21
t Beispiel: Gegenstand des Bauvertrages ist die Errichtung eines Messestandes. Wird dieser nicht rechtzeitig fertig gestellt, könnte auf der Hand liegen, dass dieser teilfertig gestellte Bau nach Abschluss der Messe für den Auftrag- geber nicht mehr von Interesse ist. Dies heißt aber nichts anderes, als dass sich ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung in aller Regel auf einen reinen Ersatzanspruch zur Erstattung et- waiger Mehrkosten zur Fertigstellung der Bauleistung beschränkt. Anzumerken ist, dass bei dem Schadensersatzanspruch in § 281 BGB eine Mit- verschuldensregelung fehlt. Dies ist unbeachtlich, d. h.: Beruht die Terminver- zögerung neben Pflichtverletzungen des Auftragnehmers gleichzeitig auf einem (überwiegenden) Verschulden des Auftragnehmers, ist damit ein Scha- densersatzanspruch des Auftragnehmers nicht ausgeschlossen. Vielmehr be- steht dieser, ist aber nach § 254 BGB um den Mitverschuldensanteil des Auf- traggebers zu kürzen. 2.1.4 Anspruch auf Vertragsstrafe Bei Bauverzögerungen steht dem Auftraggeber schließlich – soweit wirksam vereinbart (s. o. Rdn. 104 ff.) – ein Anspruch auf Vertragsstrafe zu. Hierzu wird auf die einheitlichen Erläuterungen unten zu Teil A Rdn. 345ff. verwiesen. 2.2 Ansprüche des Auftraggebers nach der VOB/B Nach § 5 Abs. 4 VOB/B kann der Auftraggeber, wenn der Unternehmer den Beginn der Ausführung verzögert, er mit der Vollendung in Verzug gerät oder seiner Verpflichtung zur angemessenen Förderung des Baufortschritts gemäß § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, wahlweise entweder unter Auf- rechterhaltung des Vertrages Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 VOB/B verlan- gen oder dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung set- zen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehen werde (§ 8 Abs. 3 VOB/B). Darüber hinaus kann sich bei entspre- chender Vereinbarung im Bauvertrag zugunsten des Auftraggebers ein Ver- tragsstrafenanspruch gemäß § 11 VOB/B ergeben. 255 256 257 258 2. Ansprüche des Auftraggebers bei verzögerter Bauausführung TEIL A Vygen/Joussen | 141

2.2 Ansprüche des Auftraggebers nach der VOB/B{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 434 7 Der zu ersetzende Behinderungsschaden, sein Nach-weis und seine Durchsetzung Gemäß

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 141

t Beispiel:

Gegenstand des Bauvertrages ist die Errichtung eines Messestandes. Wirddieser nicht rechtzeitig fertig gestellt, könnte auf der Hand liegen, dassdieser teilfertig gestellte Bau nach Abschluss der Messe für den Auftrag-geber nicht mehr von Interesse ist.

Dies heißt aber nichts anderes, als dass sich ein Schadensersatzanspruch stattder Leistung in aller Regel auf einen reinen Ersatzanspruch zur Erstattung et-waiger Mehrkosten zur Fertigstellung der Bauleistung beschränkt.

Anzumerken ist, dass bei dem Schadensersatzanspruch in § 281 BGB eineMit-verschuldensregelung fehlt. Dies ist unbeachtlich, d. h.: Beruht die Terminver-zögerung neben Pflichtverletzungen des Auftragnehmers gleichzeitig aufeinem (überwiegenden) Verschulden des Auftragnehmers, ist damit ein Scha-densersatzanspruch des Auftragnehmers nicht ausgeschlossen. Vielmehr be-steht dieser, ist aber nach § 254 BGB um den Mitverschuldensanteil des Auf-traggebers zu kürzen.

2.1.4 Anspruch auf Vertragsstrafe

Bei Bauverzögerungen steht dem Auftraggeber schließlich – soweit wirksamvereinbart (s. o. Rdn. 104 ff.) – ein Anspruch auf Vertragsstrafe zu. Hierzuwirdauf die einheitlichen Erläuterungen unten zu Teil A Rdn. 345 ff. verwiesen.

2.2 Ansprüche des Auftraggebers nach der VOB/B

Nach § 5 Abs. 4 VOB/B kann der Auftraggeber, wenn der Unternehmer denBeginn der Ausführung verzögert, er mit der Vollendung in Verzug gerätoder seiner Verpflichtung zur angemessenen Förderung des Baufortschrittsgemäß § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, wahlweise entweder unter Auf-rechterhaltung des Vertrages Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 VOB/B verlan-gen oder demUnternehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung set-zen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftragentziehen werde (§ 8 Abs. 3 VOB/B). Darüber hinaus kann sich bei entspre-chender Vereinbarung im Bauvertrag zugunsten des Auftraggebers ein Ver-tragsstrafenanspruch gemäß § 11 VOB/B ergeben.

255

256

257

258

2. Ansprüche des Auftraggebers bei verzögerter Bauausführung TEIL A

Vygen/Joussen | 141

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 142

Alle diese Rechtsfolgen zulasten des Unternehmers setzen voraus, dass die ob-jektiv eingetretene Bauverzögerung durch den Unternehmer herbeigeführtworden ist, also ihre Ursache in dem von ihm zu verantwortenden Leistungs-bereich hat. Auszuschalten sind daher von vornherein diejenigen Fälle, in de-nen z. B. der Ausführungsbeginn durch Umstände verzögert worden ist, diedem Aufgabenbereich des Auftraggebers zuzuordnen sind. Dazu zählen u. a.das Fehlen der Baugenehmigung oder der notwendigen Pläne oder derenFreigabe, die Verletzung sonstiger Mitwirkungspflichten des Auftraggebersoder die nicht rechtzeitige Fertigstellung notwendiger Vorarbeiten andererUnternehmer (Ausschachtung der Baugrube für Rohbau, Fertigstellung desRohbaus für Ausbaugewerke usw.). Denn in all diesen Fällen der Behinderungdes Auftragnehmers kann diesem gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. a)–c) ein An-spruch auf Verlängerung der vereinbarten Vertragsfristen zustehen (vgl.dazu im Einzelnen Teil A Rdn. 352 ff.). Werden aber danach die Ausführungs-fristen verlängert, scheiden schon deswegen den Auftragnehmer belastendeRechtsfolgen wegen der Überschreitung des ursprünglichen Vertragsterminsaus.

Die Rechte zulasten des Unternehmers können aber auch dann vom Auftrag-geber nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer

� gemäß § 9 Abs. 1 VOB/B zur Kündigung des Bauvertrages oder� gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B zur Einstellung der Arbeiten wegen Zah-lungsverzugs des Auftraggebers (vgl. BGH, Urt. v. 5.5.1992 – X ZR 115/90,NJW-RR 1992, 1141, 1143) oder

� gemäß § 648a Abs. 5 BGB zur Einstellung der Arbeiten wegen einer ver-langten, aber nicht zur Verfügung gestellten Sicherheit für seinen Ver-gütungsanspruch

259

260

TEIL A III. Die Bauausführung und die Bauzeit

142 | Vygen/Joussen

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 143

berechtigt ist. In den aufgeführten Fällen erscheint es nach Treu und Glaubennicht gerechtfertigt, dem Auftraggeber die Rechte aus § 5 Abs. 4 VOB/B zugewähren, da er sich seinerseits nicht vertragstreu verhalten hat und der Un-ternehmer deshalb nicht in Verzug geraten ist (vgl. auch OLG Düsseldorf,Urt. v. 25.4.1995 – 21 U 192/94, BauR 1995, 706, 707 = NJW 1995, 3323 f.;OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.1995 – 21 U 12/95, NJW-RR 1996, 1419, 1420und OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.1995 – 21 U 219/94, BauR 1996, 115, 116 =NJW-RR 1996, 730, 731). Dies kann unter besonderen Umständen auch beinur geringfügiger Fristüberschreitung und der Bereitschaft des Unterneh-mers, zügig weiterzuarbeiten, gelten. Anzunehmen ist das vor allem bei Sach-verhalten, in denen die geringfügigen Überschreitungen sich nicht nachteil-haft für denAuftraggeber auswirken oder sonst der Verzug nur unbedeutendist.

t Beispiel:

Bei einem Straßenbauvorhaben ist die Lieferung und Montage einer Leit-planke nach angemessener abgelaufener Nachfrist von zwei Wochen per31. März fest für den 4. April zugesagt. Hier wäre eine außerordentlicheKündigung trotz Fristablaufs – bei unterstellter Leistungsbereitschaftdes Auftragnehmers – unverhältnismäßig.

Auf dieser Grundlage gilt im Einzelnen:

2.2.1 Der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers nach§§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 6 VOB/B

Als erstes undamhäufigstengenutztes Recht bei LeistungsverzugdesAuftrag-nehmers kannderAuftraggeber amVertrag festhaltenundvomUnternehmernach § 6 Abs. 6 VOB/B Schadensersatz verlangen. Diese Möglichkeit wird erwählen,wennesnacheiner theoretischauchmöglichenKündigungaufGrunddes Verzugs schwierigwäre, für die noch ausstehendenRestarbeiten einen ge-eigneten anderenUnternehmer zu finden, der die Arbeiten letztlich schnellerfertigstellt. Auch bieten sich vorrangig Schadensersatzansprüche an, wennschoneinGroßteil der Leistungenerbracht ist. GerätderAuftragnehmerdage-gen bereits mit dem Beginn der Arbeiten in Verzug, so wird der Auftraggeberhäufiger von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen.

2.2.1.1 Voraussetzungen, besonders: Verschulden des Auftragnehmers

Für einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers wegen Terminüber-schreitungen müssen sowohl die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 VOB/B alsauch die des § 6 Abs. 6 VOB/B vorliegen, d. h.: Der Unternehmer muss sich zu-nächst in Verzug befinden. Dies erfordert

261

262

2. Ansprüche des Auftraggebers bei verzögerter Bauausführung TEIL A

Vygen/Joussen | 143

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 144

� Fälligkeit der jeweiligen Leistung,� Mahnung nach Fälligkeit, soweit kein fester Termin vereinbart ist und� Verschulden des Auftragnehmers.

Zu den ersten beiden Voraussetzungen wurde oben schon ausführlich Stel-lung genommen (Rdn. 149 ff.). Ergänzend bedarf es für einen Verzugseintrittdes Auftragnehmers als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs füralle drei Varianten nicht rechtzeitiger Vertragserfüllung gemäß § 5 Abs. 1und 4 VOB/B eines Verschuldens, d. h.: Schadensersatzansprüche bestehennur dann, wenn der Auftragnehmer den verzögerten Beginn der Ausfüh-rung, das Unterlassen unverzüglicher Abhilfe hinsichtlich des gerügten unzu-reichenden Baustelleneinsatzes oder die verspätete Vollendung der Leistungzu vertreten hat. Für ein fehlendes Verschulden trägt er die Beweislast, wobeiein solcher Beweis durchaus erfolgreich sein kann.

t Beispiel: (nach BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VII ZR 226/05, BauR 2007, 1404,1407 = NJW-RR 2007, 1317, 1318)

Der Auftraggeber verlangt von dem Auftragnehmer die Errichtung einesBauvorhabens, dessen Ausführung ordnungswidrig ist. Verzögert nun-mehr der Auftragnehmer den Ausführungsbeginn, weil berechtigte Zwei-fel hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausführung nicht geklärt sind, entfälltdessen Verschulden.

Ähnliches gilt, wenn die Verzögerungen auf zuvor nicht bekannte Baugrund-risiken zurückgehen. Losgelöst von der Frage, wer die damit verbundenenMehrkosten zu tragen hat, beruhen deswegen eintretende Bauverzögerun-gen sicherlich nicht auf einem Verschulden des Auftragnehmers (BGH,Beschl. v. 15.10.2009 – VII ZR 237/08, IBR 2010, 242, dort allerdings nur verkürztdargestellt).

t Beispiel: (ähnlich BGH, a. a.O.)

In einem Bauvertrag war ein mit einer Vertragsstrafe belegter Fertigstel-lungstermin vorgesehen. Wegen Bodenkontaminationen verzögert sichdie Maßnahme. Diese Verzögerungen haben mit einem Verschulden desAuftragnehmers nichts zu tun.

Auf das umfassende Verschuldenserfordernis ist deshalb hinzuweisen, weil§ 5 Abs. 4 VOB/B selbst nur bezüglich der Vollendung der Bauleistung ein Ver-schulden erwähnt, nicht aber bezüglich des Beginns der Ausführung und derAbhilfe bei unzureichendem Baustelleneinsatz. Gleichwohl bestehen auchhier nur Schadensersatzansprüche, wenn dem Auftragnehmer ein Verschul-den anzulasten ist (Ingenstau/Korbion/Döring, VOB/B § 5 Abs. 4 Rn. 6 ff.).

263

264

TEIL A III. Die Bauausführung und die Bauzeit

144 | Vygen/Joussen

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 145

t Beispiel:

Als Termin für die Aufnahme der Bauleistungen ist der 1.März vorgesehen.Mit Überschreitung dieses Termins wäre bereits der Verzögerungstat-bestand des § 5 Abs. 4 VOB/B erfüllt. Nach dessen Wortlaut würde diestheoretisch ebenso für einen Schadensersatzanspruch genügen. Dem istjedoch nicht so, weil zusätzlich noch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6VOB/B vorliegen müssen, d. h.: Der Schadensersatzanspruch besteht nur,wenn der Auftragnehmer den verzögerten Beginn auch zu vertreten hat.

Unbeachtlich ist, ob der Unternehmer selbst schuldhaft gehandelt oder er fürdas Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (z. B. Subunternehmer) gem. § 278BGB einzustehen hat.

Zu beachten ist, dass der Auftraggeber nicht auf den Schadensersatzanspruchnach § 6 Abs. 6 VOB/B beschränkt ist, wenn zugleich die Voraussetzungeneines Schadensersatzanspruches nach § 4 Abs. 7 S. 2 VOB/B vorliegen. Hierbeigeht es um Fälle, in denen die Bauverzögerung auf einer mangelhaften Bau-ausführung und der deshalb notwendig gewordenenMängelbeseitigung be-ruht (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1961 – VII ZR 174/60, Schäfer/Finnern, Z 2.414 Bl. 92;BGH, Urt. v. 11.12.1975 – VII ZR 37/74, BGHZ 65, 372, 375 f. = BauR 1976, 126,127 = NJW 1976, 517, 518). Dies ist von Bedeutung, weil bei dem Schadens-ersatzanspruch nach § 4 Abs. 7 S. 2 VOB/B auch der entgangene Gewinn zuersetzen ist (BGH, Urt. v. 1.12.2001 – VII ZR 201/99, BauR 2001, 1577, 1578). Da-gegen besteht ein solcher Anspruch im Rahmen des § 6 Abs. 6 VOB/B nur beiVorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Liegen demnach die tatbestandlichen Vo-raussetzungen sowohl von § 4 Abs. 7 S. 2 als auch von § 6 Abs. 6 VOB/B paral-lel vor, kann der Auftraggeber wählen, welche Rechte er geltend macht (Vy-gen/Joussen, Bauvertragsrecht, Rn. 996).

t Beispiel:

Der Auftragnehmer gerät mit der Fertigstellung in Verzug, weil die Bau-leistungmangelhaft ist. Vorsätzliches Handeln ist ihmnicht nachzuweisen.Einen Mietausfallschaden würde der Auftraggeber somit über den Ver-zugsschadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B nicht ohne Weiteresersetzt bekommen (s. dazu sogleich Rdn. 276 ff.), weil ein entgangener Ge-winn nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit abgedeckt ist. Da die Ver-zögerung aber gleichzeitig auf einer mangelhaften Bauleistung beruht,wird der Mietausfallschaden hier jedenfalls von § 4 Abs. 7 S. 2 BGB erfasst.

2.2.1.2 Umfang des Schadensersatzanspruchs

Der Schadensersatzanspruch gemäß §§ 5 Abs. 4, 6 Nr. 6 VOB/B richtet sich aufErsatz des dem Auftraggeber nachweislich entstandenen Schadens, bei Vor-

265

266

267

2. Ansprüche des Auftraggebers bei verzögerter Bauausführung TEIL A

Vygen/Joussen | 145

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 434

7 Der zu ersetzende Behinderungsschaden, sein Nach-weis und seine Durchsetzung

Gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer, wenn die hindernden Um-stände vom Auftraggeber zu vertreten sind, Anspruch auf Ersatz des nach-weislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur beiVor-satz oder grober Fahrlässigkeit. Mit dieser Regelung wird zunächst für denNormalfall leicht fahrlässigen Verhaltens der Schadensersatzanspruch dahineingeschränkt, dass der entgangeneGewinn (vgl. § 252 BGB) nicht ersetzt ver-langt werden kann. Damit wird gleichzeitig der Haftungsumfang gegenüberder gesetzlichen Schadensersatzregelung in §§ 249 ff. BGB eingeschränkt.Diese durch Vereinbarung der VOB/B eingreifende Haftungsbeschränkunggilt zugunsten beider Vertragspartner, also auch für die Schadensersatz-ansprüche des Auftraggebers. Daher bestehen gegen diese Regelung auchAGB-rechtlich keine Bedenken (vgl. auch § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB).

Zu beachten ist, dass diese Haftungsbeschränkung dann nicht gilt, wenn imBauvertrag die Geltung der VOB/B nur nachrangig nach dem BGB vereinbartworden ist (BGH, Urt. v. 27.10.1977 – VII ZR 298/75, Schäfer/Finnern/Hochstein,Nr. 1 zu § 284 BGB; Ingenstau/Korbion/Döring, B § 6 Abs. 6, Rn. 33). Sodannkann eine über § 6 Abs. 6 VOB/B hinausgehende Beschränkung des Haftungs-umfangs oder überhaupt des Schadensersatzanspruchs bei verschuldetenBauverzögerungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesonderealso in Zusätzlichen Vertragsbedingungen, nicht erfolgen. Denn diese ver-stößt entweder gegen § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB oder jedenfalls gegen§ 307 BGB (vgl. auch Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht Rn. 710 ff.). Selbstver-ständlich ist es aber zulässig, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haf-tungsbegrenzung aus § 6 Abs. 6 VOB/B aufzuheben. Demzufolge kann alsoauch bei bloß fahrlässig verursachter Behinderung durch den Auftraggeberund fahrlässig verursachter Bauverzögerung durch den Auftragnehmer demjeweils anderen Vertragspartner ein Schadensersatzanspruch einschließlichdes nachgewiesenen entgangenen Gewinns eingeräumt werden, wie diesnach dem BGB-Werkvertragsrecht ohnehin der Fall ist. Allerdings erscheintdie Beschränkung des Schadensersatzanspruches in § 6 Abs. 6 VOB/B durch-aus sachgerecht, zumal der Nachweis eines entgangenen Gewinns als Folgevon Behinderungen oder Bauverzögerungen in der Praxis ohnehin großeSchwierigkeiten bereitet.

Will nun der Auftragnehmer wegen vom Auftraggeber zu vertretender Be-hinderungen auch den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, so trifftihn im Rahmen des § 6 Abs. 6 VOB/B für eine vorsätzliche oder grob fahrläs-sige Behinderung des Bauablaufs durch den Auftraggeber die Darlegungs-und Beweislast (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.6.1991 – 23 U 173/90,BauR 1991, 774, 776; BGH, Urt. v. 24.2.2005 – VII ZR 141/03, BGHZ 162, 259,

764

765

766

TEIL A III. Die Bauausführung und die Bauzeit

434 | Vygen/Joussen

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 435

262 f. = BauR 2005, 857, 858 = NJW 2005, 1653, 1654). Etwas Anderes gilt fürden Nachweis der leichten Fahrlässigkeit als Grundvoraussetzung für denSchadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B. Hier muss sich nach dem all-gemeinen Grundsatz des Schadensersatzrechts der Auftraggeber als Schuld-ner des Schadensersatzanspruchs vom Vorwurf des Verschuldens entlasten,wenn feststeht, dass die Behinderung des Auftragnehmers ihre Ursache imVerantwortungs- oder Risikobereich des Auftraggebers hat (so schon BGH,Urt. v. 21.12.1970 – VII ZR 184/69, BauR 1971, 202 f.; s. oben Rdn. 722 ff.).

Zu beachten ist, dass der Auftragnehmer auch die Ursächlichkeit, also denadäquat-kausalen Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Scha-den und den hindernden Umständen, die demAuftraggeber anzulasten sind,darlegen und beweisen muss (so auch BGH, Urt. v. 24.2.2005 – VII ZR 141/03,BGHZ 162, 259, 262 ff. = BauR 2005, 857, 858 f. = NJW 2005, 1653, 1654;BGH, Urt. v. 24.2.2005 – VII ZR 225/03, BauR 2005, 861, 864 f. = NJW2005, 1650,1652).

t Beispiel: (nach BGH, Urt. v. 15.1.1976 – VII ZR 52/74, BauR 1976, 128)

An der Ursächlichkeit etwa fehlt es, wenn der Auftraggeber die Baugeneh-migung zwar zu spät beigebracht hat, der Auftragnehmer aber auch beirechtzeitiger Baugenehmigung nicht anders (früher, mehr, schneller) gear-beitet hätte bzw. hätte bauen können als er es tatsächlich getan hat.

7.1 Rechtliche Grundlagen der Schadensberechnung

Der Umfang des vom Auftraggeber zu ersetzenden Schadens bestimmt sichzunächst nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB. Danach istals Schaden jeder Nachteil zu ersetzen, den der Anspruchsteller durch ein be-stimmtes Ereignis – hier: die Behinderung des Bauablaufs durch den Auftrag-geber – an seinem Vermögen oder an seinen sonst rechtlich geschütztenGütern erleidet (Nicklisch in Nicklisch/Weick, § 6 VOB/B, Rn. 60). Nach derin diesen Fällen anzuwendenden Differenztheorie besteht der Schaden indem Unterschied zwischen zwei Vermögenslagen des Geschädigten (s.dazu BGH, Urt. v. 20.2.1986 – VII ZR 286/84, BGHZ 97, 163, 167 = BauR 1986,347, 348 f. = NJW 1986, 1684, 1685; Kniffka/Koeble, Teil 8, Rn. 44 ff.; Ingens-tau/Korbion/Döring, VOB/B § 6 Abs. 6 Rn. 25 ff.; Heiermann/Riedl/Rusam/Kuf-fer, § 6 VOB/B, Rn. 68), nämlich

� auf der einen Seite der Vermögenslage, wie sie sich in Folge der Behin-derung als dem schadensstiftenden Ereignis tatsächlich gestaltet hat und

� auf der anderen Seite seiner – letztlich hypothetischen – Vermögenslage,wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde.

767

768

7. Behinderungsschaden – Nachweis und Durchsetzung TEIL A

Vygen/Joussen | 435

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 436

Damit kommen hauptsächlich die Mehraufwendungen des Auftragnehmersin Betracht, die zurückgehend auf die vom Auftraggeber zu vertretende Be-hinderung deswegen angefallen sind, um die vertraglich geschuldete gegen-ständliche Bauleistung in einem längeren Zeitraum (bei Verzögerungen wäh-rend der Bauausführung) oder in einer später liegenden Zeitspanne (beiVerschiebung des Baubeginns gegenüber dem vertraglich vereinbarten Bau-beginn) zu erbringen. Abzugrenzen davon sind vor allem Beschleunigungs-aufwendungen zur Einhaltung des Fertigstellungstermins (s. obenRdn. 463 ff.). Dies vorausgeschickt können bei der Durchsetzung des Scha-densersatzanspruchs gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B zwei verschiedene Schadens-varianten unterschieden werden (vgl. Kniffka/Koeble, Teil 8., Rn. 53 ff.):

� Zeitliche Verschiebung der BauausführungZunächst geht es um eine zeitliche Verschiebung der Bauausführung.

t Beispiel:

Statt einer vereinbarten Bauzeit April bis November werden die Arbei-ten aus vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen in der Zeit von No-vember bis Juni des folgenden Jahres ausgeführt.

In diesem Fall sind die Mehrkosten als Schaden zu ersetzen, die durch diesezeitliche Verschiebung entstanden sind, also z. B. Materialpreis- und Lohn-erhöhungen, Mehraufwand durch die Arbeit in der schlechteren Jahres-zeit, Kosten eines Baustopps durch Frost usw.

� Verlängerung der vereinbarten oder vom Auftragnehmer geplanten unddem Auftraggeber bekannt gemachten BauzeitDaneben stehenMehrkosten aus der bloßen Verlängerung der Bauzeit, dievom Auftraggeber zu vertreten ist.

t Beispiel:

Die Bauzeit verlängert sich, weil der Auftraggeber die notwendigenAusführungspläne nicht übergibt.

In diesen Fällen sind die durch diese Verlängerung entstandenen Mehrkos-ten als Schaden zu ersetzen, also z. B. Mehraufwendungen für Personal,Geräte, Subunternehmer, Vorhalte- und Unterhaltungskosten für die Bau-stelleneinrichtung, das Bauleitungspersonal, erhöhte Gemeinkosten, zeit-abhängige Gemeinkosten der Baustelle, Vorhaltekosten für Baustoffesowie zeitabhängige Allgemeine Geschäftskosten u. a. (so auch Kniffka/Koeble, Teil 8., Rn. 55; im Einzelnen dazu aber auch unten Teil ARdn. 796 ff. sowie Teil B Rdn. 222 ff.). Da zudem jede Verlängerung derBauzeit gleichzeitig eine Verschiebung des Fertigstellungstermins zurFolge hat, kommen auch die allein deswegen entstehenden Mehrkostenzusätzlich als Schaden in Betracht.

769

770

TEIL A III. Die Bauausführung und die Bauzeit

436 | Vygen/Joussen

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 437

Es ist nicht zu verkennen, dass sich der Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6VOB/B zumindest in einigen Fällen zwar nicht von den Voraussetzungen her,wohl aber von seiner Zielrichtung her mit demAnspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/Bdecken kann. Dies verwundert nicht: Denn auch bei Letzterem soll der neufestzulegende Vergütungsanspruch die Mehrkosten des Auftragnehmers inFolge einer angeordneten Bauzeitverschiebung oder einer auf einer Anord-nung des Auftraggebers beruhenden Bauzeitverlängerung berücksichtigen(vgl. Vygen, BauR 1983, 421). Allerdings besteht sodann zunächst ein wesent-licher Unterschied darin, dass der Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6VOB/B allenfalls in Ausnahmefällen einen entgangenen Gewinn abdeckt (s. o.Rdn. 274 ff.). Auch ist bei Ansprüchen aus § 6 Abs. 6 VOB/B und § 2 Abs. 5VOB/B der Vergleichsmaßstab ein anderer (s. dazu auch Joussen, BauR 2010,518, 524):

� Bei der Neufestlegung der Vergütung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B kann derAuftragnehmer in die Berechnung des neuen Preises alle Mehrkosten ein-beziehen, die ihm auf Grund der nachträglichen Änderungsanordnungentstehen. Hierzu gehören zum einen die Mehrkosten, die er von Anfangan einkalkuliert hätte, wenn ihm diese veränderte Leistung schon bei An-gebotsabgabe oder Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre. Zum ande-ren zählen dazu die Mehrkosten, die erst durch die nachträgliche Ände-rungsanordnung zusätzlich verursacht werden. Vergleichsmaßstab istalso bei Ansprüchen aus § 2 Abs. 5 VOB/B die ursprüngliche Kalkulationdes Auftragnehmers. Sie wird einer neuen Kalkulation auf der Grundlageder veränderten Bauzeit gegenübergestellt (s. oben Rdn. 639 ff.).

� Anders liegt der Vergleichsmaßstab bei der Schadensberechnung nach § 6Abs. 6 VOB/B. Hier wird die tatsächlich eingetretene Vermögenslage desAuftragnehmers mit derjenigen verglichen, die ohne die Behinderungund die dadurch bedingte Bauablaufstörung eingetreten wäre. Der Ver-gleich wird also hier nicht mit der Lage des Auftragnehmers, die bei Kennt-nis der Bauablaufstörung bei Vertragsabschluss bestanden hätte, vor-genommen, sondern auf der Basis der Ist-Kosten aus demBauablauf heraus.Sie ist – anders als eine Vergütungsabrechnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B – im-mer erst im Nachhinein abschließend möglich.

Dieser Unterschied in der Berechnungsgrundlage kann für den Auftragneh-mer im Einzelfall günstiger oder ungünstiger sein. Dabei wird eine exakteund absolut sichere Berechnung der tatsächlich entstandenen Mehrkostenin Rahmen eines Schadensersatzanspruchs bei Zugrundelegung beider Ver-mögenslagen (vorher/nachher) in der Praxis vielfach kaum möglich sein.Stattdessen kann es regelmäßig nur um eine annähernde, dabei aber mög-lichst nahe an die Wirklichkeit herankommende Ermittlung dieser Mehrkos-ten gehen. Der Grund dafür liegt schon in der Sache selbst begründet. Denndie Differenztheorie zur Schadensermittlung verlangt die Gegenüberstel-

771

772

773

7. Behinderungsschaden – Nachweis und Durchsetzung TEIL A

Vygen/Joussen | 437

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 438

lung zweier Vermögenslagen, von denen eine zwangsläufig hypothetischsein muss, also immer nur durch Schätzung gemäß § 287 ZPO hergeleitetwerden kann. Davon geht auch § 249 BGB als Grundlage jeder Schadens-berechnung aus. Daran wollte und hat § 6 Abs. 6 VOB/B durch die Regelung,dass nur der nachweislich entstandene Schaden zu ersetzen ist, nichts geän-dert.

Neben den durch die Behinderungen bedingten Mehraufwendungen desAuftragnehmers zur Herstellung der geschuldeten Bauleistung könnendem Auftragnehmer aber auch noch weitere Schäden entstehen, die ihre Ur-sache in den vom Auftraggeber zu vertretenden Behinderungen haben. Sokönnen dadurch z. B. finanziell bewertbare, sonst nicht eingetreteneVerlusteim Rahmen des Gewerbebetriebes ausgelöst werden (Ingenstau/Korbion/Dö-ring, B § 6 Abs. 6 Rn. 38).

t Beispiel:

Wegen der Behinderung müssen schon gelieferte Bauteile eingelagertwerden. Folglich fallen Lagerkosten an.

Ebenso können Vertragsstrafenansprüche von § 6 Abs. 6 VOB/B erfasst wer-den.

t Beispiel:

Die durch die Behinderung bedingte Bauverzögerung führt dazu, dass derAuftragnehmer mit einem Anschlussauftrag nicht rechtzeitig entspre-chend dem vereinbarten Ausführungsbeginn anfangen kann. Deswegenwird er von dem Auftraggeber des Anschlussauftrages mit einer dafür ver-einbarten Vertragsstrafe belastet oder ihm wird sogar der Anschlussauf-trag entzogen und/oder Schadensersatz verlangt.

Dagegen wird von diesem Schadensersatzanspruch im Allgemeinen nicht derFall erfasst, dass der Auftragnehmer in Folge der Bauverzögerung einen an-deren gewinnbringenden Auftrag nicht hat übernehmen können. Denn hier-bei geht es um den Ersatz entgangenen Gewinns, der von § 6 Abs. 6 VOB/Bbei leicht fahrlässiger Verursachung der Bauablaufstörung nicht abgedecktist (Nicklisch in Nicklisch/Weick, § 6 VOB/B, Rn. 62). Vielmehr erfordert dieserden Nachweis grober Fahrlässigkeit oder Vorsatzes, der aber in der Praxiskaum zu erbringen ist (s. o. Rdn. 274 ff.)

7.2 Grundlagen der baubetrieblichen Kostenermittlung

Um nun die ersatzfähigen Mehraufwendungen des Auftragnehmers zur Her-stellung der vertraglich geschuldeten Bauleistung berechnen zu können, be-

774

775

776

TEIL A III. Die Bauausführung und die Bauzeit

438 | Vygen/Joussen

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_A.3d 9.4.15 S. 439

darf es zunächst einer Untersuchung der dabei in Betracht zu ziehendenKostenarten. Dies ist nur auf der Grundlage einer baubetrieblichen Kosten-ermittlung möglich (vgl. dazu vor allem Teil B Rdn. 222 ff.).

Bei einer durch Behinderungen verursachten Bauzeitverschiebung (z. B. Bau-ausführung erfolgt 1 Jahr später als geplant und vereinbart, weil die Bau-genehmigung fehlte oder die Finanzierung nicht gesichert war) könnenvor allem folgende zusätzliche Kosten entstehen:

� Lohnkosten und erhöhte Materialpreise, wenn insoweit im Bauvertragkeine entsprechenden Lohn- und Materialpreisgleitklauseln (vgl. zu derenFormulierung und Auslegung BGH, Urt. v. 22.11.2001 – VII ZR 150/01,BauR 2002, 467 f. = NJW 2002, 441 f.) enthalten sind oder diese den Mehr-aufwand nicht voll abdecken (Selbstbeteiligungs- oder Bagatellklausel)

� Folgekosten, weil der Auftragnehmer bereits Baustoffe und Materialieneingekauft (Lagerkosten) und bezahlt hat (Vorfinanzierung zu Mehrkos-ten)

� Gesonderte Personalkosten, weil der Auftragnehmer gar eigens für dieseskonkrete Bauvorhaben Personal eingestellt hat, das er nicht sogleich an-derweitig beschäftigen kann, oder

� Geräte und Maschinenkosten, die gesondert für diesen Auftrag angemie-tet wurden, ohne diese jetzt anderweitig einsetzen zu können.

Durch Behinderungen während der Bauausführung und eine dadurch be-dingteBauzeitverlängerungwerden inder Regel eineVielzahl vonKostenfak-toren der baubetrieblichen Kalkulation von Mehraufwendungen betroffen,die als einzelne Schadensposten bei der Schadensberechnung zu berücksichti-gen sind. Dazu gehören u. a. die Kosten

� der Vorhaltung und Unterhaltung der Baustelleneinrichtung� der Sicherungsmaßnahmen� der Beaufsichtigung der Baustelle und damit zusätzliche Lohn- und Ge-haltsaufwendungen für das Bauleitungspersonal,

� ferner die zeitabhängigen erhöhten Gemeinkosten der Baustelle ein-schließlich der durch verlängerte Vorhaltung und Einsatzzeiten von Gerä-ten, Maschinen und Baustoffen, wie Schalung und Rüstung, bedingtenMehrkosten,

� die durch Lohnerhöhungen oder Materialpreissteigerungen bedingtenMehrkosten sowie Preiserhöhungen bei Nachunternehmerleistungen,

� die zeitabhängigen Allgemeinen Geschäftskosten einschließlich verlänger-ter Versicherungskosten, Lizenzgebühren, Mieten usw. sowie

� möglicherweise ein Mehraufwand aus verzögerungsbedingten Produktivi-tätsverlusten gegenüber dem vom Auftragnehmer ursprünglich geplantenBauablauf.

777

778

7. Behinderungsschaden – Nachweis und Durchsetzung TEIL A

Vygen/Joussen | 439

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 633

6 Das 9-stufige Nachweisverfahren zur Fortschreibungeines Soll-0-Terminplans unter Berücksichtigung destatsächlichen Bauablaufs

Wie bereits erläutert wurde, werden mit der im vorherigen Abschnitt dar-gelegten Vorgehensweise nach Thode nicht immer die notwendigen (Ein-zel-)Nachweise zu erbringen sein. Es ist in solchen Fällen ein mehrstufigesNachweisverfahren zur Berücksichtigung der tatsächlichen Bauabläufe aufVorgangsebene anzuwenden. Dieses liefert dann die notwendige einzelfall-spezifische, konkrete und bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Be-hinderungen. Aufbauend auf den Erkenntnissen in Teil B Kap. 5 wurde diedort beschriebene baubetriebliche Vorgehensweise weiterentwickelt undfür die gutachterliche Beurteilung zugänglich gemacht.

Entscheidend für eine erfolgreiche Ermittlung einer störungsbedingten Bau-zeitverlängerung ist eine isolierte Betrachtung jeder einzelnen Verzögerung.Nur so lässt sich überhaupt z. B. die Rechtzeitigkeit von Planbeistellungen imgestörten Bauablauf beurteilen. Liegenmehrere Verzögerungen zeitlich sehreng zusammen bzw. wirken gleichzeitig, so kann deren Zusammenfassungauch ein Lösungsansatz sein.

Kausalitätsnachweis+

relevante Störungsdauer

BaubeginnSOLL (0)

SOLL - ISTVergleich I

(-> Zeitkonto)

BAST 1

IST Ablauf

BAST 2

IST Ablauf

Kausalitätsnachweis+

relevante Störungsdauer

SOLL - ISTVergleich II

(-> Zeitkonto)

SOLL - ISTVergleich III(-> Zeitkonto)

SOLL - ISTVergleich IV(-> Zeitkonto)

SOLL (1)

IST

SOLL Vorgang (2) gutachterlicheBewertung

vom

AG u

nges

törte

r

Bereic

h

keine Daten über tats.Bauablauf notwendig, außertats. Ende von SOLL(0)

Daten über tats. Bauablaufim Umfeld der BAST 1notwendig

keine Daten über tats.Bauablauf notwendig, außertats. Ende von SOLL (1)

Daten über tats. Bauablaufim Umfeld der BAST 2notwendig

vom

AG u

nges

törte

r

Bereic

h

gutachterlicheBewertung

SOLL Vorgang (9)

SOLL (2)

IST IST

SOLL - ISTVergleich V(-> Zeitkonto)

Bauende

keine Daten über tats.Bauablauf notwendig, außertats. Bauende

vom

AG u

nges

törte

r

Bereic

h

SOLL' Vorgang (2) SOLL' Vorgang (9)

-2 AT +15 AT -3 AT -4 AT -5 AT

Vergleich + - BemerkungenI 2 Eigenverschulden AN (nicht untersucht)II 15 Beschleunigte AusführungIII 3 Eigenverschulden AN (nicht untersucht)IV 4 durch AN verzögerte Ausführung

V 1nicht weiter untersucht; als Eigenverschulden AN gewertet(-5 AT) - (-4 AT)

Zeit- / Pufferkonto (Arbeitstage)(vereinfachte Darstellung)

5

Abb. 62: Prinzipielle Vorgehensweise beim Mehrstufigen Nachweisverfahren

Bei Eintritt der ersten und danach beim Eintritt jeder weiteren Bauablauf-störung (BAST 1 bis BAST n) wird zunächst ein Abgleichmit dem tatsächlichenBauablauf vorgenommen (Vergleiche I bzw. III in obiger Abb. 62). So werden

165

166

167

Lang/Rasch | 633

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 634

die in diesen als (vom Auftraggeber) ungestört angesehenen Zeitabschnittenliegenden möglichen Fehler und Unzulänglichkeiten, aber auch Beschleuni-gungen des Auftragnehmers berücksichtigt. Die Ergebnisse dieses Vergleichswerden auf einem sog. Zeit- bzw. Pufferkonto festgehalten. Im Umfeld einerbehaupteten Behinderungwird daraufhin ein hypothetischer Soll’-Bauablaufunter Berücksichtigung des geplanten Soll-Bauablaufs und den Auswirkun-gen der Störungen (also der sog. störungsmodifizierte Bauablauf ) gutachter-lich bestimmt. Diese Durchführung definiert den in Folge der Bauablaufs-törung geschuldeten Bauablauf, der in einem weiteren Bearbeitungsschrittanschließend mit den konkreten, also tatsächlich festzustellenden Auswir-kungen der Störung verglichen wird. Es wird so die haftungsbegründendeKausalität festgestellt. Das Ergebnis dieses Vergleichs wird dann ebenfallsauf dem Zeit- bzw. Pufferkonto berücksichtigt (Vergleiche II bzw. IV in obigerAbb. 62). Für die Beurteilung der Restleistungen bzw. weiterer Bauablaufs-törungen ist es zwingend notwendig, einen rechenbaren, nunmehr aufGrund der bereits betrachteten und tatsächlich eingetretenen Störungen ge-schuldeten neuen Soll-Bauablauf zu schaffen. Dies kann der theoretische stö-rungsmodifizierte Soll’ (n) sein, wenn der Vergleich mit dem tatsächlichenBauablauf keine Abweichungen aufweist. Dieser rechenbare Bauablaufplanwird dann als Soll’Ist (n) bezeichnet. Für den Fall, dass Abweichungen zwi-schen dem theoretischen störungsmodifizierten Soll’ (n) und dem tatsäch-lichen Bauablauf festgestellt werden, sind im störungsmodifizierten Soll’(n) Modifikationen derart vorzunehmen, dass der tatsächlichen Bauablaufim zeitlichen Umfeld der Bauablaufstörung abgebildet wird. Dieser rechen-bare Bauablaufplan wird dann als Soll’Ist (n) a bezeichnet.

Den Abschluss der Bearbeitung bildet der Vergleich zwischen störungsmodi-fiziertemund tatsächlichemBauende, dessen Ergebnis ebenfalls auf demZeit-und Pufferkonto festgehaltenwird (Vergleich V in obiger Abb. 62). Ergibt derSaldo des gesamten Zeit- und Pufferkontos einen positivenWert, hat der Auf-tragnehmer beschleunigt; der angesammelte Zeitpuffer geht dann ohnezusätzliche Vergütung an den Auftraggeber über. Im anderen Fall hat derAuftragnehmer eben nicht alles getan, um auf die eingetretenen Bauablaufs-törungen in der als notwendig angesehenen Art und Weise zu reagieren.

Wie beschrieben ist es notwendig, mehrere Bauablaufzustände für jede ein-zelne Verzögerung BAST (n) zu bestimmen, nämlich

Soll (n–1) Sollzustand für die Verzögerung BAST (n) – rechenbar –

(als Ergebnis der Ermittlungen zur Verzögerung BAST (n–1))

Soll’ (n) um die Auswirkungen der Verzögerung BAST (n) modifiziertesSoll (n–1) – rechenbar –

Ist (n) tats. Bauablauf im zeitlichen Umfeld der Verzögerung BAST (n)– nicht rechenbar –

168

TEIL B 6. 9-stufiges Nachweisverfahren zur Fortschreibung eines Soll-0-Terminplans

634 | Lang/Rasch

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 635

Soll’Ist (n) durch einen Abgleich mit dem Ist (n) bestätigter Soll’ (n)– rechenbar –

Soll’Ist (n) a auf den tatsächlichen Bauablauf Ist (n) angepasster Soll’ (n)– rechenbar –

Soll (n) Sollzustand für die Verzögerung BAST (n+1) – rechenbar –

(= entweder Soll’Ist (n) oder Soll’Ist (n) a), also ein geschuldeterBauablauf, der aber die Auswirkungen der bisherigen Störun-gen und den bisherigen tatsächlichen Bauablauf berücksichtigt

Es ist zudem zwingend eine baubegleitende Erfassung und Dokumentationaller zeitrelevanter Ereignisse einzurichten (siehe hierzu Teil B, Rdn. 216 ff.),um überhaupt über die notwendigen Angaben zu den verschiedenen Bau-ablaufzuständen verfügen zu können.

6.1 Ein mehrstufiges Nachweisverfahren unter Berücksichtigungdes tatsächlichen Bauablaufs

Im Rahmen eines „Mehrstufigen Nachweisverfahrens unter Berücksichtigungdes tatsächlichen Bauablaufs“ können nachfolgende Bearbeitungsschrittefür jede einzelne Verzögerung zweckmäßig sein:

Stufe 1: Bezeichnung der Verzögerung

Stufe 2: Sachverhaltsdarstellung

Stufe 3: Schriftverkehrsauswertung

Stufe 4: Gutachterliche Bewertung des Sachverhaltes

Stufe 5: Berechnung der ansetzbaren Verzögerungsdauer

Stufe 6: Modifizierungen im Soll (n-1)-Terminplan / Erstellung des Soll’ (n)-Terminplans (Bestimmung eines theoretisch geschuldeten, störungsmodifizierten Bauablaufs)

Stufe 7: Gegenüberstellung Soll (n-1)-Terminplan / Soll’ (n)-Terminplan (Darstellung der theoretischen Auswirkungen der Bauablaufstörung)

Stufe 8: Gegenüberstellung Soll’ (n)-Terminplan / Ist-Terminplan und Erstellung eines rechenbaren Soll (n)-Terminplans, der die tatsächlichen Auswirkungen der BAST (n) berücksichtigt und somit den geschuldeten Bauablauf bis zur BAST (n+1) darstellt, also entweder der Soll’Ist (n) oder der Soll’Ist (n) a ist

Stufe 9: Aktualisierung des Zeit- bzw. Pufferkontos

BEGRÜNDUNG DES ANSPRUCHS

169

6.1 Mehrstufiges Nachweisverfahren/Berücksichtigung tatsächlicher Bauablauf TEIL B

Lang/Rasch | 635

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 636

Stufe 6Modifikation

Ist-Situation imUmfeld der BAST (n)

BAST (n)

Soll' (n) Soll' (n)Ja

Soll' (n) a

Nein

wird ohne Änderung zu

Modifikation

Stufe 9 Zeit-bzw.

Pufferkonto

entspricht Soll' (n) dem Ist-Ablauf ?

Stufe 1 - 4(Anspruch)

Stufe 5(Dauer)

Stufe 7Gegenüberstellung

Stufe 6-7Modifikation

Stufe 1-5

BAST (n+1)

Ist

Ist

Soll (n-1)

Soll (n) Soll' (n+1)

Soll' (n+1) a

Soll' (n+1)Ist

Ist

Stufe 8oder

entweder

oder

wird zu

Stufe 8 Soll / Ist Abgleich

Abb. 63: Schematischer Ablauf des Mehrstufigen Nachweisverfahrens

Stufe 1: Bezeichnung der Verzögerung

Zunächst erhält jede Behinderung/Störung eine laufende Nummer, umzum einen eine zweifelsfreie Bezeichnung zu ermöglichen und andererseitsalle weiteren Unterlagen und Daten auf diese Störungsnummer (= diebetrachteten Bauablaufstörungen mit der Abkürzung BASTund der entspre-chenden, fortlaufenden Nummerierung) beziehen zu können. Die vom Auf-tragnehmer verwendete Störungsbezeichnung wird hier ebenfalls mit auf-genommen.

170

171

TEIL B 6. 9-stufiges Nachweisverfahren zur Fortschreibung eines Soll-0-Terminplans

636 | Lang/Rasch

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 637

LHR GmbH & Co. KGIngenieure und Sachverständigefür Baubetrieb und Bauwirtschaft

Projekt: Anlage:

Bauablaufstörung (BAST) Nr.:

Kurzbezeichnung: Änderung KabelführungGewerk: Spezialtiefbau

Provisorienplanung Bahnhofsgebäude

(intern L•H•R) (extern AN)

A 007; 1053

Bauteil Abschnitt Vorgangsbezeichnung Nr.Los

350Bahnhof2 Inselgeb.

gem. Soll (0)-Bauablauf

Abb. 64: Beispielhafte Darstellung einer Verzögerungsbezeichnung

Daneben wird im Kopf des Formblattes eine weiter gehende Erläuterung inForm der Kurzbezeichnung der Störung und des betroffenen Gewerkes gege-ben. Ergänzend wird eine genaue Bezeichnung der Örtlichkeit (Bauteil, Ge-schoss o. ä.) und vor allem die genaue Bezeichnung des betroffenen Vorgan-ges analog dem der Auswertung zugrunde gelegten Soll (0)- bzw. Soll’(Ist)(n–1)-Terminplan erforderlich.

Stufe 2: Sachverhaltsdarstellung

Der Auswertung des Schriftverkehrs, der Protokolle und anderer Unterlagenwird eine kurze Sachverhaltsdarstellung vorangestellt, welche die Störung/Behinderung und deren Auswirkungen auf den Bauablauf beschreibt. ZurOrientierung wird außerdem der Bereich, auf den sich die Bauablaufstörungim Wesentlichen auswirkte, im Grundriss farbig hervorgehoben.

Stufe 3: Schriftverkehrsauswertung

Die in der Schriftverkehrsauswertung angeführten Schreiben und Protokollewerden in einen direkten Zusammenhang gestellt und sind so auch für Dritteleichter in ihrer Beziehung zueinander zu verstehen. Die Schreiben bzw. Aus-züge aus den Besprechungsprotokollen werden, wo erforderlich, gleichkommentiert. Hierbei werden auch Zusammenhänge erläutert bzw. bau-betriebliche Wertungen vorgenommen. Gegebenenfalls wird der zeitlicheZusammenhang der Unterlagen in einem Terminplan dargestellt.

172

173

6.1 Mehrstufiges Nachweisverfahren/Berücksichtigung tatsächlicher Bauablauf TEIL B

Lang/Rasch | 637

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 638

Stufe 4: Bewertung des Sachverhaltes

Es ist zunächst darzustellen, inwieweit die formalen Anspruchsvoraussetzun-gen gegeben erscheinen. Hierbei kann es sich naturgemäß lediglich um eineVoreinschätzung handeln, da eine abschließende Bewertung den Gerichtenvorbehalten ist. Es werden zu diesem Zweck die Anspruchsformalien (schrift-liche Anzeige bei Eintritt sowie das Ende der Störung/Behinderung) zusam-mengefasst und ggf. kommentiert.

Wesentlicher Teil dieses Bearbeitungsschrittes ist jedoch die Bewertung desSachverhaltes. Es werden die Gründe der Abweichungen vom ursprünglichenbzw. geschuldeten Bauablauf erläutert und bewertet und den Verantwor-tungssphären zugeordnet. Hierbei ist jedoch streng darauf zu achten, dassnur der Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Behinderung berücksichtigt wird.Dies deshalb, weil Auswirkungen von Behinderungen bei ihremAuftreten an-ders beurteilt werden können, als diese sich dann tatsächlich eingestellt ha-ben.

174

TEIL B 6. 9-stufiges Nachweisverfahren zur Fortschreibung eines Soll-0-Terminplans

638 | Lang/Rasch

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 900

Das System der Nachtragskalkulationgemäß VOB/B

1. Zutreffende, ursprüngliche Leistungsposition, die von Leistungsände-rung betroffen ist, im Vertrag identifizieren.

2. Ursprüngliche Vertragsposition aufgliedern in Kostenbestandteile.

3. Prüfung der EKdT, ob sich durch Leistungsänderung eine Kostenver-änderung ergibt.

4. Solche Kostenveränderungen der EKdT in Form von Mehr- und Minderkosten einzeln bewerten und kalkulieren. Beibehaltung der nicht durch Leistungsänderung betroffenen Kostenbestandteile.

5. Die EKdT der geänderten Kosten aufaddieren.

6. Zuschlagssätze aus Auftragskalkulation aufschlagen.

7. Nachtragspreise bilden.

Abb. 207: Die VOB-gemäße Nachtragskalkulation

Leistungsänderungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B

Bei der Nachtragsberechnung für Leistungsänderungen gem. § 2 Abs. 5VOB/Bmüssen als Basis dieGrundlagen des Preises für die im Vertrag vorgese-hene Leistung herangezogen werden (s. Teil A Rdn. 444 ff.).

Als Grundlage der Kalkulation sind anzusehen:

� Aufwandswerte für Lohnstunden (z. B. 1,2 Std./m2 Schalung),� Materialkostenansätze (z. B. 60,00 3/m3 Beton),� sonstige Vereinbarungen (z. B. Nachlässe).

Aus den Ansätzen der Preisermittlungsgrundlage können nun die neuen,durch die Leistungsänderung verursachten Preise gebildet werden. Es ist da-bei möglich, z. B. folgende vergütungsfähige Mehrkosten (Minderkosten) zuberechnen:

TEIL B 12. Nachtragsangebote aufstellen, prüfen und verhandeln

900 | Lang/Rasch

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 901

� Mehrkosten auf Grund von Erschwernissen oder Arbeitsbehinderungen(Beispiel: statt einer rechteckigen Stützenform wird eine runde gewählt),

� Mehr- und Minderkosten aus Personal- und Gerätekapazitätsbereitstel-lung (Beispiel: es müssen teurere Geräte als kalkuliert eingesetzt werden,oder es sind spezielle teurere Fachleute für ein geänderte Leistung erfor-derlich),

� Kosten aus Minderleistungen (Beispiel: Kosten durch Verlust des Einarbei-tungseffektes, häufiges Umsetzen des Arbeitsplatzes, Änderung der Ab-folge der Arbeiten, Minderleistungen durch Witterungseinflüsse).

Aus der Summe der errechneten Mehrkosten und nach Abzug der Leistungs-einsparungenerrechnet sichdieGesamtnachtragssumme.Bei einerNachtrags-berechnung nach § 2 Abs. 5 zählt auch der in der Preisermittlungsgrundlage(als prozentualer Ansatz) eingerechnete Gewinn zu den vergütungsfähigenMehrkosten.

Nachtragsberechnung bei Mengenänderungen gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B

Für Mengenänderungen gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B müssen die der ursprüng-lichen Kalkulation zugrunde gelegten Leistungsansätze (Lohn- und Material-ansätze) beibehalten werden. Nicht vergessen werden dürfen Kosten, die aufGrund der Mengenmehrung, z. B. für das Anliefern und Vorhalten zusätz-licher Geräte (Bagger, Kran) entstanden sind.

Falls gegenüber der ausgeschriebenen Menge tatsächlich eine geringere aus-geführt wurde, kann es zu einer Unterdeckung der Gemeinkosten kommen.Wenn sich trotz der geringerenMengedie Ausführungsdauer der Gesamtbau-maßnahme nicht ändert, sind die Gemeinkosten, die in gleicher Höhe anfal-len, mit einem höheren Umlagefaktor auf die Einheitspreise umzuschlagen.Dieser Sachverhalt soll durch das folgende Beispiel erläutert werden.

t Beispiel:

Bei einer Baumaßnahme sollten 87 m3 Kellergeschosswände in Beton aus-geführt werden. DieMengenermittlung ergab, dass dafür 8,5m2 Schalungje m3 Beton erforderlich waren.

Der kalkulierte Einheitspreis ergab sich durch folgende Rechnung:

Einzelkosten der Teilleistung:

Lohn: 7,9 Std./m3 × 22,00 3/Std. = 173,80 3/m3

Material: 95,90 3/m3

Gemeinkostenumlage:Lohn: 7,9 Std./m3 × (32,50 3/Std. –22,00 3/Std.)

= 82,95 3/m3

Material: 95,90 3/m3 × 10% = 9,59 3/m3

443

444

12.2 Sinnvoller Aufbau eines Nachtrages TEIL B

Lang/Rasch | 901

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 902

Dadurch errechnete sich folgender Einheitspreis:

173,80 3/m3 + 95,90 3/m3

+ 82,95 3/m3 + 9,59 3/m3 = 362,24 3/m3

Während der Bauausführung stellte sich heraus, dass anstatt der ursprüng-lich geplanten und kalkulierten 87m3 KG-Wände tatsächlich nur 65m3 aus-geführt werden sollten. Dadurch kam es zu einer Unterdeckung derGemeinkosten. Zunächst muss gemäß § 2 Abs. 3 geprüft werden, ob dieMindermenge auch tatsächlich 10% beträgt. Falls dies der Fall ist, kanndie Berechnung des neuen Einheitspreises erfolgen.

87 m3 – 65 m3 = 22 m3 > 10%

Es fehlen an Gemeinkosten:22 m3 × (82,95 3/m3 + 9,59 3/m3) = 2 035,88 3

Dadurch errechnet sich ein Zuschlag auf die 65 m3 von:2 035,88 3: 65 m3 = 31,32 3/m3

Der neue Einheitspreis muss also betragen:

362,24 3/m3 + 31,32 3/m3 = 393,56 3/m3

Zusatzleistungen gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B

Eine Zusatzleistung gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B muss vom Auftragnehmer nurdann erbracht werden, wenn diese in engem technischen Zusammenhangmit der Vertragsleistung steht. Auch hier bildet die Grundlage der Preisermitt-lung, ähnlich wie bei Leistungsänderungen gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, dieGrundlage für die Ermittlung der zusätzlich zu vergütenden Kosten.

Falls die geforderte Zusatzleistung nicht unmittelbar mit der vertraglichenLeistung in Verbindung steht, kann der Auftragnehmer selbst entscheiden,ob er sie überhaupt ausführenmöchte. Hierbei besteht dieMöglichkeit, völligneue Preise oder einen neuen Vertrag über diese Leistungen zu vereinbaren.

12.2.3 Auswirkungen auf den Bauablauf und Vorbehalte

Nicht vergessen werden sollten die Auswirkungen einer Leistungsänderungauf den gesamten Bauablauf und die Bauzeit. Sofern nachgewiesen werdenkann, dass die Leistungsänderungen auch zu einer Verlängerung der Bauzeitführen, sind der Anspruch auf eine entsprechende Bauzeitverlängerung so-wie die Kosten hierfür in das Nachtragsangebot aufzunehmen (Teil ARdn. 672). Der Auftraggeber hat einen Anspruch, sämtliche Bauzeitfolgenund Mehrkosten, die seine Änderungen hervorrufen, zu erfahren; denn

445

446

TEIL B 12. Nachtragsangebote aufstellen, prüfen und verhandeln

902 | Lang/Rasch

{luchterh_neu}20150013_Vygen/Teil_B.3d 9.4.15 S. 903

nur so wird er in die Lage versetzt, beurteilen zu können, ob er die Änderungauch tatsächlich realisiert haben will.

Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob diese Auswirkungen zum Zeitpunktder Einreichung des Nachtragsangebotes ausreichend sicher abgeschätzt wer-den können. Ist dies nichtmöglich, so sollte ein entsprechenderVorbehalthin-sichtlich des Anspruchs auf eine Bauzeitverlängerung (spricht Verschiebungdes Fertigstellungstermins) sowie der noch fehlenden Mehrkosten für dieseBauzeitverlängerung aufgenommen werden.

Weiterhin sind sämtliche anderen Auswirkungen auf den Bauablauf (z. B. Um-stellung vonAbläufen, Stillstände von Teilleistungen, betroffene Folgegewer-ke, notwendige neue Nachunternehmer usw.) durch die angeordneten Ände-rungen kalkulativ zu berücksichtigen (Teil A Rdn. 672).

Zu den weiteren Vorbehalten, die im Nachtragsangebot aufzunehmen sind,gehören Liefer- und Bereitstellungsverpflichtungen des Auftraggebers, bau-seits zu erbringende Vorleistungen und Einholung von Genehmigungendurch den AG sowie noch nicht erfasste Leistungen oder Teilleistungenoder weitere Voraussetzungen zur fristgerechten Leistungserbringung.

Das Inhaltsverzeichnis eines Musternachtragsangebotes, das alle vorgenann-ten Punkte enthält, ist im Teil B, Abb. 208 dargestellt.

12.2.4 Nachtragsangebot

Die Baupraxis zeigt, dass Nachträge demAuftraggeberoft verspätet, zum Teilauch erst mit der Schlussrechnung vorgelegt werden. Dies kann folgendeNachteile haben:

� Der Nachtrag ist oft nicht mehr nachprüfbar, da bestimmte Leistungen amBauende nicht mehr sichtbar sind (z. B. verputzte Mauerwerks-Teile, zuge-schalte oder abgedeckte Lüftungseinrichtungen usw.).

� Dem Auftraggeber wird die Möglichkeit genommen, durch eine eventu-elle Umstellung oder Neuordnung der Leistung weitere, im Bauverlauf auf-tretende Mehrkosten abzuwenden.

� Es können Schwierigkeiten bei dem Bauherrn erwachsen, die nachträglichbenötigten Mittel bereitzustellen, da z. B. eine Baumaßnahme haushalts-mäßig bereits abgeschlossen wurde.

� Für den Auftragnehmer entstehen zusätzliche Kapitalbereitstellungskos-ten (Zinsen), die nicht vergütet werden.

Nach § 2 Abs. 5 soll die Nachtragsvereinbarung vor der Ausführung getrof-fen werden. Dies bedeutet, dass der neue Preis möglichst vor Beginn der Aus-führung vereinbart werden sollte, dies ist aber nicht zwingend (Teil A

447

448

12.2 Sinnvoller Aufbau eines Nachtrages TEIL B

Lang/Rasch | 903