Gefangenen Info #352

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    januar 2010 nr. 352 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Break the silenceGerechtigkeit fr Oury Jalloh!

    Auf Leben und TodDer Kampf fr Mumias Leben

    Klimagipfel in KopenhagenRepression und die Gefangenen

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    wir mchten uns zunchst bei allen Gefangenen, Leserinnen und Lesern, Untersttzerinnenund Untersttzern bedanken, die es ermglicht haben, die Zeitung am Leben zu erhalten.Dank der solidarischen Untersttzung in Form von Spenden und Verbreitung der Zeitungknnen wir sagen, dass wir das Jahr 2009 trotz einiger schwieriger Momente mit einerpositiven Bilanz hinter uns gelassen haben. Wir mchten das Vorwort dazu nutzen, einigeResultate unserer Auswertung und einige wichtige Vernderungen mitzuteilen.

    Nach Auswertung unserer einjhrigen Erfahrung haben wir einige Vernderungen vorneh-men mssen. Dies betrifft zunchst die finanzielle Ebene. Nachdem wir aus verschiedenenGrnden vom monatlichen Erscheinen zum 6-Wochen-Rhytmus gewechselt haben und es zuVernderungen hinsichtlich der Auflage und des Drucks gekommen ist, haben wir die Abo-preise neu bestimmen mssen. Die aktuellen Preise, die fr das Jahresabo etwas gnstigerwerden und in In- und Auslandspreise aufgeteilt sind, knnen weiter unten im Impressums-teil nachgelesen werden. Daneben haben wir es uns nicht nehmen lassen, einige grafischeVerbesserungen vorzunehmen und den strukturellen Aufbau etwas zu berarbeiten.

    Wir berichteten in unseren letzten Ausgaben, dass unser presserechtlicher Verantwort-licher Wolfgang Lettow wegen eines Artikels mit dem Titel Blind in Beugehaft (Ausgabe 348)eine Strafanzeige erhalten hatte. Nun folgte dem ein Strafbefehl in Hhe von 2.800 Euro (40

    Tagesstze), gegen den Einspruch erhoben wurde. Wir erwarten nun eine Gerichtsverhand-lung, die wir natrlich nicht undokumentiert lassen werden.Bereits zuvor hatte die Herausgeberin der Onlinezeitung scharf-links, Edith Bartelmus-Scholich, einen Strafbefehl ber 12.000 Euro wegen desselben Artikels erhalten. Der Prozessgegen Edith beginnt am 16. Februar 2010 vor dem Amtsgericht Krefeld.

    Diese Ausgabe hat den Konflikt im Baskenland als Schwerpunkt und versucht, einen aktuellenEin- und berblick zur Situation baskischer politischer Gefangener und zur Repression dortzu liefern . Wir schlieen uns damit dem Aufruf fr die europaweiten Aktionstage an. Wirverweisen in unserem Einleitungsbeitrag auf Seite 4 auf die baskischen politischen Gefan-genen, die ab Mrz diesen Jahres in den Widerstand treten werden. Diese gilt es in ihrenForderungen und in ihrem Kampf zu untersttzen.

    Kurz vor Redaktionsschluss hat uns auerdem die Mitteilung ber den Prozessbeginn gegenCengiz, Nurhan und Ahmet erreicht. Der Prozess, der am 11.oder 12. Mrz 2010 vor der OLGDsseldorf beginnen soll, wird somit neben dem Stammheimer- und dem Dsseldorfer Pro-zess der dritte laufende 129b-Prozess sein. Es gilt, die Angeklagten nicht alleine zu lassen,die Prozesse zu besuchen und ffentlichkeit zu schaffen.

    Eine andere Meldung, die uns kurzfristig erreichte, betrifft die Situation von Mumia Abu-Jamal. In seinem Fall habe das 3. Bundesberufungsgericht am 19. Januar vom US SupremeCourt die Anweisung erhalten, die Entscheidung neu zu wrdigen. Auch wenn damit einemgliche Hinrichtung Mumias erstmal aufgeschoben zu sein scheint, sollte die Mobilisierungfr Mumia und gegen die Todesstrafe weiterhin mit bisherigem Tempo fortgesetzt werden.

    In diesem Sinne:Solidaritt ist eine Waffe!Nutzen wir sie!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel -lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

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    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Zur Geschichte des Infos

    Schwerpunkt

    Euskal Herria - Widerstandund Repression im Baskenland

    Interview mit einemAktivisten der Izquierda Abertzale

    Aus einem Brief des baskischenGefangenen Markel Ormazabal

    Interview mit Jone Artola Ibarretxe vonder Angehrigenorganisation Etxerat

    Inland

    Solidaritt organisierenDer Kampf gegen den 129b

    Frchte eines vergifteten Baumes

    Eure Untersttzung istnicht unsichtbar geblieben

    Break the Silence!Gerechtigkeit fr Oury Jalloh

    Sand im Getriebeder Meinungsmacher?

    International

    Trkei: Justiz des 12. September

    Kampagne fr Georges Cipriani und

    Jean-Marc Rouillan

    Repression in Kopenhagen

    Auszge aus einem Gedchtnisprotokoll

    Der Kampf fr Mumias Leben

    Schwerbehinderter Savvas Xirosluft Gefahr, beide Beine zu verlieren

    Folter an palstinensischen Kindern

    Gefangene

    Brief von Cengiz Oban

    Prekariat im Gefngnis

    Schreibt den Gefangenen

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    januar 2010 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Das heutige Gefangenen Info ist im Frh-jahr 1989 anlsslich des zehnten kollektivenHungerstreiks der Gefangenen aus der RAFund des antiimperialistischen Widerstandsunter dem Titel Hungerstreik-Info entstan-den. Lange Jahre wurde es von den Ange-hrigen der politischen Gefangenen aus derBRD herausgegeben und vom GNN-Verlagverlegt.Seitdem sind beinahe 21 Jahre vergangen.Um den damaligen Hintergrund der Ausei-

    nandersetzungen um die Gefangenenfragebesser zu verstehen, mssen wir uns diedamalige politische Situation noch einmalvergegenwrtigen. Insbesondere wurde dieHaftsituation und deren Auswirkungen aufdie Eingesperrten kritisiert. Diese als wei-e Folter bezeichneten Haftbedingungenhinterlieen oft keine sichtbaren physischenSpuren. Selbst die UNO hatte die Isolations-haft als Folter gechtet. 9 politische Gefan-gene hatten bisher den Knast nicht berlebt.Dieser besagte zehnte (und letzte) kollek-tive Hungerstreik der Gefangenen aus derRAF wurde gemeinsam mit den Gefangenenaus dem antiimperialistischen Widerstand

    gefhrt. Diese Gefangenen hatten drauenim Gegensatz zu denen aus der RAF nichtbewaffnet als Stadtguerilla gekmpft. DieGenossInnen aus dem Widerstand wurdenu.a. dafr kriminalisiert und eingesperrt, weilsie sich mit den Illegalen aus der RAF zumGedankenaustausch trafen, mit den Gefan-genen aus der Guerilla kommunizierten, odersich ffentlich oder verdeckt fr die Verbes-serungen der Haftbedingungen einsetzten.Auch wenn diese Gefangenengruppen einenunterschiedlichen Erfahrungshintergrund hat-ten, verband beide die politische Zielsetzung,fr eine befreite Gesellschaft und eine kom-munistische Perspektive einzutreten. Dieses

    Ziel konnte nur durch ein abgestimmtes in-ternationales Handeln erreicht werden. DerVersuch, eine westeuropische Front auf-zubauen, war ein Ausdruck dieser Linie.Am 1. Februar 89 begann der Hungerstreikmit der Forderung nach der Zusammenle-

    gung aller dieser Gefangenen in ein oderzwei Gruppen und der nach der Freilassungaller haftunfhigen Gefangenen, wie z.B.Gnter Sonnenberg. Eine weitere Forderungbezog sich auf die Zusammenlegung allerGefangenen, die dafr kmpfen. Zirka 40Gefangene beteiligten sich anfangs an dieserAktion, etwa die Hlfte waren RAF-Gefange-ne, der Rest kam aus dem Widerstand. DemStreik schlossen sich diverse soziale und mi-grantische Gefangene mit eigenen Zielen an.

    Verschiedene Gruppen aus der Kirche, denGewerkschaften und Linksradikale aus demIn- und Ausland untersttzten die Gefange-nenforderungen. Eine bundesweite Demons-tration in der damaligen Hauptstadt BonnEnde April mit ber 10.000 TeilnehmerInnenwar der Mobilisierungshhepunkt der Solida-ritt mit den Gefangenen. Die Forderungenkonnten im Ergebnis nicht durchgesetzt wer-den. Es gab lediglich minimale Verbesse-rungen, die Isolation der Gefangenen bliebaber weiter bestehen. Statt dessen wurdedas Modell bundesdeutscher Isolationshaftin diverse Lnder exportiert, nach Spanien,Chile oder in die Trkei.

    Das den Gefangenenkampf begleitendeHungerstreik-Info erschien zu dieser Zeitwchentlich mit einer Auage bis zu 10.000Exemplaren. Nach dem Hungerstreik wurdedas Info in Angehrigen-Info umbenannt.Es erschien zuerst alle zwei, spter alle vierWochen.Das Engagement, sich fr die Gefangenenund deren Forderungen einzusetzen, br-ckelte zunehmend ab. Ein Grund war be-stimmt, dass vergessen wurde, dass esnicht nur um die Freiheit der Gefangenengehen konnte, sondern auch um die eigeneim globalen Zusammenhang. Hinzu kamendie weltweiten Umbrche Ende der achtzi-

    ger und Anfang der neunziger Jahre, die diegesamte Linke in eine Krise strzten, und lo-gischerweise auch nicht vor den politischenZusammenhngen dieser Zeitschrift Haltmachten.Das Kollektiv der Gefangenen aus der RAF,

    Zur Geschichte

    des Infos

    das ber 20 Jahre ein wichtiger Faktor war,spaltete sich und lste sich letztendlich auf.Die solidarischen Zusammenhnge auer-halb der Knasttore waren von einer parallelenEntwicklung betroffen. Eine Transformation ineine neue politische Kraft gelang nicht, ob-wohl sich die Bedingungen in Grodeutsch-land auf allen Ebenen verschrften und einestarke linke internationalistische und antago-nistische Bewegung wichtig gewesen wrebzw. ist.

    Das Info nannte sich ab 2004 GefangenenInfo, nach dem die Angehrigen auf Grundihres fortgeschrittenen Alters die Herausge-berInnenschaft aufgeben mussten. Das Blatthatte in der Folgezeit weiterhin die Funktion,dazu beizutragen, dass alle Gefangenen ausdiesem vergangenen Kampfprozess raus-kommen. Bis auf Birgit Hogefeld sind alle In-haftierten aus der RAF inzwischen auf freiemFu!Der Staat versuchte wiederholt unter der Fe-derfhrung der Bundesanwaltschaft diese

    Zeitschrift durch rund 30 Verfahren mundtotzu machen:

    - Im Info wurde hug das staatliche Vor-gehen gegen Gefangene kritisiert, statt dieBedingungen zu ndern, reagierte der Staatzum Beispiel mit Verfahren nach 187 (Ver-leumdung);- oder es wurde ein 129a-Verfahren we-gen Werbung fr eine terroristische Verei-nigung erffnet, weil Erklrungen der RAFdokumentiert worden sind, die in Prozessenverlesen wurden;- weitere Anlsse waren Artikel, die diestaatliche Version z.B. der Selbstmorde in

    Stuttgart-Stammheim am 18.10.1977 odervon Wolfgang Grams am 27.6.1993 in BadKleinen thematisierten und damit in Fragestellten.

    Mit dem neuen Verfahren nach 187, das imSommer 2009 gegen das Info angestrengtwurde, zeigt sich, dass die Behrden wei-terhin verhindern wollen, dass die Isolations-haft Made in Germany thematisiert wird. Sowurde in den neunziger Jahren dieses Haft-modell in die Trkei exportiert. Aktuell wirddie Isolationshaft an trkisch-kurdischen Ge-fangenen exekutiert, die wegen des 129binhaftiert sind. Auch die Sondergesetze und

    -gerichte bestehen weiter und werden aus-gebaut.Im Info wurde auch die Geschichte desweltweiten Aufbruchs von 1968 authentischdargestellt, aus denen die Gefangenen ausder RAF kamen. Diese Geschichte des Wi-derstandes soll aus dem Gedchtnis undden Kpfen der alten und jungen Menschenausradiert werden, damit es schwieriger wird,heute zu kmpfen. Neben der Leugnung derIsolationshaftbedingungen werden auch dieGrnde der weltweiten Rebellion fr eine freieund emanzipatorische Gesellschaft, durchdie herrschende Klasse regelmig durchTypen wie Stefan Aust u.a. umgeschrieben

    und damit verflscht, weil sie sich vor einemneuen Aufstand frchten.Sie wissen natrlich, dass ein neuer globalerAufstand kommen wird...

    Wolfgang Lettow, Mitarbeiter des Infos seit Ende 1991

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    Verschrfte Repression...

    So alt wie der politische Konikt zwischender linken baskischen Unabhngigkeitsbe-wegung und den Regierungen Spaniens undFrankreichs, der historisch gewachsen istund dessen Entwicklung und Verfestigungentscheidend von Ereignissen wie dem Spa-nischen Brgerkrieg, der Franco-Diktaturund der sogenannten spanischen transicindemocrtica (dt. bergang zur Demokratie)beeinusst wurde, so alt sind auch die Re-pression und die aggressive Gefangenpolitik

    der beiden Staaten gegen die baskische Lin-

    ke.Seit Jahrzehnten werden baskische poli-tische Gefangene im Rahmen der sogenann-ten Zerstreuungspolitik mglichst weit ent-fernt vom Baskenland inhaftiert, zu von derJustiz durch Terrorverdacht legitimierten- unverhltnismig hohen Haftstrafen ver-urteilt, zum Teil auch nach bereits verbterStrafe nicht freigelassen und in Incomunica-do-Haft gefoltert. Diese Manahmen werdenvon den Regierungen geleugnet oder mit derVorgabe alles ist ETA gerechtfertigt. Diesestaatliche Strategie, institutionalisiert u.a.durch den Antiterrorpakt von 2000 und das

    Parteiengesetz von 2003, nach dem Parteienverboten werden knnen, die sich nicht ffent-lich von terroristischer Gewalt distanzieren,zielt auf die Kriminalisierung der gesamtenlinken baskischen Unabhngigkeitsbewe-gung ab. Ein einschlgiges Beispiel dafr istdas Verfahren 18/98, bei dem linke politischeVertretungen, Gewerkschaften, Parteien,Medien, Frauen-, Jugend- und Gefangenor-ganisationen wegen Untersttzung der ETAangeklagt wurden.Wie die jngsten Ereignisse zeigen, spitztsich diese Entwicklung zu: Illegalisierung derFotos der Gefangenen, Verbot von Solidari-ttsdemonstrationen, Verhaftung von linken

    PolitikerInnen, GewerkschafterInnen und Ak-tivistInnen aus der Jugendbewegung sowiederen Misshandlung und die neue Verord-nung zur Durchsuchung der Angehrigen derGefangenen bei Besuchen.Aus diesem Grund und aus Anlass der eu-

    ropaweiten Aktionstage zum Baskenlandvom 13. - 20. Februar 2010 mchten wirder aktuellen Situation in Euskal Herria (dt.Baskenland) den Schwerpunkt widmen undunterschiedliche Stimmen zu Wort kommenlassen, die von den politischen Umstndenund Formen des Widerstands berichten.Einleiten sollen dies ein paar Stze zu eineraktuelle Erklrung, mit der die politischenGefangenen eine neue Etappe auf dem Weggegen die repressive Gefangenenpolitik be-treten.

    ...und eine neue Dynamik des Kampfes

    Am 4. Januar 2010 hat das Kollektiv bas-kischer politischer Gefangener (Euskal Pre-so Politikoen Kolektiboa, EPPK) in einemSchreiben die Aufnahme einer neuen Dyna-mik des Kampfes erklrt, die in unterschied-lichen Phasen ber das Jahr hinweg realisiertwerden soll.Erinnert wird daran, dass das EPPK in denletzten Jahren in allen Gefngnissen einenpermanenten politischen Kampf gefhrt hat,so beispielsweise gegen das VerschwindenJon Anzas, das Verbot, in franzsischen Ge-fngnissen zu studieren und die jngste Ver-

    ordnung zur Durchsuchung der Angehrigen.Mit der neuen Initiative soll nun der Impulsfr eine neue politische Dynamik gegebenwerden.Nach Ansicht der rund 750 Gefangenen,die das Kollektiv konstituieren, gehen diepolitische Situation und die Situation in denKnsten Hand in Hand: Die Gefangenenpo-litik verfolge das Ziel, den baskischen Befrei-ungsprozess zu determinieren.Daher wird zum Einen die baskische Gesell-schaft angesprochen und die Notwendigkeitbetont, einen starken politischen Prozess inEuskal Herria anzustoen, der die politischeSituation ndert. Politische und soziale Ak-

    teure werden dazu aufgerufen, sich fr po-litische und demokratische Perspektiveneinzusetzen.Zum Anderen wird von den RegierungenSpaniens und Frankreichs ein Ende der all-umfassenden Unterdrckung Euskal Herrias

    verlangt. Konkrete Forderungen sind 1. dieEntlassung aller Gefangenen, welche ihreStrafe bereits abgesessen haben (keine Si-cherungsverwahrung), 2. die Entlassung al-ler Gefangenen, welche gesetzlich das Rechtauf bedingte Haftentlassung haben, 3. dieEntlassung aller Gefangenen, welche unterschweren Krankheiten leiden und nicht haft-fhig sind, 4. die Einhaltung der Menschen-rechte (z.B. krperliche Unversehrtheit) unddie Anerkennung des Status als politischeGefangene sowie 5. die Zusammenlegungder Gefangenen.

    Zur Durchsetzung dieser Forderungen hatdas Gefangenenkollektiv Kampfformen wieHungerstreik und encierro (dt. Selbstein-schlieung) angekndigt, die ab Mrz ineinem Rotationsprinzip organisiert werdensollen. Gegen die erniedrigenden Durchsu-chungen der Angehrigen wehrt sich dasKollektiv derzeit, indem es auf Besuche ver-zichtet.Mit ihren Forderungen und Kmpfen kn-nen die Gefangenen seitens der baskischenBevlkerung auf Untersttzung zhlen. DieSolidarittsbewegung ist nmlich, trotz mas-siver Einschchterungsversuche und zuneh-menden Repressalien, stark in der Gesell-

    schaft des Baskenlandes verankert.Das zeigt u.a. das Beispiel der Solidaritts-demonstration am 2. Januar 2010 in Bil-bo (span. Bilbao), die alljhrlich am erstenSamstag im Januar stattndet. Es kamen 44000 Menschen zusammen, und das, obwohlden OrganisatorInnen der Angehrigenor-ganisation Etxerat (dt. nach Hause) die De-monstration von der Madrider Justiz verbotenworden war. Die neuen AnmelderInnen, einbreites Bndnis aus baskischen Parteien undGewerkschaften, erhielten erst kurz vor De-monstrationsbeginn die richterliche Geneh-migung fr den Protestmarsch. Entschiedenbernahmen sie das Motto der verbotenen

    Demonstration und bergaben die Fhrungund die Abschlusskundgebung an Etxerat.So konnten am Ende Zehntausende ihre So-lidaritt mit den politischen Gefangenen aufdie Straen Bilbos tragen ein guter Impulsfr eine neue Dynamik. (red.)

    Euskal HerriaWiderstand und Repression im Baskenland

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    Gefangenen Info: In den letzten Monatenhat sich die Repression gegen die linke bas-kische Unabhngigkeitsbewegung verstrkt.Sie richtet sich zunehmend gegen Solidari-ttsaktionen wie z.B. die encarteladas vonEtxerat, die Demonstrationen von Pro Am-nista oder die Prsenz der Fotos der poli-tischen Gefangenen.Siehst du einen Zusammenhang zwischendieser Entwicklung und der neuen bas-kischen Regierung mit Beteiligung der PSE?

    Aktivist der Izquierda Abertzale: Ich seheeine direkte Beziehung zwischen der bas-kischen Regierung unter der PSE und derVerstrkung der Repression gegen die bas-kische Linke. Kurz nachdem die PSE durchein Bndnis mit der PP die Regierung ber-nommen hatte, entschieden sie, die nanzi-elle Untersttzung von16 000 Euro fr die Angehrigenorganisati-onen der baskischen Gefangenen einzufrie-ren.Im Sommer, der Zeit vieler Feste und Akti-vitten in den Drfern und Stdten der CAV(dt. Autonome Gemeinschaft Baskenland),

    traf die Repression verstrkt Menschen undGruppen, die sich mit den politischen Gefan-genen solidarisieren. Mittlerweile ist es nichtmehr mglich, die Fotos der Gefangenen aufden Demos zu zeigen, ohne ein Verbot derAktion oder Angriffe durch die Polizei zu ris-kieren. Das hat zu vielen Zusammenstenund einer angespannten Situation gefhrt.Das einzige, was sie erreicht haben, ist dieStrkung der Solidaritt, denn wir wissen,dass diese immer richtig und wichtig ist.In Gernika, einem Ort in Bizkaia, hat dieErtzaintza (Polizei der Autonomen Gemein-schaft Baskenland, die jetzt der PSE und PPuntersteht) die TeilnehmerInnen von Festlich-

    keiten mit Gummigeschossen und Schlagst-cken angegriffen, da Transparente, Plakateund Aufkleber die Aktivitten begleiteten, diedie Solidaritt mit den baskischen politischenGefangenen zum Ausdruck brachten.Unter der PNV (dt. Baskische NationalistischePartei), bevor die PSE an die Macht kam, wardie Repression gegen die baskische Unab-hngigkeitsbewegung zumindest auf derStrae nicht so stark. Auf medialer Ebenenwar sie es, von der institutionellen Ebenenganz zu schweigen. Man bedenke, dass dielinke Partei Batasuna unter der PNV illegali-siert wurde und heute von der EU, den USAund vielen anderen Lndern als terroristisch

    eingestuft wird.

    GI: Welche Rolle spielt die PNV in diesemProzess?

    A.: Die PSE in ihrem Bndnis mit der PP ist

    noch nicht lnger als 120 Tage an der Macht.In diesen 120 Tagen hat die PNV die zuneh-menden repressiven Manahmen gegen diebaskische Linke beobachten knnen und hatsich als Partei nicht dazu verhalten, obwohlsie sich in der Opposition bendet. Einigeleitende Persnlichkeiten der PNV habenin Interviews geuert, dass dieses brutaleVorgehen gegen die Solidarittsbewegungnicht gerechtfertigt sei. Aber wie gesagt, di-ese Aussagen waren individueller und nicht

    reprsentativer Natur.Ich glaube, dass die PNV momentan abwar-tet und dass sie, wie immer in der Vergan-genheit, dabei enden wird, die Repression zurechtfertigen.

    GI: Welches Ziel verfolgt die Regierung dei-ner Meinung nach mit der Kriminalisierungder Solidaritt mit den politischen Gefange-nen?

    A.: Ich denke, um die Antwort auf dieseFrage verstehen zu knnen, muss man diespanische Theorie zum baskischen Konikt

    verstehen. Nach dieser Theorie sind alle bas-kischen linken AktivistInnen automatisch derETA zugehrig. Da ETA als terroristische Or-ganisation angesehen wird, kann alles, wasmit ihr in Verbindung gebracht wird, ebenfallsals terroristisch eingestuft werden.Mit dieser Strategie sollen meines Erachtensdie Daumenschrauben der Repression engergezogen und die Mglichkeit geschaffen wer-den, auch die Solidaritt mit den politischenGefangenen zu kriminalisieren. Sie wollenden Menschen Angst machen und sie zumStillschweigen bringen.

    GI: Welche Konsequenzen hat die Repres-

    sion fr die Organisierung einer linken bas-kischen Bewegung? Wie reagieren die linkenGruppierungen?

    A.: Die linke baskische Unabhngigkeits-bewegung wird schon seit vielen Jahrenkriminalisiert. Schritt fr Schritt verschrftsich die Repression. Linke Parteien werdenauf Grundlage eines Gesetzes verboten,nach dem Parteien, die sich nicht von ter-roristischer Gewalt distanzieren, illegalisiertwerden knnen. Gut...aber hat die PP denFranquismus verurteilt? Hat die PSOE dieGAL (dt. antiterroristische Befreiungsgrup-pen, Todesschwadronen, Anm.) verurteilt?

    Nein, aber sie sind 100% legal.Historisch gesehen war die baskische Linkeimmer sehr aktiv. Auch wenn wir eine schwie-rige Situation erleben, gehen die Menschenauf die Strae und fordern ihr Recht aufSelbstbestimmung. Das beste Beispiel ist der

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Interviewmit einem Aktivisten

    der Izquierda Abertzale

    Versuch der Kriminalisierung der Solidarittmit den baskischen politischen Gefangenen.Sie haben nicht mehr erreicht, als einen sehraktiven Teil der baskischen Bevlkerung sehrwtend zu machen und dass sich in den Stra-en die Fotos der Gefangenen hufen.Nach jedem Verbot folgte eine Reaktion derBewegung. So ist das hier.Meiner bescheidenen Meinung nach, gibt esviele Aktivitten auf der Strae. Vor allem,nachdem der Innenminister Rodolfo Ares an-gekndigt hat, die Straen einzunehmen undsie von den etarras (dt. Mitglieder der ETA)zu befreien. Das werden wir nicht zulassenund verstrkt auf die Strae gehen.

    GI: Worum handelt es sich bei der IzquierdaAbertzale?

    A.: Die Izquierda Abertzale bernimmt dieFunktion, der unterdrckten baskischen Be-vlkerung eine Stimme zu geben, die frei undunabhngig leben will. Es geht um ein selbst-bestimmtes Leben, mit der baskischen Spra-

    che und den politischen Gefangenen in denStraen, ohne jedes Gerusch einer Waffe,ohne jede Repression und Erpressung. Hi-storisch gesehen ist die Izquierda Abertzaledie einzige Bewegung, die in Euskal Herriafr die Unabhngigkeit und den Sozialismusgekmpft hat.

    GI: Wie lsst sich die Izquierda Abertzale indie unterschiedlichen linken Strmungen inEuskal Herria einordnen?

    A.: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten.Grundstzlich ist die Izquierda Abertzale eineBewegung unterschiedlicher Gruppierungen,

    die gemeinsam fr ein unabhngiges, sozia-listisches Baskenland kmpfen. Die verschie-denen Organisationen sind sich ber dieseZiele einig, sei das die JugendorganisationSegi oder die linke Partei Batasuna. Es gibtaber auch viele Gruppen, die auerhalb derIzquierda Abertzale agieren. Ich denke, diesesind mit den Zielen der Izquierda Abertzalenicht einverstanden; auch lehnen einige vonihnen den bewaffneten Kampf zur Erreichungpolitischer Ziele ab.

    GI: Mchtest du abschlieend noch etwassagen?

    A.: Wie ihr lesen konntet, wird die Situationfr baskische linke AktivistInnen in EuskalHerria immer schwieriger.Wir werden weiterhin aus Euskal Herria be-richten, damit die Menschen erfahren, washier vor sich geht.Wir laden euch ein, Euskal Herria zu besu-chen, damit ihr euch selbst ein Bild von demmachen knnt, was hier passiert ist und pas-siert. Das ist die beste Form, sich zu informie-ren: es selber sehen.Wir wrden uns sehr freuen, mit euch ge-meinsam ber die politischen Ereignisse zusprechen und uns auszutauschen!

    Independentzia eta sozialismoa!Ez gaituzue geldiko! - Ihr werdet uns nichtaufhalten!

    Interview, bersetzung und Anmerkungen:Red.

    gefhrt am 2. September 2009, Donostia

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    Vor ungefhr einer Woche wurde ich zur so-

    genannten Kunda geholt (so nennt man hierdie temporre berfhrung oder die wirklicheVerlegung in ein anderes Gefngnis).Grund dafr war, dass die Audiencia Na-cional Ende Oktober fnf GenossInnen imRahmen des Makroprozesses gegen Jarrai-Haika-Segi verurteilt hat, von dem auch dasVerfahren gegen mich Teil war. Die fnf An-geklagten waren im Prozess von 2005 nichtvor das Gericht getreten. Nun wurden sie vorkurzem festgenommen und dem Richter vor-gefhrt. In dem dreitgigen Prozess mussteich als Zeuge aussagen. Es ging um Aus-sagen von Polizeibeamten whrend meinerFestnahme im Jahr 2002, bei der ich Miss-

    handlungen und Folter erlitt und anzeigte.So fand ich mich am 28. Oktober in einemBus der Guardia Civil auf dem Weg zumMadrider Gefngnis Valdemoro wieder. Amnchsten Tag wurde ich direkt zum Gerichtgebracht. Ich war insgesamt drei Wochen indiesem Knast.Beim ersten Hofgang stellte ich fest, dasssich in diesem Gefngnistrakt mehrere Na-zis befanden. Natrlich gab es Problememit ihnen, und zwar nur, weil wir unter denGenossen Euskera (dt. Baskisch) sprachen.Es kam zur ein oder anderen Drohung, abermehr passierte nicht.Abgesehen von der Provokation durch die Fa-

    schisten, die vor allem der Gefngnisleitungzuzuschreiben ist, da diese die sogenannteideologische Inkompatibilitt missachtete,hatte die Reise auch ihre guten Seiten. Dadie Kides (Genossen), die der AudienciaNacional vorgefhrt werden sollen, im selbenTrakt untergebracht sind, hatte ich die Mg-lichkeit, neue Gesichter kennenzulernen.Und nicht nur neue... Als nur noch ich und einanderer Genosse brig geblieben waren, wererscheint? Zwei Freunde aus meinem Barrio!Unglaublich.

    Ich mchte noch kurz ein paar Worte zu derDiskussion um das Verhltnis zwischen poli-

    tischen und sozialen Gefangenen verlieren,die, wie ich erfahren habe, im GefangenenInfo gefhrt wird.Zunchst sollten wir nicht vergessen, dassneben den politischen und den sozialenGefangenen viele hinter Gittern sitzen, die

    wirklich unschuldig sind. Das System braucht

    angesichts bestimmter Situationen oftmalsSndenbcke und die Gefngnisse sind vollvon Unschuldigen mehr, als wir normaler-weise annehmen.Fr mich stellt sich nicht die Frage, ob mansich mit allen Gefangenen solidarisierenkann. Man muss! Das Gefngnis ist keinguter Ort (na ja...vielleicht fr dessen Be-sitzer!). Die Knste und das Strafsystem imAllgemeinen sind eine Verirrung der Gesell-schaft, deshalb muss man dagegen ankmp-fen. Eine Form dieses Kampfes ist die Solida-ritt mit den Inhaftierten.Zygmunt Bauman und David Garland zufol-ge, sind die Gefngnisse heutzutage explizit

    als ein Mechanismus des Ausschlusses undder Kontrolle konzipiert. Heute werden dieMauern als das wichtigste und wertvollsteElement dieser Institution angesehen undnicht das, was in ihrem Inneren passiert. DasHauptziel der Gefngnisse besteht in der Eli-minierung des gesellschaftlichen Abfalls.Soweit die Gefangenen direkt Opfer des Sy-stems sind, verdienen sie uneingeschrnkteSolidaritt. Wir mssen die Situation sehen,nicht die Anschuldigung.Hinsichtlich der Schwierigkeit der Kategori-sierung, die sich dadurch ergibt, dass vielesoziale Gefangene fr Verbrechen einsit-zen, die wir als Angriffe auf das politische

    System bewerten knnten, denke ich Fol-gendes: Man muss auch hier ber die An-schuldigungen hinausgehen, auf Basis de-rer die Gefangenen verurteilt wurden. DerGefangene ist ein Gefangener, und zwaraufgrund einer Anklage, aber vor allem ister eine Person mit einem Bewusstsein undeiner bestimmten Art des Handelns. Es istnicht dasselbe, fr die Finanzierung vonDrogen oder fr die Selbstverwaltung desrmsten Barrios der Stadt zu stehlen. Kannaber nicht das eine und das andere Bedrf-nis direkte Konsequenz des Systems sein?Ja. Aber es gibt einen Unterschied zwischendem kollektiven, bewussten Angriff auf das

    Privateigentum (auch wenn es dabei um dieBefriedigung der eigenen Bedrfnisse geht)und der egoistischen Aneignung, hinter derkeine politische Ideen, sondern nur die eige-nen Interessen stehen.Das Verbrechen, fr das der Gefangene ver-

    urteilt wurde, kann kein Kriterium fr seine

    Denition sein. Es ist die Einstellung zu denDingen, die den politischen Charakter derPerson und deren Handlungen ausmacht.Ich wei nicht, wie es in Deutschland ist, aberhier macht oftmals das System den Unter-schied. Das geschieht unter anderem durchspezische Gesetze, die noch im Moment derFestnahme zur Anwendung kommen. Das istes, was den baskischen Menschen passiert.Zndest du einen Container in Mlaga an,verbringst du hchstens eine Nacht auf derPolizeiwache und wirst zu einer Geldstrafeverurteilt. Tust du das Gleiche in Donostia,wenden sie das Anti-Terrorismus-Gesetzan, auf Grundlage dessen sie dich in Incomu-

    nicado-Haft stecken und bis zu zehn JahrenKnast verurteilen knnen. Einmal verurteiltund im Gefngnis, stufen sie dich als Gefan-genen ersten Grades ein und grenzen dichdamit von der Mehrheit der Gefangenen ab.Das, was uns neben der Anklage und un-serer Einstellung zu politischen Gefangenenmacht, ist die Behandlung, die wir in Hafterfahren. Ein Beispiel: Vor einem Monat er-reichte eine Verordnung die Gefngnisse, diees erlaubt, die Angehrigen vor den Besu-chen der Inhaftierten zu lzen und zu durch-suchen. Zufllig betraf diese Verordnungunsere Angehrigen. Das Gefangenenkollek-tiv (EPPK) hat entschieden, diese Schikane

    gegen die Angehrigen nicht zu akzeptieren.Ich habe gerade gelesen, dass am letztenWochenende 120 compaer@s ohne vis avis-Besuch geblieben sind. Ich glaube, wirwerden unsere Familienangehrigen undPartnerInnen eine Zeit lang nicht sehen kn-nen.

    Ocaa, wo die Nacht vier Ecken hat.26.11.2009

    6 gefangenen info januar 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Ausschnitte aus einem Brief desbaskischen Gefangenen Markel Ormazabal

    Schreibt Markel Ormazabal!

    Jon Markel Ormazabal GaztaagaC.P. Ocaa 1

    c/ Mrtires de Ocaa, 445 300 Ocaa (Toledo)Spanien

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #352

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    januar 2010 gefangenen info 7

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    Gefangenen Info: Zu welchem Zeitpunkt undaus welchen Grnden wurde die Organisati-on Etxerat (dt. nach Hause) ins Leben geru-fen?

    Jone: Unser Zusammenschluss ist entstan-den, als wir die Notwendigkeit erkannten,uns als Angehrige der politischen Gefange-nen zu organisieren. Die Angehrigen habensich in den vergangenen dreiig Jahren im-mer schon gegenseitig untersttzt. Doch wirhielten es fr angebracht, ber die Grenzenhinweg einen wirklichen Zusammenhang von

    Angehrigen und FreundInnen aus ganz Eu-skal Herria zu grnden.

    GI: Worin besteht eure politische Arbeit undwelche Ziele verfolgt ihr?

    Jone: Wir untersttzen die Gefangenen undhelfen uns gegenseitig als Angehrige, indemwir Busse zu den Gefngnissen organisieren,Erfahrungen austauschen und uns nanziellunter die Arme greifen. Auerdem fhren wirin vielen Orten in Euskal Herria wchentlicheencarteladas und Kundgebungen durch,whrend der wir die mittlerweile verbotenenFotos der Gefangenen auf die Strae tra-gen. Am wichtigsten ist es jedoch, unsereneingesperrten Angehrigen ein Sprachrohrzu sein, damit die Gesellschaft erfhrt, washinter den Mauern vor sich geht. Wir sind di-rekte ZeugInnen und fordern die Beendigungder Zerstreuungspolitik und der willkrlichen,illegalen Manahmen, die gegen die Gefan-genen angewendet werden.

    GI: Wie beeinusst die zunehmend auch ge-

    gen Solidarittsgruppen gerichtete Repressi-on eure Arbeit?

    Jone: Die stndigen Verfolgungen, Verbote,Strafen und Angriffe erschweren unserealltgliche Arbeit erheblich, doch unsereForderung ist einfach und wir werden wei-termachen, bis unsere Angehrigen undFreundInnen zu Hause sind!

    GI: Kannst du etwas ber die aktuelle Situati-on der Gefangenen sagen?

    Jone: Aufgrund der Krze der Zeit nur soviel:Heute wurde in den baskischen Tageszei-tungen Gara und Berria eine Erklrung desbaskischen Gefangenenkollektivs verffentli-cht, in dem sie eine Reihe von Aktionen, wiez.B. Hungerstreiks, ankndigen, um die An-erkennung des Status als politische Gefan-gene zu fordern.

    GI: Mchtest du abschlieend noch etwassagen?

    Jone: Die Regierungen Spaniens und Frank-reichs verschleiern, was in Euskal Herria, ins-besondere hinsichtlich der politischen Gefan-genen, passiert. Gerade deshalb ist es sehrwichtig fr uns, dass unsere Lebensrealitt inEuropa bekannt wird.Wir danken euch von Herzen fr euer Interes-se und Engagement und senden euch einesolidarische Umarmung aus Euskal Herria.Eskerrik asko Danke!

    Interview, bersetzung und Anmerkungen:Red.

    Interview mitJone Artola Ibarretxe von derAngehrigenorganisation Etxerat

    gefhrt am 4. Januar 2010, Bilbo

    Etxerat-Kundgebung: Wir wollen sie zu Hause!

    Bcher zum politischen Konfikt im Baskenland:

    Josef Lang: Das baskische Labyrinth, 1983, isp-Verlag.Ingo Niebel: Das Baskenland - Geschichte und Gegenwarteines politischen Konikts, 2009, Verlag Promedia.

    Aktuelle Informationen:www.info-baskenland.de, www.euskalherria.indymedia.org (span./bask.),www.gara.net (span./bask.), www.askatu.org (span./bask.)

    01.02.2010 | Berlin | VeranstaltungInternationalistischer AbendSchluss mit der Repression im BaskenlandOrt: Schnarup-Thumby, Scharnweberstr. 38,FHain | Uhrzeit: 20:00 Uhr

    05.02.2010 | Berlin | FilmvorfhrungFreiheit fr das Baskenland!Ort: Lunte, Weisestr. 53,Nhe U-Bhf. Boddinstr. | Uhrzeit: 19:00 UhrBaskische Vok und Film. Gezeigt wird Derpermanente Ausnahmezustand.

    05.02.2010 | Braunschweig | VeranstaltungDer Konikt im BaskenlandOrt: Antifa-Cafe, Cyriaksring 55,38118 Braunschweig | Uhrzeit: 20:00 UhrDetails zur Veranstaltung in Krze beiwww.braunschweig.antifa.net

    06.02.2010 | Dsseldorf | VeranstaltungWoche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandUhrzeit: 19:00 UhrDetails zur Veranstaltung folgen in Krze

    07.02.2010 | Berlin | VeranstaltungWoche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandOrt: CLASH, im Mehringhof, Gneisenaustr. 2aUhrzeit: 17:00 UhrDetails zur Veranstaltung folgen in Krze

    09.02.2010 | Hamburg | VeranstaltungWoche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandUhrzeit: 19:00 UhrDetails zur Veranstaltung folgen in Krze

    10.02.2010 | Hannover | VeranstaltungWoche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandOrt: ujz korn, Kornstr. 28-30, 30167 HannoverUhrzeit: 19:00 UhrDetails zur Veranstaltung folgen in Krze

    11.02.2010 | Berlin | KundgebungWoche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandOrt: vor der Spanische Botschaft,Lichtensteinallee 1 | Uhrzeit: 16:00 UhrProtest- und Solidarittskundgebung

    11.02.2010 | Gieen | Veranstaltung

    Woche der internationalen Solidarittmit dem BaskenlandUhrzeit: 19:00 UhrDetails zur Veranstaltung folgen in Krze

    Details und Informationen unter:www.info-baskenland.de

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #352

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    Wie ihr den letzten Berichten zu den 129b-Prozessen gegen die GenossInnnen aus derDHKP-C entnehmen konntet ist die Krimiali-

    sierung der migrantischen Linken, sowie derMenschen die diese Prozesse verfolgen wei-ter auf dem Vormarsch. Die Prozesse gegenAhmet D. Yksel und Devrim Gler in Stutt-gart Stammheim, sowie der Proze gegenFaruk Ereren laufen weiter. Dazu gibt es dieVerleumdungsklagen gegen das OnlineportalScharf Links und auch gegen uns.

    Der Proze gegen Fa-ruk Ereren begann imneuen Jahr, genaueram 7. Januar, mit einerErklrung des 129b-Gefangenen. Faruk

    stellte die aktuellenVorgnge in der Trkeiin Zusammenhang mitseinen Verfahren undlegte eindeutig dar,dass der 2. Strafsenatdes OLG Dsseldorfsich gemeinsam mit der Bundesanwaltschaftzu Erfllungsgehilfen der trkischen Re-gierung mache. In diesem Zusammenhangwies Faruk auf die neuesten Fakten im UN-Menschenrechtsbericht zur Trkei hin: Vordem Hintergrund politischer Instabilitt undmilitrischer Auseinandersetzungen kam esauch im vergangenen Jahr zu erheblichen

    Menschenrechtsverletzungen. Berichte berFolter und andere Misshandlungen nahmenzu. Auf kritische uerungen reagierten dieBehrden mit Einschchterungs- und Straf-verfolgungsmanahmen. In seinen anschau-lichen Ausfhrungen zur aktuellen Situation

    in der Trkei konnte Faruk dies dann mit kon-kreten Beispielen belegen.

    Seit dem 60. Grndungstag der NATO gibtes in der Trkei massiven Widerstand gegendie westliche Militrallianz. 24 linke Parteien,Gewerkschaften und Menschenrechtsor-ganisationen haben sich zu einem Bndniszusammengeschlossen. In der KampagneAmerika defol wird vor allem die Schlieungdes US-Sttzpunkts Incirlik gefordert. DieserSttzpunkt wird seit Jahrzehnten als Angriffs-

    zentrum gegen dieVlker in der benach-barten Nahostregiongenutzt. 143.000 Sol-daten sollen auf die-sem Militrsttzpunkt

    untergebracht werden,um in Afghanistan ein-gesetzt zu werden.Drei Mitglieder einesJugendvereins in Edir-ne: Harika Kizilkaya,Cevahir Erdem und

    Grbz Snmez, die sich dieser Kampagneangeschlossen haben um die Schlieungdes Militrsttzpunkts zu fordern, wurdenam 19. Dezember ohne rechtliche Grund-lage verhaftet. Dazu sollte mensch wissen,dass in der Trkei tausende Strafverfahrengegen Jugendliche laufen, die angeblich anProtesten gegen die trkischen Behrden

    teilgenommen haben. Im ganzen Land fan-den daraufhin Aktionen zur Solidaritt mit denInhaftierten und aus Protest gegen Polizeige-walt und Angriffe zivilfaschistischer Gruppenauf protestierende Jugendliche statt. Bis zuRedaktionsschlu kam es zu zahlreichen

    Solidaritt organisierenDer Kampf gegen den 129b

    Verletzten und 34 Festnahmen, die teilweisemit Folter in Polizeigewahrsam einhergingen.Faruk bekundete in seiner Prozesserklrungseine Solidaritt mit den willkrlich verhaf-teteten Menschen in der Trkei.

    In einem Brief an GenossInnen drauenmachte Faruk deutlich, dass er mittlerweilenicht nur durch die direkte Androhung ei-ner Verurteilung durch die deutsche Justizbedroht wird, sondern auch durch die An-drohung einer direkten Auslieferung an dieTrkei. Der 3. Strafsenat des OLG Dssel-dorf habe sich, entgegen vorausgehenderAussagen, dazu entschieden Bedingungenfr eine Auslieferung zu gewhrleisten. Farukwrtlich: Was mich erwartet wenn ich in dieTrkei ausgeliefert werden sollte, ist Repres-sion, Folter und Haft bis zum Tod. Der faschi-stische Staat in der Trkei hat eh schon zurSprache gebracht, mich bis zu meinem Todins Gefngnis stecken zu wollen.

    Auerdem nahm er Stellung zur Solidaritts-

    arbeit drauen: Die grte Solidarittsarbeit,die drauen fr mich gefhrt werden kann istohne Zweifel den Klassenkampf gegen Un-recht, Ungerechtigkeit und Repression, frGleichheit und Freiheit zu strken und zu ver-breitern. Dies ist die grte Untersttzung,die uns politischen Gefangenen zukommenkann. Sie besteht darin, die Bedingungenfr eine aktive Teilnahme daran zu gewhr-leisten und uns mitzuteilen, was von uns er-wartet wird. Die Moral und die Widerstands-kraft, die ihr dadurch vermittelt, kann durchnichts ersetzt werden. Darber hinaus stehtan zweiter Stelle, uns ber die Entwicklungeninnerhalb der Linken und deren Diskussionen

    zu informieren und uns die Mglichkeit zu er-ffnen, uns daran zu beteiligen. Drittens: DieRealitt der politischen Gefangenen, ihreHaftbedingungen und welche Bedrohungendiese fr die Zukunft der Bevlkerung dar-stellen und was die intensiven Beziehungenzum Faschismus in der Trkei bedeuten, sobreit wie mglich kundzutun.

    Wir sollten die Stellungnahmen von FarukEreren, die sich auch in weiteren Briefen deranderen 129b-Gefangenen widerspiegeln,als Anreiz nehmen, unsere Arbeit drauen zuintensivieren: Schreibt den Gefangenen, gehtzu den Prozessen, berlegt was ihr darber

    hinaus tun knnt.

    Eine weitere Aufgabe wird darin bestehen,die noch anstehenden Prozesse zu begleitenund die jeweils Angeklagten zu untersttzen.Am 16. Februar wird der Proze um die Ver-leumdungsklage des OLG Dsseldorf gegendas Onlineportal Scharf Links bzw. derenHerausgeberin Edith Bartelmus-Scholich vordem Amtsgericht Krefeld beginnen. Auer-dem soll am 11. oder 12. Mrz 2009 der Pro-ze gegen Cengiz Oban, Ahmet Istanbulluund Nurhan Erdem auch auf der Grundlagedes 129b und zustzlich dem Versto ge-gen das Auenwirtschaftsgesetz ( 34 AWG)

    vor dem OLG Dsseldorf beginnen. Also ach-tet auf weitere Meldungen und Nachrichtenzu den anstehenden Verfahren. (red.)

    Weitere Infos:www.no129.tk

    Die grte Solidarittsarbeit,die drauen fr mich gefhrtwerden kann ist ohneZweifel den Klassenkampfgegen Unrecht, Ungerechtigkeitund Repression, fr Gleichheitund Freiheit zu strkenund zu verbreitern. (...)

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    Liebe Genossinnen und Genossen,liebe Freundinnen und Freunde,

    Solidaritt zu fordern und Solidaritt zu be-

    kommen ist zweierlei - und bekommen habenwir eine ganze Menge. Fr manche htte esin einzelnen Phasen auch noch etwas mehrsein knnen, angesichts der ursprnglich for-mulierten Anklage sind wir in der Rckschaumit dem Erreichten aber sehr zufrieden. Des-halb : Danke!Am 16.10.2009 fand die Urteilsverkndungim mg-Prozess statt. Mit 3 1/2 Jahren Haft frAxel und Oliver und 3 Jahren fr Florian folgtedas Gericht den Urteilsforderungen und denBegrndungen der Staatsanwaltschaft, ohneauch nur eine Intervention der Verteidigungzu bercksichtigen.Dieses Urteil ist aber noch nicht rechtskrftig.

    Nach der unmittelbaren Revisionsan-kndi-gung der Verteidigung bei Gericht warten dieAngeklagten und Ihre Verteidi-gerInnen aufdas schriftliche Urteil, das gegen Ende Janu-ar erwartet wird.Die Verteidigung bekommt nach Zugang des

    Urteils 4 Wochen Zeit fr Ihre Revisions-be-grndung, fr die gerichtliche Prfung diesesSchreibens hat das Gericht dann mehrereMonate. Bis zu dieser Entscheidung bleiben

    Axel, Florian und Oliver unter wchentlichenMeldeauagen in Freiheit.Das Einstellungsbndnis ist seit der Ur-teilsverkndung weiterhin aktiv. Nach einerkurzen Verschnaufpause sind wir mit derAuswertung des Prozesses und der damitverbundenen Ereignisse beschftigt und ar-beiten noch an einer Abschluss-Ausgabe derProzess-Zeitung Ende einer Dienstfahrt.Wir mchten uns an dieser Stelle auch nocheinmal herzlich fr die solidarische Unterstt-zung von den vielen Gruppen und Einzel-personen bedanken, ohne die unsere Arbeitnicht mglich gewesen wre.Vielen Dank an alle Anwltinnen und Anwl-

    te, die unter widrigen Umstnden eine her-vorragende Arbeit gemacht haben - fr alleBeschuldigten und deren Umfeld. Ebenfallsdanken mchten wir dem Ermittlungsaus-schu, der durch seine Arbeit die Positionaller potenziellen ZeugInnen in diesem Ver-

    fahren sehr gestrkt hat. Die tatkrftige Un-

    tersttzung durch die Rote Hilfe soll in die-sem Zusammenhang auch nicht unerwhntbleiben.Ein besonderer Dank gebhrt aber vor allemden vielen unsichtbar gebliebenen Unterstt-zerInnen, die mit Veranstaltungen und Soli-Parties unsere Arbeit ergnzt und weiterge-tragen haben. In diesem Zusammenhangnoch einmal ein ausdrckliches Dankeschnan die vielen Bands und sonstige Beteiligtebei der Herstellung des Soli-Samplers Outof Control, die die Angeklagten und uns mitSolidaritt in ganz praktischer Form bedachthaben.Jenseits dieses Prozesses wurde aus un-

    serer Sicht einiges erreicht. Nicht nur ver-mehren sich weiterhin die Stimmen gegendeutsche Kriegsambitionen - insgesamt hatder antimilitaristische Widerstand an Kraftgewonnen. Dabei haben militante Interventi-onen gegen den Krieg die ffentlichkeit undauch eher pazistisch orientierte Kreise er-reicht und nden unserer Einschtzung nachmittlerweile auch mehr Akzeptanz.ber den Prozess sind Menschen engermiteinander in Kontakt gekommen, die sichteilweise kannten, aber nicht zusammenge-arbeitet haben oder sich im Kontext des Pro-zesss kennen und schtzen gelernt haben.Trotz aller Bitternis ber die unverschmten

    Urteile hat diese schwierige lange Periodedazu gefhrt, dass wir auf dieser Grundlagegemeinsam auch morgen wieder kraftvoll zu-beien knnen ...

    Euer Einstellungsbndnis

    Eure Untersttzungist nicht unsichtbargeblieben...

    www.einstellung.so36.net

    Mit einer Presseerklrung vom 18. Januar2010 forderte die FlchtlingshilfsorganisationPRO ASYL das OLG Stuttgart dazu auf, dieVernehmung des Vorsitzenden einer Istanbu-ler Antiterrorabteilung einzustellen.In dem 129b-Verfahren, das gegen AhmetDzgn Yksel und Devrim Gler wegenvermeintlicher Mitgliedschaft in der DHKP-C fortgesetzt wird, war jener Vorsitzende,Serdar Bayraktutan, bereits einmal angehrtworden, was durch Recherchen seitens derVerteidigung bezglich seiner anhngigenFolterverfahren in der Trkei aber abgebro-

    chen wurde.Was wir damals als einen kleinen Teilerfolgwerteten, scheint nun wieder hinfllig zu wer-den, da sich der Senat nicht davor zu scheu-en scheint, diesen Folterer erneut anhren zuwollen.PRO ASYL verfasste aufgrund dieser Ent-wicklung eine Presseerklrung mit der ber-schrift Deutsche Justiz darf Folter nicht le-gitimieren und protestierte somit gegen dasVorgehen des OLG Stuttgart. In der Erkl-rung heit es:

    In der am heutigen Tage vor dem Oberlan-desgericht Stuttgart (OLG) stattndendenHauptverhandlung gegen zwei mutmalicheMitglieder der verbotenen trkischen Orga-nisation DHKP-C ist der Leiter der Anti-Ter-ror-Abteilung der Polizei Istanbul als Zeugegeladen. Damit soll der Leiter derjenigenpolitischen Abteilung der Polizei vernom-men werden, die regelmig Folter als Mit-tel gegen politische Widersacher anwendet.Von dieser Faktenlage ausgehend wird inDeutschland politischen Flchtlingen aus derTrkei auch heute noch Asyl zugesprochen,

    wenn ihnen wegen berstellung an diese Ab-

    teilung Folter droht (z.B. Urteil des VGH Hes-sen vom 29.4.2009, Az. 4 A 676/07.A).Gegen einen frheren Versuch, den tr-kischen Leiter der Antiterror-Einheit als Zeu-gen zu vernehmen, hatten die Verteidiger derAngeklagten heftigen Widerspruch eingelegt.Sie wollten die Akten der Ermittlungsverfah-ren gegen den geladenen Zeugen beiziehenlassen und drngten auf Aufklrung ber des-sen Verstrickungen in Folterpraktiken. NachAngaben trkischer Anwlte wurden gegen

    den Geladenen mehrere Strafanzeigen we-gen Folter gestellt. Trotz der Foltervorwrfehat das OLG Stuttgart den trkischen Zeu-gen - unter Mitwirkung des Bundeskriminal-amtes - heute erneut geladen.Eine Abschpfung von unter Folter zustan-de gekommenen Informationen darf es ineinem Rechtsstaat nicht geben, erklrte amMontag Marei Pelzer, rechtspolitische Refe-rentin von PRO ASYL. Die deutsche Justizdrfe Folter nicht legitimieren, indem sie frFolter Verantwortliche als Zeugen anhre. Eshandele sich um Frchte eines vergiftetenBaumes, die in einem Rechtsstaat nicht ge-erntet werden drfen.PRO ASYL fordert das OLG Stuttgart auf, dieVernehmung des trkischen Zeugen umge-hend einzustellen. (...)

    Neben dem Prozess in Stuttgart-Stammheimist der 129b-Prozess in Dsseldorf gegenFaruk Ereren ebenfalls ein Beispiel dafr,dass versucht wird, Folteraussagen als gl-tiges Beweismaterial an deutschen Gerich-

    ten salonfhig zu machen. Den restriktivenManahmen wie die praktizierte Isolations-haft gegen die Gefangenen, die Unterbin-dung ihrer medizinischen Behandlung - wieaktuell die Unterbindung der Behandlung derSpeiserhre- und Magenerkrankungen A. D.Yksels wegen angeblicher Sicherheitsma-nahmen - oder den Kontaktsperren und derZensur muss sich entschieden entgegenge-stellt werden. (red.)

    Weitere Infos:www.no129.tk

    Frchte einesvergifteten Baumes

    PRO ASYL fordert das OLG Stuttgart dazu auf,die Vernehmung von Folterern einzustellen.

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    Genau fnf Jahre nach dem grausamenFeuertod von Oury Jalloh kommt wieder Be-wegung in den Fall: Der Bundesgerichtshof

    (BGH) entschied am 7. Januar 2010 dassdas Verfahren vor dem Landgericht Mag-deburg wieder neu aufgerollt werden muss.Oury Jalloh war vor dem Brgerkrieg in Si-erra Leone nach Deutschland geohen undverbrannte lebendig in einer Polizeiwache inDessau. In dem rassistisch geprgten Klimader Stadt bildet sein Tod einen traurigen H-hepunkt.Unter dem Vorwand unzureichender Bewei-se lehnte das Landgericht Dessau ein Ge-richtsverfahren gegen die verantwortlichenPolizisten ab. Erst das Durchhaltevermgenund der massive Protest der Initiative inGedenken an Oury Jalloh erzwangen die

    Erffnung eines Prozesses. Doch die in dasGerichtsverfahren gesetzten Hoffnungenverogen schnell: das Landgericht Dessauermittelte nie wegen Mord sondern gingtrotz anderer Hinweise immer von einerSelbstmordversion aus. Nur wenige Jahrezuvor starb in dieser Polizeiwache unter Auf-sicht des gleichen Polizisten Andreas S. eineobdachlose Person an Kopfverletzungen. InTonbandprotokollen lsst sich nachweisen,dass Andreas S. gerne mal rassistischeWitze am Telefon machte. Alles Zufall? DerKorpsgeist der Dessauer Polizei, welchervom Landgericht hilos akzeptiert wurde,das Verschwinden zentraler Beweisstcke

    wie der Handschelle, mit der Ourys rechteHand gefesselt wurde, und die zunchst nuroberchlich durchgefhrte Obduktion amLeichnam Ourys, fegten bei den Prozessbe-obachterInnen schnell die letzten Reste vonVertrauen in die Rechtsstaatlichkeit weg.

    Nachdem sein Tod in Polizeigewahrsamlange Zeit in der brgerlichen Presse totge-schwiegen wurde, schlug der Fall zunehmen

    hhere Wellen und wurde einer breiterenffentlichkeit bekannt. Sein Fall wurde auchvon den groen Tageszeitungen aufgegriffen,mehrere Dokus und ein Film wurden verf-fentlicht. Mouctar Bah, die treibende Kraft inder Initiative Oury Jalloh, wurde mit einemMenschenrechtspreis ausgezeichnet. Exakteinen Tag vor der Verlesung beim BGH inKarlsruhe, erhielt Mouctar Bah Besuch vonder Dessauer Polizei. Sein Internetcaf wur-de ohne Durchsuchungsbeschluss mehrereStunden lang erfolglos nach Betubungsmit-teln durchsucht. Die extralegale Aktion darfals weiterer Einschchterungs- und Diffamie-rungsversuch verstanden werden.

    Die Entscheidung des BGH und die Wieder-aufnahme des Prozesses vor dem Landge-richt Magdeburg nhren die Hoffnung, dassdie verantwortlichen Beamten doch noch ju-ristisch belangt werden knnten. Doch dazumuss die ffentlichkeitsarbeit und der Protestauf der Strae weiter organisiert werden! Nurauf politischen Druck hin wurde das Verfah-ren wieder aufgenommen, deswegen mussdieser Druck auch weiter aufrecht erhaltenwerden. Die Initiative Oury Jalloh arbeitetderzeit an der Bildung einer internationalenUntersuchungskommission, welche die To-desursachen Oury Jallohs und das DessauerGerichtsverfahren unabhngig untersuchen

    soll. Mit der Untersuchungskommission sollein Przedenzfall geschaffen werden auchfr andere Flle tdlicher Polizeigewalt ge-gen Menschen nichtdeutscher Herkunft, diebis heute ungeklrt sind! (red.)

    Auszug aus der Presseerklrungder Initiative Oury Jalloh zur Demoam 7. Januar 2010:

    Oury Jalloh wurde am Morgen des 7. Janu-ar 2005 von der Dessauer Polizei aufgegrif-fen, in der Zelle Nr. 5 an Hnden und Fengefesselt, an Wand und Boden gekettet unddadurch gezwungen, auf einer feuerfestenMatratze zu liegen, auf der er kurz nach Mit-tag lebendig verbrannte. Die Black Commu-nity in Dessau forderte eine Untersuchungder Todesumstnde Oury Jallohs: Wie kannes mglich sein, dass sich ein an Hndenund Fen gefesselter Mensch selbst an-zndet, obwohl sich die Matratze nicht ohneHilfsmittel anznden lsst?

    Wir fordern: Aufklrung, Gerechtigkeit undEntschdigung

    Obwohl in der zweiten, unabhngig durchge-fhrten Obduktion im Gegensatz zur ersten

    Verletzungen am Krper, wie z.B. die ge-

    brochene Nase und das verletzte Trommel-

    fell, gefunden wurden, schloss das Landge-richt Dessau die Akte, unter dem Vorwandunzureichender Beweise, und lehnte ein Ge-richtsverfahren ab. Durch starkes Durchhal-tevermgen und Widerstand der Initiative inGedenken an Oury Jalloh, der African/ BlackCommunities sowie vieler verschiedenerMenschen, wurde der Prozess am 27. Mrz2007 erffnet, um den Widersprchen undUngereimtheiten in diesem Fall zu begegnen.Wie konnten eine Handfessel und ein Videovom Tatort whrend der Ermittlungen einfachverschwinden?

    Oury Jalloh Das war Mord!

    Die zwei Angeklagten Andreas S. und HansUlrich M. wurden am 8. Dezember 2008freigesprochen. Nach dem Prozess betonteRichter Manfred Steinhoff zwar, dass dieDessauer Polizei geschlampt hat und dieFalschaussagen der Beamten () demLand Sachsen-Anhalt schaden wrden,whrend des gesamten Prozesses unter-nahm er dagegen jedoch nichts. Ein Aktivistmeint dazu: Es war das Abscheulichste, waswir hier gesehen hatten. Der Mord an OuryJalloh zeigte uns, dass unsere Kinder mor-gen hier nicht mehr sicher sein werden. Er

    ffnete uns die Augen und machte und dieDringlichkeit unserer Aktivitten klar.

    Kontakt & weitere Infos:www.initiativeouryjalloh.wordpress.com

    www.thecaravan.orgwww.thevoiceforum.org

    Break the Silence!Gerechtigkeit fr Oury Jalloh!

    Der Kampf um Gerechtigkeit fr Oury undandere Opfer rassistischer Polizeigewalt darfnicht am Geld scheitern! Spendet an:

    The VOICE e. V.Sparkasse GttingenKtonr.: 127 829BLZ: 260 500 01Stichwort: Oury Jalloh

    Spenden

    Fotos: Umbruch Bildarchiv

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Ich suche im Dunkelneinen Bezugspunkt in der Zeit.(Sada Menebhi) (1)

    Es ist immer etwas fragwrdig, die Privatpostvon Verstorbenen zu verffentlichen, nochdazu die persnlichen Briefe aus dem Knast.Briefe also, die unter einer gewissen Kompli-zenschaft zustandegekommen sind, um dieZensur zu umsegeln, und die, wenn sie ohnediese Komplizenschaft gelesen werden, dazuneigen, als voyeuristisch pervertierter Intim-kitsch konsumiert zu werden.

    Im Aufbruch der 60er Jahre wurde das Per-

    snliche als politisch begriffen, damit abernicht zugleich als ffentlich. Auch wenn einesolche Spieer-Interpretation zu den b-lichen Flschungen der 68er Geschichts-schreibung gehrt. Das Privatleben als Teilder politischen Praxis zu begreifen, schlietkeineswegs aus, da es noch sowas wie In-timitt gibt, und die politische Praxis selbstmuss ja nicht immer ffentlich sein. Es hatseit Mitte der 60er Jahre nicht wenige ge-geben, die das so verstanden und danachgelebt haben. Das legale Land ist nicht daswirkliche Land, sagte schon Gramsci, aberanscheinend muss das alles erst wieder aufs

    neue entdeckt werden.Felix Ensslin, jedenfalls, hat vor kurzem dieBriefe seiner Eltern, Gudrun Ensslin undBernward Vesper, zur Verffentlichung frei-gegeben. In der Hoffnung da sie, wie ersagt, in die Zwangslugkeit der groenErzhlmaschine, wonach alles immer schonauf den Tod, den Mord, den Selbstmord hi-nausluft, ein wenig Sand zu werfen helfen.Auszge aus dem Briefwechsel waren schonvor sieben Jahren vermarktet worden, ineinem Buch das nur so strotzt von zynisch-geilen Geschichtsklitterungen: KoenensVesper Ensslin Baader, Urszenen des deut-schen Terrorismus das bald auch als Film in

    die Kinos kommen soll. Nun liegt die kom-plette Korrespondenz also in einem eher un-aufflligen aber grndlich annotierten Bnd-chen der edition suhrkamp vor, mit einemTitel, den ich nur als Trash bezeichnen kann.Vesper selbst hat ihn - als die berschrift ei-ner Mappe - makaber genannt. (2)Wie schon in einem frheren Sammelband(3), ist an den Briefen selbst nichts auszu-setzen. Da sprechen halt welche, so wiesie waren und wie sie sich entwickelten, miteinem grandiosen Sinn fr Stil, einem hohenWissensstand, und sich ganz und gar ihrerWidersprche bewut. Was auffllt, ist wiedie Rezensenten in den Medien auf solche

    Werke reagieren. Da werden aus denen, diesonst nur als Monster dargestellt werden,ganz pltzlich menschliche Wesen, wirddie Vorgeschichte der RAF demystiziert,obschon Koenen selbst sich da schon in derVorhlle der RAF whnt.

    Mich erinnert das an die Verffentlichung derBriefe von Rosa Luxemburg aus dem Knast.Da wo sie fr lange Zeit als die blutige Rosa(und schlimmer) rmiert hatte, entstand aufeinmal eine nette Frau, die sich um ihre Kat-ze kmmerte, eine Person, der damit aberzugleich auch ihrem politischen Bemhendas Genick gebrochen werden sollte. Be-zeichnend ist, da so eine Quellenausgabeim Verlagswesen dieses Landes immer nochnur mglich zu sein scheint, wenn es die indi-viduellen Personen betrifft und nicht den kol-lektiven Zusammenhang, aus dem sie im Ge-

    triebe der groen Erzhlmaschine immerwieder rausgerissen werden. Aber darumgeht es immer wieder: die Zusammenhngeherstellen, in einem System das davon lebt,sie zu verneinen. Oder wie Gudrun einmalschrieb: Kontinuitt bedeutet, eine qulendeWirklichkeit, das Schema der Bezahlung undSchuld, die Psychologie der Macht so oft undsolange zu brechen, bis wir Menschen sind,strker als sie. (4)In dem jetzt verffentlichten Briefwechselzwischen Gudrun Ensslin und Bernward Ves-per sind die einzelnen Briefe schn und stark.Wenn die Lektre dieser Zusammenstellungaber nicht nur Konsum bleiben soll, kann

    sie nicht isoliert, aus dem Zusammenhangund der Dialektik der weiteren Geschichte,betrachtet werden. So zeigen die Briefe Gu-drun als die, die sie war - damals, nachher,bis zu ihrem Tod. Und den Vesper auch nichtals den hirnverbrannten Ausgeippten, wiemanche ihn gerne darstellen, sondern alseinen linken Intellektuellen, der keine Mhegescheut hat, sich und andere in ihrer poli-tischen Entwicklung weiterzubringen.Eindringen in die Privacy oder Sand im Ge-triebe - das hngt jetzt von dir ab, lieber Le -ser, liebe Leserin.

    (1) Politische Gefangene in Casablanca, Marokko, am

    11.12.1977 in einem kollektiven Hungerstreik gestor-

    ben.(2) Gudrun Ensslin, Bernward Vesper, Notstandsge-setze von Deiner Hand - Briefe 1968/1969, SuhrkampVerlag, Frankfurt 2009(3) Gudrun Ensslin, Zieht den Trennungsstrich, jedeMinute, Briefe, Konkret Literatur Verlag 2005(4) Gudrun Ensslin, September 1976, in: Pieter Her-man Bakker Schut, das info, Neuer Malik Verlag 1987,S. 290 (www.labourhistory.net/raf/0019770000_02)

    Sand im Getriebeder Meinungsmacher?Zur Verffentlichung des Briefwechselszwischen Gudrun Ensslin und Bernward Vesper

    Zum Autor des Textes: Ron Augustin, Nieder-lnder, war seit 1971 in der RAF organisiert. Ronwurde am 23.07.1973 bei seiner Einreise in dieBundesrepublik im Zug festgenommen. Verurteiltwurde er (Proze 1975 in Lneburg) wegen Mit-gliedschaft in der Roten-Armee-Fraktion u.a. Er

    wurde zu 6 Jahren Haft verurteilt. Desweiterenerhielt er eine 6-monatige Beugehaft, die erwegen Aussageverweigerung im Proze gegenAndreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhofund Jan-Carl Raspe erhielt, plus weiterer Ord-nungsstrafen aus seinem eigenen Proze. (red.)

    von Ron Augustin

    Berlin: Am 29. Dezember2009 wurde Tobias P. nach42 Tagen aus der U-Haftentlassen. Er soll versuchthaben Autos anzuzndenund wurde von Bullen inZivil festgenommen. Trotz

    Aufhebung der U-Haft wer-den ihm aus ermittlungs-taktischen Grnden immer noch 76 Post-sendungen vorenthalten. Briefe an ihn in denKnast wurden kopiert, beschlagnahmt oderverzgert an die Absender zurck geschickt.Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Be-schwerde gegen die Aufhebung des Haftbe-fehls eingelegt. (red.) Weitere Infos: http://freiheitfuertobias.tk

    Dresden/Berlin: Am 19.Januar 2010 wurden im Zu-sammenhang mit der Mobili-sierung gegen den Naziauf-

    marsch am 13. Februar2010in Dresen mehrere Haus-durchsuchungen gemacht.Betroffen waren der linkeBerliner Laden Red Stuff

    sowie die Dresdner Landesgeschftsstelleder Partei die Linke. Es wurden Rechnerund smtliches Mobilisierungsmaterial mit-genommen. Die Aktion richtete sich sowohlgegen das bundesweite Antifabndnis NoPasaran als auch gegen das zivilgesell-schaftliche Bndnis Dresden-Nazifrei. (red.)

    Berlin: Das Bro fr Anti-militaristische Manahmen

    (BamM) und der BerlinerLandesverband der DKG-VK wurden wegen ihrerTag Y-Kampagne u. a.vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktionund dem Deutsche Bundes-

    wehrverband angezeigt. Sie rufen dazu auf,den Tod gefallener Soldaten mit einem Sek-tumtrunk am Bendlerblock, dem Ehrenmalder Bundeswehr, zu feiern. Die entsetztenReaktionen in der brgerlichen Presse habender Aktion zu einiges mehr an Bekanntheitverholfen. (red.) Siehe: www.bamm.de

    Stuttgart: Am 11. Dezem-ber 2009 wurden Gkhan A.und mit B., zwei kurdischeGenossen, die seit Jahrenpolitisch aktiv sind, festge-nommen. Sie sitzen seitdemin der JVA Stuttgart-Stamm-heim in Untersuchungshaft.Der Vorwurf lautet auf ru-

    berische Erpressung, wobei der einzige Be-weis hierfr ein Telefongesprch sein soll. DieInhaftierung der beiden Genossen muss trotzder unpolitischen Vorwrfe im Kontext einerkontinuierlichen Repression der die migran-

    tische Linke ausgesetzt ist, gesehen werdenund reiht sich ein in die zahlreichen Krimina-lisierungsversuchen von migrantischen poli-tischen AktivistInnen. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #352

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    12 gefangenen info januar 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Trkei: Justiz des 12. SeptemberNach 29 Jahren wurde am 15. Dezember 2009 der politische Prozessgegen die Devrimci Sol mit 39 lebenslnglichen Haftstrafen zu Ende gebracht.

    Der Devrimci Sol-Hauptprozess, der wh-rend der faschistischen Herrschaft der Mili-trjunta unter General Kenan Evren vor dem1. Militr-Notstandsgericht eingeleitet wor-den war, endete nach 29 Jahren vor dem 1.Schwurgericht von skdar/Istanbul mit 39lebenslnglichen Haftstrafen, 139 Freispr-chen und 999 Einstellungen der Verfahrenwegen Verjhrung. Die lebenslnglichen

    Urteile wurden gegen die Angeklagten H-seyin Solgun, Murat Karabulut, Turul z-bek, Mehmet Mustafa Dalkran, Celal AbbasLeanolu, Alian Yaln, Hseyin Hamiakir zsomar, Vehbi Ersan, Yaar Yavuz,Hseyin Albayrak, Mahmut Alp, Kenan Mo-tor, Uur Tuncel, Mustafa Kadir Gl, SelahOdaba, lyas Ardu, Hasan Bekta, ErdalKetenci, emdin imir, zer etin enyurt,aban Ta, Mehmet Doan, Mehmet nal,Cenap zek, Abdlaziz Demirayak, Hac Ra-mazan Ik, Selahi Kayadibi, Mehmet Koca,Orhan Avc, Mustafa Kamil Uzuner, ErsinTezcanl, Emrullah etin, Mehmet Kl,Namk Kemal Cibarolu, Cemal Can, EkremKl, Sleyman zcan Bulgu, Aydn Akgzund Fikret Glbahar verhngt. Das Gerichtstellte darber hinaus das Verfahren gegenden Devrimci Sol-Generalsekretr DursunKarata ein, der 15 Monate zuvor in den Nie-derlanden ums Leben gekommen war.

    Aber nicht nur das Militrgericht klagtean, auch die Devrimci Sol

    Die kommunistische Devrimci Sol (Revo-lutionre Linke), die sich 1994 als DHKP-C(Revolutionre Volksbefreiungspartei-Front)konstituierte, gehrte zu jenen Organisati-

    onen, die ihre Wurzeln im Aufbruch der 68erhatte und bis zum Putsch mitunter die spek-takulrsten Aktionen durchfhrte. Insbeson-dere der faschistische Terror, der sich imMassaker vom 1. Mai 1977 in Istanbul, imMassaker in Kahramanmaras und in den Er-

    mordungen zahlreicher linker AktivistInnenzeigte, war ein zenrales Interventionsfeld derDevrimci Sol. Im Rahmen ihrer antifaschi-stischen Kampagnen erschossen Stadtgue-rilleros der Devrimci Sol 1980 den fhrendenMHP (Partei der nationalen Bewegung; auchbekannt als Graue Wlfe)-Funktionr GnSazak und ebenfalls 1980 den ehemaligenPremierminister Nihat Erim, den die Devrim-

    ci Sol fr die Hinrichtung von drei Revolutio-nren im Jahre 1972 verantwortlich machte.Als der politische Prozess gegen die 1243Mitglieder der Devrimci Sol im Jahr 1982begann, war die Militrjunta bereits seit rundeinem Jahr an der Macht. Der Putsch, der mittatkrftiger Untersttzung der NATO am 12.September 1980 durchgefhrt worden war,hatte binnen krzester Zeit zu ber 650.000Festnahmen, hunderten Foltermorden,extralegalen Hinrichtungen und Verbotenvon Parteien, Gewerkschaften und demo-kratischen Massenorganisationen gefhrt.Whrend die Anklage des Militrgerichts aufTerrorismusvorwrfen basierte, verfasstendie Gefangenen aus der Devrimci Sol eine1.700 Seiten umfassende Verteidigungs-rede mit dem Titel Wir sind im Recht - Wirwerden siegen. In dieser Verteidigungsredeklagten die Angeklagten ihrerseits die Mili-trjunta und die Elite der Herrschenden we-gen Kollaboration mit der imperialistischenAggression und der Ausbeutung der Vlkerder Trkei an. Die Verteidigungsschrift, dieauch als Devrimci Sol Manifest interpretiertwird, enthielt darber hinaus analytische undstrategische Positionen, die eine Vertiefungund Weiterentwicklung der politischen Linieder 1972 zerschlagenen THKP-C (Volksbe-

    freiungspartei-Front der Trkei) darstellendrften.

    Gefangenenkmpfe und Hungerstreiks

    Das Gesicht der Junta zeigte sich allerdings

    nicht nur auf den Straen, sondern auch inden Knsten, die militrisch gefhrt wurden.Von den 650.000 Festgenommen, bekamen210.000 einen Strafprozess, fr 7.000 wur-de die Todesstrafe gefordert, von denen 49verhngt wurden. Neben den ber 300 un-geklrten Todesfllen wurden 171 durch Fol-ter ermordert. 16 Menschen starben auf derFlucht, 95 bei Auseinandersetzungen, von

    43 Menschen wurde behauptet, Selbstmordbegangen zu haben und 14 Menschen star-ben bei Hungerstreiks. Auch die Gefangenenaus der Devrimci Sol beteiligten sich am Wi-derstand in den Knsten und initiierten 1984gemeinsam mit dem Gefangenenkollektivder TIKB (Revolutionre KommunistischeEinheit der Trkei) ein Todesfasten gegenFolter und die symbolische Gefngnisklei-dung, die die revolutionren Gefangenenablehnten. Vier Menschen starben bei demTodesfasten.

    Das Recht der Militrjunta wurdegesprochen

    Der 29 Jahre dauernde politische Prozess,der in diesem Umfang wohl eher selten seindrfte, dokumentiert die Geschichte derTrkei, die sich nicht aus den Fngen derUnterdrckung befreien konnte. Das Militr,das 1983 freie Wahlen zulie, schaffte sichvor Abtritt mit dem MGK (Nationaler Sicher-heitsrat) ein Instrument, welches dem Militrdie Fhrungsfunktion innerhalb des Staatesgarantiert.Die Mitglieder der Devrimci Sol wurden imSinne der Anklagen zwar verurteilt, aberdie Verantwortlichen fr die Folter und die

    Morde, die vor, whrend und nach demPutsch von faschistischen Gruppierungen,der Polizei, dem Militr und durch die Kon-terguerilla verbt wurden und werden, blie-ben und bleiben ungestraft. (red.)

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #352

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    Trkei/Edirne: Die seitmehreren Monaten laufen-de Kampagne AmerikaVerschwinde, dieses Landgehrt uns, bei der vorallem die Schlieung desUS-Sttzpunkts Incirlik ge-

    fordert wird, sieht sich mitstndiger Polizeirepressionkonfrontiert. Dutzende Menschen wurden beiPlakat- und Unterschriftenaktionen festge-nommen und misshandelt. In Edirne sind fnfJugendliche seit dem 19. Dezember bzw. 27.Dezember 2009 ohne rechtliche Grundlage inHaft, in Erzincan wurden weitere 11 Jugend-liche und auch in Kars 16 Personen in Haftgenommen. (red.)

    Frankreich/Vincennes:Am 25., 26., und 27. Januar2010 werden zehn Hftlingedes Internierungslagers

    Vincennes vor Gericht ste-hen. In Vincennes gab esim Frhjahr 2009 mehrereRevolten. Als am 21. Januar2009 ein Abschiebehftling

    aufgrund mangelnder Frsorge starb, wurdeam nchsten Tag das Gefngnis in Brandgesteckt. Die Angeklagten wurden wegenBrandstiftung und Angriffen auf die Polizistenin Prventivhaft genommen. Auerhalb derMauern wurde neben zahlreichen militantenAngriffen ab dem 16. Januar 2010 eine Soli-darittswoche organisiert. (red.)

    Trkei/Ankara: Am 06.

    Januar 2010 fand in Anka-ra eine antimilitaristischePressekonferenz auf offenerStrae statt. Sie erklrtesich solidarisch mit demWehrdienstverweigerer En-ver Aydemir, der sich zurZeit im Hungerstreik ben-

    det, nachdem er in Istanbul verhaftet wurdeund mehrfach Folterungen ausgesetzt war.Im Anschluss griff die Polizei die Teilneh-merInnen an und verhaftete 23 Personen.Der Anarchist Volkan ist immer noch in Haft,weil er mageblich an der Planung der Pres-sekonferenz beteiligt gewesen sei und an-geblich eine Schusswaffe dabei hatte vonder aber jede Spur fehlt. (red.)

    Kolumbien: In der erstenJanuarwoche wurde dieOffensive gegen die FARCverstrkt und 2 Basen mit200 Personen angegriffen.Dabei starben 25 Gueril-lakmpfer der FARC und13 wurden festgenommen.Sechs weitere Guerilla-

    kmpfer wurden bei einer Schieerei mit ko-lumbianischen Spezialeinheiten der Armee

    gettet. Unter ihnen war der zweite Komman-

    dant der 51. Front, Eliseo Mancilla Garces.Drei weitere Guerilleros wurden von der TaskForce Omega (Bild) etwa 250km sdlich vonBogota gefangen genommen. (red.)

    januar 2010 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Die relative Ruhe, die es whrend einesganzen Jahres um die Gefangenen aus Ac-tion directe gab, hat gezeigt, dass sich ohneBewegung auerhalb des Knastes fr dieGefangenen nichts tut, bzw. sich ihre Situa-

    tion stetig verschlechtert.Seit November 2009 nden sich in verschie-denen Veranstaltungen, Arbeitstreffen undVersammlungen wieder verstrkt Militante /AktivistInnen zusammen, um eine neue Kam-pagne fr die Freilassung der Gefangenen zustarten.Georges Cipriani und Jean-Marc Rouillansind seit Februar 87 im Gefngnis. Sie wur-den gemeinsam mit Jolle Aubron und Na-thalie Mnigon als Militante aus Action di-recte verhaftet.Action directe war eine Organisation, diesich in den 80er Jahren fr den bewaffnetenKampf in Westeuropa entschieden hat. AbMai 1979 organisierte Action directe Angriffegegen Einrichtungen, an denen politischeEntscheidungen des Staates gefllt wurden.85/86 fhrte AD unter anderem die Ope-rationen gegen den Verantwortlichen desfranzsischen Staates fr Waffenhandel (Ge-neral Audran) und gegen den Renault-Chef(Georges Besse) durch, der die treibendeKraft fr industrielle Umstrukturierungen undMassenentlassungen war.Die vier von AD wurden zu lebenslnglich mit18 Jahren Mindesthaftdauer verurteilt. Dievom Staat an ihnen praktizierte Sonderbe-handlung - Trakt, Isolationsfolter, Verhinde-

    rung bzw. Beschneidung der Kontakte undder Kommunikation nach innen wie nachauen - zielte auf ihre psychische und phy-sische Vernichtung.Nach 17 Knastjahren wurde bei Jolle Au-bron eine vorangeschrittene Krebserkran-kung festgestellt.Die Mobilisierung fhrte zu ihrer Haftausset-zung im Juni 2004. Jolle starb am 1. Mrz2006.Nach den 18 Jahren Mindesthaft wurdedie Mobilisierung fr die Freilassung vonGeorges Cipriani, Nathalie Mnigon undJean-Marc Rouillan verstrkt. Pressearbeit,ffentliche Aktionen, Veranstaltungen, Soli-

    darittskonzerte, Kundgebungen und andereSolidarittsaktionen machten die Freilassungder Gefangenen aus Action directe in der f-fentlichkeit zum Thema.Nach ber 20 Jahren Haft erhielten NathalieMnigon und Jean-Marc Rouillan endlich of-

    fenen Vollzug. Die damit verbundenen Auf-lagen enthielten das Verbot, sich ffentlichzu ihrer Geschichte und zu den politischenZusammenhngen zu uern, wegen derersie verurteilt worden waren.Jean-Marc hat ein Interview gegeben. Des-wegen wurde ihm der offene Vollzug wiedergestrichen.Georges Cipriani ist im Gefngnis von Ensis-heim im Elsa inhaftiert. Sein letzter Antragauf offenen Vollzug wurde in der letztenInstanz u.a. mit der Begrndung abgelehnt,dass er sich politisch uert und immer nochals Gefangener aus Action directe unter-schreibt. Weiterhin wurde ihm vorgeworfen,dass er keine Reue zeigt und dass er kei-

    nerlei Fortschritt in Bezug auf seine Einstel-

    lung hinsichtlich der Legitimitt des Kampfesgegen den Kapitalismus, den Action directein den 80er Jahren fhrte, gemacht hat. Erist der einzige Gefangene aus AD, der nachber 22 Jahren Haft noch keinen Tag drau-en war. Ende September 2009 hat er einenneuen Antrag gestellt, der bis Ende April2010 geprft werden soll.Wenige Monate nach Streichung des of-fenen Vollzugs verschlechterte sich Jean-Marc Rouillans Gesundheitszustand besorg-niserregend. Die Knastverwaltung wartetebis zum letzten Moment mit einer Noteinwei-sung ins Krankenhaus. Eine schwere, voran-

    schreitende Erkrankung (Chester-Erdheim)wurde diagnostiziert.Nach Aussagen medizinischer Expertenmuss diese Krankheit behandelt werden, be-vor es zu einem neuen Schub kommt. Einesolche Behandlung ist mit der Haft nicht zuvereinbaren.Trotzdem wurde Jean-Marc in den Knast zu-rckverlegt und wird nicht behandelt.Staatsanwlte haben ihm als Vorbedingungfr eine eventuelle Haftverschonung nahegelegt, sich von der Geschichte von ActionDirecte zu distanzieren und Reue zu zeigen.Der Staat nimmt somit seinen Tod in Kauf.

    Sofortige Freilassung von Georges Ciprianiund Jean-Marc Rouillan

    Weitere Info wieder unter:www: action-directe.net

    In Frankreich entwickelt sich eine neueKampagne fr die Freilassung vonGeorges Cipriani und Jean-Marc Rouillan- Gefangene aus Action directe

    Georges Cipriani Jean-Marc Rouillan

    Kurzmeldungen international

    Schreibt Georges Cipriani!

    5250 / 2108MC Ensisheim49 rue de la 1re arme68190 EnsisheimFrankreich

    Schreibt Jean-Marc Rouillan!

    9496 / A109Centre de dtention de MuretRoute de Seysses31600 MuretFrankreich

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #352

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    14 gefangenen info januar 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Im Dezember 2009 fand in Kopenhagen derCOP15 (15. Klimagipfel) statt. Dagegen gabes zahlreiche Protestaktionen und eben auchdie erwartete Repression. Nach Informati-onen der TAZ vom 18. Januar 2010 wurdenrund 2000 Menschen verhaftet, gegen 14wurde mittlerweile Anklage erhoben und zwei

    sind immer noch inhaftiert. Wir verffentli-

    chen an dieser Stelle einen Brief der Gefan-genen:

    Irgend etwas ist faul in Dnemark (nicht nurin Dnemark). In der Tat, tausende Men-schen haben zugestimmt, ohne jeglicheAnhaltspunkte, dass eine Bedrohung derGesellschaft existiert. Hunderte Menschenwurden bereits eingeknastet, einige sindfestgenommen und warten auf ein Urteil oderes wird weiterhin gegen Menschen ermittelt.Darunter zhlen auch wir, die Unterzeichnerdieses Briefes. Wir wollen gern die Geschich-te von einem besonderen Standpunkt derer

    erzhlen, die den Himmel nur hinter Schlossund Riegel betrachten knnen.Eine UN-Versammlung von entscheidenderBedeutung ist auf Grund von verschiedenenWidersprchen und Spannungen in Bezugauf die COP15 gescheitert. Das Hauptanlie-gen der Mchtigen war die Herrschaft berdie Energievorrte fr ein unbeschrnktesWachstum. Das war das Argument, vollkom-men egal woher sie kamen, ob von Industri-elndern wie der USA oder aus der EU, oderaus sog. Entwicklungslndern wie Brasilienoder China.Im Widerspruch dazu haben hunderte Dele-gationen und tausende von Menschen in den

    Straen den Druck erhht, dass die Grund-prinzipien des Lebens (und aktuell ist es so),denen der Prote entgegensteht. Wir habenmehrfach unseren Willen bekrftigt, dem vomMenschen verursachten Druck auf die Bio-sphre etwas entgegenzusetzen.Eine Krise des allgemeinen Denkmuster berdie Energie wird bald kommen. Der Mecha-nismus der globalen Herrschafft hat die ge-fhrlichen Machenschaften bewiesen. DieMchtigen scheiterten nicht nur an einer Ver-einbarung zur internen Aufteilung, sondernauch daran die formale Kontrolle der Diskus-sion zu behalten.Der Klimawandel ist ein extremer und ulti-

    mativer Ausdruck der Gewalt der kapitali-stischen Wachstumsbestrebungen. Weltweitnehmen die Menschen zu, die gegen dieseGewalt rebellieren. Das haben wir in Kopen-hagen gesehen, und wir haben die gleicheGewalt gesehen. Hunderte von Menschen

    wurden ohne Grnde eingesperrt, weil siean friedlichen und legalen Demonstrationenteilgenommen hatten. Eben diese einfachenBeispiele des zivilen Ungehorsams wurdenals erhebliche Bedrohung der sozialen Ord-nung betrachtet.Als Antwort fragen wir uns, welche Ordnung

    wir bedrohen und wer das veranlasst? Istdas die Ordnung in derer wir nicht mehr wirselbst sind? Diese Ordnung ist auerhalb derBestimmungen von sinnvollen gesellschaft-lichen Grundlagen, welche wir immer unter-schreiben wrden, wo unsere Krper gefasst,gefhrt, gentigt und eingeknastet werdenohne jegliche Anhaltspunkte von einem Ver-brechen. Ist das die Ordnung in welcher Ent-scheidungen mehr und mehr abgeschirmtvon sozialen Konikten getroffen werden?Wo die Herrschafft immer weniger von denMenschen bestimmt wird, nicht mal durch einParlament? In der Tat, nicht demokratischeOrganisation wie die WTO (Welthandelsor-

    ganisation), die NB, die G- was auch immerhaben jegliche Kontrolle in ihrer Hand.Wir werden gezwungen zu bemerken, dassdas Theater der Demokratie zusammen-bricht, sobald man sich dem Zentrum derMacht nhert. Deshalb wollen wir die Machtder Menschen zurckgewinnen. Wir besin-nen uns der Macht unseres eigenen Lebens.Vor allem besinnen wir uns unserer eigenenKraft zur Rckgewinnung der Grundprin-zipien des Lebens und nicht der brgerlichenPrinzipien des Protes. Es wurde bisher alsillegal abgetan, aber wir betrachten es alsvollkommen legal.Da kein echter Raum im gebrochenen The-

    ater verlassen wird, forderten wir unserekollektive Kraft - in Wirklichkeit erwartetenwir sie - um ber das Klima und Energiee-mission zu sprechen. Angelegenheiten, dieunserer Ansicht nach, kritische Schnittstel-len zu globaler Gerechtigkeit, berleben derMenschheit und Unabhngigkeit von Energieumfassen. Wir sind mit unseren Krpern mar-schiert. Wir ziehen es vor, den Raum wo dieMacht eingesperrt ist, lachend und tanzendzu betreten. Das htten wir auch gern beimBella Zentrum versucht, htten die Tagungmit hunderten von Delegierten gestrt. Aberwir wurden wie immer von der Polizei darangehindert. Sie haben unsere Krper wegge-

    sperrt um somit unsere Ideen zu verstecken.Wir haben unseren eigenen Krper riskiert,um zu versuchen beieinander zu bleiben undgerade sie zu schtzen. Wir schtzen un-seren Krper: Wir brauchen sie, um zu lie-ben, um zusammen zu bleiben und uns un-

    seres Lebens zu erfreuen. Sie halten unserenVerstand mit vielen schnen/guten Ideen undSichtweisen fest. Sie halten unsere Herzen,gefllt mit jeder Menge Leidenschaft und Hei-terkeit, fest. Dennoch riskierten wir es. Wirriskierten unsere Krper, die in Gefngnissegesteckt wurden. Mal ganz ehrlich, wie wrde

    der Wert des Denkens und des Fhlens sein,wenn sich unsere Krper nicht bewegen wr-den? Das Geschehenlassen, das Nichtstunwre die schlechteste Form der Mitschuld andiesem Geschft, um die Sitzung der Verein-ten Nationen zerhacken zu wollen. An demPunkt der COP15 bewegten wir uns und wirwerden uns auch weiterhin bewegen.Genauso wie Liebe kann ziviler Ungehorsamnicht einfach nur erzhlt werden. Wir ms-sen es selbst mit unseren Krpern tun. Sonstwrden wir nicht wirklich daran denken waswir lieben, und wir wrden nicht wirklich lie-ben, woran wir denken. Nichts ist einfacherals das. Es ist eine Sache der Liebe, der Ge -

    rechtigkeit und der Wrde.Wie der COP15 beendet wurde, zeigt uns,das wir Recht hatten. Viele von uns bezah-len, was fr eine zwanghafte, durchdrin-gende und ganze Verdrngung obligatorischist: Einen Schuldigen auf Kosten einer erfun-denen Geschichte (vielleicht in Verbindungmit einem Verbrechen) zu nden.Wir werden mit absurden Beschuldigungenentweder ber Gewalttaten, das Organisie-ren von gesetzbrechende Handlungen, oderaufgrund von Verschwrungen oder nichtstattgefundenen Sachen in Haft behalten.Wir fhlen uns nicht schuldig, zusammen mitTausenden, die Unabhngigkeit unseres Le-

    bens von Regeln des Protes aufzuzeigen.Wenn die Gesetze dem etwas entgegen-setzen, war es zu friedlich, zu legitim - aberwre es noch koniktbeladener - wrden siebrechen.Wir sind zwar gerade hier eingedockt, dochwir sind bereit wieder mit einem Wind zu se -geln, der strker wird als jeher. Es ist eineSache der Liebe, der Justiz und der Wrde.

    Luca Tornatore - from the Italien socialcentres network see you in Copenhagen.

    Natasha Verco - Climate Justice ActionStine Gry Jonassen - Climate Justice Action

    Tannie Nyboe - Climate Justice Action

    Johannes Paul Schul MeyerArvip Peschel

    Christian BeckerKharlanchuck Dzmitry

    Cristoph LangAnthony Arrabal

    Repression in Kopenhagen

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    januar 2010 gefangenen info 15

    Italien/Milano:Das Schwur-gericht Milano entschied am29. Dezember 2009, dasssich die 4 GenossInnen,die sich seit den Festnah-men am 12. Februar 2007in Hausarrest befanden,

    wieder frei bewegen drfen.Sie mssen sich drei Malwchentlich bei der Polizei melden. Im Zugedes gegen die PC P-M gerichteten Repressi-onsschlags unter der Bezeichnung Tramon-to wurden am 12. Februar 2007 zahlreicheHausdurchsuchungen und Festnahmendurchgefhrt. Die 15 kommunistischen Ge-fangenen wurden letztes Jahr nach einemlangen Prozess in Mailand zu 3-15 JahrenKnast verurteilt. (red.)

    Russland/Moskau: Am19. Januar 2010 jhrt sichder Todestag des Anwalts

    Stanislaw Markelow undder Journalistin AnastasiaBaburowa. Die Gedenk-Kundgebung in Moskauwurde wegen der angeblichzu spten Anmeldung abge-

    sagt. In der Presse wurde daneben eine bleHetzkampagne gegen das veranstaltendeKomitee begonnen. Stanislaw und Anastasiaengagierten sich gegen die uerst starkeNazi-Szene in Russland und wurden am 19.Januar 2009 erschossen - die Killer bliebenumbekannt. (red.)

    Schweiz/Arau: Die beiden

    Anarchisten I. und P. wur-den am 15. November 2009um 5 Uhr morgens verhaftetund sind seitdem in U-Haft.Seit lngerem sind Arauviele politische Sprayereiengemacht worden und gab eseine Serie von Brandstiftung

    gegen Luxus-Autos fr die I. und P. verant-wortlich gemacht werden sollen. Obwohl dieBeweislage sehr unklar ist, wird die Haftweiterhin aufrecht erhalten und eine massiveHetze gegen die beiden in der Presse betrie-ben! (red.)Post an sie ber: Infoladen Reitschule, -Arau-, Postf. 5053, 3001 Bern

    Serbien/Belgrad:In Serbien wurden am 03.September 2009 sechs Mit-glieder der anarcho-syndi-kalistischen GewerkschaftAnarhosindikalistia inicija-tiva (ASI) des Internationa-len Terrorismus beschuldigtund sind bis zum heutigen

    Tag inhaftiert. Grund war eine Aktion an dergriechischen Botschaft in Belgrad, bei derdurch Brandaschen geringer Sachscha-

    den an der Auenfassade entstand. Zu demAnschlag hatte sich zudem die klandestineGruppe Crni Ilija bekannt. (red.)Mehr zu den Belgrade 6:www.fau.org/soli/belgrade6

    Kurzmeldungen international

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Zeit der Festnahme:Gegen 10 Uhr am 16.12.2009

    Mir wurde nicht gesagt, ich wre festgenom-men.Mir wurde nicht gesagt, warum ich festge-nommen wurde.Mein Ausweis wurde nicht kontrolliert.Ich wurde mit Kabelbindern um die Hndegefesselt und in eine Reihe mit ungefhr 25-30 anderen Frauen gesetzt. (...)Ich wurde an meinen Armen zum Gefange-nenbus (ein Bus in Gre eines konventio-nellen Reisebusses mit ca. 50 Pltzen) getra-gen, meine Fe schleiften auf dem Boden,(). Zweimal brach rger aus: das erste Malin der letzten Reihe von vorne zum Treppen-

    bereich. Zwei franzsischsprachige Mnnerwurden mit Schlagstcken bedroht. Daszweite Mal weiter hinten auf der rechten Sei-te von vorne. Die Bullen sprangen ber michber und ich hrte spter, dass sie einen derGefangenen, die alle mit Kabelbindern aufdem Rcken handlos gemacht wurden, ge-wrgt htten. (...)Dann kamen wir bei einer groen Lagerhallean. Ungefhr 200 Leute wurden in der Ein-gangshalle in Reihen auf Isomatten gesetzt.(...)- In der ersten Stunde wurden Frauen nichtauf die Toilette gelassen und mussten langedarauf warten (). Spter haben sie uns be-

    wusst lnger warten lassen (Machos), beson-ders wenn sie nicht hich gefragt wurden,sondern aufgefordert wurden uns zur Toilet-te zu lassen. Das Spiel guter Polizist, bserPolizisr wurde auch gespielt. Einer der jungs-chen Bullen trug spter auch Ohrstpsel. ()- Ein anderer Mann wurde von einem derRiotcops mit einem Pfeifen und einem ho-phop aufgefordert aufzustehen und mit zukommen. Jemand sagte ihm, dass er sichnicht an einen Hund wenden wrde, sondernan einen Menschen. er antwortete, dass erdas wsste. (...)Ich wurde zu einem der 5 oder mehr Regis-trierungspunkte gebracht. Dort fragte man

    mich nach meiner Muttersprache: deutsch,meinem Ausweis und meiner Adresse. (...)Ich wurde aufgefordert mich in 4 Positionenmit meiner Strassenkleidung und meinemRucksack vor dieser Tafel fotograeren zulassen: von vorne, von beiden Seiten imProl und von hinten. () Als ich nach demGrund meiner Ingefangennahme fragte, wur-de mir gesagt, es stnde auf dem Blatt, dassder Bulle vor sich liegen hatte (allerdings aufdnisch) und man gab mir ein anderes Pa-pier auf dem Informationen ber die Prven-tive Ingefangennahme (auf deutsch) standen.Sollte ich jetzt raten oder was? ()Dann wurde ich dazu aufgefordert, meine

    Schuhe auszuziehen, wogegen ich prote-stierte, weil meine Fe dann auf dem kaltenBoden der Lagerhalle gehen mssten. ()dann wurde ich sogleich bedroht, () nachkurzem zgern, lie ich ihn das dann ma-chen. ()

    Es war ungefhr 14.30 Uhr, als ich in einender Kge berfhrt werden sollte. () Wirkonnten etwas mitgebrachtes essen undich durfte meine Schuhe wieder anziehen.Um 14.45 Uhr wurde ich in den ersten Kgrechts von der Tr geleitet und eingesperrt.() Die Kge waren 3m lang, 2m breit und2m hoch (zaunartige Wnde) und durchsich-tig. Viele hatten Isomatten bekommen. Dochin dem Kg, in dem wir zu neunt unterge-bracht waren, war gerade mal genug Platzzum sitzen, nicht zum schlafen. Wie Tiere inKge gepfercht. Wir blieben eingeschlossenbis nach dem Schichtwechsel um 20 Uhr.Mir wurde kein Telefonanruf gewhrt, als ichdanach fragte(...). [Ich] solle ich doch verste-hen, dass es eine Ausnahmesituation sei, in

    der wir uns gerade benden. Aber der Bul-

    le meinte, sie htten eine Priesterin, mit derich reden knnte! Und fr wahr da liefen einePriesterin und ein Priester von Kg zu Kg.(...)In einem anliegenden Kg fragte eine Fraunach einem Arzt, sah aber nie einen.Gefangene Menschen wurden in ihren K-gen mit Pfefferspray besprht. (...)Nachdem einige Kge zu Bruch gingen,wurden Reparaturen durchgefhrt. Es wurdenamentlich gebohrt und nur diejenigen, diereparierten trugen Gehschutz. (...) Wir beka-men keinen Gehschutz ber die ersten zwei-einhalb Stunden. Wir konnten uns nur die

    Ohren zuh