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Kenmare Moma Titanium Von Lothar Berger D as Vorkommen von Schwer- mineralsanden hat Mosambik zu einem der weltweit bedeu- tenden Lieferanten für die Titanindu- strie gemacht. Die Lagerstätten finden sich alle entlang der mosambikanischen Küste, so im Chibuto-Distrikt in der Süd- provinz Gaza, an der Küste der Zambezia- Provinz und vor allem im Moma-Distrikt der Nordprovinz Nampula. Dort ist eines der größten Mineralsandvorkommen der Welt, dessen Volumen auf über 200 Mio. Tonnen geschätzt wird. Der Distrikt liegt etwa 160 km südlich der Provinzhaupt- stadt Nampula. Die Moma-Schwersand- vorräte sind Teil eine Kette von küsten- nahen Sanddünen, die sich von Kenia bis nach Richards Bay in Südafrika ziehen und eine Reihe losen fein- bis mittelkör- nigen Sandes und Schluffsand enthalten. Ökonomisch verwertbare Schwer- mineralsande kommen auf der Ober- fläche der nur spärlich bewachsenen Namalote-Sandbänke und den benach- barten Topuito-Hochdünen vor. Zu etwa 85 Prozent findet sich in den dortigen Mineralsanden das Hauptprodukt Ilme- nit (Titaneisen), das im Schnitt 55 Pro- zent Titanoxid enthält. Dieser Stoff wird als qualitativ hochwertiges Weißpigment in der Kunststoff- und Farbstoffindustrie verwendet. Als Nebenprodukte enthal- ten die Mineralsande zu fünf Prozent auch Zirkon, das in der Keramikindustrie etwa für die Glasur von Fliesen zur Ver- wendung kommt, sowie zu zwei Prozent Rutil, eine sehr reine Form des Titanoxids (94–96 %). Rutil ist unverzichtbar für die Herstellung von Titan, das im Flugzeug- bau und anderen Hochtechnologien Ver- wendung findet. Die Titanoxid-Rohstoffindustrie wird von einer Handvoll Marktführer be- herrscht, darunter Rio Tinto, Exarro (Süd- afrika) und die australischen Iluka Resour- ces. Diese drei kontrollieren 60 Prozent der Produktion. Laut Marktbeobachtern verspricht die Titanoxidproduktion hohe Rendite und gilt als stabil. Die Schwermineralsand- produktion von Kenmare Das 1972 gegründete irische Bergbauun- ternehmen Kenmare Resources P.L.C. mit Sitz in Dublin ist über seine Tochtergesell- schaften Kenmare Moma Mining (Mauri- tius) Limited (KMML) und Kenmare Mo- ma Processing (Mauritius) Limited (KMPL) Konzessionär für das Schwersandprojekt Moma. Das Konzessionsgebiet liegt nord- östlich der Stadt Moma und erstreckt sich fünf bis sieben Kilomenter von der Küste entfernt zwischen dem Larde-Fluss und dem Moma-Fluss. Nach Angaben des an der Londoner Börse notierten Unterneh- mens wurde am 19. Oktober 2007 mit dem Abbau und der Aufbereitung der Schwersande im südlichen Teil des Nama- lope-Schutzgebietes begonnen. Staats- präsident Armando Guebuza weihte die Anlage höchst persönlich ein. Eine erste Schiffsladung mit 23.000 t Mineralien verließ am 14. Dezember 2007 Mosambik. Die Kenmare Moma-Produktion hält derzeit einen Anteil von ca. sechs Prozent am Weltmarkt für Titaneisen. Das Wachstum wird mit jährlich etwa drei Prozent angegeben 1 , wobei vorwiegend der asiatische Markt mit einem Anteil von 30 Prozent der Verkaufserlöse für den Titanoxid-Export interessant ist. Bei vol- ler Auslastung der Aufbereitungsanlagen können derzeit jährlich 800.000 t Ilmenit, 50.000 t Zirkon und 14.000 t Rutil gewon- nen werden. Für Phase I des Moma-Projektes hat Kenmare 560 Mio. Euro investiert. Kredite kamen u. a. von der südafrikanischen AB- SA (Amalgamated Banks of South Africa) (80 Mio. US-Dollar), der Europäischen In- vestitionsbank, die das Bergbau-Projekt in den Jahren 2004 und 2005 mit Darlehen von insgesamt 57,75 Mio. Euro unterstützt hat, sowie über die Kreditanstalt für Wie- deraufbau (insgesamt 40,5 Mio. US-Dollar, davon 24,5 Mio. US-Dollar über Hermes- bürgschaften 2 mit 8,5 Jahren Kreditlauf- zeit) und die Afrikanische Entwicklungs- bank (AfDB) (40 Mio. US-Dollar). Für die Mineralsandgewinnung werden zwei Cutterbagger, so genannte Schneidkopfsaugbagger, genutzt, die auf einem 800 bis 300 Meter großen und bis zu 15 Meter tiefen künstlichen Frischwas- serbecken operieren. Diese baggern den Sand aus der Oberfläche und pumpen 1 Kenmare Resources, Mining Research 9 th January 2007, Mirabaud Securities Limited 2 Hermesbürgschaften sind Exportkreditgarantien Deutschlands und werden Unternehmen gewährt, um diese in so genannten „schwierigen Märkten“, besonders Entwicklungs- und Schwellenländern, gegen die Zah- lungsunfähigkeit lokaler Besteller abzusichern. (weitere Infos: www.urgewald.de) ihn über ein Saugrohr auf einen schwim- menden Konzentrator. Dort wird aus dem aus Sand, Lehm und Ton bestehenden Abraum ein Schwerminerlasandkonzen- trat herausgelöst, das anschließend in einer Mineralientrennungsanlage in sei- ne Endprodukte Ilmenit, Zirkon und Rutil separiert wird. Über ein 2,4 km langes För- derband werden die Fertigstoffe zu einer Landungsbrücke transportiert und von dort mit firmeneigenen Barkassen zum 10 km entfernten Schiffsumladeplatz auf hoher See befördert. Im Jahr 2010 exportierte Kenmare in 43 Schiffsladungen 712.650 t Minera- lien, eine Steigerung von 71 Prozent ge- genüber dem Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2011 wurden weitere 17 Schiffsladungen (insgesamt 349.000 t) exportiert. Im drit- ten Quartal 2011 konnte die Förderung der Schwermineralsande gegenüber dem Vorquartal um 27 Prozent gesteigert werden. Eine gestiegene Nachfrage nach Ilmenit vor allem in den USA, Europa und China führte zu einer Preissteigerung auf dem Weltmarkt. 3 Mit einer Anfang 2011 bekannt ge- gebenen zweiten Phase zum Ausbau und zur Modernisierung der Anlage in Nama- lote will Kenmare einen Weltmarktanteil von 10 Prozent erreichen. Dafür soll die Produktion von Ilmenit auf eine Kapazi- tät von jährlich 1,2 Mio. t erhöht werden. Die Investitionskosten für den Ausbau im nördlichen Namalote-Gebiet, für den ein neuer Bagger aus den USA geholt wurde, werden von Kenmare auf mittlerweile 300 Mio. US-Dollar angesetzt. 2013 soll der Ausbau der Namalote-Anlage abge- schlossen sein. 4 Eine dritte Ausbauphase bezieht sich auf weitere Titaneisenvorräte im Nataka-Gebiet bei Topuito, die nach Fir- menangaben 120 Jahre vorhalten sollen. Das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie für die Ausbauphase III, das sog. Nata- ka-Projekt etwa 15 km südwestlich des Namalote-Projekts, soll bis Mitte 2012 vorliegen. Der Förderbeginn ist für 2018 vorgesehen, während das Ende der Förde- rung in Namalote für 2025 erwartet wird. Nach Fertigstellung von Phase III strebt 3 „Kenmare increases production …“, O Pais Today, Investor, 26.01.11 4 Kenmare, Half Yearly Financial Report 2011 und Interim Management Statement, 27 October 2011, www.kenmareresources.com 3.1 Vom Reichtum in der Armut – Rohstoffabbau und Verteilungskonflikte

3.1 Kenmare Moma Titanium...aus Sand, Lehm und Ton bestehenden Abraum ein Schwerminerlasandkonzen-trat herausgelöst, das anschließend in einer Mineralientrennungsanlage in sei-ne

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Page 1: 3.1 Kenmare Moma Titanium...aus Sand, Lehm und Ton bestehenden Abraum ein Schwerminerlasandkonzen-trat herausgelöst, das anschließend in einer Mineralientrennungsanlage in sei-ne

Kenmare Moma TitaniumVon Lothar Berger

Das Vorkommen von Schwer-mineralsanden hat Mosambik zu einem der weltweit bedeu-

tenden Lieferanten für die Titanindu-strie gemacht. Die Lagerstätten finden sich alle entlang der mosambikanischen Küste, so im Chibuto-Distrikt in der Süd-provinz Gaza, an der Küste der Zambezia-Provinz und vor allem im Moma-Distrikt der Nordprovinz Nampula. Dort ist eines der größten Mineralsandvorkommen der Welt, dessen Volumen auf über 200 Mio. Tonnen geschätzt wird. Der Distrikt liegt etwa 160 km südlich der Provinzhaupt-stadt Nampula. Die Moma-Schwersand-vorräte sind Teil eine Kette von küsten-nahen Sanddünen, die sich von Kenia bis nach Richards Bay in Südafrika ziehen und eine Reihe losen fein- bis mittelkör-nigen Sandes und Schluffsand enthalten.

Ökonomisch verwertbare Schwer-mineralsande kommen auf der Ober-fläche der nur spärlich bewachsenen Namalote-Sandbänke und den benach-barten Topuito-Hochdünen vor. Zu etwa 85 Prozent findet sich in den dortigen Mineralsanden das Hauptprodukt Ilme-nit (Titaneisen), das im Schnitt 55 Pro-zent Titanoxid enthält. Dieser Stoff wird als qualitativ hochwertiges Weißpigment in der Kunststoff- und Farbstoffindustrie verwendet. Als Nebenprodukte enthal-ten die Mineralsande zu fünf Prozent auch Zirkon, das in der Keramikindustrie etwa für die Glasur von Fliesen zur Ver-wendung kommt, sowie zu zwei Prozent Rutil, eine sehr reine Form des Titanoxids (94–96 %). Rutil ist unverzichtbar für die Herstellung von Titan, das im Flugzeug-bau und anderen Hochtechnologien Ver-wendung findet.

Die Titanoxid-Rohstoffindustrie wird von einer Handvoll Marktführer be-herrscht, darunter Rio Tinto, Exarro (Süd-afrika) und die australischen Iluka Resour-ces. Diese drei kontrollieren 60 Prozent der Produktion. Laut Marktbeobachtern verspricht die Titanoxidproduktion hohe Rendite und gilt als stabil.

Die Schwermineralsand-produktion von Kenmare

Das 1972 gegründete irische Bergbauun-ternehmen Kenmare Resources P.L.C. mit Sitz in Dublin ist über seine Tochtergesell-

schaften Kenmare Moma Mining (Mauri-tius) Limited (KMML) und Kenmare Mo-ma Processing (Mauritius) Limited (KMPL) Konzessionär für das Schwersandprojekt Moma. Das Konzessionsgebiet liegt nord-östlich der Stadt Moma und erstreckt sich fünf bis sieben Kilomenter von der Küste entfernt zwischen dem Larde-Fluss und dem Moma-Fluss. Nach Angaben des an der Londoner Börse notierten Unterneh-mens wurde am 19. Oktober 2007 mit dem Abbau und der Aufbereitung der Schwersande im südlichen Teil des Nama-lope-Schutzgebietes begonnen. Staats-präsident Armando Guebuza weihte die Anlage höchst persönlich ein. Eine erste Schiffsladung mit 23.000 t Mineralien verließ am 14. Dezember 2007 Mosambik.

Die Kenmare Moma-Produktion hält derzeit einen Anteil von ca. sechs Prozent am Weltmarkt für Titaneisen. Das Wachstum wird mit jährlich etwa drei Prozent angegeben1, wobei vorwiegend der asiatische Markt mit einem Anteil von 30 Prozent der Verkaufserlöse für den Titanoxid-Export interessant ist. Bei vol-ler Auslastung der Aufbereitungsanlagen können derzeit jährlich 800.000 t Ilmenit, 50.000 t Zirkon und 14.000 t Rutil gewon-nen werden.

Für Phase I des Moma-Projektes hat Kenmare 560 Mio. Euro investiert. Kredite kamen u. a. von der südafrikanischen AB-SA (Amalgamated Banks of South Africa) (80 Mio. US-Dollar), der Europäischen In-vestitionsbank, die das Bergbau-Projekt in den Jahren 2004 und 2005 mit Darlehen von insgesamt 57,75 Mio. Euro unterstützt hat, sowie über die Kreditanstalt für Wie-deraufbau (insgesamt 40,5 Mio. US-Dollar, davon 24,5 Mio. US-Dollar über Hermes-bürgschaften2 mit 8,5 Jahren Kreditlauf-zeit) und die Afrikanische Entwicklungs-bank (AfDB) (40 Mio. US-Dollar).

Für die Mineralsandgewinnung werden zwei Cutterbagger, so genannte Schneidkopfsaugbagger, genutzt, die auf einem 800 bis 300 Meter großen und bis zu 15 Meter tiefen künstlichen Frischwas-serbecken operieren. Diese baggern den Sand aus der Oberfläche und pumpen

1 Kenmare Resources, Mining Research 9th January 2007, Mirabaud Securities Limited

2 Hermesbürgschaften sind Exportkreditgarantien Deutschlands und werden Unternehmen gewährt, um diese in so genannten „schwierigen Märkten“, besonders Entwicklungs- und Schwellenländern, gegen die Zah-lungsunfähigkeit lokaler Besteller abzusichern. (weitere Infos: www.urgewald.de)

ihn über ein Saugrohr auf einen schwim-menden Konzentrator. Dort wird aus dem aus Sand, Lehm und Ton bestehenden Abraum ein Schwerminerlasandkonzen-trat herausgelöst, das anschließend in einer Mineralientrennungsanlage in sei-ne Endprodukte Ilmenit, Zirkon und Rutil separiert wird. Über ein 2,4 km langes För-derband werden die Fertigstoffe zu einer Landungsbrücke transportiert und von dort mit firmeneigenen Barkassen zum 10 km entfernten Schiffsumladeplatz auf hoher See befördert.

Im Jahr 2010 exportierte Kenmare in 43 Schiffsladungen 712.650 t Minera-lien, eine Steigerung von 71 Prozent ge-genüber dem Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2011 wurden weitere 17 Schiffsladungen (insgesamt 349.000 t) exportiert. Im drit-ten Quartal 2011 konnte die Förderung der Schwermineralsande gegenüber dem Vorquartal um 27 Prozent gesteigert werden. Eine gestiegene Nachfrage nach Ilmenit vor allem in den USA, Europa und China führte zu einer Preissteigerung auf dem Weltmarkt.3

Mit einer Anfang 2011 bekannt ge-gebenen zweiten Phase zum Ausbau und zur Modernisierung der Anlage in Nama-lote will Kenmare einen Weltmarktanteil von 10 Prozent erreichen. Dafür soll die Produktion von Ilmenit auf eine Kapazi-tät von jährlich 1,2 Mio. t erhöht werden. Die Investitionskosten für den Ausbau im nördlichen Namalote-Gebiet, für den ein neuer Bagger aus den USA geholt wurde, werden von Kenmare auf mittlerweile 300 Mio. US-Dollar angesetzt. 2013 soll der Ausbau der Namalote-Anlage abge-schlossen sein.4

Eine dritte Ausbauphase bezieht sich auf weitere Titaneisenvorräte im Nataka-Gebiet bei Topuito, die nach Fir-menangaben 120 Jahre vorhalten sollen. Das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie für die Ausbauphase III, das sog. Nata-ka-Projekt etwa 15 km südwestlich des Namalote-Projekts, soll bis Mitte 2012 vorliegen. Der Förderbeginn ist für 2018 vorgesehen, während das Ende der Förde-rung in Namalote für 2025 erwartet wird. Nach Fertigstellung von Phase III strebt

3 „Kenmare increases production …“, O Pais Today, Investor, 26.01.11

4 Kenmare, Half Yearly Financial Report 2011 und Interim Management Statement, 27 October 2011, www.kenmareresources.com

3.1

Vom Reichtum in der Armut – Rohstoffabbau und Verteilungskonflikte

Page 2: 3.1 Kenmare Moma Titanium...aus Sand, Lehm und Ton bestehenden Abraum ein Schwerminerlasandkonzen-trat herausgelöst, das anschließend in einer Mineralientrennungsanlage in sei-ne

32 3.1 Kenmare Moma Titanium

Die Waschanlage von Kenmare: Nach der Bearbeitung ist der vorher schwarze Sand weiß. Foto: Petra Aschoff

Kenmare eine Jahresproduktion von 2,0 Mio. t Ilmenit an.

Kenmare beziffert seine Einnahmen im ersten Halbjahr 2011 auf 56 Mio. US-Dollar, deutlich mehr als im Vergleichs-zeitraum 2010 (39,4 Mio. US-Dollar). Trotz-dem wurde nach Abzug der Kapitalkosten und durch Wechselkursschwankungen ein Verlust von 14,17 Mio. US-Dollar ausge-wiesen. Obwohl die Weltmarktpreise für Ilmenit um 30 Prozent und für Zirkon um 38 Prozent gestiegen sind, wird Kenmare erst ab 2012 von den Preissteigerungen profitieren, da das Unternehmen bis Ende 2011 preisgebundene Verträge mit seinen Abnehmern abgeschlossen hat. Dann al-lerdings versprechen die große Nachfrage und die zu erwartenden Lieferengpässe auf dem Weltmarkt hohe Preise mit ent-sprechend hoher Rendite.

Kenmare wird Konkurrenz durch das chinesische Bergbauunternehmen Africa Great Wall bekommen, das im Ok-tober 2011 den Zuschlag für den Abbau von Schwermineralsanden im Angoche-Distrikt von Nampula erhalten hat.5 Aller-dings ist die angepeilte Fördermenge von 200.000 t gegenüber dem Moma-Projekt vergleichsweise gering.

5 China’s Africa Great Wall to mine heavy sands in Mozam-bique, macuahub, 4.10.2011

Umstrittene Steuerbegünstigung

Kenmare rühmt sich, mit seinem Titan-Projekt zur wirtschaftlichen Entwicklung Nampulas beizutragen. So hieß es in der Begründung für den Finanzierungsan-trag an die Europäische Investment Bank, EIB, im Juni 2005: „Zu den bedeutendsten Nutzelementen zählen die Verbesserung der Infrastruktur (Straßen, Stromversor-gung sowie Start- und Landebahnen) sowie die an die vor Ort eingestellten Beschäftigten gezahlten Löhne und Ge-hälter (einschließlich der üblichen Multi-plikatoreffekte). Darüber hinaus werden die Abgaben aus der Bergbaukonzession und die Gebühren aus der Nutzung der Freihandelszone dazu beitragen, dass das Projekt positive wirtschaftliche Auswir-kungen haben wird.“6 Gerade Letzteres ist allerdings Gegenstand der Hauptkri-tik an dem umstrittenen Großprojekt. Kenmare Moma genießt nämlich sehr großzügige Steuervorteile. Es gehört zu den ersten vier von der Regierung aus-gewiesenen Freihandelszonen – neben Moma sind das der Beluluane-Industrie-park bei Maputo, MOZAL und Mozitex,

6 Kurzbeschreibung: Projekt Moma Titanium (Mosambik), EIB Juni 2005

zusätzlich sind aktuell zwei Zonen in Na-cala geplant – und erfreut sich daher et-licher Steuervorteile, wie sie für Bergbau- und Erdölprojekte in dem durch Dekret Nr. 26/2002 verabschiedeten Gesetz über Steuervorteile festgelegt wurden. Ein entsprechendes Steuerbegünstigungsab-kommen zwischen Kenmare und der Re-gierung wurde im Januar 2002 vereinbart.

So ist Moma von der Körperschafts-steuer (IRPC), von Zöllen und von der Mehrwertsteuer auf Einfuhr von Ausrüs-tungen und Gütern auf 10 Jahre befreit und zahlt für seine Produktion erst ab dem siebten Jahr ein Prozent Umsatz-steuer. Erst nachdem der Konzern seine Investitionen wieder eingespielt hat, kommt eine Körperschaftssteuer von 30 Prozent des Gewinns zum tragen. Bis dahin erfreut sich Kenmare 10 Jahre lang einer Steuerermäßigung von 50 Prozent und zahlt auf die Verkaufserlöse nur eine dreiprozentige Abgabe, nach sechs Jah-ren kommt eine einprozentige Abgabe hinzu.

Darüber hinaus profitiert Kenmare Moma von überaus günstigen Strom-preisen für seine Anlage. Der Strom wird für 20 Jahre zu einem Vorzugspreis von 2,4 US-Cent/kWh vom 700 km entfernten Cahora Bassa-Wasserkraftwerk geliefert. Die regulären Strompreise liegen für die

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Vom Reichtum in der Armut – Rohstoffabbau und Verteilungskonflikte 33

Industrie in Mosambik bei 4,5–6 US-Cent/kWh, d. h. zwei bis drei Mal höher als der Kenmare-Tarif. Privathaushalte zahlen in Maputo zwischen 8,3 und 11 US-Cent/kWh.7

Der im Januar 2001 mit der Regie-rung abgeschlossene Nutzungsvertrag für Kenmare Moma hat eine Laufzeit von 25 Jahren und enthält eine Klausel zur möglichen Verlängerung zu den gleichen Bedingungen.

Die Steuervergünstigungen, die das Moma-Projekt neben den anderen acht von der Regierung ausgewiesenen Megaprojekten in Mosambik erhalten hat, werden von lokalen und internati-onalen Wirtschaftsexperten wie Carlos Nuno Castel-Branco, Jeffrey Sachs oder Paul Collier als ungerechtfertigt groß-zügig kritisiert. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Mosambik dadurch viele Millionen US-Dollar an Steuereinnahmen verloren gehen. Allein wegen der hohen Investitionskosten und ausgewiesener Verluste wird Kenmare in den ersten sieben Jahren kaum etwas zum Steueraufkommen Mosambiks bei-tragen. Außerdem ist die Überprüfbarkeit der Steuereinnahmen wenig transparent, weil Kenmare zu den Firmen gehört, die ihre Steuerausgaben nicht entsprechend der Erhebung der Steuerbehörde der Re-gierung (DGI) deklarieren.

Auch die weiteren „positiven wirt-schaftlichen Auswirkungen“, die in der Ausschreibung des Moma-Projekts an-geführt wurden, haben sich als leere Versprechungen erwiesen: Eine „Verbes-serung der Infrastruktur“ für die Provinz Nampula ist bis heute nicht zu erkennen. Die Infrastrukturmaßnahmen kommen lediglich dem Unternehmen selbst zu Gu-te. Die Abbaustätte liegt vollkommen iso-liert und die Zufahrtstraße von Nampula ist bis heute in sehr schlechtem Zustand, alle Besucher/innen und ausländischen Mitarbeiter werden eingeflogen.

Fehlende einheimische Arbeitskräfte

Gleichfalls beschämend ist der Beitrag Kenmares zum regionalen Arbeitsmarkt. Auf die „üblichen Multiplikatoreffekte“ – eine hohle Phrase, mit der ausländische Investoren immer wieder gerne ihren Beitrag zur Entwicklung eines Landes be-schwören – hat die Bevölkerung vor Ort bislang vergeblich gewartet.

Eigentlich, so sollte man meinen, hat der mosambikanische Staat vorge-

7 www.speed-program.com/library/resources/tipmoz_media/cat3_link_1216528441.pdf

sorgt: Die Einrichtung einer Freihandels-zone muss mit der Bereitstellung von mindestens 500 dauerhaften Arbeitsstel-len für Mosambikaner einhergehen, ein Unternehmen, das dort tätig ist, muss mindestens 20 Personen einstellen. Das mosambikanische Arbeitsrecht sieht au-ßerdem eine beschränkte Ausländerquo-te zum Schutz für einheimische Arbeits-kräfte vor. Ein Großunternehmen mit über 100 Arbeitskräften wie Kenmare darf ma-ximal 5 Prozent ausländische Arbeitskräf-te einstellen. Will ein Unternehmen mehr als die erlaubte Quote einstellen, braucht sie eine Sondergenehmigung.

Beim Start des Kenmare Moma-Projekts im Jahre 2007 waren nach Fir-menangaben 450 Arbeitskräfte ange-stellt – überwiegend ausländisches oder nicht aus der Region stammendes Per-sonal. Zu Beginn des Jahres 2011 waren laut Firmensprecher Gereth Clifton 568 der insgesamt 716 Arbeiter Mosambika-ner/innen und man wolle die Zahl ein-heimischer Arbeitskräfte nach und nach erhöhen. In einer Firmenpräsentation von November 2011 werden 879 Arbeitskräfte angegeben, davon immer noch 17 Prozent Ausländer.8 Aus aktuellen Gesprächen von Dezember 2011 mit der Belegschaft bei Kenmare zeigt sich ein ernüchtern-des Bild. Danach ist die Zahl der aus der Region Beschäftigten äußerst gering. Fast alle mosambikanischen Arbeitskräfte kommen aus weiter weg liegenden Regi-onen, wegen der besseren Qualifikation vermutlich überwiegend aus dem Süden.

Das Problem mangelnder Quali-fikationen mosambikanischer Arbeits-kräfte öffnet der illegalen Beschäftigung Tür und Tor: Im Oktober und November 2011 gingen Meldungen durch die Presse, dass das mosambikanische Arbeitsmi-nisterium über 160 illegal beschäftigte ausländische Arbeitskräfte, größtenteils bei südafrikanischen Firmen angestell-te Südafrikaner, ausgewiesen habe. Be-troffen war auch Kenmare. Nach einer Beschwerde des Gewerkschaftsbundes CONSILMO (Confederação Nacional dos Sindicatos Independentes e Livres de Moçambique) hat das Arbeitsministeri-um im August und Oktober Inspektoren nach Moma geschickt und dort insge-samt 51 illegal rekrutierte ausländische Arbeitskräfte verschiedener Nationalität entdeckt. Außerdem konnte das Arbeits-ministerium Pläne des irischen Bergbau-unternehmens durchkreuzen, 120 Inder einzustellen.

Kenmare redete sich damit raus, die 51 betroffenen Arbeiter seien von ei-ner Vertragsfirma rekrutiert worden. Das

8 www.kenmareresources.com/media/presentations

Arbeitsgesetz des Landes genieße für das Unternehmen trotz der Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte einheimische Arbeitskräfte zu finden, Priorität. Gereth Clifton und Arbeitsministerin Helena Tai-po haben sich laut Presseberichten dar-auf geeinigt, die Problematik gemeinsam zu lösen. Der Fall zeigt allerdings deutlich, wie eigenmächtig die ausländischen Großunternehmen in Mosambik immer wieder handeln können, wenn der Staat ihnen zu viel Spielraum lässt.

Im April 2011 brach ein wilder Streik von 250 Minenarbeitern aus, die sich während Jahrestarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und der Kon-zernleitung aus der übrigen Belegschaft herausgelöst hatten. Die Produktion musste durch diese erste Streikaktion im Rahmen des Moma-Projektes zeitweise unterbrochen werden. Der Tarifkonflikt wurde zwar schließlich durch Interventi-on von Vertretern des Bergbau- wie des Arbeitsministeriums gelöst, der Streik machte jedoch deutlich, dass unter der Belegschaft offensichtlich mehr Unzu-friedenheit herrscht, als es Aussagen des Konzerns vermuten lassen. Diesen zufol-ge kümmere man sich um gute Arbeits-bedingungen sowie um die Ausbildung der Belegschaft.

Ein Unfall, der sich im Oktober 2010 auf dem Betriebsgelände von Topuito er-eignete, dürfte das Vertrauen der Kenma-re-Arbeiter in die Sicherheit ihres Arbeits-platzes auch nicht gerade gestärkt haben. Als ein Damm bei einem der Rückhalte-becken gebrochen war, überschwemm-ten Schlamm und Wassermassen Teile des Dorfes und beschädigten 388 Häuser. Von dem Unfall waren 1.527 Menschen betroffen, ein vierjähriges Mädchen wur-de vermisst und sechs weitere Personen verletzt. Kenmare musste die Anlage mehrere Wochen schließen und die Häu-ser reparieren, 33 mussten neu gebaut werden. Die Regierung hatte eine Unter-suchungskommission eingerichtet, um die Gründe für den Dammbruch zu klären.

Umsiedlungen und Umgang mit der lokalen

BevölkerungWie bei anderen Megaprojekten auch hat das Moma-Projekt Auswirkungen auf die Umwelt und geht mit einer Umsiedlung der ansässigen Bevölkerung einher, die den Produktionsanlagen weichen müs-sen. Nach mosambikanischer Gesetzge-bung sind bei Minenvorhaben Umsied-lungen erlaubt. Traditionelles Landrecht erlischt bei einer Konzessionsvergabe, sofern „fair und angemessen“ entschä-

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3.1 Kenmare Moma Titanium34

digt worden ist (Artikel 43, Paragraf 4 des Minengesetzes)9. Im Auftrag von Kenma-re haben Gutachter der Coastal & Envi-ronmental Services aus Grahamstown (Südafrika) ein Umweltgutachten für das Moma-Projekt erstellt, das den Erfor-dernissen der Regierung für den Erhalt des gefährdeten Miombo-Küstenwaldes sowie für eine angemessene Entschädi-gung der umgesiedelten Bevölkerung entspricht.10 Bei Abwägung der sozialen Folgen (Umsiedlung, Veränderung der Sozialstruktur, neue Infrastruktur etc.) sowie der Management- und Umwelt-folgen (Auswirkungen auf Boden, Flora und Fauna) ist das Gutachten insgesamt zu einer positiven Einschätzung des Pro-jektes gekommen und hat ihm grünes Licht gegeben.

Eine Umgebung mit spärlich be-wachsenen Sanddünen und tiefer lie-genden Sumpfgebieten, die sich in der Regensaison mit Wasser füllen, erlaubt keine dichten Siedlungen. Laut Census von 1997 beträgt die Gesamtbevölke-rung des Moma-Distrikts, dem größten der 21 Distrikte der Provinz Nampula,

283.655 Menschen, offizielle Zahlen über die Größe der Bevölkerung im Konzessi-onsgebiet von Kenmare sind jedoch eher widersprüchlich. In dem Dorf Topuito leben geschätzt etwa 10.000 Menschen in neun Streusiedlungen. Weitere 9.000 Menschen leben in acht Gemeinden, die unter die Autorität von Rei Mathapa fal-len, ein traditioneller régulo, der in der Siedlung Nathaca (Nataka) residiert und bei der lokalen Bevölkerung als Hüter des sozialen Lebens geachtet wird. Trotz einer gemessen am Einkommen hohen Armutsrate von 90 Prozent lebten die

9 Kenmare Moma Titanum Minerals Project, Nataka Project, Draft environmental pre-feasibility scoping study and terms of reference, Coastal&Environmental Services (C&ES), Grahamstown November 2011, S. 68, Anm. 2

10 Die einzelnen Studien aus 2002 finden sich als PDF-Dateien unter: http://www.agaportal.de/pages/aga/projektinformationen/moma_a-projekt.html

Menschen unter der Parallelherrschaft von Rei Mathapa vor Ankunft des Mega-projektes in einem stabilen sozio-ökono-mische Gleichgewicht.11

Die Menschen betreiben traditi-onell Ackerbau, Fischfang und Handel. Hauptsächlich werden Cassava, Mais und Bohnen für den Eigenbedarf ange-baut, daneben gibt es einige Cash Crops wie Kokosnuss, Cashewnuss, Bananen und Mango. Die Viehhaltung beschränkt sich auf Hühner, Ziegen und Enten. Der Fischfang dient vorwiegend der Ernäh-rung der Familie sowie dem Verkauf an Nachbarn und an Händler. Nur wenige sind im informellen Sektor aktiv, doch selbst wer Handel treibt, unterhält noch seine machamba.

Damit Kenmare seine Aufberei-tungsanlage für die Gewinnung der Mineralien aufbauen konnte, mussten mehrere hundert Personen, die seit Ge-nerationen auf dem Gelände lebten, um-gesiedelt werden. Im Gegenzug wurden ihnen bessere Häuser, Wasseranschlüs-se, ein Gesundheitsposten und anderes versprochen. Die ersten 145 Familien aus

der Namalote-Gemeinde wurden 2007 umgesiedelt, weitere Umsiedlungen er-folgten 2009 und 2010. Für das Nataka-Projekt in der Ausbauphase III ist eine weitere Umsiedlung von mehreren hun-dert Familien vorgesehen.

Wie so oft in solchen Fällen, lief auch beim Moma-Projekt die Umsied-lung der betroffenen Bevölkerung nicht reibungslos und brachte das Unterneh-men in die Kritik. Diese Kritik macht sich in erster Linie fest an mangelhaftem Di-alog mit der Bevölkerung, der Zerstörung von Lebensgrundlagen, der Missachtung alter Traditionen, der Nichteinhaltung

11 Projecto „Promoção da Cidadania e Desenvolvimento Comunitário” – implementado pela Associação para Desenvolvimento das Cominidades Rurais – ADECOR, Relatório duma missão de consultoria realizada em Novembro/Dezembro de 2008, Pão para o Mundi (PPM), versão draft, 19.1.2009

von Versprechungen und dem Abschie-ben der Verantwortung auf die Distrikt-regierung.

Mangelnde Konsultation mit der Bevölkerung

Statt sich ausreichend Zeit für Konsul-tationen mit den Gemeinden und deren Ansprechpartnern zu nehmen, hat die Firmenleitung von Anfang an Druck auf die Menschen ausgeübt, um keine Zeit zu verlieren. Von Kenmare kam der Vorwurf, dass die Verhandlungen viel zu langsam vonstatten gingen, weil etliche Menschen von der Situation zu profitieren versuch-ten, um bessere Häuser zu bekommen. Die Bewohner wiederum beschwerten sich, dass der Konzern gar nicht erst zu einem Dialog bereit gewesen sei.

Einer der Gemeindevorsteher von Topuito berichtete gegenüber den Mo-nitoren von CIP: „Zum Teil hat es uns viel gekostet, mit der Firma zu verhandeln, denn keiner von der Regierung ist ge-kommen. Selbst jetzt (September 2010) ist der Dialog gleich null. Die Umsied-lung wurde mit viel Druck vollzogen. Als wir umgezogen sind, haben sie uns Geld versprochen, doch dann nie wieder. Von dem versprochenen Wasser haben wir bis heute nichts gesehen. Die Firma hat uns keineswegs konsultiert, erst nachdem die Entscheidungen in Maputo gefallen wa-ren, haben sie uns Bericht erstattet. Wir würden gerne bei den Treffen von Regie-rung und Unternehmen vertreten sein. Hätten wir nicht akzeptiert, unser Land zu verlassen, wäre die Firma erst gar nicht errichtet worden.“12

Kenmare schiebt die gestörte Kom-munikation mit der betroffenen Bevölke-rung auf den Umstand, dass der Distrikt-verwalter von Moma stets mit Abwesen-heit glänze. Von dort wird der schwarze Peter aber an das Unternehmen zurück-gegeben, der es an mangelndem Respekt gegenüber der Distriktverwaltung fehle und die nie einer Einladung zu einem Treffen der Distriktregierung gefolgt sei. Alle Angelegenheiten würden ohnehin nur mit der Zentralregierung besprochen.

Zerstörung der Lebensgrundlagen

Die Auswirkungen der Umsiedlung ha-ben die Familien von Namalote bislang am deutlichsten zu spüren bekommen.

12 Questões à volta da Mineração em Moçambique, Rela-tório de Monitoria das Actividades Mineiras em Moma, Moatize, Manhoca e Sussundenga, Tomás Selemane, CIP, Maputo 2010, S. 12

Die neue Siedlung mit der Schule im Hintergrund. Foto: Petra Aschoff

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Vom Reichtum in der Armut – Rohstoffabbau und Verteilungskonflikte 35

Die neuen Felder in der Nähe ihres neu-en, Muttittikoma genannten Domizils, sind zu klein, sandig und deswegen we-nig fruchtbar. Mangels Regen gibt der Trockenanbau kaum Ertrag, die Kokos-nuss-, Mango- und Cashewnussbäume, von denen die Familien zuvor immerhin ein kleines Einkommen erwirtschaften konnten, sind zerstört und nicht wieder ersetzt worden.

Hinzu kommt der quasi zum Erlie-gen gekommene Fischfang, weil die tra-ditionellen Fischfanggebiete entweder zur Freihandelszone gehören, die sich bis aufs Meer ausdehnt und ausschließlich von Kenmare genutzt werden darf, oder so weit entfernt liegen, dass der Zugang zu ihnen erschwert ist. Fischer aus Muttit-tikoma, die 2008 in der verbotenen Zone fischen wollten, wurden von Sicherheits-kräften des Konzerns aufgegriffen. Ihre Netze wurden konfisziert und der Polizei übergeben. Auch die bei der Umsiedlung zerstörten Marktstände der Kleinhänd-ler/innen wurden nicht ersetzt.

Die Folgen für die Menschen sind Armut und Schlangen von Arbeitslosen an den Toren von Kenmare. Ein Jahr nach der Umsiedlung hatten lediglich sechs Personen aus der Neusiedlung eine An-stellung bei der Minenfirma gefunden, Ende 2011 gab es sogar nur noch einen einzigen Mann aus dem ungesiedelten Ort, der als Wächter angestellt ist. Man-gels Qualifikation kommen sie für Ken-mare ohnehin nur als Putzkraft, Wächter oder Koch in Frage, zudem sehen sie sich

der Konkurrenz von Arbeitskräften aus anderen Regionen Mosambiks oder – bei größerer Qualifikation – aus Maputo oder Simbabwe ausgesetzt.

Für die Menschen in Muttittiko-ma sieht die Zukunft düster aus: Die Le-bensgrundlagen sind zerstört und auch bei Kenmare finden sie – entgegen den Versprechungen – keine Arbeit. Das Über-leben der Gemeinde ist in Gefahr, so das Resümee einer Evaluierung von Brot für die Welt vor Ort.13

Tabubruch: Umverlegung der traditionellen Grabstätten

Ein für die Menschen unverzeihlicher Tabubruch war die Umverlegung der tra-ditionellen Grabstätten, die seit uralten Zeiten von den Gemeinden von Namalote und Topuito gemeinsam benutzt werden. Für Kenmare stand von Anfang an fest, dass die Grabstätten weichen müssen. Entschädigungsangebote Kenmares für umverlegte Gräber sahen Gemeindever-treter als Beleidigung an, doch auf Druck des Distriktverwalters musste Rei Mutha-pa gegen seinen Willen nachgeben. Die versprochene Entschädigungssumme von anfänglich 25.000 MZM (ca. 758 Euro) re-duzierte sich nach entsprechendem Druck der Regierung auf die Gemeindevorsteher auf umgerechnet 175 Euro pro Grab.

13 Projecto „Promoção da Cidadania e Desenvolvimento Comunitário”, PPM 2009, S. 19-20

Der Umsiedlungsplan empfahl für die Verlegung der Gräber Taktgefühl, doch Kenmare heuerte für die Aktion eine süd-afrikanische Firma an, die von der Ahnen-verehrung an einem heiligen Ort, den tra-ditionellen Riten und dem Tabu, Tote aus-zugraben und zu verlegen, offensichtlich nicht die geringste Ahnung hatte. Noch vor der Ausgrabung der Toten befahl sie die gleichzeitige Öffnung aller neu ange-legten Gräber im neuen Friedhof, was die Bevölkerung sehr verstörte. Schlimmer noch war die Zerstückelung der Knochen der Verstorbenen, um sie für die nur 40 cm großen Transportkisten „passend“ zu machen. „Das bedeutete, Personen zu verletzen, die schon lange Zeit tot waren; die Familien haben sogar geweint. Wie kann man nur Knochen von unschuldigen Toten brechen?“, beschwerte sich der ré-gulo Mathapa.14

Die Verlockung, für die Grabüber-führung bezahlt zu werden, verführte zahlreiche Menschen dazu, falsche An-gaben über ihre Hinterbliebenen zu ma-chen und die Neugräber für ihre Familien zu beanspruchen, was letztlich zu Kon-flikten zwischen den Gemeinden führte, die es zuvor nie gegeben hatte. Immerhin scheint Kenmare erkannt zu haben, dass es mit der für die Produktion eigentlich unnötigen Grabstättenverlegung einen schweren Fehler begangen hat.15

14 „Questões à volta da Mineração em Moçambique”, CIP 2010, S. 13

15 Projecto „Promoção da Cidadania e Desenvolvimento Comunitário”, PPM 2009, S. 20

Mangelnde Konsultation mit der Bevölkerung: Versammlung im neuen Gemeimschaftshaus. Foto: Petra Aschoff

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Erschüttertes Vertrauen in Kenmare und Regierung

Das anfängliche Vertrauen der Gemein-den in Kenmare ist verflogen, nachdem das Unternehmen anfangs große Hoff-nungen auf Arbeit und eine Verbesse-rung der Lebensverhältnisse geweckt hatte, Versprechungen jedoch wiederholt nicht eingehalten wurden. So gibt es bis heute in der Neusiedlung Muttittikoma noch keine Brunnen mit Trinkwasser. Die Wasserversorgung der 145 Familien findet durch einen Tanklaster oder eine Wasser-leitung statt, die von Kenmare in das Dorf gelegt wurde (siehe Fotos). Da das Was-ser aber nur im Rinnsal aus dem Schlauch kommt, stehen die Frauen stundenlang ungeschützt in der Sonne, bis ihre Gefäße gefüllt sind. Die tägliche Lieferung reicht allenfalls für vier Liter Wasser pro Person/Tag, weit unter der von der FAO empfoh-lenen Mindestversorgung von 20 Litern.

Drei Jahre nach der Umsiedlung ha-ben die Monitoren von CIP (2010) festge-stellt, dass auch die meisten anderen Ver-sprechungen wie der Bau eines Gesund-heitspostens oder die Errichtung eines Marktes nicht eingehalten wurden. Erst im Jahr 2011 wurde mit dem Bau der Ge-sundheitsstation begonnen. Auch die 145 neu gebauten Häuser sind von schlechter Qualität, die Wände zeigten bereits nach einem Jahr Risse und ließen Regenwas-ser durchsickern. Kenmare versprach eine Beseitigung der Mängel, doch zum Zeit-punkt der CIP-Untersuchung war noch nichts geschehen. Die Leute mussten die Risse selbst mit Lehm verstopfen. Im Juni 2010 gab es in der Neusiedlung 400 Häu-ser, denn auch etliche Neuankömmlinge haben sich dort auf der Suche nach Arbeit und Handel eingerichtet.

Vergeblich haben sich die Gemein-deführer darum bemüht, Verträge mit Kenmare schriftlich festhalten zu kön-nen. Doch Analphabeten, die „Angst vor Weißen“ haben, sind im Verständnis der Kenmare-Experten keine geeigneten Partner für solche Verträge. So herrscht nicht nur gegenüber dem Riesen Ken-mare ein Gefühl der Machtlosigkeit, die Gemeindeführer fühlen sich auch von der Regierung im Stich gelassen, die über ihren Distriktverwalter Druck ausübt und nicht mit den Gemeinden, sondern nur mit dem Unternehmen zusammen-arbeitet. Bisher haben die lokalen Be-hörden die betroffene Bevölkerung bei der Durchsetzung ihrer Rechte in keiner Weise unterstützt.

Das Gutachten für die dritte Aus-baustufe des Moma-Titansandprojektes wurde von C&ES im November 2011 ver-öffentlicht. Bemerkenswert ist, dass die

Gutachter die für das Nataka-Projekt vor-gesehene Umsiedlung aufgrund der gro-ßen Anzahl der betroffenen Bevölkerung und der hohen Erwartungen als hoch-riskant für das Projekt einstufen. Man scheint aus den negativen Erfahrungen mit der Umsiedlung der Namalote-Ge-meinde gelernt zu haben und zumindest aufmerksamer in Bezug auf die sozialen Folgen geworden zu sein. Das Gutachten konstatiert, dass der Zugang zu Land für die durch Armut extrem verwundbare Bevölkerung überlebenswichtig ist. Im einzelnen aufgeführt werden: reduzierte Kapazität für das Überleben der Haushal-te, wachsender Druck auf das umliegen-des Land und Ressourcen, höhere Ster-be- und Unterernährungsraten, wach-sender Reproduktionsdruck auf Frauen, Verlust von Gehöften, machambas und Verbindungen zu den Ahnen, Verlust tra-ditioneller Landansprüche, wachsendes Potenzial für Landkonflikte, Verlust des Zugangs zum Wald, Verlust von Gemein-deressourcen und wachsender Druck auf die lokale Fischerei.16

In den im Anhang des Gutachtens protokollierten Treffen in sechs Dörfern, bei denen auch verschiedene Vertreter der Distriktregierung und der Kenmare-Entwicklungsabteilung anwesend wa-ren, kommt immer wieder zum Ausdruck, dass die Menschen zwar Arbeit haben wollen, Vorrang für sie jedoch der Zugang zu Land hat – Landnahme gegen Arbeits-plätze ist für sie keine Option.

Die Kenmare Moma-Entwick-lungsgesellschaft KMAD

Kenmare hat im Jahre 2004 eine Ent-wicklungsgesellschaft, die Kenmare Moma Associação de Desenvolvimente (KMAD) gegründet, mit der sie nach ei-genen Angaben die sozioökonomische Entwicklung der in der Umgebung der Moma-Titanmine lebenden Gemein-schaften fördern will.17 In den Genuss des Programms kommen allerdings nur die Gemeinden, die in einem Radius von 10 Kilometern vom Moma-Projekt wohnen.

In einem Bericht der European In-vestment Bank EIB, die das Bergbau-Pro-jekt von Kenmare mitfinanziert hat, heißt es: „Mit Unterstützung nationaler und internationaler Partnerinstitutionen hat die KMDA kleine Betriebe gegründet, die sich auf sechs Dörfer verteilen und mit

16 Kenmare Moma Titanum Minerals Project, Nataka Project, C&ES 2011, S. 68

17 Seit 2007 ist es eine gesetzliche Vorschrift, dass die Un-ternehmen Sozialleistungen für die lokalen Gemeinden z.B. in Form von Gesundheitsposten, Schulen, Bau von Straßen etc. erbringen müssen. Die Details müssen laut Gesetz mit den Gemeinden ausgehandelt werden.

der Eierproduktion, der Hühnerzucht und dem Gemüseanbau jährlich Einnahmen von 150.000 USD erwirtschaften. Darüber hinaus hat die KMDA eine mobile Klinik eingerichtet, der ein Allgemeinmedizi-ner und Zahnarzt angehören, Projekte zu den Themen Ernährungssicherheit und AIDS/Gesundheit in die Wege geleitet, vier neue Schulen gebaut, ein Spar- und Kreditprogramm eingerichtet, Wasser-pumpen installiert und eine Fußball-Liga ins Leben gerufen. Auch wenn noch viel zu tun ist, so gibt es dennoch nicht eine Familie in diesem Gebiet, die nicht in ir-gendeiner Weise von dem Programm der KMDA profitiert hat.“18

Das klingt alles sehr wohlfeil und Ken-mare erhielt für dieses Programm auch zwei Auszeichnungen: Im Oktober 2009 den von der irischen Industrie- und Han-delskammer und dem irischen Minis-terium für Gemeindeangelegenheiten verliehenen „President’s Award“ für das beste internationale Corporate Social Responsibility-Programm, einen Monat später den „Nedbank Socio-Economic Award“. Nun, Kenmare ist zum einen ein irisches Unternehmen, zum anderen wird die KMAD zum großen Teil von der Nie-derländischen Entwicklungsbank FMO finanziert. Da kann ein gutes Image in den Geberländern nicht schaden.

Kenmares Image im Ausland mag strahlen, die Recherchen von CIP zeichnen jedoch ein anderes Bild. Danach sind Ken-mare und seine Entwicklungsgesellschaft KMAD bei der Bevölkerung und der Dist-riktverwaltung in Topuito schlecht ange-sehen. Die Investitionssummen betrügen laut Regina Macuacua, Kenmare-Berate-rin für soziale Entwicklung und Koordi-natorin der KMAD-Projekte, jährlich 350 bis 400 Mio. US-Dollar – an anderer Stelle beziffert sie die Investitionen seit 2004 mit 700.000 US-Dollar und gibt die Zahl der von den Projekten begünstigten Per-sonen mit rund 200 an.19 Solche Summen hält Moma-Distriktverwalter Anselmo Luis laut CIP-Studie für eine „große Lü-ge“, denn Investitionen in einer solchen Größenordnung würden in einem derart armen Distrikt nicht unbemerkt von-statten gehen. „Das ist nicht möglich, es ist eine große Lüge, wenn es wahr wä-re, sähe dieser Distrikt anders aus, doch man sieht nichts. Dieser Distrikt ist für seine Schwersande bekannt, doch wenn jemand hierhin kommt, wird er nichts Außerordentliches entdecken. Die Klas-senräume, die von dieser Firma errichtet

18 EIB-finanziertes Bergbau-Projekt in Mosambik für Corporate Social Responsibility und sozioökonomische Komponente ausgezeichnet, EIB, 20. Januar 2010

19 Wenn Bergbau-Projekte zu sozialer Entwicklung bei-tragen, Interview mit Regina Macuacua, EIB, 20. Januar 2010

3.1 Kenmare Moma Titanium

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wurden, sind sehr unstabil, wir von der Di-striktregierung gehen davon aus, dass sie nicht einmal zehn Jahre stehen bleiben.“20

Die in den Projekten produzierten Eier, Hühner und das Gemüse werden von Kenmare selbst aufgekauft und sind für die Minenarbeiter bestimmt. Alle Pro-jekte werden von eigens dafür eingerich-teten Kleinstbetrieben durchgeführt. Die CIP-Monitoren haben sich eine Geflügel-zuchtvereinigung näher angeschaut: Sie besteht aus sechs Mitgliedern und wur-de im August 2007 gegründet. Zu Beginn wurden 6300 Eier pro Woche produziert, 900 am Tag. Bis Mai 2010 ist die Ausbeu-te auf 600 Eier am Tag gesunken, zum einen wegen der älter werdenden Lege-hühner, zum anderen aber auch wegen der sinkenden Motivation der Mitglieder, die sich von der KMAD getäuscht und aus-genutzt fühlen. Nach ihrem Verständnis hatte die KMAD ihnen zugesagt, dass die Hühnerzucht innerhalb von 80 Wochen in ihr Eigentum übergehen würde, was seitens der Geschäftsleitung von Ken-mare als „Missverständnis“ dargestellt wird. Firmenleiter Clifton antwortete auf die Nachfrage der Vereinsmitglieder mit

„gezeichneten Kurven, die wir nicht verste-hen. Wir glauben, dass die Firma uns nur ausnutzt, um den Arbeitern der Fabrik Es-sen zu geben.“21

20 „Questões à volta da Mineração em Moçambique”, CIP 2010, S. 17

21 Ebd., S. 18

Auch eine Nähvereinigung mit eben-falls sechs Mitgliedern und drei firme-neigenen Nähmaschinen erfüllt keinen anderen Zweck als Säcke zum Transport des Moma-Sandes anzufertigen. Bei ei-ner Produktion von wöchentlich 2.000 Säcken wird der einzelne Sack zum Ein-heitspreis von 23 Meticais an Kenmare verkauft.

Solche von CIP vor Ort gesammel-ten Informationen lassen die Aussage von KMAD-Koordinatorin Regina Macuacua,

„dass Projekte, die zu 100 % vom Bergwerk abhängen, nicht mit den Nachhaltigkeits-grundsätzen der KMDA vereinbar sind“22, doch sehr zweifelhaft erscheinen. Ob dort wirklich Betriebe aufgebaut werden, „die auch ohne das Bergwerk weiter bestehen könnten“, wird in weiteren Recherchen noch zu überprüfen sein.

Sandige ZukunftJe mehr Schwermineralsande Kenmare in Moma abbaut, desto höher werden die Sandberge um die Fabrik herum. Der Boden wird sich kaum erholen und ca. ein Drittel des Abbaugebietes wird für immer unbrauchbar für den landwirtschaftli-chen Anbau bleiben.

Betrachtet man die Situation der ländlichen Bevölkerung im Einzugsbe-

22 Wenn Bergbau-Projekte zu sozialer Entwicklung beitra-gen, EIB 2010

reich des Moma-Projektes, ihre insgesamt prekärer gewordene Lebenssituation und Abhängigkeit davon, einen der wenigen Arbeitsplätze, die Kenmare den Men-schen vor Ort bietet, zu bekommen, dann bleibt von den „üblichen Multiplikatoref-fekten“, die Kenmare groß versprochen hatte, wenig übrig. Der Sand von Moma mag für die hochtechnologischen Bedürf-nisse in den Industrieländern ein Segen sein, für die betroffene Bevölkerung vor Ort ist er mehr ein Fluch, denn gegen die Übermacht von Kenmare können sie nichts ausrichten. Allenfalls die Ar-beitskräfte können durch Streikaktionen

„Sand ins Getriebe“ der Schwermineral-sandproduktion streuen.

Wenn solche Megaprojekte tat-sächlich zur Entwicklung der Region und Mosambiks beitragen sollen, dann rei-chen neue Verträge mit den Multis, die für mehr Steuereinnahmen für den Staat sorgen, nicht aus. Statt isolierter Verein-barungen mit ausländischen Investoren und einseitiger Direktiven der Zentralre-gierung in Maputo brauchen die Men-schen vor Ort eine stärkere Berücksichti-gung ihrer Interessen durch die Stärkung ihrer lokalen Verwaltungsstrukturen, die Zusammenarbeit mit traditionellen Au-toritäten und die Einbindung zivilgesell-schaftlicher Organisationen.

Die Frauen und Kinder stehen stundenlang in der Sonne, um ihre Kanister mit Wasser zu befüllen. Foto: Petra Aschoff