber. Das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko ist durch aufgespaltete Strukturen gering, und die aus-gesprochenen Strafen fallen oftmals lächerlich niedrig aus. So erreicht man keine wirksame Abschreckung.

mARkeNARtikel: Warum ist den Fälschern so schwer bei-zukommen? SeifARtH: Der Hersteller kann die Fälscher meist erst am Ende der Kette packen und muss von da an müh-sam den Weg zurückverfolgen – wenn es denn über-haupt geht. Simple Verkaufsmöglichkeiten in Kleinst-mengen, zum Beispiel Straßenhändler, Flohmärkte oder Urlaubsbasare, bedeuten eine einfache Distribu-tion ohne Nachwehen und allzu große Kosten. Und dann kommt das große dunkle Feld des weltweiten In-ternetvertriebes dazu, der das Verfolgungsrisiko noch-mals dramatisch nach unten sacken lässt. Kurz, mit Fälschungen kann man schnell auf Kosten anderer und der Gesundheit des Verbrauchers Geld machen, ohne dass eine empfindliche Strafe winkt.

mARkeNARtikel: Nicht alle Verbraucher haben über-haupt das Bewusstsein, dass gefälschte Ware häufig minderwertig oder sogar gesundheitsgefährdend ist. Wie versucht der VKE-Kosmetikverband, die Öffent-lichkeit über das Thema aufzuklären?SeifARtH: Entsprechende Anfragen von Verbrauchern werden von uns beantwortet oder an die betroffene Firma weitervermittelt. Der VKE arbeitet hier Hand in Hand mit dem Aktionskreis der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie, kurz APM, der sich dieser Aufgabe als spezialisierter Verband wid-met. Es gibt eine ständige Wanderausstellung, die in den ECE-Einkaufscentern zu sehen ist und die wir fi-nanziell unterstützen. Allerdings scheint der Lernpro-zess eher langsam voran zu schreiten und wird immer wieder von der Aussicht auf einen günstigen Kauf ge-stört.

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vke-kosmetikverband PRoDUktPiRAteRie mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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Die Aussicht auf einen günstigen kauf lässt einige verbraucher zu bil-

ligen fälschungen greifen. Auf deren Gefahren weist eine kampagne

des Aktionskreises gegen Produkt- und markenpiraterie (APm) hin.

Noch nicht alle wissen, dass

die Qualität gefälschter Ware

häufig minderwertig ist.

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mARkeNARtikel: Sie haben schon angedeutet, dass Pro-dukt- und Markenfälscher offensichtlich immer ge-schickter und professioneller vorgehen und sich verstärkt mit anderen Bereichen der organisierten Kriminalität verbünden, zum Beispiel auf Vertriebs-wege des internationalen Drogenhandels zurückgrei-fen. Auch kommen gefälschte Waren immer stärker auf dem Postweg und in kleineren Einheiten ins Land und nicht mehr im Container – für Zoll und Indus-trie eine neue Stufe im Kampf gegen die Fälscher. Wie kann man diesen Entwicklungen aus Ihrer Sicht am effektivsten entgegentreten? SeifARtH: Einerseits durch eine intensive Zusammen-arbeit mit Behörden und Zoll – es werden regelmä-ßige und weltweite Zollschulungen durch sehr viele Herstellerfirmen veranstaltet. Andererseits aber auch durch Verbesserung der Produktsicherung, etwa die Markierung zur Verfolgbarkeit, sowie die Verfolgung durch die Hersteller mittels ihrer spezialisierten Ab-teilungen. Weiter durch eine Nulltoleranz-Politik der Herstellerfirmen. Und schließlich durch zusätzliche Ermittlungen durch Detekteien in den Herstellerlän-dern. Eine große Rolle spielt auch die enge Zusam-menarbeit mit dem Markenverband als Sprachrohr

der gesamten Markenwirtschaft und der Erfahrungs-austausch mit anderen Markeninhabern.

mARkeNARtikel: Was könnte man noch tun? SeifARtH: Weiter wünschen wir uns den Ausbau der vormals ATLAS genannten E-Agent-Datenbank. Die-se überregionale Datenbank des Zolls sollte auch die Polizei nutzen können – bislang ist der E-Agent noch eine reine Zolldatenbank. Verbrechensbekämpfung muss also vernetzter werden. Die Zuständigkeitsbe-reiche von Zoll und Polizei sollten in den Ländern klar positioniert sein und Grenzkontrollen an neu-ralgischen Punkten verstärkt werden, zum Beispiel an einigen Grenzübergängen zwischen Tschechien und Deutschland.

mARkeNARtikel: Welche Maßnahmen erwarten Sie da-bei konkret von der Politik?SeifARtH: Dass die vorhin genannten Maßnahmen als Ziele der Politik erkannt und aufgenommen werden und in eine entsprechende Gesetzgebung münden. Wei-ter eine intensivere internationale Zusammenarbeit der Behörden sowie politischer Druck auf Länder, in denen Fälschungen hauptsächlich hergestellt werden.

mARkeNARtikel: Wie könnten auch die Betreiber von Handelsplattformen stärker in die Pflicht genommen werden? Durch das Internet ist der Handel mit ge-fälschter Ware ja deutlich leichter geworden. SeifARtH: Einmal direkt durch die Maßnahmen der Her-

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etliche firmen leiden unter fälschungen. Darum fordert der vke, den tatbestand der markenrechtsverletzung ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.

steller, etwa intensive Überwachung von Angeboten im Internet, das Einschalten von Anwälten und pri-vaten Ermittlern sowie die Ergreifung entsprechender rechtlicher Maßnahmen. Das Problem ist häufig, dass die dahinter stehenden Personen und Strukturen nicht leicht zu indentifizieren sind oder falsche Daten und Adressen hinterlegt haben. Ein weiteres Problem ist die Flut der Überwachungsarbeit und darauf folgender Maßnahmen. Wenn man jeden Tag 1.000 neue Aukti-onen zu überwachen hat und nur zehn Prozent davon rechtsverletzend sind, ertrinkt man förmlich in Arbeit – von den Kosten und dem Zeitaufwand ganz zu schwei-gen, bis man alle Fakten für eine rechtliche Maßnah-me hat und bis dann das Gericht ein Urteil fällt, das dann noch an den Richtigen zugestellt werden muss.

mARkeNARtikel: Kein leichtes Unterfangen also…SeifARtH: Ohne eine tatkräftige Mithilfe und Verant-wortung der Betreiber von Handelsplattformen ist dieser Kampf nicht zu führen, geschweige denn zu gewinnen. Leider ist die Rechtslage aufgrund des Te-lemediengesetzes und der sogenannten E-Commerce-Richtlinie nicht sehr günstig, und die Internet-Ser-vice-Provider bieten meist nur eine Entfernung der rechtsverletzenden Auktion an – das sogenannte No-tice-and-Take-Down. Das ist aber keine dauerhafte Lösung: Die Fälschung verschwindet nur vom Bild-schirm, sie wird aber nicht aus dem Wirtschaftskreis-lauf entfernt und kann jederzeit wieder eingestellt werden oder bei einem anderen Anbieter auftauchen. Gerade die Handelsplattformen im Internet sind des-halb aufgerufen, ihren Anteil zu tragen und Initiative und Verantwortung zu übernehmen. Einiges wird auf diesem Feld schon getan, nur reicht es oftmals nicht. Der VKE-Kosmetikverband setzt sich dafür ein, dass die Sicherheit im Netz verbessert wird.

mARkeNARtikel: Was muss die Kosmetikbranche beim Thema Produkt- und Markenpiraterie künftig noch stärker schaffen?SeifARtH: Eine noch intensivere Aufklärung und Sen-sibilisierung des Verbrauchers über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Fälschungen. Hier kön-nen Politik und Medien wertvolle Unterstützungslei-stungen erbringen. Leider beobachten wir eine Zu-nahme von Ex-Officio-Fällen, in denen die Behörde aus eigenem Betreiben vorgeht, ohne dass die betrof-fenen Markeninhaber informiert oder beteiligt wer-den. Hier gehen wertvolle Informationen für den Markeninhaber verloren. Nicht dass dies falsch ver-standen wird: Wir begrüßen es, wenn die Behörden aus eigenem Antrieb handeln, nur darf der Austausch und Informationsfluss zum Hersteller nicht versie-gen, nur weil die Behöre selbst ermittelt. Auch wird durch verbesserte Produktionsmethoden der Fäl-scher die Erkennbarkeit für den Verbraucher immer schwieriger, insbesondere im Internet, wenn nach einem Bild gekauft wird. Die Produktmarkierungen der Hersteller können nicht die Vorsorge und Eigen-verantwortung des Verbrauchers ersetzen.

mARkeNARtikel: Was raten Sie deshalb dem Verbrau-cher? SeifARtH: Er sollte, ob in einem Geschäft oder im In-ternet, nur bei einer vertrauensvollen Stelle kaufen. Den Händler um die Ecke kennen die meisten und können ihn bei Fragen oder Problemen leicht aufsu-chen oder anrufen. Meist hat er auch eine Internet-seite oder einen Internetshop. Das Risiko, hereinge-legt zu werden, ist zwar gestiegen und steigt weiter. Wer aber weiß, bei wem er kauft, der fährt sicher.

interview: torsten Schöwing

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Duft als persönlichstes Accessoire des DesignersDüfte bekannter Designer sind auf dem Vormarsch. Über Beson-derheiten, aber auch Gefahren dieses Segments sprachen wir mit Susanne Rumbler, Präsidentin der Fragrance Foundation Deutsch-land und Geschäftsführerin von Beauté Prestige International.

mARkeNARtikel: Designer-Düfte haben in den vergange-nen Jahren im Markt deutlich an Bedeutung gewon-nen. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Grün-de für diese Entwicklung? SUSANNe RUmBleR: Es sind immer die Emotionen. Nur wenige künstlich aufgebaute Marken können in ihrer Aussagekraft so lebendig und so einzigartig Menschen faszinieren wie ein anderer Mensch – in diesem Fall ein Designer. Mit seinem Namen kommuniziert ein Desi-gner auch ein Image, das im Idealfall Prestige und ei-ne hohe Begehrlichkeit besitzt. Wenn es vielen Konsu-menten aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, die Mode eines Designers zu tragen, so möchten sie doch eines seiner luxuriösen Accessoires besitzen – auch, um sich damit ihrer Umwelt als Kenner aus-zuweisen. Der Duft ist ein Teil des Designers, seines Universums. Der Duft ist das persönlichste Designer-Accessoire.

mARkeNARtikel: Welche Rolle spielen Designer-Düf-te, betrachtet man den Gesamt-Duftmarkt: Sind sie dort eher ein Nischenthema oder stehen sie für brei-te Marktanteile?RUmBleR: Sowohl als auch. Der Herrenduft »Le Male« von Jean Paul Gaultier beispielsweise steht seit seiner Lancierung 1996 auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Al-le sieben Sekunden wird ein »Le Male«-Flakon ver-kauft. Daneben gibt es Designer-Düfte, die Klassiker sind und seit Jahren mit schönen Verkaufszahlen er-freuen. Oder auch schnell abstürzende Shooting-Stars. Dann existieren zahlreiche Designer-Düfte mit gerin-gen Marktanteilen, die in Nischen heimisch sind. Ei-nige werden nach einer gewissen Zeit sogar ganz vom Markt genommen.

mARkeNARtikel: Was sollten Unternehmen grundsätz-lich berücksichtigen, wenn Sie im bereits hart um-kämpften Duftmarkt ihr Portfolio um einen Designer-Duft ausbauen wollen?

RUmBleR: Zunächst einmal müssen sie einen Designer mit Zukunftspotenzial entdecken und gewinnen. Bei der Entwicklung des Duftes muss dann zwingend an seinen individuellen Werten und seiner Identität fest-gehalten werden, was bis in die kleinsten Details des Produktauftritts kommuniziert werden sollte. Natür-lich könnte ich das um zahlreiche Kriterien weiterfüh-ren – doch selbst wenn alles richtig gemacht würde, ist und bleibt ein neuer Designer-Duft immer auch ein großes Abenteuer.

mARkeNARtikel: Wo ist so ein Abenteuer aus Ihrer Sicht besonders geglückt? RUmBleR: Ein schönes Beispiel ist Narciso Rodriguez. Als Beauté Prestige International 2003 seinen ersten Duft »for her« lancierte, war der Designer in Deutsch-land kaum bekannt. Inzwischen wird der Name Nar-

Susanne Rumbler ist Geschäftsführerin von Beauté Prestige

international (BPi), Düsseldorf, sowie Präsidentin des vorstands

der fragrance foundation Deutschland.

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vke-kosmetikverband DeSiGNeR-DÜfte mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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wie ihn das Haus Beauté Prestige International mit seinen Designern pflegt, bedeutet gegenseitige Nähe und bringt beiden Seiten Vorteile. Wir respektieren uns sehr und mögen uns.

mARkeNARtikel: Sind bei der werblichen Kommunika-tion für Designer-Düfte eigentlich Faktoren zu be-achten, die sich von denen für andere Düfte stark un-terscheiden? RUmBleR: Der werbliche Auftritt kommuniziert immer Sprache und Identität des Designers – seine Ästhe-tik, seine Haltung und Werte, seine Welt, sein Cor-porate Design.

mARkeNARtikel: Und wie steht Deutschland im inter-nationalen Vergleich bei der Produktgruppe der De-signer-Düfte da: Ist die Bedeutung dieser Produkte hierzulande eher größer oder eher geringer als in an-deren Industrienationen? RUmBleR: Bei unseren vier Designern steht Deutschland mit an erster Stelle.

mARkeNARtikel: Wagen Sie bitte noch einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich wahrscheinlich das Ge-schäft und Potenzial von Designer-Düften in der Zu-kunft entwickeln – ist mit einem weiteren Wachstum zu rechnen? RUmBleR: Gegenseitige Verdrängung ist eine mögliche Option: Der Wettbewerb wird noch härter. Ich denke aber, dass allgemein die Suche nach Orientierung und Identifikation zunimmt. Menschen möchten sich sty-len, ihre Persönlichkeit unterstreichen, sich selbst ein Image geben. Dafür ist ein Designer-Duft, der gleich-zeitig ein Statement ist, wunderbar geeignet. Er gehört einfach dazu. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit an Designer-Düften entspricht der wachsenden Individu-alisierung der Menschen.

interview: torsten Schöwing

ciso Rodriguez eher mit Duft als mit Mode assozi-iert. Bei der Entwicklung des Duftes haben wir das Duftprodukt gemeinsam mit dem Designer Schritt für Schritt entwickelt. Das in jedem Detail hochwertige Ergebnis entspricht in seiner Absolutheit dem Desi-gner. Der Duft hat eine hohe, besondere Begehrlich-keit und ist auch wirtschaftlich erfolgreich.

mARkeNARtikel: Tatsächlich können Designer in unserer Mediengesellschaft schnell zu Stars avancieren, durch Misserfolge oder Skandale – siehe das Beispiel John Galliano – aber ebenso schnell von der Bildfläche ver-schwinden. Inwieweit gefährdet dies das Geschäft mit Designer-Düften und wie kann man solchen Risiken am besten begegnen?RUmBleR: Risiken sind nie völlig auszuschließen. De-signer sind immer hochsensible Menschen – Künst-ler, die auch ihre Welt, ihre Marke, ihr Image le-ben. Ein permanenter, enger persönlicher Kontakt,

Bei den Duftstars 2011 wurde

der marc Jacobs-Duft »lola«

für sein flakon-Design ausge-

zeichnet.

Beauté Prestige international lancierte 2003 den ersten

Duft des Designer Narciso Rodriguez – »for her«.

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vke-kosmetikverbandDeSiGNeR-DÜftemARkeNARtikel SoNDeRHeft

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Wertschöpfung schaffenDie Zusammenarbeit mit dem Handel stellt die Kosmetikbranche vor einige Herausforderungen. Aber nur gemeinsam können beide Seiten die Gunst der Konsumenten gewinnen, sagt Andreas Sistig, Geschäftsführer und Vice President bei Shiseido Deutschland.

mARkeNARtikel: Die Beziehung zum Handel ist geprägt von einem steten Auf und Ab. Klar ist aber: Ohne ei-nander geht es nicht. ANDReAS SiStiG: In der Tat sind Handel und Industrie wie die beiden Seiten einer Münze. Erst zusammen bilden sie den Wert. Die Qualität der Beziehungen wurde und wird dabei auch heute noch im Wesentlichen von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedin-gungen geprägt.

mARkeNARtikel: Wobei die deutsche Handelslandschaft mit ihrer vielfältigen Parfümerielandschaft durchaus etwas Besonderes ist...SiStiG: Der rasante Aufstieg der deutschen Wirtschaft in der Nachkriegszeit mit seinen vielfältigen Existenz-gründungen war der prägende Faktor für die bis heute immer noch mittelstandsstarke Parfümerielandschaft Deutschlands. Damals hatten wir einen klaren Ver-käufermarkt, in dem das Angebot überschaubar war. Es gab viele potenzielle Kunden, und so mancher Au-ßendienstmitarbeiter hatte sogar seinen eigenen Fah-rer, um dorthin zu gelangen. Auch gab es einen so-genannten Gebietsschutz für den Händler, der den eigenen Standort sicherte und die lästige Konkurrenz fernhielt.

mARkeNARtikel: Aber nicht nur die Handelslandschaft boomte. Auch die Industrie profitierte von den postiven Entwicklungen. SiStiG: Der stetige Zuwachs von Parfümeriestandorten und die hohen Margen lockten in den 1980ern und zu

Beginn der 1990er-Jahre auch die großen Industriekon-zerne an, die in ihrem angestammten Massenmärkten ebenfalls mit Sättigungsproblemen zu kämpfen hatten. So manche Luxusmarke wechselte damals den Besit-zer. Stetiges Wachstum und eine Flut von Neuheiten vor allem im Duftsegment bescherten bis vor etwa 14 Jahren beiden Seiten ein gutes Auskommen. Nun ist aber auch im Luxusmarkt die Sättigung eingetreten. Für den einen oder anderen kommt dies völlig überra-schend, man ist nicht ausreichend darauf vorbereitet.

mARkeNARtikel: Welche Möglichkeiten gibt es, um auf diese Entwicklungen zu reagieren?SiStiG: Letzte Ausweichmöglichkeiten bieten bisher noch das Nischengeschäft oder das wachsende Pre-

Andreas Sistig ist seit 2007 Geschäftsführer der Shiseido Deutschland

GmbH, Düsseldorf, und fungiert seit 2010 zusätzlich als vice President. in

dieser funktion leitet er das Unternehmen an der Seite von Präsident Yoshi-

nori Nishimura. vor seiner Zeit bei Shiseido war Sistig bei lvmH als General

manager bei Guerlain Parfumeur tätig. Weitere Stationen waren Unilever

und Revlon. Sistig ist mitglied des vorstands des vke-kosmetikverbandes.

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vke-kosmetikverband HANDelSBeZieHUNGeN mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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SiStiG: Es hilft uns enorm, die Wertschöpfung für alle Beteiligten aufrecht zu erhalten. Der Hersteller kann sich sicher sein, dass die Produkte in einem für die Mar-ke hochwertigen Umfeld verkauft werden. Der Handel hat mit seinem hochklassigen Angebot die Gewissheit, dass seine Investitionen in Ausstattung und Service auch finanzierbar bleiben. Und der Endverbraucher erhält dafür ein exzellentes Einkaufserlebnis und eine perfekte Beratung. Ohne den Vertrag dürfte jeder alles verkaufen. Der Vertriebskanal Parfümerie würde ge-rade in der jetzigen Marktsituation kollabieren. Des-halb ist es sowohl für unsere Handelspartner als auch für uns Hersteller unabdingbar, auf die Einhaltung des Vertrages zu setzen.

mARkeNARtikel: Gerade bei Kosmetika ist die Präsentati-on das A und O. Ein starker Einzelhandel lebt von In-dividualität und Facettenreichtum. Mit welchen Kon-zepten kann der Handel Ihrer Ansicht nach punkten? SiStiG: In einer Welt global agierender Marken ist es nicht zu verhindern, dass viele der Beteiligten im Han-del dasselbe Sortiment haben. Man findet dieses Phä-nomen auch international, da sich die Umsätze auf we-nige große Konzerne verteilen. Wenn natürlich alle allen alles verkaufen wollen, gibt es keine Individua-lität mehr und das Angebot verschwimmt. Es gibt drei Ansätze, dies zu verhindern.

mARkeNARtikel: Und die wären?SiStiG: Neben der individuellen Sortimentsauswahl be-

miumsegment, aber auch hier kann man nicht end-los die Preisschraube nach oben drehen. Wir müssen schmerzlich feststellen, dass aus unserem Verkäufer-markt heute ein Käufermarkt geworden ist. Damit haben sich auch die Spielregeln massiv verändert.

mARkeNARtikel: Der Konsument hat also das Sagen?SiStiG: Es gibt ein Überangebot von Ware und Ver-kaufsstellen, und wir müssen um den Konsumenten kämpfen. Den Chauffeur gibt es schon lange nicht mehr ebenso wenig wie den Gebietsschutz in seiner ursprünglichen Form. Zuwächse werden heutzutage sowohl auf Handels- als auch auf Herstellerseite teil-weise teuer erkauft. Mit zunehmender Sättigung tritt aber auch der Serviceaspekt unseres Luxusgeschäftes wieder stärker in den Vordergrund, was wiederum neue Chancen eröffnet.

mARkeNARtikel: Inwiefern neue Chancen?SiStiG: Zu unserer Aufgabe als Hersteller gehört es, die Einhaltung der strengen selektiven Vertriebskri-terien zu überwachen. So können wir zusammen mit unseren Handelspartnern dem Endverbraucher ein luxuriöses Einkaufserlebnis aus erstklassigen Pro-dukten, exzellenter Beratung und hochwertigem Am-biente anbieten.

mARkeNARtikel: Das selektive Vertriebsbindungssystem hat also aus Ihrer Sicht Vorteile für Hersteller, Han-del und Verbraucher?

Hochklassiges Angebot: Hersteller und Handel bieten den kunden am PoS exzellente einkaufserlebnisse und eine perfekte Beratung.

Handel und Industrie sind wie die beiden Seiten einer Münze. Erst zusammen bilden sie den Wert. »

Andreas Sistig, Shiseido

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steht die Möglichkeit, sich klar für Marken zu ent-scheiden und ihnen eine Bühne für die Inszenierung zu bieten. Das kann ein Wettbewerber in der gleichen Stadt mit einer anderen Marke tun. Über eine derar-tige qualitative Differenzierung des Sortiments kann einem Standort mehr Individualität verliehen werden. Der zweite Ansatz ist das Geschäft selbst. Standort und Ausstattung müssen von Zeit zu Zeit überdacht werden. Kunden wollen interessiert und überrascht

werden. Wenn man sich die Entwicklung so man-cher Drogeriemarktketten anschaut, ist eindeutig der Schritt zu höherwertigen Einkaufserlebniswelten zu sehen. Das wird den Parfümerieeinzelhandel und sei-ne Partner wiederum unter Zugzwang bringen.

mARkeNARtikel: Sie sprachen noch eine dritte Möglich-keit an. Was meinen Sie konkret?SiStiG: Hier geht es um den Service und die Beratung, das eigentliche Herzstück unseres gemeinsamen Ge-schäfts. Nur in ganz wenigen Märkten finden sich noch ein so großer Enthusiasmus seitens der Inhaber und ein so hohes Potenzial an Fachkräften mit Spezi-alwissen wie im Parfümeriemarkt. Zudem bietet die Industrie ständig Weiterbildungsprogramme an, mit denen sich Know-how nachrüsten lässt.

mARkeNARtikel: Aber welche Rolle spielen stationäre Einkaufsstätten in der multimedialen Einkaufswelt überhaupt noch? Sind sie in Zeiten des Internethan-dels nicht längst überholt?

ohne das stationäre Geschäft geht es auch in Zukunft nicht, denn marken brauchen eine Bühne, auf der sie inszeniert werden.

SiStiG: Der Online-Shop ist lediglich das virtuelle Schaufenster des stationären Geschäfts. Ohne das stationäre Geschäft geht es in unserer Branche ein-fach nicht. Auch wenn über das Internet mehr und mehr gekauft wird, so bedeutet das aber noch längst nicht, dass künftig alles nur noch dort verkauft wird. Das Internet ist eine gute Ergänzung und steht keines-falls im Widerspruch zur Parfümerie als stationärem Geschäft.

mARkeNARtikel: Im Web müssen dabei die hohen quali-tativen Ansprüche des selektiven Systems genauso gel-ten wie im stationären Handel. Wie kann es gelingen, auch in diesem Vertriebskanal die Aura des Besonde-ren darzustellen?SiStiG: Zunächst bleibt festzustellen, dass die Autori-sierung des Online-Handels nur für stationäre Händ-ler gelten kann, die das Geschäft verstehen. Trittbrett-fahrern und Glücksrittern haben wir als Hersteller bereits massiv den Riegel vorgeschoben. Es wurde zu-dem bei den Depot-Verträgen für die Web-Shops viel Energie darauf verwendet, dass die Kriterien unseres selektiven Vertriebsbindungssystems auch im Inter-net gewahrt bleiben. Gefahr droht aber in erster Li-nie aus den Lücken des Systems. So wird beispiels-weise unkontrolliert Ware unter Vernichtung jeglicher Luxusaspekte eingeschleust. Herausforderungen wie die Problematik des Graumarktes werden wir nur im partnerschaftlichen Miteinander lösen können.

interview: vanessa Göbel

Der Online-Shop ist lediglich das virtuelle Schaufenster des stationären Geschäfts. »

Andreas Sistig, Shiseido

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»träume und Wünsche entstehen lassen«Kosmetik- und Parfumwerbung besetzt einen festen Platz in der Werbelandschaft. Über die Besonderheiten der unterschiedlichen Werbekanäle sprachen wir mit Rolf Sigmund, Geschäftsführer L’Oréal Luxe und Vizepräsident der Fragance Foundation Deutschland.

mARkeNARtikel: Über 60 Jahre VKE-Kosmetikverband spiegeln zugleich sechs Jahrzehnte Kosmetik- und Par-fumwerbung. Was waren aus Ihrer Sicht in dieser Zeit die einschneidenden und besonders markanten Ver-änderungen?Rolf SiGmUND: Die Kosmetik- und Parfumwerbung ist zu einem wichtigen Pfeiler der Werbewirtschaft gewor-den. Die Frauenzeitschriften werden heute entschei-dend von der Kosmetikwerbung geprägt. Im Lau-fe der Zeit hat es die Kosmetikindustrie verstanden, nicht nur Konzepte zu vermitteln, sondern auch den direkten Kontakt mit den Produkten durch aufwen-dige Testmuster in Form von Sachets und Dufttest-mustern, sogenannten Scent Strips oder Scent Sceals, in direkter Verbindung mit den Anzeigen zu ermög-lichen. Darüber hinaus ist die Fernsehwerbung heute ein fester Bestandteil der Werbestrategie, insbesonde-re für Duftkampagnen. Dasselbe gilt für den Bereich Internet, der uns eine optimale Ansprache von jungen Zielgruppen ermöglicht.

mARkeNARtikel: Die Produkte Ihrer Branche sprechen zahlreiche Sinne an, besonders stark den Geruchs- und Tastsinn. Wie kann es gelingen, diese zentralen Produktbesonderheiten in eher visuell geprägten Me-dien wie Print und Fernsehen beim Konsumenten an-gemessen zu kommunizieren?SiGmUND: Das gelingt sehr gut durch die Einbindung von Produktproben wie den bereits erwähnten Sachets für Pflege- und Make up-Produkte sowie durch Duft-testmuster, die in eine Anzeige integriert sind.

mARkeNARtikel: Durch das von Ihnen bereits angespro-chene Internet ist in jüngerer Vergangenheit ein neu-er, auch für Ihre Branche sehr wichtiger Kommunika-

tionskanal hinzugekommen. Welche Bedeutung und Chancen sehen Sie in diesem Medium für die Kosme-tik- und Parfumbranche?SiGmUND: Das Internet erlaubt uns, unsere Konzepte und Produkte noch genauer zu erklären und wich-tiges Hintergrundwissen zu vermitteln. Zudem errei-chen wir über das Internet insbesondere die junge Ziel-gruppe sehr gut.

mARkeNARtikel: Das wohl wichtigste Marketinginstru-ment beim Kosmetik- und Parfumkauf ist dennoch wohl immer noch der Point of Sale, an dem sich je-

Rolf Sigmund ist Geschäftsführer von l’oréal luxe Germany und

vizepräsident der fragrance foundation Deutschland.

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vke-kosmetikverband koSmetik- UND PARfÜmWeRBUNG mARkeNARtikel SoNDeRHeft

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doch hunderte von Marken tummeln. Wie gelingt den Waren dort eine adäquate Präsentation und welche Wünsche haben Sie für die Warenpräsentation spezi-ell an den Handel?SiGmUND: Der große Wunsch an den Handel ist, sich zu fokussieren, denn es gilt: weniger ist mehr. Es ist nie-manden gedient, ein Maximum von Marken in glei-cher Form darzustellen. Stattdessen sollten die wich-tigen Ankermarken besonders herausgestellt werden. Der Konsument fühlt sich sicherer, wenn er die Top-Marken, die ihm bereits bekannt sind, schnell am Point of Sale erkennen kann.

mARkeNARtikel: Manche Marktbeobachter beklagen al-lerdings eine Austauschbarkeit der Markenwelten von Kosmetik und Parfums. Wie können sich Marken den-noch differenzieren und Akzente setzen?SiGmUND: Aus meiner Sicht können sich Marken durch eine klare Positionierung und durch einzigartige, echte Innovationen abgrenzen.

mARkeNARtikel: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick nach vorne: Welches sind nach Ihrer Meinung in absehbarer Zukunft die zentralen Herausforde-rungen, Chancen und Gefahren für die Kosmetik- und Parfumwerbung?SiGmUND: Es muss uns mehr denn je gelingen, das Be-sondere hervorzuheben und damit Wünsche zu kre-ieren, die dem Konsumenten noch gar nicht bewusst sind. Unsere Werbung soll nicht Bedürfnisse befriedi-gen, sondern Träume und Wünsche entstehen lassen. Die Kosmetikwerbung muss dabei aber glaubhaft blei-ben. Es ist mehr denn je wichtig, die Balance zu fin-den zwischen perfekter Schönheit, die gleichzeitig als erreichbar und erstrebenswert gilt.

interview: torsten Schöwing

in Berichten, aber auch

Anzeigen gehört kosme-

tik zu den zentralen the-

men vieler Zeitschriften.

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ohne Rücksicht geht es nichtNachhaltigkeit spielt in der Kosmetikbranche eine immer wich-tigere Rolle. Ein Unternehmen, das hier bereits seit Jahrzehnten vorbildlich agiert, ist die Naturkosmetikmarke Annemarie Bör-lind. Börlind-Chef Michael Lindner erläutert, worauf es bei grü-nen Produkten ankommt und warum Authentizität Trumpf ist.

mARkeNARtikel: Ihr Unternehmen produziert bereits seit 1959 Naturkosmetikprodukte. Zu einer Zeit, als Cremes und Schminke ohne Silikone, Paraffine, Erd-ölprodukte, Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe noch als Wald-und-Wiesen-Pflege belächelt wurden. Heute wird das Thema Nachhaltigkeit von Unter-nehmen zunehmend forciert. Wie kommt es, dass es ein solcher Dauerbrenner geworden ist? miCHAel liNDNeR: Verantwortung und Respekt für Na-tur und Umwelt wie auch für Mensch und Gesell-schaft sind heute für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens unverzichtbar. Um es ganz deutlich zu sagen: Ohne Rücksicht auf Umwelt und ohne ei-nen achtsamen Umgang mit unterpriviligierten Men-schen aus anderen Kulturkreisen ist die Zukunft von uns allen gefährdet. Das erkennen immer mehr Kon-sumenten aus allen sozialen Schichten, so dass zu-nehmend mehr Kaufentscheidungen neben den Kri-terien Wirksamkeit und Verträglichkeit auch unter den genannten Gesichtspunkten getroffen werden.

mARkeNARtikel: Auch die Kosmetikindustrie hat das längst erkannt. Immer mehr Hersteller setzten auf die Sogkraft der grünen Produkte und bringen neue Marken und Ranges auf den Markt. liNDNeR: Nach meinem Dafürhalten ist dies ein Muss für alle Markenverantwortlichen. Die stark wachsende Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen mit einem grünen Mehrwert ist unübersehbar. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch fortsetzen, ja ver-stärken. Durch ein nachhaltiges Produktsortiment lassen sich daher für jeden nachhaltig aufgestellten Kosmetik-hersteller neue Kundengruppen sowie gute zusätzliche Umsatz- und Profilierungschancen erschließen.

mARkeNARtikel: Worauf müssen die Hersteller achten, die ihre Produkte natürlicher machen wollen?

michael lindner leitet als geschäftsführender Gesellschafter die

Geschäfte der Börlind Gesellschaft für kosm. erzeugnisse mbH in

Calw, zu der die marken Annemarie Börlind und Dado Sens gehören.

Das Unternehmen unterstützt zahlreiche sozio-ökologische initia-

tiven: Über das Projekt koofA bezieht Börlind öle aus Bio-Anbau.

Das Rosenextrakt stammt aus dem Zahra Rosewater-Projekt,

durch das 1.500 menschen ein gesichertes einkommen erhalten.

Aus den Gewinnen werden Waisenhäuser und ein frauenhaus

für ex-Prostituierte finanziert. in mali, von wo der Großteil der

bei Börlind verwendeten karitébutter stammt, unterstützt

Börlind das Projekt Häuser der Hoffnung e.v., das unter anderem

finanzielle mittel für den Aufbau der infrastruktur, die Schulung und

Ausbildung qualifizierter fachkräfte und den erwerb nachhaltiger

Produktionsmaschinen bereitstellt.

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liNDNeR: Als erstes ist es natürlich notwendig, dass die Inhaltsstoffe möglichst natürlichen Ursprungs sein sollten. Dabei muss streng darauf geachtet werden, dass dies nicht auf Kosten der Natur erfolgt – beispiels-weise durch Raubbau oder Monokultur. Dies kann si-chergestellt werden durch autorisierte Kontrollinsti-tute, die weltweit vor Ort tätig sein müssen. Auch die Verpackung sollte möglichst umweltneutral sein.

mARkeNARtikel: Die Konsumenten legen auch Wert auf eine umweltneutrale Verpackung?liNDNeR: Ich bin mir sicher, dass Verbraucher eines Ta-ges darauf achten werden, ob beispielsweise Verkaufs-displays, die nur kurzfristig den Verkauf ankurbeln sollen, aus wiederverwertbaren oder zumindest um-weltneutralen Materialien hergestellt wurden – oder ob sie die Umwelt stark belasten.

mARkeNARtikel: Für die Unternehmen geht es bei dem Thema allerdings um weit mehr als bloße Image-Po-litur. Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche Notwendigkeit geworden zu sein Kunden machen ihre Kaufentscheidung zunehmend auch vom Cha-rakter des Unternehmens abhängig, das hinter den Marken steht. Ist diese Erkenntnis in den Köpfen der Kosmetikbranche angelangt?liNDNeR: Ich bin überzeugt, dass das Thema Nach-haltigkeit bereits sehr stark im Bewusstsein der Un-ternehmensverantwortlichen verankert ist. Das zeigt sich deutlich in ihrem sozialen Engagement und schlägt sich in zahlreichen umwelt-entlastenden Maßnahmen nieder. Es ist zu wünschen, dass sich künftig immer mehr Entscheidungsträger aus Indus-trie, Handel und Dienstleistung des global bedeut-samen Themas einer nachhaltigen Unternehmensfüh-rung annehmen und neben Worten zunehmend auch Taten sprechen lassen.

mARkeNARtikel: Wie meinen Sie das?liNDNeR: Es ist wichtig, dass eine Nachhaltigkeitskom-munikation nicht zum reinen Marketing- oder PR-Tool herabgewürdigt wird, sondern vielmehr authen-tischer Ausdruck einer gelebten Umweltphilosophie ist – fest verankert in den jeweiligen Unternehmens-leitbildern.

mARkeNARtikel: Kann es dabei hilfreich sein, weltweit gültige Standards zu entwickeln? Unternehmen defi-nieren ihre Anforderungen an sozial und ökologisch verantwortungsvolles Handeln bisher meist selbst. liNDNeR: Entscheidender als ein Industriestandard sind meines Erachtens die transparente Kommunikation von Produkt- und Unternehmensqualitäten sowie die jeweiligen CSR-Standards. Aus diesem Grund haben wir uns bei Börlind für eine individuelle und unab-hängige Zertifizierung durch ECO Control entschie-den. So werden für den Verbraucher auch nachhaltige und soziale Aspekte unserer Kosmetik verständlich und nachvollziehbar.

mARkeNARtikel: Wer authentisch agiert, ist also klar im Vorteil.liNDNeR: Man kann auf Dauer nur das nach Außen tragen, was tatsächlich auch an Substanz vorhan-den ist. Früher oder später wird jedem Verbraucher klar, welche Unternehmen authentisch und transpa-rent arbeiten und bei welchen Anbietern nur Green-washing getrieben wird. Daher ist Ehrlichkeit nicht nur ein Gebot für Anstand in der Wirtschaft, son-dern vor allem auch Voraussetzung für den langfri-stigen wirtschaftlichen Erfolg.

interview: vanessa Göbel

frauen in mali sammeln die Nüsse der karitébäume, aus denen Shea-Butter gewonnen wird. Börind unterstützt zusammen mit »Häuser der

Hoffnung e.v.« ein sozio-ökologisches Projekt vor ort. im Rahmen dieser initiative werden unter anderem qualifizierte fachkräfte ausgebildet und

mittel für den erwerb nachhaltiger Produktionsmaschinen bereitgestellt.

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Zu den bekanntesten Zeichen zählt das BDHi-Prüfsiegel »kontrollierte Natur-kosmetik« des Bundesverbandes Deutscher industrie- und Handels-

unternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und körperpflegemittel e.v. Der BDHi kontrolliert jedes Produkt auf kon-

formität zum BDiH-Standard. mehr informationen unter www.ionc.info.

ein weiteres bekanntes Siegel kommt von ecocert, einer der größten Bio-Zertifizierungsorganisationen der Welt. Der verband zertifiziert neben

Rohstoffen auch kosmetikprodukte mit den labeln »ökologische und biologische kosmetik« sowie »Biologische kosmetik« (www.ecocert.de).

Auch die inspektions- und Zertifizierungsstelle ecoControl zertifiziert ökologische Produkte und Qualitätssicherungs-Systeme im Non-food Be-

reich. Die Bewertung für Natur- und Biokosmetik erfolgt gemäß BDiH-, CoSmoS- und Natrue-Standards. ecoControl ist ebenfalls Zertifizier für CSe,

dem ersten Nachhaltigkeitssiegel zertifizierter Unternehmensführung, das sich im Gegensatz zu Produktzertifizierungen auf das gesamte Unter-

nehmen bezieht. Die Grundlagen für die Zertifizierung sind unter www.cse-label.org veröffentlicht.

Der BDiH (Deutschland), Bioforum (Belgien), Cosmebio & ecocert (frankreich), icea (italien) und die Soil Association (Großbritannien) haben 2009

zudem den CoSmoS-Standard veröffentlicht, einen harmonisierten europäischen Naturkosmetikstandard. er soll die vergleichbarkeit möglich ma-

chen und mindeststandards setzen, ohne die nationalen Systeme abzuschaffen. Weitere Details unter www.cosmos-standard.org.

Das Naturkosmetik- Siegel Natrue wurde 2007 von mehreren europäischen Herstellern von Natur- und Biokosmetik gegründet. Der wissenschaft-

liche Ausschuss des international tätigen, nicht gewinnorientierten verbandes hat die vergabekriterien des labels definiert und entwickelt sie

kontinuierlich weiter. Zertifiziert wird in drei Qualitätsstufen: Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und Biokosmetik. Weitere informati-

onen unter www.natrue.org.

LABELs FüR NAtuRKosmEtiKPRoDuKtE

Neben Börlind haben heute zahlreiche Newcomer-marken das grüne Segment für sich entdeckt. Denn Umweltbewusstsein ist en vogue und längst

nicht mehr nur etwas für spleenige Aktivisten. klar, dass davon auch die Naturkosmetik profitiert. Das Segment boomt. insbesondere in Deutsch-

land: Der hiesige Naturkosmetikmarkt ist der umsatzstärkste in europa. Nach der sprunghaften entwicklung in den vergangenen Jahren hat sich

das Wachstum zwar etwas verlangsamt. im vergleich zu 2011 verzeichnete das marktsegment nach der Definition von Branchenexpertin elfrie-

de Dambacher im Jahr 2012 einen Zuwachs von 5,5 Prozent auf 860 millionen euro (2011: 815 mio. euro; 2010: 795 mio. euro). Und die Zeichen ste-

hen weiterhin auf Wachstum. Der marktanteil der Naturkosmetik am Gesamtkosmetikmarkt in Deutschland stieg laut Dambacher von 6,3 Prozent

im Jahr 2010 auf 6,5 Prozent im Jahr 2011 und 6,8 Prozent im Jahr 2012. Zum vergleich: laut der leitmesse für Naturkosmetik vivaness liegt der

Anteil von Naturkosmetik in den meisten anderen europäischen ländern bei drei bis vier Prozent. Auch die ergebnisse der marktforscher sind po-

sitiv. Nach Berechnungen der Gesellschaft für konsumforschung (Gfk) ist der deutsche markt für kontrollierte Naturkosmetik im ersten Halbjahr

2013 um 10,2 Prozent gewachsen. für das vergangene Jahr prognostizierten die forscher, dass der Umsatz in Deutschland auf über 950 mio. eu-

ro steigen werde. 2014 soll voraussichtlich die milliardengrenze geknackt werden.

Die gute entwicklung lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass neben tradierten Namen wie Annemarie Börlind, Dr. Hauschka oder Weleda auch neue grü-

ne labels um die Gunst der kunden buhlen. Zudem feilen firmen wie l‘oréal oder Clarins an ihrem öko-image und entwickeln grüne Subranges. Außerdem

ist die verfügbarkeit von Naturkosmetik und naturnaher kosmetik gestiegen. Die Produkte sind inzwischen fast überall verfügbar und werden nicht mehr

nur im Biofachhandel verkauft. Der Naturkosmetik-markt und der naturnahe markt bleiben deshalb wichtige Wachstumsmotoren in der kosmetikbranche.

NAtuRKosmEtiK: WACHsENDEs mARKtsEGmENt

laborchefin Guylaine leloarer weist

eine malische mitarbeiterin des

karitébutter-Projekts in die Qualitäts-

standards von Börlind ein.

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VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V.Unter den Linden 42

10117 Berlin

Tel. +49 30/206168-22Fax. +49 30/206168-722

E-Mail: [email protected]

Präsident: Stephan Seidel (Clarins GmbH)Vizepräsidenten: Steffen Seifarth (Coty Germany GmbH) Schatzmeister: Thomas Schnitzler (Nobilis Fragrances GmbH)Weitere Vorstandsmitglieder: Bart de Boever (LVMH Parfums & Kosmetik GmbH) Beate Fastrich (Estée Lauder Companies GmbH) Susanne Rumbler (Beauté Prestige International GmbH) Andreas Sistig (Shiseido Deutschland GmbH)Kooptiertes Vorstandsmitglied: Michael Lindner (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH), Alexander Keller (Chanel GmbH)Ehrenvorsitzende: Maria Augustin Gunter Thoß (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH)Geschäftsführer: Martin Ruppmann

AHAVA Cosmetics GmbHalessandro International GmbH ARS Parfum Creation & Consulting GmbHARTDECO Cosmetic GmbHASTALIFT Fujifilm Europe GmbHBCG Baden-Baden Cosmetics Group AGBeaute Prestige International GmbHBeauty Brands International GmbH BEAUTY IS LIFEBörlind Gesellschaft für kosmetische Erzeugnisse mbHBULGARI Deutschland GmbHChanel GmbHClarins GmbHCoty Germany GmbHDermapharm AGDISTRICT TWO GmbHDr. Babor GmbH & Co.E.A. Cosmetics Distributions GmbHElizabeth Arden GmbHEstée Lauder Companies GmbHI.P.D. International Perfume Distribution GmbHITF Germany GmbHKanebo Cosmetics Deutschland GmbHKlapp Cosmetics GmbHKSAR GmbHLa mer Cosmetics AGLa Prairie Group Deutschland GmbHLigne St. Barth GmbHL‘Oreal Deutschland GmbHLR Health & Beauty Systems GmbH

LUXESS GmbHLVMH Fragrance Brands GmbHLVMH Parfums & Kosmetik GmbH Parfums Christian DiorLVMH Parfums & Kosmetik GmbH Division GuerlainMaria Galland GmbHMASTER BRANDS e.K.Mäurer + Wirtz GmbH & Co. KGMaxim Markenprodukte GmbH & Co. KG Division Créateur Cosmétiques«MBR Medical Beauty Research GmbHNobilis Fragrances GmbHMoorstore Swiss AGP&G Prestige Products GmbHPUIG Deutschland GmbHRevitalash Deutschland GmbH & Co. KGRichemont Northern Europe GmbH Cartier ParfumsSA.G Group GmbHSanderStrothmann GmbHShiseido Deutschland GmbHSif Cosmetics GmbHSisley Deutschland Vertriebs GmbHSOTHYS - Euro-Kosmetik GmbHSwiss Mountain Cosmetics GmbH & Co. KGTHOMAS SABO Beauty GmbH Troll Cosmetics GmbHWALA Heilmittel GmbHWHITE WISP GmbH & Co. KG - Butter London

Mitglieder des VKE sind:

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