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„In Afrika sagt man, wenn ein alter Mann stirbt, verschwindet eine Bibliothek. Das erinnert uns an die lebenswichtige Rolle, die ältere Menschen als Bindeglied zwischen der Vergangenheit, der Gegen- wart und der Zukunft spielen, als wahre Lebensader der Gesellschaft. Ohne das Wissen und die Weisheit der Alten würden die Jungen niemals wissen, woher sie kommen oder wohin sie gehören. Doch um eine gemeinsame Sprache mit den Jungen zu haben, muss man ihnen die Chance geben, ihr Leben lang weiter zu lernen.“ UNO-Generalsekretär Kofi A. Annan Altern in den Entwicklungsländern Die menschliche Gesellschaft befindet sich heute im „Umbau“ durch drei gleichzeitig ab- laufende Prozesse: Globalisierung, Landflucht und Bevölkerungsaltern. Und wieder sind die Entwicklungsländer am stärksten betroffen. Der Prozess des Alterns der Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird neue Heraus- forderungen mit sich bringen, die anders sind als jene, mit denen die Industrieländer kon- frontiert sind. Und auch innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer gibt es Gemeinsam- keiten und Unterschiede zwischen Regionen und Umständen, etwa den wirtschaftlichen Verhältnissen, kulturellen Traditionen, der Familienstruktur, den Auswirkungen bewaff- neter Konflikte, Naturkatastrophen, Migra- tionsmustern, Flüchtlingsbevölkerungen, ver- heerenden Krankheiten wie der HIV/Aids-Pan- demie und sogar den nationalen Gesetzen. Drei Faktoren tragen zur Dringlichkeit des Prozesses bei: der Anteil der Entwicklungs- länder an der Weltbevölkerung, die weit ver- breitete Armut in diesen Ländern und die Schnelligkeit, mit der das Altern vor sich geht. Es überrascht, dass am Beginn des „urbanen Millenniums“, in dem in der gesamten in Ent- wicklung befindlichen Welt eine Landflucht von unerhörtem Ausmaß stattfindet und die Geburtenrate zurückgeht, noch immer der Großteil der älteren Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt. Doch dafür gibt es mehrere Erklärungen: Viele junge Leute ziehen aus wirtschaftlichen Grün- den in die Städte und lassen die älteren zu- rück; viele ältere Migranten, die aus dem Be- rufsleben in der Stadt ausscheiden, gehen zu- rück in ländliche Gebiete; die weltweite HIV/ Aids-Pandemie trifft vor allem junge Leute. Das Altern der Bevölkerung hat im ländlichen Raum bereits begonnen § In den ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas wird sich die Zahl der älteren Personen bis 2025 voraussichtlich verdoppeln. § Die Zahl der älteren Menschen wird in Afrika auf 50 Millionen und in Asien auf 337 Millionen steigen. § In 10 Ländern, die meisten davon in Afrika südlich der Sahara, ist der Anteil der älteren Menschen im länd- lichen Bereich zumindest doppelt so hoch wie im städtischen. Im ländlichen Bereich leben mehr ältere Frauen als ältere Männer § In 40 Ländern ist der Anteil der älte- ren Frauen im ländlichen Bereich hö- her, in einigen Fällen erheblich höher als der Anteil der älteren Männer.

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„In Afrika sagt man, wenn ein alter Mann stirbt, verschwindet eine Bibliothek. Das erinnert uns an dielebenswichtige Rolle, die ältere Menschen als Bindeglied zwischen der Vergangenheit, der Gegen-wart und der Zukunft spielen, als wahre Lebensader der Gesellschaft. Ohne das Wissen und dieWeisheit der Alten würden die Jungen niemals wissen, woher sie kommen oder wohin sie gehören.Doch um eine gemeinsame Sprache mit den Jungen zu haben, muss man ihnen die Chance geben,ihr Leben lang weiter zu lernen.“

UNO-Generalsekretär Kofi A. Annan

Altern in den Entwicklungsländern

Die menschliche Gesellschaft befindet sichheute im „Umbau“ durch drei gleichzeitig ab-laufende Prozesse: Globalisierung, Landfluchtund Bevölkerungsaltern. Und wieder sind dieEntwicklungsländer am stärksten betroffen.

Der Prozess des Alterns der Bevölkerung inden Entwicklungsländern wird neue Heraus-forderungen mit sich bringen, die anders sindals jene, mit denen die Industrieländer kon-frontiert sind. Und auch innerhalb der Gruppeder Entwicklungsländer gibt es Gemeinsam-keiten und Unterschiede zwischen Regionenund Umständen, etwa den wirtschaftlichenVerhältnissen, kulturellen Traditionen, derFamilienstruktur, den Auswirkungen bewaff-neter Konflikte, Naturkatastrophen, Migra-tionsmustern, Flüchtlingsbevölkerungen, ver-heerenden Krankheiten wie der HIV/Aids-Pan-demie und sogar den nationalen Gesetzen.Drei Faktoren tragen zur Dringlichkeit desProzesses bei: der Anteil der Entwicklungs-länder an der Weltbevölkerung, die weit ver-breitete Armut in diesen Ländern und dieSchnelligkeit, mit der das Altern vor sich geht.Es überrascht, dass am Beginn des „urbanenMillenniums“, in dem in der gesamten in Ent-wicklung befindlichen Welt eine Landfluchtvon unerhörtem Ausmaß stattfindet und dieGeburtenrate zurückgeht, noch immer derGroßteil der älteren Bevölkerung in ländlichenGebieten lebt.

Doch dafür gibt es mehrere Erklärungen: Vielejunge Leute ziehen aus wirtschaftlichen Grün-den in die Städte und lassen die älteren zu-rück; viele ältere Migranten, die aus dem Be-rufsleben in der Stadt ausscheiden, gehen zu-rück in ländliche Gebiete; die weltweite HIV/Aids-Pandemie trifft vor allem junge Leute.

Das Altern der Bevölkerung hat imländlichen Raum bereits begonnen

§ In den ländlichen Gebieten Afrikas,Asiens und Lateinamerikas wird sichdie Zahl der älteren Personen bis2025 voraussichtlich verdoppeln.

§ Die Zahl der älteren Menschen wirdin Afrika auf 50 Millionen und in Asienauf 337 Millionen steigen.

§ In 10 Ländern, die meisten davon inAfrika südlich der Sahara, ist derAnteil der älteren Menschen im länd-lichen Bereich zumindest doppelt sohoch wie im städtischen.

Im ländlichen Bereich leben mehrältere Frauen als ältere Männer

§ In 40 Ländern ist der Anteil der älte-ren Frauen im ländlichen Bereich hö-her, in einigen Fällen erheblich höherals der Anteil der älteren Männer.

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Die Entwicklungsländer stehen vor einer zwei-fachen Herausforderung: Sie müssen denEntwicklungsprozess fortsetzen, was wach-sende Volkswirtschaften, Ausbildung und denSchutz der Menschenrechte voraussetzt, undsie müssen sich gleichzeitig auf das Alternihrer Bevölkerung vorbereiten. Und dieserProzess wird in den Entwicklungsländern vor-aussichtlich erheblich schneller vor sich ge-hen, als es in der industrialisierten Welt derFall war.

In den Entwicklungsländern gehen noch ande-re Veränderungen vor sich, die für die meistenälteren Menschen der Welt das „Altern in Si-cherheit“ in den kommenden Jahrzehnten inFrage stellen könnten. Neben der Migrationund der Landflucht können Veränderungen imFamiliengefüge - von der Großfamilie hin zurkleineren, mobilen Familie -, der fehlende Zu-gang zu Technologien wie Informations- undKommunikationstechnologien, die die Unab-hängigkeit fördern, und andere sozio-öko-nomische Veränderungen die älteren Men-schen noch mehr an den Rand des Entwick-lungsgeschehens drängen, wodurch sie ihrersinnvollen wirtschaftlichen und sozialen Rolleberaubt werden und die traditionellen Unter-stützungsnetze nicht mehr im vollen Umfangwirksam sind.

Was wird das Altern der Landbevölkerungbewirken?

Das Altern der Bevölkerung im ländlichenRaum wird tief greifende Veränderungen mitsich bringen. Sie wird massive Auswirkungenauf die landwirtschaftliche Produktion, die Si-cherung der Ernährung, das Gesundheits-wesen, den Arbeitsmarkt und den Entwick-lungsprozess selbst haben. Sicherlich wird sieauch die Gesellschaftsstruktur und die Pro-duktionsmuster beeinflussen. Und auch in derFamilie, der grundlegenden strukturellen Ein-heit der ländlichen Gesellschaft, wird es zuraschen und bedeutsamen demographischenVeränderungen kommen, die in vielen Fällendazu führen werden, dass die familiäre Unter-stützung für ältere Angehörige abnimmt. Dadas Altern im ländlichen Bereich vermutlichsehr schnell vor sich gehen wird, müssen dieEntwicklungsländer umgehend Entscheidun-gen treffen, politische Konzepte erstellen undkonkrete Vorkehrungen treffen.

Das Tempo des Alterns

§ In Frankreich dauerte es 115 Jahre -von 1865 bis 1980 -, bis sich der An-teil der älteren Menschen von 7 Pro-zent auf 17 Prozent etwa verdoppelthatte.

§ In China wird es voraussichtlich nur27 Jahre - von 2000 bis 2027 - dau-ern, bis sich der Anteil der über 60-jährigen von 10 Prozent auf 20 Pro-zent verdoppelt haben wird.

§ In Entwicklungsländern wie Kolum-bien, Malaysia, Kenia, Thailand undGhana wird der Anteil der älterenMenschen zwischen 1990 und 2025etwa 7 bis 8 mal schneller steigen alsin Großbritannien und in Schweden.

§ In den Entwicklungsländern ist ineinem Zeitraum von nur 35 Jahrenmit einer Zunahme der älteren Bevöl-kerung um 200 bis 300 Prozent zurechnen.

§ Bis zum Jahr 2020 werden in denEntwicklungsländern voraussichtlichdrei Viertel aller Todesfälle altersbe-dingt sein.

Einige Änderungen sind unschwer abzuse-hen, manche andere sind weniger offensicht-lich.

§ Bauern im fortgeschrittenen Alter werdennach Möglichkeit auf weniger arbeitsinten-sive Anbauprodukte umsteigen.

§ Familien werden ihre Versorgungsstrate-gien (Sparen und Investieren) konserva-tiver gestalten und verstärkt auf die Siche-rung ihres Unterhalts ausrichten.

§ Ältere, vor allem arme Bauern werden nurbeschränkt mit dem technischen Fort-schritt mithalten können und weniger be-reit sein, sich auf neue Produktionsmetho-den einzulassen, was die Modernisierungder Landwirtschaft verlangsamen wird.

§ Von älteren Bauern ist viel eher zu erwar-ten, dass sie ihre landwirtschaftliche Tä-tigkeit jederzeit einstellen, weil sie sich zurRuhe setzen, krank werden oder sterben.In Gebieten mit vielen landbesitzendenBauern im fortgeschrittenen Alter mussdavon ausgegangen werden, dass Höfe

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verkauft, übergeben oder stillgelegt wer-den. Das kann zu Zusammenlegungenoder aber zur Änderung der Anbaupro-dukte führen.

Unbebautes und der Umweltschädigung preis-gegebenes Land wird die Produktion verrin-gern.

Soziale und wirtschaftliche Auswirkungendes Alterns

Das Altern der Landbevölkerung wird wahr-scheinlich am akutesten als soziales Problemspürbar werden, wenn die jungen Leute in dieStadt ziehen und die älteren allein in manch-mal weit entlegenen Gebieten ihrem Schicksalüberlassen.

Viele ältere Landbewohner haben weder einenennenswerte Alterspension noch eine Kran-kenversicherung oder sonstige Unterstützungdurch das Sozialversicherungssystem. Diejungen Migranten fühlen sich in zunehmen-dem Maße der Stadt zugehörig, weshalb dieGeldsendungen nach Hause möglicherweiseabnehmen, was die älteren Menschen ohnefinanzielle Unterstützung und ohne alternativeEinkommensmöglichkeiten zurücklässt. Teileder älteren Bevölkerung werden zunehmendisoliert und ihrer Möglichkeiten beraubt, so-wohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezugauf die Verfügbarkeit von wirtschaftlichenRessourcen, Unterkunft, medizinischerBetreuung und Möglichkeiten der Teilnahmeam sozialen und wirtschaftlichen Leben. DieKluft zwischen wirtschaftlich aktiven und inak-tiven Personen könnte sich vertiefen, wodurchsich das Einkommensgefälle oder bereits vor-handene soziale Ungleichheiten innerhalb derLänder weiter vergrößern würden.

Unter diesen Umständen werden Familie undGemeinschaftseinrichtungen noch stärkerunter Druck geraten. Wenn das Sicherheits-netz Familie reißt, steigen die Kosten für diegrundlegenden Unterstützungsdienste für dieälteren Menschen, und es wird immer schwie-riger, sie aufzubringen. Wenn die älterenLandbewohner mit den älteren Stadtbewoh-nern in Konkurrenz um knappe Mittel tretenmüssen, werden sie wahrscheinlich auf derStrecke bleiben. Schließlich könnte das Alternder Landbevölkerung eine Verringerung desLeistungs- und Einkommenswachstums ver-

ursachen und damit die Wirtschaftsleistungeines Landes insgesamt negativ beeinflussen.

Wenn diese pessimistischen Voraussagentatsächlich eintreten und keine ausreichendensozialen Vorkehrungen getroffen wurden,werden der Staat und die älteren Menschenmit einer Reihe schwieriger Fragen konfron-tiert sein. Ohne ernst zu nehmende Vor-bereitung und Planung kann es sich als äu-ßerst schwierig erweisen, derLandbevölkerung ein „Alter in Sicherheit“ zuermöglichen. In wohlhabenderen Gesell-schaften haben ältere Menschen vielleicht dieChance, in die Stadt zu ziehen, wo ihre Fami-lie für sie sorgt, doch in weniger wohl-habenden Gesellschaften wird eine solcheAlternative wahrscheinlich nicht bestehen.Man darf auch nicht vergessen, dass in vielendieser Gebiete große Armut herrscht.

„Wir müssen uns der Tatsache bewusstsein, dass die Industriestaaten zuerstreich und erst dann alt wurden, währenddie Entwicklungsländer altern, bevor siereich werden.“

Gro Harlem Brundtland,Generaldirektorin der WHO

Ist es wirklich so schlimm?

Es gibt zwar allen Grund, sich Sorgen zu ma-chen, doch es wäre verfehlt, das Altern derländlichen Bevölkerung als einen rein negati-ven Trend zu sehen. In manchen Situationenbietet sie die Chance zu positiven Verände-rungen, etwa zum sozioökonomischen Struk-turwandel im ländlichen Raum, hin zu neuenStrukturen, die besser geeignet sind, dienachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Zu-dem ist das typische Bild vom älterenMenschen als Belastung oder Behinderung ineinem Entwicklungsmodell engstirnig undfalsch und sollte richtig gestellt werden. Dashöhere Alter hat viel zu bieten, auch wenn dasnur selten anerkannt wird: einen Schatz anWissen und Erfahrung, den ältere Menschenin die Arbeitswelt, das öffentliche Leben unddie Familie einbringen. Der technische Fort-schritt und neue gesellschaftliche Organisa-tionsformen können dazu genützt werden,ältere Menschen zum Verbleib im Arbeitspro-

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zess zu ermutigen und im ländlichen Bereichentsprechende sozioökonomische Änderun-gen herbeizuführen.

Die positiven Auswirkungen desBevölkerungsalterns

§ In Asien und Lateinamerika wird dieprognostizierte spürbare Abnahmeder Anzahl der jungen Leute, verbun-den mit der Stabilisierung der Zahl derErwachsenen, den gegenwärtigendemographischen Druck auf Grundund Boden verringern.

§ In einigen Ländern Asiens, in denendie Landbevölkerung bereits ein ho-hes Durchschnittsalter erreicht hat,ergab sich kein Rückgang in derlandwirtschaftlichen Produktion. ImGegenteil: Durch die Erhöhung derFarmgrößen und dem damit verbun-denen Rentabilitätsgewinn konnte siesogar gesteigert werden.

Abhängigkeitsquotient: Ein Fenster derChance

Nach konservativer Auffassung von der Al-tersabhängigkeit belastet eine große Zahlsehr junger und/oder alter Menschen die Wirt-schaft, da die Konsumbedürfnisse der wirt-schaftlich „unproduktiven“ Mitglieder der Ge-sellschaft das Spar- und Investitionsvermögeninsgesamt verringern. Einfacher gesagt: Vielesehr junge oder alte Menschen oder beideskosten sehr viel Geld. Doch in den vergange-nen Jahrzehnten war die bedeutsamste Ver-änderung der Altersstrukturen in den Ent-wicklungsländern nicht die Zunahme der altenLeute, sondern der Rückgang des Anteils derJungen. Die Altersgruppe der 0- bis 14-jähri-gen nahm seit 1970-75 in allen Entwicklungs-regionen ab, während der Alterungsprozessder Bevölkerung gerade erst beginnt odernoch bevorsteht.

Diese Verschiebung – weniger junge Men-schen, bevor es mehr ältere Menschen gibt –bietet ein „Fenster der Chance“, wenn aufjeden Erwerbstätigen der aktiven Altersgruppeweniger zu versorgende Nichterwerbstätigekommen. Für kurze Zeit werden die Gesamt-ausgaben im Verhältnis zur Gesamtproduktion

sinken. Diese wirtschaftliche Atempause er-öffnet neue Möglichkeiten. Die Entwicklungs-länder sollten sie nützen und in Wirtschafts-entwicklung, Schulung und Ausbildung inves-tieren.

In fast jeder Phase dieser demographischenVerschiebung stehen den Entscheidungs-trägern mehrere Möglichkeiten offen, wie siein Zukunft auf diese prognostizierten demo-graphischen Veränderungen reagieren kön-nen. Die Herausforderung für die internatio-nale Gemeinschaft - und die Chance derzweiten Weltversammlung zur Frage des Al-terns – besteht nun darin, fundierte Entschei-dungsgrundlagen für die Auswahl der geeig-netsten Optionen zu schaffen, um sicherzu-stellen, dass das gewünschte Ergebnis undein günstiges Ergebnis für den ländlichenRaum erzielt wird. Gleichzeitig bietet sich dieeinmalige Chance, eine soziale Umstrukturie-rung, die nicht aufzuhalten ist, zum Vorteil zunützen.

Um den Fortschritt und die Sicherheit fürMenschen jedes Alters zu fördern, müssensich die Länder den Herausforderungen desAlterns im ländlichen Raum kompetent stellenund die Gelegenheit ergreifen, ihre landwirt-schaftliche und ländliche Entwicklungspolitikneu zu überdenken. Es gibt Regionen, in de-nen ältere Menschen hohes Ansehen ge-nießen und großen Einfluss auf Entscheidun-gen haben. In diesen Regionen sollten ältereMenschen unbedingt in den Entscheidungs-prozess mit einbezogen werden. Jedochmüssen Politiker und Programmmanager grö-ßere Sensibilität für die Fähigkeiten und Be-dürfnisse älterer Menschen entwickeln. Da-durch werden sie mit Sicherheit weisere Ent-scheidungen treffen.

Zum Beispiel könnten im Rahmen der staatli-chen Politik Steuererleichterungen und andereAnreize für ländliche Familien vorgesehenwerden, um ihnen die Betreuung ihrer altenAngehörigen zu erleichtern. Mit Hilfe von Son-derunterstützungen könnten Frauen, die meistlänger leben und ärmer sind, bis ins hohe Al-ter als Kleinbäuerinnen, im Handel, in dertraditionellen Medizin und als Haushaltshilfetätig bleiben. Es ist relativ einfach, mit ent-sprechender Unterstützung Nachteile in ihrGegenteil zu kehren und als Chance zu nüt-zen.

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Längeres Arbeitsleben und lebenslangesLernen

In den Industriestaaten wird schon seit länge-rer Zeit empfohlen, dass es älteren Menschengestattet sein sollte, zu arbeiten, so lange siewollen oder können. Das kann sich positiv aufihr Einkommen, auf die Verfügbarkeit von Ar-beitskräften und auf die Pensions- oder So-zialversicherungssysteme auswirken. In denländlichen Gebieten der Entwicklungsländerhingegen wird das wahrscheinlich nicht mög-lich sein. Schwere körperliche Arbeit wird oh-nehin nicht in Frage kommen. In Gebieten, dievon HIV/AIDS besonders schwer betroffensind, was in weiten Teilen Afrikas der Fall ist,arbeiten ältere Menschen vielleicht schon jetztso lange und so hart wie sie dazu noch im-stande sind: Viele von ihnen betreuen ihreHIV/Aids-kranken erwachsenen Kinder, müs-sen die Landwirtschaft übernehmen und zu-sätzlich auch noch Ersatzeltern für ihre En-kelkinder sein. Wo es jedoch möglich ist, dassältere Menschen länger im Arbeitsprozessbleiben, sollten unterstützende und innovativeLösungsansätze technischer und organisatori-scher Natur für Arbeit und Ruhestand gewähltwerden.

Die Methode des lebenslangen Lernens, diein den Industriestaaten für die Umschulungund Vertiefung der Fähigkeiten vorgeschlagenwird, wurde noch nicht auf ihre Eignung fürältere Menschen im ländlichen Raum über-prüft. Ein solches Unternehmen würde um-fangreiche Veränderungen in der Beschäf-tigungspolitik, etwa Programme zur Auswei-tung der Landwirtschaft, bedingen, könnteaber durchaus zu innovativen und kreativenAlternativen anregen.

Landbesitz, Landübergabe und Altern

Die möglichen Auswirkungen des Alterns derBevölkerung auf die Entvölkerung und Land-besitz sollten Gegenstand von Untersuchun-gen sein. Noch sind diese Bereiche weit-gehend unerforscht, insbesondere ihre ge-schlechtsspezifischen Aspekte. Sie müsstenim Detail erforscht werden, insbesondere dieNotwendigkeit, Dienstleistungen für ältereMenschen in entlegeneren ländlichen Gebie-ten zu finanzieren. Solche benachteiligtenGebiete werden wahrscheinlich keine hohePriorität in der sozialen Entwicklung haben,

dennoch sollten moderne Staaten und Natio-nen durch entsprechende Maßnahmen dafürSorge tragen, dass ältere Menschen im ländli-chen Raum nicht an den Rand der Gesell-schaft gedrängt werden.

Die Landübergabe zwischen den Generatio-nen kann weit reichende Folgen für dieLebensmittelproduktion, die gesicherte Ver-sorgung mit Lebensmitteln und die Entwick-lung haben. Das Altern der Bevölkerungkönnte die Art oder die Lebensphase ändern,in der Grund und Boden von einer Generationauf die andere übergeht. Angesichts der hö-heren Lebenserwartung der Familienvor-stände und Landeigentümer gibt es verschie-dene mögliche Szenarien. Da die Eltern län-ger leben, ziehen die Kinder möglicherweisein den städtischen Raum. Andererseits kanneine kleinere Familie bedeuten, dass das Erbeunter weniger Kindern aufgeteilt werdenmuss, was die Entscheidung einer Familie füreinen ländlichen und landwirtschaftlichen Le-bensstil begünstigen kann. Wenn mehrereGenerationen gleichzeitig leben, arbeitenauch mehrere Generationen gleichzeitig zu-sammen.

Man muss sich der Tatsache bewusst sein,dass ältere Menschen eine dynamische Rollebei der Übertragung von Land von einer Ge-neration auf die andere spielen, ganzbesonders in traditionellen Gesellschaften.Wo Land kommunal genutzt wird, liegt dieEntscheidung nach dem Altersprinzip wahr-scheinlich beim Dorfvorsteher und anderenälteren Mitgliedern der Dorfgemeinschaft. Eswäre ein Fehler, wenn Entscheidungsträgerdie Rolle der älteren Menschen unterschät-zen, mit deren Hilfe vielleicht am besten neueStrategien zur Sicherung der Lebensmittelver-sorgung und der sozialen Stabilität entwickeltwerden können. Eine konstruktive Politik derZusammenarbeit mit älteren Menschen ist vongrößter Bedeutung, um sicherzustellen, dassLandtransfers im Interesse der Landwirtschaftund der zukünftigen Lebensmittelsicherheitabgewickelt werden.

Politische Maßnahmen und Entwicklungs-strategien müssen die vielfältigen Unterschie-de zwischen dem Alterungsprozess in denIndustriestaaten und in den Entwicklungs-ländern berücksichtigen, und sie sollten kon-kret auf die unterschiedlichen Verhältnisse

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abgestimmt sein. Besonders wichtig ist ferner,dass die politischen Maßnahmen lokal entwi-ckelt und umgesetzt werden.

Die Ernährung- und Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen (FAO)

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorgani-sation der Vereinten Nationen mit Sitz in Romhat den Auftrag, die Ernährungslage zuverbessern, den Lebensstandard zu heben,die landwirtschaftliche Produktivität zu stei-gern und der ländlichen Bevölkerung zubesseren Lebensbedingungen zu verhelfen.Das Altern der Landbevölkerung zählt zu ihrenwichtigsten Themen. Die FAO hat eine Reihevon Studien über das Altern im ländlichenRaum und ihre Auswirkungen durchgeführt.Die Artikel finden sich im Internet unter derAdresse www.fao.org/sd.

Dieser Artikel wurde anhand von Informatio-nen der Ernährung- und Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen (FAO)verfasst.

Für nähere Informationen wenden Sie sichbitte an:

Ernährung- und Landwirtschaftsorganisationder Vereinten Nationen (FAO)Marcela VillarrealE-Mail: [email protected]

UNO-Hauptabteilung Presse und InformationTel.: (+1-212) 963-0499E-Mail: [email protected]

Herausgegeben von der Hauptabteilung Presse und Information, Vereinte Nationen, DPI/2264 – März 2002.Deutsche Übersetzung: Informationsdienst der Vereinten Nationen (UNIS) Wien.