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6/96 Juni Aus dem Inhalt Aufsätze Anwaltssozietät als Haftungsgemeinschaft (Jungk) 297 Produkthaftung (von Krbek) 302 Schicksal jüdischer Anwälte in Dortmund 1933 – 1938 (Pohlmann) 311 Mitgliederversammlung 1996 Eröffnungsansprache 314 Tätigkeitsbericht 1995/96 318 Dokumentation Satzung des DAV 326 Aus der Arbeitdes DAV PR-Referat 330 Haftpflichtfragen: Vollmacht per FAX? 337 Rechtsprechung BGH: Anwaltshaftung wegen mangelhaften Vertragsentwurfs 339 BGH: Haftung für Außerachtlassen ständiger Verwaltungspraxis 342 KG: Kostenerstattung für nicht postulationsfähigen Anwalt 347 OLG Düsseldorf: Notargebühr für Überwachung der Umschreibungsreife 348

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6/96Juni

Aus dem Inhalt

AufsätzeAnwaltssozietät als Haftungsgemeinschaft(Jungk) 297Produkthaftung (von Krbek) 302Schicksal jüdischer Anwälte in Dortmund1933–1938 (Pohlmann) 311Mitgliederversammlung 1996Eröffnungsansprache 314Tätigkeitsbericht 1995/96 318DokumentationSatzung des DAV 326Aus der Arbeit des DAVPR-Referat 330Haftpflichtfragen: Vollmacht per FAX? 337RechtsprechungBGH: Anwaltshaftung wegen mangelhaftenVertragsentwurfs 339BGH: Haftung für Außerachtlassen ständigerVerwaltungspraxis 342KG: Kostenerstattung für nichtpostulationsfähigen Anwalt 347OLG Düsseldorf: Notargebühr fürÜberwachung der Umschreibungsreife 348

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Aufsätze

297 Die Rechtsanwaltssozietät als HaftungsgemeinschaftVon Rechtsanwältin Antje Jungk, München

302 Produkthaftungsrecht und ProdukthaftungsgesetzVon Prof. Dr. Franziska von Krbek, Berlin

304 Wettbewerb und freie MitarbeitVon Richter am Amtsgericht Dr. Frank O. Fischer,Frankfurt/Main

307 Moderne berufliche Ansätze für denZivilrechtsanwaltVon Rechtsanwalt Dr. K. Jan Schiffer, Bonn undRechtsanwalt Claus J. Peters, Kleve

311 Das Schicksal der jüdischen Kollegen am BeispielDortmunds in der Zeit zwischen 1933 und 1938Von Rechtsanwalt Joachim Pohlmann, Dortmund

313 BuchhinweisHeidel/Pauly: Steuerrecht in der anwaltlichen Praxis(Möller)

Mitgliederversammlung 1996

314 Eröffnungsansprache des Präsidenten des DeutschenAnwaltvereins, Rechtsanwalt Felix Busse

318 Tätigkeitsbericht 1995/96 der Geschäftsführung desDeutschen AnwaltvereinsVon Dr. Dierk Mattik, Hauptgeschäftsführer desDeutschen Anwaltvereins

Dokumentation

326 Satzung des DAV329 Buchhinweis

bfai-Liste von Rechtsanwälten und Patentanwältenim Ausland

Aus der Arbeit des DAV

330 PR-ReferatVon Rechtsanwältin Angelika Rüstow, Bonn

331 Anwaltsnotare: Resolution des Anwalt- und Notar-vereins Dortmund e. V. zum Regierungsentwurf fürdie Novelle zur BundesnotarordnungVon Rechtsanwalt und Notar Hans Dieckhöfer,DortmundArbeitsgemeinschaft Strafrecht: VI. Strafverteidiger-Symposium in Karlsruhe am 10. und 11. Mai 1996Von Rechtsanwältin Angelika Rüstow, Bonn

332 AG Verkehrsrecht im DAV:Mitgliederversammlung 1996Von Rechtsanwalt Frank Hillmann III, OldenburgPersonalien:Neue Vorsitzende von Anwaltvereinen

Mitteilungen

333 Ausland: 117th Annual Meeting der American BarAssociation in Chicago 1995Von Rechtsanwalt Wolf Michael Nietzer, LL.M.,Attorney at LawHaftpflichtfragenVon Dr. Brigitte Borgmann,Allianz Versicherungs-AG, MünchenBuchhinweisRing: Anwaltliche Werbung von A–Z (Lenz)

Rechtsprechung

(Übersicht und Leitsätze siehe Seite II)339 Berufsrecht346 Gebührenrecht

352 Impressum

Auf dem Umschlag

DAV-Service Seite IVDAV-Informationen Seite VI, VIII

Im Auftrag desDeutschen Anwaltvereinsherausgegeben von denRechtsanwälten:

Ludwig KochDr. Wolfgang SchieferWolfgang Schwackenberg

Inhaltsverzeichnis

Schriftleitung:

Dr. Peter HamacherUdo HenkeRechtsanwälteBonn, Adenauerallee 106

Jahrgang 46Juni 1996

� 6/96

Das Anwaltsblatt ist auf technisch chlorfreiem Recyclingpapier gedruckt.

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Rechtsprechung

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BGH, Urt. v. 16.11.1995 – IX ZR 148/94BRAO § 51 F: 1.8.1959 (= § 51b F: 2.9.1994)Ein Anspruch des Auftraggebers aus einem Anwaltswerkvertrag aufErsatz eines Schadens infolge Verwertung eines mangelhaften Ver-tragsentwurfs verjährt gemäß § 51 BRAO a. F. (= § 51b BRAOn. F.). – S. 339

AnwGH Thüringen, Beschl. v. 15.2.1996 – EGH 2/95RAG § 4 Abs. 11. Der Anwendungsbereich von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 RAG ist nicht aufBewerber beschränkt, welche aus der DDR stammen.2. Von der Absolvierung eines „umfassenden juristischen Hochschul-studiums in der DDR“ i. S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG ist auch dannauszugehen, wenn der Bewerber den überwiegenden Teil seiner Stu-dienzeit an Hochschulen in den alten Bundesländern zurückgelegthat, sofern er vor dem 1.9.1990 ein juristisches Studium an einerHochschule in der damaligen Deutschen Demokratischen Republikaufgenommen und im folgenden mit dem akademischen Grad einesDiplomjuristen abgeschlossen hat, soweit es zu einer ordnungsgemä-ßen Anrechnung der zuvor in den alten Bundesländern erbrachtenStudienleistungen nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschrif-ten gekommen ist. (LS des Einsenders) – S. 340

BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2 Z BR 55/95FGG § 22 Abs. 1; WEG § 13 Abs. 1, § 14 Nr. 1Den Verfahrensbevollmächtigten trifft kein Verschulden, wenn er diean das zuständige Gericht gerichtete Rechtsmittelschrift am letztenTag der Rechtsmittelfrist unterzeichnet, obwohl auf deren erster Seitenoch eine unwesentliche Korrektur vorzunehmen ist, und wenn diebis dahin zuverlässige Angestellte zur Ausführung der Korrektur dieerste Seite der Rechtsmittelschrift nochmals schreibt und dabei verse-hentlich ein unzuständiges anstelle des zuständigen Gerichts einsetzt.Einer Anweisung, den Schriftsatz nach Vornahme der Korrekturnochmals zur Kontrolle vorzulegen, bedarf es in einem solchen Fallenicht. – S. 341

BGH, Urt. v. 28.9.1995 – IX ZR 158/94BGB §§ 675, 2491. Ist eine feste Verwaltungsübung der zuständigen Finanzbehördeneinem steuerlichen Berater bekannt oder muß er sie kennen, handelter pflichtwidrig, wenn er sie bei seinen steuerlichen Empfehlungenund Belehrungen nicht berücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn erdiese Übung persönlich für rechtswidrig hält und dies objektiv zu-trifft.2. Läßt ein steuerlicher Berater eine ständig geübte Verwaltungspra-xis zur Wirtschaftsförderung pflichtwidrig und schuldhaft außer acht,hat er dem Mandanten für die daraus erwachsenden Nachteile einzu-stehen, auch wenn die Verwaltungsübung gegen Ermessensrichtlinienverstößt. – S. 342

BGH, Urt. v. 28.9.1995 – IX ZR 227/94StBerG § 68; BGB § 2081. Wird der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung wegender Frage, ob der Steuerberater ihm durch einen Fehler einen Scha-den zugefügt hat, anwaltlich vertreten, so entfällt die Pflicht desSteuerberaters, den Mandanten auf die durch seinen Fehler eingetre-tene Schädigung und die kurze Verjährung nach § 68 StBerG hinzu-weisen; das gilt auch, soweit der Steuerberater schon vorher Anlaßzur Prüfung der Regreßfrage hatte.2. Die Erklärung des Mitglieds einer Steuerberatersozietät, durch diedie Verjährung eines Schadensersatzanspruchs des Mandanten unter-brochen oder eingeschränkt wird, wirkt regelmäßig auch gegenüberder Gesamthand sowie den persönlich auf Erfüllung des Schadenser-satzanspruchs haftenden anderen Mitgliedern der Sozietät. – S. 345

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BayObLG, Beschl. v. 2.11.1995 – 3Z BR 67/89BRAGO §§ 26, 118 Abs. 1; AktG § 306 Abs. 4 Satz 71. Zur Festsetzung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters dernichtantragstellenden, außenstehenden Aktionäre für das Spruchstel-lenbeschwerdeverfanren ist unbeschadet des Wortlauts von § 306Abs. 4 Satz 7 AktG auch das Beschwerdegericht zuständig.2. Mit der Vergütung werden auch die allgemeinen Geschäftsunko-sten eines Rechtsanwalts abgegolten; § 26 BRAGO findet keine An-wendung. – S. 346

OLG München, Beschl. v. 6.12.1995 – 11 W 2806/95BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 1411. Die Anhörung der Partei löst die Beweisgebühr aus, wenn die An-hörung nicht nur der Aufklärung von Unklarheiten und Widersprü-chen ihres Sachvortrags oder dessen Ergänzung dient, sondern zurKlärung streitiger Tatsachenbehauptungen erfolgt.2. Eine Beweisaufnahme ist anzunehmen, wenn das Gericht die pro-tokollierte Aussage einer nach § 141 ZPO angehörten Partei als Be-weis würdigt und verwertet.3. Von der Verwertung eines Beweismittels in diesem Sinn kannjedoch nicht ausgegangen werden, wenn die Anhörung gem. § 141ZPO erkennbar lediglich dazu diente, die Voraussetzungen für eineVernehmung der Partei als Beweismittel gem. § 448 ZPO zuprüfen. – S. 346

KG Beschl. v. 29.8.1995 – 1 W 7820/94BRAGO § 32 Abs. 2; ZPO §§ 91, 554b1. Der Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Kosten des einzigenbestellten Rechtsanwalts steht grundsätzlich nicht entgegen, daß die-ser vor dem Prozeßgericht nicht postulationsfähig ist.2. Nimmt der Berufungsanwalt des Revisionsbekl schriftsätzlichgegenüber dem BGH zur Frage der Ablehnung der Annahme derRevision nach § 554b ZPO Stellung, so entsteht ihm daraus regel-mäßig eine nach der Kostenentscheidung des BGH erstattungsfähige13/20-Prozeßgebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO. – S. 347

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 7.1995 – 10 W 41/95KostO § 30 Abs. 1, § 147 Abs. 21. Die Überwachung der Umschreibungsreife durch den Notar bei ei-nem Grundstückskaufvertrag rechtfertigt eine Betreuungsgebühr nach§ 147 II KostO.2. Der Geschäftswert für diese Gebühr ist nach § 30 I KostO zu be-stimmen und beträgt regelmäßig 20% bis 30% des Grundstückskauf-preises.3. Das LG darf bei der Prüfung der Geschäftswertbestimmung gemäߧ 30 I grundsätzlich nicht sein Ermessen an die Stelle der Ermessens-ausübung des Notars setzen (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtspre-chung, Rpfleger 87, 219). Etwas anderes gilt allerdings dann, wennder Notar sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Anschluß an OLGKöln, MittRhNotK 91, 226). – S. 348

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.9.1995 – 10 W 69/95KostO § 144 Abs. 1 Satz 1; EVertr Anl. I Kap. III Sachgebiet AAbschn. III Nr. 20aDie Gebührenermäßigungsvorschrift der Anl. I Kap. III SachgebietA Abschn. III Nr. 20a) des Einigungsvertrages ist verfassungskon-form dahin auszulegen, daß diese für Gemeinden und Gemeindever-bände in den neuen Bundesländern jedenfalls bei Gegenstandswertenvon mehr als 50.000,00 DM neben der Gebührenermäßigung des§ 144 Abs. 1 Satz 1 KostO keine Anwendung findet. – S. 350

LG Koblenz, Beschl. v. 10.1.1996 – 2 T 734/95BGB §§ 1836a, 1835, 1836, 1601, 1618a1. Nach dem Tod einer betreuten Person steht deren Nachlaß in vol-lem Umfang zur Begleichung von Vergütung und Auslagen des Be-treuers zur Verfügung.2. Betreuer, die Elternteil oder Kind eines mittellosen Betreuten sind,erhalten die Aufwandsentschädigung (§ 1836a BGB) aus der Staats-kasse. – S. 352

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Die Rechtsanwaltssozietätals HaftungsgemeinschaftRechtsanwältin Antje Jungk, München

I. Die traditionelle Vorstellung von derRechtsanwaltssozietät als Haftungsgemeinschaft

1. Der Anwalt als Organ der RechtspflegeDer Freiberufler, dessen Bild insbesondere durch die

Berufsstände der Ärzte und Rechtsanwälte geprägt ist, un-terscheidet sich von den meisten anderen Berufen von jeherdadurch, daß er nicht Gewerbetreibender ist. Der Unter-schied zum Gewerbetreibenden liegt darin begründet, daßder Rechtsanwalt aus berufsethischen Gründen seinemWesen nach nicht nach Gewinn strebt, sondern seine Kraftund sein Können der Rechtspflege widmet.1 Der Rechtsan-walt ist ein „unabhängiges Organ der Rechtspflege“2. DieseEigenschaft ist bis heute unumstritten3; sie ist auch in § 1BRAO festgeschrieben. Daß der Anwalt mit seiner Tätig-keit auch seinen Lebensunterhalt bestreiten muß, ist – je-denfalls nach Ansicht des BGH noch 1978 – notgedrungenhinzunehmen; das Streben nach Gewinn hat jedoch zurück-zutreten hinter dem Streben, als Organ der Rechtspflegerichtig zu handeln.4 Konsequenterweise war es dem Rechts-anwalt noch in den 70er Jahren nach Ansicht des BGHnicht erlaubt, neben seiner Anwaltstätigkeit als Geschäfts-führer einer (nach Gewinn strebenden) GmbH tätig zu sein,da er insoweit als „nach Gewinn Strebender“ nach außen inErscheinung getreten wäre.5

2. Das Dogma der persönlichen HaftungEng verbunden mit der Aufgabe, allein den hohen An-

sprüchen der Rechtspflege verbunden zu sein, ist die Ver-pflichtung, auch in haftungsrechtlicher Sicht dem Mandan-ten mit dem gesamten Vermögen einstehen zu müssen. DieVorstellung, daß der Rechtsanwalt jedenfalls persönlichhaftet, folgt hieraus praktisch selbstverständlich und liegtauch den entsprechenden Regelungen in der BRAO (§ 51an. F.) zugrunde.

Wenn sich der Rechtsuchende an eine Sozietät von An-wälten wendet, gilt entsprechend: Die – auch untereinander

im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts persön-lich verbundenen – Sozien haften dem Mandanten allesamtpersönlich6. Die auch von der Rechtsprechung seit demBGH-Urteil aus dem Jahr 19717 wieder anerkannte gesamt-schuldnerische Haftung als Grundsatz ist – seit kurzem aus-drücklich – in der BRAO (§ 51a Abs. 2 S. 1) verankert.

II. Persönliche Haftung in der Sozietät

Die gesamtschuldnerische Haftung des in einer Sozietättätigen Anwalts bedeutet also, daß jeder Anwalt für einVerschulden eines anderen Sozius mithaftet8. Daß dies soist, erscheint nur den ersten Blick einleuchtend.

1. Was ist eine Sozietät?

Die Vorstellung von der Sozietät, welche letztlich auchdem Gedanken der gesamtschuldnerischen Haftung zugrun-deliegt, ist die eines Zusammenschlusses mehrerer Rechts-anwälte zum Zweck effektiverer Ausübung der Berufstätig-keit. Es handelt sich somit um eine Personengesellschaftdes bürgerlichen Rechts im ursprünglichen Sinne. DieGesellschafter genießen den Vorteil der gemeinsamen Man-datierung durch von einem Sozius akquirierte Mandanten:gleichzeitig müssen sie – gemeinschaftlich und persönlich– für das Fehlverhalten eines jeden Sozius einstehen. DieseKonsequenz entspricht dem Gedanken des Zusammen-schlusses der Rechtsanwälte in einer BGB-Gesellschaft.

Im Auftrag desDeutschen Anwaltvereinsherausgegeben von denRechtsanwälten:

Ludwig KochDr. Wolfgang SchieferWolfgang Schwackenberg

Schriftleitung:

Dr. Peter HamacherUdo HenkeRechtsanwälteBonn, Adenauerallee 106

Jahrgang 46Juni 1996 ���

Nachrichten für die Mitgliederdes Deutschen Anwaltvereins e. V.

1 Vgl. nur Kornblum, AnwBl 1973, 153 (157).2 Zur Stellung des Anwalts siehe ausführlich Borgmann/Haug, Anwaltshaftung,

3. Aufl. München 1995, Kap. I.3 Auch nach dem neuen Berufsrecht, vgl. Loewer. BRAK-Mitt. Heft 4/1994, 4.4 So noch BGHZ 72, 282.5 BGH aaO, S. 285 f.6 So beispielsweise schon Noack, Komm. zur Reichsrechtsanwaltsordnung,

2. Aufl. 1937, S. 109.7 BGH NJW 1971, 1801 = BGHZ 56, 355.8 Zu Einzelfragen der Haftung vgl. die umfassende Darstellung bei Borgmann/

Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl. München 1995.

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2. Die sogenannte AußensozietätJeder Gesellschaft des bürgerlichen Rechts liegt der be-

schriebene Zwiespalt zwischen erleichterter Erreichung desGesellschaftszwecks und Vergrößerung des Haftungsrisikosinmitten; im Regelfall sollten jedoch die mit dem Zusam-menschluß verbundenen Vorteile die Gefahren überwiegen.

Nun ist allerdings festzustellen, daß diese Idealform derAnwaltssozietät im Laufe der Zeit fast schon zur Ausnahmegeworden ist. Denn die Rechtsform der BGB-Gesellschaftbasiert ja auf dem Gedanken, daß die Mitglieder der BGB-Gesellschaft gleichberechtigte Partner sind. Mit zunehmen-der Größe und der damit – wohl zwangsläufig – verbunde-nen hierarchischen Struktur einer modernen Kanzlei isteine solche gesellschaftsrechtliche Gleichrangigkeit kaumnoch, bei Beschäftigung junger Rechtsanwälte zur Anstel-lung oft gar nicht gegeben. In vielen Kanzleien sind dieRechtsanwälte nicht mehr bzw. nur zum Teil gesellschafts-rechtlich verbunden. Der der gesamtschuldnerischen Haf-tung zugrundeliegende Gedanke ‚partnerschaftlicher‚ Ver-bundenheit durch den Gesellschaftsvertrag, der den jungenAnwalt nach Ansicht des BAG9 dann auch vom normalenArbeitnehmer unterscheiden soll, ist in der modernen An-waltssozietät praxisfern. Die Situation, daß ein faktischesArbeitsverhältnis vorliegt, zumindest aber die gesellschafts-rechtliche Stellung des jungen Rechtsanwalts nur eine sehrschwache ist, kann als Normalfall bezeichnet werden undwird mit wachsender Kanzleigröße vermehrt auftreten.10

Eine Differenzierung im Hinblick auf die Haftung nachaußen erscheint indes nicht sachgerecht, da für den außens-tehenden Mandanten praktisch nicht erkennbar ist, welcherRechtsanwalt ihm als Gesellschafter haftet. Aus dieserÜberlegung resultiert das Rechtsinstitut der „Außensozie-tät“:

Seit der insoweit grundlegenden Entscheidung des BGHvom 6.7.197111 kommt es für die Haftung allein auf dasäußere Erscheinungsbild an, d. h. die im Briefkopf oder aufdem Kanzleischild aufscheinenden Anwälte haften gleicher-maßen, ohne Rücksicht auf das Innenverhältnis. Die ge-samtschuldnerische Haftung resultiert nun nicht mehr ausdem tatsächlichen Gesellschaftsverhältnis der Rechtsan-wälte, sondern unterstellt ein solches nach außen. Es bestehtsomit ein profunder Unterschied zwischen dem – haftungs-rechtlich allein relevanten – sog. „Außensozius“ und demgesellschaftsrechtlichen Sozius.

III. Das Dilemma des „Außensozius“

1. Die Notwendigkeit der „Außenwirkung“Es versteht sich, daß der junge, bei Gericht als solcher

zugelassene, Rechtsanwalt nach außen hin anwaltlich tätigwerden will. Die bloße Zuarbeit, auch wenn sie inzwischenin Großkanzleien an der Tagesordnung ist, befriedigt ihnauf die Dauer nicht. Als Berufsträger muß sich der Rechts-anwalt nach außen als solcher kenntlich machen. Dies ge-schieht in erster Linie durch das Erscheinen auf dem Brief-kopf. Natürlich wird das entsprechende Angebot deranderen Sozien auch als Vertrauensbeweis aufzufassen sein.

2. Mißverhältnis zwischen „Gewinn und Verlust“Die – für den Rechtsuchenden unzweifelhaft vertrauen-

erweckende – gemeinschaftliche Haftung ist für die in derSozietät verbundenen Anwälte zwiespältig: Typischerweiseerbringen die Sozien keine gleichwertigen persönlichen Lei-stungen. Adäquat mag es sein, wenn der junge Anwalt ohnenennenswerten eigenen Mandantenstamm als Gegenleistung

für seinen zumeist überdurchschnittlichen Zeitaufwand vondem vorhandenen Mandantenstamm bzw. den Akquisitions-erfolgen der älteren Sozien profitiert.

Das Auftreten als Außensozius birgt jedoch gleichzeitigerhebliche Gefahren, da der Anwalt hierdurch sein persön-liches Vermögen als Haftungsmasse zur Verfügung stellt.Hierdurch kann ein erhebliches Mißverhältnis entstehen:Werden von den eigentlichen Partnern Mandate mit erhebli-chen Gegenstandswerten betreut, so erhält der junge An-walt von den entsprechend hohen Gebühren nichts; gleich-wohl steht er für das – entsprechend hohe – Haftungsrisikomit ein. Diese Folge erscheint nicht sachgerecht.

3. Begrenzte Möglichkeiten des HaftungsausschlussesDer Haftungsgefahr kann sich der junge Rechtsanwalt

praktisch nicht entziehen. Der Eintritt in die „Briefkopfso-zietät“ ist somit viel eher ein Vertrauensbeweis des jungenAnwalts gegenüber den anderen Sozien als umgekehrt.Denn während die Partner normalerweise umfassenden Ein-blick in die vom Junganwalt bearbeiteten Mandate und diedamit verbundenen Gefahren haben, sind letzterem dieMandate der Partner in der Regel nicht bekannt. Auch indie finanzielle Situation der Kanzlei hat er keinen Einblick,ja oftmals nicht einmal Zugriff auf das Anderkonto, aufwelches Gelder seiner eigenen Mandanten fließen.

Eine Relativierung dieses Ungleichgewichts mag mandarin sehen, daß eine vertragliche Beschränkung der Haf-tung in gewissem Umfang zulässig ist12. Etwaige Schädensind im allgemeinen ohnedies von der Haftpflichtversiche-rung gedeckt, und oftmals sind die Partner im Innenverhält-nis gegenüber den Junganwalt ausgleichspflichtig. Währendjedoch bei den eigenen Mandanten eine Gefahrminimierungdadurch erfolgen kann, daß eine Haftungsbeschränkung aufdie vom Versicherungsschutz umfaßte Summe vereinbartwird (§ 51a BRAO n. F.), kann dies von den Partnern nichtohne weiteres erwartet werden. Nicht nur theoretisch denk-bar sind daher die Fälle, in denen der Schaden die Versiche-rungssumme übersteigt und das Privatvermögen der Partnerzur Befriedigung der Forderungen nicht ausreicht; ganz zuschweigen von dem Fall, daß der Partner durch vorsätzlicheHandlungen den Versicherungsschutz „verspielt“ und sichselbst der Inanspruchnahme durch den Mandanten entzieht.

Jeder Sozius einer haftungsrechtlichen Sozietät begibtsich somit in eine nicht zu vernachlässigende Haftungs-gefahr, die aus den erwähnten Gründen umso unbilligererscheint, je weniger stark die Stellung des betreffendenSozius im Innenverhältnis ist.

IV. Neuere TendenzenDas Bedürfnis der Anwälte und die Notwendigkeit, die

persönliche Haftung in irgendeiner Weise beschränken zukönnen, ist aufgrund der tendenziell immer höher werden-den Gegenstandswerte in den letzten Jahrzehnten gestiegen.Abhilfe durch vertragliche Haftungsbeschränkungen (neuer-dings verankert in § 51a Abs. 1 Nr. 1 BRAO n. F.) undHaftpflichtversicherungen ist, vor allem bei sehr hohen

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9 BAG NJW 1993, 2458.10 Siehe hierzu auch Fuhrmann, Rechtsstellung des angestellten Rechtsanwalts.

Baden-Baden 1989, insbes. S. 79 ff.11 BGH NJW 1971, 1801.12 Daß und mit welchen Schwierigkeiten die Haftungsfreizeichnung allerdings

verbunden ist, zeigt Junge-Ilges, Haftungsvereinbarungen der rechts- und wirt-schaftsberatenden Berufe, Bonn 1995, ausführlich auf.

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Gegenstandswerten, nur in begrenztem Umfang möglich.Folglich muß sich die eigentliche Diskussion auf die Zuläs-sigkeit gesellschaftsrechtlicher Haftungsbeschränkungenrichten. In der Diskussion waren in den letzten Jahren ins-besondere die Rechtsanwalts-GmbH sowie die Partner-schaft:

1. GmbHDie Überlegungen zu den gesellschaftsrechtlichen Haf-

tungsbeschränkungen sind bekanntlich kontrovers.13 Siegipfelten vorerst in der Entscheidung des BayObLG vom24.11.199414, in der eine rechtsberatende GmbH im Grund-satz für zulässig erachtet wird. Der Kern aller Überlegun-gen betrifft zwei Fragen: Zum einen muß das Vertrauen desMandanten auf die Befriedigung seiner Ansprüche im Fallanwaltlicher Pflichtverletzung geschützt werden. Weiterge-hend ist jedoch die Frage, ob eine Beschränkung der Haf-tung auf das Gesellschaftsvermögen generell mit dem Be-rufsbild des Rechtsanwalts vereinbar ist.

Einerseits ist es angesichts der wachsenden Haftungsri-siken unbedingt erforderlich, daß der Rechtsanwalt seineHaftung beschränken oder absichern können muß. DemMandanten stehen bei einer Beschränkung der Haftung aufdas Gesellschaftsvermögen jedenfalls dann ausreichend Si-cherheiten zur Verfügung, wenn das Haftungsrisiko versi-chert ist. Dies ist angesichts der neu eingeführten Pflicht-versicherung der Fall. Ggf. muß eine Anpassung derVersicherungssumme an das tatsächliche Risiko erfolgen.Ein Rückgriff auf das persönliche Vermögen zum Schutzedes Mandanten erscheint daher keineswegs zwingend.

Die Verfechter der persönlichen Haftung scheinen auchweniger in der zur Verfügung stehenden Vermögensmassedas Problem zu sehen als in berufsethischer und standes-rechtlicher Sicht: Wenn das Mandatsverhältnis mit einer ju-ristischen Person eingegangen wird, liegt das Problem dar-in, daß diese ihrerseits natürlich nicht zur Anwaltschaftzugelassen und an das Berufsrecht nicht gebunden ist. DasMandatsverhältnis mit allen damit verbundenen Pflichtenist es, welches an die Person des Rechtsanwalts gebundenbleiben soll und muß. Die Bedenken sind also eher berufs-rechtlicher denn gesellschaftsrechtlicher Natur. Das persön-liche Vermögen spielt hierbei allenfalls eine untergeordneteRolle.

2. PartnerschaftDem Ziel, eine Haftungsbeschränkung zu ermöglichen,

ohne dabei die persönliche Haftung im Grundsatz zu berüh-ren, wird in dem am 1.7.1995 in Kraft getretenen Partner-schaftsgesellschaftsgesetz begrenzt Rechnung getragen15.Neben den Bestimmungen zur Teilrechtsfähigkeit der Part-nerschaft durch Verweisungen auf die entsprechenden Vor-schriften der OHG verbleibt es gemäß § 8 Abs. 1 desPartGG im Verhältnis zu Dritten ausdrücklich bei der ge-samtschuldnerischen Haftung aller Partner. Zu beachten istdabei, daß gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 PartGG i. V. m. § 130HGB sogar eine Haftungserweiterung Platz greift: Der neueintretende Partner haftet auch für Altschulden.

Haftungsbeschränkungen sind demgegenüber nach § 8Abs. 2 und 3 lediglich mittels bestimmter vertraglicher Ver-einbarungen möglich16. Die Haftung darf danach auf eineHöchstsumme begrenzt werden. Hieraus wird deutlich, daßdem Vertrauensschutz des Mandanten Genüge getan wird,wenn eine angemessene Haftungsmasse vorhanden ist. Daßdas gesamte persönliche Vermögen des Rechtsanwalts alsHaftungsmasse dienen muß, wird also nicht mehr als zwin-

gend erachtet. Daneben kann gemäß § 8 Abs. 2 die persön-liche Haftung durch AGB auf den im konkreten Fall tätigenRechtsanwalt beschränkt werden. Auch dies zeigt, daß derzwingende Rückgriff auf das persönliche Vermögen desSozius nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird.

Zu beachten ist jedoch, daß die angesprochenen Be-schränkungen vertraglich vereinbart werden müssen.

3. „GbR mbH“Ein weiterer Versuch einer Haftungsbeschränkung wurde

in Form einer Anwaltssozietät als „GbR mbH“ gemacht. Inder fraglichen Entscheidung17 hielt der BGH die Haftungs-beschränkung im konkreten Fall nicht für wirksam, da dieVerkehrsauffassung bei Anwaltssozietäten von einer unbe-schränkten Haftung ausgehe und die Beschränkung auf demverwendeten Briefkopf nicht ausreichend deutlich gemachtworden sei. Ob eine gesellschaftsrechtliche Haftungsbe-schränkung auf diese Weise im Grundsatz möglich ist,mußte dort nicht abschließend entschieden werden. Bereitszuvor18 hatte der BGH die „GbR mbH“ im Grundsatz fürzulässig erachtet. Letztlich wird ein haftungsrechtlicherDurchbruch mit dieser Rechtsform aber wohl nicht zu erzie-len sein.

Fazit ist, daß die Vereinbarkeit einer Gesellschaft mitbeschränkter Haftung als Gesellschaftsform für Rechtsan-waltskanzleien mit der heute noch bestehenden Auffassungvom Berufsbild des Rechtsanwalts zumindest umstritten ist.Grund hierfür ist weniger die dem Mandanten tatsächlichzur Verfügung stehende Haftungsmasse als der – noch nichtvollzogene – Abschied von dem Gedanken der persönlichenHaftung aus berufsethischen Gründen. Die Partnerschaftträgt zwar weiterhin dem Gedanken der persönlichen Haf-tung Rechnung, kommt dem Wunsch des Anwalts nach ei-ner umfassenden Absicherung in haftungsrechtlicher Sichtaber nur unzureichend nach.

V.Vergleich mit ausländischen AnwaltssozietätenformenDie Zulässigkeit bestimmter Rechtsformen anwaltlichen

Tätigwerdens ist durchaus auch in anderen Staaten Diskussi-onsthema. Der Grundsatz, daß der Rechtsanwalt aufgrund sei-ner besonderen Vertrauensstellung im Rechtsstaat für seineFehler persönlich einstehen muß, scheint eine allgemeineGrundvorstellung zu sein.19

Diese Diskussion spiegelt sich in der rechtlichen Ausge-staltung von Sozietäten in den einzelnen Ländern wider:

Im Bereich der Europäischen Union ist die Anwalts-sozietät im Grundsatz eine Personengesellschaft, eineGesellschaft des bürgerlichen Rechts.20 In den meisten euro-päischen Ländern ist allerdings eine körperschaftliche Aus-gestaltung in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haf-tung oder gar einer Aktiengesellschaft möglich. So ist esbeispielsweise den Rechtsanwälten in Frankreich gestattet,

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13 Vgl. nur beispielhaft die Beiträge von L. Koch, MDR 1995, 446: pro;A. Braun, MDR 1995, 447: contra).

14 Z. B. in NJW 1995, 199; s. dazu auch Kempter, BRAK-Mitteilungen Heft 1/95 S. 4.

15 Dazu Karsten Schmidt, NJW 1995, 1.16 Im einzelnen dazu Borgmann/Haug aaO, Kap. VII Rdnr. 17.17 BGH VersR 1992, 1470.18 BGH NJW 1985, 619.19 So z. B. auch in den USA, vgl. Nietzer, AnwBl 1995, 67.20 Siehe dazu und zum folgenden Nerlich, AnwBl 1995, 529.

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sich in einer Kapitalgesellschaft zusammenzuschließen, wo-bei allerdings die Mehrheit der Geschäftsanteile in derHand von Freiberuflern verbleiben muß21. Auch in den Nie-derlanden ist grds. die Kapitalgesellschaft zulässig22.

In den USA ist die Rechtsanwaltskanzlei als Kapitalge-sellschaft seit langem gang und gäbe23. Angesichts der be-sonders hohen Haftungsrisiken bestand dort offenbar einverstärktes Bedürfnis.

In den USA ebenso wie im europäischen Rechtskreis istdie Diskussion in bezug auf die persönliche Haftung abernoch im Fluß, denn nach dortigem Standesrecht24 muß je-der Anwalt für seine Fehler persönlich eintreten25.

Die vergleichbare Entwicklung auch in den anderenStaaten weg von einer unbeschränkten persönlichen Haf-tung hin zu weitgehenden Haftungsbeschränkungen beruhtauf deren faktischer Notwendigkeit. Sie zeigt aber auch,daß die persönliche Haftung des handelnden Anwalts nochimmer so eng mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts ver-bunden ist, daß nur unter mehr oder weniger strengen Vor-aussetzungen davon abgewichen werden kann.

Insbesondere soll das Vertrauen des Mandanten in dasVorhandensein einer ausreichenden Vermögensmasse ge-schützt sein. Dies wird vielfach (nunmehr ja auch inDeutschland) durch eine Verpflichtung zum Abschluß einerHaftpflichtversicherung gewährleistet. Die Haftungsmasseist aber auch bei den Diskussionen außerhalb Deutschlandsnur eine Seite der Medaille. Die berufsethischen Bedenkenbei der Abkehr von der personengesellschaftlichen Aus-übung der Tätigkeit bleiben gleichwohl bestehen.

VI. Notwendigkeit des Umdenkens

1. Das neue Berufsverständnis des RechtsanwaltsIn den Aufgabenbereichen des Rechtsanwalts spiegelt

sich die Veränderung der rechtlichen Probleme der Bevöl-kerung wider: War die Tätigkeit des Anwalts vor 100 Jah-ren noch vornehmlich auf die gerichtliche Geltendmachungvon familienrechtlichen oder vertragsrechtlichen Ansprü-chen beschränkt, weil ansonsten Rechtsfragen kaum auf-tauchten, so ist der moderne, juristisch nicht gebildeteMensch heutzutage kaum mehr in der Lage, seinen Alltagohne Zuhilfenahme eines juristisch gebildeten Beraters zumeistern. Dies liegt zum einen an dem immer unüberschau-barer werdenden Paragraphendschungel, der nicht ohneweiteres durch Anwendung des „gesunden Menschenver-standes“ gemeistert werden kann; vor allem ist es aber diezunehmende Komplexität des Wirtschaftslebens, d. h. dieVielzahl von (Rechts-)beziehungen, die fast jeder sich wirt-schaftlich Betätigende zwangsläufig eingeht, und die fürden juristischen Laien nicht mehr überschaubar sind unddeshalb die Beratung durch einen Rechtsanwalt erfordern.Insofern verschiebt sich der Aufgabenbereich der Rechtsan-wälte immer mehr hin zur beratenden Tätigkeit. Er ist nichtmehr in erster Linie Prozeßanwalt, wovon die Rechtsan-waltsordnung von 1878 ausging, sondern „Berater in allenLebenslagen“26. Inwiefern das Festhalten an alten Regelun-gen erforderlich oder sinnvoll ist, wird dabei heftig disku-tiert27. Daß sich in diesem Bereich schon einiges bewegthat, zeigt ja auch die neuere Rechtsprechung zur Zulässig-keit der GmbH28 und der überörtlichen Sozietät29.

2. Die Rolle der Persönlichkeit des RechtsanwaltsEs kann nicht bestritten werden, daß der Rechtsanwalt

nach wie vor das besondere Vertrauen des Mandanten ge-nießt – werden ihm doch oft Tatsachen – sei es persönlicher

oder wirtschaftlicher Art – offenbart, die man nicht jedemanvertrauen würde. Während jedoch bei persönlichen An-gelegenheiten das Vertrauen in die Person des Anwaltsnach wie vor vorrangig sein mag, richtet sich das Vertrauenbei wirtschaftlichen Angelegenheiten im wesentlichen aufdie fachliche Kompetenz des Rechtsanwalts. Und da fachli-che Kompetenz in diesem Zusammenhang auch bedeutenkann, daß Spezialwissen, ggf. auf verschiedenen Rechtsge-bieten vorhanden ist, wird man sagen können, daß es oft„nur“ noch der Ruf einer Kanzlei ist, der dieses Vertrauenverdient. Gerade das geballte Spezialwissen mehrererRechtsanwälte ist es heutzutage ja oft, welches benötigtwird. Die Persönlichkeit der einzelnen sachbearbeitendenAnwälte (die der Mandant oft nicht einmal kennenlernt)wird durch diese Entwicklung – zumindest im Bereich desWirtschaftsrechts – weniger wichtig.

3. Persönliche Liquidität des AnwaltsAuch früher werden die wenigsten Mandanten ihren

Rechtsanwalt danach ausgewählt haben, ob dieser – imFalle der Verletzung des Anwaltsvertrages – ihre Schadens-ersatzansprüche würde befriedigen können. Bei den heutemit der Rechtsberatung verbundenen Risiken, die oftmalsin Millionenhöhe gehen, kann der Mandant nicht damitrechnen, daß er einen Schadensersatzanspruch aus dem per-sönlichen Vermögen des Anwalts wird befriedigen können.Das Vertrauen wird hier darauf gerichtet sein, daß der An-walt eine ausreichende Haftpflichtversicherung hat. Obdiese Haftpflichtversicherung von dem sachbearbeitendenRechtsanwalt, von allen Sozien oder von der Kanzlei alssolcher abgeschlossen wurde, interessiert den Mandantendabei weniger.

4. BerufsethosWie bereits zuvor angesprochen, sind die Bedenken ge-

gen eine Abkehr von der Personengesellschaft weniger aushaftungsrechtlicher Sicht begründet denn aus berufsethi-schen Erwägungen30. Da eine – wie auch immer organi-sierte – Gesellschaft kein Berufsträger sein kann, ist siedem Berufsrecht nicht verpflichtet. Die Entscheidung desBGH zur Zahnarzt-GmbH31 zeigt jedoch, daß die berufs-rechtlichen Vorschriften der Ärzte bzw. Zahnärzte einer kör-perschaftlichen Organisationsform nicht widersprechen, dajedenfalls die Tätigkeit immer noch von den Zahnärztenselbst ausgeübt wird.

Entsprechendes muß auch für die Rechtsanwälte gelten.Es bleibt dabei, daß die Ausübung der anwaltlichen Tätig-keit mit dem Berufsrecht in Einklang stehen muß. Hieranändert sich durch neue Organisationsformen gar nichts.

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21 Gesetz Nr. 90-1258 vom 31.12.1990, vgl. AnwBl 1991, 182 Fn. 6.22 Nerlich, AnwBl 1995, 529 ff.23 Nietze, AnwBl 1995, 67.24 Code of Professional Responsibility of the American Bar Association.25 S. auch Levis, Zivilrechtliche Anwaltshaftpflicht im schweizerischen und US-

amerikanischen Recht. Zürich 1981.26 So Busse, AnwBl 1994, 482.27 Vgl. z. B. Kleine-Cosack, NJW 1994, 2249. Auch Poll, Die Haftung der freien

Berufe am Beispiel des Rechtsanwalts, Berlin 1992, kritisiert (S. 41 f.), daßdie Widerstände in der deutschen Anwaltschaft gegen eine Umorientierungund Öffnung nach Europa ihr beträchtlichen selbstverschuldeten Schaden zu-fügen werden.

28 S. o. Ziff. IV. 1.; z. B. BayObLG NJW 1995, 599.29 Allg. Ansicht, z. B. LG Köln NJW 1989, 2896 (2897); Grundlage hierfür ist

die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, geschaffen durch VO(EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.85.

30 Siehe dazu noch Prütting, AnwBl 1994, 315.31 MDR 1994, 361.

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Unabhängig davon zu sehen ist die Entwicklung der an-waltlichen Berufsausübung als solcher. Auch hier hat sichdie allgemeine Auffassung durchaus gewandelt. Seit deroben zitierten Entscheidung des BGH32, in der davon aus-gegangen wird, daß sich der Rechtsanwalt „mit Haut undHaaren“ seinem Beruf verschreibt, wird dem modernenAnwalt zunehmend auch ein gewinnorientiertes Denkenzugebilligt. Bislang geht dies zwar nicht so weit, daß dieAnwaltstätigkeit als solche als Erwerbstätigkeit angesehenwird (hier mögen steuerrechtliche Aspekte auch durchauseine Rolle spielen); zumindest hat das Bundesverfassungs-gericht aber in seiner „Zweitberufsentscheidung“33 erkannt,daß anderweitige kaufmännisch-erwerbswirtschaftliche Tä-tigkeiten den Ausschluß aus der Anwaltschaft nur rechtfer-tigen können, wenn die deutliche Gefahr einer Interessen-kollision besteht.

5. FazitBei einer ehrlichen Analyse der in der Diskussion um

die Beschränkung der persönlichen Haftung des Rechtsan-walts auftauchenden Argumente muß man zu dem Ergebniskommen, daß die umfassende persönliche Haftung auf dasBerufsethos der Rechtsanwälte gerechtfertigt werden kann.Auch in dem Beschluß des BVerfG vom 14.7.8734 kommtdies – wenn auch in anderem Zusammenhang – zum Aus-druck: Die rechtliche Stellung des Anwalts darf nicht anden berufsethischen oder standesrechtlichen Ideen festge-macht werden, sondern alle Beschränkungen der Berufsaus-übung (also auch die Beschränkung auf bestimmte Gesell-schaftsformen) müssen an Art. 12 GG gemessen werdenund dürfen nur durch oder aufgrund Gesetzes erfolgen.

Bei der Frage nach den Möglichkeiten gesellschafts-rechtlicher Haftungsbeschränkungen wird regelmäßig eineAbwägung vorgenommen zwischen den Interessen desMandanten, der durch Schlechterfüllung des Anwaltsvertra-ges einen Schaden erleidet und möglichst umfassend Re-greß nehmen können soll, und dem Interesse des Rechtsan-walts, sein privates Vermögen vor dem Zugriff desgeschädigten Mandanten zu schützen. Die beschriebenenVeränderungen im Berufsbild des Rechtsanwalts und dieAusweitung der Aufgaben hinein in Bereich verwandterBerufssparten rechtfertigen den einseitigen Schutz vonMandanteninteressen immer weniger. Gerade in Ansehungder Zwitterstellung solcher Sozien, die nur haftungsrecht-lich Sozien sind, ist der unbedingte Zugriff von Gläubigernauf das Privatvermögen aller Sozien nicht mehr interessen-gerecht. Er ist auch verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar.

VII.Vorschläge

1. Beschränkung der Haftung auf das Vermögen derGesellschaft und das persönliche Vermögen des handelndenAnwalts

Der noch vorherrschende Grundgedanke, daß derRechtsanwalt für sein Handeln persönlich einstehen muß,erfordert nicht eine gesamtschuldnerische persönliche Haf-tung aller Sozien. Diesem Grundsatz kann auch dadurchRechnung getragen werden, daß neben der Haftung des Ge-sellschaftsvermögens ein Rückgriff auf das persönliche Ver-mögen des jeweils handelnden Sozius möglich ist. DieserIdee würde eine körperschaftliche Organisation der Kanzleinicht entgegenstehen: Das Mandat würde dabei der Kanzleierteilt, d. h. alle vertraglichen Rechte und Pflichten stehengrds. der (Kapital-)gesellschaft zu. Zwischen dem handeln-den Rechtsanwalt und dem Mandanten besteht daneben ein

weiteres Rechtsverhältnis, welches (ausschließlich) die Ver-pflichtung des Rechtsanwalts zur gewissenhaften Berufs-ausübung zum Inhalt hat. Aus diesem Rechtsverhältniskann der Mandant Haftpflichtansprüche direkt gegen denhandelnden Rechtsanwalt ableiten35.

2. Möglichkeiten gesellschaftsrechtlicherHaftungsbeschränkung in der Personengesellschaft

a) Die angesprochene Konstruktion, einen Mandatsver-trag jeweils in zwei Rechtsverhältnisse, nämlich mit derSozietät zum einen und dem handelnden Rechtsanwalt zumanderen, aufzuspalten, mag gekünstelt erscheinen. DerMandant will ja an sich nicht zwei unterschiedliche Rechts-beziehungen eingehen. Folgt man dann der traditionellenAuffassung, die Sozietät müsse eine Personengesellschaftsein, so müssen neue Wege gefunden werden. Die BGB-Gesellschaft hat sich hierbei angesichts der neueren Ent-wicklungen als zu unflexibel erwiesen. Das neue Partner-schaftsgesellschaftsgesetz hat zur bessern Handhabungsicher beigetragen, erfordert jedoch jeweils eine vertragli-che Vereinbarung zur Beschränkung der Haftung.

b) Benötigt wird also eine Form der Personengesell-schaft, in der eine Beschränkung der Haftung für einzelneRechtsanwälte gesellschaftsrechtlich möglich ist. Dergewerblich orientierten Personengesellschaft steht hier dieGesellschaftsform der Kommanditgesellschaft zur Verfü-gung. Wenn man mit der Partnerschaft eine freiberufliche„OHG“ zuläßt, warum soll dann eine freiberufliche „KG“nicht sachgerecht sein? Die KG wird in geradezu idealerWeise den Anforderungen gerecht, die in der aktuellen Dis-kussion von den unterschiedlichen Interessengruppen andie Rechtsform einer Rechtsanwaltssozietät gestellt wer-den:

Einerseits handelt es sich um eine Personengesellschaft.Diese Eigenschaft trägt den standesrechtlichen ErwägungenRechnung, da das Mandatsverhältnis nicht mit einer juristi-schen Person besteht; es bedarf dann auch nicht einer ge-künstelten Aufspaltung der Rechtsbeziehungen, da dieseimmer mit den Sozien selbst eingegangen werden. Selbstder Forderung derjenigen, die einen Rückgriff des geschä-digten Mandanten auf das persönliche Vermögen desRechtsanwalts für unabdingbar halten, wird insofern Rech-nung getragen, als jedenfalls der oder die maßgeblichenRechtsanwälte der Sozietät als Komplementäre persönlichin der Haftung bleiben.

Auf der anderen Seite erweist sich die Rechtsform derKG gegenüber der BGB-Gesellschaft, aber auch gegenüberder Partnerschaft, als die flexiblere in bezug auf Haftungs-beschränkungen. Sollen einzelne Mitglieder der Kanzleimangels tatsächlicher Mitspracherechte bei internen Ange-legenheiten oder aus anderen Gründen nicht für die Schul-den der gesamten Sozietät bzw. für durch einen Sozius ver-ursachte Schäden einstehen müssen, so bedarf es nichteiner vertraglichen Vereinbarung mit den einzelnen Man-danten (was für den beschränkt Haftenden überdies denNachteil fehlender Kontrollmöglichkeiten hat), sondern dieHaftungsbeschränkung wird bereits gesellschaftsrechtlichgewährleistet. Der beschränkt haftende Sozius ist damit vorfür ihn nicht übersehbaren Haftungsrisiken geschützt.

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Aufsätze �

32 BGHZ 72, 282.33 BVerfGE 87, 287 = NJW 1993, 317.34 BVerfG, NJW 1988, 191.35 Ähnliche Überlegungen führten auch zu der genannten „Zahnarzt-GmbH-Ent-

scheidung“ des BGH (MDR 1994, 361).

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Den Interessen des Mandanten wird dann angemessenRechnung getragen, wenn die „Kommanditisten-“ Stellungnach außen deutlich gemacht wird. Der Mandant darf dannnicht mehr auf die persönliche Haftung aller Sozien ver-trauen, wenn auf Briefkopf, Kanzleischild etc. derVertrauenstatbestand der „Außensozietät“ zerstört wird,z.B. durch Unterteilung der Sozien in „Partner“ und „Kom-manditisten“ oder „Mitarbeiter“. Durch diese Unterteilungwird dem Dritten verdeutlicht, daß es sich bei den „Mitar-beitern“ um Rechtsanwälte handelt, deren Stellung in derKanzlei untergeordnet ist, und die folglich auch nicht vollverantwortlich gemacht werden können.

Ob auch eine Registereintragung, wie bei der Partner-schaft, erforderlich ist, hängt davon ab, ob, wie bisher, alleGesellschafter auf dem Briefkopf aufscheinen. In diesemFall erscheint eine weitergehende Publizität entbehrlich.Würde man die „Anwalts-KG“ allerdings dahingehend wei-terentwickeln, daß die Sozietät mit dem Kanzleinamenallein firmieren darf, müßte dem Publizitätsgrundsatz mit-tels einer Registrierung nachgekommen werden.

Die Entwicklung hin zu neuen Strukturen und Organisa-tionsformen geht weiter. Die „Anwalts-KG“ präsentiert sichzum heutigen Diskussionsstand als eine Alternative, dievielen Forderungen gerecht wird.

Produkthaftungsrecht undProdukthaftungsgesetzProf. Dr. Franziska von Krbek, Berlin

In einem kürzlich erschienenen Buch von Bauer (Dr.Ing.), Hinsch, Eidam und Otto (Dres. jur.) über „Produkt-haftung, Herausforderung an Manager und Ingenieure,1994 Vorwort) wird hervorgehoben, daß die Produkthaftungin den Unternehmen für mehr Verwirrung, Ängste und Be-fürchtungen gesorgt habe als andere Veränderungen wirt-schaftlicher Rahmenbedingungen. Diese äußerten sich inAussprüchen wie:„Dann mache ich den Laden am besten gleich dicht!“„Wir sollten lieber heute als morgen alle Neuentwicklungen seinlassen.“„Das sind Utopien, die kein Unternehmen erfüllen kann!“„Ein Unternehmen, das alle diese Anforderungen im Alltag erfüllt,kann es doch nicht geben!“

Nach Bauer/Hinsch entstehen diese Unsicherheiten derUnternehmen u. a. deswegen, weil die Grundlagen der Pro-dukthaftung an Universitäten oder anderen wissenschaftli-chen Ausbildungsstätten nicht so systematisch und fachbe-reichsübergreifend gelehrt werden, daß Ingenieure, Natur-wissenschaftler, Betriebs- oder Volkswirte daraus auswert-bare Handlungsrichtlinien ableiten können. Gleichzeitigvermerken sie kritisch, daß die betriebswirtschaftliche Or-ganisationslehre die rechtlichen Anforderungen aus derProdukthaftung an die Unternehmen, ihre Organisationsfor-men und Einzelaktivitäten in ihren Modellen nicht wirksamhat umsetzen können.

Bauer/Hinsch selbst sind der Meinung, daß zwar das un-ternehmerische Risiko durch die Produkthaftung größer und

vielfältiger geworden sei, jedoch beim „gezielten Ausnut-zen verfügbarer Informationen und bewährter Modelle be-herrschbar und mit wirtschaftlich vertretbaren Aufwendun-gen auch praktisch zu bewältigen“ ist.

Ich unterstütze die optimistische Auffassung der Auto-ren, daß es möglich ist, die Grundzüge der Produkthaftungfür juristische Laien wie Unternehmer, Manager, Ingenieureund Kaufleute so herauszuarbeiten, daß sich kein „Schreck-gespenst“ Produkthaftung aufbaut. Die weitere Beurteilungvon Bauer/Hinsch über die grundlegenden Ausbildungsdefi-zite bei der Lehre der Grundlagen der Produkthaftung anUniversitäten oder anderen wissenschaftlichen Ausbildungs-stätten kann ich so global nicht teilen. Der Grund dafür, daßdie Grundlagen der Produkthaftung an den Ausbildungsstät-ten nicht so systematisch und fachbereichsübergreifend ge-lehrt werden, daß Ingenieure, Naturwissenschaftler, Be-triebs- und Volkswirte daraus Handlungsrichtlinien ableitenkönnen, liegt m. E. nicht im „Kümmerdasein“ von Vorle-sungen zur Produkthaftung sondern an der mangelnden Sy-stematik selbst.1

1. Die Produkthaftung nach dem BürgerlichenGesetzbuch

Das Bürgerliche Gesetzbuch, welches am 1.1.1900 nachjahrzehntelangen Vorarbeiten in Kraft getreten ist, stellteund stellt noch heute verschiedene Anspruchsgrundlagenfür die Produkt- bzw. Produzentenhaftung zur Verfügung.

Sind der Produzent und Verkäufer einer Sache identischund erleidet der Käufer bei der ordnungsgemäßen Benut-zung oder dem vorgesehenen Verbrauch der Sache infolgeeines Sachmangels, der bereits vom Produzenten herrührt,einen Schaden, so kann er diesen, wie jeder andere Käuferauch, von seinem Verkäufer entsprechend den allgemeinenRegeln des Vertragsrechts ersetzt verlangen.2 Die Verjäh-rungsfrist hierfür beträgt 6 Monate.

Hier nun hat vor einigen Jahren Streit eingesetzt. DerAbschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung desSchuldrechts, also des Rechtsgebietes, in dem sich dieGrundsätze zur Produzentenhaftung im Laufe der Jahre her-ausgebildet haben, sieht die Einführung einer 3-Jahresfristfür alle Erfüllungsansprüche und für Ansprüche aus einerPflichtverletzung vor.3 4 Dieser Abschlußbericht ist 1992 er-schienen.

Es ist möglich, daß der Kommissionsentwurf (neuesBürgerliches) Gesetz wird.

Folglich ist auf dem Juristentag 1994, der sich mit die-sem Reformvorhaben befaßt hat, z. B. der Chefsyndikus derThyssen Industrie AG diesem Wegfall der Sechsmonatsfristentgegengetreten, indem er anhand der Milliarden, die nun-mehr für Rückstellungen zur Verfügung stehen müßten, dieauf die deutsche Industrie zukommende ungeheure Bela-stung darzustellen versuchte.5

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Aufsätze�

1 Bezüglich der Systematik der Produzentenhaftung im geltenden BGB verweiseich auf Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), S. 85 ff., 127 ff., 134 ff.

2 Vgl. §§ 459 (ff.), 463 BGB sowie die in Analogie zu den §§ 323 ff., 275 ff.BGB entwickelten Ansprüche aus pVV und c.i.c.

3 Vgl. §§ 280, 275, 305, 241 BGB-KE, Abschlußbericht der Kommission zurÜberarbeitung des Schuldrechts, hrsg. vom Bundesminister der Justiz, 1992Bundesanzeiger.

4 Die jetzt geltende Gewährleistungspflicht ist ein Wettbewerbsvorteil z. B. ge-genüber der englischen Industrie, die unter einer 6jährigen Einstandspflichtsteht.

5 Vgl. den amüsant geschriebenen Beitrag von Rabe in AnwBl 2/95, S. 90.

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Ein Syndikus von Mercedes-Benz sprach den Verfasserndes BGB von 1900, die die Sechsmonatsfrist seinerzeit ge-schaffen hatten, sogar deswegen großes Lob zu, weil siesich die marktpolizeiliche Anordnung der kurilischen Ädi-len in der Blütezeit Roms zum Vorbild genommen hatten.6

Danach mußten die Minderwertigkeit eines auf offenemMarkt verkauften Sklaven oder die Mängel von Zugvieh in-nerhalb von 6 Monaten reklamiert werden. Die Verpflich-tung zur Gewährleistung „wegen physischer Fehler (Män-gel) der veräußerten Sache“ hat die 1. Kommission Endedes 19. Jhs. „im Anschlusse an das gemeine (röm.) Rechtgeregelt...“7

Vertreter beider deutscher Firmen halten also diese kur-ze Frist von 6 Monaten mit Rücksicht auf die beschränkteHaltbarkeit von Industriegütern auch für das 20. Jh. ge-rechtfertigt.8

a) Nach § 463 Satz 1 des (geltenden) BGB kann derKäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen,wenn der verkauften Sache eine zugesicherte Eigenschaftfehlt, z. B. die Eignung eines Klebers zum Verkleben vonDeckenplatten.9 D. h. der Produzent (Hersteller) und Ver-käufer muß den Käufer so stellen, wie er stünde, wenn diezugesicherte Eigenschaft vorhanden gewesen wäre. DieserAnspruch umfaßt Personen-, Sach- und Vermögensschäden.Das gleiche gilt, wenn der Verkäufer (und Produzent) einenFehler arglistig verschwiegen hat, § 463 Satz 2 BGB.

Das BGB hat jedoch mit den §§ 459, 463 die Nichterfül-lung weiterer Verhaltenspflichten des Verkäufers (und Pro-duzenten) nur unvollständig geregelt. Denn der Bereich derfahrlässigen Lieferung einer mangelhaften Sache und damitauch der fahrlässigen Nichtaufklärung über Sachmängel istausgespart worden. Dies hat zur Entwicklung des von derh. M. heute vor allem auf Gewohnheitsrecht gestützten spe-ziellen Rechtsinstituts der positiven Vertragsverletzung ge-führt.10 Aus heute anerkannter Sicht fallen unter pVV allePflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Schuld-verhältnisses, die weder Unmöglichkeit noch Verzug sindund deren Schadensfolgen nicht über gesetzliche Gewähr-leistungsansprüche wie z. B. die §§ 463, 480 BGB und ver-tragliche Zusicherungen (Garantiehaftung) liquidiert wer-den können.11

Klassisches Beispiel: Der Verkäufer liefert kranke Tiere, wo-durch der Viehbestand des Käufers angesteckt wird.

Es liegen weder Unmöglichkeit noch Verzug vor, denn der Ver-käufer hat, rechtzeitig, geleistet. Die Gewährleistungsrechte imKaufrecht bieten hier nur Wandlung oder Minderung, nicht aberden gewünschten Schadensersatz hinsichtlich des Folgeschadens,d. h. der Beeinträchtigung des weiteren Viehbestandes des Käufers(h. M.).

Die schuldhafte positive Vertragsverletzung verpflichtetden Produzenten / Verkäufer = Schuldner damit grundsätz-lich zum Ersatz auch des Schadens außerhalb der geliefer-ten Sache, sei es ein Personen-, Sach- oder Vermögensscha-den.12

Anstelle dieser akzeptierten Dreiteilung der Leistungs-störungen: der den primären Erfüllungsanspruch aufheben-den Unmöglichkeit (§§ 275 ff., 323 ff. BGB) und der ihnzunächst bestehenlassenden Leistungsverzögerung (§§ 286,326 BGB) mit der positiven Vertragsverletzung als dritterArt der Leistungsstörung, möchte der Kommissionsentwurfeinen umfassenden Tatbestand für Schadensersatzansprüchesetzen. § 280 BGB-KE 1992 bildet den Grund- und Auf-fangtatbestand und wird durch Spezialvorschriften ergänzt.Jede Pflichtverletzung führt zu einem Schadensersatzan-spruch, es sei denn, der Schuldner hat die Pflichtverletzung

nicht zu vertreten.13 Die Lieferung einer Sache, die einenSachmangel aufweist, stellt dann eine Pflichtverletzung dar,die grundsätzlich die gleichen Rechtsfolgen nach sich ziehtwie im allgemeinen Leistungsstörungsrecht, und, soweitdie Lieferung der fehlerhaften Sache vom Verkäufer zu ver-treten ist, Schadensersatz nach §§ 280 (283) BGB-KE ge-währt. Damit soll die „problematische Unterscheidungzwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden ent-fallen“.14

Erkennt man dagegen im geltenden BGB die Pflicht desVerkäufers (Produzenten) zur Aufklärung über Sachmängelder Kaufsache als eine solche, gesetzestechnisch als Teilder Leistungspflicht ausgestaltete, Verhaltens- oder Sorg-faltspflicht auf der Tatbestandsseite, so kann man sie folg-lich bereits im geltenden Recht auch auf der Rechtsfolgen-seite im Umfang des jeweiligen Schadensersatzanspruchesberücksichtigen. Die Folge ist, daß die Distinktion derRechtsprechung und h. L.15 in „unmittelbar“ und „mittel-bar“ durch die (teilweise) Nichterfüllung ausgelöste Schä-den oder „Mangelschäden“ und „Mangelfolgeschäden“überflüssig ist.

b) A. Wolf hat in seinen Überlegungen zur Überarbei-tung des Schuldrechts durch das Bundesministerium der Ju-stiz 1982 eindringlich darauf hingewiesen, daß wir unsereAugen nicht vor der Tatsache verschließen können, daß wir

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Aufsätze �

6 Ädilen waren römische Beamte mit Aufgaben der Stadtpolizei (cura urbis):Straßen, öff. Gebäude und privates Bauwesen, Verkehr, Feuerwehr und Le-bensmittelamt einschließlich der Marktaufsicht. Amtsabzeichen der curuli-schen Ämter war die sella curulis, ein elfenbeinerner Klappstuhl ohne Arm-und Rückenlehne, auf dem sie zu Gericht saßen (Hiltbrunner, Kleines Lexikonder Antike, 5. Aufl. 1974).

7 Mugdan II, S. 123 zu §§ 381, 382 Entwurf = §§ 459, 460 BGB.8 Vgl. als Fallbeispiel den Sachverhalt der Entscheidung BGHZ 87, S. 88 ff.

und S. 94/95 zur Begründung mit der gefestigten Rechtsprechung und h. M.9 BGHZ 50, 200. In diesem Urteil wurde erstmals die Haftung für vertragliche

Zusicherungen auf Folgeschäden erstreckt.10 Bei der pVV handelt es sich nach der h. M. um eine Pflichtverletzung nach

Vertragsschluß, die Pflichtverletzung vor und bei Vertragsschluß löst man überdas ebenfalls auf Gewohnheitsrecht gestützte Rechtsinstitut der culpa in con-trahendo.

11 Vgl. z. B. Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl. 1989, Rdnr. 309, 279. Ernst(NJW 1994, S. 2177, 2180 li. Sp.) definiert die pVV in seiner kritischen An-merkung zum Kommissionsentwurf für eine Schuldrechtsreform (im Hinblickauf diese Reform) bereits anders: „Von einer pVV spricht man dann, wenn einSchuldner in einer zu vertretenden Weise seine Pflicht, die geschuldete Lei-stung zu erbringen, verletzt und dem Gläubiger damit einen Schaden zufügt,der nicht im Ausbleiben der geschuldeten Leistung besteht, so daß der Gläubi-ger hierfür Ersatz neben der geschuldeten Leistung verlangen kann“.

12 Die h. M. sieht bekanntlich, im Anschluß an Staub und Stoll, die Leistung nurals hauptgegenständliche an und faßt die Gewährleistungsvorschriften alsnicht dem Leistungsbegriff des Allgemeinen Schuldrechts kongruente Sonder-vorschriften des Besonderen Schuldrechts auf. Diese Auslegung hat zur Folge,daß die Gewährleistungsvorschriften auch nur den Schadensersatz wegenNichterfüllung in Form des sog. Mangelschadens beinhalten können. Dies giltbei Lieferung einer mangelhaften Kaufsache oder eines mangelhaften Werkes,beim Mietvertrag soll § 538 BGB dagegen nach h. M. auch den sog. Mangel-folgeschaden erfassen. Die sog. Mangelfolgeschäden muß die h. M. folglichmit Hilfe der Konstruktion einer außerhalb des BGB liegenden positiven Ver-tragsverletzung ersetzen, obwohl dem BGB-Gesetzgeber die darunter fallen-den Schäden nachweislich bekannt waren (vgl. Evans-von Krbek, AcP 179(1979), S. 85 ff., 111 ff., 119, 124-134, 127). Für ein Entfallen der „leidigenUnterscheidung zwischen dem eigentlichen Mangelschaden und den Mangel-folgeschäden“ spricht sich nunmehr auch Medicus in AcP 186 (1986), S.268 ff., 284, 287 aus.

13 Eine Unterscheidung nach der Art der verletzten Pflicht macht der Kommissi-onsentwurf nicht. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob der Schuldnereine Haupt- oder eine Nebenpflicht, eine Leistungs- oder eine Schutzpflichtverletzt habe, ebensowenig darauf, ob er überhaupt nicht, nicht rechtzeitigoder am falschen Ort geleistet hat oder ob er eine ganz andere als die geschul-dete Leistung oder eine Leistung erbracht hat, die nach Menge, Qualität undArt oder aus sonstigen Gründen hinter der vertraglich geschuldeten Leistungzurückbleibt (Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuld-rechts, hrsg. vom BMJ, 1992, S. 30).

14 Kommissionsentwurf aaO S. 32.15 vgl. BGH NJW 1965, 521 (Sielleitungsfall) und Huber, AcP 177 (1977), S.

282 f., jeweils m. w. N.

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neben dem 1. und 2. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchsmehr als 2000 Vorschriften haben. Diese können wir, nebenden 2385 vorhandenen Paragraphen, nicht als neue Vor-schriften brauchen.16 Bezogen auf den Bereich der sog.Mängel- und Mangelfolgeschäden im Kaufrecht, bei demes sich um eine überflüssige dogmatische Unterscheidungder Rechtsprechung und h. L. in Abweichung vom gelten-den BGB handelt, könnte, und sollte daher, die von Wolfgeforderte Rückführung in das Bürgerliche Gesetzbuchstattfinden.17 Statt eines neuen § 280 BGB-KE, der an denneuen Begriff der Pflichtverletzung anknüpft, könnte mansich insoweit auf die Qualifikation der Aufklärungspflichtdes Verkäufers hinsichtlich von Sachmängeln der Kaufsa-che als einer vom Gesetz dem Rechtsgeschäftskreis desSchuldners zugerechneten und in die von ihm geschuldete(= zu erfüllende) Leistung integrierten Verhaltens- oderSorgfaltspflicht besinnen. Diese äußert sich im Umfang desaus der Nichterfüllung resultierenden Schadensersatzan-spruchs, d. h. eine Unterscheidung in Mangel- und Mangel-folgeschaden ist nicht erforderlich.18 Die Verjährungsfristkann dann gegebenenfalls einheitlich geändert werden.

2. Produkthaftungsgesetz1968 hat der BGH in einem bahnbrechenden Urteil ent-

schieden, daß, wenn bei bestimmungsgemäßer Verwendungeines Industrieerzeugnisses eine Person oder eine Sache da-durch geschädigt werde, daß das Produkt fehlerhaft herge-stellt war, der Hersteller beweisen müsse, daß ihn hinsicht-lich des Fehler kein Verschulden trifft.19 Erbringt derHersteller diesen Beweis nicht, so haftet er nach Delikts-grundsätzen (§§ 823, 249 BGB).

Angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852BGB hat der Bundesgerichtshof damit abweichend von denallgemein geltenden Regeln erstmals zugunsten des Pro-duktgeschädigten gewisse Beweiserleichterungen einge-führt.

Allerdings ist am 1.1.1990 das Gesetz über die Haftungfür fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz – Prod-HaftG) in Kraft getreten,20 welches die Haftung für Folge-schäden durch ein mangelhaftes Produkt21 regelt, ohne daßVertragsbeziehungen zum Verkäufer/Produzenten erforder-lich sind, und verschuldensunabhängig.

Bedenkt man, daß dieses ProdHaftG die bisher auf derBasis der §§ 823 ff. BGB praktizierte Produkt-Verschul-denshaftung für einen großen Teilbereich fortschreibt,22 soist auch hier langfristig zu überlegen, in dem von A. Wolfangeregten Sinn soweit zu generalisieren23, daß die Pro-dukthaftungsfälle an entsprechender Stelle im BürgerlichenGesetzbuch geregelt werden.24

Wettbewerb und freieMitarbeit 1

Richter am Amtsgericht Dr. Frank O. Fischer, Frankfurt amMain

I) EinführungEin nicht unbeträchtlicher Teil der insbesondere im

Dienstleistungsbereich beschäftigten Personen ist heute alssogenannter freier Mitarbeiter tätig. Zu denken ist dabeivor allem an Lehrer2 (i. w. S.), aber auch z. B. an Dolmet-scher und klassische Freiberufler, wie z. B. Rechtsanwälteund Steuerberater. Der Frage, wann solche freien Mitarbei-ter trotz einer solchen Bezeichnung Arbeitnehmer sind, istschon an vielen Stellen nachgegangen worden, sie sollnicht wiederum Gegenstand dieses Beitrages sein. Hier solles vielmehr um einen wichtigen Teilaspekt gehen, der denRechtsanwalt mit Allgemeinpraxis durchaus häufig be-schäftigt: Der freie Mitarbeiter beabsichtigt auszuscheiden,möchte sich also „richtig“ selbständig machen und natür-lich einen Teil der Kundschaft sozusagen als „Grundstock“mitnehmen. Es fragt sich, ob dies zulässig ist bzw. welcherechtlichen Grenzen zu beachten sind.

Im folgenden soll ein typischer Fall dargestellt und be-sprochen werden. Die Überlegungen können auf vergleich-bare Fälle übertragen werden bzw. als Ausgangspunkt fürdie unerläßlichen eigenen Erwägungen, bezogen auf den je-weils konkreten Fall, dienen. Die in bestimmten Bereichenbestehenden standesrechtlichen Regelungen und sonstigeBesonderheiten der klassischen Freiberufler sollen im fol-genden ausgeklammert werden.3

II) Typischer SachverhaltMandant M ist bei einer Musikschule als Geigenlehrer

beschäftigt, die dem etwas unberechenbaren Inhaber I ge-hört. Ein schriftlicher Vertrag existiert nicht. Er arbeitet dort

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Aufsätze�

16 W. Wolf, AcP 182 (1982), S. 80 ff., 84.17 Das Leistungsstörungsrecht des Kommissionsentwurfs beruht auf einer Weiter-

entwicklung und Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung wegenpositiver Forderungsverletzung (aaO S. 30), die die Kommission als weiterenBegriff gegenüber der pVV ansieht.

18 Vgl. Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), S. 85 ff., insbes. S. 122, 127.19 BGHZ 51, 91.20 Das ProdHaftG vom 15. Dez. 1989 ist eine nationale Umsetzung einer EG-

Richtlinie. Wenn eine solche Richtlinie auch den Inhalt des anzugleichendenRechts verbindlich vorschreibt, so überläßt sie es doch den Mitgliedstaaten,den damit gezogenen Rahmen ihren Rechtstraditionen entsprechend im einzel-nen auszufüllen (Art. 189 Abs. 3 EWGV), vgl. Taschner, S. VI, in Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie, 2. Aufl.1990.

21 So ausdrücklich Bauer/Hinsch, Produkthaftung, 1994, S. 1222 Frietsch, aaO S. V.23 Wolf, aaO S. 84. Ich teile jedoch nicht ganz den Wolf’schen Gedanken der

„Kraft der Vereinfachung“. Eben diese hat zur Zersplitterung in unterschiedli-che, als nebeneinanderstehend begriffene Rechtsbereiche geführt. Eher istwohl die theoretisch-abstrakte bzw. abstrahierende Durchdringung als indukti-ve Bestandsaufnahme Voraussetzung für eine Generalisierung, die dann eineentsprechend den jetzt abgedeckten Bereichen differenzierende Rechtsanwen-dung ermöglichen muß.

24 Ich verweise hier auch auf die geplante Novellierung des § 831 BGB (vgl. Re-ferentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatz-rechtlicher Vorschriften, 1967), die vom 47. Deutschen Juristentag angeregtund in der Literatur erörtert worden ist (Evans-von Krbek, aaO S. 135 mit FN238 und 239), die sich insoweit tatsächlich als nicht erforderlich erwiesen hat.

1 Dieser Beitrag beruht auf rechtlichen Überlegungen, die ich angestellt hatte,als ein ähnlicher Fall wie der geschilderte - von der Seite des freien Mitarbei-ters her - an mich herangetragen wurde. Gleichwohl habe ich mich um Objekti-vität bemüht.

2 vgl. BAG NZA 1992, 407 = NJW 1992, 2110 (L); NZA 1993, 174 = NJW1993, 1156 (L).

3 betr. Rechtsanwälte vgl. hierzu ausführlich Michalski/Römermann, ZIP 1994,433 ff.; s. a. Wettlaufer, AnwBl 1989, 194 ff.; s. a. Lahusen, NZA 1985, 802ff.; sehr interessant auch OLG Celle, OLGZ 1990, 462 ff. (betr. Steuerberater).

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seit ca. zwei Jahren zwei Tage pro Woche und unterrichtetüber die beiden Tage verteilt ca. 20 Schüler. M erhält mo-natlich im Nachhinein sein Honorar. Zur Zeit verdient erdurch seine Tätigkeit bei der Musikschule ca. 1.800 DM imMonat. Daneben unterrichtet er noch einige echte „Privat-schüler“, dies weiß der I.

I erteilt selbst fast jeden Tag Unterricht in seiner Musik-schule und beschäftigt noch weitere Lehrer für andere In-strumente.

M möchte spätestens zum 31.1.1995 aus der Musikschu-le ausscheiden, und zwar vor allem wegen grundsätzlichunterschiedlicher pädagogischer Auffassungen mit I, aberauch wegen besserer Verdienstmöglichkeiten.

M möchte einige der Schüler der Musikschule als neue„Privatschüler“ mitnehmen, falls diese das wünschen. DieSchüler in der Musikschule haben in ihren – schriftlichen –Verträgen mit der Musikschule eine Kündigungsfrist vonsechs Wochen zum 31.1.1995 oder 31.7.1995, müßten also,wenn sie gleichfalls ausscheiden wollen, bis ca. Mitte De-zember dem I kündigen.

M sucht im November 1994 einen Rechtsanwalt auf undfragt, wie er sich verhalten soll, ohne etwas rechtlich Uner-laubtes zu tun.

III) Rechtliche ErwägungenFür die rechtliche Bewertung ist zwischen den Situatio-

nen während der Laufzeit des Vertrages (1) und nach des-sen Ende (2) zu unterscheiden.

1) Während der Laufzeit des Vertragesa) Musikschullehrer sind in der Regel freie Mitarbei-

ter.4 Mangels anderweitiger Anhaltspunkte kann somit da-von ausgegangen werden, daß auch M freier Mitarbeiterdes I ist.

b) Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob M währenddes freien Mitarbeitsverhältnisses einem Wettbewerbsver-bot unterliegt. Ein – grundsätzlich auch bei freien Mitarbei-tern zulässiges5 – vereinbartes Wettbewerbsverbot liegtnicht vor.

aa) Es könnte jedoch ein gesetzliches Wettbewerbsver-bot bestehen. Ein solches findet sich in § 60 HGB. DieseVorschrift ist jedoch auf M nicht anwendbar, da er freierMitarbeiter ist und nicht Handlungsgehilfe. Auch die §§ 74ff. HGB sind dementsprechend auf freie Mitarbeiter nichtanzuwenden.6

bb) Ein Wettbewerbsverbot könnte sich jedoch aus demVertrag im Wege der Auslegung ergeben. Teilweise wirddavon ausgegangen, daß ohne ausdrückliche Vereinbarungbei freien Mitarbeitern kein Wettbewerbsverbot besteht.7

Dies ist jedoch zu weitgehend und einseitig. Bei freien Mit-arbeitern richtet sich das Bestehen eines Wettbewerbsverbo-tes nach den besonderen Gegebenheiten des Falles undnach der konkreten Ausgestaltung des Mitarbeiterverhält-nisses, und zwar deswegen, weil derartige freie Mitarbeiter-verhältnisse sehr unterschiedlich ausgestaltet sind.8 Dabeikommt es auch auf den Umfang der Tätigkeit als freier Mit-arbeiter an; je mehr der freie Mitarbeiter für den Dienstbe-rechtigten arbeitet, desto eher ist ein Wettbewerbsverbot an-zunehmen.9 Hinzu kommt, daß die Übertragung derarbeitsrechtlichen Treuepflicht auf freie Mitarbeiter jeweilsbesonderer Rechtfertigung bedarf.10 Dies ist konsequent,denn das Wettbewerbsverbot bei Arbeitsverträgen wurzeltvor allem in der vertraglichen Treue- und Rücksichtspflicht

des Arbeitnehmers,11 die bei freien Mitarbeitern nur einge-schränkt besteht. Zudem wird der fehlende arbeitsrechtlicheSchutz (Nachteil) jedenfalls teilweise durch die Chance fürerhöhte berufliche Mobilität (Vorteil) kompensiert.12

Schließlich besteht zwischen Wettbewerbern, die lediglichdurch einen Dienstvertrag verbunden sind, in der Regel keinWettbewerbsverbot.13

Im vorliegenden Fall arbeitet M nur zwei Tage in derWoche in der Musikschule des I. Er hat seine Arbeitskraftdemnach nur sehr eingeschränkt zur Verfügung gestellt. Erunterrichtet weiterhin andere, eigene Schüler. Es ist offen-sichtlich, daß er darüber hinaus noch weiteres Geld verdie-nen muß. Dabei ist gleichfalls klar, daß er dieses Geld, auf-grund seiner Qualifikation, nur als Geigenlehrer verdienenkann. Auch kann nicht im Nachhinein durch die Auferle-gung eines aus der Treuepflicht folgenden allgemeinenWettbewerbsverbotes eine versäumte vertragliche Regelungnachgeholt werden; zumal eine solche Regelung nur in en-gen Grenzen zulässig wäre.14 Wettbewerbsverbote bei frei-en Mitarbeitern unterliegen einer strengen Inhaltskontrollenach § 138 BGB,15 auch Art. 12 I GG (Berufsfreiheit) isthierbei zu beachten.16 Unter den entsprechenden Vorausset-zungen kann ein Wettbewerbsverbot auch gegen § 9 IAGBG verstoßen.17 Ein grundsätzliches allgemeines Wett-bewerbsverbot zwischen M und I besteht daher nicht.18

c) Dennoch bestehen zwischen den durch ein freies Mit-arbeiterverhältnis verbundenen Parteien gewisse Treue-pflichten.19 Grob treuwidrig ist es, wenn der freie Mitarbei-ter gegenüber dem Dienstberechtigten während der Dauerdes Vertrages versucht, ihm mit unlauteren Mitteln einenKunden abzuwerben, insbesondere vor Beendigung des Ver-tragsverhältnisses den Kunden gegen den Geschäftsherreneinzunehmen und sich selbst zu empfehlen sucht.20 Darauskann im Umkehrschluß gefolgert werden, daß ein Abwer-ben mit erlaubten Mitteln zulässig ist. Fraglich ist nur, waserlaubt ist und was nicht. Es kann dem freien Mitarbeiternicht verboten sein, die Kunden des Dienstberechtigten,von seinen Plänen zu informieren. Die Kunden dürfen wis-sen, wie es mit ihrem Unterricht weitergeht und haben einInteresse, dies zu erfahren. Geigenlehrer sind nicht beliebigaustauschbar. Zum Wesen des Abwerbens gehört im übrigendie Einwirkung mit einer gewissen Ernstlichkeit und Be-harrlichkeit, eine gelegentliche Frage, ob ein anderer sich

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Aufsätze �

4 BAG, NZA 1993, 174 = NJW 1993, 1156 (L).5 z. B. OLG Köln, OLGZ 1967, 394 ff.6 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 443; Knief, AnwBl 1985, 61.7 U. Rosenfelder, Der arbeitsrechtliche Status des freien Mitarbeiters, 1982, S.

303.8 BGH, MDR 1969, 471; in diesem Sinne auch Michalski/Römermann, ZIP

1994, 436 und Knief, AnwBl 1985, 61.9 BGH, MDR 1969, 471; in diesem Sinne auch Michalski/Römermann, ZIP

1994, 436 und Knief, AnwBl 1985, 61.10 BGH, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 9 Bl. 424 = NJW-RR 1989, 615.11 BAG, AP § 60 HGB Nr. 5 Bl. 282 R.12 U. Rosenfelder, aaO, S. 303.13 BGH, WM 1976, 325; es handelte sich allerdings um Vor- und Nachunterneh-

mer, also nicht um eine „richtige“ freie Mitarbeit.14 vgl. z. B. LG Frankfurt, NJW-RR 1993, 803; OLG Koblenz, NJW-RR 1993,

611; s. a. BVerfG, NJW 1990, 1469; BGH, NJW 1991, 699; zur Teilnichtigkeitvon Wettbewerbsverboten siehe Lammel, AcP 189 (1989), 244 ff.

15 allg. Meinung, vgl. z. B. OLG Celle, OLGZ 1990, 463.16 vgl. z. B. BGH, NJW 1991, 699 (betr. einen BGB-Gesellschafter).17 LG München I, BB 1993, Beilage 13, S. 14.18 Beispiele für als zulässig angesehene Wettbewerbsverbote: OLG Köln, OLGZ

1967, 394 ff. (Fahrlehrer); s. a. OLG Karlsruhe, MDR 1975, 314 (Mannequin-Schule).

19 Michalski/Römermann, ZIP 1994, 436.20 BGH, WM 1974, 325.

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bei einem Weggang anschließe, erfüllt den Tatbestand derAbwerbung nicht.21 Diese Entscheidung betrifft die Abwer-bung von Arbeitnehmern durch einen anderen Arbeitneh-mer, der sich selbständig machen möchte; für die Abwer-bung von Kunden kann aber nichts wesentlich anderesgelten. An dieser Stelle ist noch darauf hinzuweisen, daßein nur aus der allgemeinen Treuepflicht abgeleitetes Wett-bewerbsverbot nicht zu weit gefaßt werden darf. Anderen-falls läge ein Wertungswiderspruch zu den recht engenGrenzen der zulässigen Vereinbarung vertraglicher Wettbe-werbsverbote vor.22

Dementsprechend ist es zulässig, daß M die Kunden desI, also seine Schüler, davon informiert, daß er Ende Januaraus der Musikschule ausscheiden wird. Wenn die Schülerdann fragen, ob die Möglichkeit besteht, direkt bei M Un-terricht zu nehmen, darf er diese Frage bejahen.

Sehr zweifelhaft ist jedoch, ob M die Schüler von sichaus darauf hinweisen darf, daß diese rechtzeitig (Kündi-gungsfrist!) den Vertrag mit I kündigen. Dies wäre ein akti-ves Abwerben, das grundsätzlich nicht erlaubt ist. Auf dieseFrage wird M dementsprechend antworten müssen, daß ermit Rücksicht auf I hierüber keine Auskünfte erteilen kann.Möglicherweise darf er den Schülern die Anregung geben,selbst den Vertrag mit I zu studieren und die geeignetenKonsequenzen zu ziehen, dies wäre aber die äußerste Gren-ze.

Außerdem wird man, in Anlehnung an eine Entschei-dung des BGH zum Wettbewerbsrecht, verlangen müssen,daß M den I rechtzeitig auf seine Absicht auszuscheidenhinweist.23 Dann kann sich I darauf einstellen und seiner-seits um die Schüler werben, etwa mit einem neuen Lehrer.Dabei muß dieser Hinweis so rechtzeitig gegeben werden,daß I auch die Möglichkeit hat, auf die Schüler einzuwir-ken. Jedenfalls muß I unterrichtet werden, bevor die Schülerden entsprechenden Hinweis erhalten.

Problematisch ist insoweit allerdings, daß M dann ris-kieren muß, von I seinerseits gekündigt zu werden, denn in-sofern wäre die relativ kurze Kündigungsfrist des § 621 Nr.3 BGB (zum fünfzehnten für das Monatsende!) einschlägig.Diese Möglichkeit könnte den Hinweis unzumutbar ma-chen. Jedoch muß von dem freien Mitarbeiter verlangt wer-den, daß er ein derartiges Risiko eingeht. Ein Weiterbe-schäftigungsanspruch bei etwaiger sofortiger Freistellungbesteht im Rahmen der hier behandelten Fallkonstellationkaum.24

d) Außer den Treuepflichten aus dem geschlossenenDienstvertrag bzw. dem freien Mitarbeiterverhältnis istnoch das allgemeine Wettbewerbsrecht zu beachten, insbe-sondere § 1 UWG. Insoweit ist die von der Rechtsprechungentwickelte Fallgruppe des Ausspannens von Kunden durchMitarbeiter zu beachten.25 Danach ist es sittenwidrig, wennein Angestellter des Ausspannen von Kunden schon wäh-rend seines Arbeitsverhältnisses vorbereitet.26 Jedoch isthier zu beachten, daß M kein Arbeitnehmer des I ist. Wennihm deswegen nicht der Schutz des Arbeitsrechts zusteht,so kann I sich bei Wettbewerbsfragen nicht darauf berufen,daß die für Arbeitnehmer bestehenden engeren Grenzen aufM anzuwenden wären. Deswegen kann man diesen Grund-satz nicht ohne Einschränkung auf ihn übertragen. Des wei-teren kann nicht sittenwidrig sein, was vertraglich erlaubtist. Dementsprechend können die soeben unter 3) dargeleg-ten Erwägungen hier entsprechend herangezogen werden.

Allerdings ist dabei zu beachten, daß M nicht vor Ver-tragsende die Kunden gegen den I einzunehmen zu versu-

chen darf und sich nicht selbst empfehlen darf, sittenwidrigwäre daher die planmäßige Abwerbung aller Schüler.27

2) Nach Vertragsendea) Nach Vertragsende besteht, wenn nicht wirksam ver-

traglich vereinbart, sogar für Arbeitnehmer kein allgemei-nes Wettbewerbsverbot mehr, dies kann nicht aus einernachvertraglichen Treuepflicht hergeleitet werden.28 Fürfreie Mitarbeiter gilt dies aus den geschilderten Gründen29

in verstärktem Maße. Arbeits- bzw. dienstvertragsrechtlichbestehen daher nach Vertragsende keine Grenzen mehr füreinen Wettbewerb zwischen M und I. In diesem Zusam-menhang ist insbesondere auf die auch im Privatrecht gel-tende Drittwirkung der Grundrechte (Art. 12 I GG) hinzu-weisen.30

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegtder Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Wettbewerbsbe-schränkungen; er kann daher zu seinem ehemaligen Arbeit-geber bis zu den in §§ 1 UWG, 823, 826 BGB gestecktenGrenzen in Wettbewerb treten.31 Aus nachfolgender Treue-pflicht hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz nur dahin-gehend eingeschränkt, daß der Arbeitnehmer seinen ehema-ligen Arbeitgeber nicht bei einem Kunden ausstechen darf,bei dem nur noch der formale Abschluß des Vertrages aus-steht.32 Dies wäre von M zu beachten.

b) Allerdings steckt das Wettbewerbsrecht (§ 1 UWG)hierfür gewisse Grenzen. Dabei ist grundsätzlich zu beach-ten, daß das Ausspannen von Kunden im freien Wettbewerberlaubt ist, denn niemand hat das Recht auf Erhaltung sei-nes Kundenstammes.33 Im übrigen hat der Arbeitgeber dieMöglichkeit, sich durch die Vereinbarung eines Wettbe-werbsverbotes davor zu sichern; macht er hiervon keinenGebrauch, so kann dieses Versäumnis nicht über das Wett-bewerbsrecht ausgeglichen werden.34 Das Abwerben vonKunden eines früheren Arbeitgebers ist daher grundsätzlichzulässig, selbst wenn es planmäßig erfolgt.35 Das Ausspan-nen ist daher nur beim Vorliegen von besonderen Umstän-den sittenwidrig und damit unzulässig, die das Verhalten alsanstößig erscheinen lassen.36 Dies ist dann bejaht worden,wenn ein Angestellter sofort nach seinem Ausscheiden miteinem Schlage nahezu den gesamten Kundenkreis seinesfrüheren Dienstherrn an sich zieht und damit dessen wirt-schaftliche Existenzgrundlage vernichtet.37 Außerdem istdies bejaht worden, wenn der Pächter eines Getränkeverla-ges, der den Pachtvertrag fristlos kündigt und gleichzeitig

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Aufsätze�

21 LAG Baden-Württemberg, DB 1970, 2325.22 siehe bereits soeben b) bb).23 vgl. BGH, NJW 1970, 471 f.24 vgl. in diesem Zusammenhang OLG Düsseldorf, NZA 1985, 814.25 vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., 1993, § 1 UWG

Rdnr. 601 f.26 BAG, AP § 60 HGB Nr. 5; Baumbach/Hefermehl, aaO, § 1 UWG Rdnr. 601.27 BGH, NJW 1970, 471; Baumbach/Hefermehl, aaO, § 1 UWG Rdnr. 601 a. E.28 Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., 1980, § 611 BGB Rdnr. 85; BAG, ZIP 1994,

644 f.29 vgl. oben 1 b) bb).30 vgl. LG Frankfurt, NJW-RR 1993, 803; BGH, NJW 1986, 2944.31 BAG, ZIP 1994, 644 f.32 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., 1992, § 58 I 1; vgl. auch BAG, AP

§ 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40.33 Baumbach/Hefermehl, aaO, Rdnr. 601; BAG, ZIP 1994, 647.34 BGH, NJW 1970, 471.35 Baumbach/Hefermehl, aaO, Rdnr. 601; BAG, ZIP 1994, 647.36 BGH, NJW 1970, 471; Baumbach/Hefermehl, aaO, Rdnr. 601.37 BGH, NJW 1963, 351, Milchfahrer.

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ein Konkurrenzunternehmen eröffnet und den Kunden-stamm des Pachtunternehmens durch Weiterbelieferung ansich zieht, den Verpächter nicht rechtzeitig vor seinem Aus-scheiden darüber unterrichtet und den Kunden die neueWettbewerbssituation nicht deutlich macht.38

Derartige Extremfälle dürften im hier interessierendenZusammenhang nicht auftreten. Der I erteilt selbst in gro-ßem Maße Unterricht und beschäftigt auch noch weitereLehrer. M darf nach Vertragsende jedenfalls einen Teil derSchüler, für die er sich interessiert, anrufen und diese fra-gen, ob sie nicht bei ihm Unterricht haben wollen.

IV) KonsequenzenM muß zunächst den I darüber informieren, daß er zum

31.1.1995 ausscheiden will. Erst danach darf er seinenSchülern erzählen, daß er zum 31.1.1995 bei I ausscheidenwird.

Wenn die Schüler daraufhin fragen, ob es möglich ist,weiterhin bei M Unterricht zu haben, darf er diese Fragebejahen. Er darf die Schüler auf Nachfrage auch grundsätz-lich über ihre Konditionen informieren. Weiterhin muß erallerdings die Schüler darauf hinweisen, daß die Einzelhei-ten erst ab dem 1.2.1995 abgesprochen werden können,wenn er bei I ausgeschieden ist.

M darf den Schülern nicht nahelegen, bei I rechtzeitigzum 31.1.1995 zu kündigen oder diese über die Kündi-gungsmodalitäten etc. beraten. Wenn die Schüler diesbe-züglich Fragen stellen, muß er erklären, hierüber mit Rück-sicht auf I, für den er noch tätig ist, keine Auskünfte gebenzu können.

Nach Vertragsende darf M auch versuchen, die Schülerdes I teilweise abzuwerben, was aber wegen der sechsmo-natigen Kündigungsfrist in der Praxis problematisch seinwird. Es fragt sich in diesem Zusammenhang noch, ob dieSchüler wegen eines möglichen Lehrerwechsels außeror-dentlich kündigen können (§ 627 BGB), dies ist jedochwohl zu verneinen.39

Werden diese Verhaltensgrundsätze eingehalten, so hat Ikein Recht zur fristlosen Kündigung oder keinen Anspruchauf Schadensersatz, Auskunft, Unterlassung, Herausgabevon Vergütungen etc.

V) Taktische FragenIn derartigen Fällen ist eine Fülle von taktischen Fragen

zu beachten, hier nur eine Auswahl:1) Eventuell könnte es sich – in Anbetracht der Unbere-

chenbarkeit des I (und der Gerichte?) – empfehlen, eineSchutzschrift einzureichen, um einer einstweiligen Verfü-gung des I auf Unterlassung o. ä. vorzubeugen.

2) Es ist darüber nachzudenken, zu welchem Zeitpunktgekündigt werden soll. Zum 31.12.1994 oder zum31.1.1995? Soll eventuell zum 31.12.1994 gekündigt wer-den, aber gleichwohl erklärt werden, M werde bis zum31.1.1995 arbeiten, wenn I dies wünscht? Am sinnvollstendürfte es wohl sein, wenn M zum 31.1.1995 kündigt. DasKündigungsschreiben sollte (offiziell) von M selbst verfaßtwerden, um nicht durch ein verfrühtes Anwaltsschreibensofort eine unnötige Schärfe entstehen zu lassen. Allerdingsmuß, wie schon angedeutet, möglicherweise mit einer Ge-genkündigung des M zum 31.12.1995 gerechnet werden.Wenn I einen Anwalt einschaltet, sollte M seinerseits auchsofort erkennen lassen, daß er sich anwaltlich hat beratenlassen.

3) Im Streitfall muß unbedingt der Zugang der Kündi-gung bewiesen werden, es empfiehlt sich daher entwederbei Übergabe des Kündigungsschreibens den Empfang quit-tieren zu lassen oder das Schreiben durch einen Zeugenübergeben oder einwerfen zu lassen. Eine förmliche Zustel-lung durch den Gerichtsvollzieher könnte I mißverstehen.

4) Es ist zu erwägen, ob die Kündigung begründet wer-de soll. Dies könnte aber auch in einem persönlichen Ge-spräch des M mit dem I geschehen.

VI) FazitDer kleine Alltagsfall wirft, wie so oft, eine Fülle und

nicht einfach zu beantwortende Rechtsfragen und taktischeErwägungen auf. Insgesamt wird aus den vorstehenden Er-wägungen deutlich, daß unsere Rechtsordnung der Berufs-freiheit einen höheren Stellenwert einräumt als dem Schutzdes (ehemaligen) Dienstberechtigten. Auch durch ein ver-einbartes Wettbewerbsverbot kann sich der Dienstberech-tigte kaum schützen, denn dies wird entweder unwirksamoder – für den Fall der Wirksamkeit – zu teuer (Entschädi-gung!) sein.

Moderne berufliche Ansätzefür den Zivilrechtsanwalt– Ein Diskussionsbeitrag –Rechtsanwalt Dr. K. Jan Schiffer, Bonn, und RechtsanwaltClaus J. Peters, Kleve

Steht die Anwaltschaft im Zivilrecht aufgrund zunehmen-der nationaler und internationaler Konkurrenz auch durchin Teilbereichen verwandte Berufsträger wie Steuerberater,Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater von der Not-wendigkeit eines wesentlich neuen Berufsbildes? Zwei jün-gere Wirtschaftsanwälte stellen hierzu als Diskussionsbei-trag ihre höchstpersönlichen, teilweise durchaus provozie-rend gedachten Ansichten vor.

I. Facetten eines geänderten beruflichen Umfeldes derAnwaltschaft

Die Komplexität juristischer und insbesondere wirt-schaftsrechtlicher Sachverhalte beispielsweise im Steuer-recht, im Europarecht, im Gesellschaftsrecht oder auch imErbrecht nimmt eher zu als ab. Die Zahl der Rechtsanwältesowie der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unterneh-mensberater steigt ständig. Gegenwärtig sind deutlich über70000 Rechtsanwälte zugelassen.1 Dabei ist die Spitze derZulassungszahlen zur Anwaltschaft noch gar nicht erreicht.

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Aufsätze �

38 BGH, NJW 1970, 471, Bierfahrer; vgl. auch BGH, GRUR 1976, 306, Bauma-schinen.

39 str., vgl. Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl., 1995, § 627 Rdnr. 3.

1 Stobbe/Hommerich, „Die Möglichkeiten des jungen Anwalts: der Einstieg inden Anwaltsberuf – Ergebnisse der Anwaltsforschung“, in: Ratgeber – Prakti-sche Hinweise für junge Anwälte, 5. Aufl. 1992, S. 95, AnwBl 1995, 192.

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In den nächsten zwei bis drei Jahren wird mit Zuwachszah-len von 4000 bis 5000 Rechtsanwälten pro Jahr gerechnet.2

Zudem drängen international tätige „Law Firms“ auch aufden deutschen „Anwaltsmarkt“. Trotzdem hat die deutscheRechtsanwaltschaft ihre Tätigkeitsbereiche im wesentlichennicht etwa ausgeweitet, sondern sich weitgehend auf ihren„Kernbereich“ beschränkt, nämlich auf das Führen vonProzessen.

Das interessante und lukrative Steuerrecht haben dieRechtsanwälte, obwohl die aufgrund ihrer fachlichen Aus-bildung berufsrechtlich sogar ausdrücklich in vollem Um-fange zur Steuerberatung berechtigt sind3, (jedenfalls bis-her) beinahe vollständig den Steuerberatern undWirtschaftsprüfern überlassen. Steuerrechtliche Kompetenzerwartet ein Mandant bei seinem Rechtsanwalt heute wohlleider i.d.R. auch gar nicht. In der Praxis verweist derRechtsanwalt einen Mandanten zur Beurteilung von Steuer-fragen beinahe regelmäßig an einen Steuerberater.

Die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer haben sich imGegensatz dazu, wenngleich ihnen das berufsrechtlich,auch falls sie als Rechtsbeistände zugelassen sind, nur inTeilbereichen gestattet ist4, zu bei ihren Klienten vor allemim Unternehmensbereich anerkannten Rechtsberatern ent-wickelt. Sie fertigen, wie die Praxis zeigt, Entwürfe für Te-stamente, Gesellschaftsverträge, Kaufverträge etc., obwohlRechtsanwälte hier von ihrer spezifischen Ausbildung her(jedenfalls auf’s Ganze betrachtet) die größere Fachkompe-tenz besitzen.

Ähnliches scheint sich gegenwärtig im Bereich der Un-ternehmensberatung anzubahnen. Die Zahl der Unterneh-mensberater nimmt – auch außerhalb der großen internatio-nal tätigen Beratungsgesellschaften – ebenfalls kontinuier-lich zu, weil einerseits die Beratung von Unternehmenbesonders in Zeiten des „Outsourcing“ äußerst lukrativ istund weil andererseits für den Berufsstand des Unterneh-mensberaters keine bestimmte Qualifikation erforderlichist.5

Unternehmensberater bieten ihre Dienste nicht nur imBereich der EDV-Beratung und des Head Hunting an – Be-reiche die kaum in die Domäne eines Rechtsanwaltes fallendürften –, sondern etwa auch in der Organisationsberatung,in der Kontaktanbahnung6, im Marketing und in der Öffent-lichkeitsarbeit. Hier könnte auch ein Anwalt zumindest inTeilbereichen durchaus Initiative entfalten. Eine Beratungoder Unterstützung durch die Anwaltschaft sucht ein Man-dant in diesen Bereichen allerdings in der Regel vergeblich.

Kurz gesagt: Zahlreiche interessante und lukrative Tä-tigkeitsbereiche sind von anderen Berufsgruppen, aber ebennicht von Rechtsanwälten besetzt, obwohl Anwälte hier ansich aufgrund ihrer Ausbildung zum systematischen Durch-dringen, Aufbereiten und Lösen komplexer Fragestellun-gen, aufgrund ihrer spezifischen Berufserfahrung und ihrerberuflichen Kontakte besonders angesprochen sind.

Man hat insgesamt den Eindruck, daß die DeutscheRechtsanwaltschaft sich in der Defensive befindet.7 Zu oftnoch warten wir Anwälte mehr oder weniger geduldig dar-auf, daß die Mandanten uns aufsuchen, anstatt unserenMandanten unsere Fachkenntnisse und Dienstleistungen,wo sie benötigt werden, von uns aus anzubieten (Schlag-wort: Aktive Beratung).

Eine Anwaltskanzlei ist in der heutigen Zeit ein Wirt-schaftsunternehmen, d. h. sie muß auch wie ein solches ge-führt werden.8

Vor diesem hier nur kurz und vereinfachend skizziertenHintergrund wollen wir einige Gedanken zum Berufsbildund zu etwaigen neuen Tätigkeitsfeldern für die Rechtsan-waltschaft unterbreiten. Wie erheben dabei nicht den An-spruch absoluter Neuheit für unsere Ausführungen und ver-stehen diese auch nicht als wissenschaftliche Aufarbeitungdes Themas, meinen aber, daß eine Diskussion zum heuti-gen Berufsbild und zu den Tätigkeitsfeldern des Rechtsan-waltes dringend erforderlich ist. Dazu wollen wir mit derDarstellung unserer höchstpersönlichen Ansicht einen Bei-trag liefern, wobei wir uns ganz besonders an die jüngerenAnwältinnen und Anwälte richten. Es würde uns freuen,wenn unser Beitrag zu einer (kontroversen) Diskussion bei-tragen würde. In unserer Darstellung beschränken wir unsauf den Zivilrechtsanwalt und das Zivilrecht, das Haupttä-tigkeitsgebiet der Anwaltschaft. Auf das Strafrecht und dasVerwaltungsrecht lassen sich unsere Ausführungen nur be-dingt übertragen.

II. Ansätze für zusätzliche TätigkeitsfelderDer Gedanke der „Kunden-/Mandantenorientierung“

sollte ebenso wie sonst im Wirtschaftsleben auch in derRechtsanwaltschaft noch weitere Verbreitung finden. Trotzder nicht unbedingt abnehmenden Streitlust in deutschenLanden, ist doch festzustellen, daß das Berufsbild des rei-nen Prozeßanwaltes gegenwärtig deutlich in Frage steht.„Streitschlichtung“ und vor allem „vorbeugende und gestal-terische Beratung“ sind gefragt und zwar nicht nur für denUnternehmensbereich, sondern auch für den Privatbereichetwa angesichts der gewaltigen gegenwärtig zur Vererbunganstehenden Vermögensmassen und der dabei drohenden er-brechtlichen Streitigkeiten. Die außergerichtliche Streit-schlichtung9 ist allerdings bisher vermehrt von der Anwalt-schaft auf aktive oder pensionierte Richter, Beamte oderRechtsprofessoren übergegangen.10 Hier gilt es, verlorenesTerrain zurückzugewinnen. Das ist indessen nicht unsereigentliches Thema. Wir wollen uns mit der anwaltlichenBeratung näher befassen, dabei wollen wir nicht auf die in-zwischen wohl wieder etwa abgeebbte Tendenz zur Groß-kanzlei mit mehreren Dutzend „Partnern“11 und auf die an-gesichts der Fülle des Stoffes heute auch im Bereich derBeratung zweifellos erforderlich fachliche Spezialisierung12

(Stichwort: Ausgrenzung unrentabler Randaktivitäten) ein-gehen, sondern ergänzend hierzu einige eher grundsätzlicheÜberlegungen darstellen.

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Aufsätze�

2 BRAK Mitteilungen 1994, S. 223.3 § 3 Abs. 1 Ziffer 2 StBerG.4 §§ 1 und 5 RBerG.5 Letzteres wird gerade von seriösen Unternehmensberatern und von dem Bun-

desverband deutscher Unternehmensberater immer wieder beklagt, siehe etwaFAZ vom 7.12.1994.

6 Sei es zu potentiellen Kunden, zu Finanzierungspartnern oder zu staatlichenStellen.

7 In diesem Zusammenhang siehe auch den historischen Überblick zur deut-schen Anwaltschaft von Hartstang. Der deutsche Rechtsanwalt, 1986, S. 18ff.

8 Ausführlich dazu Fedtke, Wirtschaftsunternehmen Anwalts- und Notariats-kanzlei, 1993, und Hommerich, „Zukunftschancen junger Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte“, AnwBl. 1994, S. 322 ff.

9 Dazu einführend etwa Lappe, „Recht ohne Richter“, 1993; zur Schiedsge-richtsbarkeit im unternehmerischen Bereich siehe Hennerkes/Schiffer, BB1992, S. 1439 ff. und Schiffer/Hund, BiBu 1995, 1995, S. 54 ff.; zur Schieds-gerichtsbarkeit in erbrechtlichen Streitigkeiten siehe Schiffer, RPS – BB –Beilage Nr. 5 aus 1995, 2 ff.

10 Näher dazu Hartstang, aaO Fn. 7, S. 241 ff.11 Siehe hierzu etwa die einschlägigen Artikel in der Wirtschaftswoche Heft 39/

1993 und in Capital Heft 8/1993; zu europäischen Zusammenschlüssen sieheNerlich, AnwBl 1994, S. 529 ff.

12 Siehe schon Schlaich, „Spezialisierung und Fachanwaltschaften“, in: Ratgeber– Praktische Hinweise für junge Anwälte, 5. Aufl. 1992, S. 52 ff.

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1. Die steuerrechtliche Beratung

Die Beratung in Steuerfragen bietet mit Sicherheit fürdie Rechtsanwaltschaft einiges bisher ungenutztes Potential.Um jedoch etwaigen Mißverständnissen gleich vorzubeu-gen: Wir sind nicht der Meinung, ein Rechtsanwalt solltebeispielsweise als Steuerberater im eigentlichen Sinne Steu-ererklärungen fertigen oder etwa die Buchhaltung seinerMandanten erledigen. Das mag zwar im Einzelfall durchaussinnvoll sein, ein Rechtsanwalt sollte dennoch nicht versu-chen, zu einem Steuerberater auf diesen Gebieten in Kon-kurrenz zu treten. Der Steuerberater wird hier in der Regeldurch weit größere Detailkenntnisse und eine wesentlichumfangreichere einschlägige Berufserfahrung der bessereFachmann sein. In jedenfalls zwei Bereichen aber solltesich ein Rechtsanwalt des Steuerrechts annehmen:

a) Das Erfordernis steuerrechtlicher Kenntnisse bei deranwaltlichen Beratung

Ein Anwalt sollte bei von ihm bearbeiteten juristischenFragestellungen möglichst selbst die einschlägigen steuerli-chen Kenntnisse miteinbringen. Das gilt etwa für die Ge-staltung von Gesellschaftsverträgen oder bei erbrechtlichenLösungsmodellen – z. B. im Bereich der vorweggenomme-nen Erbfolge13. Strenggenommen lassen sich heute vor al-lem wirtschaftsrechtliche Fragestellungen ohne Kenntnisder einschlägigen steuerlichen Problemkreise des jeweili-gen Rechtsgebietes kaum noch sinnvoll bearbeiten. Das istwohl allgemeiner Stand der Erkenntnis, muß hier also nichtnäher erläutert werden14.

b) Der Vorteil eines rechtsmethodischen Ansatzes beider Lösung steuerlicher Problemfälle

Über den vorgenannten Punkt hinaus meinen wir, daßein Rechtsanwalt aufgrund seiner rechtsmethodischen Aus-bildung15, die einem Steuerberater oder einem Wirtschafts-prüfer naturgemäß in aller Regel fehlt, bei der Lösung steu-erlicher Streitfragen, bei der Aufarbeitung steuerlicherProblemfälle und auch bei steuerlichen Gestaltungen seinFachwissen sinnvoll und erfolgversprechend einbringenkann. Wir sollten nicht vergessen, daß es hier jeweils umSteuerrecht geht. Eine umfassende rechtswissenschaftlicheAusbildung hat unter den genannten Beratern aber eben nurder Rechtsanwalt.

Die unter Anwälten verbreitete Scheu vor steuerrechtli-chen Fragestellungen erscheint uns fehl am Platze. DieserBereich sollte vielmehr, wann immer sich Gelegenheit bie-tet, offensiv angegangen werden – uns zwar nicht eigent-lich im Konkurrenz zu Steuerberatern und Wirtschaftsprü-fern, sondern in Ergänzung zu deren traditionellerTätigkeit. Dabei ist jedoch, auch wenn die Mandantschaftdas mitunter anders sehen mag, zu beachten, daß grundsätz-lich eine (nicht nur kurzfristig angelegte) rechtliche Gestal-tung nicht wegen irgendwelcher steuerlicher Vorteile ge-wählt werden sollte.

An erster Stelle steht immer die Auswahl der sinnvollenund für den konkreten Einzelfall passenden Gestaltung, diedann allerdings steuerlich zu optimieren ist. Der Atem dessteuerlichen Gesetzgebers ist zu kurz, als daß man ihn zumvorrangigen Maßstab einer längerfristigen Entscheidungmachen darf. Das gilt vor allem für gesellschaftsrechtlicheGestaltungen aber z. B. auch bei der vorweggenommenenErbfolge.

2. Die unternehmerische Beratung

In Stellenanzeigen wird er immer wieder gefordert – derfachlich versierte Anwalt mit der sog. „Befähigung zumwirtschaftlichen Denken“. Letzteres mag sich etwa aus ei-ner Tätigkeit in der Wirtschaft (Banklehre, Praktikum o. ä.),einem einschlägigen Studium oder aus durch Selbststudiumvertieftem Interesse an wirtschaftlichen Sachverhalten erge-ben. Wie sich der Anwalt im Einzelfall der Materie genä-hert hat, erscheint letztlich unerheblich. Entscheidend ist,daß er an wirtschaftsrechtliche Fragestellungen nicht nuraus der Sicht des Juristen herangeht, sondern unter besonde-rer Beachtung des unternehmerischen Umfeldes und derwirtschaftlichen Auswirkungen. Gerade im Bereich derwirtschaftsrechtlichen Beratung ist der „Nur-Jurist“ (Man-dantenvorurteil: Oberbedenkenträger) fehl am Platze, mager auch ein noch so brillanter Rechtstechniker sein. Es giltaufzuzeigen, was unternehmerisch betrachtet machbar ist,und nicht nur herauszustellen, was aus juristischen Erwä-gungen heraus problematisch und nicht machbar ist.

Der „Wirtschaftsanwalt“ muß kein Betriebswirt sein, ersollte aber zumindest bereit sein, sich zum Wohle seinerMandanten aus eigenem Antrieb mit wesentlichen betriebs-wirtschaftlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen16. Ersollte sich beispielsweise Fragen der Betriebsorganisation17,des Controlling18, des Marketing19, der Mitarbeitermotivati-on (etwa durch bestimmte leistungsbezogene Entlohnungs-systeme oder eine spezifische Personalentwicklung) oderauch der Vermögensverwaltung20 stellen. Nur wenn er dastut, wird der Anwalt zum kompetenten und geschätzten Be-rater seiner Mandanten aus dem Unternehmensbereich. Dasgilt vor allem für mittelständische Mandanten, die konstruk-tiv angelegte, betrieblich umsetzbare Lösungen schätzen.

Mittelständische Unternehmen werden herkömmlich de-finiert als Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu100 Mio DM21. Man mag darüber streiten, ob diese Um-satzobergrenze zu niedrig angesetzt ist, immerhin umfaßtder Mittelstand ausgehend von dieser Definition in West-deutschland ca. 98% der insgesamt 2 Mio. Unternehmen.Er erbringt 52% der Bruttowertschöpfung sowie 41% derBruttoinvestitionen, beschäftigt 66% aller Arbeitnehmerund 85% aller Auszubildenden. Im Zuge der Wiedervereini-gung ist der Mittelstand in den neuen Bundesländern nochum mehrere tausend Unternehmen erweitert worden. Aufdem Mittelstand ruhen demnach die Hauptlasten und dieHauptverantwortung für den bundesdeutschen Wohlstand.Gerade mittelständische Unternehmen aber sind in aller Re-

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Aufsätze �

13 Siehe etwa Schiffer, Vorweggenommene Erbfolge – ein „Muß“ für den Fami-lienunternehmer?, in: Hennerkes (Hrsg.), Unternehmenshandbuch Familienge-sellschaften, 1995, S. 495 ff.

14 Zur Einführung in die steuerrechtlichen Fragestellungen siehe etwa Tipke/Lang, Steuerrecht, 14. Aufl. 1994; Hennerkes/Schiffer, Unternehmenssteuer-recht –Basisbuch, 2. Aufl. 1993; grundlegend Knobbe-Keuk, Bilanz- und Un-ternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993; zum Jahressteuergesetz 1996 siehe Schif-fer, Peters & Partner, BiBu Heft 12/1996 – komplett –.

15 Es sei nur an das Standardwerk von Larenz, Rechtmethodenlehre, erinnert.16 Siehe beispielhaft als gut lesbares und fundiertes Nachschlagewerk in diesem

Bereich Gerke/Steiner (Hrsg.), Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens,2. Aufl. 1995.

17 Zur Einführung siehe etwa Berger/Borkel, Handbuch der Betriebsorganisation,1992.

18 Siehe z. B. die sehr praxisbezogene Einführung von Horvath, Das Controlling-konzept, 1991.

19 Instruktiv: Maucher, Marketing ist Chefsache, 2. Aufl. 1993.20 Einführend: Erlenbach, Vermögen verwalten, Vermögen erhalten, 1992.21 Siehe etwa Alsbach, Stichwort „Finanzierungspolitik mittelständischer Unter-

nehmen“, in: Gerke/Steiner, aaO Fn. 16, vgl. dort auch zu den folgenden Zah-len.

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gel mangels eines eigenen internen Beraterstabes bei Fra-gen, die über ihr Alltagsgeschäft hinausgehen, zunehmendauf externe Berater angewiesen. Welche Tätigkeitsfelderbieten sich hier dem Wirtschaftsanwalt? Wir wollen hierbeispielhaft drei Punkte näher ansprechen:

3. Beispiele einer unternehmerischen Beratunga) Die aktiv begleitende BeratungDer wirklich wirtschaftlich und unternehmerisch den-

kende Anwalt wird seinen Mandanten aus dem unterneh-merischen Bereich umfassend als Gesprächspartner, d. h.nicht „nur“ als juristischer Berater, aktiv begleitend zur Ver-fügung stehen. Er wird nicht abwarten, bis der Mandant ihnmit einer Fragestellung befaßt. Er wird von sich aus dienach seiner Ansicht bestehenden (betriebs-) wirtschaflichenProbleme des jeweiligen Unternehmens, soweit ihm dasmöglich ist, beobachten und ansprechen.

Dieser Ansatz erfordert sicher nicht nur ein Umdenkenbei dem Anwalt (z. B. weg von der Honorarabrechnungnach Gegenstandswerten), sondern oft auch ein Umdenkenbei dem Unternehmer der ein entsprechendes Verhalten bei„seinem“ Anwalt nicht gewohnt ist. Darüber hinaus erfor-dert dieser Ansatz nach unseren Erfahrungen in aller Regeleinige Zeit und einige Geduld, bis er zum Nutzen aller Be-teiligter wirklich mit Leben erfüllt werden kann. Letztlichwird er aber jedenfalls von einem selbstbewußten Mandan-ten als hilfreiches Mitdenken geschätzt und nicht etwa alsunerwünschtes Einmischen abgelehnt werden.

Früher hatte im Idealfall der „Hausanwalt“ eines Unter-nehmens diese Rolle inne. Heute ist ein entsprechend aktivberatender Wirtschaftsanwalt häufig Mitglied im Beirat desbetreffenden Unternehmens.

Der Rechtsanwalt kann hier als qualifizierter und unab-hängiger Berater auch deshalb grundsätzlich eine für dasUnternehmen wesentliche Rolle übernehmen, weil häufigseine Ratschläge als die eines Außenstehenden, der auf-grund seiner Tätigkeit über das einzelne Unternehmen hin-ausblickt, im Unternehmen leichter akzeptiert werden. Da-bei sollte sich der Anwalt nicht mit Ratschlägen begnügen,sondern seine aktive Mitwirkung auch bei der Umsetzunganbieten – vor allem als Beiratsmitglied oder auch als „Pro-jektmanager“.

b) Aktive Beirats- und AufsichtsratstätigkeitDie tatsächliche Tätigkeit der Unternehmensbeiräte22 und

Aufsichtsräte ist durch aus der Presse bekannte spektakuläreFälle23 stark ins Gerede gekommen. Den Mitgliedern dieserOrgane wird pauschal oder in konkreten Fällen Oberflächlich-keit und wenig professionelles Verhalten vorgeworfen. Eswird eine aktivere Rolle der Organmitglieder gefordert oderdas vom Gesetz vorgebene System der „Gewaltenteilung“ beider Aktiengesellschaft in Frage gestellt. Hier ist nicht derRaum, das zu vertiefen. Richtig ist aber, daß in jedem Fallauch in diesem Bereich gerade von einem in ein solches Kon-trollorgan berufenen Wirtschaftsanwalt eine sorgfältige undaktive, über die Jurisprudenz hinausgehende umsetzungsorien-tierte Mitarbeit gefordert ist.

Eine solche aktive Mitarbeit im Unternehmen sollte sichdann allerdings auch in einer dem Aufwand angemessenenVergütung niederschlagen. Zahlt er nur eine Art „Anerken-nungsgebühr“ für die Organmitglieder, darf sich der Unter-nehmer nicht wundern wenn er kein wirklich aktives, son-dern nur ein das Unternehmen „schmückendes“ Organ

erhält. Ein wirklich aktiver Beiratsvorsitzender beispiels-weise wird nicht nur zu den in der Regel vier jährlichenSitzungen des Beirates im Unternehmen erscheinen, son-dern sich durch regelmäßige Gespräche mit der Unterneh-mensleitung und etwa monatliche Besuche im Unterneh-men auf dem laufenden halten. Hier kann sich ein ernsthaftagierender Wirtschaftsanwalt erfolgversprechend abhebenvon den bekannten „Multiorganmitgliedern“, die durch ihreüber die Maßen vielen Beirats- und Aufsichtsratsmitglied-schaften in diesen Organen wegen ersichtlicher Überbela-stung kaum ernsthaft mitarbeiten können. Auch wenn ernicht Beiratsvorsitzender oder Beiratsmitglied ist, kann derAnwalt für das Unternehmen über das herkömmliche Maßhinaus aktiv werden – Beispiel: Projektmanagement.

c) Projektmanagement und Projektleitung

Die aktive Mitarbeit des Wirtschaftsanwaltes in demvon ihm beratenen Unternehmen kann nach unserer An-sicht – sei es als Beiratsmitglied oder als einfacher Berater– durchaus so weit gehen, daß der Anwalt als Projektmana-ger oder als Projektleiter für das Unternehmen tätig wird.Auch der Beirat selbst kann gegebenenfalls die Aufgabe ei-nes Projektteams übernehmen.

Vor allem bei einmaligen, komplexen, zeitlich begrenz-ten Vorhaben hat sich in der Praxis die Organisationsformdes Projektmanagements24 bewährt. Sie kommt gegenwärtigvor allem in Großunternehmen vermehrt zur Anwendung,ist aber auch für Klein- und Mittelbetriebe geeignet. Dortbietet ein Projektmanagement unter Einbeziehung externerFachleute angesichts der traditionell dünnen Personaldeckedieser Betriebe sogar noch zusätzliche Vorteile.

Projektmanagement als Leitungs- und Organisationskon-zept ist gedacht für die Einführung von Vorhaben und Neu-erungen, die wegen ihrer Vielschichtigkeit und Vielglied-rigkeit sinnvollerweise nicht einer einzelnen Person odereiner einzigen Abteilung eines Unternehmens zugeordnetwerden können. Erforderlich ist fachübergreifende Zusam-menarbeit unternehmenseigener und unternehmensfremderFachleute. Im Vordergrund stehen die Zuteilung konkreterAufgaben an die Projektteammitglieder, deren organisatori-sche Verankerung, die Organisation der Entscheidungspro-zesse sowie die Durch- und Umsetzung der getroffenenEntscheidungen im Unternehmen.

Geeignete Projekte für ein Projektmanagement im Un-ternehmensbereich können nach unseren Erfahrungen etwasein: Die Entwicklung eines neuen Organisationskonzepteseinschließlich einer neuen rechtlichen Struktur für das Un-ternehmen, die Erarbeitung einer neuen Unternehmensstra-tegie25, größere Investitionen, die Einführung neuer Pro-dukte, der Aufbau einer neuen Vertriebsorganisation, dieEinführung eines neuen, erfolgsbezogenen Entlohnungssy-stems oder auch Beteiligungen, Fusionen und Auslandsinve-stitionen26.

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Aufsätze�

22 Zu den Erfolgsfaktoren eines modernen Beirates siehe Schiffer/Peters, DSWR1996, S. 44 ff.

23 Beispiele: Metallgesellschaft, Balsam AG; Vulkan; siehe etwa auch Wirt-schaftswoche Heft 45/1994; Capital 4/1996, S. 40 ff. siehe dazu auch Forster,AG 1995, 1 ff.

24 Zur Einführung siehe etwa: Litke, Projektmanagement – Methoden, Techniken,Verhaltensweisen, 2. Aufl. 1993; Berger/Bockel, aaO Fn. 17, S. 104 ff., siehedort auch zum Folgenden.

25 Siehe hierzu Hennerkes/Schiffer, Die richtige Strategie finden, in: Gabler’s Ma-gazin, Heft April 1994, S. 17 ff.

26 Siehe etwa Rentschler in: Gassert/Horvath, Den Standort richtig wählen, 1995,zu dem auch für kleinere Unternehmen beispielhaften Projektmanagement vonMercedes Benz für die neue Produktionsstätte in Tuscaloosa/Alabama/USA.

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Bei diesen oder ähnlichen Projekten spielen ersichtlichauch rechtliche Fragen eine wesentliche Rolle, so daßschon von daher die Mitgliederschaft eines Anwaltes imProjektteam sinnvoll ist. Umsomehr gilt das für einen An-walt mit dem vorstehend naher beschriebenen unternehme-rischen und wirtschaftlichen Ansatz. Je früher der Anwalthinzugezogen wird bzw. sich „einschaltet“, desto eher kanner fachlich kompetent rechtliche Determinanten in den Ent-scheidungsprozeß miteinbringen, die zu einem späterenZeitpunkt vorgebracht aufgrund der vorangeschrittenen Ent-scheidungsfindung in aller Regel nur noch mit Schwierig-keiten abgearbeitet werden können.

Schließlich erscheint ein mit dem Unternehmen vertrau-ter Wirtschaftsanwalt gerade aufgrund seiner methodischenAusbildung und seiner systematischen Arbeitsweise undProblemlösungsmethoden durchaus auch als Projektleiter,als Organisator des Ganzen geeignet.

Ob es zur Mitarbeit des Anwaltes in entsprechenden Pro-jektteams kommt, liegt letztlich sehr wesentlich an ihmselbst. Er muß seinen Mandanten von seiner (auch außerjuri-stischen) Kompetenz und seiner Bereitschaft zur aktiven, um-setzungsorientierten Mitarbeit im Projektteam überzeugen.

III. Als Fazit – 7 ThesenDas Fazit unserer Ausführungen möchten wir in Form

von sieben Thesen für den Zivilrechtsanwalt festhalten:1. Die deutsche Anwaltschaft sieht sich gegenwärtig ei-

nem dramatisch geänderten Tätigkeits- und Konkur-renzumfeld gegenüber, das ein Zuwenden zu neuenTätigkeitsfeldern erforderlich macht.

2. Die Tätigkeit als reiner Prozeßanwalt ist nicht nur fürden Unternehmensbereich, sondern auch für den Pri-vatbereich zu überdenken.

3. „Streitschlichtung“ und vor allem „vorbeugende undgestalterische Beratung“ sind zunehmend gefragt.

4. Der beratende Anwalt sollte seine Mandanten aktivund umsetzungsorientiert begleiten sowie von sichaus den Beratungsbedarf des Mandanten überprüfenund angehen.

5. Gefragt ist der Zivilrechtsanwalt, der insbesondereauch über steuerrechtliche Kompetenz verfügt. DieAnwaltschaft sollte das Steuerrecht als interessantesTätigkeitsfeld annehmen. (Stichworte: Erhöhte steuer-rechtliche Eigenkompetenz vor allem bei der Gestal-tungsberatung: rechtsmethodische Kompetenz zur Lö-sung steuerrechtlicher Problemfälle)

6. Wirtschaftliche Denkweise und betriebswirtschaftli-che Kompetenz sind für den beratenden Anwalt zu-nehmend unerläßlich. Auch hier bieten sich zusätzli-che Tätigkeitsfelder für die Anwaltschaft.

7. In der Wirtschaftswelt ist ob der zunehmenden Kom-plexität der Aufgaben vermehrt interdisziplinäre Zu-sammenarbeit erforderlich, so daß Projektmanagementund Projektleitung zu interessanten Aufgaben für denwirtschaftsberatenden Anwalt werden können.

Das Schicksal der jüdischenKollegen am BeispielDortmunds in der Zeitzwischen 1933 und 1938Rechtsanwalt und Fachanwalt für VerwaltungsrechtJoachim Pohlmann, Dortmund

„Sehr geehrter Herr Kollege ...,hiermit teile ich Ihnen mit, daß Sie mit Ablauf des ...aus der Anwaltschaft entlassen sind.gez. Freisler“Die vom späteren Volksgerichtshofspräsidenten unter-

zeichnete Verfügung setzte einen Schlußstrich unter die seitMachtübernahme der Nationalsozialisten eingeleitetenMaßnahmen insbesondere gegen jüdische Rechtsanwälteund Notare (natürlich auch gegen solche Kollegen, diekommunistischer oder sozialdemokratischer Tätigkeit be-zichtigt wurden). Für manchen mag dieser Schlußpunktüberraschend gewesen, von manchem mag er erwartet wor-den sein – auf jeden Fall waren die Auswirkungen für allejüdischen Kollegen gleich, sieht man davon ab, daß einigeihre Tätigkeit als Rechtsanwalt zunächst wieder aufnehmenkonnten, sofern sie u. a. den Nachweis führten, daß sie im1. Weltkrieg an der Front gekämpft hatten. Für diesen Per-sonenkreis endete die Anwaltstätigkeit erst 1938 endgültig.

Dank der freundlichen Unterstützung des NW Justiz-und Kultusministeriums gelang es einer Arbeitsgruppe desDortmunder Anwalts- und Notar-Vereins, das Schicksal we-nigstens eines Teils der von diesen Maßnahmen in Dort-mund betroffenen Kollegen anhand zur Verfügung gestellterPersonal-, Wiedergutmachungs- und Entschädigungsaktennachzuzeichnen.

Leider läßt sich die exakte Zahl der jüdischen Kollegenin Dortmund um 1933 herum nicht feststellen – und wärewohl ohnehin nur von wissenschaftlichem Interesse – über-trägt man aber statistische Zahlen aus vergleichbaren Groß-städten auf Dortmund, so lag dort wie hier der Anteil derKollegen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammungbei knapp 1/3. Vordergründig betrachtet mag dieser Anteilim Verhältnis der jüdischen Bevölkerung zur Gesamtbevöl-kerung hoch erscheinen. Dieser Umstand läßt sich aller-dings damit erklären, daß traditionsgemäß in den preußi-schen Staaten und damit auch im gesamten DeutschenReich der Zugang jüdischer Juristen zum Staatsdienst äuß-erst restriktiv behandelt und ihnen eigentlich erst seit derZeit der Weimarer Republik – theoretisch – geöffnet wor-den war. Viele Juristen wichen daher in die Wirtschaft ausoder wählten den „freien“ Beruf des Rechtsanwalts – fürsie oft die einzige Möglichkeit, die universitären Kennt-nisse umzusetzen.

Von etwa 150 Dortmunder Kollegen um 1933 herumkann man wohl 50 der jüdischen Bevölkerung zurechnen.Wieviele von diesen den Holocaust überlebten, ließ sichnicht genau sagen. Lediglich sechs von ihnen haben nachdem Krieg ihre Zulassung wieder betrieben. Der weit über-wiegende Teil der überlebenden Kollegen fristete nach 1945in artfremden Berufen ein eher kümmerliches Dasein. IhreAbneigung, nach Deutschland zurückzukehren, um hierwieder ihrem früheren Beruf nachzugehen, ist allerdingsnur zu verständlich.

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Zu den Autoren:Die Autoren sind Partner der überörtlichen Kanzlei „Schiffer, Peters & Partner –Rechtsanwälte, vereid. Buchprüfer, Steuerberater“, Bonn, Kleve, und Partner einerSteuerberatungsgesellschaft in Kleve.

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Uns, die wir uns mit dieser Thematik, vor allem den Le-bensläufen, intensiv beschäftigt haben und natürlich An-knüpfungspunkte bei den Örtlichkeiten oder heute noch be-stehenden Sozietäten hatten, hat diese Arbeit stark berührt,vor allem wenn man Parallelen zur heutigen Zeit zieht undsich fragt, wie man selbst als Betroffener reagieren würdeoder dastünde.

Gerade aus den Wiedergutmachungs- und Entschädi-gungsakten ergaben sich teilweise haarsträubende Lebens-läufe, die man eher im Bereich der Romane von Feucht-wanger oder Remarque zu finden geglaubt hätte. BeiDurchsicht der verschiedenen Akten offenbarte sich aberauch eine dramatische Seelenlosigkeit der Verwaltungsma-schinerie, die sich beispielhaft an einem Aktenvermerk aus-machen läßt, mit welchem die Löschung eines Kollegenaus der Anwaltsliste angeregt wird. Zur Begründung wirdausgeführt, dieser sei unabgemeldet nach Auschwitz verzo-gen und verfüge nun nicht mehr über einen Wohnsitz amOrt seiner Kanzlei. Selbst nach Kriegsende scheint man-ches Organ der Exekutive noch nicht realisiert zu haben,was da eigentlich auch mit seiner Hilfe ins Werk gesetztworden war. Als es bei der Wiederzulassung eines Dort-munder Kollegen 1945 zunächst zu Problemen kam, formu-lierte der Sachbearbeiter dies so:

„ ... Dr. Koppel hatte seinerzeit einen Schlaganfall erlit-ten, schleppte sich nur langsam und etwas gekrümmt vor-wärts. Dieser unglückliche Mensch wurde dann auch nochin ein Konzentrationslager verschleppt. Die Kette der Miß-verständnisse erklärte sich anscheinend dadurch, daß Dr.Koppel von vornherein immer nur dies Ziel gehabt und garnicht erkannt hat, daß die Schreiben der Justizverwaltungdeutlich ergaben, daß erst die Einreichung eines Gesuchserwartet würde ...“

Damit wird die planmäßige Vernichtung von Menschenzum „Mißverständnis“ degradiert. Leider fanden dieMachthaber in der damals traditionell antisemitistischen Ju-stizverwaltung, vor allem aber auch bei den sogenannten„arischen“ Kollegen, willfährige Helfer, denen die Vertrei-bung unverkennbar wirtschaftlichen Nutzen brachte.

Als der Reichsjustizkommissar Staatsminister Dr. Frankauf der Abgeordnetenversammlung des Deutschen An-waltsvereins am 18.5.1933 in München die Auffassung ver-trat, der Anwaltsstand könne und solle durch eine positiveinnere Einstellung zur nationalsozialistischen Revolutionwieder die politische, gesellschaftliche und allgemeine Rol-le spielen, um die er von den „Händlertypen“ gebracht wor-den sei, notierte man im Abdruck dieser Rede in der Juristi-schen Wochenschrift „Bravo! Stürmischer Beifall“.

Der Hinweis, Dr. Frank’s „minderwertige Exemplare“dürften sich anmaßen, in der Anwaltsrobe aufzutreten, wirdseitens des Publikums mit: „Sehr richtig!“ kommentiert. InDortmund agierte insbesondere der Kreisvorsitzende desBundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, Rechts-anwalt Wilhelm Stockheck, gegen jüdische Kollegen, in-dem er beispielsweise 1935 eine Sonderbeilage der Westfä-lischen Landeszeitung „Rote Erde“ unterzeichnete:

„Der Jude hat weder vor den Barren des Gerichts, nochhinter ihnen etwas zu suchen. Wie ihm die Fähigkeit ge-nommen werden muß, über Deutsche Recht zu sprechen,so auch die, das Recht eines Deutschen zu vertreten.“

Bemerkenswert ist, daß trotz dieser Worte und Aktionenoffenbar nur wenige Kollegen wahrhaben oder erkennenwollten, mit welchen Konsequenzen sie würden rechnenmüssen. Ein Kollege bezeichnete in einem Brief den Nazi-

Terror als „Spuk“, der bald vorübergehen würde – bevor erselbst in den 40er Jahren im KZ umkam. Der latent vorhan-dene Antisemitismus einerseits und damals immer schonvorhandene Repressionen gegen Juden andererseits mögenbei dieser Einstellung eine Rolle gespielt haben; auch derGedanke „als Anwalt in der Fremde nichts wert“ zu sein,wie ein Kollege es später formulierte, mag ausschlagge-bend dafür gewesen sein, die Flucht nicht frühzeitiger an-getreten zu haben.

Wer dies tat, erlebte zum Teil haarsträubende Schicksale,Erniedrigungen und Demütigungen. Er nahm die Vernich-tung seiner bisherigen wirtschaftlichen Existenz in Kaufund konnte sich häufig nicht einmal der gewünschten per-sönlichen Freiheit erfreuen.

Ein Kollege und seine Ehefrau, denen es gelungen war,sich dem unmittelbaren Zugriff der Gestapo zu entziehenund von Dortmund nach Köln zu fliehen, nahmen dort Kon-takt zu einer Gruppe von Fluchthelfern auf und wurdengegen Zahlung von je 1.500 RM über die Grenze nach Hol-land geschmuggelt, wo sie prompt wegen illegalen Grenz-übertritts zunächst in ein Zuchthaus, später in ein Internie-rungslager kamen, aus dem sie nur deshalb entlassenwurden, weil der Kollege zuvor bereits für seine Ehefrauund sich ein englisches Visum beantragt und erhalten hatte.Von Schweden aus kamen die beiden Kinder des Ehepaaresnach und die Familie wanderte von dort gemeinsam in dieUSA aus. Dort lernte der Kollege durch Zufall einen Glaserkennen, der eine kleine Werkstatt in einem Halbkeller be-trieb, u. z. in Harlem, dem schon damals die meisten herun-tergekommenen und am übelsten beleumundeten ViertelNew Yorks mit den ärmsten Einwohnern. Dieser Handwer-ker vermietete dem Kollegen einen Standplatz auf dem Bür-gersteig vor der Werkstatt, wo er Wachstücher und – Klei-dung verkaufen konnte. Er – der promovierte Jurist – standabwechselnd mit seiner Familie 16 Stunden am Tag inWind und Wetter an diesem Stand bis es ihm gelang, in derNähe einen ähnlichen Halbkeller anzumieten und von dortaus das Geschäftslokal zu betreiben und es etwas zu ver-größern. Ein Facharbeiter verdiente seinerzeit in New York4 $/Std. – der Kollege verdiente im ganzen Jahr nach seinereigenen Steuererklärung 3.000 $!

Auch ein anderer Kollege setzte sich schon sehr frühzei-tig in die Niederlande ab, mußte allerdings feststellen, daßer mit einem Aufenthalt dort finanziell absolut überfordertgewesen wäre, so daß er ins billigere Belgien reiste. Geradeals man sich einigermaßen etabliert hatte und sich in Sicher-heit glaubte – eine Arbeit durfte er allerdings nicht aufneh-men – mußte er vor den vorrückenden deutschen Truppen1940 erneut fliehen und traf mit einem der letzten aus Brüs-sel abfahrenden Züge in Südfrankreich ein, wo die Franzo-sen dann allerdings nichts Besseres zu tun hatten, als dieFamilie in einem Fußballstadion in Toulouse zu internieren.Nur dank eines freundlichen Lagerarztes, der bei der Fraudes Kollegen recht frische Operationsnarben feststellte,wurden er und seine Ehefrau in einem Hotel untergebracht,allerdings dauernd beobachtet von der französischen Spio-nageabwehr, die alle Deutschen prinzipiell verdächtigte,Spione zu sein. Als es schließlich gelang, die französischenBehörden von der eigenen Ungefährlichkeit zu überzeugen,rückten auch hierher deutsche Truppen vor und es gelangihm erneut nur in letzter Minute, über Spanien nach Portu-gal zu fliehen, wo er versuchte, ein Visum für die USA zuerhalten. Da der Aufenthalt in Portugal zeitlich begrenztwar, das Visum für die USA allerdings noch nicht in Aus-

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sicht stand, fuhr er zunächst nach Cuba, wo er dann endlichdas ersehnte Visum erhielt.

Ein Kollege – zunächst unverheiratet – setzte sich miteinem geringen Teil seines Vermögens nach Italien ab. DerVersuch, sich hiermit eine neue Existenz aufzubauen, miß-lang und er verlor alles. Danach schlug er sich zunächst mitGelegenheitsjobs durch und heuerte schließlich als Hilfs-kraft und Übersetzer bei einem unter deutscher Leitung ste-henden Liliputaner-Zirkus an, der Italien und Nordafrika be-reiste. Später gelang es ihm mit viel Glück, er hatteinzwischen geheiratet, Italien zu verlassen und in Uruguayeinen Zwischenaufenthalt zu nehmen. Ein Visum für dieUSA war zu dieser Zeit nicht zu bekommen, weil diese we-gen des beginnenden Weltkrieges ihre Grenzen zunächsteinmal schlossen. Man hielt sich dort über Wasser durchgelegentliche Schneiderarbeiten der Ehefrau und Hilfsak-tionen jüdischer Organisationen. Erst im Dezember 1947erhielt er (nach sieben Jahren!) das Visum.

Auch Spanien war zu dieser Zeit Anlaufpunkt vielerEmigranten. Manchem gelang es sogar, etwas Fuß zu fas-sen. Der 1936 in Spanien ausbrechende Bürgerkrieg aller-dings machte auch hier viele Hoffnungen zunichte undviele verloren erneut Hab und Gut.

Ein weiterer Kollege gelangte über Rußland nach China,nur um ab 1943 im von den Japanern eingerichteten GhettoShanhai Hongkew interniert zu werden. Dort lebten etwa15.000 jüdische Flüchtlinge auf rund 1,5 qkm unter kata-strophalen Verhältnissen. Den Versuchen deutscher Behör-den, auch dorthin Tod und Verderben zu tragen, widerstan-den die Japaner (möglicherweise auch wegen der sich imKrieg abzeichnenden Wende) allerdings, so daß ein großerTeil der Überlebenden des Ghettos schließlich von denAmerikanern befreit werden konnte.

Den Kollegen, die es schafften, in die USA auszuwan-dern oder beispielsweise in Portugal zu bleiben, gelang esnie richtig, in diesen Ländern Fuß zu fassen. Viele schlugensich in der Fremde als Vertreter, Buchhalter, Angestellteoder Börsenmakler durch. Ihre Situation besserte sich erstallmählich, als sie in den 50er Jahren Renten und Entschä-digungen erhielten, wobei der Kampf um aus heutiger Sichtrelativ geringe Beträge ein weiteres äußerst unerfreulichesKapitel aufschlägt.

Der Anwalt- und Notar-Verein Dortmund hat eine gut100 Seiten starke Broschüre mit dem geschichtlich-juristi-schen Hintergrund der Entlassung jüdischer Kollegen ausder Anwaltschaft und den Lebensläufen von 23 Kollegenherausgegeben. Die Veröffentlichung wurde durch Spendender Kollegen und der Rechtsanwalts- und Notarkammer er-möglicht.

Buchhinweis

Heidel /Pauly: Steuerrecht in der anwaltlichen Praxis,Deutscher Anwaltverlag, Bonn, 1. Aufl. 1996, 642 S., geb.,138 DM

„Noch ein Buch über Steuerrecht?!“, so fragen nicht nur dieAutoren in ihrem Vorwort zu dieser Neuerscheinung, sondern viel-leicht auch der potentielle Leser. Die Antwort auf die hierin impli-zierte Frage, ob denn dieses Werk eine bisher vorhandene Lücke inder anwaltlichen Literatur schließt, kann nur lauten: „ja!“

Es ist bekannt, daß der angehende Jurist an der Universität undim Referendariat keine oder eben nur eine höchst unzulänglicheAusbildung im Steuerrecht erfährt.

Andererseits erfordert gerade die anwaltliche Praxis einen ste-ten Umgang mit steuerlichen Fragestellungen. Diesen muß der An-walt sich stellen, will er qualitätvolle Beratung bieten oder wenig-stens der Gefahr eines Beratungsfehlers durchNichtberücksichtigung von steuerlichen Aspekten entgehen.

Der Schlüssel zur Auflösung dieses Dilemmas könnte in die-sem neuen Werk liegen.

Sind es in der anwaltlichen Beratungspraxis häufig keine iso-lierten steuerlichen Fragen – hier mag der bereits erfahrene Anwaltmit dem Wirtschaftsprüfer /vereidigtem Buchführer oder Steuerbe-rater konkurrieren oder zumindest kooperieren – sondern vielmehrProbleme beispielsweise des Bürgerlichen Rechts, des Arbeits-rechts oder des Gesellschaftsrechts, bei denen auch die steuerli-chen Folgen zu bedenken sind, so setzt gerade hier diese Neuer-scheinung an: In einer verzahnten Darstellung werden diesteuerrechtlichen Folgen aller wichtigen anwaltlichen Beratungsfel-der aufbereitet. Hierbei stehen gesellschaftsrechtliche, arbeitsrecht-liche sowie familien- und erbrechtliche Probleme im Vordergrund.Auch das Gebiet der steuerlichen Folgen der Insolvenz – zuneh-mend von Bedeutung für die anwaltliche Beratung – fehlt nicht.

Für die praktische Handhabung von Literatur ist für den zeit-streßgeplagten Anwalt die schnelle Auffindbarkeit von Problem-stellungen und Antworten hierzu von größter Bedeutung.

Bei diesem Werk sind in diesem Sinne das klar strukturierte In-haltsverzeichnis und vor allem das umfangreiche, feingegliederteStichwortverzeichnis sehr hilfreich.

Für den Leser, der tiefer einsteigen möchte, bietet das Werk zujedem Abschnitt eine Fülle von Literaturhinweisen. In Fußnoten,also außerhalb des Textes, werden zu Einzelfragen Belege und wei-terführende Angaben geliefert. Drucktechnisch gelungen ist dieübersichtliche Darstellung mit Fettdruck von wesentlichen Punktendes Textes.

Das Buch wendet sich nach eigenem Anspruch vor allem anden (beratenden) Anwalt. Neigt dieser, wie wohl jeder Jurist, zu ei-ner synoptischen Betrachtungsweise von Problemen, so vermag dasWerk auch in diesem Punkt zu gefallen: Als Beispiel seien genanntdie einführenden Sätze zur Besteuerung von Personengesellschaftenin allen wesentlichen Steuerarten, nämlich der Einkommensteuer,Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und der Vermögenssteuer.

Wie bei jedem gelungenen Werk darf man schon einmal an einespätere Neuauflage denken. Der Rezensent regt für diesen Fall an,das Werk um ein Kapitel zu erweitern, nämlich um das formelleSteuerrecht, das bekanntlich hauptsächlich in der Abgabenordnungangesiedelt ist.

Eine kurze Darstellung des Rechtsbehelfsverfahrens, der finanz-gerichtlichen Klage und des Ablaufs von Außenprüfungen („Be-triebsprüfungen“) würde sich hierbei anbieten. Will man den Um-fang des Werkes nicht erweitern, könnte der mit knapp 60 Seitenrecht umfängliche Teil der Lohnsteuer gekürzt werden, da er wohlmehr den Anwalt in eigener Sache, weniger den Anwalt in beraten-der Funktion betrifft.

Das „Steuerrecht in der anwaltlichen Praxis“ ist „noch ein Buchüber Steuerrecht“, aber eine echte Bereicherung der anwaltlichenSteuerrechtsliteratur, nicht zuletzt wegen seiner im Steuerrecht sowichtigen Aktualität: Das Jahressteuergesetz 1996 ist bereits be-rücksichtigt.

Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer Reinhard Möller, Kiel

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DAV-MITGLIEDERVERSAMMLUNG LEIPZIG 199615.–17. MAI 1996

EröffnungsanspracheFelix Busse, Präsident desDeutschen Anwaltvereins

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, herzlich willkommen zu unserer diesjährigen Mit-gliederversammlung in Leipzig. Wir haben ein umfangrei-ches Programm abzuarbeiten. Sie werden mir deswegennachsehen, daß ich mich bei der persönlichen Begrüßung aufeinige wenige Namen beschränke. Jedem von Ihnen giltmein Willkommensgruß in gleicher Herzlichkeit.

Ich begrüße Herrn Bundestagsabgeordneten Detlef Klei-nert, unseren Berufskollegen, in dem wir stets einen aufge-schlossenen Gesprächspartner finden, und Herrn Bundestags-abgeordneten Manfred Kolbe. Ich begrüße das Mitglied desEuropäischen Parlaments, unseren Berufskollegen WilliRothley. Ich begrüße für den gastgebenden Freistaat SachsenHerrn Staatssekretär Dr. Franke und die Landtagsabgeordne-ten Bellmann, Beyer und Schwarz, die anwesenden Vertreterder Justiz, an ihrer Spitze Herrn Oberlandesgerichtspräsiden-ten Budewig, für die Bundesrechtsanwaltskammer derenSchatzmeister Dr. Selbherr, die anwesenden Rechtsanwalts-kammerpräsidenten und die Vertreter der uns befreundetenVerbände. Ich begrüße die Vertreter des Leipziger Anwalt-vereins, an ihrer Spitze ihren Vorsitzenden, Svend-GunnarKirmes, zugleich mit herzlichem Dank für die gewährteGastfreundschaft und gute Organisation.

Unsere Zusammenkunft erfährt schließlich besonderenGlanz dadurch, daß uns Vertreter vieler uns befreundeterAnwaltsorganisationen aus dem Ausland die Ehre ihrer An-wesenheit erweisen, an ihrer Spitze den Präsidenten desCCBE Ramon Mullerat, den Vizepräsidenten der AIJAJean-Yves Feltesse aus Frankreich, die Präsidenten Dr. Det-vai aus der Slowakai, van den Heuvel, aus Belgien, UlrichHirt aus der Schweiz zugleich in Vertretung des Präsidentender UIA, Herrn Generalsekretär Dr. Wrabetz aus Wien sowieals Vertreter der IBA deren Schatzmeister, unseren KollegenDr. Klaus Böhlhoff. Ich wünsche mir, daß sich unsere aus-ländischen Gäste in unserem Kreise wohl fühlen und wiruns dadurch gegenseitig zum Ausdruck bringen, daß wir unsals eine große europäische Anwaltsfamilie verstehen.

Meine Damen und Herren, die in den Jahren zwischenden Anwaltstagen stattfindenden Mitgliederversammlungen,unsere sogenannten „Kleinen Anwaltstage“, haben längstdie Beschränkung auf die Erfüllung vereinsrechtlicher Regu-larien und die Erörterung vereinsinterner Angelegenheitenabgelegt.

Dies zeigt die erfreulich hohe Teilnehmerzahl von mehrals sechshundert Kolleginnen und Kollegen.

Dies belegen die aktuellen praxisbezogenen Fachthemen,über die unsere Experten und die, die es in den betreffendenBereichen noch werden wollen, anläßlich dieser Mitglieder-versammlung in einen Erfahrungsaustausch eintreten.

Dies unterstreichen die Zusammenkünfte des „Forumsjunger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“ und der Ar-beitsgemeinschaft der Syndikusanwälte. Sie stehen für dieOffenheit des DeutschenAnwaltVereins gegenüber seinemNachwuchs und für den Willen, die als Syndici Tätigennicht nur titularmäßig, sondern wegen ihrer beruflichen Tä-tigkeit uneingeschränkt als unsere geschätzten Kolleginnenund Kollegen zu betrachten und um aktive Mitarbeit zumWohle des ganzen Berufsstandes zu bitten.

Im Mittelpunkt unserer diesjährigen Mitgliederver-sammlung steht die Debatte um eine Reform der Satzungdes DAV. Wir verfolgen damit das Ziel, die Geschlossenheitund Schlagkraft unseres Verbandes zu erhöhen, in dem sichüber die örtlichen Vereine über 42.000 Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte zusammengeschlossen haben. Hieraufwerde ich näher eingehen, wenn wir den Tagesordnungs-punkt erreicht haben.

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Erlauben Sie mir vorab einige Bemerkungen zum Ta-gungsort und, ohne damit dem Geschäftsbericht des Hauptge-schäftsführers vorzugreifen, zu einigen rechts- und verbands-politischen Fragen, die uns nach wie vor beschäftigen.

1. Es ist uns – und da spreche ich sicherlich für Sie allemit – eine ganz besondere Freude, unsere Mitgliederver-sammlung dieses Jahr in Leipzig abhalten zu können.

Wir kehren damit zwar nicht an die Wiege des DAV zu-rück. Sie steht in Bamberg, wo der Verein vor 125 Jahrenim August 1871 gegründet worden ist, und am ersten Sitzdes Vereins, in Berlin. Doch haben sich die damals Verant-wortlichen 1881 entschlossen, den Vereinssitz an den Sitzdes neu errichteten Reichsgerichts nach Leipzig zu verle-gen. Dort ist der DAV mehr als ein halbes Jahrhundert – bis1932 – seßhaft geblieben. Alle Präsidenten des Deutsche-nAnwaltVereins zwischen 1871 und 1932 waren in Leipzigtätig. Vier deutsche Anwaltstage wurden hier ausgetragen.Der DeutscheAnwaltVerein war in Leipzig sozusagen „zuHause“.

Allerdings war die Entscheidung für Leipzig für denEinfluß des DAV auf die Rechts- und Innenpolitik problema-tisch. Der Verein hat immer wieder beklagt, vom Reichs-justizministerium und von den zuständigen Ausschüssendes Reichstages selbst bei Gesetzesvorhaben, die die An-waltschaft und ihre Tätigkeit unmittelbar betrafen, nichtoder nicht ausreichend gehört worden zu sein. Ähnlicheshat unsere Vereinigung nach dem 2. Weltkrieg erfahren, alsder DAV seinen Sitz in Hamburg genommen hatte. Der Um-zug nach Bonn hat für den DAV ganz andere Möglichkeitengeschaffen. Deswegen war und ist es richtig, daß wir unsentschlossen haben, sobald Bundestag und Bundesjustizmi-nisterium nach Berlin umziehen, ebenfalls nach Berlin zuübersiedeln.

2. Mit dem Tagungsort Leipzig hält der DeutschenAn-waltVerein erstmals eine so wichtige Veranstaltung in denneuen Bundesländern ab. Manchen hat dies zu lange ge-dauert. Ich verstehe das. Aber die für unsere Zusammen-künfte nötige Infrastruktur war nicht früher verfügbar. Wirhaben uns jedoch niemals dem Verdacht ausgesetzt, denneuen Bundesländern und der dort tätigen Anwaltschaft zuwenig Aufmerksamkeit zu schenken:

Es war, sieht man von Kontakten zwischen Wissen-schaftlern ab, allein der DAV, der schon vor der Wende –1988 – den eisernen Vorhang des Schweigens zwischen denJuristen von Ost und West durchbrochen hat und an Ort undStelle für einen verbesserten Rechtsschutz der Bürger auchgegenüber dem DDR-Staat und für die dafür erforderlichenerweiterten und freieren Betätigungsmöglichkeiten der An-waltschaft eingetreten ist.

Wir haben hier in Leipzig im Oktober 1989 die Bedeu-tung einer freien Advokatur aus Anlaß der Ehrung des letz-ten Leipziger DAV-Präsidenten Martin Drucker öffentlichgemacht, während auf den Straßen dieser Stadt Tausendeihr Begehren nach Recht und Freiheit herausgeschrieen ha-ben.

Es war der DAV, der nach der Wende der Regierung derDDR unter unserem Berufskollegen Lothar de Maizière beider Erarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen assistierthat, durch die eine freie Advokatur ermöglicht und abge-sichert worden ist.

Es war der DAV, der schon vor der Wiedervereinigungim Frühsommer 1990 mit einer Außengeschäftsstelle imOstteil Berlins Präsenz gezeigt und von dort aus der imBeitrittsgebiet tätigen Anwaltschaft nachhaltig Hilfe gelei-

stet, sie bei der Gründung von Anwaltvereinen unterstütztund diese Vereine schon vor der Wiedervereinigung beisich aufgenommen hat.

3. Die bereits in der DDR tätig gewesene Anwaltschaftist nach der Wiedervereinigung von manchen Medien, voneiner Reihe von Vertretern der Politik, aber auch aus Krei-sen der westdeutschen Anwaltschaft des öfteren pauschalenVerdächtigungen und Geringschätzungen ausgesetzt wor-den, insbesondere von Personen, die die Verhältnisse nichtkannten. Wir haben uns demgegenüber bereits vor derWende selbst ein Bild davon gemacht, wie schwierig undfür den einzelnen Anwalt gefährlich es oft war, sich wir-kungsvoll für den Mandanten einzusetzen, welche Grat-wanderungen hierzu manchmal nötig waren, daß die Kolle-genschaft zum Teil auf Wege angewiesen war, die für einenAnwalt in einem demokratischen Staat weder nötig nochbilligenswert sein können, und daß solche Schritte immernur aus der Situation des Einzelfalls beurteilt werden kön-nen, die zumeist gar nicht mehr reproduzierbar ist. Wir wis-sen außerdem, daß viele westdeutsche Ministeriale und An-wälte vor der Wende die Verhältnisse in der DDR wedergekannt noch sich dafür interessiert haben und deswegenzu einer solchen Beurteilung nur sehr eingeschränkt in derLage sein können.

Der DAV ist deswegen Forderungen nach einer allgemei-nen Überprüfung der vor der Wiedervereinigung zugelassengewesenen Anwälte entgegengetreten, ebenso Forderungennach einer Überprüfung im Einzelfall, bei der andere Maß-stäbe angelegt werden als die Frage, ob der Rechtsanwaltin schwerwiegender Weise gegen Grundsätze der Mensch-lichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Der Gesetz-geber ist unseren Vorstellungen weitgehend gefolgt. DieRechtsprechung wendet die Vorschriften mit der gebotenenZurückhaltung an. Die Ergebnisse der vorgenommenenÜberprüfungen haben gezeigt, daß nur in einer verschwin-dend geringen Zahl Handlungen festgestellt werden kön-nen, aufgrund derer wir das weitere Tätigwerden des Be-treffenden im Anwaltsberuf nicht hinnehmen können, daßaber die ganz große Zahl der Kolleginnen und Kollegen,die vor der Wiedervereinigung als Rechtsanwälte zugelas-sen waren, nicht nur unser Vertrauen, sondern auch unserenRespekt vor ihrer Integrität und vor ihrem Mut im Einzel-fall erwarten durften.

Diese Kolleginnen und Kollegen haben zusammen mitvielen, die aus den alten Bundesländern dorthin übergesie-delt sind, mit Erfolg allergrößte Anstrengungen unternom-men, den Rechtsstaat im Beitrittsgebiet mit Leben zu erfül-len, d. h. die Bürger mit dem für sie ungewohnten neuenRecht vertraut zu machen, ihnen Mut zu machen, Rechteauch tatsächlich in Anspruch zu nehmen, Vertrauen in un-seren Rechtsstaat zu gewinnen. Dies war und ist eine ge-waltige Aufbauleistung, zu der wir unsere herzlichenGlückwünsche auch an dieser Stelle aussprechen wollen.

Dieser Aufbauleistung wurde und wird, Herr Staatsse-kretär Dr. Franke, nicht gerecht, daß die Anwaltschaft nachwie vor Gebührenabschläge gegenüber den in den altenBundesländern tätigen Kollegen hinnehmen muß. Die Er-mäßigung des Gebührenabschlages auf 10% mit Wirkungab 1.7.1996 ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Erwird der Situation der Anwaltschaft in den neuen Bundes-ländern jedoch nicht gerecht. Eine von der Bundesrechtsan-waltskammer veranlaßte rechtstatsächliche Untersuchunghat, bezogen auf 1994, ergeben: Die Kolleginnen und Kol-legen im Beitrittsgebiet erzielen mit einer gegenüber demWesten deutlich höheren Arbeitsleistung von 62 Wochen-

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stunden unter Inanspruchnahme von sehr viel weniger Ur-laub nur 60% der Westeinkommen. Es gibt keinen Grunddafür, die Anwaltschaft im Beitrittsgebiet, die unter schwie-rigsten Umständen und mit großem Engagement einen un-verzichtbaren Beitrag zum Aufbau des Rechtsstaates gelei-stet hat, weiterhin mit einem Sonderopfer zu bestrafen, eineAnwaltschaft, die dort seit 1990 17.000 neue Arbeitsplätzegeschaffen hat. Dies ist eine Leistung, die, wie jüngste Er-eignisse zeigen, gegenüber anderen Wirtschaftssubjektenmit Hunderten von Millionen an Vergünstigungen belohntwerden würde.

4. Die Rechtsanwaltschaft in den neuen Bundesländernist, wir alle sind betroffen darüber, daß die neuen Bundes-länder in diesem traditionellen Gebiet des Anwaltsnotariatsam Nur-Notariat festhalten und sich selbst gegen eine zeit-lich befristete Öffnungsklausel aussprechen. Sie haben da-durch sehenden Auges Mißstände geschaffen, die bis heutenicht überwunden sind. Der Bevölkerung werden die be-sonderen Erfahrungen vorenthalten, die gerade der berufser-fahrene Anwalt in die notarielle Tätigkeit einbringen kann.Das Anwaltsnotariat hat sich wider alle Unkenrufe be-währt. Sie, Herr Kleinert, ließen sich dafür sicher gern alsZeuge aufrufen. Wir wenden uns deswegen auch gegen alleRegelungen in der von der Bundesregierung verabschiede-ten Novelle zur Bundesnotarordnung, die den Zugang zumAnwaltsnotariat und die Ausübung des Notarberufes nebendem Anwaltsberuf behindern oder erschweren.

Wir wenden uns schließlich gegen die über das geltendeRecht hinausgehende Öffnung der Rechtsberatung für Steuer-berater und Wirtschaftsprüfer, wie sie die Notarnovelle vor-sieht. Hierdurch soll legalisiert werden, was schon heute imStillen an zum Teil unqualifizierter Rechtsberatung außerhalbder Anwaltschaft geschieht. Der Leidtragende ist der rechtssu-chende Bürger. Ihn gilt es zu schützen. Notwendig ist dagegeneine ständig verbesserte Kooperation zwischen den Rechtsan-wälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Diese gilt es zufördern und nicht, wie es die Novelle zur Notarordnung fürAnwaltsnotare vorsieht, zu verhindern.

5. Im Interesse des rechtssuchenden Publikums könnenwir es auch nicht hinnehmen, daß ausländische Kolleginnenund Kollegen unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“in Deutschland tätig werden dürfen, ohne daß ihre Kennt-nisse im deutschen Recht sachkundig überprüft wordensind. Wir wenden uns deswegen gegen Regelungen im vor-liegenden Entwurf einer EG-Niederlassungsrichtlinie undgegen die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Euro-paparlaments, die dies ermöglichen sollen. Wir fordern dieBundesregierung auf, uns hierbei zur Seite zu stehen. Wirkönnen uns dabei auf das überzeugende Votum berufen, daßdie im CCBE zusammengefaßten europäischen Anwalt-schaften mit 14 gegen 3 Stimmen 1995 in Dresden abgege-ben haben.

6. Die Zahl der zugelassenen Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte steigt unvermindert jährlich um zwischen3.500 und 4.000 an. Die Zahl von 80.000 ist erreicht. Jederzweite im Berufsleben stehende Jurist übt den Beruf desAnwalts aus. Die damit einhergehenden Probleme sind un-übersehbar. Ich kann dies hier nicht vertiefen.

Immer wieder werden wir aufgefordert, über Möglich-keiten nachzudenken, diesem Zustrom rechtlich entgegenzu-wirken. Ich sehe eine solche Möglichkeit schon aus verfas-sungsrechtlichen Gründen nicht. Ich meine aber außerdem,es paßt nicht zu einem freien Beruf, Schutzzäune zum

Wohle derjenigen zu errichten, die ihr Ziel bereits erreichthaben.

Nicht hinnehmbar dagegen ist, daß die staatliche Juriste-nausbildung auf die eingetretene Entwicklung bis heutenicht reagiert. Nur etwa 4% der Absolventen des zweitenStaatsexamens werden als Richter und Staatsanwälte über-nommen, weitere 6% von anderen öffentlichen Auftragge-bern. Geschätzt gut 70% ergreifen den Anwaltsberuf, ganzüberwiegend, weil sich ihnen keine andere berufliche Mög-lichkeit bietet. Daß die Juristenausbildung gleichwohl ander Ausbildung zum Justizjuristen festhält und nicht aufden Beruf vorbereitet, den die große Mehrheit zwangsläufigergreifen wird, entwickelt sich zum Skandal, ebenso derUmstand, daß die Studien- und Prüfungsanforderungen denAnforderungsprofilen des Marktes längst nicht mehr ent-sprechen. Der DAV hat umfassende Reformvorschläge un-terbreitet. Der Gesetzgeber bleibt inaktiv, ganz im Gegen-satz zu seinem Eifer bei Fragen der Justizentlastung, aufdie ich abschließend zu sprechen kommen möchte.

7. Der kürzlich vom Bundesrat vorgeschlagene zweiteGesetzentwurf zur Entlastung der Strafrechtspflege wird inseinen essentiellen Teilen von uns abgelehnt. Er wird nichtsdaran ändern, daß einige wenige Verteidiger Konfliktvertei-digung betreiben, zu der die anderen Beteiligten keinenAnlaß gegeben haben, und damit das Klima vergiften undVerfahren in die Länge ziehen. Ein solches von uns scharfmißbilligtes Verhalten läßt sich durch keinerlei Gesetzesän-derung ausschließen.

Soweit es überhaupt eine Krise des Strafprozesses gibt –wir meinen, daß unsere Strafverfahren im Großen und Gan-zen funktionieren –, ist dies eine Krise des Vertrauens nichtnur des Richters gegenüber dem Verteidiger, sondern eben-so der Verteidigung und des Angeklagten gegenüber derangezweifelten Unvoreingenommenheit und Fairneß desRichters und Staatsanwalts. Deswegen sind alle Verfahrens-änderungen kontraproduktiv, die, statt Vertrauen wiederher-zustellen oder zu festigen, bestehendes Mißtrauen verstär-ken und zu neuen Konflikten herausfordern. Hierhin gehörtder Vorschlag, daß der abgelehnte Richter an der Verwer-fung des gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrages mit-wirken kann oder daß die angebliche Prozeßverschlep-pungsabsicht des Verteidigers in freier Würdigung desGerichts festgestellt werden kann und damit praktisch derKontrolle durch das Revisionsgericht entzogen und derWillkür geöffnet wird.

Wir fordern demgegenüber Verfahrensbeschleunigungund -vereinfachung durch Verwirklichung des Prinzips deroffenen Verhandlung, so daß die Beteiligten aufeinanderzugehen müssen. Wir führen hierüber heute bereits ausge-sprochen konstruktive Gespräche mit der Richterschaft, dieabgewartet werden sollten, und erbitten hierzu das nötigeInteresse und eine aufgeschlossene Haltung des Rechtsaus-schusses und der Justizressorts.

8. Wir mißbilligen die Kernbestimmungen der geplantenVwGO-Novelle. Sie stellen das Prinzip der Waffengleich-heit, vor allem aber das unverzichtbare Prinzip der Neutra-lität des Gerichts gegenüber beiden Parteien auf den Kopf.So soll das Gericht fehlerhafte Verwaltungsentscheidungenheilen können. Damit würde das Gericht für eine Seite Par-tei ergreifen können. Wollen wir tatsächlich sehenden Au-ges eine Vertrauenskrise auch noch in den Verwaltungspro-zeß hineintragen?

Auch die Abschaffung des Regelprinzips der aufschie-benden Wirkung von Rechtsbehelfen gehört zu diesem The-

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ma und die Beschränkung der Rechtsmittel durch Einfüh-rung der Zulassungsberufung, abgesehen davon, daß diesalles keine Entlastungen bringen wird.

9. Die jüngst vorgelegten Vorschläge zu einer weiterenEntlastung der Zivilgerichtsbarkeit betreffen u. a. den obli-gatorischen Einzelrichter auch beim Landgericht, die Anhe-bung der Berufungssumme auf DM 2.000,00, ein vorge-schaltetes außergerichtliches Schlichtungsverfahren zumin-dest bei kleineren Streitwerten. Das bedeutet wenigerRechtsschutz bzw. weniger Qualität der Rechtspflege unddamit weniger Rechtsstaat. Einen nachvollziehbaren Anlaßhierfür gibt es nicht.

Die Zahl der Eingänge in Zivilsachen in den alten Bun-desländern hat sich seit dem Rechtspflegeentlastungsgesetz1993 nicht erhöht. Sie ist leicht rückläufig.

Die ohnehin eher spärlichen Volumen der Justizhaus-halte haben keine weiteren Belastungen erfahren, wennnicht nur die Ausgaben, sondern auch die mit der Justiztä-tigkeit verbundenen Einnahmen berücksichtigt werden:1993 verblieben 8,39 Milliarden DM, 1995 waren es nurnoch 8,17 Milliarden DM. Die Deckungsquote ist nicht ge-sunken, sondern von 1993 bis 1995 von etwa 41,4% auf48,8% im Bundesdurchschnitt gestiegen.

Wir wissen allerdings, daß die Richterschaft nach wievor Erledigungszahlen bringt, die über dem Pensenschlüsselliegen. Ist damit aber wirklich viel ausgesagt? Hat dieRichterschaft wirklich ihre Leistungsgrenze erreicht? Ichhabe bereits vor zwei Jahren vortragen und statistisch bele-gen können, daß immer mehr Anwälte immer weniger Pro-zesse führen und immer mehr Richter immer wenigerRechtsstreite erledigen. Beruht nicht die ganze Diskussionüber Wertgrenzenverschiebungen nur auf der Absicht, ohneeine formale Abänderung des Pensenschlüssels eine fürmachbar gehaltene wesentlich höhere Erledigungsquote zuerzwingen als sie bisher den Richtern am Landgericht undam Oberlandesgericht abverlangt wird? Ist das nicht dasEingeständnis von Leistungsdefiziten? Der berühmteMannheimer Kollege Hachenburg hat hier in Leipzig aufdem Anwaltstag 1907 zu den auch damals schon vorgeleg-ten Justizentlastungsvorschlägen referiert, die übrigensauch mit einer Entlastung der Landgerichte zu Lasten derAmtsgerichte zu tun hatten. Er erwähnte dabei die Erledi-gungszahlen des Jahre 1906. Dies waren bei Amts- undLandgerichten zusammen 2,43 Mio. Verfahren. Das sind35% mehr als heute. Und diese hohe Zahl ist von 8.550Richtern geschafft worden gegenüber etwa 12.500 heute.

Zugegeben, man kann die Verhältnisse von damals undheute nur sehr begrenzt vergleichen. Die Unterschiede beiden Erledigungszahlen pro Richter sind aber so gewaltig,daß sich meiner Auffassung nach daraus eines ableitenläßt: Die Justiz hat ihre Effektivität oder – moderner undpräziser ausgedrückt – ihre Produktivität allem Anscheinnach ein ganzes Jahrhundert lang nicht nennenswert gestei-gert. Kein Teil der Wirtschaft hätte überlebt, wenn dies dortgenauso zuträfe. Unser Gemeinwesen hätte längst Bankrottgemacht. Die öffentliche Verwaltung und erst Recht die –infolge ihrer besonderen Stellung und des Maßes ihrer Un-abhängigkeit – noch viel unbeweglichere Justiz und derenVerwaltung haben diese Art Erfolgsausdruck offenbar nievergleichbar auf sich bezogen.

Ich meine damit nicht etwa fehlende Arbeitsbereitschaftder Richter und Staatsanwälte. An ihr habe ich keinen Zwei-fel. Ich meine damit fehlende Rationalisierung des Einsat-zes der Arbeitskraft der Richter und Staatsanwälte. Wenn

und soweit die Justiz – ich sage bewußt nicht überlastet,denn das ist sie nicht, ich sage – stark belastet ist -, sinddie wesentlichen Ursachen hausgemacht. Es fehlt nicht nuran der nötigen sächlichen, insbesonderen technischen Aus-stattung. Es fehlt an Justizmanagement, an der Organisationder Organisation. Es fehlt an Verfahrensmanagement unddessen Organisation, an Personalmanagement und ausrei-chender Personalführung, an Aus- und Fortbildung derRichter und Staatsanwälte über effektive Verhandlungsfüh-rung, an der Umsetzung des für die Richterschaft essentiel-len Problems, wie organisiere ich mich, wie teile ich meineArbeitskraft ein und wie lerne ich mich zu entscheiden.

Zum Thema Justizreform und Rechtspflegeentlastung heißtunsere Forderung deswegen, die Finger da in die Wunde zu le-gen, wo das Geschwür sitzt. Die innere Verfassung der Justizmuß verändert werden. Nur hierdurch kann die Zahl der Erle-digungen ohne Qualitätseinbuße so gesteigert werden, wie dasalle Berufe im Bereich der Wirtschaft, auch wir Rechtsan-wälte, längst für sich umsetzen mußten, um zu überleben.

Die Pilotprojekte in verschiedenen Bundesländern, diezum Teil richtungsweisende Erkenntnisse vermittelt haben,sind dazu nur ein erster Schritt. Auch darf man die alte Er-kenntnis nicht verdrängen, daß mit der Anschaffung vonComputern allein noch nichts erreicht wird. EDV ersetztkeine Organisation, sondern setzt diese voraus. Hier müs-sen neue Wege gefunden werden.

Die richterliche Unabhängigkeit steht dem nicht im Wege.Diese betrifft nur die eigentliche inhaltliche Ausgestaltungder Spruchpraxis und nicht die Organisation der richterlichenArbeit, nicht deren technische Rahmenbedingungen. Sie ge-währleistet nicht die unbeschränkte Freiheit, das Maß der Pro-duktivität der eigenen Arbeitskraft selbst zu bestimmen.

Was an Anpassung unserer anwaltlichen Arbeitsabläufeim Zuge der Einführung eines modernen Justizmanage-ments notwendig ist, darüber wollen wir gern mit denJustizressorts sprechen, und da ziehen wir mit.

10. Diese kritische Betrachtung der Situation in derJustiz darf freilich nicht davon ablenken, daß es zu denwichtigsten Aufgaben der Anwaltschaft in heutiger Zeit ge-hört, durch qualifizierte Rechtsberatung Streitigkeiten zuvermeiden und entstandene Streitigkeiten zu überwinden,ohne damit zum Gericht zu laufen. Das Gericht kann im-mer nur der letzte Ausweg sein und ist es auch heute schon.Schon heute gelangen etwa 3/4 aller an den Anwalt heran-getragenen Streitigkeiten nicht zum Gericht. Diese Quoteweiter zu steigern, muß unser Beitrag zur Justizentlastungsein. Die Leistungsfähigkeit der Anwaltschaft hierbei zustärken, ist Gegenstand vieler Bemühungen insbesondereim Rahmen anwaltlicher Fortbildung. Ob und inwieweit dieAnwaltschaft durch Bereitstellung anwaltlicher Schlichternoch einen zusätzlichen Beitrag leisten kann, werden wir ineinem Jahr auf dem Anwaltstag in Frankfurt untersuchen.

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Tätigkeitsbericht 1995/96der Geschäftsführung desDeutschen AnwaltvereinsDr. Dierk Mattik, Hauptgeschäftsführer des Deutschen An-waltvereins

A. EinleitungDer von mir zu erstattende Tätigkeitsbericht umfaßt den

Zeitraum eines knappen Jahres, beginnend am 24. Mai1995, der letzten Mitgliederversammlung in Berlin.

Das Berichtsjahr war, aus der Sicht der Geschäftsfüh-rung, mitgeprägt durch das Datum des 1. September 1995,an dem Herr Kollege Schaich in den Ruhestand verabschie-det wurde und von dem an ich die Aufgaben des Hauptge-schäftsführer übernommen habe.

Daß meine vielen Fragen „Warum ist das so?“, „Warumwird das so, warum wird das nicht gemacht?“, „Kann mandas nicht anders machen?“ innerhalb der Geschäftsstelleund der Geschäftsführung eine Menge an Unruhe aber auchan Anstößen zur Veränderung ausgelöst haben, dürfte ver-ständlich sein.

Äußerlich haben wir im DAV renoviert: Die Räume imDAV-Haus haben einen überfälligen neuen Anstrich bekom-men. Bildschirmgerechte Arbeitsplätze stehen nunmehr zurVerfügung. Das Innere des DAV-Hauses ist so gestaltet, daßeine Bedingung für eines der Leitthemen des Berliner An-waltstages „Ich freue mich aufs Büro“ erfüllt sein dürfte.Insgesamt sind damit alle Voraussetzungen gegeben, umdie DAV-Geschäftsstelle zu dem zu machen, was sie meinesErachtens sei soll, ein Dienstleistungszentrum des Gesamt-verbandes für seine Mitglieder, wobei die Betonung glei-chermaßen auf Dienst=Service und Leistung liegen muß.

Nach meiner Überzeugung haben wir innerhalb derDAV-Geschäftsstelle den Umstellungsprozeß erfolgreich be-gonnen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ichhaben einander kennengelernt, voneinander gelernt und wirsind – wie ich meine – auf einem guten Weg, das gesteckteZiel zu erreichen.

Einigen von Ihnen mag dies „auf einem guten Wegsein“ zu wenig erscheinen – mehr als 6 Monaten nach demWechsel in der Leitung der Geschäftsführung. Nur bitte ichzu bedenken, daß Veränderungsprozesse in der Regel Zeit-schienen haben, die ohne Brüche nicht verkürzt werdenkönnen.

Zum Wechsel in der Leitung der DAV-Geschäftsführungkamen die zu bewältigenden Auswirkungen der Ausgliede-rung der Deutschen Anwaltakademie aus der Organisationdes DAV und der Abschluß der Vorüberlegungen, ob denneine moderne, EDV-gestützte Mitglieder- und Adressver-waltung im DAV zum Einsatz kommen soll. Ein Software-hauses ist mit der Erstellung einer Mitglieder- und Adress-verwaltung beauftragt worden. Die Software soll imOktober 96 fertig sein und dann installiert werden. Sie solleinmal die Mitgliederverwaltung auf einen neuzeitlichenStand bringen und langfristig auf der anderen Seite – durchAufnahme aller zugelassenen Anwälte – Aufschlüsse überdie Struktur des Berufsstandes liefern, die notwendig sind,

um nach innen und nach außen eine gezielte, sachlich fun-dierte, berufsständische Interessenwahrnehmung betreibenzu können.

Faßt man das Berichtsjahr zusammen, ist festzustellen,daß die Rahmenbedingungen für eine berufspolitische Ver-bandsarbeit im letzten Jahr nicht besser geworden sind. DerDAV ist zwar nach wie vor als kompetenter Gesprächspart-ner gefragt und geachtet. In Zeiten, in denen Sachargu-mente durch den knappen Hinweis auf leere Kassen unddie Notwendigkeit eines schlanken Staates weggewischtwerden, bedarf es allerdings einer gewissen Zähigkeit, umsachlich richtigen Positionen das nötige Gehör zu verschaf-fen.

Voraussetzung dafür, daß man gehört wird, ist weiterhin,daß man für sich reklamieren kann, die Mehrheit des Be-

rufsstandes zu vertreten. Bisher kann der DAV dies von sichsagen. Daß dies so bleibt, dafür werden wir alle gemein-sam, zukünftig sicherlich einiges tun müssen.

Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen es selbstver-ständlich war, Mitglied in einem örtlichen Anwaltverein zusein.

Anders als bei der für die Zulassung notwendigen Mit-gliedschaft in der Rechtsanwaltskammer, wird bei uns ge-fragt und muß von uns beantwortet werden, warum es sichdenn lohnt, Mitglied im örtlichen Anwaltverein zu sein.Eine Frage, die nicht nur Sie, sondern in gleicher Weiseauch der DAV zu beantworten hat.

Eine weitere Entwicklung hat sich im Berichtsjahr ver-stärkt: Unseren Berufsstand berührende Rechtspolitik wirdvornehmlich von den Landesjustizministerien angestoßen.Wer rechtspolitischen Einfluß nehmen will, muß hier anset-

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zen, d. h. in den Ländern muß der Kontakt zu den Landes-justizministerien gesucht und gepflegt werden. In diesemBereich braucht der DAV die Unterstützung der örtlichenAnwaltvereine und ihrer Zusammenschlüsse, der Landes-verbände. Nur koordinierter, sich gegenseitig unterstützen-der Einfluß im Bund und in den Ländern kann auf Dauererfolgreich sein.

Lassen Sie mich nun zu Einzelheiten der Aktivitäten desDAV im vergangenen Geschäftsjahr kommen, wobei ichmich auf das notwendigste beschränken muß.

B. Aktivitäten im Bereich Politik und GesetzgebungI. Berufsrecht1.) Satzungsversammlung

Die Neuordnung des Berufsrecht war für den Verbandim Berichtsjahr durch die Vorbereitung auf die Satzungs-versammlung ein wesentliches Thema.

Die Satzungsversammlung hat auf ihren Sitzungen inBerlin (1995), Bonn (1996) und Köln (1996) in allerdingsnoch vorläufiger Beschlußfassung die FachanwaltschaftenFamilienrecht und Strafrecht eingerichtet sowie für alleFachanwaltschaften eine Fachanwaltsordnung nebst zuge-höriger Verfahrensordnung entworfen.

Sie hat sich weiter auf Formulierungen zu den allgemei-nen Berufs- und Grundpflichten sowie zum Fragenkreis„Geld, Vermögensinteressen und Honorar“ vorläufig ge-einigt. Nach den vorliegenden Berichten, auf die ich ver-weisen darf, beschränkt sich die Satzungsversammlung inihrer Arbeit auf die exakte Konkretisierung der durch dasGesetz festgelegten Berufspflichten und vermeidet die Her-stellung eines Leitfadens für die Ausübung des Anwaltsbe-rufs. Diese Linie hatte der Deutsche Anwaltverein von Be-ginn an durch alle seine Gremien vorgeschlagen und er hatin der Satzungsversammlung dafür eine Mehrheit gefunden.Im Juni wird in Berlin die Diskussion fortgesetzt.

2.) Rechtsanwalts-GmbHObwohl nach dem Beschluß des Bayerischen Obersten

Landesgerichts die Möglichkeit einer Berufsausübung in ei-ner Rechtsanwalts GmbH eröffnet worden ist, ist heute fest-zustellen, daß von dieser vom Deutschen Anwaltverein seitlangem geforderten Modalität der Berufsausübung in größe-rem Umfang kein Gebrauch gemacht wird. Da die Gefahrbesteht, daß durch unterschiedlichste Zulassungspraktikender Registergerichte Wildwuchs entsteht, hat der DeutscheAnwaltverein unter Vorlage eines Regelungsvorschlagesden Gesetzgeber dazu aufgerufen, die Zulassungsvorauset-zungen für eine Rechtsanwalts-GmbH gesetzlich zu regeln.

Nachdem über längere Zeit im Bundesjustizministeriumdarüber nachgedacht worden ist, ob es möglich ist, dieRechtsanwalts-GmbH zu verbieten, hat sich nunmehr derBundesminister der Justiz dahingehend geäußert, daß in na-her Zukunft mit einem Rechtsanwalts-GmbH-Zulassungs-gesetz zu rechnen ist.

3.) PartnerschaftsgesellschaftAuch die in der vergangenen Legislaturperiode geschaf-

fene Partnerschaftsgesellschaft als besondere Gesellschafts-form für die Ausübungen der freien Berufe, die an sich dergemeinschaftlichen Ausübung des Anwaltsberufs am ange-messensten ist, ist von unserem Berufsstand noch nicht an-genommen worden. Dies ist verständlich, da die bisherigen

Regeln der Partnerschaftsgesellschaft weder die Möglich-keit einer Haftungsbeschränkung vorsahen noch für dasPensionsrückstellungproblem eine Lösung anboten. Diejetzt angekündigten gesetzgeberischen Überlegungen, diePartnerschaftsgesellschaft mit den der GmbH eigenen vor-teilhaften Regelungen wie Haftungsbeschränkung und Pen-sionsrückstellungsmöglichkeiten auszustatten, werden daherausdrücklich begrüßt.

4.) AnwaltsnotariatDie Novelle zur Bundesnotarordnung, die Fragen der

dem Anwaltsnotar möglichen Zusammenarbeitsformen, derMitwirkungsverbote ebenso wie viele Regelungen der enge-ren Berufspflichten behandelt, hat den Ausschuß und dieArbeitsgemeinschaft „Anwaltsnotariat“ im Berichtsjahr in-tensiv beschäftigt. Der zur Beratung anstehende Gesetzent-wurf wird vom DAV als zu einengend und überflüssig regu-lierend abgelehnt. Der Deutsche Anwaltverein wünscht eineNeugestaltung des Zugangs zum Anwaltsnotariat, nachdemsich die erst im Jahre 1991 getroffene Regelung als verfehlterwiesen hat und fordert ferner die Option für die neuenBundesländer, dort das traditionelle Anwaltsnotariat wiedereinzuführen.

II. GebührenrechtNach wie vor ist und war auch im Berichtsjahr eine zen-

trale Aufgabe des DAV, die Fortschreibung des Gebühren-rechts und die Anpassung der BRAGO-Gebührentabelle andie wirtschaftliche Entwicklung.

1.) Gebührenabschlag OstZum Gebührenabschlag Ost hat sich der Präsident be-

reits geäußert. Festzustellen ist, daß bisher leider nur einEtappenziel erreicht werden konnte. Nach einer Vielzahlvon Aktivitäten des DAV auf Bundes- und Landesebene hatsich das BMJ endlich dazu durchringen, per Ministerial-rechtsverordnung eine Herabsetzung des Gebührenabschla-ges von bisher 20% auf 10% mit Wirkung zum 1. Juli1996 auf den Weg zu bringen. Wir werden hier nicht nach-lassen, den Gebührenabschlag, eine durch nichts gerechtfer-tigte Belastung der Kollegen in den neuen Bundesländern,vollständig und endgültig zu beseitigen.

2.) Struktur des GebührenrechtsDer DAVAusschuß Gebührenrecht/Gebührenstruktur be-

schäftigt sich neben der ihm obliegenden Vorbereitung füreine Initiative zur linearen Anhebung der BRAGO-Gebüh-rentabelle seit Anfang 1996 intensiv mit Überlegungen, obund welche Strukturveränderungen beim anwaltlichen Ge-bührenrecht vorzunehmen sind und dem Gesetzgeber vor-geschlagen werden sollen. Nach den Planungen sollen dieEmpfehlungen des Ausschusses im August 96 dem Vor-stand vorgelegt und dort diskutiert werden.

IV. Aus der Arbeit der GesetzgebungsausschüsseAuch im Berichtsjahr haben die Gesetzgebungsaus-

schüsse des DAV wieder ein Riesenarbeitspensum erledigtund eine Vielzahl von Stellungnahme erarbeitet.

Aus dem weitgefächerten Katalog der rechtspolitischenThemen, die im Berichtsjahr Aufmerksamkeit und Behand-lung in den insgesamt 31 Gesetzgebungs- und Arbeitsaus-

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sschüssen erforderten, kann ich hier nur ganz wenige The-men und Arbeitsbereiche ansprechen.

1.) Justizentlastungesetzea. Zum Entwurf eines 2. Gesetzes zur Entlastung der

Rechtspflege: strafrechtlicher Bereich (Gesetzesantrag derLänder Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen, BR-Drs. 633/95) hat sich der Präsident bereits geäußert. LassenSie mich nachtragen, daß der DAV-Strafrechtsausschuß ge-genüber dem Bundesrat und dem Justizministerium zumEntwurf ablehnend Stellung genommen. Es wird noch vielÜberzeugungsarbiet zu leisten sein, und zwar nicht nur ge-genüber den Rechtspolitikern, sondern auch gegenüber demDeutschen Richterbund, der Einzelvorschlägen des Ent-wurfs positiv gegenübersteht.

Der Strafrechtsausschuß hat bereits mit Vertretern desRichterbundes darüber das Gespräch begonnen, wie bereitsnach geltendem Recht d. h. ohne Verfahrensänderungeninsbesondere in Umfangsverfahren effektiver und beschleu-nigt abgewickelt werden können.

b. Zu dem geplanten 2. Justizentlastungsgesetz für dasZivilverfahren ist folgendes anzumerken:

Die Justizministerkonferenz hat eine ArbeitsgruppeRechtspflegeentlastung und Verfahrensbeschleunigung inzivilgerechtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar-keit eingerichtet, die einen Entwurf eines Gesetzes zur Ent-lastung der Zivilgerichte bereits wieder vorgelegt hat. DerGesetzesentwurf sieht im wesentlichen die Einführung desobligatorischen Einzelrichterprinzips in erst- und zweitin-stanzlichen Verfahren vor dem Landgericht, eine Erhöhungder Berufungssumme auf DM 2.000,– und die Zurückwei-sung offensichtlich unbegründeter Berufungen durch Be-schluß vor.

In einer am 13. Februar 1996 durchgeführten Anhörungzu diesem Entwurf ist der Entwurf uni sono von allen ander Anhörung beteiligten Verbänden, u. a. dem Richter-bund, einhellig zurückgewiesen worden.

Die Justizministerkonferenz im Juni wird sich mit demEntwurf befassen und es wird abzuwarten sein, ob und inwelcher Form der Entwurf in das Gesetzgebungsverfahreneingebracht wird. Es wird dann Aufgabe des ZPO-Aus-schusses sein, sich im einzelnen des Entwurfs anzunehmen.

Hier werden wir in der rechtspolitschen Diskussionauch weiterhin sehr gefordert sein.

2.) BundesnotarordnungDer Präsident hat auch die in Artikel 5 Nr. 3 des Ent-

wurfes eines Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarord-nung vorgesehene und vom DAV bekämpfte Änderung desRechtsberatungsgesetzes angesprochen, die es u. a. zukünf-tig Steuerberatern erlaubt, in Angelegenheiten, mit denensie beruflich befaßt sind, auch die rechtliche Bearbeitungzu übernehmen, soweit diese mit den Aufgaben des Steuer-beraters in unmittelbaremrem Zusammenhang steht.

3.) FamilienrechtsausschußDer Familienrechtsausschuß hat sich im Berichtsjahr

u. a. mit dem Vorschlag der Bundesnotarkammer zur Justiz-entlastung und Verfahrensbeschleunigung zu befassen. DieBundesnotarkammer hatte u. a. vorgeschlagen, im Ehe-scheidungsverfahren auf die obligatorische mündliche Ver-

handlung zu verzichten und im Beschlußwege zu entschei-den, sofern eine notarielle Urkunde über alle regelungsbe-dürftigen Punkte vorgelegt wird. Der DAV hat diesen Vor-schlag in einer deutlichen Stellungnahme zurückgewiesen.

4.) StrafrechtsausschußAus der Arbeit des Strafrechtsausschusses lassen Sie

mich den Gesetzentwurf zur Hauptverhandlungshaft (BT-Drs. 13/2576), ansprechen, von dem ich weiß, daß er beiden Strafverteidigern teilweise große Unruhe ausgelöst hat.

Der Entwurf verstößt nach Auffassung des Strafrechts-ausschusses u. a.– gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Vor-

wegvollzug einer häufig gar nicht zu vollstreckendenStrafe,

– sowie– gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Aus diesem Grund hat der Strafrechtsausschuß den vor-geschlagenen Entwurf in einer Stellungnahme nachdrück-lich zurückgewiesen.

5.) SteuerrechtsausschußDas Jahressteuergesetz 1996 war Gegenstand von Bera-

tung des Steuerrechtsausschuß, der eine Stellungnahme ab-gegeben hat (§ 13 Abs. 2a ErbschStG). Zum gesamtenKomplex hat auch der Steueranwaltstag (Hauptveranstal-tung der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht) am 27./28.10.1995 Stellung genommen und sich mit einer Presseerklä-rung mit dem Titel „Inflation steuerrechtlicher Änderungenverhindert Zukunftsplanung“ zu Wort gemeldet.

Ferner hat der Steuerrechtsausschuß einen Steuerforde-rungskatalog aufgestellt, der dem Bundesverband Freier Be-rufe zugeleitet wurde, damit dieser eine gemeinsame steuer-politische Initiative aller Freien Berufe veranlassen kann.

Der geplanten neuen Präklusionsvorschrift des § 364bAbgabenordnung wird durch eine gemeinsame Stellungnah-me des Deutschen Anwaltvereins, des Steuerberaterverban-des und des Bundesverbandes Deutscher Finanzrichter ent-gegengetreten.

6.) Ausschuß RechtsberatungsgesetzWieder neu gegründet wurde der DAV-Ausschuß Rechts-

beratungsgesetz, der im Januar 1996 zu seiner ersten Sit-zung zusammen trat. Aufgabe des Ausschusses ist es, dieörtlichen Anwaltvereine in ihren Auseinandersetzungen aufdem Gebiet des Rechtsberatungsgesetzes zu begleiten undzu beraten. Zu diesem Zweck werden alle Anwaltvereineaufgefordert, alle Verfahren dem Deutschen Anwaltverein,die wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsge-setz geführt werden, mitzuteilen.

Neben der Betreuung derartiger Verfahren wird es Auf-gabe des Ausschusses sein, Überlegungen zur Fortentwick-lung und zur Sicherung des Rechtsberatungsgesetzes anzu-stellen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

In diesem Zusammenhang wird deutlich zu machensein, daß es immer Aufgabe und Intention des Rechtsbera-tungsgesetzes war und bleiben muß, den Verbraucher vorunqualifizierter Beratung zu schützen.

7.) Büroorganisation und Bürotechnik-AusschußDer Ausschuß „Büroorganisation und Bürotechnik“ prä-

sentierte auf dem Anwaltstag 1995 in Berlin seine aktuellen

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Arbeitsergebnisse. In einer Veranstaltung für RENO-Ange-stellte wurden die Arbeitsabläufe in der Anwaltskanzlei nä-her beleuchtet und Effizienzsteigerungen diskutiert. ImRahmen des Leitthemas „Unternehmen Rechtsanwalt“ wur-den die Chancen, aber auch die Probleme des „Tele-Ar-beitsplatzes“ diskutiert, sowie Fragendes Personal- und Ko-stenmanagements und der Büroausstattung erörtert.

Eine wesentliche Aufgabe des Ausschusses war auch imletzten Jahr die Vorbereitung der Veranstaltungen „Ich freu’mich aufs Büro“ und „Unternehmen Rechtsanwalt“ anläß-lich des Deutschen Anwaltstages. Darüber hinaus beschäf-tigte sich der Ausschuß mit den Themen Videokonferenz;Spracherkennungssysteme; Rechtsanwälte im Internet undTotal Quality Management.

8.) SozialrechtsausschußVom Sozialrechtsausschuß wurden folgende Stellung-

nahmen erarbeitet:9 Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einord-

nung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung indas Sozialgesetzbuch (UFEG)/Referentenentwurf Stand20.1.1995

9 Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reformdes Sozialhilferechts (BT-Drucksache 13/2440 vom27.9.1995) sowie

9 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asyl-bewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (BR-Drucksache 724/95 vom 3.11.1995)

9.) Arbeitsgruppe VersicherungsfragenDie Arbeitsgruppe Versicherungsfragen hat auch im ver-

gangenen Jahr den Gesprächskreis mit den Vermögenscha-denhaftpflichtversicherern fortgesetzt, um Auslegungsmög-lichkeiten in den Bedingungswerken einer einheitlichenPraxis zuzuführen.

10.) AusbildungsausschußDer Ausbildungsausschuß hat den Fachhochschulstu-

diengang in Lüneburg, der mit dem „Diplomwirtschaftsjuri-sten“ abschließen soll und sich nunmehr im dritten Seme-ster befindet, beobachtet.

11.) StrukturausschußDer Ausschuß „DAV und örtliche Anwaltvereine“, intern

kurz Strukturausschuß genannt, hat den Ihnen vorliegendenEntwurf einer neuen DAV-Satzung erarbeitet, den wir heuteund morgen diskutieren und über den wir abstimmen wer-den. Ersparen Sie mir im Augenblick Einzelheiten.

12.) ZivilrechtsausschußAus der Arbeit des Zivilrechtsausschusses ist berichten-

swert seine Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMJzum Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz

13.)VerkehrsrechtsausschußIm Verkehrsrecht wurden Stellungnahmen u.a. zu folgen-

den Themen formuliert:– Referentenentwurf BMJ zum 1. Gesetz zur Reform des

OWiG, Stellungnahme vom 22. November 1995– Gesetzentwürfe zur Änderung von § 24a StVG betr.

Herabsetzung des geltenden Alkohol-Promille-Grenz-

wertes von 0,8% auf 0,5 bzw. 0,0%, Stellungnahmevom März 1996

14.) Ausschuß RENODie Arbeitsgruppe RENO hat im Sommer/Herbst 1995

eine Aktualisierung der bisherigen Merkblätter für RENO-Azubis und RENO-Gehilfen bzw. RENO-Fachangestellevorbereitet und ein Konzept für eine RENO-Broschüre miteiner modernen Darstellung der Arbeitsbereiche und beruf-liche Möglichkeiten für nicht juristische Mitarbeiter in ei-ner Anwaltskanzlei vorbereitet. Die Umsetzung der Vorha-ben läuft zur Zeit.

Außerdem war die Arbeitsgruppe RENO maßgeblichbeteiligt an der Beratung und Vorbereitung der Änderungder ReNoPat-Ausbildungsverordnung, mit der insbesonderedie Berufsbezeichnung Anwaltsgehilfin durch Anwalts-Fachangestelle ersetzt wurde.

15.) Ausschuß „Außergerichtliche Konfliktbeilegung“Im Herbst 1995 hat der Ausschuß „Außergerichtliche

Konfliktbeilegung“ seine Arbeit nach einer längeren Pausewieder aufgenommen.

Der Ausschuß befaßt sich mit den Möglichkeiten einerZusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammernim Bereich der Schlichtungsstellen und einer Zusammenar-beit zwischen Industrie- und Handelskammern und Anwalt-schaft. Nach Aufnahme entsprechender Kontakte ist vorge-sehen, in München in Zusammenarbeit mit dem dortigenAnwaltverein ein Pilotprojekt zu initiieren.

16.) ZPO-AusschußErwähnenswert ist hier die Teilnahme des DAV an einer

Anhörungen zum Gesetzesvorhaben, mit dem die Gerichts-ferien abgeschafft werden sollen. Der DAV hat sich gegendie Abschaffung der Gerichtsferien gewandt und in einerAnhörung diese Auffassung vehement vertreten. Dadurchist es zu einem nochmaligen Nachdenken im Rechtsaus-schuß gekommen. Eine abschließende Stellungnahme desRechtsausschusses steht aus.

17.) Marketing-AusschußDer Marketing-Ausschuß wird Ihnen hier in Leipzig als

Arbeitsergebnis des Berichtsjahres nicht nur neue Faltblät-ter zur Mandanten-Werbung, sondern auch eine Anleitungzum anwaltlichen Marketing vorstellen. Dieser Präsentati-on, die für morgen vorgesehen ist, möchte ich hier nichtvorgreifen. Die Aktivitäten des Ausschusses werden, nach-dem die Voraussetzungen für anwaltliche Werbung gelok-kert haben, nicht nur auf die Gemeinschaftswerbung, son-dern noch intensiver auch auf die Bedürfnisse der einzelnenKolleginnen und Kollegen, denen kein nennenswerter Wer-beetat zur Verfügung steht, ausgerichtet sein.

18.) Kernausschuß JustizreformDer Kernausschuß Justizreform, der sich vor einem Jahr

in Berlin konstituiert hat und dessen Aufgabe es ist, die vor-handene Justizstruktur auf Schwachstellen hin zu untersu-chen und, soweit möglich, Alternativmodelle zu entwickeln,bzw. eigene Reformvorschläge zur strukturellen Verbesse-rung der Leistungsfähigkeit der Justiz und zur Verbesserungder Verfahrensregelung zu erarbeiten, hat seine Arbeit auf-genommen.

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Angesichts einer erkennbaren Justizpolitik der Länderund des Bundes, die offenbar nur noch zwei Mittel zur Lö-sung anstehender Belastungsprobleme kennen, entwederdas Zurückschneiden von Verfahrensarten oder aber dasZurückfahren des Qualitätsstandards unter Beibehaltungder vorhandenen Verfahrensarten, dürften die Überlegungendes Ausschusses von erheblicher Bedeutung sein.

19.) „Total Quality Management“sinngemäß übersetzt: Ein Managementprinzip zur Errei-

chung und Sicherung einer definierten QualitätNach Vorarbeiten eines im September 1995 vom Vor-

stand eingesetzten vorbereitenden Arbeitskreises, hat derDAV-Vorstand im Januar 1996 einen Ausschuß zum Thema„Total Quality Management“ eingesetzt.

Der vorbereitende Arbeitskreis hatte die Aufgabe, zuklären, in welcher Form sich der DAV mit der Frage einesin der Anwaltskanzlei umzusetzenden „Total Quality Mana-gement“ und der Frage der Zertifizierung von Anwalts-kanzleien befassen soll.

Der Arbeitskreis war zu folgendem Ergebnis gekommen:1. TQM kann ein strategisches Führungsinstrument

zur Optimierung der Leistungsqualität und des Ge-schäftserfolges auch der Tätigkeit eines Anwaltes sein,unter der Voraussetzung, daß TQM die Besonderheitender anwaltlichen Tätigkeit hinreichend berücksichtigt.

2. Die Einführung von TQM erfordert zwar keine Zer-tifizierung, jedoch ist schon heute erkennbar, daß für ei-nen Teil der Anwaltschaft die Umsetzung eines TQM-Sy-stems in ihrer Kanzlei das Bestreben ist, erfolgreich aneiner Zertifizierung teilzunehmen, um das erworbene Zer-tifikat als Marketinginstrument einsetzen zu können.

3. Im Hinblick auf diese Entwicklung muß der DAVauf Grund des bei ihm versammelten Sachverstandes dieBedingungen und Kriterien benennen, die im Rahmen ei-ner Zertifizierung maßgeblich sein sollen, um damit derGefahr zu begegnen, daß es zum Mißbrauch des Kriter-iums der „Qualität“ bei der Verwendung entsprechenderZertifikate kommt bzw. Scheinqualitäten zertifiziert wer-den, weil die Besonderheiten anwaltliche Berufsausbil-dung nicht sachgerecht berücksichtigt werden.

Dem Vorschlag des Arbeitskreises , daß sich der DAVin einem Ausschuß intensiv der Erarbeitung entsprechen-der Konkretisierungskriterien für eine Umsetzung vonTQM in der Anwaltskanzlei annimmt, ist der Vorstandgefolgt. Der Ausschuß hat seine Arbeit aufgenommen.Er bezieht bei seinen Überlegungen u. a. die in den USA,Australien insbesondere aber auch die in England und inden Niederlanden bereits vorliegenden Erfahrungen mitder Umsetzung von TQM in Anwaltskanzleien mit ein.

Der Vorstand hat den Ausschuß gebeten, nach Mög-lichkeit schon Ende 1996 ein vorläufiges Arbeitsergebnisvorzulegen, so das es möglich ist, bereits auf dem An-waltstag 1997 in Frankfurt dieses Thema zu diskutieren.

20.) VerwaltungsrechtsausschußDer Verwaltungsrechtsausschuß hatte sich mit dem

Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung der Verwal-tungsgerichtsordnung und anderer Gesetze zu befassenund eine Stellungnahme erarbeitet.

Der Verwaltungsrechtsausschuß lehnt die vorgesehenenGesetzesänderung ab, die erneut die bereits wiederholt ab-

gelehnten Zulassungsberufung, die Nachbesserung von Be-hördenentscheidungen mit Hilfe der Gerichtsbarkeit und dieweitgehenden Entleerung des vorläufigen Rechtsschutzesvorsieht.

IV. Aus der Arbeit der ArbeitsgemeinschaftenEiner der sehr aktiven Bereiche des Gesamtverbandes

DAV sind seine Arbeitsgemeinschaften, von denen die12. die Arbeitsgemeinschaft für Versicherungsrecht ge-rade gegründet und deren Geschäftsordnung gestern vomVorstand genehmigt worden ist.

Die Arbeitsgemeinschaften insgesamt erfreuten sich imBerichtsjahr wiederum eines lebhaften Zustrom neuer Mit-glieder. Am 10.1.1994 hatten die Arbeitsgemeinschafteninsgesamt 7.833 Mitglieder. Heute haben alle Arbeitsge-meinschaften zusammen über 12.000 Mitglieder.

Lassen Sie mich zu einigen wenigen Arbeitsgemein-schaften folgendes anmerken:

1.) Arbeitsgemeinschaft SteuerrechtDie erst im Jahre 1994 gegründete Arbeitsgemeinschaft

Steuerrecht nimmt eine erfreuliche Entwicklung. Mit Standvom 22.4.1996 verzeichnet die Arbeitsgemeinschaft 318Mitglieder. Erfolgreich hat sich auch die Hauptveranstal-tung der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht „Der Steueran-waltstag“ in Berlin entwickelt. Die steuerpolitischen Äuße-rungen des Steueranwaltstages in Form der Presseerklärungzum Jahressteuergesetz 1996 fanden ein breites Echo.

2.) Arbeitsgemeinschaft StrafrechtDer Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV gehören

über 1.800 Mitglieder an.Ein Schwerpunkt der Arbeit des Geschäftsführenden

Ausschusses liegt in der Durchführung des FachlehrgangesStrafrecht, damit Strafverteidigerinnen und Strafverteidigerdurch die erfolgreiche Teilnahme am Fachlehrgang Straf-recht des DAV die besonderen theoretischen Kenntnisse zurErlangung des Fachanwaltes Strafrecht, der wahrscheinlichvon der Satzungsversammlung verabschiedet wird, nach-weisen können.

Die Arbeitsgemeinschaft Strafrecht gibt seit dem Jahre1995 eine eigene Strafverteidigerzeitschrift, das Strafvertei-digerforum (StraFo) im Deutschen Anwaltverlag heraus, diedie Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft kostenlos erhalten.

Die Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV veranstal-tete neben den regionalen Fortbildungsveranstaltungen am10. und 11. November 1995 in Dresden das Strafverteidi-ger-Kolloquium zum Thema „Strafverteidigung im komple-xen Strafverfahren“. An dieser Veranstaltung nahmen weitmehr als 200 Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger teil.

Zum 6. Male veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft am10. und 11. Mai 1995 in Karlsruhe das Strafverteidiger-Frühjahrssymposium zum Thema „Gefährdung rechtsstaat-licher Verfahrensgarantien“. Neben mehr als 200 Kollegin-nen und Kollegen nahmen auch fast alle Richterinnen undRichter der fünf Strafsenate des Bundesgerichtshofes andieser Veranstaltung teil. Die Veranstaltung lebte insbeson-dere aus dem Erfahrungsaustausch der am Revisionsverfah-ren beteiligten Prozeßbeteiligten.

3.) Forum junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwältedes DAV

Ende August 1995 wurde das Forum junge Rechtsanwäl-tinnen und Rechtsanwälte des DAV gegründet, eine Arbeits-

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gemeinschaft, die Referendaren und jungen Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälten Hilfe beim Berufsstart gebenmöchte. Daß diese Arbeitsgemeinschaft einem aktuellenBedürfnis entspricht, zeigt ihre Mitgliederentwicklung.Nach knapp einem halben Jahr zählt sie bereits 867 Mitglie-der. Das Forum bildet seine Mitglieder durch Fachveranstal-tung fort, gibt ein Mitteilungsblatt heraus und hat Regional-beauftragte ernannt, die in den jeweiligen LG-BezirkenGesprächskreise für ihre Mitglieder einrichten sollen.

4.) Arbeitsgemeinschaft für FamilienrechtBemerkenswert ist das Wachstum der Arbeitsgemein-

schaft Familienrecht, die 3 Jahre nach ihrer Gründung 1.731Mitglieder zählt und damit in kurzer Zeit zur drittgrößtenArbeitsgemeinschaft avanciert ist. 1995 haben an 34 Fort-bildungsveranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft 1.707,1996 an 20 Veranstaltungen 1.037 Kollegen teilgenommen.

5.) Arbeitsgemeinschaft VersicherungsrechtIm März 1996 ist der DAV einem wiederholten geäußer-

ten Wunsch nachgekommen und hat als jüngste Arbeitsge-meinschaft, die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht,gegründet.

Die Arbeitsgemeinschaft, der bis heute 104 Mitgliederbeigetreten sind, hat u. a. die Aufgabe im Bereich des Pri-vatversicherungsrechts, des Versicherungsaufsichtsrechtsund des Rechts der berufsständischen Versorgung ein-schließlich der internationalen, insbesondere europäischenRechtsentwicklung sowie der Versicherungswirtschaft dieFortbildung ihrer Mitglieder zu fördern. Ausgenommenvom Aufgabengebiet der Arbeitsgemeinschaft ist das Rechtder Kraftfahrtversicherung und die Verkehrsrechtsschutzver-sicherung, nach wie vor damit eine Domäne der Arbeitsge-meinschaft für Verkehrsrecht.

Soweit auch die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht imDAV im Aufgabengebiet der Arbeitsgemeinschaft tätig ist,soll zwischen beiden Arbeitsgemeinschaften ein Meinungs-und Informationsaustausch, ggfs. die Zusammenarbeit an-gestrebt werden.

6.) Arbeitsgemeinschaft für VerkehrsrechtDie Mitgliederzahl der Arbeitsgemeinschaft für Ver-

kehrsrecht ist von ca. 3.300 auf knapp 3.600 gestiegen; sieist damit die größte AG im DAV. Im Berichtsjahr wurdenvon der Arbeitsgemeinschaft insgesamt 35 Fortbildungsver-anstaltungen mit etwa 1.560 Teilnehmer durchgeführt ein-schließlich Homburger Tage 1995.

Mit der neuen Veranstaltungsreihe „Einführung in dasgesamte Verkehrsrecht“ hat die Arbeitsgemeinschaft im Be-richtszeitraum an neun verschiedenen Veranstaltungsorteneinen Überblick über das gesamte Verkehrsrecht für jungeAnwälte und Referendare mit großem Teilnehmererfolg an-geboten.

Die Regionalbeauftragtentagung der AG Verkehrsrechthat im Dezember 1995 erneut und verstärkt die Einführungdes Fachanwaltes für Verkehrsrecht gefordert. Dieser Vor-schlag wurde in die Beratungen der Satzungsversammlunghereingetragen, bisher allerdings ohne Resonanz.

7.) ARGE BaurechtAuch die Arbeitsgemeinschaft Baurecht hat ihren Mit-

gliederbestand von 900 auf 1.100 Mitglieder erhöhen kön-

nen. Zwei große Baurechtstagungen sind im November1995 in Münster (250 Teilnehmer) und im März 1996 inStuttgart (230 Teilnehmer) erfolgreich durchgeführt worden.

V.Verbandsveranstaltungen1.) 48. Deutscher Anwaltstag

Das Berichtsjahr begann mit dem 48. Deutschen An-waltstag in Berlin, der für die Außendarstellung des DAVzu einem großen Erfolg geworden ist. Die Presseresonanzwar so groß wie nie und, wie eine Befragung von 200 Teil-nehmern ergab, war die Zufriedenheit der Teilnehmer eben-so groß. Der Anwaltstag war nicht schlecht besucht, abergerade in Berlin hätten wir gerne noch mehr Kolleginnenund Kollegen begrüßt. Bei zum damaligen Zeitpunkt über75.000 zugelassenen Anwälten und 38.000 Mitgliedern desDAV sollte und müßte eigentlich der Anwaltstag die mäch-tige Demonstration dieses Berufsstandes sein, ein Ziel, daswir in Frankfurt erneut versuchen müssen, zu erreichen.

Die Entscheidung für Berlin, drei Leitthemen anzubie-ten, wurde sehr positiv aufgenommen. Hervorragend be-sucht war die im Rahmen des Leitthemas „UnternehmenRechtsanwalt“ angebotene, vom Marketing-Ausschuß orga-nisierte Veranstaltung. Großen Anklang fand das Leitthema„Schlechte Behandlung der Mütter“, das auch der Aufhän-ger vieler Presseberichte über den Anwaltstag war. Nochnie zuvor hatten sich so viele Journalisten und Journalistin-nen, insgesamt 52, angemeldet und so umfangreich in Fern-sehen, Hörfunk und überregionalen und regionalen Zeitung-en und Zeitschriften über den Deutschen Anwaltverein,seine bedeutendste Veranstaltung und darüber, was diedeutsche Anwaltschaft bewegt, berichtet.

2.) Parlamentarischer Abend des DAVVon nicht minderer Bedeutung für die Darstellung des

Verbandes, insbesondere im Bereich der Politik, ist der tra-ditionelle Parlamentarische Abend des DAV. Zu diesemhatte der Präsident am 31. Januar 1996 eingeladen. Es er-schienen, wie in den Jahren zuvor, zahlreiche Mitgliederdes Deutschen Bundestages und des Rechtsausschusses, anihrer Spitze der Vorsitzende Herr Kollege Eylmann und dergerade in das Amt eingeführte Bundesminister der JustizProf. Dr. Schmidt-Jortzig. Gäste an diesem Abend warenauch die Mitglieder der Satzungsversammlung, die amnächsten Tag zu ihrer zweiten Sitzungsrunde in Bonn zu-sammentraten.

3.) Foren „Erfolg im Anwaltsberuf“Für die Zukunftsentwicklung, die Kontakte des DAV zu

den angehenden und gerade zugelassenen Rechtsanwältenund damit für die Mitgliederwerbung sind die Foren „Er-folg im Anwaltsberuf“, die wir mit großen Erfolg im Okto-ber 1995 in Magdeburg und im März 1996 in Bremen mitjeweils mehr als 300 Teilnehmern durchgeführt haben, vongroßer Bedeutung. Die wachsenden Zulassungszahlen unddie unzureichende Ausbildung auf den Anwaltsberuf zwin-gen die Anwaltschaft und den DAV, ihrem Nachwuchsselbst das erforderliche Know-how zu vermitteln.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal offiziell einenDank aussprechen: Der besondere Dank gilt den Vortragen-den bei diesen Foren, die sich ohne Honorar zur Verfügunggestellt haben und stellen, sowie der Hans-Soldan-Stiftung,dem Gerling-Konzern und der DKV, die durch Spenden die

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Durchführung der Foren in der Vergangenheit ermöglichthaben.

VI. Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitDamit bin bei der Außendarstellung des Verbandes

der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angelangt.Neben der täglichen Pressearbeit, d. h. der Vermittlung

von Interviews, von Hintergrundgesprächen, Stellungnah-men zu aktuellen Rechtsfragen und Rechtsentscheidungen,der Verfassung von Presseerklärungen und Verlautbarungenstellt sich der Jour fixe, der im nächsten Jahr seinen 10-jäh-rigen Geburtstag feiert, als wichtiges Instrument der Öffent-lichkeitsarbeit dar. Der Jour Fixe hat sich im Berichtsjahru. a. mit Rechtspflegeentlastung. der sog. Notar-Scheidung,Problemen des Ausländerrechts, mit Geldwäsche und Kor-ruption befaßt. An den lebhaften Diskussionen beteiligensich neben der eigentlichen Zielgruppe der Journalistenauch immer mehr Parlamentarier und Angehörige der je-weiligen Fach-Ministerien.

Das Journalisten-Seminar der Arbeitsgemeinschaft derVerkehrsanwälte des Deutschen Anwaltvereins hat sich in-zwischen als feste Institution etabliert und trägt zum besse-ren Verständnis der anwaltlichen Arbeit und damit zur Ima-geverbesserung der Anwaltschaft bei. Angesichts der gutenResonanz bei den Journalisten wird angestrebt und vorbe-reitet, daß zukünftig auch andere ArbeitsgemeinschaftenJournalisten-Seminare anbieten.

Pressekonferenzen hat der Deutsche Anwaltverein zu-letzt in Dresden und – mit erfreulich hoher journalistischerBeteiligung – in Karlsruhe durchgeführt.

Die 6. Auflage des Ratgebers des Deutschen Anwaltver-eins, das Faltblatt „Ohne Moos nix los“ zur Beratungs- undProzeßkostenhilfe hat das PR-Referat herausgegeben. Dasgenannte Faltblatt, daß die immer noch vorhandene Schwel-lenangst vom einem Anwaltsbesuch abbauen soll, wird beiunseren Mitgliedsvereinen und bei staatlichen und privatenBeratungsstellen so nachgefragt, daß die zweite Auflage be-reits vorbereitet wird.

Durch das Faltblatt „Eine Mitgliedschaft, die sich aus-zahlt“, lassen sich viele Kolleginnen und Kollegen fürden Beitritt zu dem örtlichen Anwaltverein gewinnen,wie der Rücklauf zeigt.

VII. Zusammenarbeit mit anderen OrganisationenAuch im Berichtsjahr sind die Kontakte zu den Organi-

sationen der anderen beratenden Berufe, d. h. zu den Nota-ren, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und jeweils ihren Kam-mern, zu den Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechts-anwaltskammer, ebenso wie zu den berufsständischen Ver-tretungen der Richter weiter gepflegt und zum Teil intensi-viert worden.

VIII. Deutsche Anwaltschaft und Europa1.) CCBE Niederlassungsrichtlinie

Der DAV hat sich auch im Berichtsjahr wieder aktiv inden Rechtsetzungsprozeß der Europäischen Union einge-schaltet.

Wiederum war der Entwurf einer Niederlassungsrichtli-nie, die sich mit der Frage des Rechts der dauerhaften Nie-derlassung unter dem Heimattitel sowie die Art und Weiseder Vollintegration in die Anwaltschaft im Niederlassungs-staat befaßt, der umstrittene Beratungsgegenstand.

Die deutsche Delegation des CCBE, die sich aus Vertre-tern von DAV und BRAK zusammensetzt, hat sich in derDiskussion stets dafür eingesetzt, eine gemeinsame Haltungvor der Kommission der Europäischen Union zu vertreten.

Auf der im vergangenen November in Dresden tagendenVollversammlung des CCBE, bei der der Deutsche Anwalt-verein mit der deutschen Delegation der CCBE Gastgeberwar, hat man sich nach langem Ringen den im CCBE ge-fundenen Kompromiß mitgetragen:

Das Recht zur Niederlassung unter dem Heimattitel be-steht zeitlich unbeschränkt. Eine Vollintegration in die An-waltschaft des Aufnahmestaates kann – aber muß nicht –nach 5-jähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit imAufnahmestaat auch ohne das Ablegen einer der EU-Hoch-schuldiplomanerkennungsrichtlinie entsprechenden Aner-kennungsprüfung erfolgen. Bei der notwendigen Entschei-dung über den Erlaß einer Prüfung sollen die Kenntnisseund die Berufserfahrung im Recht des Aufnahmestaates desBewerbers berücksichtigt werden.

Bedauerlicherweise hat sich der Rechtsausschuß des Eu-ropäischen Parlaments diesem Vorschlag nicht angeschlos-sen. Zwar hat sich der Ausschuß ebenfalls für eine zeitlichunbefristete Niederlassung ausgesprochen, doch sieht er fürdie Vollintegration nach Ablauf von 3 Jahren Tätigkeit imAufnahmestaat einen Automatismus vor. Dies bedeutet, derBewerber muß lediglich nachweisen, daß er effektiv undregelmäßig im Aufnahmestaat tätig war.

Der DAV wird sich weiterhin mit allen Mitteln gegeneine solche Regelung wenden. Eine Zulassung zur deut-schen Anwaltschaft ohne eine Prüfung der Kenntnisse imdeutschen Recht ist für den DAV schon aus Verbraucher-schutzinteresse keinesfalls akzeptabel.

2.) International Bar Association – IBA-Guidelines forForeign Legal Consultants

Weiter hatte sich der DAV mit Guidelines für ForeignLegal Consultants auseinanderzusetzen, die die Internatio-nal Bar Association vorgelegt hat.

Die Guidelines regeln, unter welchen Voraussetzungenund in welchem Umfang Personen aus einem Staat (Her-kunftstaat) als Foreign Legal Consultant (FLC) in einem an-deren Staat (Aufnahmestaat) rechtsberatend tätig sein dür-fen.

Da der Vorschlag der International Bar Association dennotwendigen Kompromiß zwischen Berufsinteresse undVerbraucherschutz zu Lasten der Verbraucher in unzulässi-ger Weise verläßt, hat der DAV eine Stellungnahme gegendiese Foreign Legal Consultant Guidelines erarbeitet, diean alle Mitglieder des IBA Councils (Vorstands) sowie alleMitglieder des CCBE versandt wurde. Viele Mietgliederhaben sich bereits der Stellungnahme des DAV angeschlos-sen.

3.) DAV-Aktivitäten in OsteuropaDer DAV ist weiterhin in Osteuropa aktiv. Auch im Be-

richtszeitraum veranstaltete der Förderverein für FreieAdvokatur unter maßgeblicher Mitarbeit des DAV in Polenerneut eine Reihe von Seminaren zum Thema „Wie organi-siere ich mein Büro“. Die Seminare dienen u.a. dazu, diepolnischen Kollegen über die Arbeitsweise einer deutschenKanzlei zu informieren, um die Zusammenarbeit mit deut-schen Kanzleien reibungsloser zu gestalten.

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4.) Neues Anwaltsgesetz in PolenIn Polen wird z. Zt. ein neues Anwaltsgesetz beraten.

Dabei steht u. a. auch die Frage der Zulassung ausländi-scher Anwälte in Polen zur Diskussion. Auf Einladung derDeutschen Stiftung für Internationale Rechtliche Zusam-menarbeit ist u. a. der DAV zu den Beratungen zu diesemGesetz hinzugezogen worden. Dabei konnte seitens desDAV-Vertreters deutlich gemacht werden, daß protektioni-stische Maßnahmen, die lediglich das Ziel haben, ausländi-sche Anwälte vom Markt zu verdrängen, dem Land nichthilfreich sein können. Vielmehr wurde empfohlen, eine Re-gelung, die der Regelung des § 206 Bundesrechtsanwalts-ordnung ähnlich ist, auch in das polnische Anwaltsgesetzeinzuführen.

C. Innerverbandliche AktivitätenI. Der DAV und die örtlichen Anwaltvereine

Alt letztes komme ich zur „Innenpolitik“ mit der Frage:Wie hat sich der DAV, wie haben sich seine Mitgliedsver-eine im Berichtsjahr entwickelt?

Wir zählen heute 233 örtliche Anwaltsvereine als Mit-glieder im Deutschen Anwaltverein. Der AnwaltvereinSaalfeld Rudolphstadt, gegründet am 31.11.1995 wurde als233. Verein am 1.1.1996 in den DAV aufgenommen.

In diesen 233 Anwaltsvereinen waren am 1.1.199640.451 Kolleginnen und Kollegen organisiert. Vor einemJahr am 1.1.1995 betrug die Mitgliederzahl 39.512, d. h.wir haben einen Zuwachs von knapp 1000 Mitgliedern zuverzeichnen. Isoliert betrachtet ist dies ein schöner Zu-wachs. Vergleicht man jedoch diese Zahl mit den entspre-chenden Zulassungszahlen, so ist festzustellen, daß es unsnicht gelingt, die Mehrheit der neu zugelassenen Anwältedavon zu überzeugen, daß die Mitgliedschaft im DAV nichtnur eine notwendige, sondern auch eine nützliche Mitglied-schaft ist.

Zu konstatieren ist allerdings, daß der Organisationsgradzwar immer noch über der magischen Grenze der Mehrheitder Mitglieder der Anwaltschaft liegt, jedoch in den ver-gangenen Jahren kontinuierlich gesunken ist. Per 1.1.1996hatten wir einen Organisationsgrad von 51,34 %.

Es gibt leuchtende Beispiele: 2 Vereine haben einen Or-ganisationsgrad von 100% – der Verein der BGH-Anwälteund der Anwaltverein Leer. Beinahe 10 Vereine weisen ei-nen Organisationsgrad von 82 bis 100% auf.

Aber es gibt eben auch Vereine, die nur 40% und nochweniger der zugelassenen Anwälte zu ihren Mitgliedernzählen.

In den Vereinen der neuen Bundesländern beträgt derdurchschnittliche Organisationsgrad zwar gegenwärtig nurknapp 30%. Aber hier ist Bewegung, der Trend läßt hoffen.Die Mitgliederzahlen wachsen in den Vereinen der neuenBundesländer schneller als die Zulassungszahlen. Von 1993bis 1994 betrug der Mitgliederzuwachs fast 42%, währendder Zuwachs an Zulassungen nur bei ca. 13% lag. DieserTrend hielt auch im Zeitraum 1994–1995 an: Der Zuwachsder Zulassungen lag bei 20%, der Mitgliederzuwachs aberüber 66%.

Angesichts der weiterhin ungebremsten Zulassungenzum Berufsstand, werden zukünftig gemeinsam große An-strengungen unternommen werden müssen, will der DAVauch zukünftig für sich in Anspruch nehmen, daß er dieMehrheit der deutschen Anwaltschaft vertritt.

Die örtlichen Anwaltvereine müssen attraktiv bleibenbzw. wieder werden für ihre vorhandenen Mitglieder, aberinsbesondere auch für die Kollegen, die noch nicht Mitglie-der sind.

Wir wissen, wie schwierig diese Aufgabe der Mitglie-derwerbung vor Ort ist und wir wissen auch, daß sie nurgemeistert werden kann, wenn unsere Mitgliedsvereine vonuns, dem DAV, optimal unterstützt werden.

In der Geschäftsführung ist aus dieser Erkenntnis eineerste Konsequenz gezogen worden: Die Verwaltung undBetreuung der örtlichen Anwaltvereine ist erstmals zentraleinem Dezernat, und zwar dem Dezernat von Frau Haack-Schmahl zugeordnet worden. Alle mit der Betreuung derörtlichen Anwaltvereine verbundenen Aufgaben und Arbei-ten werden hier erledigt bzw. verantwortlich koordiniert.

Voraussetzung für eine optimale Unterstützung unsererMitglieder ist, das wir wissen, was bei Ihnen vor Ort not-wendig ist, wo der Schuh drückt, wo wir helfen können.Dazu ist es notwendig, daß wir über Ihre Wünsche und Vor-stellungen informiert sind und Sie darüber informiert sind,was und wie wir Unterstützung gewähren können. Es be-darf also eines gegenseitigen Informationsaustausches zwi-schen dem DAV und seinen Mitgliedern. Bei der Bestands-aufnahme dessen, was wir von unseren Mitgliedsvereinenwissen, mußten wir feststellen, daß wir zum Teil nicht malGrundinformationen besaßen, d. h. es fehlen Informationenüber die Satzung, die Zusammensetzung des Vorstandes. Esfehlen aber auch z. B. Informationen über Vereinsaktivitä-ten, ja ob es solche gibt und wenn ja welche. Und wir brau-chen Ihre Rückmeldung über das, was wir tun und insbe-sondere was wir nicht tun, aus Ihrer Sicht aber tun sollten.Unmut über den DAV – seine Geschäftsstelle – äußern, istnur dann produktiv, d. h. kann nur dann zu Veränderungenführen, wenn der Unmut uns auch erreicht. Geben Sie unsdie Chance, Defizite zuerfahren, zu erkennen und abzubau-en.

Nicht nur die Kooperation zwischen DAV und den örtli-chen Anwaltvereinen muß zukünftig gestärkt werden, son-dern sinnvoll und notwendig ist auch die Kooperation derAnwaltvereine untereinander, z. B. bei Vereinen in direkterNachbarschaft, aber auch aller Vereine auf Landesebene.Warum kooperieren nicht regional benachbarte Anwaltver-eine z. B. bei der Durchführung von Fortbildungsveranstal-tungen? Ist es nicht sinnvoll, die Herausgabe von Vereins-mitteilungen gemeinsam zu planen? Vorstellbar wäre z. B.auch eine Kooperation bei Erledigung oft lästiger Mitglie-derverwaltungsaufgaben, wie Aufnahme – und Austrittsfor-malitäten, Beitragseinziehung, Mahnungen etc.

Dazu eine Hinweis: Die Fa. AnoText hat ein EDV-An-waltvereins-Verwaltungsprogramm entwickelt, das der Köl-ner Anwaltsverein gerade erprobt und das für alle Mitglie-derverwaltungsarbeiten eine EDV-Unterstützung anbietet.Dieses Programm können Sie sich hier in Leipzig in derBürofachausstellung ansehen und vorführen lassen.

Eine Folge der strafferen Organisation im Dezernat „ört-liche Anwaltvereine“ ist eine genaue Beobachtung der Bei-tragszahlungen der örtlichen Anwaltvereine an den DAV.Wie Sie gemerkt haben, haben wir Abschied genommenvon der Akzeptanz über Jahre hin lieb gewordener Gewohn-heiten bei der Beitragszahlung. Nach Anstoß durch einigeMitgliedsvereine haben wir uns an den Sinn und Zweck dergeltenden DAV-Beitragsordnung erinnert, nämlich eine klareRegelung zu schaffen für die Höhe und die Fälligkeit der zuleistenden Beiträge. Weiter gehen wird davon aus – und

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Dokumentation�vertrauen darauf –, daß Juristen wissen und akzeptieren,das bestehende Regeln einzuhalten sind.

Ausgehend von der Überzeugung, daß nicht diejenigenVereinsmitglieder, die stets regelmäßig und pünktlich ihrerBeitragspflicht nachkommen, die Dummen sein dürfen unddie Säumigen nicht belohnt werden sollten, hat der Vor-stand entsprechend der DAV-Satzung eine Reihe von Verei-nen aus dem DAV wegen Beitragsrückständen ausgeschlos-sen. Über die Berufungen gegen diese Ausschlüsse werdenwir heute nachmittag diskutieren und beschließen.

Wir werden auch über Änderungsanträge zur Beitrags-ordnung diskutieren.

Als Optimist gehe ich davon aus, daß ich in meinemnächsten Geschäftsbericht von einer pünktlichen Beitragser-füllung als Normalität berichten kann.

II. Deutscher AnwaltverlagLassen Sie mich abschließend über die halben und gan-

zen Töchter des DAV berichten:Die halbe Tochter Deutscher Anwaltsverlag konnte im

Berichtsjahr sein Buchprogramm um zahlreiche Praktiker-werke zu den Schwerpunkten anwaltlicher Tätigkeit erwei-tert werden. Insbesondere die Schriftenreihe „Anwaltspra-xis“, die erst vor wenigen Jahren begründet wurde, konntenachhaltig am Markt positioniert werden.

Stark erweitert wurde auch der Bereich der Praktikerhil-fen im Form von Tabellen und Verzeichnissen. Neben einerNeuauflage des Anwaltsverzeichnisses erschienen nach sehraufwendigen Vorarbeiten in Erstauflage das Sachverständi-genverzeichnis (alle öffentlich bestellten und vereidigtenSachverständigen) – auch als CD-ROM erhältlich – und dasGemeindeverzeichnis (mit Adressen und Hinweisen zukommunalen Zuständigkeiten).

III. DeutscheAnwaltAkademie GmbHDie Umwandlung der bisher als wirtschaftlicher Ge-

schäftsbetrieb des DAV geführte DeutscheAnwaltAkademiesowie die für die Kongreß- und Tagungsorganisation zu-ständige ORGA-Abteilung des DAV in eine rechtlich selb-ständige GmbH ist nunmehr abgeschlossen. Die unter

„DeutscheAnwaltAkademie Gesellschaft für Aus- und Fort-bildung sowie Serviceleistungen mbH“ firmierende 100%-ige Tochtergesellschaft des DAV bietet der Anwaltschaft einbreites Spektrum an Fortbildungsmaßnahmen und (Organi-sations-) Dienstleistungen an: In 1995 wurden ca. 400 ein-oder mehrtägige Seminare sowie – in Eigenregie bzw. zu-sammen mit Kooperationspartnern – zahlreiche Qualifizie-rungslehrgänge mit über 17.000 Teilnehmern durchgeführt.Neben dem alle wesentlichen Rechtsgebiete umfassendenund ständig um aktuelle Themen erweiterten Seminarpro-gramm für Anwälte wurde auch das spezielle Fortbildungs-angebot für Kanzleimitarbeiter und Berufsstarter – zu be-sonders günstigen Seminargebühren – ausgesprochen regein Anspruch genommen. Insgesamt waren im Berichtsjahretwa 360 Dozenten an über 750 Seminartagen für die Aka-demie tätig.

Der weitere Geschäftsbereich „ORGA-Abteilung“ zeich-nete in 1995 im Auftrag des DAV oder seiner Arbeitsge-meinschaften für die komplette Organisation und Abwick-lung von mehr als 50 ein- oder mehrtägigen Fachtagungenbzw. Kongressen verantwortlich, u. a. für den 48. Deut-schen Anwaltstag in Berlin und auch für diese Mitglieder-versammlung einschließlich Fachprogramm und Fachaus-stellung.

D. AusblickWas bringt das vor uns liegende Geschäftsjahr:

I. 125 Jahre DAV BambergAm 25. August 1996 wird der DAV 125 Jahre jung. Die-

ser Geburtstag soll mit einem Festakt in Bamberg, seinemGründungsort gebührend, gefeiert werden.

II. 49. Deutscher Anwaltstag in FrankfurtDie Vorbereitungen für den 49. Anwaltstag vom 7. bis

10. Mai 1997 in Frankfurt laufen bereits. Der FrankfurterAnwaltverein hat bereits ein attraktives Rahmenprogrammzusammengestellt. Das Fachprogramm, das bisher aller-dings nur in groben Grundüberlegungen besteht, versprichtebenso interessant zu werden.

DOKUMENTATION

Satzung

Die Mitgliederversammlung 1996 hat am 17. Mai 1996 inLeipzig einen erneuerten Text zur Satzung des DeutschenAnwaltvereins beschlossen. Die Satzungsreform dient derVerbesserung der Schlagkraft des Verbandes. Zum Zweckeder möglichst frühzeitigen Information drucken wir nach-folgend den beschlossenen Text.

Satzung des Deutschen Anwaltvereins e.V.beschlossen auf der

Mitgliederversammlung des Deutschen Anwaltvereinsam 17. Mai 1996 in Leipzig

I. Name, Sitz und Zweck des Vereins

§ 1(1) Der Verein heißt „Deutscher Anwaltverein e.V.“. Er hat seinenSitz in Bonn (Vereinsregister AG Bonn VR 4303).

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(2) Zweck des Vereins ist die Wahrung, Pflege und Förderung allerberuflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaftund des Anwaltsnotariats, insbesondere durch– Förderung von Rechtspflege und Gesetzgebung– Aus- und Fortbildung– Pflege des Gemeinsinnes und des wissenschaftlichen Geistes der

Rechtsanwaltschaft.Sein Ziel ist die Zusammenfassung aller Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte in Deutschland. Der Verein ist parteipolitisch undkonfessionell neutral.(3) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht nicht.(4) Der Verein ist berechtigt, im Rahmen des Vereinszwecks dieRechte seiner Mitglieder im eigenen Namen geltend zu machen,soweit die Mitglieder dem nicht widersprechen.(5) Der Verein ist berechtigt, sich an Gesellschaften zu beteiligen,deren Unternehmensgegenstand dem Zweck des Vereins gleichoder ähnlich ist, solche Gesellschaften zu gründen, zu erwerbenund zu leiten oder sich auf die Verwaltung der Beteiligung zu be-schränken. Der Verein ist berechtigt, seinen Vereinszweck nichtselbst, sondern durch solche Gesellschaften zu verfolgen und die-sen Tätigkeiten des Vereins ganz oder teilweise zu überlassen. DerVerein kann Büros im In- und Ausland errichten.

II. Mitgliedschaft

§ 2(1) Der Verein besteht aus ordentlichen Mitgliedern (Mitgliederngem. § 3 Abs. 1 und Einzelmitgliedern nach altem Satzungsrecht),außerordentlichen Mitgliedern und Ehrenmitgliedern. Außeror-dentliche Mitglieder und Ehrenmitglieder haben die Rechte undPflichten der ordentlichen Mitglieder; außerordentliche Mitgliederbesitzen jedoch weder Stimm- noch Wahlrecht.(2) Die Mitglieder unterstützen den Verein bei der Wahrnehmungseiner Aufgaben. Sie fördern in Übereinstimmung mit den Be-schlüssen des Vereins, im übrigen im Einvernehmen mit ihm dieberufspolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Anwaltschaft,die Ausbildung des juristischen Nachwuchses und die Fortbildungder Anwaltschaft.(3) Jeder örtliche Anwaltverein, der Mitglied des Vereins ist, hatdie Verpflichtung, dem in seinem Bundesland bestehenden Landes-verband beizutreten und diese Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten.Soweit kein Landesverband besteht, haben die örtlichen Mitglieds-vereine die Pflicht, einen Landesverband zu gründen. Jeder örtlicheMitgliedsverein hat darauf hinzuwirken, daß der Landesverbandaußerordentliches Mitglied des Vereins wird und bleibt.(4) Die Mitglieder sind zur Zahlung von Beiträgen und Umlagenverpflichtet. Die Höhe und Ausnahmen regelt die Beitragsordnung.Ehrenmitglieder und außerordentliche Mitglieder im Sinne von § 3Abs. 2a) und b) sind von der Beitrags- und Umlagepflicht befreit.Ein einmal festgesetzter Jahresbeitrag gilt bis zu einer erneuten Be-schlußfassung. Näheres regelt die Beitragsordnung.

§ 3(1) Ordentliches Mitglied kann jeder am Sitz eines deutschen Ge-richts bestehende Anwaltverein werden, der einem Landesverband(§ 5 Abs. 1) angehört. Anwaltvereine, die bei Erlaß dieser Satzungzwar Mitglied des Vereins sind, aber nicht dem Landesverband ih-res Bundeslandes angehören, sind verpflichtet, diesem bis zum31.12.1997 beizutreten.(2) Als außerordentliches Mitglied sind auf entsprechenden Antragaufzunehmena) ein Landesverbandb) das Forum junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.c) Außerordentliches Mitglied kann außerdem jeder deutscheRechtsanwalt werden, der keine Niederlassung in Deutschland hatund jeder ausländische Rechtsanwalt, dessen Aufnahmegesuch derVorstand zustimmt.(3) Die Aufnahme ist schriftlich zu beantragen.(4) Die Ehrenmitgliedschaft wird durch die Mitgliederversammlungverliehen.

(5) Über die Aufnahme als ordentliches oder außerordentlichesMitglied entscheidet der Präsident. Lehnt er die Aufnahme ab, sohat er dies dem Bewerber durch eingeschriebenen Brief unverzüg-lich mitzuteilen. Gegen die Ablehnung kann der Bewerber binnenzwei Wochen durch eingeschriebenen Brief die Entscheidung desVorstandes beantragen.

§ 4(1) Die Mitgliedschaft erlischt durch schriftliche Austrittserklärung,durch Auflösung des Mitgliedsvereins, durch Wegfall der Voraus-setzungen des § 3 Abs. 1 und durch Ausscheiden eines Einzelmit-glieds aus der Anwaltschaft. Der Austritt kann nur zum Schluß ei-nes Kalenderjahres mit dreimonatiger Frist erklärt werden.(2) Handelt ein Mitglied den Vereinszwecken gröblich zuwideroder kommt es trotz schriftlicher Mahnung des Schatzmeisters mitmehr als einem Jahresbeitrag in Rückstand, oder tritt ein Mitgliedseinem Landesverband nicht bei, kann der Vorstand das Mitgliedaus dem Verein ausschließen. Vorher ist dem Mitglied durch einge-schriebenen Brief des Präsidenten Gelegenheit zu einer schriftli-chen Rechtfertigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu ge-ben. Gegen den Beschluß des Vorstandes ist innerhalb einer Fristvon einem Monat Berufung an die Mitgliederversammlung zuläs-sig. Die Frist für die Einlegung der Berufung beginnt mit Zugangdes Vorstandsbeschlusses. Die Einlegung der Berufung hat bei derGeschäftsstelle des Deutschen Anwaltvereins e. V. zu erfolgen.

III. Landesverbände

§ 5(1) Landesverband im Sinne von § 3 Abs. 2a ist die Gesamtheitder Mitgliedsvereine auf Landesebene.Er muß nach seiner Satzunga) das Ziel verfolgen, alle Mitgliedsvereine des jeweiligen Bundes-landes zu umfassen,b) sich zur Aufnahme aller Mitgliedsvereine verpflichten undc) die Wahl eines Vorstands vorsehen, der aus dem Vorsitzendenund mindestens zwei weiteren Mitgliedern besteht.Besteht in einem Bundesland nur ein Verein, so hat dieser auch dieFunktion eines Landesverbandes, ohne außerordentliches Mitgliedzu sein oder zu werden.(2) Der Landesverband unterstützt den Verein bei der Wahrneh-mung seiner Aufgaben. Er fördert im Einvernehmen mit ihm dieberufspolitschen und wirtschaftlichen Interessen der Anwaltschaftauf Landesebene und wirkt mit dieser Zielsetzung auf die Gesetz-gebung, die Rechtspflege und die Verwaltung des Bundeslandesein. Er fördert die Ausbildung des juristischen Nachwuchses unddie Fortbildung der Anwaltschaft.(3) Die Landesverbände nehmen an der Mitgliederversammlungdes Vereins mit Rede- und Antragsrecht teil.

§ 6(1) Die Landesverbände, Landesvereine und die örtlichen Anwalt-vereine, die ein ganzes Bundesland umfassen, bilden die Landes-verbandskonferenz, in die sie ihre Vorsitzenden entsenden. Diesewählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden (Obmann). Die Amts-zeit des Obmanns beträgt zwei Jahre.(2) Der Obmann ist Mitglied des Vorstands des Vereins (§ 16).(3) Die Landesverbandskonferenz wirkt bei der Verbandsarbeit desVereins mit. Sie tagt mindestens einmal pro Jahr und wird vom Ob-mann einberufen, der sie leitet. Der Präsident und das zuständigePräsidiumsmitglied haben Anwesenheitsrecht. Die Landesver-bandskonferenz gibt sich eine Geschäftsordnung.

IV. Zusammenwirken innerhalb des Verbandes

§ 7(1) Der Vorstand des Vereins und seine Geschäftsführung beziehendie Mitglieder bei allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung indie Meinungsbildung ein und unterrichten sie umfassend. Sie betei-ligen die Landesverbände an allen Maßnahmen, die ihre Bundes-länder betreffen.

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Dokumentation �

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(2) Die Landesverbände unterrichten Vorstand und Geschäftsfüh-rung des Vereins sowie ihre Mitglieder umfassend über ihre Arbeitund beteiligen den Verein an allen Maßnahmen, die über ihr Bun-desland hinaus für die Wahrnehmung der Aufgaben des Vereinsselbst von Bedeutung sind.(3) Die örtlichen Mitgliedsvereine unterrichten den Vorstand desVereins und seine Geschäftsführung sowie den Landesverbandüber ihre Arbeit und beteiligen sie an allen Maßnahmen, die überihren Vereinsbezirk hinaus von Bedeutung sind.(4) Der jeweilige Landesverband und der Verein beteiligen deneinzelnen örtlichen Mitgliedsverein an allen Maßnahmen, die spe-ziell den Vereinsbezirk des örtlichen Mitgliedsvereins betreffen.

V. Forum junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

§ 8(1) Das Forum junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ver-tritt die Interessen von Berufsanfängern und Juristen im Vorberei-tungsdienst (Referendare). Es ist rechtlich unselbständig. Der Vor-stand gibt ihm eine Geschäftsordnung, die nur mit seiner Zustim-mung geändert werden kann.(2) Das Forum wird von einem Geschäftsführenden Ausschuß ei-genständig geleitet. Er besteht aus mindestens sechs Mitgliedern.Der Vorstand des Vereins bestimmt zwei Mitglieder. Die übrigenwerden von den Mitgliedern des Forums gewählt.

VI. Arbeitsgemeinschaften

§ 9(1) Der Verein kann zur Förderung des in § 1 Abs. 2 beschriebenenVereinszwecks für bestimmte Rechtsgebiete rechtlich unselbständi-ge Arbeitsgemeinschaften gründen. Der Vorstand gibt den Arbeits-gemeinschaften Geschäftsordnungen, die nur mit seiner Zustim-mung geändert werden können.(2) Die Arbeitsgemeinschaften werden von GeschäftsführendenAusschüssen eigenständig geleitet. Sie berücksichtigen die gemein-samen Belange des Vereins und seiner Mitglieder und unterrichtenden Vorstand des Vereins. Der Vorstand bestimmt ein Mitglied desGeschäftsführenden Ausschusses. Die übrigen werden von denMitgliedern der Arbeitsgemeinschaft gewählt.(3) Der Vorstand und die Geschäftsführung beteiligen die Arbeits-gemeinschaften an der Arbeit des Vereins. Die Arbeitsgemein-schaften sind in allen, ihre fachspezifischen oder ihre Organisati-onsstruktur betreffenden Fragen in die Meinungsbildung des Vor-standes einzubeziehen.(4) Die Arbeitsgemeinschaften nehmen an den Mitgliederver-sammlungen des Vereins mit beratender Stimme teil.

VII.Vereinsorgane

§ 10Organe des Vereins sind:– die Mitgliederversammlung (§§ 11 – 15)– der Vorstand (§§ 16 – 19)– der Präsident (§ 21 Abs. 1)– das Präsidium (§ 16 Abs. 3, § 21 Abs. 2) und– die Landesverbandskonferenz (§ 6).

VIII. Mitgliederversammlung

§ 11(1) Die Mitgliederversammlung ist zuständig für1. die Wahl der Mitglieder des Vorstandes2. die Bestellung des Kassenprüfers und seines Vertreters3. die Genehmigung des Jahresabschlusses4. die Entlastung des Vorstands5. die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge und Umlagen sowie den

Erlaß oder die Änderung der Beitragsordnung6. die Änderung der Satzung7. die Auflösung des Vereins

8. die Entscheidungen nach § 1 Abs. 5 Satz 29. die ihr an anderer Stelle dieser Satzung übertragenen Aufgaben.(2) Bei der Zusammensetzung des Vorstandes sind regionale undfachspezifische Ausgewogenheit anzustreben.

§ 12(1) Die Mitgliederversammlung ist alljährlich mindestens einmaleinzuberufen. Ort, Zeit und Tagesordnung bestimmt der Vorstand.(2) Der Vorstand hat eine Mitgliederversammlung einzuberufen,wenn dies unter Angabe von Gründena) von Mitgliedsvereinen beantragt wird, die zusammen über min-destens 500 Stimmen in der Mitgliederversammlung verfügenoderb) von mindestens 15 Mitgliedsvereinen verlangt wird.Die Mitgliederversammlung hat innerhalb von drei Monaten nachAntragstellung stattzufinden.

§ 13Die Einberufung der Mitgliederversammlung erfolgt mit einer Fristvon vier Wochen unter Bekanntgabe der Tagesordnung durch einfa-che Mitteilung an die Mitglieder. Die Bekanntgabe im Anwalts-blatt genügt.

§ 14(1) Anträge und Ergänzungen zur Tagesordnung müssen spätestenszwei Wochen vor Beginn der Mitgliederversammlung bei der Ge-schäftsstelle eingehen, Anträge auf Satzungsänderung spätestensdrei Wochen vorher. Hierüber sind die Mitglieder unverzüglich zuunterrichten.(2) Den Anträgen ist nur zu entsprechen, wenn sie gemäß § 12 un-terstützt werden.

§ 15(1) Den Vorsitz in der Mitgliederversammlung führt der Präsident.(2) Bei den Abstimmungen entscheidet die einfache Mehrheit derabgegebenen Stimmen. Eine Satzungsänderung erfordert eineZweidrittelmehrheit. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebe-ne Stimmen.(3) Jeder Mitgliedsverein hat pro angefangene 100 ihm angehören-de Mitglieder zehn Stimmen. Maßgebend ist der 1. Januar desJahres, in dem die Mitgliederversammlung stattfindet. Einzelmit-glieder und Ehrenmitglieder haben jeweils eine Stimme. Außeror-dentliche Mitglieder haben kein Stimmrecht.(4) Bei der Abstimmung über Anträge zur Geschäftsordnung hat jedesstimmberechtigte Mitglied abweichend von Abs. 3 nur eine Stimme.(5) Stimmberechtigt für einen Verein ist ein als Vertreter bestelltesMitglied eines Mitgliedsvereins. Ein Vertreter darf höchstens sechsMitglieder vertreten. Die Vertretungsvollmacht ist schriftlich zu er-teilen und vor Beginn der Mitgliederversammlung bei der Ge-schäftsführung vorzulegen. Einzelmitglieder können sich nicht ver-treten lassen.(6) Die Stimmberechtigten sind an Weisungen nicht gebunden.(7) Die Mitgliederversammlung entscheidet durch Geschäftsord-nungsbeschluß über den Abstimmungsmodus. Bei geheimer Ab-stimmung erfolgt die Auszählung durch drei Zähler, die von derMitgliederversammlung gewählt und zur Verschwiegenheit ver-pflichtet sind.(8) Die gefaßten Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen undvom Versammlungsleiter zu unterzeichnen.

IX.Vorstand, Geschäftsstelle

§ 16(1) Der Vorstand besteht aus 27 von der Mitgliederversammlunggewählten Rechtsanwälten, die Mitglieder des Vereins oder einesMitgliedsvereins sein müssen, sowie aus dem Obmann der Landes-verbandskonferenz, sofern dieser nicht bereits als gewähltes Mit-glied dem Vorstand angehört.

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(2) Der Verein wird im Sinne des § 26 BGB vertreten durch denPräsidenten oder einen Vizepräsidenten zusammen mit einem wei-teren Vizepräsidenten.(3) Der Vorstand wählt aus der Mitte der gewählten Vorstandsmit-glieder den Präsidenten und auf dessen Vorschlag das Präsidium,bestehend aus dem Präsidenten und mindestens vier Vizepräsiden-ten. Außerdem gehören dem Präsidium die gewählten Vorstands-mitglieder mit beratender Stimme an, die das Amt des Präsidenteninnehatten.

§ 17(1) Der Vorstand ist für alle Vereinsangelegenheiten zuständig, so-weit diese nicht der Mitgliederversammlung oder anderen Vereins-organen in der Satzung übertragen sind. Er kann dem Präsidentenund dem Präsidium weitere Aufgaben übertragen.(2) Beschlüsse des Vorstandes werden in Sitzungen oder außerhalbvon Sitzungen durch schriftliche Abstimmung gefaßt. Die Sitzun-gen werden vom Präsidenten einberufen. Schriftliche Abstimmun-gen werden von ihm veranlaßt. Beschlußfähig ist der Vorstand,wenn mindestens neun Mitglieder anwesend sind. Für schriftlicheAbstimmungen ist vom Präsidenten eine angemessene Frist zur Be-antwortung zu bestimmen. Stimmabgaben, die nach Ablauf derFrist eingehen, bleiben außer Betracht.(3) Der Vorstand hat alle zwei Jahre einen Anwaltstag auszurichten.

§ 18(1) Die Amtsdauer der gewählten Vorstandsmitglieder beginnt mitdem Schluß der Mitgliederversammlung, in der sie gewählt werdenund endet mit dem Schluß der Mitgliederversammlung, in der dieNeuwahl stattgefunden hat. Die Neuwahl erfolgt in einer Mitglie-derversammlung, die im 4. Kalenderjahr nach der Wahl stattfindet.Im Falle der Wiederwahl darf die Amtsdauer 12 Jahre insgesamtnicht überschreiten; diese Beschränkung gilt nicht für den jeweilsamtierenden Präsidenten.(2) Die Zugehörigkeit zum Vorstand erlischt, wenn das Vorstandsmit-glied nicht mehr Mitglied des Vereins oder eines Mitgliedsvereins ist.(3) Für Vorstandsmitglieder, die dem Vorstand im Zeitpunkt des In-krafttretens dieser Satzung angehören, gilt die zeitliche Begrenzungdes § 18 Abs. 1 Satz 3 ab dem Ende ihrer laufenden Wahlperiode.(4) Scheidet ein gewähltes Vorstandsmitglied während der Wahlpe-riode aus, so kann für die restliche Zeit eine Ersatzwahl stattfinden.Sie muß stattfinden, wenn mindestens vier Vorstandsmitgliederausgeschieden sind.

§ 19(1) Der Vorstand kann zur Vorbereitung seiner Beschlüsse und zurAusarbeitung und Begutachtung von Gesetzentwürfen ständige undnichtständige Ausschüsse einsetzen. Er entscheidet auch über de-ren Auflösung.(2) Die Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse, ihre Vertreter unddie Ausschußmitglieder werden für fünf Jahre bestellt. Während ei-ner Amtsperiode bestellte Vorsitzende, Vertreter und Ausschußmit-glieder sind für deren Dauer bestellt. Wiederbestellung ist zulässig.(3) Der Präsident ernennt vorläufig die Vorsitzenden und beruft dieMitglieder der Ausschüsse. Eine Ergänzung, Erweiterung oder Be-schränkung der Zahl der Mitglieder der ständigen Ausschüsse istnur zulässig, wenn drei Viertel der bisherigen Mitglieder einwilli-gen.(4) Die vorläufig ernannten Vorsitzenden und ihre Vertreter bedür-fen der Bestätigung durch den Vorstand. Sie soll nur erteilt werden,wenn die Mehrzahl der Mitglieder des betroffenen Ausschussesder Ernennung zugestimmt hat.(5) Der Vorstand erläßt für die Arbeit der Ausschüsse Richtlinien.

§ 20(1) Der Verein unterhält eine Geschäftsstelle. Der Vorstand ent-scheidet über die Organisation, räumliche und personelle Ausstat-tung sowie die Errichtung weiterer Geschäftsstellen.

(2) Die Geschäftsstelle wird von einer Geschäftsführung geleitet,der der Hauptgeschäftsführer vorsteht. Der Vorstand beschließteine Geschäftsordnung.

X. Präsident, Präsidium

§ 21

(1) Der Präsident repräsentiert den Verein und führt die laufendenGeschäfte. Er leitet die Mitgliederversammlungen, die Vorstands-und Präsidiumssitzungen und entscheidet in allen unaufschiebbarenAngelegenheiten, auch in den Fällen, in denen nach Absatz 2 dasPräsidium zuständig ist.

(2) Das Präsidium hat das Vermögen des Vereins, seine Finanzenund Beteiligungen zu verwalten, die Vorstandssitzungen vorzube-reiten und die ihm vom Vorstand zugewiesenen Aufgaben zu erle-digen. Das Präsidium gibt sich eine Geschäftsordnung.

XI.Vereinsjahr

§ 22

Das Vereinsjahr ist das Kalenderjahr.

XII. Auflösung des Vereins

§ 23

(1) Der Verein kann nur mit 4/5 der abgegebenen Stimmen von derMitgliederversammlung aufgelöst werden. Diese ist insoweit be-schlußfähig, wenn in ihr mindestens 3/4 aller im Verein vorhande-nen Stimmen vertreten sind und wenn die Einberufung der Mitglie-derversammlung mindestens drei Monate vorher unter Angabedieses Tagesordnungspunktes erfolgte.

(2) Die Mitgliederversammlung beschließt über die Verwendungdes Vereinsvermögens.

XIII. Inkrafttreten

§ 24

(1) Die Satzung tritt am 1. Juni 1996 in Kraft.

Buchhinweis

Liste von Rechtsanwälten und Patentanwälten im Ausland, Teil II:Afrika, Asien, 13. Aufl., Stand Okt. 1995, hrsg.von der bfai, 50,– DM

In der bekannten und vorzüglichen Publikationsreihe der bfai(Bundesstelle für Außenhandelsinformation), die dem internationa-len und ausländischen Wirtschafts- und Steuerrecht gewidmet ist,ist in 13. Auflage 1995 die Liste von Rechtsanwälten und Patentan-wälten im Ausland, Teil II: Afrika, Asien erschienen. (Stand: Okto-ber 1995). Die Broschüre ist eine äußerst wertvolle Hilfe bei derSuche nach Anwälten in fernen Ländern. Man muß nicht eigensbetonen, daß mit der Aufnahme in die Liste keine Aussage überdie Qualität der jeweils verzeichneten Rechtsanwälte verbundensein kann. Die Schrift enthält dankenswerter Weise nicht nur eineblanke Liste von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, sonderngibt in knappen Vorbemerkungen einige Hinweise zur Stellung desRechtsanwalts in den jeweiligen Ländern. Außerdem gibt es Litera-turhinweise zum internationalen und ausländischen Verfahrens-recht.

Die Schrift kann unter der Bestellnummer 4107 bezogen wer-den bei der Bundesstelle für Außenhandelsinformation, Agrippa-straße 87-93, 50676 Köln

Red.

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PR-Referat

I.) Mitgliederversammlung des Deutschen Anwaltvereinsam 16. und 17. Mai 1996 in Leipzig

1.) PrintmedienBerichte und Kommentare über die Pressekonferenz des

Deutschen Anwaltvereins in Leipzig erschienen in derLeipziger Volkszeitung vom 18./19. Mai 1996, in der Süd-deutschen Zeitung vom 18.5.1996, in Die Welt vom18.5.1996, im Handelsblatt vom 20.5.1996 und in der Stutt-garter Zeitung vom 18.5.1996. Im Mittelpunkt der Bericht-erstattung und der Kommentare stand die Forderung desDeutschen Anwaltvereins nach einer berufsbezogeneren Ju-ristenausbildung. An dem Pressegespräch nahmen für denDeutschen Anwaltverein Vizepräsident und SchatzmeisterWolfgang Schwackenberg, Oldenburg, Vizepräsident Dr.Ullrich Stobbe, Hannover und Hauptgeschäftsführer Dr.Dierk Mattik teil. Die im Vorlauf zur Mitgliederversamm-lung herausgegebenen Pressemitteilungen führten zu Bei-trägen und Kommentaren in verschiedenen überregionalenund regionalen Zeitungen. So erschien schon am 14.5.1996ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, der über denWandel des Anwaltsberufes berichtete. Die Leipziger Zei-tung berichtete in ihrer Ausgabe vom 17.5.1996 über dieForderung des DAV, den Gebührenabschlag für Rechtsan-wältinnen und Rechtsanwälte in den neuen Bundesländernabzuschaffen. Ein Hinweis auf die Mitgliederversammlungfand sich schließlich in der Leipziger Volkszeitung vom17.5.1996; eine ddp/ADN-Meldung vom 16.5.1996 be-schäftigte sich mit dem Deutschen Anwaltverein. Die Süd-deutsche Zeitung vom 20.5.1996 beschäftigte sich am20.5.1996 mit dem Einheitsjuristen und den Forderungendes DAV zur Juristenausbildung.

2.) HörfunkDer Mitteldeutsche Rundfunk berichtete am 17. Mai

1996 zu verschiedenen Zeiten über das Pressegespräch inLeipzig. Die Berichte wurden vom Mitteldeutschen Rund-funk zusätzlich mittels einer Lautsprecheranlage über denMarktplatz Leipzigs ausgestrahlt, so daß auch die Passantenüber den Deutschen Anwaltverein, seine Ziele und aktuel-len Forderungen informiert wurden.

In der Sendung „Morgentoast“, Radio Leipzig am Frei-tag, 17.5.1996, wurde ein Interview mit DAV-Präsident FelixBusse ausgestrahlt. Busse äußerte sich zur Mitgliederver-sammlung und dem angebotenen Fachprogramm, zur Situa-tion der deutschen Anwaltschaft und zu den unterschiedli-chen Arbeitsbedingungen für die Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte in den neuen und alten Bundesländern. ZumThema „junge Anwälte“, ihren Zukunftsaussichten und zurSpezialisierung auf bestimmte Rechtsgebiete wurde Bussevom Norddeutschen Rundfunk interviewt. Der Beitrag wur-de am 17.5.1996 in der Sendung der Morgen, NDR 4, aus-gestrahlt. Die Situation der Anwaltschaft, Fragen der Spe-zialisierung und die „TÜV-Plakette“ für den Anwalt warenGegenstand eines am 17.5.1996 vom Hessischen Rundfunkin der Sendung „Markt“ mit dem DAV-Präsidenten ausge-strahlten Interviews.

II.)Verschiedenes

1.) Printmedien

Auf das Thema „TÜV-Plakette für den Anwalt“ und dieMitgliederversammlung in Leipzig wies ein Bericht desBranchen-Dienstes „recht intern“ vom 3.4.1996 hin. In der-selben Ausgabe wurde DAV-Präsident Felix Busse mit sei-ner Forderung der völligen Streichung des Gebührenab-schlages in den neuen Bundesländern, die auf eineentsprechende DAV-Presseerklärung zurückgeht, zitiert.

Die Presseerklärung des Strafrechtsausschusses desDeutschen Anwaltvereins zum Gesetzentwurf für ein2. Rechtspflegeentlastungsgesetz (Nr. 3/96) hat die NJW15/96 vom 6.3.1996 nachgedruckt.

Über die Presseerklärung des Deutschen Anwaltvereinszur Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Postu-lationsfähigkeit (Nr. 2/96 vom 23.2.96) berichtete die Zeit-schrift „Der freie Beruf“ 4/96.

Die anläßlich der Gründung der ArbeitsgemeinschaftVersicherungsrecht vom Deutschen Anwaltverein herausge-gebene Presseerklärung (Nr. 6/96 vom 15.3.1996) wurde inder NJW Nr. 15/96 vom 15.3.1996 nachgedruckt. In dersel-ben Ausgabe der NJW wurde die DAV-Presseerklärung Nr.4/96 vom 6.3.96 „Geplante internationale Anwaltsrichtli-nien verdrängen vorbeugenden Mandantenschutz“ abge-druckt.

„Mit Blaulicht nicht unbeschränkt Vorrang“ hieß es un-ter . Berufung auf den Pressedienst der Verkehrsrechtsan-wälte des Deutschen Anwaltvereins am 6.4.1996 in der„Freien Presse“. Berichtet wurde über die Entscheidungdes OLG Hamm vom 6.11.95, AZ 13 U 94/95.

Für die Zeitschrift ACE Lenkrad vom 15.4.1996 war dieDAV-Presse-Erklärung Nr. 5/96 vom 15. März 1996 Anlaß,unter dem Titel „Weniger muß nicht mehr sein“ über dieStellungnahme des DAV-Verkehrsrechtsausschusses zu Ge-setzesentwürfen zur Herabsetzung des geltenden Alkohol-Promille-Grenzwertes von 0,8 Promille auf 0,5 Promillebzw. 0,0 Promille zu berichten. In der NJW vom 15.4.1996war die entsprechende Presseerklärung des DAV abgedruckt.

Zum Thema Anwaltshaftung nahm Rechtsanwalt Dr.Hubert van Bühren, Köln, der Vorsitzende der Arbeitsge-meinschaft Versicherungsrecht im Rahmen eines längerenArtikels in dem Wirtschaftsmagazin Impulse, Heft 5/96,Stellung. Im Anschluß an den Artikel wurde auf den An-waltssuchservice, den die meisten örtlichen Anwaltvereine,die Mitglied im Deutschen Anwaltverein sind, anbieten,hingewiesen.

Über „Halsbrecherische Zweiradfahrer“ berichtete dieFreie Presse Chemnitz unter Berufung auf den Pressedienstder Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins inihrer Ausgabe vom 20./21.4.96.

Die Referendarzeitung 1 /2 aus 1996 berichtete über dieGründung der Arbeitsgemeinschaft „Forum Junge Rechts-anwältinnen und Rechtsanwälte des Deutschen Anwaltver-eins im August 1995. In derselben Ausgabe der Referendar-zeitung wurde der Ratgeber des Deutschen Anwaltvereins– Praktische Hinweise für junge Anwälte – rezensiert.

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Über die Anwaltsuch-Service der im DAV zusammenge-schlossenen örtlichen Anwaltvereine berichtete die West-deutsche Allgemeine Zeitung am 7.5.1996.

„Gute Aussichten nur für Juristen mit Spezialwissen“lautete die Überschrift eines Artikels in der Welt am Sonn-tag vom 28.4.1996, in dem unter Berufung auf Informatio-nen des Vorsitzenden des DAV-Berufsrechtsausschusses,Rechtsanwalt Ludwig Koch, Köln und der Vorsitzenden derArbeitsgemeinschaft „Forum junge Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins“, Rechtsan-wältin Cornelia Frech, Herne, über die Juristenausbildungund die Situation der jungen Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte berichtet wurde.

Der Mai-Jour fixe des Deutschen Anwaltvereins be-schäftigte sich mit den geplanten Änderungen zur gemein-samen elterlichen Sorge. Referentin war RechtsanwältinDr. Ingrid Groß, Augsburg, die Vorsitzende des DAV-Fami-lienrechtsausschusses und der Arbeitsgemeinschaft Fami-lienrecht. Eine dpa-Meldung, die über die elektronischenMedien verbreitet und in der FAZ vom 10.5.96 und in derSüddeutschen Zeitung vom 10.5.1996 erschien, berichteteüber diesen Jour fixe.

Über das Presse-Gespräch des Deutschen Anwaltvereinsin Karlsruhe, das anläßlich des Frühjahrs-Symposiums derArbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltver-eins am 10. Mai 1996 stattfand, berichteten ausführlich dieBadischen Neuesten Nachrichten in ihrer Ausgabe vom13.5.1996. An dem Pressegespräch nahmen DAV-PräsidentFelix Busse, der Vorsitzende des Strafrechtsausschusses,Eberhard Kempf und der Vorsitzende der Arbeitsgemein-schaft der DAV-Strafverteidiger, Dr. Volkmar Mehle teil.Die Teilnehmer der Pressekonferenz sprachen sich einhelliggegen die weitere Beschneidung von Verteidiger-Rechtenund der Rechte der Angeklagten aus.

2.) HörfunkRadio Brocken, Halle, interviewte die Vorsitzende des

DAV-Familienrechtsausschusses, Rechtsanwältin Dr. IngridGroß, Augsburg, zum Thema „Nichteheliche Lebensge-meinschaft“ für die Sendung „Das isses“.

Rechtsanwältin Angelika Rüstow, Bonn

Anwaltsnotare

Resolution des Anwalt- und NotarvereinsDortmund e.V. zum Regierungsentwurf für dieNovelle zur Bundesnotarordnung

Auf der mit über 80 Mitgliedern gut besuchten Mitglie-derversammlung des Anwalt- und Notarvereins am 24.April 1996 referierte der Vorsitzende des Ausschusses An-waltsnotariat des Deutschen Anwaltvereins, Herr Rechtsan-walt und Notar Paul-Werner Beckmann, Herford, zu demThema „Die Novelle zur Bundesnotarordnung – Hoffnun-gen und Befürchtungen für das Anwaltsnotariat“.

Nach anschließender Diskussion, an der zahlreiche Kol-leginnen und Kollegen teilnahmen, faßte die Mitgliederver-sammlung des Dortmunder Anwalt- und Notarvereins ohneGegenstimmen bei nur zwei Enthaltungen die folgende Re-solution:

Der Anwalt- und Notarverein Dortmund e.V. bittet dieBundesregierung und die befaßten parlamentarischenGremien dringlich, die im Regierungsentwurf für dieNovelle zur Bundesnotarordnung und zum Beurkun-dungsgesetz vorgesehenen Einschränkungen für dieAusübung des Notaramtes zu überdenken und den Ent-wurf im Geiste der bisherigen Stellungnahmen desDeutschen Anwaltvereins und der freiheitlichen Rege-lungen des europäischen Auslands neu zu formulieren.Der Anwalt- und Notarverein Dortmund e.V. ist der mit-

gliederstärkste Anwaltsverein in Westfalen, einem traditio-nellen Kerngebiet des Anwaltsnotariats. Würden die imRegierungsentwurf vorgesehenen weitreichenden Mitwir-kungsverbote für den Notar Rechtswirklichkeit, hätte dieszur Folge, daß Anwaltsnotare und Sozietäten in den Gebie-ten des Anwaltsnotariats sich in zahlreichen Fällen irgendei-ner auch ohne das Vorliegen von Interessenkollision bei derrechtlichen Betreuung Ihrer Klientel jeweils entweder vonder anwaltlichen oder von der notariellen Tätigkeit verab-schieden müßten, ohne dies den Beteiligten noch einsehbarvermitteln zu können. In der täglichen Praxis würde dies ei-ner Einführung des Nur-Notariats auch in den Gebieten desAnwaltsnotariats nahezu gleichkommen, obwohl sich dasAnwaltsnotariat dort teilweise bereits seit dem 18. Jahrhun-dert bewährt und zu gewachsenen Strukturen und einem tra-ditionellen Berufsbild des Anwaltsnotars geführt hat.

Rechtsanwalt und Notar Hans Dieckhöfer, DortmundVorsitzender des Anwalt- und Notarvereins Dortmund e.V.

Arbeitsgemeinschaft Strafrecht

VI. Strafverteidiger-Symposium in Karlsruheam 10. und 11. Mai 1996

Knapp 200 Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte undVertreter des Bundesjustizministeriums nahmen am VI.Strafverteidiger-Symposium in Karlsruhe teil. Das Thema:Gefährdung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien. Der Prä-sident des BGH, Prof. Dr. Walter Odersky, erinnerte in sei-nem Grußwort daran, daß das Recht nicht für Artisten ge-schaffen sei, sondern den Menschen dienen müsse. Ohnepolemischen Zungenschlag müßten die Verfahrensbeteilig-ten aufeinander hören. Überraschend deutlich formulierteGeneralbundesanwalt Kay Nehm, dem deutschen Strafpro-zeß sei es noch nie so schlecht gegangen. Gesetzesflut,leere Kassen und überlange Verfahren! Jetzt ginge es ansEingemachte, an das Beweisantragsrecht. Die Vorteile desdeutschen Strafverfahrens würden wegreformiert. Nehmsprach sich – ebenso wie die DAV-Strafverteidiger schonseit Jahren – für die Beteiligung der Strafverteidiger amVorverfahren aus. DAV-Präsident Busse sprach von derKrise des Vertrauens nicht nur des Richters gegenüber demVerteidiger, sondern ebenso des Verteidigers gegenüberdem Richter; die Behauptung von der Krise der Strafrechts-pflege hält er für eine Übertreibung. Mit Interesse und Ge-lassenheit sehe der DAV den Ergebnissen der auf Veranlas-sung des Bundesjustizministeriums nun endlich in Gangkommenden rechtsstaatlichen Untersuchung zu den Ursa-chen der Dauer größerer Verfahren entgegen, wie der DAVsie seit Jahren fordert. Busse kündigte für den Herbst diesesJahres eine eigene Veranstaltung des DAV an, die sich mitGroßverfahren beschäftigen werde.

Rechtsanwältin Angelika Rüstow, Bonn

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AG Verkehrsrecht im DAV

Mitgliederversammlung 1996– Bericht über die Fortbildungsveranstaltung „Die Recht-sprechung des BGH in Verkehrssachen 1995“ und dieMitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Ver-kehrsrecht vom 27. April 1996 in Würzburg –

Noch nie war diese überregionale Veranstaltung so gutbesucht, wie in diesem Jahr. Über 150 Teilnehmer warenam 27. April nach Würzburg gereist, um sich über dieRechtsprechung des BGH im vergangenen Jahr zu unter-richten.

Verkehrszivilrecht am BGHAm Vormittag referierte Richter am BGH Dr. Jürgen

von Gerlach über die verkehrsrechtsrelevanten zivilrecht-lichen Entscheidungen. Anhand von zehn ausgesuchtenUrteilen, sämtlich in der ZfS der vergangenen Monate ver-öffentlicht, erläuterte er, wie sich die Rechtsprechung desVI. Zivilsenats in der bisherigen Tendenz verfestigt hat.Zwei Entscheidungen befaßten sich mit der Erwerbsscha-denschätzung, andere mit der Arbeitnehmerabgrenzung,dem Abfindungsvergleich und Verjährungsproblemen, so-wie Fragen der Haftungsverteilung.

Verkehrsstrafrecht am BGHNach der Mittagspause trug Richter am BGH Dr. Klaus

Tolksdorf die große Zahl an strafrechtlichen Verkehrsrechts-entscheidungen des BGH vor. Insbesondere mit den Nöti-gungsproblemen beschäftigte sich der BGH besonders in-tensiv, nachdem sich das Bundesverfassungsgericht ja hier-zu richtungsweisend geäußert hatte. Aber auch die Straßen-verkehrsgefährdung und Probleme des Gefährlichen Ein-griffs in den Straßenverkehr sowie eine Reihe von strafpro-zessualen Entscheidungen galt es zu erläutern. Sie sindebenfalls in der ZfS mehrheitlich abgedruckt.

Beide Referate werden in Kürze in der DAR abgedrucktund so auch denjenigen zugänglich gemacht, die Würzburg1996 versäumt haben. Die Veranstaltung zeigte aber wiedereinmal mehr die Bedeutung der Arge Verkehrsrecht, diesich nicht nur auf den Verkehrsgerichtstagen in Goslar inbesonderem Maße engagiert, sondern neben den Hombur-ger Tagen (meist ca. 250 Teilnehmer) und Würzburg (jetzt150 Teilnehmer) die große Zahl regionaler und überregiona-ler Fortbildungsveranstaltungen durchführt, die ZfS und dieSchriftenreihe herausgibt und die Interessen der jetzt fast3600 verkehrsrechtlich engagierten Kolleginnen und Kolle-gen bei Gesetzgebungsinitiativen vertritt.

Mitgliederversammlung 1996Das alles verursacht in erheblichem Maße Kosten, die

jährlich mit der Zunahme der Aktivitäten der AG Verkehrs-recht kongruent steigen. So war das Hauptthema der nach-folgenden Mitgliederversammlung die angekündigte Sat-zungsänderung und die Beitragserhöhung auf 100 DM proJahr. Aufgrund des umfassenden Geschäftsberichtes desVorstandes und der darin dargelegten und gut nachvollzieh-bar begründeten Ausgabensteigerungen der AG Verkehrs-recht wurde sie einstimmig beschlossen. Selbstverständlichwerden auch Einsparungen in Betracht kommen müssen. Sowird z. B. das Mitgliederverzeichnis zwar jährlich aktuali-siert, aber nur noch alle zwei Jahre neu aufgelegt und ver-

sandt. Fortbildungsveranstaltungen mit zu geringer Teilneh-merzahl werden, weil defizitär, gestrichen. Auch dieVerlegung der Mitgliederversammlung weg vom Anwalts-tag und statt dessen nach Würzburg im Anschluß an dieFortbildungsveranstaltung erfolgte aus reinen Kostengrün-den.

Dem Vorstand wurde Lob und Anerkennung für die imvergangenen Jahr geleistete Arbeit und einstimmig die Ent-lastung ausgesprochen. Besondere Erwähnung fanden diemit hoher Teilnehmerzahl (bis über 80) besuchten „Einfüh-rungsveranstaltungen in das gesamte Verkehrsrecht“. Imkommenden Jahr werden Vertiefungsveranstaltungen ange-boten werden, die dann jeweils zwei volle Tage umfassenund von den bewährten Referententeams absolviert werden.Erneut wurde die Forderung nach dem „Fachanwalt für Ver-kehrsrecht“ bekräftigt und das Unverständnis darüber zumAusdruck gebracht, daß die diesbezüglichen Forderungender Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht, wie sie sogar inEntschließungen des Verkehrsgerichtstages Niederschlagfanden, bislang so vehement in Bonn abgeblockt werden.

Wie dieses Treffen am Vorabend mit einem geselligenBegrüßungsabend begann, die begleitenden Partner sichtagsüber einer wunderbaren Stadtführung erfreuen durften,so endete die Tagung mit einem Theaterbesuch und gemüt-lichen Ausklang beim Frankenwein. Es wird sich auch inden Folgejahren lohnen, dieser traditionellen überregiona-len Veranstaltung beizuwohnen, die sich mit den Jahren zueinem unverzichtbaren „Fortbildungsbaustein“ entwickelthat, wie die ständig, dieses Jahr sogar sprunghaft gestiegeneTeilnehmerzahl zeigt.

Rechtsanwalt Frank-Roland Hillmann III, Oldenburg

Personalien

Neue Vorsitzende von Anwaltsvereinen

Anwaltsverein Traunstein e.V.

Vorsitzender: Rechtsanwalt Günter L e n z e , Ludwigstr.22, 83278 Traunstein

Anwaltverein Holzminden

Vorsitzender: Rechtsanwalt und Notar Henrik Te i w e s ,Karlstr. 16, 37603 Holzminden

Verein der Rechtsanwälte Koblenz e.V.

Vorsitzender: Rechtsanwalt Dr. Ottmar M a r t i n i , Blu-menstr. 1, 56070 Koblenz

Anwaltsverein Schweinfurt e.V.

Vorsitzender: Rechtsanwalt Günther R e m e l e , Zehntstr.22, 97421 Schweinfurt

Anwaltsverein Wanne-Eickel e.V.

Vorsitzender: Rechtsanwalt Gerd R e i t z , Wilhelmstr. 2,44649 Herne

Marburger Anwaltverein e.V.

Vorsitzender: Rechtsanwalt Dr. Friedhelm R i s s e l ,Wilhemstr. 27, 35037 Marburg/Lahn

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Aus der Arbeit des DAV�

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Ausland

117th Annual Meeting der American BarAssociation in Chicago1995

Rechtsanwalt Wolf Michael Nietzer, LL.M., Attorney at Law

Der folgende Artikel gibt einen Abriß über das letztjäh-rige Jahrestreffen der amerikanischen Anwaltschaft, derAmerican Bar Association, in Chicago vom 3. bis 9. Au-gust 1995, wobei nach einem allgemeinen Überblick insbe-sondere auf die Aktivitäten in den Bereichen Law PracticeManagement, Business Law, General Law und InternationalLaw im Rahmen des an dieser Stelle möglichen eingegan-gen wird, und insofern dies auch nach Ansicht des Verfas-sers für die deutsche Anwaltschaft als von gewissem Inter-esse erachtet wird.

Chicago ist nicht nur Heimstätte der Zentrale der Ameri-can Bar Association (750 North Lake Shore Drive, Chica-go, Illinois 60611, Tel. 001 312 988 5109, FAX 001 312988 5100), sondern auch Arbeitsstätte von 22000 Anwältenin über 600 Anwaltskanzleien, darunter auch die größte al-ler Kanzleien weltweit, Baker & McKenzie.

Es nahmen ungefähr zwölftausend Anwälte, die unterAngabe ihres Hotels in einer Annual Meeting Advance Re-gistration List veröffentlicht wurden (zur Erleichterung derKontaktaufnahme), aus den Vereinigten Staaten und weite-ren 38 Ländern an den ungefähr 2.600 Einzelveranstaltun-gen (das Annual Meeting Program umfaßt 571 Seiten) mitetwa 1200 Rednern teil. Im Schlepptau befanden sich nochungefähr 8000 Familienmitglieder und Gäste, denen ein her-vorragendes Beiprogramm in Sachen Kunst, Musik, Sight-seeing, Sport und Entertainment geboten wurde. Der wirt-schaftliche Nutzen für Chicago wurde daher auf circa 22Millionen USD hochgerechnet. Größte vertretene Anwalt-schaften aus dem Ausland waren die Kanadas und dieGroßbritanniens. Getagt wurde in insgesamt achtzehnHotels, zudem wurde im größten der Hotels, dem Hyatt Re-gency, die American Bar Association’ Exposition mit unge-fähr hundertdreißig Ausstellern abgehalten, und ein Wel-come Center eingerichtet, das für die Beantwortungorganisatorischer und allgemeiner Fragen aller Arten zurVerfügung stand. Die Hotels waren untereinander durcheinen kostenlosen und regelmäßig verkehrenden Busserviceverbunden. Chicago mit dem höchsten Gebäude der Welt,dem 443 Meter beziehungsweise 110 Stockwerte hohenSears Tower, einer beeindruckenden Architektur, unter an-derem entworfen von so berühmten Architekten wie FrankLloyd Wright, Louis Sullivan, Ludwig Mies van der Roheund dem Deutschen Helmut Jahn, und seiner herrlichenLage am Lake Michigan, ist neben New York, San Francis-co, Toronto, Atlanta, Orlando (Annual Meeting 1. bis 7.August 1996), New Orleans (Annual Meeting 1994), Wa-shington, D. C., und Las Vegas eine der neun Städte, die füreine Veranstaltung dieser Größenordnung in Frage kommen.Da doch immerhin ungefähr 350 Konferenzräume und eineVielzahl von Hotelzimmern zur Verfügung stehen müssen,die zudem noch in einer gewissen Nähe zueinander zu lie-gen haben. In Chicago sind diese Bedingungen in Down-town in einem Radius von ungefähr 1,6 Kilometer gegeben.

Höhepunkte am Rande der Veranstaltung waren eineRede des sich im Ruhestand befindlichen Generals ColinPowell, zuletzt Chairman of the Joint Chiefs of Staff undbeinahe jedem aus dem Golfkrieg bekannt, anläßlich einesvon der Business Law Section organisierten Mittagessensüber das Thema „Management of Crisis and Change“. Überdie Angemessenheit eines Honorars von angeblich USD60000 mag an anderer Stelle gestritten werden. Des weite-ren die Preisverleihung des Annual Awards der Central andEastern European Law Initiative (CEELI) an den Präsiden-ten der Republik Slowakei, Michael Kovac (letztes Jahr wur-de der Preis zum ersten Male im Rahmen des Annual Mee-tings in New Orleans an den Präsidenten der RepublikMacedonien, Kiro Gligorov, verliehen), die Opening Assem-bly und die President’s Reception im erst kürzlich wiederer-öffneten und renovierten Navy Pier mit mitreißender Live-Musik, einem großartigen Feuerwerk und einer vorgeschal-teten Naturalization Ceremony, im Rahmen derer 200 neueamerikanische Staatsbürger von einem Bundesrichter auf dieVerfassung eingeschworen wurden; eine Veranstaltung, mitder das seit nunmehr genau 75 Jahren in der Verfassung als19. Amendment verankerte Wahlrecht der Frauen (WomenSuffrage) gefeiert wurde, und die Verleihung der höchstenAmerican Bar Association Medaille für Einzelpersonen, diesich besonders um die amerikanische Rechtsentwicklungverdient gemacht haben, zum ersten Male an eine Frau,Shirley M. Hufstedler, der im Jahre 1968 nach ihrer Ernen-nung zum Bundesrichter im neunten Circuit in San Francis-co durch Präsident Lyndon B. Johnson erst zweiten Frau, diean einem U. S. Court of Appeals Recht sprach.

Über 400 der angebotenen Veranstaltungen konnten ge-nutzt werden, Continuing Legal Education Punkte zu er-werben, deren jährlicher Nachweis von insgesamt achtund-dreißig der fünfzig Bundesstaaten für die Aufrechterhaltungder Zulassung zur Anwaltschaft verlangt wird; nicht not-wendig ist dies zum Beispiel in den Staaten Illinois undNew York. Ein Großteil dieser Veranstaltungen wurde zu-dem auf Kassetten aufgezeichnet, die noch in Chicagokäuflich erworben werden konnten.

Schirmherr der Veranstaltung war der bisherige Präsidentder American Bar Association, George E. Bushnell, Jr.,Welchem die 52jährige Anwältin Roberta Cooper Ramo alserste Frau in der 117jährigen Geschichte der American BarAssociation für den Zeitraum 1995/1996 im Amt nachfolgt.Eine ihrer Hauptaufgaben wird es unter anderem sein müs-sen, dem Mitgliederschwund Einhalt zu gebieten. Waren imJahre 1992 noch 45 Prozent aller Anwälte Mitglieder in derAmerican Bar Association, so waren es im Jahre 1995 nurnoch 38 Prozent. Die Mitgliederzahl schrumpfte damit inden letzten drei Jahren von 370000 Mitgliedern auf 341000Mitglieder. Einer der Gründe für diesen Rückgang wird dar-in gesehen, daß sich die American Bar Association ver-mehrt auf soziale als auf rechtliche Kernfragen konzentrierthat.

Im Hinblick auf die Kosten für die Teilnahme von ent-weder 550 USD für Nichtmitglieder, 350 USD für Mitglie-der und für mit der American Bar Association assoziierteausländische Anwälte, 235 USD für Mitglieder, die nichtälter als 36 Jahre und noch nicht länger als drei Jahre alsAnwalt zugelassen sind, 175 USD für Richter oder USD 40für Studenten kann man nur sagen, daß den Teilnehmern

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ein beachtenswertes Programm für jeden Fachbereich gebo-ten wurde. Wer sich zudem nicht später als zum 15. Mai1995 zur Teilnahme entschieden hatte, konnte als sogenann-ter Early Bird ungefähr fünfzehn Prozent der Teilnahmege-bühren sparen.

Im folgenden Absatz werden die einzelnen Divisionsund Sections der American Bar Association, die für dasProgramm verantwortlich zeichneten, aufgeführt, um ein-mal klar zu machen, aus welcher Bandbreite ein Mitgliedauswählen kann und in welchen Gebieten eine Spezialisie-rung stattgefunden hat.

Die sechs Divisions der American Bar Association., dasheißt

die Government and Public Sector Lawyers Division,die Judicial Administration Division (unter anderem Appel-late Judges Conference, Committee on the Traffic CourtProgram, Lawyers’ Conference), Law Student Division, Se-nior Lawyers Division, Professional Services Division, unddie Young Lawyers Division.

Alle vierundzwanzig Sections der American Bar Asso-ciation., also

Administrative Law and Regulatory Practice Section,Antitrust Law, Business Law, Criminal Justice, Dispute Re-solution, Family Law, Forums Department (AffordableHouwing and Community Development Law, Communica-tions Law Construction Industry, Entertainment & SportsIndustries, Franchising, Health Law), General Practice (miteinem Special Committee on Solo and Small Firm Practi-tioners), Individual Rights and Responsibilities, IntellectualProperty Law, International Law and Practice, Labor andEmployment Law, Law Practice Management, Legal Edu-cation and Admissions to the Bar, Litigation, Natural Re-sources, Energy and Environmental Law, Public ContractLaw, Public Utility, Communications and TransportationLaw, Real Property, Probate and Trust Law, Science andTechnology, Section Officers Conference, State and LocalGovernment Law, Taxation, Tort and Insurance Practice.

Alle neununddreißig Standing committees. (in der Regelaus sieben von dem beziehungsweise der von dem Präsi-denten beziehungsweise der Präsidentin der American BarAssociation ernannten Mitgliedern bestehend), die sichzum Beispiel mit Themen wie „Continuing Education ofthe Bar“, „Ethics and Professional Responsibility“, „Fede-ral Judiciary“, „Legal Aid and Indigent Defendants“ und„Professional Discipline“ befassen; alle siebenundzwanzigSpecial Committees. (bestehend aus sieben bis neun Mit-gliedern), die Aktivitäten hinsichtlich solcher Themen wie„Delivery of Legal Services“, „Prepaid Legal Services“,„Youth Education for Citizenship“, „Advertising“, „LegalProblems of Elderly“ und „Public Understanding about theLaw“ entwickeln.

Informationen über die einzelnen Chairpersons undKontaktadressen können beim Verfasser erfragt werden.

Dieses American Bar Association Meeting. war einehervorragende Gelegenheit, Kontakte mit Anwälten allerBundesstaaten und Herren Länder bei Breakfast, Luncheonoder Receptions einzelner Sections oder örtlicher Anwalts-kanzleien zu knüpfen, sich sowohl über bekannte als aucheinem noch unbekannte Rechtsgebiete Informationen undMaterialien zu beschaffen und sich auf der Exposition so-wohl mit den neuesten Entwicklungen auf dem Software-und Hardwaremarkt (zum Beispiel Voice Recognition, In-ternet und Online Service Anbieter) und dem umfangrei-chen Bücher-, Zeitschriften- und CD Rom-Angebot der ju-

ristischen Fachverlage auseinanderzusetzen als sich auchüber die vielschichtigen Tätigkeiten, Mitgliedschaften undPublikationen der American Bar Association selbst zu in-formieren.

Außerdem konnte man sich an einem besonderen Standder American Bar Association das neue vom Legal Techno-logy Resource Center der American Bar Association ent-wickelte Network vorführen lassen. Dieses sogenannteAmerican Bar Association Network World Wide Web(Adresse: HTTP://WWW.ABANET.ORG) ist sowohl mit-tels der meisten Online Anbieter wie etwa America Online,Compuserve und Lexis Counsel Connect als auch über je-den Internet Dienstleistungsanbieter wie etwa IDT, Netcomund Psinet verfügbar.

Mit diesem Network sind jedem Nutzer rundum die Uhrdie folgenden Möglichkeiten an die Hand gegeben:

Erstens. mit den sogenannten Virtual Offices der einzel-nen Sections, Divisions, Forums, Committees, Commissi-ons und Task Forces der American Bar Association in Ver-bindung zu treten und sich Informationen zu den einzelnenTätigkeitsgebieten zu besorgen;

und zweitens. sich Zugang zu den Ressourcen der Ame-rican Bar Association zu verschaffen, so etwa über Law-link, welche nicht auf die Ressourcen der American BarAssociation allein beschränkt ist, sondern eine Zugangs-möglichkeit zu einem recht umfassenden Directory hin-sichtlich von Internet-Adressen von für Anwälte interessan-ten Datenbasen eröffnet, wie etwa die Bibliothek desKongresses, des Supreme Court, der staatlichen und örtli-chen Anwaltskammern, der Online Bibliotheken einzelnerRegierungsbehörden, der Universitäten und viele mehr;

und drittens. sich über Einzelheiten anstehender Veran-staltungen und Fortbildungsseminare informiert zu halten;

und viertens. sich über neue Veröffentlichungen derAmerican Bar Association zu erkundigen, sowie etwasüber die Geschichte, Struktur, Politik und Dienstleistungender American Bar Association in Erfahrung zu bringen.Außerdem wird demnächst ein E-Mail Directory angebo-ten, welches es den Mitgliedern erleichtern soll, andereMitglieder ausfindig zu machen und mit diesen in Verbin-dung zu treten.

Für technische Fragen. steht das Technology Clearing-house. des American Bar Association Legal TechnologyResource Center (001 312 988 5465) werktags zwischen8.30 Uhr und 5.30 Uhr zur Verfügung (der Zeitunterschiedzu Chicago beträgt sieben Stunden).

Bisher sehen viele amerikanische Anwaltskanzleien denHauptnutzen des Internet. in der Möglichkeit, sich auf eineroder mehrerer Seiten unter ihrer Adresse (zum BeispielHTTP://WWW.WOMINI.COM, wobei dann diese Adresseauch auf Visitenkarten erscheint und es sich daher oft erüb-rigt, einem potentiellen Mandanten oder einem Kollegeneine Firmenbroschüre auszuhändigen) darzustellen, des wei-teren statt einer Westlaw-Verbindung, einer Lexis/Nexis-Verbindung, einer Verbindung zu den öffentlichen Registernder Gerichte, einem besonderen Modem Transfer Mechanis-mus mit größeren Anwaltskanzleien und Klienten, etc. nurnoch eine Hauptverbindung, nämlich Internet, zu haben,über welche alle oben beispielhaft aufgeführten Verbindun-gen abgewickelt werden können, und zu guter Letzt in deretwa dreißigfachen Übertragungsgeschwindigkeit vergli-chen mit dem Telefax. Insbesondere kleine Anwaltskanzlei-en und Einzelanwälte sehen in den neuen technischen Mög-lichkeiten eine willkommene Gelegenheit, mit den großen

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Anwaltsfirmen in Sachen Informationsbeschaffung gleich-zuziehen.

Das Internet. ist im Zusammenhang mit dem Superhigh-way. heutzutage zu einem Zauberwort für Anwender undNutzer geworden. Um nun aber als Anwalt nicht im soge-nannten Cyberspace verloren zu gehen, hat die Law Practi-ce Management Section in Zusammenarbeit mit der Sectionof Science and Technology und dem Special Committee onSolos and Small Firm Practitioners in Chicago entsprechen-de Veranstaltungen (zum Beispiel „The Internet – Opportu-nities and Challenges on the Electronic Frontier“) durchge-führt und auch entsprechende, hilfreiche Bücher vorgestellt,unter diesen insbesondere den Bestseller der American BarAssociation „The Lawyer’s Guide to the Internet.“ von G.Burgess Allison. Außerdem gab die Young Lawyers Divisi-on (Computer Law Committee) einen „Dictionary of Com-puter Terms and Jargons for Judges, Jurors, and Lawyers“umsonst ab, um den Juristen Erklärungen der wichtigstenund häufig gebrauchten Fachbegriffe von „Abstraction“ bis„Zero Wait State“ an die Hand zu geben.

Die Law Practice and Management Section. ist über-haupt eine Section, die insbesondere für junge Kollegenäußerst wichtige Hinweise und Unterstützung im Hinblickauf den Aufbau der eigenen Kanzlei und deren technischenAusrüstung, auf die finanziellen Aspekte der Existenzgrün-dung, auf die Fragen des Marketings und entsprechenderMarketingpläne und auf die Beziehung Klient-Anwalt imgrundsätzlichen gibt. Veranstaltungen – gerade betreffenddes letzteren Komplexes –, wie sie zu diesem Zwecke be-sonders in Chicago gegeben wurden, sind sowohl ange-sichts des Ansehens des Berufstandes der Anwälte in derÖffentlichkeit als auch angesichts des spürbar immer härterwerdenden Wettbewerbs unter den deutschen Anwälten si-cher nachahmenswert und sollten daher auch vom Deut-schen Anwaltverein und/oder der Bundesrechtsanwalts-kammer durchgeführt werden und nicht lediglich derPrivatinitiative einiger weniger überlassen werden.

Zur Verdeutlichung seien die diesbezüglich wichtigstenVeranstaltungen einmal an dieser Stelle aufgeführt: „Soloand Small Firms“, „Zen of Making Rain“, „Starting YourPractice Fast“, „Compensation Tools to Motivate Lawyers“,„Getting Business in the Year 2000“, „Networking theSmall Firm“, „Lawyer Effectiveness and LeadershipSkills“, „Putting Yourself on the Right Side of Your Clientsand Staying There“, „From Myth to Fact: Working withDisabled Lawyers and Clients“.

Die Business Law Section. (in diesem Fall genauerCommittee on Partnerships and Unincorporated BusinessOrganizations, Committee on Law Firms und Committeeon Taxation) hat sich unter anderem in Zusammenarbeit mitder Law Practice Management Section und der TaxationSection wieder einmal mit den verschiedenen Rechtsformenfür Anwaltskanzleien, also mit der General Partnership, derProfessional Corporation (auch bekannt als ProfessionalServices Corporation oder Professional Association), derLimited Partnership, der Limited Liability Company, derRegistered Limited Liability Partnership, der Registered Li-mited Liability Limited Partnership und mit rechtlich ver-schieden ausgestalteten Abwandlungen (der Verfasser ver-weist insoweit auf seinen im Anwaltsblatt 1995 Heft 2abgedruckten Überblick über die Formen amerikanischerAnwaltskanzleien) und deren steuerlicher Behandlung undZulässigkeit in den verschiedenen Bundesstaaten befaßt.Der Schwerpunkt lag hierbei auf einer möglichen Haftungs-beschränkung eines Partners hinsichtlich eines gegen einen

anderen Partner derselben Kanzlei gerichteten Schadenser-satzanspruches.

Hintergrund der allgegenwärtigen Diskussion bei Konfe-renzen und in der Presse ist die steigende Zahl von gegenAnwälte gerichteten Klagen. Waren es vor zehn Jahrennoch 3,8 Klagen pro 1000 Anwälte pro Jahr, so sind esnunmehr einer Umfrage zufolge ungefähr 11,3 Klagen pro1000 Anwälte pro Jahr. Innerhalb der letzten zehn Jahrestieg der Durchschnittsstreitwert solcher sogenannter Mal-practice Claims von USD 1,3 Millionen auf USD 7,9 Mil-lionen.

Im Rahmen einer Veranstaltung der General PracticeSection wurde ein Up Date im Hinblick auf die neuesteEntwicklung betreffend „Lawyers’ Advertising.“ gegeben,insbesondere im Hinblick auf Werbung um Mandantendurch Zusendung eines Briefes und eine damit im Zusam-menhang stehende viel beachtete höchstrichterliche Ent-scheidung.

Der U. S. Supreme Court hatte kürzlich in „The FloridaBar Versus Went For It, Inc..“, (94 226, 1995 WL 365648)einen Fall zu entscheiden, der das direkte Anbieten vonRechtsbeistand per Post an ein Unfallopfer wenige Tagenach dem Unglücksfall betraf. Ins einer Entscheidung hobdas Gericht ein Berufungsurteil des Eleventh Circuit Courtof Appeals auf, wonach zwei Regeln des Florida Code ofProfessional Conduct, die es den Anwälten verbieten, sichinnerhalb von dreißig Tagen nach einem Unglücksfall aufdem Postwege an das betreffende Opfer mit der Bitte umdie Überarbeitung des Mandats zu wenden, für mit einemim Jahre 1988 vom U. S. Supreme Court entschiedenen Fall(Shapero Versus State Bar of Kentucky) für unvereinbar er-klärt wurden. Zugleich entschied das Gericht mit der denk-bar knappsten Mehrheit, daß diese mit den angegriffenenRegeln ausgesprochenen Einschränkungen der Werbetätig-keit eines Anwalts zulässig sind. Dieser Fall fand bundes-weit Beachtung. Hatten sich bis zum Urteilsspruch die An-waltskammern von insgesamt zwanzig Bundesstaaten undvon weiteren acht örtlichen Kammern mittels sogenannterAmicus Curiae Stellungnahmen zu Wort gemeldet und esfür richtig gehalten, den im nächsten Absatz erwähnten Fallaus dem Jahr 1977 zu überdenken (sowie eine Entschei-dung aus dem Jahre 1988, Shapero Versus State Bar ofKentucky) und den Anwaltskammern der Bundesstaatengrößere Vollmacht bei der Regelung von sogenannten Busi-ness – Getting Activities zu geben, da es unter anderem ge-rade die ausartende Werbung mancher Anwälte sei, die zudem äußerst schlechten Ruf der Anwaltschaft in der Öffent-lichkeit geführt habe.

Kernfrage der die Werbung der Anwälte betreffendenUrteile ist stets, inwieweit es zulässig ist, mit einzelnen dieAnwaltschaft eines Staates betreffenden Regeln zugleichBeschränkungen im Hinblick auf die First AmendmentDoctrine of Commercial Free Speech auszusprechen(Amendment I aus dem Jahre 1791: Congress Shall MakeNo Law ... Abridging the Freedom of Speech,...).

Grundlegende Entscheidung und Ausgangspunkt allerEntscheidungen, die die Aktivitäten von Anwälten zur &un-ter1;Erlangung von Mandaten betreffen, ist eine Entschei-dung des U. S. Supreme Court aus dem Jahre 1977 (BatesVersus State Bar of Arizona) und 1980 (Central HudsonGas & Electric. Corp. Versus Public Service Comm’n of N.Y.). In diesen Entscheidungen hat der U. S. Supreme Courteinen drei Punkte Text angewendet, um festzustellen, inwie-weit die Regeln einer staatlichen Anwaltskammer zur Rege-

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lung der Werbeaktivitäten eines Anwaltes, die nicht aussich heraus als falsch oder irreführend und bereits deshalbverboten sind, mit der Verfassung vereinbar sind. Zuerstmuß der Staat ein „Substantial State Interest“ nachweisen.Zweitens muß die Regel geeignet sein, „directly and mate-rially advance that interest“ und drittens „The regulationmust be narrowly drawn to reasonably fit the circumstan-ces“. (Dieser Test ist jedem deutschen Juristen bereits imRahmen seiner Vorlesungen zum Verfassungsrecht mit aufden Weg gegeben worden). Die meisten vorsorglich ausge-sprochenen Verbote der staatlichen Anwaltskammern hiel-ten diesem Test nicht stand und wurden regelmäßig als zuweit beurteilt.

Zum ersten Male hat das Gericht in dem nunmehr ent-schiedenen Fall klar zum Ausdruck gebracht, daß das Anse-hen der Anwaltschaft ein „Substantial State Interest“ istund entsprechende auf seinen Schutz ausgerichtete Regelngerechtfertigt sind. Damit hat das Gericht offen Stellung be-zogen gegen eine Entscheidung des U. S. Supreme Courtaus dem Jahre 1985 (Zauderer Versus Office of DisciplinaryCounsel of the Supreme Court of Ohio), wo es noch gehei-ßen hatte, daß „the mere possibility that some members ofthe population might find advertising offensive cannot justi-fy suppressing it. The same must hold true for advertisingthat some members of the bar find beneath their Dignity“.

Das Gericht vertrat auch die Auffassung, daß der zwei-ten Anforderung an die Verfassungsmäßigkeit Genüge getanworden war, indem die Anwaltskammer von Florida ausrei-chend Beweis (in Form von Umfragen und empirischen Un-tersuchungen) dafür vorgetragen hatte, daß „direct mail soli-citations were seen as an intrusion on privacy that reflectspoorly upon the profession“. Dies insbesondere bei einer„confrontation of victims with personal information whilewounds are still open, in order to solicit their business“.

Aufgrund einer Mehrheitsentscheidung von fünf gegenvier und der Einzelfallbezogenheit ist es sehr schwer vor-herzusagen, inwieweit diese Entscheidung von den Gerich-ten auf die Werbung von Anwälten im generellen angewen-det werden kann und wird. Interessant ist die abweichendeMeinung von Justice Kennedy, die im wesentlichen dahingeht, „that the communications of information assist poten-tial clients and their limitations harm those most in need oflegal assistance, that timeliness in obtaining legal represen-tation after an accident is important and that the rule is con-tent – based. The majority opinion is characterized as onethat advances financial self-interests and censorship. Andthe image of the profession cannot be enhanced without im-proving the substance of its practice.“

Die Anwaltskammer von Florida plant vor dem Hinter-grund dieser Entscheidung nun einen Ausschuß einzuberu-fen, der sich mit dem Gedanken eines gänzlichen Verbotsvon Anwaltswerbung im Fernsehen auseinandersetzen soll.In Texas gibt es seit kurzem ein „Advertising Review Com-mittee. An dieses sind die beabsichtigte Fernseh- oderBriefwerbung entweder dreißig Tage vor Ausstrahlung oderVerschickung oder gleichzeitig mit Ausstrahlung oder Ver-schickung zusammen mit fünfzig USD zur Beurteilung ein-zuschicken. Wird eine Verletzung festgestellt, wird dies der„Disciplinary Commission“ vorgelegt. Für Fragen der Mit-glieder der American Bar Association steht die „Commissi-on on Advertising“ zur Verfügung, im übrigen werden dieneusten Entwicklungen in ihrem vierteljährlich erscheinen-den Heft „Lawyer Advertising News“ veröffentlicht. Außer-dem verleiht die „Commission on Advertising“ seit 1992 je-des Jahr im Rahmen des „Annual Meetings“ vier „Awards

for Dignity in Lawyer Advertising“ in den Kategorien „Te-levision“, „Mailed Marketing Material“, „Image Cam-paign“ und „Small Firm Advertising“. Aus deutscher Sichtund vor dem Hintergrund deutschen Standesrechts wäre dieEntscheidung vorherzusehen gewesen und hätte keiner be-sonderen Rechtfertigung mehr bedurft.

Gerade bei den von der International Law Section orga-nisierten Veranstaltungen gab es einige Themen von Inter-esse für den über die Landesgrenzen hinaus tätigen Anwalt.Im folgenden Absatz sind einige der der Zahl nach schierunüberschaubaren Workshops und Vorträge aufgeführt, umzu demonstrieren, welchen breiten Themenbereich. man imBereich grenzüberschreitender Aktivitäten von Anwältenabzudecken versucht hat:

„Doing Deals in Mexico“ (unter Berücksichtigung desNAFTA Abkommens; einen ähnlichen Vortrag gab es imHinblick auf den größten Handelspartner der USA, Kana-da), „Issues and Solutions in Structuring International JointVentures“, „Criminal Violations Affecting Foreign Invest-ments in the United States“ (Geldwäsche und Foreign Cor-rupt Practice Act), „The International Corporate Counsel“(insbesondere über die Arten der Zusammenarbeit vonSyndikusanwälten und den von diesen beauftragten An-waltskanzleien und deren Erwartungshaltungen), „Interna-tional Estate Planning“ (Diskussion von Off-Shore Trusts),„Nuremberg Revisited: The Judgment of Nuremberg inToday’s World“ (Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesseund Lehren hieraus für die Arbeit des Internationalen Ge-richtshofes in Den Haag, insbesondere auch im Hinblickauf die Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien), „Fun-damentals of International Business Law: An Introductionto International Transactions for the Non-Expert“ (interna-tionale Verträge, insbesondere die Convention on Contractsfor the International Sales of Goods im Vergleich mit demUniform Commercial Code, Zollabkommen, internationaleFinanzierungsmöglichkeiten, internationale Schiedsge-richtsbarkeit und Gerichtsverfahren in anderen Ländern),„Impact of the Global Information Technology Superhigh-ways on U. S. Business“, „Law Practice in the Global Mar-ketplace: An International Commercial NegotiationsWorkshop“, „Asian Tigers, Dragons and Bem’s: Navigatingthe Legal and Cultural Waters of Direct Investments inAsia’s Hottest Economies“ (insbesondere China, Indone-sien, Indien und Vietnam, dort geltende Investmentgesetzeund Handelspraktiken im allgemeinen), „InternationalPractitioners Workshop Series: Littigating the InternationalDispute – The New Federal Rules and More“ (Das höchst-richterliche amerikanische Fallrecht unter Berücksichti-gung einzelner konkreter Fälle mit Auslandsbezug, insbe-sondere unter Berücksichtigung der Haager Abkommenbetreffend die Zustellung, Beweiserhebung und Vollstrek-kung, der Forum Selection Klauseln, der Souveränitäts-Doktrin, etc.), „Round Table Discussion: Current Legaland Business Developments in the Middle East“, „How anInternational Business Can Move Its Personel Across Bor-ders in the Era of the General Agreement on Trade in Ser-vices and regional Trading Blocs“ (insbesondere unter Be-rücksichtigung von den Immigrationsregelungen unterNAFTA und EU), „International Practitioners WorkshopSeries: How to Structure and Document Cross-Border Pri-vateley Negotiated Mergers and Acquisitions“ (insbeson-dere auch die Bedeutung einzelner Vereinbarungen wieetwa eines Letter of Intent oder eines Memorandum of Un-derstanding„), „International Antitrust: The Proper Role ofCompetition Laws in Addressing Foreign Market Access“.

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Die Vielzahl und Vielfältigkeit der Veranstaltungenmacht offensichtlich, daß der Besuch manch’ einer vongroßem persönlichen Nutzen für den Einzelnen sein konnte.Dies gerade auch im Hinblick auf die Hand-outs von zumTeil beträchtlichem Umfang, die während des Annual Mee-tings oder auch noch im nachhinein bei der American BarAssociation käuflich zu erwerben waren und sind.

Besonderer Hervorhebung bedarf natürlich die Veran-staltung „U. S.-German Showcase: The Transatlantic Practi-tioner: Working together on U.S.-German Commercial, Cor-porate and Litigation Matters.“, unter Mitwirkung vonAnwälten von vier großen deutschen Kanzleien. Eingegan-gen wurde auf Themen wie Distribution, Sales Representa-tion und Franchise Agreements, Grundstrukturen des deut-schen Gesellschaftsrechts und des deutschenZivilprozeßrechts. Selbstverständlich fand der im Anschlußan die eineinhalbstündige Veranstaltung stattfindende Emp-fang, der durch die Unterstützung von mehreren deutschenAnwaltskammern als auch der Bundesrechtsanwaltskam-mer, dem deutschen Anwaltsverein und der Deutsch-Ame-rikanischen Juristenvereinigung möglich gemacht wordenwar, großen Anklang.

Ein gewisser Schwerpunkt im Rahmen der Veranstaltun-gen der International Law Section lag im Bereich rechtli-cher und geschäftlicher Beziehungen mit Großbritannien, sozum Beispiel mit dem Vortrag „Joint U.S. – U.K. Showcase:Making International Clients Happy – Lawyers’ Viewsfrom Both Sides of the Atlantic“, den Aktivitäten in undum die Law Society of England and Wales und der Hospita-lity Suite. Erhältlich waren unter anderem Informationen zuden Voraussetzungen einer Zulassung eines ausländischenAnwaltes in Wales und England unter den „Qualified La-wyers’ Transfer Regulations“ (Einzelheiten sind erhältlichbei: The Law Society, Ipsley Court, Redditch, Worcestershi-re B98 0TD, Tel.: 071 242 1222, FAX: 0527 51021).

Abschließend muß gesagt werden, daß die Teilnahme andiesem Annual Meeting zwar ein Auflaufen der Arbeit amheimischen Schreibtisch bedeutet, dies aber längst durch diebisher auf diesen Annual Meetings gemachten Erfahrungenaufgewogen wurde.

Haftpflichtfragen

mitgeteilt von der Allianz-Versicherungs-AG

1.Vorlage einer Vollmacht durch Fax?Im Zivilprozeß wird Nachweis der Vollmacht vom Ge-

richt im Regelfall nur auf Rüge des Gegners hin verlangt(§ 88 ZPO); im finanzrechtlichen Verfahren hingegen vonAmts wegen.

Ob der Nachweis erbracht werden muß oder nicht: vor-liegen sollte die Vollmacht im Prozeß schon wegen dersonst nach § 89 ZPO vom nicht bevollmächtigten Anwaltgegebenenfalls zu tragenden Kostenlast. Die Kosten könnenihm allerdings dann nicht auferlegt werden, wenn die an-geblich unwirksam vertretene Partei das Auftreten des voll-machtlosen Vertreters selbst veranlaßt hatte (BGH NJW 92,1458). Entschieden ist das für die prozeßunfähige Partei,deren Geschäftsunfähigkeit nicht unzweifelhaft war.

Wie die Prozeßvollmacht erteilt werden muß, ist in deneinzelnen Verfahrensordnungen nicht einheitlich vorge-schrieben. Nach der ZPO kann sie formlos, auch mündlich,erteilt werden (anders § 62 III 1 FGO a. F.: hier war nurschriftliche Erteilung möglich, die gleichzeitig dem Nach-weis diente). § 62 III FGO n. F. schreibt keine Form mehrfür die Erteilung vor. Davon zu unterscheiden ist, wie dieVollmacht nachgewiesen werden kann, vor allem in bezugauf deren Übersendung per Telefax.

Hier können wir beim BFH einen merkwürdigen Schlin-gerkurs beobachten, beim BGH sagt eine Entscheidungvom 23.6.1994 (NJW 94, 2298), daß der Vollmachtsnach-weis per Fax nicht möglich sei. Ist in sonstigen Fällen dieÜbermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Fax ohneweiteres möglich, sofern nur die Kopiervorlage vom Pro-zeßbevollmächtigten handschriftlich unterschrieben undübermittelt wird (ständige Rechtsprechung aller oberenBundesgerichte), so wird für den Vollmachtsnachweis eineAusnahme gemacht. Es ginge hier „nicht um die rechtzeiti-ge Einreichung eines Schriftsatzes mittels moderner Über-tragungsmittel, sondern um den Nachweis eines tatsächli-chen Geschehens mittels Schriftstücken, die ihrer FunktionBeweis zu erbringen, auch gerecht werden können“ (BGHNJW 94, 2298). Fotokopien und Telefaxe genügten dahernicht, schon gar nicht Kopien von Kopien. Enthält ein Fax,wie im Streitfall, keine Absenderkennung, so ist die Quali-tät eines solchen Schriftstückes ohnehin unbestimmt undzum Nachweis nicht geeignet. Mit Absenderkennung ist esnicht viel anders, denn sie kann gefälscht werden. Es kannallerdings in der Praxis sogar gelegentlich durch Sachver-ständigengutachten geklärt werden, ob eine Kopie oder einFax vorliegt, sofern der Sendebericht mit Zeitangabe derÜbertragungszeit auch vorliegt.

Offensichtlich beeindruckt von dieser Rechtsprechungdes BGH, hat der BFH mit Urteil vom 28.11.1995 (NJW96, 871) ähnliches festgestellt. Auch hier darf nur das Ori-ginal der Vollmacht, kein Fax, vorgelegt werden. Nun hattesich der BFH allerdings mit langjähriger zum Teil kontro-verser Vorgänger-Rechtsprechung auseinanderzusetzen, beider es auch darum ging, wie die Vollmacht (nach § 62 FGOa. F.: nur schriftlich) erteilt werden durfte. Hier waren Tele-brief und Fax zugelassen worden (BFH BStBl. II 87, 717und 94, 763). Der Anwalt also, der das ihm zugegangeneVollmachtsfax dem Gericht im Original (!) vorlegte, hattedas Notwendige getan. Wer hingegen die Originalvollmachtzum Gericht faxte, hatte es nicht. Anders sah es der BFHnoch in NJW 89, 2646, als die Vollmacht dem Gericht perTelebrief (einer obsoleten Form der Faxübermittlung, be-dingt dadurch, daß nur der Aufgebende ein Faxgerät hatte,der Empfänger hingegen auf den Briefträger angewiesenwar) zugesandt wurde. Hier stellte der BFH darauf ab, daßdamit ja eine größere Richtigkeitsgewähr als bei einem vor-her schon erlaubten Telegramm gegeben sei. Die Rechtspre-chung des II. Senats, welche die Vorlage einer Fotokopieder schriftlichen Vollmacht für unzureichend hielt (BFHBStBl. II 87, 392) wurde davon abgegrenzt. Nur mit äußer-stem Scharfsinn kann der BFH in der Entscheidung vom28.11.1995 (NJW 1996, 871/872) hier die gegensätzlichenEntscheidungen harmonisieren, indem er darauf abstellt, dieEntscheidung von 1989 setze sich nur mit der Schriftlich-keit, nicht aber mit dem Nachweis auseinander. Beides istaber für die prozeßrechtliche Praxis dasselbe. Nachweis derErteilung einer Vollmacht ist nichts anderes als Nachweisder Bevollmächtigung (so richtig Zärban in seiner berech-tigten Urteilskritik BB 96, 519 ff.).

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Schriftlich muß hingegen nicht immer „handschriftlich“heißen. Erkennbar ist der Rückschritt im Verhältnis zur frü-heren Offenheit gegenüber technischen Neuerungen schnel-ler Nachrichtenübermittlung; möglicherweise durch das in-zwischen evident gewordene hohe Fälschungsrisiko.Gleichwohl bedürfte es zum Thema Vollmachtsvorlagenicht nur einer Entscheidung des großen Senats des BFH,sondern einer Entscheidung des gemeinsamen Senats derobersten Gerichtshöfe des Bundes. Vor Jahrzehnten hattedieser schon festgestellt, daß prozessuale Formstrenge keinSelbstzweck sei, sondern sich danach bestimme, was nachden maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinn-voll zu fordern sei (NJW 80, 172). Dem GS des BFH liegtdie Frage, was „Schriftlichkeit“ im Prozeß bedeutet auf-grund eines Vorlagebeschlusses des X. Senats (B. v.29.11.1995, DB 96, 557) zur Entscheidung vor. Auch hierhätte der GemS OGB zu entscheiden. Ging es früher umParaphen, Handzeichen und sonstigen Ersatz für fehlendeUnterschriften, so kommt heute der elektronischen Absend-erkennung eine erhöhte Bedeutung zu. Es kann allerdingsnicht damit gerechnet werden, daß der im Computer gespei-cherte Unterschrifts-Baustein für ein nicht in Papierform er-stelltes Computerfax eine die Schriftlichkeit ersetzende Be-deutung gewinnt. Das scheitert schon daran, daß dieserBaustein jedem, auch jedem Angestellten, der den PC be-dienen kann, zugänglich ist und deshalb einem Faksimile-stempel gleichgesetzt werden muß, der auch nicht genügt.Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat sich lästiger Asyl-sachen auf diese Weise entledigt, (NJW 94, 537) indem esdie völlige Identität aller angeblichen Unterschriften desProzeßbevollmächtigten auf sämtlichen Anträgen feststellteund die Unterschrift damit als Faksimilestempel entlarvte.

2. Fristnotierung per PC?Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH mußte der

Fristkalender im Anwaltsbüro gebunden sein. Lose Blättergenügten nicht den Anforderungen, weder zum gewissen-haften Notieren der Frist (BGH VersR 85, 1184; BAG BB95, 50), noch für eine ordentliche Friststreichung nach Erle-digung. Nur über PC-Eingabe Fristen wahren zu wollen, er-schien demgegenüber etwas abenteuerlich. Die Rechtspre-chung hat denn auch immer dann, wenn sie damit befaßtwurde, wenn also die Fristwahrung per PC nicht geglücktwar, Vorbehalte angemeldet. Wie stets bei Wiedereinset-zungsentscheidungen wird nur ein gerade anstehender Punktgeregelt, so daß Allgemeingültiges natürlich nicht feststeht.Immerhin aber kann man aus den vorhandenen Beschlüssenden Schluß ziehen, daß generell keine besonderen Beden-ken mehr gegen den Einsatz von PC’s zur Fristenkontrolleim Anwaltsbüro bestehen. In einer kürzlich veröffentlichtenEntscheidung vom 28.6.1995 (VersR 96, 387) hält der BGHsogar die PC-Kontrolle anhand wöchentlicher Ausdrucke(auf Zetteln!) für zulässig, sofern nur dafür gesorgt war, daßspäter entstehende oder relevant werdende Fristen hand-schriftlich nachgetragen wurden. Davon, daß lose Zettel ei-ner zuverlässigen Fristenkontrolle nicht dienen können, istnicht mehr die Rede. Das kann natürlich darauf beruhen,daß hier nicht der Fehler lag. Jedenfalls aber wird man sichauf solche BGH-Entscheidungen berufen können, wennman die Fristenkontrolle per PC installiert.

Zur Vorsicht mahnt hingegen ein Beschluß des OLGMünchen vom 22.9.1995 – 13 U 4091/25. Hier erkanntedas Personal, daß die eingegebene Frist nicht gespeichertwurde. Es genügte in einem solchen Fall nicht, nur denKundendienst zu rufen und sich darauf zu verlassen, daß

danach alles funktionierte. Hiervon muß man sich vielmehrdurch Kontrollen überzeugen. Der BGH hat in einer viel-fach veröffentlichten Entscheidung vom 23.3.1995 (NJW95, 1756) ein Fehlerprotokoll verlangt, in dem die nicht aus-geführten Befehle erschienen. Das dürfte freilich rechtschwierig zu bewerkstelligen sein. Ausdrucke sind hingegenstets möglich. Ständige Sicherung und Fertigung von Aus-drucken, die tageweise abgelegt werden, sind zu empfehlenund wurden vom OLG München schon früher vorausgesetzt(NJW 90, 191).

Dr. Brigitte Borgmann, München

Buchhinweis

Ring, Gerhard: Anwaltliche Werbung von A–Z, Deutscher An-waltverlag Bonn, 1996, brosch., 143 S., 38,– DM

Anwaltliche Werbung – unzulässige Tautologie oder Antagonis-mus? Auch nach der Neuregelung des anwaltlichen Standesrechtsist Rechtsanwälten Werbung „nur“ erlaubt, soweit sie über die be-rufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nichtauf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist (§ 43bBRAO). Dieser – nunmehr erstmals gesetzlich statuierte, die an-waltlichen Werbeaktivitäten nach wie vor einschränkende – Kern-bereich anwaltlicher Werbung wird keine Klarheit im Entwick-lungsstadium über zulässige bzw. unzulässige Werbung schaffen.Gerade weil auch Rechtsanwälte sich heutzutage als Unternehmerbetrachten sogar inzwischen Unternehmensformen wählen, die bis-her typischerweise Gewerbetreibenden vorbehalten waren und sichdie Tendenz abzeichnet, daß es zwischen Freiberuflern und Gewer-betreibenden zunehmend zu Vermischungen kommen dürfte, liegtes nahe, wenn auch Rechtsanwälte künftig Werbemaßnahmendurchführen wollen, wie wir sie alle bereits aus dem Bereich derGewerbetreibenden kennen. Um so erfreulicher ist es, daß Rechts-anwälten nunmehr das Werk eines Autors zum Thema „Werbung“präsentiert wird, der sich durch zahlreiche Publikationen zum an-waltlichen Berufs- und Standesrecht als Kenner der Materie aus-weisen kann. Der Leser findet unter einzelnen Stichworten wieetwa Fernseh- und Radioauftritt, Kanzleiveranstaltungen, Praxis-broschüre oder auch Prospektwerbung die jeweils einschlägige Ju-dikatur – soweit überhaupt vorhanden oder nach der BRAO-Novel-lierung noch gültig – sowie einschlägige Stellungnahmen aus derFachliteratur. Die vom Autor gewählte ABC-Form erleichtert denEinstieg und spart Zeit beim Auffinden einzelner Problemkreise.Vielleicht hätte sich der eine oder andere Leser gewünscht, der Au-tor hätte die Finger häufiger einmal in die von der Rechtsprechunggerissenen Wunden gelegt, etwa bei der für unzulässig erachtetenBezeichnung von sog. „Experten“, ist doch sehr fraglich, ob dieFachgerichte ihre Judikatur nach der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts von 1993 noch lange werden aufrechthalten kön-nen. Überhaupt hätte die Meinung des Autors – selbst auf die Ge-fahr hin, daß er damit für Zündstoff gesorgt hätte – das Werkzusätzlich aufgewertet und gekrönt. Ein Ziel hat der Autor sicher-lich erreicht und allein deshalb ist die „Sammlung von A–Z“ alsLektüre zu empfehlen: Der Leser gewinnt Sicherheit bei desschwierigen Abgrenzungsfragen zwischen zulässiger und unzulässi-ger Werbung. Der ein oder andere Rechtsanwalt fühlt sich darüberhinaus sicherlich sogar herausgefordert, juristisch noch nicht er-schlossenes Neuland zu betreten.

Rechtsanwalt Dr. Tobias Lenz, Köln

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Mitteilungen�

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Berufsrecht

BRAO § 51 F: 1.8.1959 (= § 51b F: 2.9.1994)Ein Anspruch des Auftraggebers aus einem Anwaltswerkvertragauf Ersatz eines Schadens infolge Verwertung eines mangelhaf-ten Vertragsentwurfs verjährt gemäß § 51 BRAO a. F. (= § 51bBRAO n. F.).BGH, Urt. v. 16.11.1995 – IX ZR 148/94

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Derbekl Rechtsanwalt habe seine Beratungspflicht gegenüber dem Klschuldhaft verletzt, weil er diesem zum Abschluß eines wucherähn-lichen und daher nichtigen Vertrages geraten habe. Dadurch habeder Kl seine den Käufern überlassene Vertragsleistung im Wert von85.000 DM verloren. Die entsprechende Ersatzforderung des Klsei – anders als die erst im Jahre 1992 eingeplagten Ansprüche –nicht verjährt. Zwar sei die Verjährungsfrist gemäß § 51 BRAO a.F. nach Beendigung des Mandats in der Vertragsangelegenheit vorEinleitung des Mahnverfahrens im September 1991 verstrichen.Daraus ergebe sich aber kein Leistungsverweigerungsrecht, weilder Bekl am 28.12.1990 für die Zeit bis Ende des Jahres 1991 aufdie Verjährungseinrede verzichtet habe.

II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfungnicht stand. Der gesamte Klageanspruch ist verjährt.

1. Berufungsgericht und Revision gehen zu Recht von der Ver-jährungsregelung des § 51 BRAO in der Fassung vor Inkrafttretendes Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälteund der Patentanwälte vom 2.9.1994 (BGBl I 2278) – § 51 BRAOa. F. – aus. Danach verjährt ein vertraglicher Schadenersatzan-spruch des Auftraggebers gegen seinen Rechtsanwalt in drei Jahrenseit Entstehung des Anspruchs, spätestens jedoch in drei Jahrennach der Beendigung des Mandats.

Diese Vorschrift gilt unzweifelhaft, wenn der Anwaltsvertragder Parteien – gemäß dem Regelfall – ein Dienstvertrag war, dereine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hatte (§§ 611, 675BGB). Sie ist auch dann anzuwenden, falls der Auftrag des Kl anden Bekl eine Urkunde mit dem vorgesehenen Vertragsinhalt zuentwerfen, zu einem Werkvertrag der Parteien geführt haben sollte(§§ 631, 675 BGB; vgl, RG JW 1914, 642; BGHZ 54, 106, 107 f.;BGH, Urt. v. 20.10.1964 – VI ZR 101/63, NJW 1965, 106; v.8.12.1966 – VII ZR 114/64, NJW 1967, 719, 720; Rinsche, DieHaftung des Rechtsanwalts und des Notars 5. Aufl. Rdnr. I 4; Borg-mann/Haug, Anwaltshaftung 3. Aufl. S. 54 – Rdnr. 33 ff.; Vollkom-mer, Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 2). Der K verlangt Ersatzvon Nachteilen aus der Verwertung eines angeblich fehlerhaftenVertragsentwurfs; auf solche Vermögenseinbußen bezieht sich auchder vom Berufungsgericht zuerkannte Klageanspruch. Dabei han-delt es sich um „Mangelfolgeschäden“, die nicht mehr eng mit demWerkmangel zusammenhängen, sondern entferntere Mangelfolgensind; ein Anspruch auf Ersatz solcher Schäden verjährt nicht nach§ 638 BGB, sondern nach den Regeln der positiven Vertragsverlet-zung grundsätzlich in 30 Jahren (§ 195 BGB; vgl. BGHZ 46, 238,239; 58, 85, 87 und 332, 338; 61, 203, 205; 67, 1, 5, 8 f.; 87, 239,241 f.). Diese lange Verjährungsfrist gilt aber nicht für einen An-spruch des Auftraggebers aus einem Anwaltswerkvertrag auf Ersatzvon Mangelfolgeschäden; vielmehr verjährt ein solcher Anspruchgemäß der spezialgesetzlichen Vorschrift des § 51 BRAO a. F. (=§ 51b BRAO n. F.). Diese unterscheidet – für ihren Anwendungsbe-reich – nicht zwischen Dienst- und Werkvertrag; für eine solcheUnterscheidung besteht nach Sinn und Zweck dieser Verjährungsre-gelung auch kein sachlicher Anlaß (BGH, Urt. v. 26.5.1982 – IVaZR 313/80, NJW 1982, 2256 f.). Dementsprechend ist der BGH inseinem Urteil vom 20.10.1964 (VI ZR 101/63, NJW 1965, 106) zueinem Regreß aus Anwaltswerkvertrag von der Verjährungsrege-lung des Werkvertragsrechts ausgegangen, hat jedoch den geltendgemachten Ersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung nichtder Regelverjährung, sondern der – für den beurteilten Sachverhaltmaßgeblichen – fünfjährigen Verjährungsfrist gemäß § 37 RAO a.

F. unterworfen. In seinem Urteil vom 26.5.1982 (IVa ZR 313/80,aaO) hat der BGH entschieden, daß ein Schadenersatzanspruch ge-gen einen Steuerberater aus Schlechterfüllung eines Werkvertragesgemäß der – mit § 51 BRAO Fall 1 a. F. übereinstimmenden Vor-schrift des § 68 StBerG verjährt.

2. Die Verjährungsfrist für einen Regreßanspruch des Kl ausdem Vertrag der Parteien, aufgrund dessen der Bekl einen Vertrags-entwurf anzufertigen hatte, lief gemäß § 51 Fall 2 BRAO a. F. abBeendigung des Auftrags. Sollte es sich um einen Werkvertraghandeln, so wurde das Mandat beendet, als der Kl den bestelltenEntwurf als in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung abnahm,indem er diesen am 11.6.1986 unterzeichnete (§§ 640, 641 BGB;vgl. BGHZ 48, 257, 262). Lag ein Dienstvertrag vor, so endete derAuftrag, als der Bekl nach Erledigung seiner Aufgabe dem Kl am12.6.1986 seine Gebührenrechnung erteilte (vgl. BGH, Urt. v.29.11.1983 – VI ZR 3/82, VersR 1984, 162, 163).

a) Die Verjährung beginnt mit dem Mandatsende (§ 51 Fall 2BRAO a. F. = § 51b Fall 2 BRAO n. F.), wenn – wie im vorliegen-den Falle – erst später der Schaden aus der anwaltlichen Pflichtver-letzung entstanden ist, so daß die Verjährung früher eintritt alsnach der Hauptregelung des § 51 Fall 1 BRAO a. F. – § 51b Fall 1BRAO n. F. – (BGHZ 94, 380, 390; BGH, Urt. v. 14.11.1991 – IXZR 31/91, NJW 1992, 836). Nach dieser Vorschrift beginnt die Ver-jährung mit der Entstehung eines Schadenersatzanspruchs des Auf-traggebers. Ein Schaden ist eingetreten, wenn sich die Vermögens-lage des Betroffenen infolge des schädigenden Ereignissesobjektiv verschlechtert hat; dies ist nicht der Fall, solange nur dasRisiko eines Vermögensnachteils infolge der Pflichtverletzung be-steht (BGH, Urt. v. 5.11.1992 – IX ZR 200/91, NJW 1993, 1320 f.;v. 24.6.1993 – IX ZR 216/92, WM 1993, 1889, 1894, jeweils m. w.N.). Der behauptete Schaden infolge eines unvollständigen Ver-tragsentwurfs des Bekl ist danach entstanden, als die Käufer denVertrag mit Schreiben vom 11.8.1986 wegen arglistiger Täuschungund Irrtums angefochten haben; damit wurde zugleich der geltendgemachte Schadenersatzanspruch ausgelöst (§ 198 BGB). Danachist die Verjährungsfrist für einen solchen Anspruch des Kl gegenden Bekl im Juni 1989 – drei Jahre nach Mandatsende – abgelau-fen.

b) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob der Kl einen Se-kundäranspruch hatte, der dem haftpflichtigen Rechtsanwalt dieEinrede der Primärverjährung verwehrt (§ 249 BGB; vgl. BGHZ94, 380, 385 ff.). Ein solcher Anspruch steht dem Auftraggeber zu,wenn der Anwalt die Primärverjährung herbeigeführt hat, indem erbei fortbestehendem Mandat – oder bei einem neuen Auftrag überdenselben Gegenstand (BGH, Urt. v. 21.1.1988 – IX ZR 65/87,WM 1988, 629, 631; v. 24.6.1993 – IX ZR 216/92 aaO 1895 m. w.N.) – eine Pflicht, den Mandanten auf die eigene Regreßhaftungund die drohende Verjährung hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat(BGHZ 94, 380, 385).

Zugunsten des Kl kann unterstellt werden, daß er einen Sekun-däranspruch erlangt hat, weil das Prozeßmandat, das der Kl demBekl im Januar 1987 erteilt hat, sich auf den Gegenstand des vondiesem entworfenen Kaufvertrages bezogen hat und der Bekl we-gen des Klagebegehrens der Käufer, diesen Vertrag rückgängig zumachen, begründeten Anlaß hatte zu prüfen, ob er den Kl durch ei-nen fehlerhaften Vertragsentwurf geschädigt hatte (vgl. BGHZ 94,380, 386 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1990 – X ZR 82/89, WM 1990, 815,817). Eine Sekundärhaftung des Bekl hat nicht verhindert, daß dieVerjährung noch vor der Klageerhebung im Jahre 1991 eingetretenist. Ein aufgrund des neuen Mandats begründeter Sekundäran-spruch verjährte ebenfalls gemäß § 51 Fall 2 BRAO a. F., weil die-ses bei Eintritt der Primärverjährung nicht mehr bestand (vgl.BGH, Urt. v. 24.6.1993 – IX ZR 216/92 aaO 1895). Danach wardie Verjährung eines Regreßanspruchs des Kl gegen den Bekl spä-testens drei Jahre nach Beendigung des Prozeßmandats im Oktober1987 – also im Oktober 1990 vollendet.

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklnicht auf die Verjährungseinrede bis zum Ende des Jahres 1991 ver-

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zichtet mit der Folge, daß die Klageerhebung in jenem Jahre dieVerjährung noch unterbrochen hat (§§ 209, 217 BGB).

Verzichtet ein Schuldner während des Laufs einer Verjährungs-frist für eine bestimmte Zeit auf die Verjährungseinrede, so darf ersich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den Eintritt derVerjährung in diesem Zeitraum berufen (BGH, Urt. v. 26.5.1994 –IX ZR 57/93, WM 1994, 1848, 1849 m. w. N.). Dieser Fall liegthier nicht vor. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede im Schrei-ben des Bekl an den Anwalt des Kl vom 28.12.1990 wäre nachVollendung der Verjährung erfolgt.

Nach Eintritt der Verjährung kann der Schuldner auf das darausfolgende Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB) ver-zichten (BGHZ 83, 382, 389 m. w. N.). Eine Auslegung der Erklä-rung des Bekl vom 28.12.1990 ergibt, daß dies im vorliegendenFalle nicht geschehen ist. Der Senat kann die bisher fehlende Aus-legung selbst vornehmen, weil dafür weitere Feststellungen nichterforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1992 – IX ZR 57/91,NJW 1992, 1881, 1882 m. w. N.).

Für die Auslegung ist darauf abzustellen, wie der Empfängerdie Willenserklärung nach Treu und Glauben verstehen mußte;maßgeblich ist der objektive Erklärungswert (§§ 133, 157 BGB;BGH, Urt. v. 5.7.1990 – IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551m. w. N.). Die Äußerung des Bekl: „Allerdings sollte die Verteidi-gung nicht mit der Einrede der Verjährung geführt werden.“ sprachnicht zwingend für die uneingeschränkte Aufgabe eines Leistungs-verweigerungsrechts.

Schon der Ausdruck „sollte“ deutete nicht auf einen endgültigenEntschluß hin. Außerdem hatte der Bekl im vorangegangenen Satzerklärt, er werde einem Regreßanspruch des Kl „mit allem Nach-druck entgegentreten“. Abschließend hat sich der Bekl nur zu ei-nem vorübergehenden Entgegenkommen bereitgefunden mit derZusage, „daß gegen tatsächliche oder vermeintliche Ansprüche ...jedenfalls bis zum 31.12.1991 nicht die Einrede der Verjährung er-hoben“ werde. Daß der Bekl nach dem objektiven Gehalt seiner Er-klärung vielmehr nur der – befristeten – Verlängerung einer ver-meintlich noch laufenden Verjährungsfrist zugestimmt hat, ergabsich eindeutig aus dem Zusammenhang mit dem anwaltlichen An-spruchsschreiben des Kl vom 27.12.1990, das der Bekl mit seinerMitteilung beantwortet hat. Im Schreiben des Kl war die Befürch-tung geäußert worden, daß am 31.12.1990 Schadenersatzansprüchegegen den Bekl verjähren könnten. Um das zu vermeiden, hatte derKl gebeten, spätestens am folgenden Tage mitzuteilen, ob auf dieVerjährungseinrede verzichtet werde; für den Fall, daß eine solcheErklärung nicht rechtzeitig einging, hatte der Kl angekündigt, „zumZwecke der Unterbrechung der Verjährung Klage zu erheben“. Umdies zu verhindern, hat der Bekl in seiner Antwort („... IhremWunsch entsprechend ...“) darin eingewilligt, daß eine – vermeint-lich – noch laufende Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert wurde.

Da die Verjährung tatsächlich aber spätestens schon im Oktober1990 vollendet war, war diese Erklärung des Bekl wirkungslos(vgl. BGHZ 83, 382, 391).

RAG § 4 Abs. 11. Der Anwendungsbereich von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 RAG ist nichtauf Bewerber beschränkt, welche aus der DDR stammen.2. Von der Absolvierung eines „umfassenden juristischen Hoch-schulstudiums in der DDR“ i. S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG ist auchdann auszugehen, wenn der Bewerber den überwiegenden Teilseiner Studienzeit an Hochschulen in den alten Bundesländernzurückgelegt hat, sofern er vor dem 1.9.1990 ein juristisches Stu-dium an einer Hochschule in der damaligen Deutschen Demo-kratischen Republik aufgenommen und im folgenden mit demakademischen Grad eines Diplomjuristen abgeschlossen hat, so-weit es zu einer ordnungsgemäßen Anrechnung der zuvor inden alten Bundesländern erbrachten Studienleistungen nachMaßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften gekommen ist.(LS des Einsenders)AnwGH Thüringen, Beschl. v. 15.2.1996 – EGH 2/95

Aus den Gründen: Der Versagungsgrund eines fehlenden juri-stischen Hochschulstudiums auf dem Gebiet der ehemaligen Deut-

schen Demokratischen Republik i. S. v. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 RAGliegt nicht vor.

Das Zulassungsbegehren ist gem. Art. 21 Abs. 8 des Gesetzeszur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentan-wälte vom 8.9.1994 (BGBl I Seite 2278) auch nach Inkrafttretender Bundesrechtsanwaltsordnung in den neuen Ländern gem. § 4Rechtsanwaltsgesetz vom 13.9.1990 (Gesetzblatt der DDR I Seite1504) zu beurteilen.

Nach § 4 Abs. 1 RAG kann zur Rechtsanwaltschaft nur zuge-lassen werden, wer

– ein umfassendes juristisches Hochschulstudium in der DDRabsolviert und mit dem akademischen Grad eines Diplomjuristenabgeschlossen hat und

– auf mindestens 2 Jahre juristische Praxis in der Rechtspflegeoder einen rechtsberatenden Beruf verweisen kann.

Diese Regelung trägt einerseits dem Umstand Rechnung, daßdie in der früheren DDR ausgebildeten Juristen – von den An-fangsjahren der früheren DDR abgesehen – keine Möglichkeit hat-ten, ein zweites juristisches Examen abzulegen und die Befähigungzum Richteramt i. S. v. § 5 Abs. 1 DRiG zu erwerben, andererseitsberücksichtigt sie, daß das juristische Diplom dem zweiten juristi-schen Examen nicht gleichwertig ist (vgl. BGH Z 109, 286, 290).Die Befähigung zum Richteramt i. S. v. § 5 Abs. 1 DRiG als Vor-aussetzung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4BRAO soll gewährleisten, daß rechtsuchende Bürger in Rechtsan-gelegenheiten nur von Personen beraten werden, die in zwei Staats-examina (mit zwischenliegender Vorbereitungszeit) ihre Befähi-gung nachgewiesen haben. Diese Voraussetzungen werden durch§ 4 RAG dahin modifiziert, daß die Diplomführung gleichsam andie Stelle des ersten Staatsexamens tritt und außerdem in einerzweijährigen praktischen Tätigkeit in der Rechtspflege oder in ei-nem rechtsberatendem Beruf die im Hochschulstudium gewonne-nen theoretischen Kenntnisse vertieft und so praktisch erfahrenwerden kann, daß der Diplomjurist einen Stand erreicht, der demnach dem Vorbereitungsdienst abgelegten zweiten Staatsexamenangenähert ist (vgl. BGH, NJ 1995, 278 m. w. N.).

Der Antragsteller hat ein umfassendes juristisches Hochschul-studium in der DDR gem. § 4 Abs. 1 RAG absolviert.

Ein Studium in diesem Sinne wird – unbeschadet im Einigungs-vertrag geregelter Besonderheiten (beispielsweise Hochschule Pots-dam-Eiche) jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn diesem derStudienplan für die Grundstudienrichtung Rechtswissenschaft –Nomenklatur – Nr. 550 – des Ministeriums für Hoch- und Fach-schulwesen sowie den Hoch- und Fachschulabschluß – Prüfungs-ordnung – vom 3.1.1975 (Gesetzblatt DDR I Nr. 10 Seite 183) zu-grundelagen und das Studium noch vor dem 3.10.1990abgeschlossen wurde.

Wegen der mit § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Aufstellungvon Studenten, die vor dem 1.9.1990 an den juristischen Sektionender Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik imma-trikuliert worden sind vom 5.9.1990 (Gesetzblatt der DDR I Seite1436; nachfolgend Ausbildungsverordnung) geschaffenen Über-gangsregelung kam es auf den Abschluß vor dem 3.10. jedochnicht mehr an. Vielmehr wurde den Studenten für den Fall der Auf-nahme des Studiums vor dem 1.9.1990 die Möglichkeit einge-räumt, dieses nach dem zum Zeitpunkt der Aufnahme geltendenBestimmungen (siehe oben) und somit ein juristisches Hochschul-studium in der DDR abzuschließen.

Der Gesetzgeber stellte im Rahmen § 2 der Ausbildungsverord-nung allein auf die Immatrikulation vor dem 1.9.1990 an einer ent-sprechenden Universität auf dem Gebiet der DDR ab. Er begründe-te weder ein Erfordernis, das gesamte Studium bzw. die vierjährigeRegelstudienzeit (vgl. § 3 Abs. 2 Ausbildungsverordnung) auf demGebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zu ab-solvieren, noch begrenzte er den Anwendungsbereich der Bestim-mung des § 2 Abs. 2 Ausbildungsverordnung auf aus der DDRstammende Juristen.

Vielmehr wurde gem. § 2 Abs. 2 S. 2 Ausbildungsverordnungden Universitäten die Möglichkeit eingeräumt, entsprechend demin Abs. 1 der Vorschrift genannten Ziel modifizierte Studien- undPrüfungsordnungen zu erlassen. Es oblag danach letztlich den Uni-versitäten, die Modalitäten, unter denen ein Studium i. S. v. § 2Abs.2 S. 1 Ausbildungsverordnung und damit ein Hochschulstudi-

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Rechtsprechung�

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um in der Deutschen Demokratischen Republik (siehe oben) abzu-schließen war, zu regeln und somit auch zu entscheiden, ob und in-wiefern von anderen Universitäten absolvierte Studienzeiten beider Zulassung zur Prüfung und damit für den Studienabschluß zuberücksichtige waren. Hiervon hat die Friedrich-Schiller-Universi-tät Jena Gebrauch gemacht.

Dem Antragsteller wurden seine Studienzeiten in den altenBundesländern angerechnet, was gem. § 6 Abs. 2 der Ordnung derRechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universi-tät über die Durchführung begleitender Leistungskontrollen sowiedas System der Prüfungen (Prüfungsordnungen) vom 25.6.1990(Bl. 117 ff. d. A.) zulässig war.

Diese Ordnung trat zwar erst am 1.9.1990 in Kraft (§ 12 Abs.1 Prüfungsordnung); für Studierende, die das Studium vor dem1.9.1990 aufgenommen hatten, konnten jedoch Übergangsregelun-gen durch den Rat der Fakultät ausgelegt werden. In seinemSchreiben vom 26.6.1995 (Bl. 87 d. A.) teilte der Dekan der Fried-rich-Schiller-Universität Jena Rechtswissenschaftliche Fakultät aufAnfrage des Gerichts mit, daß diese Prüfungsordnung auch aufStudenten angewandt wurde, die ihr Studium vor dem 1.9.1990 aneiner Universität in der BRD begonnen hatten und dann an dieRechtswissenschaftliche Fakultät Jena gewechselt waren.

Gem. § 6 Abs. 2 Prüfungsordnung konnte zur Prüfung auch zu-gelassen werden, wer an einer anderen Universität Rechtswissen-schaft studiert hat und mit vorliegender Ordnung vergleichbareAbschlüsse nachweist sowie mindestens 3 Semester an der Rechts-wissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena– einschließlich erfolgreichen Bestehens der in diesem Semestervorgesehenen Hauptprüfungen – absolviert hat.

Ob der Antragsteller tatsächlich 3 oder ggfls. nur 2 Semester inJena absolviert hat, ist wegen § 6 Abs. 3 Prüfungsordnung uner-heblich. Da er zur Prüfung zugelassen wurde, wäre ggfls. davonauszugehen, daß der Dekan von seiner Befugnis gem. § 6 Abs. 3Prüfungsordnung Gebrauch gemacht hat, im Zweifel selbst dieEntscheidung über die Zulassung zu treffen. Eine Überprüfung indieser akademischen Selbstentscheidung ist nicht Gegenstand deshier anhängigen Verfahrens.

Der Antragsteller hat danach ein Studium i. S. v. § 2 Abs. 2Ziff. 1 der Ausbildungsverordnung und damit auch i. S. § 4 Abs. 1Ziff. 1 RAG absolviert und auch erfolgreich abgeschlossen.

Der Auffassung des Antragsgegners, daß Bewerber, welchenicht aus der DDR stammen, von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 RAG ausge-grenzt werden sollten, vermochte das Gericht auch im Hinblickauf Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz nicht zu folgen, wobei dem An-tragsgegner zuzugeben ist, daß die Regelung des § 4 RAG augen-scheinlich auf aus der DDR stammende Juristen ausgerichtet ist.Dies allein genügt jedoch für eine Ablehnung der Zulassung fürdie Anwaltschaft und damit für die Rechtfertigung eines Eingriffsin die gem. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz grundsätzlich gesicherteFreiheit der Berufswahl nicht (vgl. BVerfGE 87, 287, 307).

Ein solches die Freiheit der Berufswahl einschränkendes Gesetzist § 4 RAG, da es die Berufsaufnahme an subjektive, von der Per-son des Berufsanwärters abhängige und diesen (generell) erfüllbareVoraussetzungen (vgl. BVerfGE 7, 377, 406) bindet. Der Gesetzge-ber hat versäumt, § 4 Abs. 1 Ziff. 1 RAG hinreichend in dem vomAntragsgegner vorgetragenen Sinne abzugrenzen. Grundrechtsrele-vante Vorschriften sind nach dem Rechtsstaatsprinzip in ihren Vor-aussetzungen und ihrem Inhalt so klar zu formulieren, daß dieRechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhaltendanach ausrichten kann (vgl. BVerfGE 21, 73, 79). Das bedeutet,daß ein diesbezügliches Versäumnis des Gesetzgebers nicht zu La-sten des Betroffenen gehen kann.

Die Formulierung „umfassendes juristisches Hochschulstudiumin der Deutschen Demokratischen Republik“ läßt die zu forderndeEindeutigkeit vermissen, da sie verschiedene Auslegungen und ins-besondere auch die vom Antragsteller vorgetragene Abgrenzungzuläßt.

Eine ausdrückliche Einschränkung der auf § 4 Abs. 1 RAG ge-gründeten Privilegierungen auf aus der DDR stammende Studentenergibt sich weder aus Einigungsvertrag, Rechtsanwaltsgesetz, Aus-bildungsverordnung noch aus den Erläuterungen zu den Anlagenzum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und derDeutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Ein-

heit Deutschland vom 31.8.1990 (Bundestagsdrucksache 11/7817 v.10.9.1990; nachfolgend Erläuterungen zum Einigungsvertrag). Viel-mehr lassen sowohl Einigungsvertrag als auch die Erläuterungenzum Einigungsvertrag hinsichtlich der Formulierung des § 4 Abs. 1Ziff. 1 RAG erkennen, daß es dem Gesetzgeber darauf ankam, eineinhaltliche Abgrenzung insbesondere gegenüber einem Studium inPotsdam-Eiche und vergleichbaren Einrichtungen vorzunehmen.

In den Erläuterungen zum Einigungsvertrag (Seite 23) heißt es:„...der Abschluß an der juristischen Hochschule Potsdam-Eiche

ist keine geeignete Grundlage für die Fortführung einer begonnenenAusbildung als Richter-, Staatsanwalts-, Rechtsanwalts- oder Nota-rassistent oder für die Aufnahme in eine solche Ausbildung. Aufga-be dieser Hochschule war es, den juristischen Nachwuchs desStaatssicherheitsdienstes zu schulen. Diese Ausbildung, in der einrechtswissenschaftliches Studium grundlegende Gebiete wie dasZivilrecht nur eine untergeordnete Rolle spielten, war nur dem Na-men, nicht aber dem Inhalt ein juristisches Studium. Aus diesemGrunde wird auch in § 9 Abs. 2 S. 4 des Richtergesetzes der Deut-schen Demokratischen Republik ein Diplom der Juristischen Hoch-schule Potsdam-Eiche nicht als abgeschlossenes Rechtswissen-schaftliches Studium anerkannt. Sollten von vergleichbarenEinrichtungen juristischer Ausbildungsgänge mit dem Abschluß Di-plomjurist angeboten worden sein, können auch solche Ausbil-dungsgänge nicht den Zugang zur Assistentenausbildung eröffnen.Als mit der juristischen Hochschule Potsdam-Eiche vergleichbarsind Einrichtungen anzusehen, bei denen die Ausbildung in ver-gleichbarer Weise von einem ordnungsgemäßen rechtswissenschaft-lichen Studium abwich wie an der Hochschule Potsdam-Eiche...“

Für daraus hinausgehende Ab- bzw. Ausgrenzungen fehlt es anhinreichenden Stützen sowohl im Einigungsvertrag, im Rechtsan-waltsgesetz und der Ausbildungsverordnung aber auch in den be-treffenden Ordnungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Obder Gesetzgeber Bewerber wie den Antragsteller bewußt nicht aus-schließen wollte oder ob er den Regelungsbedarf verkannt hat unddabei von der Eindeutigkeit seiner Regelung ausging, ist letztlichunerheblich; eine etwaige Lücke kann wegen Art. 12 Abs. 1 GGjedenfalls nicht zu Lasten des Bewerbers gehen. Einer antragsge-mäßen Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragsteller zurRechtsanwaltschaft zuzulassen, war jedoch nicht auszusprechen.Ob neben der Frage nach dem Hochschulstudium i. S. § 4 Abs. 1Ziff. 1 RAG andere Versagungsgründe, beispielsweise gem. § 7RAG, vorliegen und inwieweit sich der Antragsgegner hierauf be-rufen kann, war hier nicht zu entscheiden.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Wolfgang Ewer, Kiel

FGG § 22 Abs. 1; WEG § 13 Abs. 1, § 14 Nr. 1Den Verfahrensbevollmächtigten trifft kein Verschulden, wenn erdie an das zuständige Gericht gerichtete Rechtsmittelschrift amletzten Tag der Rechtsmittelfrist unterzeichnet, obwohl auf de-ren erster Seite noch eine unwesentliche Korrektur vorzuneh-men ist, und wenn die bis dahin zuverlässige Angestellte zurAusführung der Korrektur die erste Seite der Rechtsmittel-schrift nochmals schreibt und dabei versehentlich ein unzustän-diges anstelle des zuständigen Gerichts einsetzt. Einer Anwei-sung, den Schriftsatz nach Vornahme der Korrektur nochmalszur Kontrolle vorzulegen, bedarf es in einem solchen Falle nicht.BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2 Z BR 55/95

Aus den Gründen: II. 1. Das zulässige Rechtsmittel ist begrün-det.

Die sofortige Beschwerde ist zwar nach Ablauf der Zweiwo-chenfeist (§ 45 Abs. 1 WEG; § 22 Abs. 1, § 17 Abs. 1 FGG;§ 187 Abs. 1, § 188 Abs . 2 BGB) eingelegt worden; der Eingangder Beschwerdeschrift bei der Allgemeinen Einlaufstelle der Justiz-behörden in M. am 19.4.1994 wahrte die Frist nicht, da sie nicht andas zuständige Gericht adressiert war (vgl. BGH VersR 1981, 63;BGH NJW-RR 1993, 254; BayObLG NJW 1988, 714). Den An-tragsgegnern ist aber auf den rechtzeitig gestellten Antrag Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, da die Versäumung

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der Beschwerdefrist weder von ihnen noch von ihrem Verfahrens-bevollmächtigten verschuldet wurde (§ 22 Abs. 2 Sätze 1 und 2FGG).

a) Die Antragsgegner haben zur Versäumung der Frist vorgetra-gen und glaubhaft gemacht: Ihr Verfahrensbevollmächtigter unter-zeichnete am Nachmittag des 19.4.1994 die an das zuständigeLandgericht M. II gerichtete Beschwerdeschrift. Die Anwaltsgehil-fin F., damals seit 2 1/4 Jahren bei ihm beschäftigt und durch kei-nerlei Versäumnisse oder Fehler aufgefallen, mußte auf der erstenSeite eine Korrektur vornehmen, nämlich an die Stelle von „sofor-tige Beschwerde gemäß § 43 Abs. 1 WEG“ die Bestimmung „§ 45Abs . 1 WEG“ einsetzen. Sie wollte zunächst nach Korrektur aufdem Bildschirm die erste Seite neu ausdrucken, was jedoch miß-lang, da der Text „abstürzte“. Nach Aus- und Wiedereinschaltender Schreibmaschine schrieb sie, da der Schriftsatz noch nicht aufDiskette gespeichert war, die erste Seite neu, nunmehr aber verse-hentlich statt „LG M. II“ „LG M. I“. Sie steckte den Schriftsatzdann in einen Umschlag und brachte ihn zum Nachtbriefkasten derAllgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden in M.

Nach einer allgemeinen Anweisung des Verfahrensbevollmäch-tigten hatte Frau F. vor dem Einlegen in den Briefumschlag noch-mals die Anschrift und die Unterzeichnung des Schriftsatzes zuüberprüfen. Dies unterließ sie erstmals und versehentlich.

b) Die Versäumung der Beschwerdefrist beruht somit auf derAuswechslung der ersten Seite der Beschwerdeschrift bei Ausfüh-rung der vom Verfahrensbevollmächtigten angeordneten Korrekturund auf der versehentlichen Adressierung nicht mehr an das zustän-dige, sondern an das unzuständige Gericht durch die Angestelltedes Verfahrensbevollmächtigten, Frau F. Deren Verschulden müssensich die Antragsgegner nicht anrechnen lassen (vgl. Jansen FGG 2.Aufl. Rdnr. 22 a. E., Bassenge FGG 6. Aufl. Anm. II 2bbb, Jeweilszu § 22). Ein von den Antragsgegnern zu vertretendes Verschuldenihres Verfahrensbevollmächtigten selbst wäre nur dann anzuneh-men, wenn er nicht auf die Zuverlässigkeit seiner Angestellten ver-trauen durfte oder wenn er es an der Organisation (Überwachung)und an den gebotenen allgemeinen oder besonderen Anweisungenfehlen ließ. Dies ist aber nicht der Fall. Der Verfahrensbevollmäch-tigte durfte darauf vertrauen, daß seine Angestellte zuverlässig(vgl. dazu BGHR ZPO § 233 „Büropersonal“ 2; BGH VersR 1989,209) und in der Lage war, seine Anweisungen richtig auszuführen,Nachdem nur eine Gesetzesstelle auf der ersten Seite der Rechts-mittelschrift auszubessern war, durfte er den an das zuständige Ge-richt gerichteten Schriftsatz schon vor der Korrektur unterschrei-ben. Eine Anweisung, die Beschwerdeschrift nach der Korrekturnochmals zur Kontrolle vorzulegen, war nicht erforderlich (vgl.BGH VersR 1992, 1023; BGH NJW 1982, 2670/2671; BFH DB1988, 684/685; Stein-Jonas/Roth ZPO 21. Aufl. § 233 Rdnr. 79„Schriftsatzmängel“). Damit, daß die Angestellte die ganze Seitemit der für die rechtzeitige Einlegung wichtigen Angabe des zu-ständigen Gerichts nochmals schreiben werde, brauchte der Verfah-rensbevollmächtigte nicht zu rechnen. Im übrigen würde auchdann entgegen der Ansicht des LG nichts anderes gelten. Der Ver-fahrensbevollmächtigte durfte auch darauf vertrauen, daß seine An-gestellte die erste Seite der Beschwerdeschrift nochmals insgesamtrichtig schreiben würde. Die Rechtsprechung (BGH BFH jeweilsaaO) verlangt die Anweisung des Verfahrensbevollmächtigten, einebereits unterzeichnete Rechtsmittelschrift nach einer Korrekturnochmals vorzulegen, auch dann nicht, wenn nicht das für die Ein-legung des Rechtsmittels zuständige Gericht angegeben und inso-weit eine Korrektur vorzunehmen ist. Dies läßt sich mit dem vor-liegenden Fall vergleichen. . . .Mitgeteilt von Richter am BayOBLG Johann Demharter, München

BGB §§ 675, 2491. Ist eine feste Verwaltungsübung der zuständigen Finanzbehör-den einem steuerlichen Berater bekannt oder muß er sie kennen,handelt er pflichtwidrig, wenn er sie bei seinen steuerlichenEmpfehlungen und Belehrungen nicht berücksichtigt. Dies giltauch dann, wenn er diese Übung persönlich für rechtswidrighält und dies objektiv zutrifft.2. Läßt ein steuerlicher Berater eine ständig geübteVerwaltungs-praxis zur Wirtschaftsförderung pflichtwidrig und schuldhaftaußer acht, hat er dem Mandanten für die daraus erwachsendenNachteile einzustehen, auch wenn die Verwaltungsübung gegenErmessensrichtlinien verstößt.BGH, Urt. v. 28.9.1995 – IX ZR 158/94

Aus den Gründen: 1. Das BerG hat eine Pflichtverletzung desBekl rechtsfehlerhaft verneint.

a) Nach den Feststellungen des BerG war Inhalt des dem Beklerteilten Auftrages unter anderem die Beratung der Kl über steuer-liche Möglichkeiten zur Förderung der von ihr im Zonenrandgebietgeplanten und durchgeführten Investitionen. Kraft dieses Auftrageshatte der Bekl die Interessen der Kl bestmöglich zu wahren, sieumfassend steuerlich zu beraten und ihr insbesondere den relativsichersten Weg aufzuzeigen, wie sie die Vergünstigungen des Zo-nenrandförderungsgesetzes erlangen konnte (BGHZ 89, 178, 181;BGH, Urt. v. 3.12.1992 – IX ZR 61/92, NJW 1993, 1137, 1138; v.3.6.1993 – IX ZR 173/92, NJW 1993, 2799, 2800; v. 8. 7.1993 –IX ZR 242/92, NJW 1993, 2676; v. 10.2.1994 – IX ZR 10 93,NJW 1994, 1472; v. 9.6.1994 – IX ZR 125/93 NJW 1994, 3295,3297; zur Belehrung über die Möglichkeit einer Steuerersparnisvgl. insbesondere BGH, Urt. v. 7.11.1991 – IX ZR 288/90, WM1992, 238, 239; v. 26.5.1994 – IX ZR 57/93, WM 1994, 1848,1850).

Hierzu gehört auch, daß der Berater den Steuerpflichtigen aufeine ständige für diesen günstige Verwaltungspraxis der Finanzbe-hörden hinweist. Geben die Behörden allen Anträgen auf Vergünsti-gungen ohne nähere Prüfung statt, so hat der Berater von einer demMandanten günstigen Beurteilung durch die Finanzbehörden auszu-gehen und danach seine steuerlichen Empfehlungen und Belehrun-gen auszurichten, selbst wenn die Auffassung der Finanzbehördenmit der objektiv zutreffenden Sach- und Rechtslage nicht im Ein-klang steht (vgl. BGHZ 79, 223, 229; BGH, Urt. v. 6.2.1991 – VIIIZR 26/90, NJW-RR 1991, 660; v. 7.5.1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1112; v. 3.6.1993 – IX ZR 173/92, NJW 1993,2799, 2800). Denn nur dann kann der Mandant umfassend abwä-gen, bevor er sich für oder gegen den Antrag entscheidet. Will derBerater die Vergünstigung nicht beantragen, weil er sie für gesetz-widrig hält, kann der Mandant einen anderen damit beauftragen.

Dies gilt entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenenMeinung nicht lediglich dann, wenn das Finanzamt einen Antragdes Mandanten bereits anerkannt hat. Auch wenn ein diesem gün-stiger bindender Bescheid noch nicht vorliegt, der steuerliche Bera-ter diesen vielmehr erst herbeiführen soll, darf er die Augen nichtdavor verschließen, wie die Behörde vergleichbare Anträge bisherbehandelt haben. Denn der steuerliche Berater geht nicht den rela-tiv sichersten Weg, wenn er sich, weil er es besser zu wissenglaubt, über eine ständige Verwaltungspraxis hinwegsetzt. Wegendes Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Verwaltungund der für ihre Bediensteten geltenden Gehorsamspflicht bestehtnämlich eine tatsächliche Vermutung, daß eine ständige Verwal-tungspraxis sich mit den Verwaltungsvorschriften im Einklang be-findet und daß diese sich wiederum mit den Gesetzen decken (vgl.Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR III (1988) § 65 Rdnr. 46;derselbe, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht 10.Aufl. § 6 Rdnr. 49).

Allerdings braucht ein steuerlicher Berater die bisherige Praxisnur zu beachten, wenn er sie kennt oder kennen muß. Sich nach ei-ner ihm unbekannten Verwaltungsübung zu erkundigen, kann dersteuerliche Berater dann verpflichtet sein, wenn die Behörde überden noch zu stellenden Antrag nach ihrem Ermessen zu entschei-den hat. Denn insoweit kommt eine Ermessensbindung durch stän-dige – rechtmäßige – Verwaltungsübung in Betracht (BVerwGE 34,278, 280; 44, 1, 6; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum Grundge-setz (Oktober 1992), Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 172, 175; Ossenbühl, in:Isensee/Kirchhof, HStR III § 65 Rdnr. 44 ff.; derselbe, in: Erich-

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sen/Martens, aaO § 6 Rdnr. 49; Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundge-setz Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 428 ff.), die der steuerliche Berater nichtaußer acht lassen darf, wenn er seiner Pflicht zur umfassenden Be-ratung genügen will. Kann der für den Mandanten zu stellende An-trag nur Erfolg haben, wenn die Behörde den Rahmen ihres Ermes-sens überschreitet, ist der Berater jedoch zu einer Erkundigunggrundsätzlich nicht verpflichtet. Es ist ihm nicht zuzumuten, ohneerkennbaren Anlaß – mehr oder weniger routinemäßig – bei der zu-ständigen Behörde nachzufragen, ob sie bei der Behandlung ent-sprechender Anträge möglicherweise ständig von den Steuergeset-zen und den dazu ergangenen Richtlinien abweiche. Einsteuerlicher Berater muß eine derartige gefestigte Praxis aber dannkennen, sich zumindest danach erkundigen, wenn es konkrete An-haltspunkte dafür gibt. Das ist z. B. der Fall, wenn die oberen Steu-erbehörden eines Landes die nachgeordneten Finanzämter angewie-sen haben, von bundeseinheitlichen Richtlinien abzuweichen, unddiese Anweisungen veröffentlicht sind. Anlaß, der Frage nach einermit der objektiven Rechtslage möglicherweise nicht im Einklangstehenden Verwaltungspraxis nachzugehen, hat der steuerliche Be-rater auch dann, wenn diese Praxis in der Öffentlichkeit oder auchnur in den Fachkreisen, denen der Berater angehört, erörtert wird.

b) Das BerG ist im Grundsatz davon ausgegangen, daß derBekl bei der Interessenwahrung für die Kl nicht nur die objektiveRechtslage, sondern darüber hinaus auch „die sich aus dem Verhal-ten der Finanzbehörden für die Kl etwa ergebenden günstigenRechtsfolgen“ zu beachten hatte. Es hat dann aber das Vorbringender Kl rechtsfehlerhaft nur unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, obsich daraus für sie unter Zugrundelegung des Zonenranderlasses1978 ein Anspruch herleiten läßt. Die Kl hatte unter Beweisantrittvorgetragen, daß die Oberfinanzdirektionen München und Nürn-berg die für das bayerische Zonenrandgebiet zuständigen Finanz-ämter angewiesen hätten, bei der Zulassung steuerfreier Rücklagengroßzügig zu verfahren, und daß die angesprochenen Finanzämter– darunter auch das für die Kl zuständige Finanzamt P. – deshalballen Anträgen ohne nähere Prüfung stattgegeben hätten. Zu die-sem Vortrag hat das BerG keine Feststellungen getroffen. Dieswäre aber erforderlich gewesen. Zwar war die angebliche Verwal-tungsübung nur erheblich, wenn die ihr zugrundeliegenden Anwei-sungen nach dem Zonenranderlaß 1978 ergangen waren – andern-falls durfte der Bekl sie als überholt betrachten – und jedenfalls inFachkreisen bekannt geworden waren. Zu beidem hat die Kl nichtsvorgetragen, weil sie bereits das Bestehen einer vom Zonenrander-laß abweichenden Praxis als solche für ausreichend ansah, die Kla-ge zu stützen. Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Kl dasFehlende nachgeholt hätte, wenn das BerG gem. § 139 ZPO einenentsprechenden Hinweis gegeben hätte. Das ist für das Revisions-verfahren zu unterstellen. Dann war die Beratung des Bekl fehler-haft, zumindest unvollständig.

Im übrigen hat das BerG außer acht gelassen, daß in den Jahren1989 und 1990 in Fachzeitschriften über die „Anpassung des § 3ZRFG an die langjährige Verwaltungsübung“ berichtet wurde(DStK 1989, 2; DB Beilage Nr. 3/90 S. 2; vgl. auch DStR 1989,257; Stbg 1989, 371). Das BerG hätte deshalb prüfen müssen, obder Bekl davon Kenntnis hatte oder haben mußte. Gegebenenfallswäre ihm die Kenntnis von der langjährigen Verwaltungsübungnoch so rechtzeitig zugewachsen, daß er der Kl wenigstens für dasJahr 1988 noch die Bewilligung steuerfreier Rücklagen hätte ver-schaffen können. Denn für 1989 hat sie noch Ende 1990 das Erfor-derliche veranlassen können.

2. Ein Verschulden des Bekl kann ebensowenig verneint wer-den. Veröffentlichte Erlasse der örtlich zuständigen Oberfinanzdi-rektionen zur Gewährung von Vergünstigungen nach dem Zonen-randförderungsgesetz muß ein steuerlicher Berater kennen, wenn erMandanten berät, die solche Vergünstigungen in Anspruch nehmenwollen. Desgleichen ist es schuldhaft, wenn der Bekl sich nicht umeine Verwaltungsübung gekümmert hat, die ihr anläßlich der Geset-zesänderung im Jahre 1989 bekannt geworden ist oder die er beiAnwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte kennenkönnen.

3. Nach dem Sachvortrag der Kl kann die Pflichtverletzung desBekl für den ihr durch die unterbliebene Zulassung steuerfreierRücklagen entstandenen wirtschaftlichen Nachteil ursächlich ge-worden sein. Die Kl, die in den Jahren 1987 bis 1989 gewerblicheInvestitionen vorgenommen hat, macht geltend, daß sie in den je-weils vorausgehenden Jahren steuerfreie Rücklagen gebildet hätte,

wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, daß das für sie zuständi-ge Finanzamt P. diese Rücklagen anerkennen werde. Diese Be-hauptung, für deren Richtigkeit im übrigen ein Anscheinsbeweissprechen kann (vgl. BGHZ 123, 311, 317; BGH, Urt. v. 27.5.1993– IX ZR 66/92; WM 1993, 1513, 1516), ist in Ermangelung gegen-teiliger Feststellungen für das Revisionsverfahren zugrunde zu le-gen. Des weiteren ist zu unterstellen, daß das Finanzamt die steuer-freien Rücklagen bewilligt hätte.

4. Der Nachteil der Kl kann sich als rechtlich ersatzfähigerSchaden darstellen.

Allerdings darf grundsätzlich einem Anspruchsteller im Wegedes Schadensersatzes nichts zugesprochen werden, was der Rechts-ordnung widerspricht (vgl. RGZ 90, 305, 306; BGHZ 72, 328, 331f.; 124, 86, 95; 125, 27, 34; BGH, Urt. v. 14.7.1954 – VI ZR 260/53, LM BGB § 843 Nr. 5; v. 7.5.1974 – VI ZR 7/73, NJW 1974,1374, 1376; v. 26.3.1985 – VI ZR 245/83, NJW 1985, 2482, 2483;v. 2.7.1987 – IX ZR 94/86, NJW 1987, 3255, 3256; v. 26.1.1989 –IX ZR 81/88, NJW-RR 1989, 530 f.). Es widerspricht jedochgrundsätzlich nicht der Rechtsordnung, wenn der Auftragnehmerfür die Nachteile einstehen muß, die dem Auftraggeber entstandensind, weil er sich durch schuldhaft schlechte Ausführung des Auf-trags die damalige Behördenpraxis nicht hat zunutze machen kön-nen. Ob dies auch dann gilt, wenn die Behörden in ständiger Praxiseinen Vorteil gewährt haben, der nach dem Gesetz schlechterdingsnicht gewährt werden durfte (so BGHZ 79, 223, 230 m. Anm. Gi-risch LM BGB B 249 (A) Nr. 57), mag offenbleiben. Wenn diebayerischen Finanzämter – wie die Kl behauptet – für Investitionenim Zonenrandgebiet regelmäßig steuerfreie Rücklagen bewilligthaben, verstieß dies nicht ohne weiteres gegen das Zonenrandför-derungsgesetz in der seit 1986 geltenden Fassung, sondern zu-nächst nur gegen die im Zonenranderlaß 1978 enthaltenen Ermes-sensrichtlinien.

Das Gesetz beschränkte die Gewährung steuerfreier Rücklagennicht auf Ausnahmefälle, machte vielmehr steuerfreie Rücklagenund Sonderabschreibungen von denselben Voraussetzungen abhän-gig. § 3 Abs. 4 ZRFG sah für beide Förderungsmaßnahmen eineEinschränkung lediglich insoweit vor, als er Unternehmen von derFörderung ausnahm, deren Ertrags- und Vermögenslage so günstigwar, daß Maßnahmen nach Absatz 1 auch unter Berücksichtigungder besonderen Verhältnisse im Zonenrandgebiet nicht vertretbarerschienen.

Diese Prosperitätsklausel ist seit dem Steuerbereinigungsgesetz1986 für den Zeitraum, um den es hier geht, entfallen. Von 1986 abkonnten gem. § 3 Abs. 1 ZRFG im Hinblick auf wirtschaftlicheNachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen des Zonen-randgebietes ergaben und von denen einige beispielhaft genanntwaren, ohne zusätzliche Einschränkungen gleichermaßen steuer-freie Rücklagen und Sonderabschreibungen zugebilligt werden.Daß die Kl im Sinne dieser Vorschrift wirtschaftlich benachteiligtwar, räumt auch der Bekl ein. Denn er hat für sie Sonderabschrei-bungen beantragt und bewilligt erhalten.

§ 3 ZRFG ermächtigte die obersten Finanzbehörden, im Rah-men der Zielsetzung der Vorschrift Ermessensregelungen zu erlas-sen, die von den nachgeordneten Behörden zu befolgen waren.Von dieser Ermächtigung hat die Finanzverwaltung insbesonderedurch das BMF-Schreiben vom 10.11.1978 (BStBl. I 1978, S. 451),den sog. Zonenranderlaß, Gebrauch gemacht. Diesem Erlaß hätteeine Verwaltungspraxis widersprochen, die – wie die Kl behauptet– allen Anträgen auf steuerfreie Rücklagen ohne nähere Prüfungstattgab. Denn nach III 1 des Erlasses waren steuerfreie Rücklagennur in Ausnahmefällen zuzulassen, wobei als ein Ausnahmefallbeispielhaft erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten in mittelstän-dischen Betrieben genannt waren. Gleichwohl ist damit noch nichtgesagt, daß die Kl nicht auch einen Anspruch auf Bewilligung derRücklage ohne jede Prüfung gehabt hätte.

Besteht eine feste gesetzwidrige Praxis, kann – und muß – dieVerwaltung allerdings jeden neuen Einzelfall zum Anlaß nehmen,von der bisherigen Praxis abzurücken und zur Rechtmäßigkeit zu-rückzukehren. Will die Verwaltung so verfahren, kann sie nicht un-ter Berufung auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 2 GG) gezwun-gen werden, den alten Fehler zu wiederholen (BVerfG NVzW1994, 475, 476; BSG Breithaupt 1982, 63, 66; BVerwGE 92, 153,157; BFH NJW 1989, 2417, 2419; Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 3Abs. 1 Rdnr. 182; Erichsen, in: Erichsen/Martens, aaO § 10 Rdnr.

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20). Ist eine prinzipielle Änderung der gesetzwidrigen Verwal-tungspraxis aber nicht gewährleistet, weil die Behörde nicht ände-rungsfähig oder nicht änderungswillig ist, befürwortet eine neuereAuffassung einen Individualanspruch auf Gleichbehandlung ent-sprechend der bisherigen und auch für die Zukunft zu erwartendengesetzwidrigen Praxis (vgl. Paul Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof,HStR V (1992) § 125 Rdnr. 74, 77, 85 f., 88; ähnlich Starck, in: v.Mangoldt/Klein, GG 3. Aufl. (1985) Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 184-186,jeweils m. w. N.). Ob dieser Ansicht zu folgen ist, bedarf keinerEntscheidung. Denn die Praxis der Finanzbehörden verstieß – wieoben ausgeführt worden ist – ab 1986 möglicherweise nicht gegendas Zonenrandförderungsgesetz, sondern nur gegen den Zonenran-derlaß, eine Verwaltungsrichtlinie.

Auch dieser Verstoß wäre nur innerhalb der Verwaltung, nichtaber in ihrem Verhältnis zum Steuerpflichtigen rechtswidrig, wennsich die Finanzverwaltung nicht nach dem Zonenranderlaß gerich-tet, vielmehr bundesweit die von der Kl behauptete bayerische Pra-xis an den Tag gelegt hätte. Denn Anknüpfungspunkt für dieSelbstbindung der Verwaltung aus Art. 3 Abs. 1 GG sind nicht dieVerwaltungsvorschriften, sondern die ständige Verwaltungspraxis,die Verwaltungsübung. Die Bindung gegenüber dem Bürger ergibtsich aus der Anwendung der Verwaltungsvorschriften, die nur einwichtiges Indiz für eine entsprechende Praxis sind (vgl. Ossenbühlin: Erichsen/Martens, aaO § 7 IV 4 Rdnr. 48; Rüfner, in: BonnerKommentar, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 174, Dürig, in: Maunz/Dürig, GGArt. 3 Abs. 1 Rdnr. 433). Der Zonenranderlaß hatte als Ermessens-richtlinie nicht nur die Funktion, den gesetzanwendenden Instanzenihre Aufgabe zu erleichtern, sondern auch den Zweck, im Interessedes Gleichheitsgrundsatzes die Ermessenspraxis zu vereinheitli-chen. Durch Umsetzung der Richtlinie in die Praxis band sich dieVerwaltung selbst. Unterblieb die Umsetzung, wurde vielmehr inAbweichung von der Richtlinie in ständiger Übung Anträgen ohnenähere Prüfung stattgegeben, so hätte sich die Verwaltung in die-sem Sinne und nicht in dem der Richtlinie gebunden.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Zonenrander-laß in allen vier Zonenrandländern nicht befolgt worden wäre.Nach Untersuchungen des Bundesrechnungshofes in den Jahren1987/88 sind nur in Bayern abweichend von den bundeseinheitli-chen Richtlinien die Voraussetzungen für die Bewilligung steuer-freier Rücklagen nicht geprüft worden (BT-Drucks. 11/5383, Seite87 f.). Hiernach wären die Steuerpflichtigen, die im Zonenrand-gebiet außerhalb Bayerns investierten, durch die dort herrschende,dem Zonenranderlaß entsprechende Verwaltungspraxis im Ver-gleich mit den Investoren Bayerns benachteiligt und damit un-gleich behandelt worden. Ist die Verwaltung nicht willens, für dieZukunft auf die einheitliche Linie der strengeren, für den Steuer-pflichtigen nachteiligeren Regelung einzuschwenken, bleibt siealso bei ihrer abweichenden Praxis, so kann den benachteiligtenSteuerpflichtigen, wenn es – wie hier – um das Subventionsrechtgeht, auch daraus ein Anspruch auf Gleichstellung erwachsen(vgl. Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 182;Starck, Das Bonner Grundgesetz Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 186; BergJuS 1980, 418, 421). In diesem Bereich kann demjenigen, der bis-her durch eine ungleichmäßige Verwaltungspraxis bevorzugt wur-de, die Vergünstigung grundsätzlich nicht nachträglich entzogenwerden. Sein Vertrauen ist geschützt. Wettbewerbsnachteile unddamit die Ungleichbehandlung anderer Antragsteller lassen sichnur in der Weise ausschließen, daß ihnen die Leistungen – hier:eine steuerliche Entlastung –, die bisher der zu Unrecht bevor-zugten Gruppe gewährt wurden, ebenfalls gewährt werden (vgl.BVerwGE 55, 349 = NJW 1979, 561; BVerwGE 58, 45, 51, 53;BFH BStBl. 1988, 653, 654; VGH BaWü NVwZ 1987, 253, 254;Ipsen, Öffentliche Subventionierung Privater 1956 S. 92 f.; zumAbwehranspruch bei einer gleichheitswidrigen steuerlichen Be.la-stung vgl. BVerfGE 84, 239; zur Anwendung des Grundsatzes imArbeitsrecht vgl. BVerfG NZA 1988, 473; BAGE 71, 195, 210 ff.;BAG NZA 1988, 61, 62). Das gilt hier jedenfalls für solche Steu-erpflichtigen, die – wie die Kl – Investitionen in Bayern vorge-nommen haben. Der Richter hat nur zu prüfen, ob zum Nachteildes Antragstellers der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen,der durch die gesetzliche Zweckbindung gezogen ist, mißachtetwurde. Entscheidend ist dabei die bisherige Vergabepraxis, alsodie Frage, wie die zuständige Behörde die Richtlinien aufgefaßtund angewendet hat (VGH BaWü NVwZ 1987, 253, 254; Ossen-bühl, in: Erichsen/Martens, aaO § 6 Rdnr. 49).

Nur wenn die bayerischen Finanzbehörden ihre bisherige Praxisgrundlegend und auf Dauer hätten ändern und in Zukunft nur nachdem Zonenranderlaß von 1978 hätten verfahren wollen, hättenSteuerpflichtige aus dem Gleichheitsgrundsatz keine Rechte mehrherleiten können. Eine solche Änderung ist – jedenfalls nach demVortrag der Kl – nicht erfolgt; vielmehr ist umgekehrt mit demBMF-Schreiben vom 27.12.1989 bundesweit die bayerische Praxisübernommen worden.

5. Zu der Höhe ihres Schadens hat die Kl entgegen der Mei-nung des BerG hinreichend substantiiert vorgetragen. Insofern hates unter Verstoß gegen §§ 286, 287 ZPO wesentliches Vorbringender Kl unberücksichtigt gelassen und die Anforderungen an dieDarlegung des Schadens verkannt.

§ 287 ZPO erleichtert dem Geschädigten nicht nur die Beweis-führung, sondern auch die Darlegung (BGH, Urt. v. 24.9.1986 –IVa ZR 236/84, BGHR ZPO § 287 – Substantiierung 1; v.23.10.1991 – XII ZR 144/90, NJW-RR 1992, 202, 203; v.5.11.1992 – IX ZR 12/92, NJW 1993, 734; v. 12.10.1993 – X ZR65/92, NJW 1994, 663, 664). Im vorliegenden Fall bezweifelt auchder Bekl nicht (vgl. sein Schreiben vom 20.11.1990 – Anl. B 4, S.2), daß die Bildung steuerfreier Rücklagen zu „Einsparungen“ ge-führt hätte. Stehen Haftungsgrund und Schadenseintritt fest, darfdas Gericht von einer Schätzung des Schadens nach § 287 ZPOnicht schon deshalb absehen, weil der Sachvortrag des Geschädig-ten eine abschließende Beurteilung seines gesamten Schadens nichtzuläßt. Die Schätzung darf vielmehr nur dann abgelehnt werden,wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig inder Luft hängen würde (BGHZ 91, 243, 257; BGH, Urt. v.12.10.1993 – X ZR 65/92, NJW 1994, 663, 665). Davon kann hierkeine Rede sein.

Das Zonenrandförderungsgesetz erlaubte, falls die Vorausset-zungen gegeben waren, die Bildung von steuerfreien Rücklagen inHöhe von 50 % der in den beiden folgenden Jahren geplanten In-vestitionen. Eine derartige Rücklage führte zunächst zu einer Min-derung des zu versteuernden Gewinns. Im Jahr der Investition wur-de die Rücklage zwar aufgelöst. Der dadurch entstehende höhereGewinn wurde aber durch die gleich hohe Sonderabschreibungnach dem Zonenrandförderungsgesetz wieder gemindert. Wie dieSonderabschreibung bewirkte auch die Rücklage eine zinsloseSteuerverschiebung und damit für deren Dauer einen zusätzlichenZins- und Liquiditätsvorteil. Die Kl hat im einzelnen angegeben, inwelcher Höhe sie von 1987 bis 1989 gewerbliche Investitionen ge-tätigt hat, um wieviel sich durch die Rücklagenbildung die jeweili-gen Jahresgewinne verringert hätten und welche (vorläufige) Steu-erersparnis dadurch bewirkt worden wäre. Auch den Zinssatz hatsie genannt. Dieser Vortrag erlaubt es, die Schadensberechnung –jedenfalls in groben Zügen – nachzuvollziehen. Mehr kann von ei-nem Kl, der nicht Fachmann in Steuerfragen ist, nicht verlangt wer-den.

III. Die Klageabweisung erweist sich auch nicht aus anderenGründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere kann aufgrund dergegenwärtigen Sach- und Rechtslage nicht davon ausgegangenwerden, daß die von dem Bekl erhobene Verjährungseinrede durch-greift.

Der Bekl ist zwar als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer„Mehrfachberufler“. Da er nicht zugleich Steuerberater ist, unter-liegt seine Haftung wegen mangelhafter steuerlicher Beratung abernicht der Verjährung gem. § 68 StBerG. Maßgeblich ist vielmehr –weil die steuerberatende Tätigkeit zum Berufsbild sowohl desRechtsanwalts als auch des Wirtschaftsprüfers gehört (vgl. BGHZ78, 335, 344) – entweder § 51 BRAO (a. F.) oder § 51a WPO, jenachdem, ob die geschuldete Beratung nach dem Willen der Ver-tragspartner von dem Bekl als Rechtsanwalt oder als Wirtschafts-prüfer erbracht werden sollte (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1987 – IVaZR 250/85, NJW 1987, 3136, 3137). Dazu hat das BerG – von sei-nem Standpunkt aus folgerichtig – keine Festlegung getroffen. Istder Bekl als Wirtschaftsprüfer tätig geworden, gilt eine fünfjährigeVerjährungsfrist, hat er als Rechtsanwalt gehandelt, eine solchevon drei Jahren. In jedem Falle beginnt die Verjährung – unabhän-gig von der Kenntnis der Kl – mit der Entstehung des Anspruchs(Schadenseintritt), beim Rechtsanwalt spätestens mit dem Ende desAuftrages. Der Schaden ist in dem Zeitpunkt eingetreten, in demeine Rücklagenbildung nicht mehr möglich war. Dieser Zeitpunktsteht für keinen der Veranlagungszeiträume fest. Außerdem kommt

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– falls der Bekl als Rechtsanwalt gehandelt haben sollte und somitder kürzeren Verjährungsfrist unterliegt – eine Sekundärhaftung inBetracht.

StBerG § 68; BGB § 2081.Wird der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung we-gen der Frage, ob der Steuerberater ihm durch einen Fehler ei-nen Schaden zugefügt hat, anwaltlich vertreten, so entfällt diePflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf die durch seinenFehler eingetretene Schädigung und die kurze Verjährung nach§ 68 StBerG hinzuweisen; das gilt auch, soweit der Steuerbera-ter schon vorher Anlaß zur Prüfung der Regreßfrage hatte.2. Die Erklärung des Mitglieds einer Steuerberatersozietät,durch die die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs desMandanten unterbrochen oder eingeschränkt wird, wirkt regel-mäßig auch gegenüber der Gesamthand sowie den persönlichauf Erfüllung des Schadensersatzanspruchs haftenden anderenMitgliedern der Sozietät.BGH, Urt. v. 28.9.1995 – IX ZR 227/94

Aus den Gründen: Die Revision führt zur Zurückverweisungder Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht, das festgestellt hat, daß der Konkurs-verwalter der F. GmbH dem Kl etwaige Schadensersatzansprüchedieser Gesellschaft gegen die Bekl abgetreten hat, hat die gegendie Bekl zu 1) und 2) gerichtete Klage wegen Verjährung abgewie-sen. Es hat – rechtsfehlerfrei und unangegriffen – angenommen,der gesamte vom Kl geltend gemachte Schaden sei spätestens An-fang Mai 1988 entstanden. Deshalb, so hat es weiter ausgeführt,sei die dreijährige Verjährungsfrist nach § 68 StBerG abgelaufengewesen, als der den Rechtsstreit einleitende Mahnbescheidantragvom 17.5.1991 beim AG eingereicht worden sei. Ein etwaigerSchadensersatzanspruch, der sich daraus ergeben könnte, daß dieBekl den Kl nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen hätten,bestehe deswegen nicht, weil der Kl bereits vor Ablauf der Verjäh-rungsfrist anwaltlich beraten gewesen sei; dies ergebe ein Schrei-ben seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom13.9.1988.

Das Berufungsgericht hat sein klageabweisendes Teilurteil aufdie Bekl zu 1) und 2) beschränkt, weil der Kl behauptet hat, derBekl zu 3) habe anläßlich einer Besprechung am 17.5.1988 erklärt,er stehe für etwaige den Bekl bis einschließlich 1986 unterlaufeneFehler gerade.

2. Die Revision greift diese rechtliche Beurteilung insoweit zuUnrecht an, als es um den sogenannten Sekundäranspruch geht.Der Steuerberater ist ebenso wie der Rechtsanwalt, wenn er vorAblauf der Verjährungsfrist begründeten Anlaß zur Prüfung hat, ober dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat,und wenn er dabei eine hierdurch eingetretene Schädigung desMandanten erkennen muß, verpflichtet, hierauf und auf die kurzeVerjährungsfrist hinzuweisen (BGHZ 83, 17, 22 ff.; Senatsurt. v.11.5.1995 – IX ZR 140/94, WM 1995, 1450, 1452 m. w. N., zumAbdruck in BGHZ bestimmt). Wird diese Pflicht schuldhaft ver-letzt, so steht dem Geschädigten der sogenannte Sekundäranspruchzu. Er ist dann so zu stellen, als wäre die Verjährung des Primä-ranspruchs nicht eingetreten. Wird der Mandant jedoch rechtzeitigvor Ablauf der Verjährung wegen der Haftungsfrage anwaltlich be-raten oder erhält er auf anderem Wege von dem Schadensersatzan-spruch und dessen Verjährung Kenntnis, dann entfällt jene Belehr-ungspflicht, und zwar auch, soweit der Steuerberater schon vorherAnlaß zur Prüfung der Regreßfrage hatte. Die Hinweispflichten ei-nes mit der Prüfung von Regreßansprüchen betrauten Rechtsan-walts treten an die Stelle derjenigen des Beraters, der die zumSchadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat; der Man-dant ist dann durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichendgesichert (Senatsurt. v. 14.11.1991 – IX ZR 31/91, WM 1992, 579,581 f. u. v. 11.5.1995 aaO m. w. N.)...

3. Die Revision wendet sich jedoch zu Recht dagegen, daß dasBerufungsgericht der vom Kl behaupteten Erklärung des Bekl zu3) vom 17.5.1988 für die gegen die Bekl zu 1) und 2) gerichtetenAnsprüche keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat.

a) Hiernach soll sich der Bekl zu 3) in dem Sinne geäußert ha-ben, daß er für etwaige den Bekl unterlaufene Fehler aus der Zeitbis einschließlich 1986 geradestehe. Das Berufungsgericht willdies offenbar, soweit es um die Ersatzverpflichtung des Bekl zu 3)persönlich geht, als verjährungsunterbrechende oder -einschränken-de Erklärung werten; denn es hat anscheinend aus diesem Grundedie Berufung – nur – hinsichtlich der gegen den Bekl zu 3) gerich-teten Klage bisher nicht zurückgewiesen. Die Revisionserwiderungmeint, das sei rechtsfehlerhaft, weil wegen der Beschränkung desSchuldeingeständnisses auf „etwaige“ Fehler in jener Erklärungnicht die für ein Anerkenntnis i. S. d. § 208 BGB erforderliche ei-gene Überzeugung vom Bestehen der Schuld zum Ausdruckkomme. Dieser Einwand der Revisionsbeklagten ist nicht begrün-det. Es trifft zwar zu, daß ein Anerkenntnis nur vorliegt, wenn sichaus dem Verhalten des Schuldners das Bewußtsein seiner Ver-pflichtung eindeutig ergibt. Entscheidend ist jedoch, ob der Be-rechtigte darauf vertrauen darf, daß sich der Schuldner nicht nachAblauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird(BGH, Urt. v. 30.9.1993 – VII ZR 136/92, NJW-RR 1994, 373).Im vorliegenden Fall kann die Äußerung des Bekl zu 3) möglicher-weise auch so zu verstehen gewesen sein, daß er bis zu einem be-stimmten Zeitpunkt – etwa bis zum Abschluß einer Überprüfungder Rechtslage durch seine eigenen Rechtsberater – auf die Erhe-bung der Verjährungseinrede „verzichte“ (vgl. BGH, Urt. v.21.12.1989 – IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 699 und vom26.5.1994 – IX ZR 57/93, WM 1994, 1848, 1849; MünchKomm-BGB/von Feldmann, 3. Aufl. § 225 Rdnr. 3). Welchen Inhalt dievom Bekl zu 3) seinerzeit abgegebene Erklärung aus der Sicht desKl und der diesen damals vertretenden Anwälte hatte und welcheFolgen sich daraus für den Lauf der Verjährungsfrist ergeben, ist inerster Linie eine Tatsachenfrage, die zunächst das Berufungsgerichtzu beurteilen haben wird. Dieses hat hierzu bereits einen Teil derangetretenen Beweise erhoben, ohne daß insoweit bislang eine ab-schließende tatrichterliche Würdigung stattgefunden hätte. Für dieRechtsprüfung in der Revisionsinstanz ist deshalb davon auszuge-hen, daß die Verjährungsfrist bei Einreichung der Mahnbescheidan-träge am 17.5.1991 noch nicht abgelaufen war. Damit wäre dieVerjährung rechtzeitig unterbrochen worden. Die Mahnbescheidesind zwar erst am 12.6.1991 zugestellt worden. Der Kl hat aberdurch seine Anwälte die ihm vom Amtsgericht mit Verfügung vom22.5.1991 erteilte Auflage, die „Anlagen“, auf die in den drei ein-zelnen Mahnbescheidanträgen zur näheren Bezeichnung der je-weils anderen beiden Bekl als Mitverpflichteten Bezug genommenwar, nachzureichen, mit einem am 31.5.1991 bei Gericht eingegan-genen Anwaltsschriftsatz rechtzeitig (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1993– XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073 f.) dadurch erfüllt, daß er diedrei Bekl als in Anspruch genommene Gesamtschuldner – noch-mals – aufgeführt hat. Die Zustellung der Mahnbescheide ist da-nach „demnächst“ i. S. d. § 693 Abs. 2 ZPO bewirkt worden.

b) Das Berufungsgericht hat offenbar angenommen, eine vomBekl zu 3) am 17.5.1988 abgegebene, für die Verjährungsfrage er-hebliche Erklärung sei nur für die Verjährung der gegen ihn selbstgerichteten Forderung bedeutsam und habe keine Wirkung hin-sichtlich der Ansprüche gegen die Bekl zu 1) und 2). Dies trifft in-dessen nach dem für die Revisionsinstanz zugrunde zu legendenSachverhalt nicht zu. Verjährungsunterbrechende oder -einschrän-kende Erklärungen können auch durch einen Bevollmächtigten desSchuldners abgegeben werden (für das Anerkenntnis i. S. d. § 208BGB vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1970 – VI ZR 148/68, NJW 1970,1119; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 208 Rdnr. 4). Eine frei-berufliche Sozietät, wie die Bekl zu 2) und 3) sie als Steuerberatereingegangen waren, ist rechtlich eine Gesellschaft bürgerlichenRechts. Deren Mitglieder können zwar nach den §§ 714, 709 Abs.1 BGB die Gesamthand grundsätzlich nur gemeinschaftlich vertre-ten. Diese Regelung ist aber, wie § 710 BGB zu entnehmen ist,nicht zwingend; der Gesellschaftsvertrag kann ausdrücklich oderstillschweigend etwas anderes bestimmen. Aus der Eigenart einerSteuerberatersozietät ergibt sich, daß nach außen hin, soweit es umdas Verhältnis zu den Mandanten geht, jeder Sozius befugt ist, fürdie Gesellschaft zu handeln und damit diese zu berechtigen und zuverpflichten. Das gilt nicht nur für die Annahme eines Mandats(vgl. für die Anwaltssozietät BGHZ 56, 355, 359), sondern grund-sätzlich für jede Maßnahme, die der einzelne Anwalt oder Steuer-berater im Rahmen der Mandantenbetreuung ausführt. Begeht erdabei einen den Mandanten schädigenden Fehler, dann haftet nicht

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er allein, sondern die Gesamtheit als solche auf Schadensersatz.Daraus wiederum folgt, daß für ein zum Schadensersatz verpflich-tendes Verhalten eines Sozius auch die anderen persönlich haften(BGHZ 56, 355, 361 ff.; BGHZ 70, 247, 248 f.); denn jedenfallsbei Erwerbsgesellschaften werden durch rechtsgeschäftliches Han-deln für die Gesellschaft nicht nur die Gesamthand, sondern auchdie einzelnen Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen verpflichtet(vgl. MünchKomm-BGB/Ulmer, 2. Aufl. § 714 Rdnr. 30 m. w. N.).Jede Pflichtwidrigkeit und jede sonstige Maßnahme eines Soziuswirken damit zugleich für und gegen jeden anderen Gesellschafter(Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 314). Für die sichdaraus neben der Gesamthandsschuld ergebenden persönlichen Ver-pflichtungen der einzelnen Mitglieder der Sozietät gilt grundsätz-lich nicht § 425 BGB (BGHZ 56, 355, 362; MünchKomm-BGB/Ul-mer aaO § 714 Rdnr. 39; Kornblum, BB 1973, 218, 226). Das hatauch Bedeutung für verjährungsunterbrechende oder -einschränken-de Erklärungen oder Handlungen auf der Schuldnerseite. Ein derar-tiges Verhalten eines Sozietätsmitglieds wirkt grundsätzlich auchgegenüber der Gesamthand sowie den persönlich auf Erfüllung desSchadensersatzanspruchs haftenden anderen Mitgliedern der Sozie-tät. Das hindert den dem Mandanten gegenüber auftretenden Steu-erberater freilich nicht, sein Verhalten auf seine eigene Verbindlich-keit zu beschränken und deutlich zu machen, daß es nur für ihnpersönlich und nicht für etwaige Ansprüche gegen seine Kollegengelten solle. Eine solche Einschränkung muß aber in einer entspre-chenden Erklärung oder aufgrund der Besonderheit der konkretenUmstände für den Mandanten deutlich hervortreten.

Im vorliegenden Fall ist auf dieser rechtlichen Grundlage fürdie Revisionsinstanz davon auszugehen, daß die behauptete Erklä-rung des Bekl zu 3) auch die Verjährung der gegen den Bekl zu 2)und die damals von ihnen gebildete Gesamthand beeinflußt hat.Daß der Bekl zu 3) bei jener Äußerung die Ich-Form verwendethat, rechtfertigt für sich allein eine Beschränkung ihrer Wirkungauf ihn persönlich nicht. Da Aktivvermögen und Schulden der Ge-samthand auf die Bekl zu 1) als Rechtsnachfolgerin übergegangensein sollen, ist für das Revisionsverfahren weiter anzunehmen, daßdem Kl der Klageanspruch auch gegen diese Bekl unverjährt zu-steht.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,damit zum Inhalt der Äußerung des Bekl zu 3) vom 17. 5.1988 diebislang fehlenden tatsächlichen Feststellungen getroffen werdenkönnen. Die Bekl zu 1) erhält dadurch Gelegenheit, ihre Einwen-dungen zur Frage ihrer Passivlegitimation dem Berufungsgerichtvorzutragen. Sodann wird dieses auch hierzu – gegebenenfallsnach ergänzendem Vortrag des insoweit darlegungsbelasteten Kl –die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben.

Gebührenrecht

BRAGO §§ 26, 118 Abs. 1;AktG § 306 Abs. 4 Satz 71. Zur Festsetzung der Vergütung des gemeinsamen Vertretersder nichtantragstellenden, außenstehenden Aktionäre für dasSpruchstellenbeschwerdeverfanren ist unbeschadet des Wort-lauts von § 306 Abs. 4 Satz 7 AktG auch das Beschwerdegerichtzuständig.2. Mit der Vergütung werden auch die allgemeinen Geschäftsun-kosten eines Rechtsanwalts abgegolten; § 26 BRAGO findetkeine Anwendung.BayObLG, Beschl. v. 2.11.1995 – 3 Z BR 67/89

Aus den Gründen: 1. Der gemeinsame Vertreter hinsichtlichder Barabfindung hat beantragt, seine Vergütung auf dreimal 10/10nach § 118 Abs. 1 BRAGO aus einem Geschäftswert von1 300 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer festzusetzen. Der ge-meinsame Vertreter hinsichtlich des Ausgleichs beansprucht drei-mal 10/10 Gebühren aus einem Geschäftswert von 1 000 000 DM.Das sind jeweils ca. 20 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. DieAntragsgegnerinnen haben im Hinblick auf den Umfang der Tätig-keit der gemeinsamen Vertreter beantragt, lediglich von der Min-destgebühr des § 118 Abs. 1 BRAGO, also von 5/10 auszugehen.

Der gemeinsame Vertreter kann gemäß § 306 Abs. 4 Satz 6AktG von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Ausla-gen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Für die Fest-setzung ist das LG zuständig (§ 306 Abs. 4 Satz 7 AktG). Geht esum die Festsetzung der Vergütung für die Beschwerdeinstanz, istnach allgemeinen Grundsätzen das Beschwerdegericht zuständig,da keine festen Gebührensätze gegeben sind und die Leistung desgemeinsamen Vertreters beurteilt werden muß. Allerdings sollnach verbreiteter Auffassung für die Bemessung seiner Vergütungdie Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung unmittelbar Anwendungfinden oder § 118 BRAGO zumindest entsprechend anzuwendensein, was häufig zu gleichen Ergebnissen führt. Demgegenüber hatder Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2.8.1979 (JurBüro1980, 60) darauf hingewiesen, daß die Höhe der Vergütung des ge-meinsamen Vertreters nicht von einem bestimmten Geschäftswert,der für das gerichtliche Verfahren festgesetzt wird, abhängig seinkann und später bestätigt, daß die Gebühren nach § 118 BRAGOlediglich ein Anhalt für die angemessene Vergütung sein können(BayObLGZ 1992, 91/93 m. w. N.).

Der Gesetzgeber hat das Gericht hinsichtlich der Höhe der Ver-gütung im Rahmen des Angemessenen freigestellt und es nicht anirgendwelche Wertvorschriften gebunden. Bestünde eine solcheBindung, hätte es nahegelegen, die noch verbleibende Festsetzung-stätigkeit gegenüber einem Rechtsanwalt darauf zu beschränken,daß unter Zugrundelegung des Geschäfts- oder Gegenstandswertsdie betragsmäßige Vergütung in Form eines Gebührensatzes oderauf ähnliche Weise festzusetzen wäre; dies ist aber nicht geschehen(wegen der Einzelheiten wird auf BayObLG aaO S. 93 f. verwie-sen).

3. Maßgebend für die Höhe der Vergütung des gemeinsamenVertreters sind der Umfang seiner Verantwortung, die von ihm ge-leistete Arbeit und deren Schwierigkeit, die Dauer des Verfahrenssowie die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen.Auszugehen ist von der Gesamtleistung, die der gemeinsame Ver-treter erbracht hat und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für dienichtantragstellenden, außenstehenden Aktionäre. Dieser Faktorkann in der Regel dadurch erfaßt werden, daß von einem fiktivenGegenstandswert für den Barabfindungs- und Ausgleichsanspruchder nichtantragstellenden, außenstehenden Aktionäre ausgegangenwird.

Nachdem im vorliegenden Fall insgesamt ein Geschäftswertvon 300 000 DM zugrunde zu legen war, kann für die Tätigkeitder gemeinsamen Vertreter allenfalls von einem fiktiven Geschäfts-wert von jeweils 200 000 DM ausgegangen werden. Unter Berück-sichtigung des Gebührenrahmens von § 118 Abs. 1 BRAGO liegteine Vergütung von 11 500 DM einschließlich gesetzlicher Mehr-wertsteuer an der oberen Grenze.

Mitgeteilt von Richter am BayObLG Johann Demharter,München

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 1411. Die Anhörung der Partei löst die Beweisgebühr aus, wenn dieAnhörung nicht nur der Aufklärung von Unklarheiten und Wi-dersprüchen ihres Sachvortrags oder dessen Ergänzung dient,sondern zur Klärung streitiger Tatsachenbehauptungen erfolgt.2. Eine Beweisaufnahme ist anzunehmen, wenn das Gericht dieprotokollierte Aussage einer nach § 141 ZPO angehörten Parteials Beweis würdigt und verwertet.3. Von der Verwertung eines Beweismittels in diesem Sinn kannjedoch nicht ausgegangen werden, wenn die Anhörung gem.§ 141 ZPO erkennbar lediglich dazu diente, die Voraussetzungenfür eine Vernehmung der Partei als Beweismittel gem. § 448ZPO zu prüfen.OLG München, Beschl. v. 6.12.1995 – 11 W 2806/95

Aus den Gründen: Die statthafte, form- und fristgerecht einge-legte Erinnerung gilt nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerinund Vorlage durch das LG als sofortige Beschwerde. Das zulässigeRechtsmittel ist nicht begründet.

Die Frage, ob und inwieweit die Anhörung einer gem. § 141ZPO zum persönlichen Erscheinen geladenen Partei die Beweisge-

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bühr auszulösen vermag, ist umstritten (vgl. hierzu Hartmann,KostG, 26. Aufl., Rdnr. 141; Swolana/Hansens, 8. Aufl., Rdnr. 37;Gerold/Schmidt-von Eicken, 12. Aufl., Rdnr. 105, 106 je zu § 31BRAGO; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., „Beweisgebühr3.3“). Die eine Auffassung bejaht diese Frage jedenfalls für denFall, daß die protokollierten Angaben der Partei im Urteil als Be-weis gewürdigt und verwertet werden (OLG Bamberg, JurBüro1973, 530; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 1331 = AnwBl 1983,183; Hess.VGH AnwBl 1986, 412; OLG Karlsruhe JurBüro 1994,349). Nach der anderen Meinung kann auch für Fälle dieser Arteine Beweisaufnahme nicht angenommen werden (OLG Düssel-dorf, JurBüro 1983, 712; KG Rpfleger 1985, 507; JurBüro 1995,249; OLG Hamm, JurBüro 1986, 1201 = Rpfleger 1986, 70 =MDR 1987, 417; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1834 = MDR 1986,860 = Justiz 1986, 413). Zur Begründung wird angeführt, eine Par-teieinvernahme sei nur in sehr engen Grenzen zulässig (§§ 445 ff.ZPO). Daher müsse die Parteierklärung ausdrücklich durch Beweis-anordnung zum Beweismittel erhoben werden. Es könne nicht Auf-gabe des Kostenfestsetzungsverfahrens sein, zu prüfen, ob übereine wirksam bestrittene klägerische Behauptung bei richtigemprozessualem Vorgehen eine förmliche Beweisaufnahme durch Par-teieinvernahme hätte stattfinden können oder müssen. Schließlichsei das Gericht gem. § 286 Abs. 1 ZPO gehalten, auch den gesam-ten Inhalt der Verhandlungen zur Überzeugungsbildung heranzu-ziehen, so daß eine Parteianhörung auch ohne Beweisaufnahmever-fahren verwertet werden könne.

Der Senat steht in ständiger Rechtsprechung (JurBüro 1965,927 = MDR 1966, 158 = NJW 1965, 2112; Senatsbeschlüsse vom21.2.1985 – 11 W893/85 –, 12.08.1988 – 11 WF 1036/88 –,14.3.1991 – 11 W 1053/91 – und 1.4.1993 – 11 W 1108/93 –) aufdem Standpunkt, daß die Beweisgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 3BRAGO im Einzelfall auch durch eine ohne förmliche Beweisan-ordnung erfolgende Anhörung im Rahmen des § 141 ZPO entste-hen kann. Dies hängt allein davon ab, ob eine Beweisaufnahme imSinne des Kostenrechts stattgefunden hat. Eine derartige Beweis-aufnahme im gebührenrechtlichen Sinn setzt keine förmliche Be-weisanordnung voraus (vgl. § 34 II BRAGO). Unerheblich istauch, ob das Gericht prozeßordnungsgemäß verfahren ist. Eine dieBeweisgebühr auslösende Beweisaufnahme liegt immer dann vor,wenn die Anhörung der Parteien nicht nur der Aufklärung von Un-klarheiten und Widersprüchen ihres Sachvortrags oder einer Ergän-zung desselben dient, sondern zur Klärung streitiger Tatsachenbe-hauptungen und damit zum Zweck der Wahrheitsfindung undBegründung der gerichtlichen Überzeugung von der Richtigkeitoder Unrichtigkeit des Sachvortrags erfolgt. Wie die Parteibefra-gung in der Sitzungsniederschrift oder im Urteil bezeichnet wird,ist für die gebührenrechtliche Beurteilung hingegen nicht aus-schlaggebend. Allerdings kommt dem Fehlen der an sich gebote-nen Anordnung der Parteieinvernahme durch Beweisbeschluß(§ 450 Abs. 1 ZPO) eine indizielle Bedeutung zu. Die Berücksich-tigung einer Beweisgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn sichdie Durchführung einer Beweisaufnahme klar aus den Umständenergibt. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht die protokollierteAussage einer nach § 141 ZPO angehörten Partei als Beweis wür-digt und verwertet (vgl. Senat JurBüro 1965, 927; Senatsbeschl. v.1.4.1993 – 11 W 1108/93 –).

Von der Verwertung eines Beweismittels in diesem Sinne kannjedoch nicht ausgegangen werden, wenn die Anhörung gem. § 141ZPO erkennbar lediglich dazu diente, die Voraussetzungen für eineVernehmung der Partei als Beweismittel gem. § 448 ZPO zu prü-fen. Die Beweisgebühr kann erst dann anfallen, wenn das Gerichttatsächlich eine Beweisaufnahme vornimmt, also sich durch dieEinvernahme der Partei die gerichtliche Überzeugung von derRichtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachvortrags verschaffen will.

In Anwendung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall derAnfall der Beweisgebühr für das Berufungsverfahren zu verneinen.Das LG Landshut hatte im Verhandlungstermin vom 26.7.1993 auf-grund des dort erlassenen Beweisbeschlusses den Kl als Parteigem. § 448 ZPO vernommen. Diese Aussage wurde auch im End-urteil verwertet und führte insoweit zum Erfolg der Klage, als dasLG die Aussage des Kl, das Fahrzeug sei ihm entwendet worden,für glaubhaft erachtete. Insbesondere gegen die Durchführung derParteieinvernahme nach § 448 ZPO und die Verwertung der Aussa-ge im Endurteil richtete sich das Rechtsmittel der Bekl.

Im Verhandlungstermin vor dem OLG vom 5.10.1994 wurdeder Kl ausdrücklich nach § 141 ZPO angehört. Im Anschluß hieranerhielten die Parteien Gelegenheit Stellung zu nehmen, wobei derKlägervertreter den Antrag stellte, den Kl nach § 448 ZPO zu ver-nehmen, während sich der Beklagtenvertreter dem widersetzte.Eine gesonderte Entscheidung hierüber hat das OLG nicht getrof-fen, sondern in den Gründen ausgeführt, daß der Kl den Beweis fürein Mindestmaß an Tatsachen für die Entwendung eines Kfz nichterbracht habe, so daß auch keine gewisse Wahrscheinlichkeit i. S.v. § 448 ZPO bestanden habe, was Voraussetzung gewesen wäre,um den Kl als Partei vernehmen zu können. Soweit das LG diesgetan habe, hätten die Voraussetzungen nicht vorgelegen. Damitdiente die Anhörung des Kl gem. § 141 ZPO lediglich dazu, dieVoraussetzungen für die Erhebung der Aussage der Partei als Be-weismittel im Wege der Parteieinvernahme nach § 448 ZPO, dienur als enge Ausnahme zugelassen ist, zu prüfen. Der Berufungsse-nat hatte die Zulässigkeit der Parteieinvernahme ausdrücklich ver-neint. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden,daß eine Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO durch dasBeweismittel der Parteivernehmung entstanden ist.

Mitgeteilt von dem 11. Zivilsenat des OLG München

BRAGO § 32 Abs. 2; ZPO §§ 91, 554b1. Der Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Kosten des ein-zigen bestellten Rechtsanwalts steht grundsätzlich nicht entge-gen, daß dieser vor dem Prozeßgericht nicht postulationsfähigist.2. Nimmt der Berufungsanwalt des Revisionsbekl schriftsätzlichgegenüber dem BGH zur Frage der Ablehnung der Annahmeder Revision nach § 554b ZPO Stellung, so entsteht ihm darausregelmäßig eine nach der Kostenentscheidung des BGH erstat-tungsfähige 13/20-Prozeßgebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO.KG Beschl. v. 29.8.1995 – 1 W 7820/94.

Aus den Gründen: Das Rechtsmittel ist gemäß § 11 Abs. 1 undAbs. 2 S. 4 und 5 RpflG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 S. 1 ZPOzulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Senat schließt sich unterAufgabe seiner vom Rechtspfleger angeführten früheren Rechtspre-chung der Auffassung an, wonach die Anwaltskosten, die darausentstanden sind, daß der Berufungsanwalt der Revision schriftsätz-lich beim BGH Stellung nimmt, grundsätzlich nach der Kostenent-scheidung des die Annahme der Revision ablehnenden Beschlussesdes BGH zu erstatten sind (vgl. OLG München AnwBl 1994, 249;Zöller/Herget, ZPO, 19. Aufl., § 91 Rdnr. 13 „Revisionsverfahren“,a. A. OLG Stuttgart AnwBl 1982, 199; OLG Karlsruhe Justiz1990, 363).

Der Senat hat bereits wiederholt in unveröffentlichten Entschei-dungen sowie vereinzelt auch in veröffentlichten Entscheidungendie Ansicht vertreten, daß der Mangel der Postulationsfähigkeit desfür die Instanz bevollmächtigten Rechtsanwalts der Entstehung vonAnwaltsgebühren grundsätzlich nicht entgegensteht, und daß jeden-falls in den Fällen, in denen es nicht zur Bestellung eines postulati-onsfähigen Rechtsanwalts kommt, solche Kosten auch erstattungs-fähig sind, sofern der Anwalt in der betreffenden Instanz zweck-dienlich tätig wird (vgl. Senat JurBüro 1984, 1363; ferner JurBüro1986, 1825 m. w. N. für das Revisionsverfahren; ebenso allgemeinOLG Hamm AnwBl 1986, 208; von Eicken in: Die Kostenfestset-zung, 17. Aufl., B 507; Zöller/Herget, aaO „Postulationsfähigkeit“).Solche Kosten sind nach der Rechtsprechung des Senats insbeson-dere dann zu erstatten, wenn ein auswärtiger Anwalt für den Bekloder Berufungsbekl schriftsätzlich etwa auf die Unschlüssigkeit derKlage oder auf die Erfolglosigkeit der Berufung hinweist. Das be-ruht insbesondere auf der Erwägung, daß es dem Grundsatz des§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO widersprechen würde, solche Kosten des ein-zigen für die Instanz bestellten Rechtsanwalts von der Erstattungauszunehmen, und zwar schon deshalb, weil der schriftsätzlichenTätigkeit regelmäßig eine prozeßbezogene anwaltliche Beratungder mit einem Rechtsstreit oder einem Rechtsmittel überzogenenPartei vorausgeht. Von einer solchen Beratung kann daher auchohne die vom Senat in JurBüro 1981, 227 noch für erforderlich ge-haltene besondere Darlegung ausgegangen werden. Diese Beratungkann durchaus im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zweckentspre-

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chend zunächst durch einen nicht postulationsfähigen Rechtsanwalterfolgen, soweit es um die notwendigerweise zu prüfende Vorfragegeht, ob das Rechtsschutzbegehren des Prozeßgegners aus sich her-aus Erfolgsaussicht hat, und daran anknüpfend, ob die Bestellungeines postulationsfähigen Rechtsanwalts erforderlich erscheint, wasmit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre. Insoweit ist erstat-tungsrechtlich aus zu berücksichtigen, daß durch die Bestellung ei-nes nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts sonst notwendige Ko-sten eines postulationsfähigen Anwalts erspart werden, wenn esnicht mehr zu dessen Bestellung kommt. Bleibt diese aus, so sinddie Kosten der Beauftragung des nicht postulationsfähigen An-walts, der eine dem betreffenden Rechtszug zuzuordnende Tätig-keit entfaltet, daher jedenfalls dann grundsätzlich auch erstattungs-fähig, wenn dieser Anwalt nach außen hervortritt, insbesondere –wie hier – einen Schriftsatz mit Sachausführungen einreicht.

Die vorbezeichneten Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeitder Kosten eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts sind hiergegeben. Insbesondere handelt es sich bei der hier vorgenommenensachlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen des § 554bZPO nicht mehr um eine nach § 37 Nr. 7 BRAGO noch der Beru-fungsinstanz zuzuordnende Tätigkeit, wie etwa dann, wenn der Be-rufungsanwalt lediglich zum Antrag auf Verlängerung der Revisi-onsbegründungsfrist Stellung nimmt (vgl. dazu Senat JurBüro1986, 1825). Der Berufungsanwalt des Kl hat sich im Revisions-verfahren auch gerade nicht lediglich dahin geäußert, man werdesich vor der Entscheidung des BGH über die Annahme der Revisi-on nicht äußern und ein Revisionsanwalt werde nur bei Annahmeder Revision bestellt (vgl. dazu OLG Hamburg JurBüro 1988, 1343und OLG Saarbrücken JurBüro 1993, 296). Soweit der Senat (vgl.JurBüro 1981, 227) die Erstattungsfähigkeit von Kosten in Fällender vorliegenden Art maßgeblich deshalb verneint hat, weil es sichbei der schriftsätzlichen Stellungnahme des Berufungsanwalts zuden Voraussetzungen der Annahme der Revision gemäß § 554bZPO mit Rücksicht auf den auch insoweit bestehenden, vom BGHzu beachtenden Anwaltszwang um eine prozessual unbeachtlicheund damit objektiv wertlose Eingabe handele (ebenso OLG Stutt-gart AnwBl 1982, 199 und OLG Karlsruhe Justiz 1990, 363), istdaran nach erneuter Prüfung nicht festzuhalten. Es ist weder pro-zeßrechtlich ausgeschlossen noch widerspricht die Annahme derLebenserfahrung, daß das Revisionsgericht bei seiner Entscheidungzur Frage einer Ablehnung der Annahme der Revision nach§ 554b ZPO alle ihm tatsächlich zugänglichen Erkenntnisquellenund Meinungsäußerungen berücksichtigt, also auch die in den Ak-ten befindliche Stellungnahme des nicht postulationsfähigen An-walts des Revisionsbekl (vgl. OLG München AnwBl 1994, 249).Insoweit gilt nichts anderes als für schriftsätzliche Hinweise einesnicht postulationsfähigen Anwalts auf die Unschlüssigkeit der Kla-ge oder die Erfolglosigkeit der Berufung, was der Senat wiederholtunveröffentlicht entschieden hat. Nicht erstattungsfähig sind ledig-lich solche Kosten, die sich auf Handlungen beziehen, die MangelsPostulationsfähigkeit prozessual nicht wirksam vorgenommen wer-den können, wie etwa die schriftsätzliche Ankündigung von Sach-anträgen, die in der mündlichen Verhandlung nur durch einen po-stulationsfähigen Rechtsanwalt gestellt werden könnten.

Entstanden und somit erstattungsfähig ist im vorliegenden Falleeine 13/20-Prozeßgebühr gemäß §§ 11 Abs. 1 S. 1 und 4, 32 Abs. 1BRAGO, so daß der Kostenfestsetzungsantrag im Ergebnis in vol-lem Umfang begründet ist. Nach den Umständen ist davon auszu-gehen, daß der Kl seinen Berufungsanwalt auch für das Revisions-verfahren zum Prozeßbevollmächtigten im Sinne der §§ 31 Abs. 1Nr. 1, 32 Abs. 1 BRAGO bestellt hat. Denn dieser Anwalt sollteden Kl als zunächst einziger bestellter Rechtsanwalt in dem zu-nächst für erforderlich gehaltenen Umfang auch im Revisionsver-fahren vertreten. Der Bestellung zum Prozeßbevollmächtigten steht– wie ausgeführt – der Mangel der Postulationsfähigkeit grundsätz-lich nicht entgegen, da die Prozeßvollmacht in solchem Fall zurVornahme jedenfalls derjenigen Handlungen ermächtigen soll, dienicht dem Anwaltszwang unterliegen, einschließlich der Vorprüfungder Notwendigkeit und gegebenenfalls Vornahme der Bestellung ei-nes postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten im Hinblick aufdie rechtliche Beurteilung des Vorbringens des Prozeßgegners. Zusolchen Handlungen gehören auch schriftsätzliche Stellungnahmender vorliegenden Art, die nicht als objektiv wertlos angesehen wer-den können. Inwieweit aus der Tätigkeit eines nicht postulationsfä-higen Anwalts Gebühren nach anderen Vorschriften (etwa § 20

oder § 56 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) entstehen und erstattungsfähigsein können, soweit nicht von einer Bestellung zum Prozeßbevoll-mächtigten ausgegangen werden kann, ist hier nicht zu beurteilen.

Mitgeteilt von Richter am KG Günter Klingebeil, Berlin

KostO § 30 Abs. 1, § 147Abs. 21. Die Überwachung der Umschreibungsreife durch den Notarbei einem Grundstückskaufvertrag rechtfertigt eine Betreuungs-gebühr nach § 147 II KostO.2. Der Geschäftswert für diese Gebühr ist nach § 30 I KostO zubestimmen und beträgt regelmäßig 20 % bis 30 % des Grund-stückskaufpreises.3. Das LG darf bei der Prüfung der Geschäftswertbestimmunggemäß § 30 I grundsätzlich nicht sein Ermessen an die Stelleder Ermessensausübung des Notars setzen (Aufgabe der bisheri-gen Senatsrechtsprechung, Rpfleger 87, 219). Etwas anderes giltallerdings dann, wenn der Notar sein Ermessen fehlerhaft ausge-übt hat (Anschluß an OLG Köln, MittRhNotK 91, 226).OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 7.1995 – 10 W 41/95

Aus den Gründen: II. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 156Abs. 2 S. 2 KostO statthaft, weil das LG sie zugelassen hat. Sie istauch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 156 Abs. 2 S. 1KostO). Das Rechtsmittel des Kostengläubigers ist jedoch unbe-gründet.

1. Der angefochtene Beschluß betrifft eine Ermessensentschei-dung des LG, nämlich die Festsetzung des Geschäftswertes für dieBetreuungsgebühr des § 147 Abs. 2 KostO, die sich auf die Über-wachungstätigkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mitder Eigentumsumschreibung gemäß Ziffer VI des dinglichen Teilsdes Grundstücksveräußerungsvertrages bezieht. Nach § 156 Abs. 2S. 4 KostO kann die weitere Beschwerde nur darauf gestützt wer-den, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes be-ruht. Dementsprechend unterliegt eine Ermessensentscheidung desLG nur in beschränktem Umfang der Überprüfung durch dasRechtsbeschwerdegericht. Es darf nur nachprüfen, ob das LG vonseinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften Ge-brauch gemacht hat, insbesondere die Grenzen des ihm eingeräum-ten Ermessens überschritten hat oder ob es von fehlerhaften Tatsa-chenfeststellungen ausgegangen ist. Die Angemessenheit undZweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist dagegen derNachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen; es darfnicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des LG setzen(Rohs/Wedewer/Belchaus, Kommentar zur Kostenordnung, § 156,Rdnr. 67 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Es ist nichtersichtlich, daß die angefochtene Entscheidung von fehlerhaftenErmessenerwägungen getragen ist oder daß sie auf nicht ordnungs-gemäßen Tatsachenfeststellungen beruht.

2. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats rechtfertigt dieÜberwachung der Umschreibungsreife durch den Notar eine geson-derte Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO (Senat Beschl. v.7.5.1992, Az.: 10 W 50/91, JurBüro 1992, 823; Beschl. v.26.5.1992, Az.: 10 W 96/91, JurBüro 1992, 822). Diese Rechtspra-xis steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLGKöln (vgl. MittRhNotK 1991, 89). Der Geschäftswert einer Betreu-ungsgebühr ist nach ganz herrschender Meinung nach Maßgabe des§ 30 KostO zu bestimmen, ist also zu schätzen und liegt regelmä-ßig unter dem Betrag des Kaufpreises (Senat JurBüro 1975, 501 =DNotZ 1975, 374; Senat OLGR – Düsseldorf 1993, 96; so auchBayObLG JurBüro 1980, 258 mit weiteren Rechtsprechungsnach-weisen; KG DNotZ 1981, 204; OLG Köln MittRhNotK 1989, 276und MittRhNotK 1991, 226; a. A. Korintenberg/Lappe/Bengel/Rei-mann, Kommentar zur KostO, 12. Aufl., § 147, Rdnr. 171 mit Hin-weis auf OLG Braunschweif DNotZ 1963, 498 und Menzel DNotZ1981, 168, wonach die Vorschrift des § 30 KostO nur subsidiäreAnwendung finden soll, sofern nicht die Wertbestimmungen desallgemeinen Teils (§§ 19 ff. KostO) oder die speziellen Wertbe-stimmungen der §§ 39 ff. KostO eingreifen). Der Senat sieht imvorliegenden Fall keinen Anlaß, von seiner ständigen Rechtspre-chung abzuweichen und unter Außerachtlassung des § 30 Abs. 1

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KostO für die Gebühr des § 147 Abs. 2 KostO den vollen Grund-stückskaufpreis anzusetzen.

a. Gemäß § 30 Abs. 1 KostO ist der Geschäftswert nach freiemErmessen zu bestimmen, soweit er sich in einer vermögensrechtli-chen Angelegenheit aus den Vorschriften der Kostenordnung nichtergibt und auch sonst nicht feststeht. Der Geschäftswert für Tätig-keiten, die unter § 147 KostO fallen, ist – im Gegensatz zu derVollzugsgebühr mit der Regelung des § 146 Abs. 4 KostO – nichtbesonders geregelt (vgl. Senat JurBüro 1975, 502; Mümmler Jur-Büro 1980, 260). Die hier in Rede stehende Tätigkeit des Notarsbetrifft nicht die Begründung der Pflicht zur Zahlung des Kaufprei-ses. Ebensowenig handelt es sich darum, daß der Notar die Grund-stückskaufvertragsurkunde überhaupt dem Grundbuchamt vorzule-gen hat. Seine besonders zu vergütende Tätigkeit hat allein diePrüfung der Frage zum Gegenstand, zu welchem Zeitpunkt die Ur-kunde vorzulegen ist. Sie hängt zwar mittelbar mit dem Kaufpreis,nämlich dessen vollständiger Zahlung, zusammen. Der Wert derÜberwachung der Umschreibungsreife ist aber nicht mit dem Kauf-preis gleichzusetzen. Auf dessen Umfang hat die Tätigkeit keinenEinfluß. Deshalb kann auch keine Rede von einem Feststehen imSinne des § 30 Abs. 1 KostO sein. Es ist deshalb nur angebracht,den Kaufpreis als einen Beziehungswert für die Geschäftswertbe-stimmung heranzuziehen (BayObLG JurBüro 1980, 258, 259).

b. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats darf das LGnun aber unbeschränkt nachprüfen, wie der Notar gemäß § 30Abs. 1 KostO den Geschäftswert bestimmt hat, wobei es den Wertnach eigenem Ermessen anderweitig festsetzen darf (Rpfleger1987, 219). Maßgeblich war dafür die Überlegung, es widerspre-che den unterschiedlichen Gesetzesregeln über die Beschwerde ei-nerseits und die weitere Beschwerde andererseits anzunehmen,schon das LG sei in der Nachprüfung nach revisionsrechtlichenGrundsätzen beschränkt. Überdies könnten Kostenschuldner undNotar weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbaren, letzte-rer dürfe einen Geschäftswert nach seinem Ermessen festsetzen(§ 140 KostO). Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum weitgehendauf Ablehnung gestoßen (vgl. Rohs/Wedewer/Belchaus, aaO,§ 156, Rdnr. 48 mit Hinweis auf OLG Zweibrücken JurBüro 1981,1059; Baumann Rpfleger 1987, 220; Klein MittRhNotK 1991, 228,229). Auch das LG hat sich in seiner angefochtenen Entscheidungkritisch mit der Rechtspraxis des Senats auseinandergesetzt.

Nach nochmaliger Überprüfung hält der Senat seine bisherigeRechtsprechung nicht aufrecht und läßt sich dabei von den folgenden,bereits durch das LG mit Hinweis auf Baumann (aaO) und Klein(aaO) aufgezeigten Erwägungen leiten: Der Unterschied zwischen Re-visions- und Tatsacheninstanz spielt nach allgemeinen Rechtsgrund-sätzen für die Frage, in welchem Umfang ein Gericht überhaupt eineErmessensentscheidung überprüfen kann, keine Rolle. § 140 KostOverbietet zwar Vereinbarungen zwischen dem Kostenschuldner unddem Notar über die Kostenhöhe, schränkt jedoch das dem Notardurch § 30 KostO und damit das kraft Gesetzes gewährte Ermessennicht ein. Außerdem stünde dem Notar im Ergebnis kein Ermessenim rechtstechnischen Sinne zu, wenn das LG uneingeschränkt seineZweckmäßigkeits- und Angemessenheitsüberlegungen an die Stellederjenigen des Notars setzen dürfte.

c. Es bleibt allerdings auch für das Beschwerdegericht in An-lehnung an § 40 VwVfG und § 114 VwGO die Geschäftswertbe-stimmung des Notars auf Ermessensfehler hin überprüfbar, also aufeinen Ermessensfehlgebrauch oder eine Ermessensüberschreitung(BayObLG JurBüro 1980, 258, 259; OLG Köln MittRhNotK 1991,226; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO, § 156, Rdnr. 65;Baumann aaO; Klein aaO).

3. Die Geschäftswertbestimmung des Beschwerdeführers für dieBetreuungsgebühr des § 147 Abs. 2 KostO ist schon deshalb fehler-haft, weil er sich dabei, wie seine Antragsschrift v. 23.1.1994 ein-deutig erkennen läßt, nicht auf die einschlägige Ermessensvorschriftdes § 30 Abs. 1 KostO gestützt hat, deren Anwendung er für einegesetzwidrige Systemverletzung hält. Vielmehr hat er von vornher-ein in drei der hier verfahrensgegenständlichen fünf Grundstücks-veräußerungsangelegenheiten schematisch den vollen Kaufpreis alsden maßgeblichen Geschäftswert zugrunde gelegt, als ob es sichum eine Geschäftswertbestimmung nach § 20 Abs. 1 KostO han-dele. Er beruft sich dabei auf die Abhandlung von Menzel zum Ge-schäftswert der Überwachung der Umschreibungsreife durch denNotar (DNotZ 1981, 168). Die von Menzel angeführten Gesichts-

punkte vermögen indes keine von Ermessenserwägungen losgelö-ste, feste Geschäftswertbestimmung nach dem vollen Kaufpreis fürdie hier in Rede stehende Tätigkeit des Notars zu rechtfertigen.

a. So vermag schon nicht der gedankliche Ausgangspunkt zuüberzeugen, Gegenstand der Betreuungstätigkeit sei nicht das Ein-reichen der notwendigen Unterlagen beim Grundbuchamt, sondernim Gegenteil die zeitweilige Verhinderung der Umschreibung. Die-ser Ansatz begegnet in formeller und materiellrechtlicher HinsichtBedenken. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch tritt nichtipso jure ein, sondern es bedarf eines förmlichen Antrages unterBerücksichtigung der Vorschriften der §§ 13 ff. GBO. Der Eigen-tumsumschreibung auf den Käufer ohne vorherige vollständigeZahlung des Kaufpreises stünde materiell die Einrede des nicht er-füllten Vertrages aus § 320 BGB entgegen. Auch aus diesem Grundkann die Eigentumsübertragung nicht als eine zwangsläufig eintre-tende Rechtsfolge aus dem Kaufvertrag angesehen werden, die eszeitweilig zu verhindern gilt.

b. Zwar ist Zweck des an den Notar gerichteten Auftrages, dieUmschreibung des Eigentums erst nach vollständigen Kaufpreiszah-lung vorzunehmen, die Sicherstellung, daß der Käufer seinen ver-traglichen Verpflichtungen nachkommt (Menzel, aaO, S. 170).Gleichzeitig kann dieser Auftragszweck nicht als ein Sicherungsmit-tel im Sinne des § 23 KostO – also vergleichbar mit Pfandrechten,Hypotheken und Grundschulen – qualifiziert werden. Vielmehr istdie beabsichtigte Sicherung Folge der synallagmatischen Verknüp-fung von Leistung und Gegenleistung bei Austauschverträgen. Fürdie Beurkundung solcher Rechtsgeschäfte – wenn auch für die Beur-kundung einseitig verpflichtender Verträge – fällt aber bereits nach§§ 36 Abs. 2 KostO das Doppelte der vollen Gebühr an, währenddie Beurkundung einseitiger Erklärungen nach § 36 Abs. 1 KostOnur mit einer einfachen vollen Gebühr verbunden ist. Es bestehtkein Grund, das Austauschverhältnis bei gegenseitigen Verträgen imRahmen der Vertragsabwicklung noch einmal mit dem vollen Ge-schäftswertansatz, also grundsätzlich mit dem Kaufpreis (§ 20Abs. 1 KostO), in Verbindung zu bringen und es so zu einer Anhe-bung der Betreuungsgebühr des § 147 Abs. 2 KostO kommen zulassen. Wie bereits ausgeführt, ist für die in Rede stehende Überwa-chungstätigkeit keine der Geschäftswertbestimmungen der §§ 19 ff.KostO oder §§ 39 ff. KostO einschlägig. Der Wert des Gegenstan-des der hier in Rede stehenden Betreuungstätigkeit des Beschwerde-führers ist entgegen Menzel (aaO) noch nicht einmal ansatzweisemit dem Geschäftswert für Pfandrechte, Hypotheken und sonstigeSicherheiten in Verbindung zu bringen. Damit bleibt der Geschäfts-wert für die Überwachung der Umschreibungsreife nach der allge-meinen Vorschrift des § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zubestimmen und kann deshalb – etwa im Gegensatz zu § 20 KostOoder § 23 KostO – nicht ohne weiteres mit dem Wert der Kaufpreis-forderung aus dem Grundstücksveräußerungsvertrag gleichgesetztwerden. Da der Beschwerdeführer dies jedoch schematisch in dreider hier verfahrensgegenständlichen Grundstücksveräußerungsange-legenheiten sowie erklärtermaßen ohne Berücksichtigung der ein-schlägigen Ermessensvorschrift des § 30 Abs. 1 KostO getan hat, istseine Geschäftswertbestimmung allein schon deshalb als fehlerhaftanzusehen und nicht etwa – wie er meint – infolge der Nichteinhal-tung eines „Schätzwertkataloges“.

4. Als zulässige Ermessensgesichtspunkte bei der Bestimmungdes Geschäftswertes für die notarielle Tätigkeit des § 147 Abs. 2KostO sind in erster Linie das wirtschaftliche Interesse des Auftrag-gebers an deren Vornahme und deren Auswirkungen auf die Betei-ligten zu berücksichtigen (OLG Köln JurBüro 1981, 93; Rohs/We-dewer/Belchaus, aaO, § 147, Rdnr. 21 m. w. N.). Der Kaufpreisstellt lediglich einen Beziehungswert dar. Nur bei besondererSchwierigkeit und Bedeutung des Geschäfts kann bis an die Höhedes Kaufpreises herangegangen werden (Senat OLGR- Düsseldorf1993, 96; BayObLG JurBüro 1980, 258, 259; Göttlich/Mümmler,KostO 11. Aufl., Stichworte „Betreuungsgebühr, Vollzugsüberwa-chung“; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO, § 147, Rdnr.173 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Entgegen der An-sicht des Beschwerdeführers kann grundsätzlich für die Geschäfts-wertbestimmung nicht sein Haftungsrisiko maßgeblich sein. DasSystem der Kostenordnung kennt nämlich keine über die Geschäfts-wertbestimmung nach dem Haftungsrisiko gesteuerte Gebührenhö-he. Das ergibt sich bereits daraus, daß auch gebührenfreie Nebentä-tigkeiten des Notars mitunter erhebliche Haftungsrisiken in sichtragen können. Das Haftungsrisiko des Notars kann deshalb nur in

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Ausnahmefällen bei der Ermessensausübung nach § 30 Abs. 1 Ko-stO ein bestimmender Gesichtspunkt sein (Senat aaO; BayObLGJurBüro 1980, 258, 259; a. A. Rohs/Wedewer/Belchaus, aaO,§ 147, Rdnr. 21, Fußnote 58 mit Rechtsprechungsnachweisen).

5. a. Übt der Notar bei der Wertfestsetzung – wie hier – sein Er-messen fehlerhaft aus, darf das LG die Ermessensentscheidung anstelledes Notars treffen (OLG Köln MittRhNotK 1991, 226). Auch anson-sten hat das Beschwerdegericht, wenn es aufgrund eigener Erkenntnissezur Feststellung eines anderen Geschäftswerts gelangt, die Gebührennach diesem Wert selbst zu berechnen; eine Zurückweisung an den No-tar ist nur in Ausnahmefällen zulässig, denn regelmäßig muß das LGselbst die Kosten anderweitig festsetzen (OLG Köln aaO, 226, 227;Göttlich/Mümmler aaO, Stichwort „Notarkostenbeschwerde“, 3.7; Ko-rintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO, § 156, Rdnr. 65). Die Wertfest-setzung durch das LG begegnet jedenfalls dann keinen durchgreifendenBedenken, wenn – wie hier – die für die Festsetzung maßgeblichen Tat-sachen abschließend geklärt sind. Nach den Feststellungen des LG, andie der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren gebunden ist, sind denAkten überdurchschnittliche Schwierigkeiten nicht zu entnehmen. Teil-zahlungsabreden wurden nicht getroffen, die Höhe der Kaufpreissum-me war bestimmt (in einem Fall eindeutig bestimmbar), und die Abre-den zur jeweiligen Zahlungsfrist hielten sich im Rahmen des Üblichen,nämlich der kalendermäßigen Bestimmung oder einer Frist ab Notarbe-stätigung oder beides unter Vereinbarung des Datums als Frühestzeit-punkt. Konkrete Anhaltspunkte für die durch den Beschwerdeführer inseiner Antragsschrift geltend gemachten Kompliziertheit der Abwick-lung des Grundstückskaufvertrages haben sich nicht ergeben.

b. Das LG hat in nicht zu beanstandender Weise den Geschäfts-wert für die Betreuungsgebühr mit einer Quote von 20 % desKaufpreises festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats istdie bei einem Grundstückskaufvertrag für die Überwachung derUmschreibungsreife durch den Notar anfallende Betreuungsgebührgrundsätzlich nach einem Geschäftswert von 20 % bis 30 % desKaufpreises in Ansatz zu bringen (Senat, Beschl. v. 1. 9.1992, Az.:10 W 112/91, OLGR- Düsseldorf 1993, 96 sowie Beschl. v.30.8.1994, Az.: 10 W 90/94). Dabei handelt es sich entgegen derAnsicht des Beschwerdeführers nicht um einen „typisiertenSchätzungskatalog“, da auch die Annahme über dieser Bandbreiteliegender Quoten auf einer richtigen Ausübung des durch § 30Abs. 1 KostO eingeräumten Ermessen beruhen kann. Insbesondereist die Erwägung des LG nicht zu beanstanden, den Geschäftswertwegen des Anfalls einer Hebegebühr nach § 149 KostO aufgrundder Abwicklung des Zahlungsverkehrs über Notar-Anderkonto imunteren Bereich anzusiedeln. Dabei hat das LG zutreffend berück-sichtigt, daß der Beschwerdeführer einerseits infolge der Bindungder Umschreibung an die Kaufpreiszahlung die Verantwortung füreine ordnungsgemäß Abwicklung über Notar-Anderkonto keinerbesonderen Überwachungstätigkeit außerhalb des abgewickeltenVerwahrungsgeschäftes mehr. Nach der Rechtsprechung des Senatsist bei der quotenmäßigen Bestimmung des Geschäftswertes fürdie Betreuungsgebühr des § 147 Abs. 2 KostO nicht unberücksich-tigt zu lassen, daß die Entgegennahme der Kaufpreisüberweisun-gen nebst der Überwachung ihrer Auszahlungsreife bereits Gegen-stand der Gebühr des § 149 Abs. 1 KostO ist (Senat Beschl. v.30.8.1994, Az.: 10 W 90/94 mit Hinweis auf Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO, § 149, Rdnr. 7). Soweit das LG in seinerEntscheidung unter anderem allgemein auf die Vermeidung einerUnverhältnismäßigkeit zwischen Abwicklungskosten einerseits undBeurkundungskosten andererseits abgestellt hat, ist dies keine un-zulässige Billigkeitserwägung, sondern eine durch die Gebührens-ystematik der Kostenordnung grundsätzlich gerechtfertigte Überle-gung. Diese hat auch schon Klein mit seinem Hinweis auf das„berechtigte Unbehagen beim Vergleich der Beurkundungskostenund der Abwicklungskosten in manchen Fällen“ angesprochen(MittRheinNotK 1992, 237).

c. Zwar mag das OLG Köln – wie der Beschwerdeführer dar-legt – durch Beschl. v. 6. 2.1991 (Az.: II Wx 25/90) in einem demvorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt eine Wertquote von„20 % bis im Regelfall 50 % anerkannt und ermessenskonform be-urteilt“ haben. Dies rechtfertigt allerdings keine Abänderung derangefochtenen Entscheidung, da das Rechtsbeschwerdegericht seinErmessen nicht an die Stelle des Ermessens des LG setzen darf.

Mitgeteilt von Richter am OLG Rolf Krücker, Düsseldorf

KostO § 144 Abs. 1 Satz 1; EVertr Anl. I Kap. III Sachgebiet AAbschn. III Nr. 20aDie Gebührenermäßigungsvorschrift der Anl. I Kap. III Sachge-biet A Abschn. III Nr. 20a) des Einigungsvertrages ist verfas-sungskonform dahin auszulegen, daß diese für Gemeinden undGemeindeverbände in den neuen Bundesländern jedenfalls beiGegenstandswerten von mehr als 50.000,00 DM neben der Ge-bührenermäßigung des § 144 Abs. 1 Satz 1 KostO keine Anwen-dung findet.OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.9.1995 – 10 W 69/95

Aus den Gründen: 2. Das weitere Rechtsmittel des Kosten-schuldners hat keinen Erfolg, denn das LG hat ihm mit einer imwesentlichen zutreffenden Begründung die begehrte weitere Ge-bührenermäßigung versagt.

a. Es kann allerdings dahinstehen, ob diese Bestimmung – wiedurch das LG dargelegt und einhellig in der Literatur vertreten –nur für Notare in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genanntenGebiet, also in den neuen Bundesländern einschließlich der östli-chen Bezirke von Berlin – gilt (vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kommentar zur Kostenordnung, 12. Aufl., S. 912, Rdnr.1 und S. 913, Rdnr. 8; Göttlich/Mümmler, Kommentar zur Kosten-ordnung, 11. Aufl., Stichwort „Neue Bundesländer“, Rdnr. 2.11;Rohs/Wedewer/Belchaus, Kommentar zur Kostenordnung, § 144a,Rdnr. 3; Mümmler JurBüro 1994, 524; Schmidt JurBüro 1991,775; Böhringer JurBüro 1991, 458, 459). Soweit ersichtlich, istdiese Frage bisher noch nicht obergerichtlich entschieden.

b. Sehr zweifelhaft ist zudem, ob der Beschwerdeführer alskommunale Gebietskörperschaft zu dem Kreis derjenigen Kosten-schuldner zählt, die durch die Gebührenermäßigungsvorschrift derAnlage I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20a des Eini-gungsvertrages privilegiert werden. Der Senat neigt dazu, den Ko-stenschuldner als nicht durch diese Bestimmung begünstigt anzuse-hen. Danach ermäßigen die sich aus der in Kraft gesetztenKostenordnung ergebenden Gebühren für Kostenschuldner, die ih-ren Wohnsitz oder Sitz der Hauptniederlassung, bei einer Handels-gesellschaft den Sitz der Gesellschaft, in dem in Art. 3 des Vertra-ges genannten Gebiet haben, um 20 v. H. Gemeinden und sonstigeKörperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes haben we-der einen Wohnsitz noch einen Sitz noch eine Hauptniederlassungim Beitrittsgebiet mit der Folge, daß für diese die in Rede stehendeErmäßigung – folgt man dem Wortlaut der Bestimmung – nicht inBetracht kommt (vgl. Schmidt JurBüro 1991, 775).

Der Senat vermag sich nicht der durch den Beschwerdeführerunter Hinweis auf eine Entscheidung des Bezirksgerichts Erfurtvom 20.10.1992 (Az.: 2 T 51/92) geäußerten Auffassung anzu-schließen, wonach es nur ein redaktionelles Versehen sein soll, daßin der Gebührenermäßigungsvorschrift die juristischen Personendes öffentlichen Rechts, insbesondere die gemeindlichen Gebiets-körperschaften, nicht gesondert aufgeführt sind. Ebensowenig kön-nen diese juristischen Personen ohne weiteres den natürlichen Per-sonen als Kostenschuldnern hinsichtlich der Gebührenprivilegie-rung gleichgestellt werden. Dem steht schon der Wortlaut derBestimmung aus der Anlage I zum Einigungsvertrag entgegen: Derdort verwandte Begriff „Wohnsitz“ ist § 13 ZPO entnommen, derden allgemeinen Gerichtsstand einer natürlichen Person regelt (Zöl-ler/Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl., § 13, Rdnr. 1;Baumbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 51. Aufl., § 13, Anm.1). Der Begriff „Niederlassung“ findet sich in § 21 ZPO. DieseVorschrift bezieht sich auf Gewerbetreibende jeder Art, sei es alsnatürliche oder juristische Person, insbesondere als Einzelkaufmannoder Handelsgesellschaft (Zöller/Vollkommer, aaO, § 21, Rdnr. 2;Baumbach/Hartmann, aaO, § 21, Anm. 1). Ebensowenig kann einekommunale Gebietskörperschaft mit dem in der Ermäßigungsvor-schrift verwendeten Begriff der „Handelsgesellschaft“ in Verbin-dung gebracht werden. Nach § 17 Abs. 1 ZPO wird der allgemeineGerichtsstand der Gemeinden und der Kooperationen durch ihrenSitz bestimmt. Wäre eine Ausdehnung der in Rede stehenden Ge-bührenprivilegierung auf Gemeinden oder kommunale Gebietskör-perschaften beabsichtigt gewesen, hätte dies ohne weiteres durcheine entsprechend eindeutige Fassung der Bestimmung klargestelltwerden können. Statt dessen ist darin der Begriff „Sitz“ mit deneinengenden Abgrenzungszusätzen „der Hauptniederlassung“ bzw.„der Gesellschaft“ versehen, welche den Beschwerdeführer vondem Anwendungsbereich der Vorschrift gerade ausschließen.

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c. Dies ist auf dem Hintergrund der den kommunalen Gebiets-körperschaften nach Maßgabe der Kostenordnung umfänglicheingeräumten Kostenbefreiungen und Gebührenermäßigungen zusehen. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 KostO bleiben landesrechtlicheVorschriften, die eine sachliche oder persönliche Befreiung vonKosten gewähren, unberührt. In fast allen alten Bundesländern gibtes landesrechtliche Befreiungsvorschriften, wonach den Gemein-den, Gemeindeverbänden oder Landkreisen weitgehend Gebühren-freiheit gewährt wird, soweit nicht deren wirtschaftliche Unterneh-men betroffen sind. Gleiches gilt für die neuen BundesländerMecklenburg/Vorpommern und Thüringen.

Nach dem Thüringer Justizkostengesetz in der Fassung der Be-kanntmachung vom 22.10.1992 sind von der Zahlung der Gebüh-ren, die die ordentlichen Gerichte und die Justizverwaltungsbehör-den erheben, die Gemeinden und Gemeindeverbände in Angele-genheiten der Fürsorge und Jugendpflege sowie derGesundheitspflege befreit (§ 6 Abs. 1 Nr. 2). Weitreichende Ge-bührenermäßigungen sind darüber hinaus in der Kostenordnungselbst geregelt. In § 144 Abs. 1 Nr. 2 KostO sind für Gemeindenund Gemeindeverbände hinsichtlich einer Vielzahl von Notarge-bühren bei einem Gegenstandswert von mehr als 50.000 DM deut-liche Ermäßigungen im Umfang zwischen 30 % und 60 % vorge-sehen, soweit kein Bezug zu einem wirtschaftlichen Unternehmenbesteht. Gerade im vorliegenden Fall hat der maßgebliche Gegen-standswert von mehr als 2,5 Mio. DM dazu geführt, daß der Be-schwerdegegner dem Beschwerdeführer den höchstmöglichenNachlaß von 60 % nach dieser Vorschrift einräumen mußte.

Im Hinblick auf ihre weitreichenden gebührenrechtlichen Privi-legierungen in der Kostenordnung und nach Maßgabe der landes-rechtlichen Befreiungsvorschriften liegt die Feststellung nahe, daßGemeinden und Gemeindeverbände nicht zusätzlich als begün-stigte Kostenschuldner in der Anlage I Kap. III Sachgebiet A Ab-schnitt III Ziffer 20a zum Einigungsvertrag aufgeführt wordensind, um sie nicht in den Vorteil noch weitergehender Gebührener-mäßigungen kommen zu lassen.

3. Selbst wenn der Kostenschuldner durch diese Vorschrift zu-sätzlich gebührenprivilegiert wäre, scheiterte jedenfalls – wie dasLG zutreffend dargelegt hat – die begehrte zusätzliche Ermäßigungvon 20 % an S. 2 der genannten Bestimmung der Anlage I zum Ei-nigungsvertrag. Es heißt dort nämlich: „Soweit in bundesrechtli-chen Vorschriften ein höherer Ermäßigungssatz festgelegt ist, giltdieser.“ Ausweislich der Erläuterungen zu den Anlagen zum Eini-gungsvertrag vom 23.9.1990 (Nomos Text, S. 57) stellt dieser Satz„klar, daß die vorgesehene Ermäßigung um 20 % nur eingreift, so-weit nicht in gesetzlichen Vorschriften ein höherer Ermäßigungs-satz festgelegt ist. Dies betrifft insbesondere die Gebührenermäßi-gung des § 144 KostO. Bei ihr greift die Ermäßigung um 20 % nurbei einem Geschäftswert bis 50.000 DM; bei höheren Geschäfts-werten finden ausschließlich die in § 144 genannten Ermäßigungs-sätze Anwendung“. Der Ausschluß einer Doppelermäßigung nachAnlage I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20a zum Eini-gungsvertrag und gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 KostO bei einem Ge-schäftswert von mehr als 50.000 DM entspricht auch der imSchrifttum vertretenen Ansicht (Korintenberg/Lappe/Bengel/Rei-mann, aaO, Rdnr. 10; Göttlich/ Mümmler, aaO, Rdnr. 2.12; Rohs/Wedewer/ Belchaus, § 32, Rdnr. 8; Böhringer aaO; Schmidt aaO,776). Fehl geht der Einwand des Beschwerdeführers, der in Redestehende Satz 2 der Gebührenermäßigungsvorschrift stelle lediglichklar, daß es sich bei dieser Ermäßigung nicht um die einzig zulässi-ge Gebührenreduzierung handele und daß insoweit eine Rechts-grundverweisung gegeben sei, die bei dem Vorliegen der einschlä-gigen Voraussetzungen – hier des § 144 KostO – auch eine weitereErmäßigung zulasse. Der Beschwerdeführer verkennt die Notwen-digkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift.Dazu ist folgendes auszuführen:

a. Wäre dem Kostenschuldner über die ihm bereits zuteil ge-wordene Ermäßigung in Höhe von 60 % die erstrebte weitere Ge-bührenreduzierung zu gewähren, bliebe dem Kostengläubiger vonden ihm nach § 36 Abs. 2 KostO zustehenden Beurkundungsge-bühren nur ein Anteil von 20 %. Nun ist aber eine Verpflichtung,berufliche Leistungen für ein Entgelt zu erbringen, das erheblichunter den als angemessen geltenden Regelgebühren liegt, verfas-sungsrechtlich als Einschränkung der freien Berufsausübung zubeurteilen. Als eine solche Berufsausübungsregelung ist eine Ge-bührenermäßigungsvorschrift nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG ver-

einbar, wenn sich die Reduzierungspflicht durch sachgemäße undvernünftige Erwägungen des Gemeinwohls begründen läßt, wenndiese Pflicht nach Art und Ausmaß geeignet und erforderlich ist,um den vom Gesetzgeber erstrebten Zweck zu erreichen und wenneine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs unddem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, daß die Gren-ze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 47, 285, 321mit Hinweis auf BVerfGE 30, 292, 316; 36, 47, 59). Es muß injedem Fall, in dem Gebührenfreiheit gewährt wird, geprüft werden,ob damit nicht von dem Notar ein unzumutbares Opfer verlangtwird. Bei einer solchen Einzelprüfung sind insbesondere die Fragenzu entscheiden, ob sich die Gebührenermäßigungspflicht zugunstenvon Bund, Ländern und Gemeinden überhaupt mit hinreichendenGründen des Gemeinwohls rechtfertigen läßt und welcher Ermäßi-gungssatz gegebenenfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung fürdie betroffenen Notare zumutbar ist (BVerfGE aaO, 322, 323). DerZwang, notarielle Leistungen für ein Entgelt zu erbringen, das er-heblich unter den Durchschnittskosten liegt, läßt sich nur dann mitArt. 12 Abs. 1 GG vereinbaren, wenn er auf Gemeinwohlgründenberuht, die schwerer wiegen als die Belange der betroffenen Notare(BVerfGE aaO, 325). Nach diesen Grundsätzen hat das Bundesver-fassungsgericht die undifferenzierte Übernahme der zahlreichen fürgerichtliche Gebühren geltenden Befreiungstatbestände in § 144Abs. 3 KostO a. F. für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG gehalten,soweit die Notare verpflichtet wurden, ihre Gebühren in all diesenFällen auf den nicht kostendeckenden Durchschnittssatz von 20 %der Regelgebühren zu ermäßigen (BVerfGE aaO, 285, 286).

b. Die dem Kostenschuldner gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 KostOgewährte 60%ige Gebührenermäßigung läßt sich mit hinreichen-den Gründen des Gemeinwohls rechtfertigen, ohne daß dies imHinblick auf die durch ihn wahrgenommenen Aufgaben der Da-seinsvorsorge und der sonstigen der Allgemeinheit zugute kom-menden Leistungen näher begründet werden muß. Damit steht al-lerdings noch nicht fest, daß Gemeinden und Gemeindeverbändeauch uneingeschränkt zum Kreis der nach der Anlage I Kap. IIISachgebiet A Abschnitt III Ziffer 20a zum Einigungsvertrag privi-legierten Kostenschuldner gehören müssen. Den Erläuterungen zuden Anlagen zum Einigungsvertrag gemäß soll „die Überleitungdes Kostenrechts die abweichenden Lebensverhältnisse, insbeson-dere Vermögens- und Einkommensverhältnisse in der früherenDeutschen Demokratischen Republik berücksichtigen“. Dem soll„vor allem der in den Maßgaben a) zu den meisten Kostengesetzenvorgesehene Abschlag von 20 % auf die im Einzelfall erwachsen-den gesetzlichen Gebühren Rechnung“ tragen (vgl. Nr. 20a, 23a,24a, 25a, 26a; Deutscher Bundestag Drucks. 11/7817, 10.9.1990,S. 29 ff.). Zwar trifft diese soziale Zielsetzung auch auf den Be-schwerdeführer zu, der aus einer Gebietskörperschaft der früherenDeutschen Demokratischen Republik hervorgegangen ist. Anderer-seits wird ihm ohnehin bereits – wie allen anderen Gemeinden undGemeindeverbänden aus den alten Bundesländern auch – bei Ge-genstandswerten von mehr als 50.000 DM die weitgehende Gebüh-renermäßigung des § 144 Abs. 1 im Umfang zwischen 30 % und60 % zuteil. Müßte der Kostengläubiger eine weitere Erhöhungdieser Nachlässe um jeweils 20 % hinnehmen, verlangte man vonihm ein unzumutbares Opfer. Die undifferenzierte Übernahme vonfür gerichtliche Gebühren geltenden Befreiungstatbeständen ist un-vereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG, soweit die Notare verpflichtetwerden, ihre Gebühren unter dem annähernd kostendeckendenDurchschnittswert von 50 % der Regelgebühren zu ermäßigen(BVerfGE aaO, 326). Träfe die Ansicht des Beschwerdeführers zu,müßte der Beschwerdegegner hier sogar eine Reduzierung von80 % hinnehmen. Ein solches finanzielles Opfer läßt sich langfri-stig nicht mit hinreichenden Gründen des Gemeinwohls rechtferti-gen. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, daß in den neuenBundesländern nicht minder als in den alten ein Interesse an einemfunktionierenden Notarwesen besteht. Letzteres ist ohne kosten-deckende Arbeitsweise auf lange Sicht nicht denkbar.

c. Der Beschwerdeführer verweist schließlich ohne Erfolg aufdie Regelung des § 144a KostO. Danach ermäßigen sich bei Ge-schäften, die in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genanntenGebiet belegene Grundstücke betreffen und bei denen die in § 144Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 genannten Kostenschuldner – also auch dieGemeinden und Gemeindeverbände – nach § 2 Nr. 1 KostO zurZahlung der Kosten verpflichtet sind, die vor dem 1.1.2004 fälligwerdenden notariellen Gebühren um 20 v. H. sowie um weitere

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Vomhundertsätze entsprechend § 144 Abs. 1 S. 1. Damit ist zwardie durch den Beschwerdeführer erstrebte doppelte Gebührenermä-ßigung Gesetz geworden, welches die Ermäßigungsbestimmungendes Einigungsvertrages verdrängt (§ 144a S. 4 KostO). Diese Re-gelung ist aber erst durch Gesetz vom 23.6.1993 eingeführt wordenund vier Tage später in Kraft getreten. Der Beschwerdegegner ver-weist zutreffend darauf, daß die Beurkundung des rechnungsgegen-ständlichen Grundstücksgeschäftes vor dem Inkrafttreten der Ge-setzesänderung am 10.2.1993 erfolgte. Die Gebühr für die Beur-kundung ist fällig mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Ge-schäfts (§ 7 KostO), hier also mit der Unterzeichnung derNiederschrift durch die Beteiligten. Damit galt zum Zeitpunkt desEintritts der Fälligkeit der Gebührenverpflichtung seines Rechts-vorgängers die den Beschwerdeführer begünstigende gesetzlicheNeuregelung noch nicht.

d. Nicht überzeugend ist sein Hinweis, durch § 144a KostO seikeine neue Rechtslage geschaffen worden, sondern es sei nur diebis dahin schon nach Maßgabe des Einigungsvertrages geltendeGebührenermäßigung als anzuwendendes Recht klargestellt wor-den. Die Neufassung der Kostenordnung macht vielmehr deutlich,daß der Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis im Hinblick auf dienunmehr geltende doppelte Gebührenermäßigung für Gemeindenund Gemeindeverbände bezüglich der Gegenstandswerte ab 50.000DM gesehen hat, welches nicht vorhanden gewesen wäre, wennsich diese Gebührenprivilegierung aus der bereits bis zur Neurege-lung geltenden Rechtslage ergeben hätte.

An dieser Stelle braucht nicht die Frage erörtert zu werden, obdie Regelung des § 144a KostO wegen der durch sie ermöglichtenweitreichenden Gebührenermäßigungen verfassungsgemäß ist. ImSchrifttum mehren sich die diesbezüglich erhobenen Bedenken(Filzek, JurBüro 1994, 68, 74; Kleist, JurBüro 1994, 260, 261;Rohs/Wedewer/Belchaus, aaO, § 144a, Rdnr. 6). Entscheidend istjedenfalls, daß zwischen der durch die Neuregelung verdrängten al-ten Gebührenermäßigung gemäß der Anlage I Kap. III SachgebietA Abschnitt III Nr. 20a zum Einigungsvertrag und der Vorschriftdes § 144a KostO ein wesentlicher Unterschied besteht: Letzterehat nur eine befristete Ermäßigung zum Gegenstand, denn sie er-faßt die bis zum 1.1.2004 fällig werden Gebührenforderungen. Ge-rade diese beschränkte Geltungsdauer wird als gewichtiger Grundfür die Annahme der Verfassungsmäßigkeit des § 144a KostO an-geführt (Filzek aaO, S. 74; Rohs/Wedewer/Belchaus, aaO). Hinge-gen ist die Gebührenreduzierung nach Maßgabe der Anlage I zumEinigungsvertrag durch keine konkrete zeitliche Befristung einge-schränkt. In der Anlage I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr.27 ist lediglich eine Ermächtigung des Bundesministers der Justizvorgesehen, durch Rechtsverordnung die jeweils in den Buchstabena) der Maßgaben zum Gerichtskostengesetz, zur Kostenordnungund zu anderen Gesetzen bestimmten Ermäßigungssätze zur An-passung an die wirtschaftlichen Verhältnisse neu festzusetzen oderaufzuheben. Ob und gegebenenfalls wann der Bundesminister derJustiz von dieser Ermächtigung Gebrauch machen wird, ist zur Zeitvöllig unbestimmt. Insbesondere ist offen, ob es nach dem Endeder Geltungsdauer des § 144a KostO wieder zur uneingeschränktenAnwendung der Regelung in Anlage I Kap. III Sachgebiet A Ab-schnitt III Nr. 20a zum Einigungsvertrag kommen wird. Damit istdiese Bestimmung in ihrer jetzigen Fassung derart undifferenziert,daß hinreichender Anlaß besteht, sie in dem oben genannten Sinnejedenfalls verfassungskonform und damit einschränkend auszule-gen.

Mitgeteilt von Richter am OLG Rolf Krücker, Düsseldorf

BGB §§ 1836a, 1835, 1836, 1601, 1618a

1. Nach dem Tod einer betreuten Person steht deren Nachlaß invollem Umfang zur Begleichung von Vergütung und Auslagendes Betreuers zur Verfügung.

2. Betreuer, die Elternteil oder Kind eines mittellosen Betreutensind, erhalten die Aufwandsentschädigung (§ 1836a BGB) ausder Staatskasse.

LG Koblenz, Beschl. v. 10.1.1996 – 2 T 734/95

Aus den Gründen: Der angefochtene Beschl. war unter Zurück-weisung des Antrages der Beteiligten zu 1) aufzuheben.

Zwar steht der Beteiligten zu 1) auch als Tochter der Betreutenein Anspruch nach § 1836a BGB auf Aufwandsentschädigung zu.

Maßgebliche Überlegung ist, daß trotz bestehender etwaigerUnterhaltspflicht gem. § 1601 BGB, § 1836a BGB nicht differen-ziert zwischen Verwandten und Nichtverwandten als Betreuer. DieKammer schließt sich insoweit der Argumentation des LG Kaiser-lautern in der Entscheidung vom 10.9.1993 (BtPrax 1994, S. 34)an. Als Berechtigte i. S. d. § 1836a BGB kommen alle natürlichenPersonen in Betracht, denen ein Betreueramt übertragen wurde mitAusnahme der Betreuer, denen eine Vergütung für die Betreuungzusteht. Weder der Gesetzestext noch die Begründung zu dem Be-treuungsgesetz sehen für alle Fälle, in denen Verwandte zum Be-treuer bestellt werden, Einschränkungen vor.

Im vorliegenden Fall richtet sich der Anspruch auf Aufwands-entschädigung allerdings nicht gem. § 1836a letzter S. BGB gegendie Staatskasse. Es fehlt an der Mittellosigkeit i. S. d. § 1835 Abs.4 BGB.

Zwar beläuft sich der Nettonachlaßwert nach Abzug der Ver-bindlichkeiten auf lediglich 505 DM. In dem Falle, in dem einenoch lebende Betreute über ein derartig geringes Einkommen ver-fügen würde, bestünde an der „Mittellosigkeit“ kein Zweifel. An-ders liegt es aber in dem hier gegebenen Fall, daß die Betreute in-zwischen verstorben ist. Der Nachlaß haftet für Betreuungskostengrundsätzlich unbeschränkt. Es gibt auch keine Personen mehr, de-ren Mittellosigkeit und Bedürftigkeit zu einer Ersatzhaftung derStaatskasse führen könnte. Die Begriffsdefinition der Mittellosig-keit orientieren sich an den schutzwürdigen Belangen eines leben-den Betreuten, zu dessen Gunsten eine bestimmte finanzielle Absi-cherung gewährleistet sein muß. Derartige Überlegungen scheidenaber in dem vorliegenden Fall aus.

Daß die Nichtzugrundelegung von Schongrenzen nach dem Toddes Betreuten dazu führt, daß das Erbteil des Erben, der auch Be-treuer war, geschmälert wird, ändert an der Sichtweise nichts, dadie Beachtung von finanziellen Schongrenzen ausschließlich im In-teresse des Betreuten liegen und nicht im Interesse der Erben.

Nach dem Tode des Betreuten steht also nach der hier vertrete-nen Ansicht das Vermögen im vollen Umfange für die Bezahlungder Betreuervergütung zur Verfügung (vgl. LG München, BtPrax1995, S. 73 f.). Die Auffassung des LG Mainz (Pfleger 1990, S.358 ff.) wird nicht geteilt.

Mitgeteilt von Justizamtsrat Günter Müller, Koblenz

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