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und für zu leicht befunden? Neue Herausforderungen für die Forschung in Deutschland und in Europa Villa-Hügel-Gespräch 2002 Gewogen

32116 Villa-Huegel 2002 - Ids Hochschuleids.hof.uni-halle.de/documents/t843.pdf · Mit Beiträgen von Peter Frankenberg,Andrei Plesu,Dieter Jahn, Karl Max Einhäupl,Rolf Tarrach,Walter

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2002

und für zu leichtbefunden?

Neue Herausforderungen für die Forschungin Deutschland und in Europa

Villa-Hügel-Gespräch 2002

Gewogen

Stifterverbandfür die Deutsche Wissenschaft

Villa-Hügel-Gespräch 2002

und für zu leichtbefunden?

Neue Herausforderungen für die Forschungin Deutschland und in Europa

Gewogen

and Found Wanting?

New Challenges for Research Policyin Germany and in Europe

Weighed

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HerausgeberStifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V.Barkhovenallee 145239 EssenTel.: (02 01) 84 01-0Fax: (02 01) 84 01-3 01E-Mail: [email protected]: www.stifterverband.de

VerantwortlichDr. Angela Lindner

RedaktionDr. Heide Radlanski Michael Sonnabend M. A.

FotoredaktionCornelia Herting

Optische Konzeption und LayoutGESTALTmanufaktur GmbH, Westenhellweg 52, 44137 Dortmund

Litho und DruckLaupenmühlen Druck GmbH & Co. KG, Hüttenstraße 3-9, 44795 Bochum

FotosS. 8/9: Erwin WodickaS. 26/27 digitalSTOCKS. 50/51:Wolfgang FilserAlle weiteren Fotos: David Ausserhofer Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen,der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

© 2003, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen

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Inhalt

Einleitendes..

Deutschland nach dem Wiegen..

Zu viele Gewichte in Europa?..

Arend OetkerEinleitung Seite 5Introduction Seite 6

Keith PavittFrom Competence to Rigidity Seite 10

Harald zur HausenHistorische Chancen wurden vertan Seite 14

Alfred PühlerWider die Versäulung des Systems Seite 18

Diskussion Seite 21Mit Beiträgen von Hans-Olaf Henkel, Dieter Jahn, Uwe Thomas,Max G. Huber, Peter Frankenberg, Arnold Schmidt, Klaus Landfried,Thomas Oppermann, Philip Campbell, Peter Gruss, Jean-Patrick Connerade,Nikolaus Schweickart, Ursula Peters, Frieder Meyer-Krahmer

Bengt Åke LundvallBetween two Chairs Seite 28

Horst SobollVon den Besten lernen Seite 34

Peter TindemansCompetition instead of Integration Seite 40

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Inhalt..

Frieder Meyer-KrahmerMithalten und mitprägen Seite 52

Diskussion Seite 58Mit Beiträgen von Bengt Åke Lundvall, Karl Max Einhäupl,Frieder Meyer-Krahmer, Peter Frankenberg, Peter Tindemans, Alfred Pühler

Wilhelm KrullVeränderung tut Not Seite 62A Shift is inevitable Seite 66

Manfred ErhardtMehr Wissenschaft fürs Geld Seite 70More Science for the Money Seite 72

Teilnehmer/Participants Seite 74

Pressestimmen Seite 77

Deutschlands Gewicht in Europa..

Fazit und Ausblick..

Anhang..

Diskussion Seite 44Mit Beiträgen von Peter Frankenberg, Andrei Plesu, Dieter Jahn,Karl Max Einhäupl, Rolf Tarrach,Walter Kröll, Peter Gruss,Philip Campbell, Jean-Patrick Connerade, Bengt Åke Lundvall

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Arend Oetker

Einleitung

Es scheint, als würde uns das The-ma des Villa-Hügel-Gespräches2002 alle zehn Jahre unter ande-

ren Vorzeichen wieder neu beschäftigen.Im Jahr 1983 stand das Villa-Hügel-Ge-spräch unter dem Titel „Hochschulfor-schung und industrielle Innovation. Sindwir für die Zukunft gerüstet?“. 1994 ka-men wir dem Thema noch ein wenig nä-her: „Von der Hypothese zum Produkt.Verbesserung der Innovationsfähigkeitdurch Neuorganisation der öffentlich fi-nanzierten Forschung?“ Damals – so le-sen wir in der Zusammenfassung vonHorst Albach – blieb die Kritik an der Or-ganisation der öffentlich geförderten For-schung gemäßigt. Und zwar aus Sorge,„dass eine Eröffnung der Diskussion überorganisatorische Änderungen der For-schung weitere Einschränkungen des Frei-raums für Forschung zur Folge habenkönnte“. Das kommt mir bekannt vor!Und ich fände es sehr schade, wenn dieseSorge auch die heutige Diskussion vonvornherein einschränken würde. Aber, wiegesagt, die europäische Dimension bliebdamals außen vor – heute ist sie nichtmehr wegzudenken.

„Gewogen und für zu leicht befunden?“ Wostehen wir heute in Deutschland nachden umfangreichen Systemevaluationenund nach dem Benchmarking-Prozessinnerhalb der Europäischen Union? Kön-nen, wollen, dürfen wir uns mit einer

Rolle im europäischen Mittelfeld zufrie-den geben?

Wir im Stifterverband denken, dasssich die Frage nach der Steigerung desWettbewerbs in der deutschen Forschungnur im europäischen Kontext behandelnlässt, und dass Wettbewerb überhaupt einElement sein kann, um produktiver, in-novativer, schneller und mit weniger Mit-teln effizienter zu forschen. • Mehr Grundlagenforschung auf euro-

päischer Ebene, oder eben nicht?• Brauchen wir einen European Research

Council?• Wenn ja, wie sollte er arbeiten, aufge-

baut sein und finanziert werden?

Arend Oetker:Wettbewerb führt zu effizientererForschung.

Forschung im europäischen Kontext

• Oder sollten wir uns nicht lieber auf ei-ne weitere Verbesserung des EU-Rah-menprogramms konzentrieren?

• Wie gelingt die Einbindung der osteu-ropäischen Beitrittsländer, die unmittel-bar bevorsteht?

• Nicht zu vergessen die Wirtschaft –stimmen hier die Rahmenbedingungen?Kann sie den von ihr erwarteten Beitragleisten?

• etc.

Neben all diesen Grundsatzfragen ist derhohe Abstimmungsaufwand innerhalb Eu-ropas immer wieder zu bedenken, und da-mit ist auch die Effizienz der Akteure aufdie Probe gestellt.

Mein Eindruck ist, es trifft immer nochzu, was Willy Brandt gesagt hat: „Mit denEuropa-Verhandlungen ist es wie mit demLiebesspiel der Elefanten: Alles spielt sichauf hoher Ebene ab, wirbelt viel Staub auf– und es dauert sehr lange, bis etwas dabei

herauskommt.“ Geduld und ein langerAtem sind also auf alle Fälle gefragt.

Nach diesen Überlegungen über Lern-prozesse von Wissenschaft und Wirt-schaft in Europa wenden wir den Blickwieder nach Deutschland zurück: „Wiemuss sich das deutsche Forschungssys-tem im europäischen Kontext verän-dern?“ Ja, muss es sich denn überhauptverändern? Und warum im europäischenKontext, wo doch offenkundig der Wegzum Europäischen Forschungsraum nochweit ist? Wäre eine langsame Annäherungüber eine Europäisierung der eigenen Ar-beit, die Öffnung nationaler Programme,über bi- und trinationale Vereinbarungenund Joint Ventures nicht der vernünfti-gere Weg?

Alle diese Fragen wurden beim Villa-Hügel-Gespräch 2002 diskutiert.

Dr. Arend Oetker, Präsident des Stifterverbandes

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Einleitendes..

Arend Oetker

Introduction

IIt seems as if we were dealing with to-day’s topic again and again every tenyears, albeit under different circum-

stances. In 1983, the theme of the VillaHügel Talks was “Higher education researchand industrial innovation. Are we preparedfor the future?” In 1994, we got even closerto the topic: “From the hypothesis to the

product. Improving innovative capacities byreorganising public-funded research?” As wecan read in the summary written by HorstAlbach, criticism of the way public-fundedresearch was organised remained moderate.The reason for this was concerns that “start-ing a debate on organisational changes inresearch could result in further restrictions

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Arend Oetker: Competition raises more efficientresearch.

being imposed on the scope for research ac-tivities.” This rings a bell! And I believe itwould be a great pity if such concerns wereto constrain today’s debate right from the on-set, too. But as I have already mentioned,the European dimension was not consideredat the time. Today, it would be hard to imag-ine any debate not addressing European is-sues.

“Weighed and found wanting?” At whatposition are we in Germany today, followingthe extensive evaluation and the benchmar-king process within the European Union?Can we be satisfied with a role in the Euro-pean midfield? Do we want to be? And oughtwe be?

In the Stifterverband, our opinion is that theissue of creating more competition in Ger-man research can only be dealt with in theEuropean context, and that, quite generally,competition can be an element encouragingmore productive, innovative and faster re-search that requires less resource funding.• More pure research at European level? Or

would that be the wrong approach?

• Do we need a European Research Council?• If so, how should it work and be structured

and funded?• Or wouldn’t it be better for us to concen-

trate on further improvements to the EUFramework Programme?

• How is the integration of the east Europe-an Candidate Countries, which is imme-diately forthcoming, going to be accom-plished?

• We mustn’t forget industry. Are the rightframework conditions in place here? Canit make the contribution it is expected tomake?

• etc. …

In addition to all these matters of principle,the considerable co-ordinating effort withinEurope, which also puts the efficiency of theactors to the test, always has to be consi-dered.

My impression is that what the Germanstatesman Willy Brandt said still applies:“Negotiations on Europe are like elephantcourtships. Everything proceeds at a highlevel, causes a big stir – and it takes verylong before anything emerges.” So patienceand perseverance are definitely required.

After these reflections on learning pro-cesses of science and industry in Europe, let’sreturn to Germany. “How must the Germanresearch system change in a European con-text?” Does it have to change at all? And ifso, why in a European context, given that weobviously still have a long way to go beforethe European Research Area materialises?Wouldn’t a slow approach via a European-isation of our own activities, an opening upof national programmes and bi- and tri-natio-nal agreements and joint ventures be the more sensible course to pursue?

All these issues were discussed at the2002 Villa Hügel Talks.

Dr. Arend Oetker,President of the Stifterverband

German Research in European Context

Keith PavittFrom Competence to Rigidity

Seite 10

Harald zur HausenHistorische Chancen wurden vertan

Seite 14

Alfred Pühler Wider die Versäulung des Systems

Seite 18

Diskussion

Seite 21

Deutschland nach dem Wiegen

10

Deutschland nach dem Wiegen..

Zusammenfassung

Keith Pavitt

From Competence to Rigidity

Die Diskussionen über die Probleme desdeutschen Wissenschafts- und Technolo-giesystems sind neueren Ursprungs. Eingängiges Argument ist, dass DeutschlandsProblem ganz einfach auf schwache Anrei-ze zurückzuführen sei. Gäbe es stärkere An-reize, innovativer zu werden und würde beiVersagen härter durchgegriffen, so würdesich das System von selbst verbessern. Zu-nächst sollte Deutschlands beeindrucken-de Geschichte in der Forschung und Tech-

nologie erwähnt werden. Freilich geriet siein den neunziger Jahren in eine Schieflage.Der erste Grund hierfür war die Auswir-kung der deutschen Wiedervereinigung.Zweitens haben die Kernkompetenzen zuErstarrungen im Innovationssystem ge-führt. Deutschland weist hervorragendeStärken im Maschinenbau, in der Chemie,in der Automobilindustrie und dergleichenauf. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Kern-kompetenzen den Anreiz und die Neigung

F rom my sympathetic but nonethe-less outside perspective I’d like tomake two points:

The first is that it seems to me, as an outsi-der, that the great concern about the prob-lems of the German science and technologysystem is of recent origin. I would place it inthe last ten years. And secondly, the problemsof the German science and technology sys-tem cannot be ascribed simply to the pro-blems of the social market economy and thewelfare state. There is an argument which isquite prevalent in Germany that the coun-

try’s problem is simply one of weak incen-tives, that if one sharpened up incentives tobe more innovative and one was tougher ab-out failure the system would right itself. I do-n’t want to get into a wider debate about thevalidity of that point of view regarding prob-lems the economy and unemployment. But Iwould like to argue that to understand theproblems of the German science and techno-logy system, one must look at the specificitiesof German history and the way that Germanhistory has influenced the direction of in-vestments in science and technology.

In German research, some core competencies have turned into core rigidities. Core

competencies can reduce the inclination to look in new directions and to focus on

multidisciplinary work and new disciplines.

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Keith Pavitt: We need pluralism, debate and con-troversy.

The first thing to note as an outsider, comingfrom Britain, is Germany’s impressive his-torical record. In the UK, recently at least,there has been great admiration for generaland vocational education in Germany, thecommitment to basic research, engineeringeducation, and commitment on the part ofbusiness to research and development, to pro-fessional skills and to innovation. If onelooks back historically, the notion that Ger-man institutions are only good for incre-mental innovation doesn’t stand up to his-torical scrutiny. Germany had world lea-dership in the major industries and techno-logies in the beginning of the century. In the1920s and the 1930s, it was pioneering ra-dical inventions in aerodynamics, rockets,recording, films, jet engines and computers.And since the Second World War, Germanycaught up in aerospace technologies. Also, ifone looks more generally at the statistics bet-ween 1970 and 1990, industry’s funding ofresearch and development in Germany,which is the best proxy measure of commit-ment to new technology, was growing fast,faster and at a higher level than that of theUnited States. This was reflected in econo-mic performance. But then, in the 1990s,things began to go wrong. This is in fact re-flected in the statistics, which show an in-flection point at which Germany turnsdownwards and the United States upwards.

Something changed rather quickly. And itseems to me that what really happened inthe beginning of the 1990s was reflected inindustrial R&D funding in Germany not

verringern, in neue Richtungen zu blickenund neue Dinge zu tun. Das dritte Problemist der Umgang mit interdisziplinären Ak-tivitäten und der Aufbau neuer Disziplinen.An deutschen Universitäten verfügt derProfessor über eine starke Machtposition,was zu Problemen beim Aufbau neuer Dis-ziplinen geführt hat. Ein weiterer Bereich, indem wir von den Vereinigten Staaten ler-nen können, ist die große Bedeutung deröffentlichen Forschungsförderung und des

Pluralismus, wobei Doppelarbeit durchausin Kauf genommen wird. Was wir auf eu-ropäischer Ebene am allerwenigsten brau-chen ist Koordinierung. Was wir hingegenwirklich brauchen sind Pluralismus, Dop-pelarbeit, Debatten und Kontroversen.

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Deutschland nach dem Wiegen..

growing as fast, or actually going down, asthe United States went up. Why? Well I would argue there are three factors. The firstwas the effect of reunification in Germany ofwhich I have nothing to say except that itmust have been dramatic! So Germany wassimply worried about other things at thattime. The second one emerged from studieslooking at R&D funding and statistics thatshow the explosion of technological activi-ty in IT and biotech in the United States inthe early 1990s as well as the shift from theeast coast of the United States to the westcoast in the performance of this activity.What I also saw, beginning with the Ger-man chemical firms, was that Europeanchemical firms were starting to expand re-search and development not in Europe butin the United States. This is also true forBritish, French, Dutch and Swedish firms.And why? To be where the action was. Andthe action was in and around American uni-versities, which could boast high qualityacademic research as well as useful rese-arch in IT and biotech. Recently produceddata show very clearly that part of the rea-son for the strong American entrepreneurship measured geographically in terms ofR&D in the United States is that Europeanentrepreneurs go to the United States toplug into this high quality research that isbeing done there. So that is the problem. Itbecomes one of how you increase the at-tractiveness and the usefulness of researchin these fields. Why has Germany not doneso well? This is partly a question of luck.You know, you choose nuclear energy andnuclear energy turns out not to be such asuccessful area after the experiences of tenor fifteen years.

However, there are specific German rea-sons why Germany was not so strong in ge-netics. We know why. The period immedi-ately after the Second World War was char-acterised by uncertainty. We also know thatlead markets for the use of IT in Germany

were not particularly strong. The two leadmarkets were the defence market, whichwas extremely important in the early sta-ges of the development of information tech-nology, and the consumer electronics mar-ket in countries like Japan. In Germany,there were only weak markets in these are-as. And then there was the problem of corecompetencies also turning into core rigidi-ties. Germany’s strength in mechanical en-gineering, chemistry, automobiles and thelike is good, extremely good. But there is adanger that core competencies can reducethe incentive, the inclination to look in newdirections and to do new things.

I’ve listed some examples of what could becore rigidities in Germany. The electrome-chanical firms Siemens and others opted forinvestments in nuclear technology. Indeed,they came rather late to IT because of theirstrong commitment to what are excellentnuclear reactors, the most reliable in theworld. But to a certain extent, the opportu-nity cost of focusing on this area was thatIT was not explored so rigorously. I also re-member the problems of Baden-Württem-berg’s machine tool industry, manufacturingexcellent mechanical machines. But then theJapanese came in with machine tools withnumerical control. Suddenly Germany hadto react and did developing programs to teach the mechanics how to do numericallycontrolled work. And then there is the storyof the problems in modern pharmacy, whereGerman excellence in organic chemistrymay have led it to be relatively arrogant a-bout the applications and the usefulness ofbiology. There have always been tribes inthis game, and if you were in German or-ganic chemistry, the tribe was so strong thatit was more sceptical about biologists thanthe British, the Swedes and the Americanswere. All these countries had firms with a

Core Rigidities in Germany

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background in the food industries so thatthey were used dealing with the biologicaltribes.

Another problem is dealing with multidisci-plinary work and establishing new discipli-nes. In German universities the professor isextremely powerful, apparently even morepowerful than the capitalists, which has ledto problems in starting new disciplines. Andthat is one of the lessons one can learn, fromthe potentially more policy-oriented modelsin America. The American experience issometimes misinterpreted. One aspect is theentrepreneurial university. What do I meanby the entrepreneurial university? I do notmean science parks, licence agreements orspin-off firms. I mean the ability to explorenew disciplines. I am talking about the ab-ility of Stanford University to set up a properacademic department with post-graduate re-search and proper rigorous evaluation in bio-informatics, bringing together informationtechnology and biology. Other things that wecan learn about in the United States are itsstrong commitment to public funding andpluralism including duplication. The lastthing we need at the European level is co-or-dination. What we want is pluralism, dupli-cation, debate, and controversy. And we alsoneed academic excellence, because that iswhat emerges from the U.S. experience aswell. The Americans are strong in IT and bionot specifically because of tough capitalismbut because of heavy government subsidies.This has to do with the war on communismand the war on cancer, which gave a greatpush to these developments and disciplinesin the United States. So I don’t think youhave to buy the whole capitalist package inorder to get effective innovation. There areother models to look at, for example theScandinavian model. If we look at the indi-cators of R&D, patenting, papers, and the li-

ke, the Scandinavians come out as the stron-gest in the world – in spite of social demo-cracy, the welfare state, and everything else.I think there may be lessons to be learnedfrom the rather modest Swedes as well asfrom the noisy Americans.

Professor Keith Pavitt, SPRU Science and Techno-logy Policy Research, University of Sussex, Falmer,Brighton. Keith Pavitt died suddenly and unex-pectedly on December 20, 2002.

The Entrepreneurial University

Deutschland kann inzwischenauf eine beträchtliche Zeit-spanne von mehr oder weniger

kontinuierlicher Evaluation zurückbli-cken. Es begann mit der Analyse der ost-deutschen Forschung nach dem Zu-sammenbruch der DDR, setzte sich dannfort in der Begutachtung der großen For-schungsorganisationen und führte schließ-lich in der Helmholtz-Gemeinschaft Deut-scher Forschungszentren zur Implemen-tierung der programmorientierten Förde-rung. Als Ergebnis dieser vielfältigen Pro-zesse loben die beteiligten Forschungsor-ganisationen ihre eigene Qualität, und diestrifft in großen Teilen auch sicherlich zu.

Es loben auch die Forschungspolitiker ih-ren Entscheid, die deutsche Forschungs-landschaft neu auszurichten.

Die Frage ist allerdings: Ist wirklichetwas Neues zustande gekommen in derZwischenzeit? Hat sich bei uns eine effi-zientere Forschungsstruktur entwickelt?Hat sich der gewaltige Zeit- und Kosten-aufwand, der in diese Evaluation gestecktwurde, auch gelohnt? Obwohl ich einstrikter Befürworter von Begutachtungund auch von globaler Evaluationen bin,würde ich die Frage fast mit einem„Nein“ beantworten. Lassen Sie mich daskurz begründen: Zwei große Gelegenhei-ten, im Grunde historische Chancen zu

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Deutschland nach dem Wiegen..

Summary

Harald zur Hausen

Historische Chancen wurden vertan

Two historic opportunities for truly radicalchanges to the German research systemhave not been taken. The first one occurredwhen Eastern Germany underwent restruc-turing and the research institutions of theformer Communist state were forced into

the existing organisational structures ofWestern Germany. The second opportunitycame about when the major research insti-tutions were evaluated. The evaluation ex-ercises, which required considerable cost andeffort, strengthened the existing structures.

Die Evaluation der deutschen Forschung ist weit gehend folgenlos geblieben.

Schon die Neustrukturierung der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft hat zu

keinem wirklichen Umbruch geführt. Auch in den alten Bundesländern wurde

später viel diskutiert, aber wenig verändert. Es wird höchste Zeit für echte Re-

formen und mehr Wettbewerb.

einem wirklichen Umbruch, wurden ver-tan. Das erste Mal bei der Neustrukturie-rung der ostdeutschen Forschung, als anStelle eines möglichen großen Wurfs ei-ner themenbezogenen Neuorientierungder deutschen Forschungslandschaft dieunterschiedlichen Forschungseinrich-tungen der früheren DDR in das beste-hende Korsett der westdeutschen Orga-nisation gezwängt wurden. Dies war dieerste Fortschreibung der sonst vielfachbeklagten „Versäulung“ der deutschenForschungslandschaft. Hier mag man miteinem gewissen Recht argumentieren,dass Zeit, Not und politische Gegeben-heiten keine wirklichen Alternativen zu-ließen.

Diese Begründung sollte aber umso we-niger für die sich anschließende Runde derBegutachtung der westdeutschen For-schungsorganisationen gelten. Hier lag ausmeiner Sicht die zweite vermutlich vertaneChance. Es sind die fehlenden Konsequen-zen aus der Evaluation der Max-Planck-Ge-sellschaft (MPG), der Deutschen For-schungsgemeinschaft (DFG), der Fraun-hofer-Gesellschaft (FhG), der Leibniz-Ge-meinschaft (WGL) und der Helmholtz-Ge-meinschaft (HGF). Die mit erheblichemAufwand durchgeführten Evaluationenbestätigten im Wesentlichen die beste-henden Strukturen. In der HGF führtensie zu der vom Bundesministerium für Bil-dung und Forschung geforderten, vomWissenschaftsrat bestätigten und schließ-lich auch von den HGF-Gremien akzep-tieren Einrichtung der programmorien-

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tierten, zunächst als Steuerung, später alsFörderung umbenannten Strukturreform.

Was hätte stattdessen erreicht werdenkönnen? Was kann trotzdem in Zukunfterreicht werden? Mein primärer Blickwin-kel ist dabei der aus dem universitären Be-reich und der Gesundheitsforschung, inder die Schaffung einer neuen Strukturseit langem in die Diskussion gebrachtwurde. Die bereits vor zehn Jahren vorge-

Harald zur Hausen: Begutachtungen müssenKonsequenzen nach sich ziehen.

I continue to support the proposal that in-stitutions doing research in the same fieldsbe combined organisationally across insti-tutional borders. Not only would the fieldthen be given a structure, but it would belent a voice as well. If we do not succeed in

providing German research with a suitablestatus and a voice, if we sacrifice long-termobjectives for the sake of four-year politicalcycles, then our research environment willcontinue to look like a patchwork quilt.

schlagene Struktur sah vor, dass die aufdiesem Gebiet forschenden Einrichtun-gen über die institutionalisierten Grenzen– also etwa von Helmholtz-Gemeinschaftund auch Leibnitz-Gemeinschaft, aberauch möglicherweise weiteren – hinwegeine organisatorische Zusammenfassungdurchführen. Dieser Vorschlag wurde leb-haft diskutiert, bisher aber nicht verfolgt.Die Schaffung einer gemeinsamen neuenOrganisationsform – damals als das Deut-sche Zentrum für Gesundheitsforschungskizziert – hat nichts an Aktualität verlo-ren. Sie würde diesem Bereich nicht nurStruktur, sondern eine Stimme geben, wo-bei die gegenwärtig unterschiedlichen Fi-nanzierungsmodalitäten und auch diefachliche Eigenständigkeit weitgehend un-berührt bleiben könnten. Allein die Fo-kussierung auf Kernaufgaben, die Ab-stimmung von Neuberufungen und dieÜberwachung regelmäßiger peer-reviewsdurch die Leitung bei der Förderung vonInfrastruktur und vor allem bei der Koor-dination der klinischen Aktivitäten, könn-ten in Deutschland einen wesentlichenFortschritt bringen.

Das hier aufgezeichnete mögliche Struk-turierungsprinzip gilt nicht nur für denGesundheitsforschungsbereich. Es istleicht, auch für den Bereich der Umwelt-forschung, der physikalischen Forschung,der Erd- und Materialforschung und dertechnischen Fächer ähnliche Pläne zu ent-werfen. Oft wird der Einwand vorge-bracht, dass sich die großen multithema-tischen Einrichtungen, also etwa die For-schungszentren in Jülich und Karlsruhe –oft abwertend als „Gemischtwarenläden“bezeichnet – mit einem solchen Konzeptnicht in Einklang bringen lassen. Aus mei-ner Sicht wäre es eine interessante Idee,diese Zentren, die eine große Zahl her-vorragender Wissenschaftler beschäftigen,als wissenschaftlich-technische Innova-tionszentren zu definieren, deren Aufga-

be es wäre, auch in zentrumsinternerKompetition neue technisch-wissen-schaftliche Konzepte zu entwickeln, bishin zu deren praktischer Anwendung siezu konzipieren und auch weiter zu verfol-gen. Warum sollte man solche Vorschlägein Deutschland und nicht gleich in einereuropäischen Planung verwirklichen? DieAntwort ist einfach: Solange wir nichtinnerhalb Europas unser eigenes Haus inOrdnung bringen, werden wir auch im eu-ropäischen Rahmen keine signifikanteRolle spielen.

Dies bringt mich zu einem weiterenPunkt: Es fehlt in Deutschland an einerKultur des einrichtungs- und zentrumsin-ternen Wettbewerbs. Wir werden heutezunehmend zwangsvernetzt, wobei kom-petitive Strukturen immer mehr in denHintergrund treten, auch wenn dies öf-fentlich eloquent bestritten wird. Vernet-zungen funktionieren dann gut, wennwechselseitige Interessen vorliegen. Eineerzwungene Vernetzung ist genau so we-nig fruchtbar wie eine Zwangsehe, undwenn sie doch noch fruchtbar ist, dann istsie zumindest lieblos. Zwangszusammen-arbeit hält auf und ist für originelle For-schung kontraproduktiv. Offenkundig hataber die Vernetzung derzeit einen enor-men politischen Appeal und verdrängtweitgehend alternative Überlegungen.

Noch ein letzter Punkt: Wir reden sehrviel von einer gezielten Förderung voncenters of excellence. Wenn man die Kon-sequenzen der abgelaufenen Begutachtunganalysiert, ist das Ergebnis aber eher er-nüchternd. Unbeschadet aller Gutachter-empfehlungen werden bereits zugesagteTranchen der für die Planungssicherheitessenziell wichtigen Haushaltsansätze derInstitutionen gestrichen, die sich nachAussagen mehrerer unterschiedlicher in-

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Deutschland nach dem Wiegen..

Erzwungene Vernetzungen

ternationaler Evaluierungsverfahren mitFug und Recht als centers of excellence be-zeichnen können. Die Aussage, dass dieForschungsförderung unserer Forschungs-organisationen in den vergangenen Jahrenzugenommen habe, trifft zumindest nichtfür die HGF und wohl auch nicht für dieLeibnitz-Gemeinschaft und Fraunhofer-Gesellschaft zu. Leistungsnivellierung stattLeistungsförderung ist trotz gegenteiligerpolitischer Statements bedauerlicherweisedas Fazit der gegenwärtigen Entwicklung.Die Frustrationsrate gerade unter den jun-gen Wissenschaftlern steht den Aussageneiner leistungsbezogenen Förderung dia-metral entgegen. Der Abwanderungstrendjüngerer hoch qualifizierter Wissenschaft-ler in das Ausland, insbesondere in dieUSA, wird dadurch eher beschleunigt, dieRückkehrrate aus den USA verringert.Welche Konsequenzen dies für denForschungs- und WissenschaftsstandortDeutschland mittelfristig hat, bedarf kei-ner Ausführung.

Auch an einem anderen, eher spezifischenPunkt erleben wir eine Entwicklung, dieden immer wieder projizierten centers ofexcellence zuwiderläuft. Mit hohem Auf-wand wurde über die UMTS-Einnahmenein Netzwerk der Genomforscher aufge-baut. Tatsächlich sind auf dieser Basis cen-ters of excellence entstanden, welche dieGenomforschung in Deutschland ent-scheidend weitergebracht haben. Diese Fi-nanzierung droht nach dreijähriger Lauf-zeit wegzubrechen, sie kann sicherlichnicht von den Haushalten der betroffenenEinrichtungen aufgebracht werden, ohnedort extrem erfolgreiche Forschung aufanderen Sektoren einzustellen. Hieraufwurde schon in sehr früher Phase der An-tragstellung hingewiesen. Können wir esuns leisten, mit hohem Aufwand einge-

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richtete Wissenschaftsgruppen, die nach-weislich auch wesentlich zur deutschenund internationalen Genomforschung bei-tragen, nach drei Jahren wieder fallen zulassen? Wir alle hoffen, dass das nicht ge-schehen wird, das würde ja bedeuten, dassgroße Summen in den Sand gesetzt wären,und gut ausgebildetem wissenschaftlichenNachwuchs die weitere Entwicklung blo-ckiert würde.

Mein Fazit: Die deutsche Forschung istin den vergangenen Jahren nicht wirklichgewogen worden, sie ist auch strukturellnicht hinreichend durchdacht. Wenn wires nicht schaffen, ihrer Thematik Gewichtund Stimme zu geben, und wenn wir lang-fristige Zielsetzungen für vierjährige poli-tische Zyklen opfern, wird deren interna-tionales Bild sich weiterhin als Flicken-teppich darstellen.

Professor Dr. Harald zur Hausen, Vorsitzender desVorstands, Deutsches Krebsforschungszentrum,Heidelberg

Erst gefördert, dann fallen gelassen

Das deutsche Wissenschaftssys-tem zeichnet sich durch eineenorme Vielfalt an Forschungs-

einrichtungen aus. So existieren z.B. ne-ben den Universitäten außeruniversitäreForschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Helm-holtz-Gemeinschaft (HGF), die Wissen-schaftsgemeinschaft Gottfried WilhelmLeibniz (WGL) und die Fraunhofer-Ge-sellschaft (FhG). Diese Vielfalt ist Anspornund Gefahr zugleich. Der Ansporn ergibtsich aus dem Wettbewerb der einzelnenEinrichtungen untereinander. Die Gefahrliegt darin, dass die einzelnen Forschungs-einrichtungen sich zu sehr mit sich selbstbeschäftigen und weniger das Gesamtsys-

tem im Blick haben. Man beschreibt diesesPhänomen mit dem Begriff „Versäulung“,ein Begriff, der auf den fehlenden Aus-tausch zwischen den Einrichtungen hin-weist.

In der Vergangenheit ist man von ei-nem linearen Forschungsmodell ausge-gangen, welches auf den Automatismusbaute, dass man nur die Grundlagenfor-schung vernünftig fördern müsse, umschließlich über eine angewandte undindustrienahe Forschung gesellschaftli-che Probleme zu lösen. Dieses lineareForschungsmodell gilt heute als überholt,da zur Lösung von gesellschaftlichenAufgaben strategische Ansätze benötigtwerden.

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Deutschland nach dem Wiegen..

Summary

Alfred Pühler

Wider die Versäulung des Systems

The systematic evaluation of the Germanhigher education and research system ex-amined the individual pillars of the system.One request issued to all parties concernedwas that research be more strategically ori-

ented. Against this background, the ScienceCouncil set up the ad hoc committee on“Strategic Research Funding”, which was cre-ated primarily in order to determine theneed for strategic research funding and to

Die deutsche Forschung und ihre Förderung brauchen strategische Orientierung,

und zwar bezogen auf das gesamte System und mit langfristiger Ausrichtung. Der

Wissenschaftsrat bringt die Einrichtung eines Forums ins Gespräch, um die

Aktivitäten der großen Forschungsorganisationen zu moderieren und besser zu

koordinieren.

Bei der in jüngster Zeit erfolgten, umfang-reichen Systemevaluation des deutschenWissenschaftssystems hat man im We-sentlichen wieder die einzelnen Säulen desSystems evaluiert. Diese Systemevaluationhat ohne Zweifel viele Möglichkeiten auf-gezeigt, wie Forschungsleistungen inner-halb der einzelnen Säulen verbessert wer-den können. Eine an alle Adressen, alsoan MPG, HGF, WGL und FhG, gerichteteForderung war jedoch, die Forschungstärker strategisch auszurichten. Dabeiwar nicht immer klar, was unter strategi-scher Orientierung wirklich zu verstehensei. Reicht es aus, dass man diese strategi-sche Orientierung jeder Organisation se-parat empfiehlt, oder steckt eher dahinter,dass ein generelles Defizit des Gesamtsys-tems existiert? Entsteht nicht neuer Koor-dinierungsbedarf, wenn die einzelnen Or-ganisationen die Empfehlung befolgenund sich auf ihre jeweiligen Organisations-ziele konzentrieren? Vor diesem Hinter-grund hat der Wissenschaftsrat die Ar-beitsgruppe „Strategische Forschungsför-derung“ eingerichtet. Die Arbeitsgruppesollte den Bedarf an strategischer For-schungsförderung in Deutschland klärenund Vorschläge zur Optimierung entwi-ckeln.

Die Arbeitsgruppe hat zunächst breitgestreut Befragungen von Repräsentantender einzelnen Organisationen durchge-führt. Ein besonderer Schwerpunkt lagauf den Universitäten, die bisher keinerSystemevaluierung unterzogen waren. DieFrage nach einer strategischen For-schungsförderung lief übrigens bei den

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meisten Universitäten ins Leere, da sehroft nur die Optimierung der Drittmittel-einwerbung als ein strategischer Ansatzgesehen wurde.

Alfred Pühler: Deutschland braucht mehr Strate-gie in der Forschungsförderung.

develop proposals on how we can conductresearch with a greater emphasis on theoverall system and long-term consequences.Portfolio analyses and projections will iden-tify forward-looking areas that require a sus-

tained effort. We also need to increase thewillingness to embark upon new, possiblymore risky research ventures.

Die Diskussion in der Arbeitsgruppe kon-zentrierte sich im Laufe der Zeit auf fol-gende Frage: Gibt es nicht einen Bedarf,Förderung stärker mit Blick auf das Ge-samtsystem und auf die langfristigen Fol-gen zu betreiben? Wie dies gelingen kann,ist durch die Systemevaluationen bisherunbeantwortet geblieben. Diese Aufgabezu lösen, könnte als Aufgabe einer strate-gischen Forschungsförderung bezeichnetwerden. Ihre Ziele sind:• Die Förderorganisationen müssen frü-

her erkennen, wo es besonderer Förde-rung bedarf. Zukunftsträchtige Gebietemüssen mit langem Atem aufgebautwerden. Dazu benötigt man Portfolio-Analysen und Prospektion.

• Es muss Vorsorge getroffen werden, dassdie Förderung wichtiger neuer Gebietenicht durch Intransparenz und unklareZuständigkeiten verzögert oder gar ver-hindert wird. Schwierigkeiten entstehenhäufig nicht in, sondern zwischen denOrganisationen.

• Es müssen Wege erkundet werden, wiedort, wo Defizite bestehen, oder lang-fristig neue Kompetenzen aufgebautwerden sollen, eine entsprechende Spe-zialisierung gerade für Nachwuchswis-senschaftler dauerhaft attraktiv gemachtwerden kann.

• Die Bereitschaft, neue, auch risikoreicheWege der Forschung zu beschreiten,muss erhöht werden. Dies gilt auf indi-vidueller wie auf institutioneller Ebene.Ein ausgewogenes Portfolio braucht ei-nen Anteil hochriskanter Investitionenmit hohen Ertragschancen.

Es ist offensichtlich, dass diese Aufgabennur dann gelöst werden können, wenn diebetroffenen Organisationen sich in einemzu schaffenden Gremium über diese Auf-gaben absprechen. Es gilt also, ein solchesGremium in seinen Grundzügen zu ent-werfen und auch zu installieren. Der Ar-

beitsgruppe „Strategische Forschungsför-derung“ des Wissenschaftsrats ist es wich-tig, festzustellen, dass nicht daran gedachtist, ein Gremium zu schaffen, das die ver-schiedenen Säulen des Wissenschaftssys-tems nach einem top-down-Ansatz dirigis-tisch leitet. Vielmehr brauchen wir dieVielfalt und den Wettbewerb.

Der Wissenschaftsrat diskutiert zurzeit dieEinrichtung eines Forums für Forschungs-förderung mit den folgenden zentralenAufgaben: Die für die Förderung der For-schung in Deutschland wichtigsten Orga-nisationen sollten auf dem Forum über be-stehende und geplante Aktivitäten disku-tieren. Das Forum sollte auch Portfolio-Analysen initiieren und über Konsequen-zen beraten. Schließlich sollte das Forumdazu dienen, die Kriterien und Verfahren,nach denen Förderschwerpunkte inDeutschland gesetzt werden, transparentund publik zu machen. Ich möchte dieStruktur des Forums für Forschungsför-derung an dieser Stelle noch offen lassen.Ich würde mich aber sehr freuen, wennder Vorstoß des Wissenschaftsrats inDeutschland positiv aufgenommen würdeund in naher Zeit ein Forum für For-schungsförderung zustande käme.

Professor Dr. Alfred Pühler, Fakultät für BiologieLehrstuhl für Genetik Universität, Bielefeld

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Deutschland nach dem Wiegen..

Forum könnte Plattform bieten

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Hans-Olaf HenkelPräsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz Die Fokussierung auf Spitzenleistungen ist das Entscheidende für den Wohl-stand unserer Gesellschaft. Es kann sich sogar lohnen für eine Gesellschaft, imDurchschnitt ein bisschen nachzugeben, wenn sie dadurch gleichzeitig zu mehrSpitzenleistung kommt. Die Globalisierung erlaubt die bisherige Durch-schnittsbetrachtung nicht mehr.

Dieter JahnSenior Vice President der BASF AG Ich frage mich, ob wir überhaupt Anreize in unseren Systemen haben.Wir müs-sen uns darüber unterhalten, wie wir wieder starke Incentives schaffen. Daswird alles in Deutschland kombiniert mit einer Leistungsfeindlichkeit, die schonerschreckend ist.

Uwe ThomasStaatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Wir hatten bei der größten außeruniversitären Forschungseinrichtung, derHelmholtz-Gemeinschaft, eine gewisse Erstarrung. Da gibt es zwei möglicheWege, man zerlegt sie in einzelne Fachgebiete, mit dem kleinen Nachteil, dassman an den Grenzen der Fachgebiete nicht mehr beweglich wird, weil die

Diskussion

>>>

Engagierter Dialog: Arnold Schmidt (Präsident des Austrian Science Fund) und PeterGruss (Präsident der Max-Planck-Gesellschaft; v. li.).

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Deutschland nach dem Wiegen..

sich separieren; wir sind einen anderen Weg gegangen, den Weg des Wettbe-werbs und der Programmförderung.Ein tief greifendes Problem liegt darin, dass Deutschland ein grauenhaftes Ima-ge hat.Wir verkaufen uns im Ausland in einer Weise, die den Stärken des deut-schen Industrie-, Forschungs- und Bildungssystems überhaupt nicht gerechtwird, mit dem Ergebnis, dass man sich nicht mehr mit der Realität in Deutsch-land beschäftigt, sondern nur noch mit den beschriebenen Problemen, die mitder Realität nur begrenzt übereinstimmen. Mein Plädoyer ist, differenziert zu dis-kutieren, aber die Stärken Deutschlands nicht zu unterschätzen.

Max G. HuberVizepräsident des Deutschen Akademischen AustauschdienstesDies gilt auch für Europa.Wir sollten zu einer europäischen Identität kommen,insbesondere mit Wirkung auf das außereuropäische Ausland, um insgesamtstärker präsent und sichtbar zu werden

Peter FrankenbergMinister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-WürttembergWoran wir uns in Deutschland gewöhnen müssen, ist, dass nicht alles Spitzesein kann, sondern dass Spitzenforschung auch in den einzelnen Hochschulenbedeutet, dass man sich konzentriert auf das, was man besonders gut kann.Ich möchte in diesem Zusammenhang kurz auf den Begriff der „EntrepreneurialUniversity“ eingehen. Wir müssen den Universitäten Strukturen geben, dasssie überhaupt unternehmerisch sein können. Die Kollegialverfassung einer Uni-versität fördert dieses nicht, denn Neues aufbauen, heißt auch, auf etwas ver-zichten, was da ist. Für diesen Verzicht sind die derzeitigen Verfassungen derUniversitäten nicht geeignet.Was den internen Wettbewerb an Hochschulen anbelangt: Nur Institutionen,die auch über Einnahmen verfügen können, die sich selbst Einnahmen ver-schaffen können, um Strategien zu entwickeln, Forschungsschwerpunkte zuentwickeln, die können eigentlich die unternehmerische Freiheit und den unter-nehmerischen Geist haben, um das zu tun, was wir von ihnen fordern.Die Frage der Versäulung ist auch eine Problemfrage gerade in den Universitä-ten. Es ist ja nicht nur eine Versäulung des Wissenschaftssystems. Die Multi-disziplinarität, die sich immer mehr herausstellt als die Möglichkeit, For-schungsfortschritte zwischen den traditionellen Disziplinen zu erreichen, isteine wirkliche Herausforderung.

Arnold SchmidtPräsident des Austrian Science Fund In Österreich haben wir seit diesem Sommer ein neues Gesetz, das die Univer-sitäten zur Gänze aus der staatlichen Verwaltung herausnimmt. Das Gesetzwird jetzt implementiert, ab dem 1. Januar 2004 gibt es nur noch Angestellte der

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Universität, das gilt auch für die Professoren. Die Universitäten organisieren al-les, was sie intern machen, selbst. Das Gesetz macht nur die notwendigstenVorgaben. Es schreibt drei Gremien vor, einen Rektor bzw. ein Rektorat, einenUniversitätsrat, der von außen besetzt wird, darüber schwebt das Ministeriummit ganz bestimmten, aber globalen Kompetenzen. Die Mitbestimmung so-wohl der Studenten als auch des Mittelbaus ist fast auf null reduziert. Auchdie Universitätsprofessoren haben sehr geringe Rechte, in die Struktur einzu-greifen. Jede Universität gibt sich ihre eigene Verfassung. Im Kern ist es eineUniversität, die geführt wird durch einen starken Rektor, und erfüllt auf die Artund Weise viele der genannten Forderungen.

Klaus LandfriedPräsident der HochschulrektorenkonferenzWir haben keinen Mangel an Diagnosen, wir haben keinen Mangel an Kon-zepten.Wir haben ein Umsetzungsdefizit. Und da brauchen wir Unterstützungvon den Ländern, damit wir die Kooperationen zu richtigen Entrepreneurial Uni-versities machen, ohne dabei stream lined zu werden.

Thomas OppermannMinister für Wissenschaft und Kultur des Landes NiedersachsenWir brauchen sowohl in den Hochschulen als auch in der außeruniversitärenForschung noch stärker die unternehmerische Mentalität, die EntrepreneurialUniversity.Unternehmerisches Denken und Handeln und das Selbstverständnis eines For-schers sind viel ähnlicher als man glaubt. Beide sind im Grunde genommenTrüffelschweine, die eine gute Idee suchen, einen viel versprechenden For-schungsansatz, die einen neuen Markt erschließen wollen, auch wenn sie dabeiganz unterschiedliche Regeln und Maßstäbe haben.Und von daher brauchen wir in der Tat Strukturen, die stärker wettbewerblichausgerichtet sind. Wir müssen den Drittmittelmarkt in Deutschland vergrö-ßern. Hier haben wir Incentives. Drittmittel sind das beweglichste Instrument,um schnell neue Forschungsansätze zu fördern, um schnell Umschichtungenauch innerhalb unseres Gesamtforschungssystems vorzunehmen, und von da-her müssen wir den Drittmittelanteil erhöhen. Ein Wachstum des Drittmittel-volumens in Deutschland von 5 Prozent pro Jahr wäre der richtige Beitrag für dasGesamtziel „3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwick-lung in Deutschland“.

Philip CampbellEditor Nature Publishing GroupIf you go to Harvard, to Stanford, and other centres which act as magnets for

governmental and industrial funding, you will find that many of the key centresthat represent disciplinary innovation are funded by philanthropies or alumni. >>>

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Deutschland nach dem Wiegen..

Not only do the universities see fund raising as an entrepreneurial job for them-selves, but also individual academics have the freedom to go out and attract suchfunding to a considerable extent.

Hans-Olaf HenkelPräsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm LeibnizIn dieser finanziellen Notlage müssen wir das Thema Studiengebühren auf denTisch legen. Studiengebühren sind sozial. Abwesenheit von Studiengebühren istunsozial. Ich kenne kein in Deutschland behandeltes Studiengebührenmodell,was nicht genug Stipendien für begabte Kinder bedürftiger Eltern zur Verfü-gung stellt.Was mir allergrößte Sorge bereitet, ist das Thema Ostdeutschland. Das Haupt-problem hier ist nicht die staatlich finanzierte Forschung, da war die Solida-rität ganz offensichtlich da. Das Hauptproblem ist eben die Abwesenheit derWirtschaft.Wir brauchen ein Ostprogramm, und ich meine wirklich ein allum-fassendes neues Ostprogramm, was ein besonderes Unterprogramm habenmuss zum Thema Forschung und Entwicklung. Wir müssen die deutsche In-dustrie dazu kriegen, dass sie dort investiert, sie tut es nicht!

Peter GrussPräsident der Max-Planck-GesellschaftWenn wir bis 2010 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen wollen, dannbedarf es einer verstärkten Anstrengung. Diese 3 Prozent, die erreichen wir nurdann, wenn es partnerschaftlich einen Anstieg in den Forschungsleistungengibt, und dazu gehört nun einmal die Wirtschaft, und wenn man die Brutto-inlandproduktzahlen einmal auseinander nimmt, dann sind das tatsächlichzwei Drittel des Anteils. Dies ist also nicht nur ein Appell an die öffentlicheHand, sondern auch an die Wirtschaft.

Jean-Patrick ConneradePresident of “Euroscience”As to the question of implementing cuts:The worst thing about the cuts is not thecuts themselves.The worst thing is that almost every institution and organisationfaced with cuts decides on re-structuring. And the re-structuring is worse thanthe cuts. So be very careful about this re-structuring business, it can be more dam-aging than the financial problem.

Nikolaus SchweickartVorstandsvorsitzender der ALTANA AGAlle wesentlichen forschenden Verbesserungen, man kann es im weiteren Sin-ne „Innovationen“ nennen, in den letzten zehn, zwanzig Jahren, sind zu 80 Pro-zent aus den USA gekommen. Die sind nicht intelligenter als wir, die organisie-ren ihr System nur moderner.

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Warum schwächeln wir auch als forschende Industrie etwa in dem Schlüsselbe-reich Biotech? Ich möchte ihn erweitern um das, was man health care nennt,pharmaceutical, medical devices, also nicht nur den Rest, den engen Bereich derbiotechnologischen Forschung. In den USA geben die Menschen oder gibt dasSystem pro Jahr 5.000 Dollar für den Gesundheitssektor aus, pro Kopf, per capi-ta, 5.000 Dollar. Von diesen 5.000 Dollar werden 60 Prozent aus dem privatenSektor aufgebracht, Privatpersonen, Unternehmen, private Versicherungen. InDeutschland beträgt der Aufwand pro Kopf pro Jahr 3.000 Dollar. Davon werden80 Prozent aus den öffentlichen Händen, dem public sector in dem Bereich Ge-sundheitswesen investiert oder aufgebracht, verwendet. Wenn Sie die Innova-tionskraft der USA in den letzten zwanzig Jahren im Bereich health care in un-mittelbare Beziehung setzen zu diesem Befund, dann haben Sie die Erklärung, wa-rum die Innovationskraft in USA deutlich höher ist als bei uns. Es ist eine Inno-vationskultur, eine Offenheit gegenüber Neuerungen entstanden, die geradezuvorbildlich ist.Wir gehen in Deutschland den gegenteiligen Weg.Wir bestrafen In-novationen in dem Bereich health care. Wenn man durch gesetzliche Eingriffedie patentgeschützte Industrie bestraft und Imitationen fördert, das müssen Sieeinmal zu Ende denken:Wer nur Imitationen fördert, der wird bald nichts mehrzu imitieren haben, während die Innovationen woanders entstehen. In den USAwird man gefragt, wieso bestraft ihr die Forschung? Die rein quantitativen Auf-wendungen sind nicht so sehr das Entscheidende, sondern wo substanziell ge-forscht wird; das hat etwas damit zu tun, in welchem Kreislauf sich die Mittelfür Innovationen eine Heimat suchen. Es ist auch genügend Geld im deutschenSystem, es wird nur für vollkommen unproduktive Tätigkeiten verschwendet.

Ursula PetersVizepräsidentin der Deutschen ForschungsgemeinschaftEin Ergebnis der Systemevaluation war, dass die DFG mehr Mut zum pro-akti-ven Benennen von Förderschwerpunkten haben sollte. Damals hat die DFGschnell reagiert, indem der Ausschuss für Perspektiven der Forschung einge-richtet wurde, wo Forschungszentren eingerichtet werden.

Frieder Meyer-KrahmerFraunhofer-Institut für Systemtechnik und InnovationsforschungDie rigidities of core-competencies nennt man in der Evolution Pfadabhängigkeit.Aber es gibt hier auch eine ganze Menge von Gegenbewegungen wie den Ver-such in der Biotechnologie oder in der Informationstechnik, neue Aufbrücheauch Technikdurchbrüche zu schaffen. Ich denke aber auch, das Aufgeben der Se-parierung, d. h. Spitzentechnik auf der einen Seite und medium-tech auf der an-deren Seite, also die Integration von Spitze mit medium-tech, die Integrationvon Grundlagen- mit Anwendungsforschung, die Integration von Produktionund Dienstleistung, das verbindet die core competencies in Deutschland auf dereinen Seite mit einer zukunftsfähigen Perspektive auf der anderen Seite.

Bengt Åke LundvallBetween two Chairs

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Horst SobollVon den Besten lernen

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Peter TindemansCompetition instead of Integration

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Diskussion

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Zu viele Gewichte in Europa?

O ne way to define the strengthsand weaknesses of a nationalinnovation system is to ‘bench-

mark’ it and to compare its performance tothat of other national systems. The data todo so have never been so plentiful and easilyavailable. There are five major benchmark-ing reports for science, technology and inno-vation in Europe that can be downloadedthrough the internet now (http: //www. cor-dis.lu/rtd2002/era-developments/benchmark-ing.htm)

So before coming here I tried to look overmost of these reports for locating the relativeposition of Germany and I did so also in or-

der to get some idea about how useful bench-marking can be. And my conclusion is tosay: “Not too much!”

The benchmarking shows that on aver-age scientists are more productive in the UKand even more so in Denmark than in Ger-many in terms of scientific articles per cap-ita. But I would be careful not to draw to far-reaching conclusions on the basis of thesedata.

There are two reasons why the data aremisleading. Most registered journals are inEnglish and since Germany is a big country,German scientists are not as dependent oneverybody authoring in English.

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Bengt Åke Lundvall

Between two Chairs

Die Debatte um Europas Wissenschafts-und Forschungspolitik ist von Ungewissheitund Missverständnissen geprägt. Einige derWidersprüchlichkeiten spiegeln wider, dasshier verschiedene Interessensgruppen imStreit liegen.Da ist einerseits der alte Komplex der na-tionalen Forschungseinrichtungen. Ande-rerseits gibt es den neuen Wissenschafts-,Technologie- und Innovationskomplex in

Brüssel. Diese beiden Gruppen bekämpfensich gegenseitig, und als Ergebnis tauchtoft ein Kompromiss auf, der eigentlich nie-mandem nutzt.Die Argumente, auf denen der EuropäischeForschungsraum gründet, sind problema-tisch. Im Wesentlichen wird angenommen,dass eine größere Masse, mehr Koordinie-rung, eine größere Konzentration vonRessourcen sowie weniger Doppelarbeit

In the European research system several contradictions lead to unsatisfying com-

promises. In order to avoid ending up between two chairs the European science sys-

tems needs a broader approach to meet diverse requirements: a European Science

Council with emphasis on high-quality basic research and an innovation-oriented

European council for innovation and competence-building.

Zusammenfassung

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Bengt Åke Lundvall: The Research Area must beglobal rather than European.

There is another observation that might bemore telling: The benchmarking reports de-monstrate that there are very few women inthe German science system. This is a prob-lem in the sense that you do not fully ex-ploit the talents of the population but evenmore serious is that it might be a symptomon a more fundamental weakness of thescience system. It could indicate a conserva-tive academic system, reproducing old waysand not giving women and young people afair chance.

I have interacted with German academiaand it is my superficial impression that pro-fessors are inordinately powerful. And thatthey tend to be guardians of their own rath-er narrowly defined disciplinary field. Andthey will fight to keep things this way what-ever happens. If this superficial and hope-fully unjust generalisation turns out to becorrect you need change. You need to changecareer opportunities, incentive structures andfunding principles. All with the aim to giveyoung people and women a better chance.And you should do it in such a way that, atthe same time, you stimulate the renewal ofscience including the fostering of new fieldsof research that go across the traditional dis-ciplines.

Let me move on to my main topic: Euro-pean science and innovation policy.

There is a lot of uncertainty and confu-sion about science and research policy in

Europa mehr Erfolg bringen wird im Ver-gleich zu den Vereinigten Staaten.Tatsäch-lich sind jedoch Vielfalt und Wettbewerbder Schlüssel zum Erfolg.Auch in anderer Hinsicht ist die Fokussie-rung auf den Aufbau des Europäischen For-schungsraums problematisch. Es bestehtdie Gefahr, dass sich eine zu introvertierteSichtweise entwickelt. Es werden mögli-cherweise zu große Anstrengungen ge-

macht, europäische Netzwerke zusammen-zubringen, während zu wenig getan wird,um die beste US-amerikanische oder japa-nische Forschung einzubringen. Wir müs-sen stets im Auge behalten, dass in vielenBereichen der Forschungsraum eher globalals europäisch sein muss.

Europe. There are some real reasons and di-lemmas behind the confusion and the uncer-tainties. The most important reason is thatthe science system is exposed to highly con-tradictory requirements today. You can putit in economic, comparing it to the highlycontradictory idea that the same institutioncan act simultaneously as a central bank ofknowledge and a shopping centre of infor-mation.

Universities are expected to be swift in theirproduction of useful knowledge on which theinnovation system can flourish, which is ba-sically a reasonable requirement. But less ob-vious is the fact that universities also have arole to play as a kind of guarantor of relia-ble knowledge. This traditional function isalso tending to become more important thanever before. Without institutions that sort outwhat is reasonably reliable knowledge theso-called knowledge society will not func-tion. In a knowledge society, knowing whatis reliable knowledge becomes really crucial,not only for the economy, but for the wholeworking of society. We are faced with realcontradictions. We have to find ways to or-ganise the knowledge and the university sys-tem so that we can cope with this contradic-tion.

There are several contradictions in Euro-pean science and technology policy. One ofthem is actually that while most sophistica-ted policy makers in the field would say thatthey do not believe anymore in the linearmodel, their actual actions do not reflect suchan insight. When you bring European policymakers together, what they can agree uponis of course something rather simple and ac-tually something that implicitly assumes alinear process of innovation. Several parti-cipants at this meeting have applauded thegoal set up to allocate 3 per cent of GDP toR&D. I wouldn’t dare to say that the objec-

tive is irrelevant, but you could say that the-re might be more important things to do wit-hin each single national innovation systemthan to raise the this rate from 2.8 to 3.Science and innovation policy needs to ac-cept that complexity is part of reality.

At the national level there is a need toanalyse the innovation system as a whole.You need to see which specific role scienceplays in the system. And then you can startto discuss against a more meaningful back-ground if three percent is too much or toolittle. Perhaps what is needed more is to es-tablish or expand lifelong training for aca-demic personnel as well as for other catego-ries of employees?

Another contradiction is built into the de-sign of the sixth European Framework Pro-gram. The arguments behind the programmeare very practical. It sounds as if the objec-tive is to solve real problems with environ-ment, transport, health and communication.But when you see how it is implemented andorganised, it falls back into a much more tra-ditional natural science organisation, it be-comes much more discipline-oriented. Still, itis true that on average the framework pro-grammes as compared to the national rese-arch councils have stimulated interdiscipli-nary work, but even so the compromise co-ming out of the interaction between Brusselsand the national science communities maybe putting itself between chairs.

The arguments behind the European Re-search Area are problematic. In the Com-mission the argument pursued seems to bevery much in parallel to the single marketidea. Basically it is assumed that more scale,more co-ordination, bigger resource concen-tration and less duplication will guaranteemore success for Europe as compared to theUnited States.

The most extreme version of this is theAirbus model applied to science. As far as Iunderstand, the European Commission isthinking of establishing research networks

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Stuck to old models

as European monopolies in order to competewith the U.S. and Japanese systems just asthey did in the Airbus case. While Airbusmay have been a success, transplanting themodel to the organisation of research is com-pletely crazy. Everybody who has been wor-king with science and technology policyknows that diversity and competition is re-ally the key to progress. It is true for most ofthe economy, but it is actually very true forscience as well.

I am on an advisory board for socialsciences and humanities. We have tried totell the Commission that this is a great prob-lem for the whole framework program andcompletely unacceptable for our field of re-search, but for some reason they can’t hearus. So there is a need to tell them again.

Everybody knows that science today isnot national, not local, and not even Euro-pean – a lot of it is global. Another problemwith the focus on building the European Re-search Area is that there is a risk that wewill become too introverted. Too many ef-forts may be directed towards together Eu-ropean networks and too little towards bring-ing in the best research in the US, the bestresearch in Japan. The ambition of Europebecoming a global magnet, attracting thebest brains from the rest of the world is giventoo little attention. I think we have to alwaysremind ourselves that, in many fields, the re-search area must be global rather than Eu-ropean.

Finally, the Commission today agrees thatwe are in a knowledge-based society. It hasbecome part of its on-going policy discourse.But it is not really reflected in policy areasoutside education and science. European la-bour market policy is still about structuralreform to get the labour market to work mo-re like any other market. The more impor-tant question: How can we organise the la-

bour market so that it supports competencebuilding among workers in a learning socie-ty? Economic policy is still oriented more to-wards just creating stability than increasingthe learning capability of the whole system.

These are some of the problems I see in Eu-ropean science and innovation policy in abroad sense. Some of the contradictions re-flect that there are different constituencies inconflict. We have the old national researchcouncil complex on the one hand and thenew Brussels science technology innovationcomplex on the other. They are fighting eachother, and what comes out of it is often somekind of compromise that is really not goodfor anybody.

Another problem is that policy makerssometimes are too open to new, faddish ideas.In the high tide of the new economy, every-body thought about venture capital and in-formation and communication technology.And now when the biotech field is explodingin terms of patenting, everybody wants toorganise universities in such a way that theybecome very good at promoting patenting inbiotech. It is forgotten that this is only a verysmall part of what universities do – andshould do.

But I think the most important reason forthe contradictions and confusion is what Isaid in the very beginning. There are some re-al dilemmas in the requirements that thescience and university systems are exposed to.On the one hand, there is the need for univer-sities to be quick, to react, to respond, to inter-act and to integrate into the innovation sys-tem as a whole. I would even say that this taskwill become even more urgent in the future.On the other hand there is the fundamentalrole of universities to function as the centralbank of reasonably reliable knowledge.

There is a lot of focus in this group on theneeds of big science firms in pharmaceuti-

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Competition is the key to progress

Contradictory requirements

cals and space technology and on their inter-action with universities. My reasonably well-informed guess is that the marginal effect oflinking up firms that are less massive toknowledge institutions is much bigger thanincreasing further the linkages which are al-ready there. I hear Keith Pavitt saying that itmight be a problem for German firms to re-locate their research activities close to excel-lent universities in the United States. I don’tknow, perhaps it is not such a bad thing; per-haps we should think more about how ourown policy institutions can support the lessmobile part of business whose need to streng-then their knowledge base is growing veryquickly.

In my research group in Aalborg we have gotresults from econometric studies showingthat, in Denmark, firms in the more tradi-tional sectors which are small and medium-sized enjoy a much stronger boost of theirinnovating activities and their growth whenthey have more interaction with knowledgeinstitutions and when they bring their firstacademics on board. The relationship ismuch stronger than what we get for thescience-based sectors. These results tell usthat these science-based firms already haveall the connections they need and that en-hancing these connections will have only aminor impact on their performance.

The other role of the university systemhas to do with the fact that we live in aknowledge-based society. When people donot know what knowledge is reliable, it’s likea monetary economy where we cannot trustthe money. We have no lender of last resort.Imagine that the central bank was half-ow-ned by private interests and that it becameincreasingly oriented towards making a pro-fit to fund its staff. We could not trust themoney, and the monetary system wouldprobably break down.

I think we risk getting into a similar situ-ation with respect to the knowledge-basedsociety. Let me just hint at a few illustrativeexamples. If you do not trust medical sciencebecause all of it takes place through fundingfrom private firms, we will find gurus co-ming in taking over the role of doctors. Whenwe cannot trust people who are in charge ofchecking the accounts of Enron, the wholemarket for shares and actually the worldeconomy suffers. There is a need to save some degree of autonomy for universities inorder to make sure that they still can be ex-pected to produce, select and disseminate re-asonably reliable knowledge.

In my criticism of European research andscience policy I pointed out that there is atendency to end up with some kind of com-promise where you end up between twochairs. Perhaps it would be better to havetwo chairs and put somebody on each chair.One way to implement this idea would be toestablish a European science foundationwhere the emphasis is on promoting high-quality research in a global context. It mightbe wiser to do that without too much invol-vement of the European Commission.

But at the same time I would also insistthat we need a broader approach to innova-tion, even broader than we will discuss heretoday. We not only need to think about theinteraction between universities and indus-try; we need to think about how to organisecompetence building in the innovation sys-tem as whole.

In the learning economy the capability to de-velop new competence is at the very core ofcompetitiveness. It is to this situation thatwe need to adjust our education and trainingsystem as a whole. We need to develop newways of organising the labour market, weneed a new type of industrial policy. I wouldtherefore propose that it would be a com-

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Credibility requires autonomy

A broader approach to innovation

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mendable idea to have such a EuropeanCouncil for Innovation and Competence building, to let it be chaired by Prodi and togive it at least the same weight as the Euro-pean bank. If we really believe that we arein a new context where the critical force todevelop society and the economy has to dowith learning and competence building weneed to take the consequences of our stance.After all, we cannot leave it, for instance, tothe Ministry of Finance or the Central Bankto be the only policy-co-ordinating body insociety.

Professor Bengt Åke Lundvall, DRUID Secretariat –Aalborg University Department of Business Stu-dies, Aalborg

Die Industrie ist auf die Wissen-schaft angewiesen – und zwaraus den beiden bekannten

Gründen: Erstens braucht die Industrie dieErgebnisse der Forschung, die überall inden Universitäten, den Hochschulen undden außeruniversitären Forschungsorga-nisationen erarbeitet werden, und zwei-tens braucht sie die ausgebildeten For-scher. Neu dazu gekommen ist ein dritterGrund in diesen Jahren: Die Industriebraucht die Wissenschaft mehr und mehrals Kooperationspartner, weil wir heute inNetzwerken arbeiten. Deswegen ist die

Wirtschaft in einem Boot mit der Wissen-schaft mit der Forderung nach mehr Fi-nanzmitteln und nach attraktiveren Rah-menbedingungen für die Forschung.

Jedoch ist aus Sicht der Industrie dasEntscheidende die Innovation selbst. In-novation ist weit mehr als Forschung.Bildhaft gesprochen schöpft die For-schung aus Geld Wissen und das Gegen-stück, die Innovation, macht daraus wie-der Geld. Das lineare Innovationsmodellerscheint in der einfachen Form nichtmehr gültig. Heute ist es vielmehr ersetztdurch ein Agieren in Netzwerken von an-

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Horst Soboll

Von den Besten lernenIn Europa steht der Gewinn bringenden Partnerschaft zwischen Industrie und

Wissenschaft ein Widerspruch in der öffentlichen Forschungsförderung im Weg.

Einerseits will der Staat Exzellenz und Qualität fördern. Andererseits weisen

fragwürdige Subventionen zur regionalen Strukturverbesserung in die ent-

gegengesetzte Richtung. Die USA liefern ein Beispiel dafür, dass es auch anders

geht.

SummaryMany discussions at European level revolvearound the issue of striking the right bal-ance between the competition of excel-lence and quality on the one hand andstructural policy on the other. Regional pol-icy in the European Research Area must notcounteract the development of excellencein research through structural policy meas-ures. The coherence of research policy and

other political fields is also crucial. First ofall, as to the intended co-ordination of na-tional research policies, the organisationsresponsible for research funding should ex-change ideas and discuss their own priori-ties and budgeting amongst one anotherbefore any new instruments for researchfunding are introduced in European coun-tries.

gewandter Forschung und Grundlagen-forschung.

Die Wissenschaft hat in der Industrieimmer einen engagierten Partner, wennes in der Diskussion mit der Politik umdie Steigerung des Forschungsbudgetsgeht. Ich frage mich allerdings, warum indiesen kritischen Zeiten eng begrenzterBudgets eine Empfehlung des Europäi-schen Parlamentes nicht berücksichtigtwird, 6 Prozent des europäischen Haus-haltes für die Forschung auszugeben. SeitJahren existiert diese Empfehlung, dochhabe ich sie selten zitiert gesehen.

Wenn in Deutschland selbst der Ratder Wirtschaftsweisen mehr Investitio-nen in Zukunftssicherung, Bildung undForschung fordert, so ist zu fragen, wes-halb das bei der Mittelallokation keinegrößere ausdrückliche Berücksichtigungfindet. Wird wirklich jeder Mitteleinsatzauf Zukunftssicherung geprüft, oder wer-den einige traditionelle Bereiche – ichdenke an Subventionen für Kohle undLandwirtschaft – von vornherein von ei-ner kritischen Prüfung ausgenommen?

Meine eindringliche Empfehlung an diePolitik ist daher, bei den großen Diskus-sionen über die neue europäische Verfas-sung auch die Stellung von Forschungund Wissenschaft für die Zukunft zu ver-ankern. Das „European Research AdvisoryBoard“ (EURAB) hat eine Initiative ge-startet, einen entsprechenden Abschnitt indie europäische Verfassung einzufügen.

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Horst Soboll: Bedeutung von Forschung in euro-päischer Verfassung verankern.

We have to look for competent partnersworld-wide. Why shouldn’t a scientific or-ganisation be allowed to choose a researchpartner outside Germany or outside Europethat is then also financed via tax money if itis important and necessary for the respec-tive research goal?Networking between the entire interna-tional research scene and industry is an es-

pecially important objective. We ought tolearn from the best in Europe and the USArather than engaging in a long, futile debatethat will ultimately only result in the small-est common denominator. As far as researchis concerned, we can neither afford this inGermany nor in Europe.

An dieser Stelle noch einige Anmerkun-gen zu der in Barcelona aufgestellten For-derung, europaweit 3 Prozent des Brutto-inlandproduktes für Forschung und Ent-wicklung aufzuwenden1). Die Industriereagiert darauf mit großer Zustimmungund Skepsis zugleich. Zustimmung, weiles eine plakative Zahl ist, die von allen Be-teiligten Anstrengungen fordert, mehr indieser Richtung zu tun – sowohl mehrGeld zur Verfügung zu stellen als auch at-traktivere Rahmenbedingungen zu schaf-fen. Insbesondere sind dabei die staat-lichen Institutionen gefordert, ihren An-teil substanziell zu erhöhen, um das ange-strebte Ziel, Europa bis 2010 als wettbe-werbfähigsten und dynamischsten, wis-sensorientierten Wirtschaftsraum zu eta-blieren, zu realisieren.

Die Industrie reagiert aber auch mit Skep-sis, da der Blick hauptsächlich auf die In-put-Faktoren gerichtet ist. Denn wir wol-len nicht nur das Verhältnis von F&E-Aus-gaben zu Bruttosozialprodukt erhöhen,sondern wir wollen Arbeitsplätze schaffen,unsere Lebensgrundlagen sichern und un-sere Lebensqualität erhöhen. Das heißtzum einen, der Output zählt. Zum ande-ren sind wir noch weit davon entfernt, op-timale Rahmenbedingungen vorzufinden,die auch der Industrie genügend Anreizebieten, die privaten Investitionen für F&Eüberproportional auszuweiten. Deswegenhat mir eine Bemerkung eines Vorrednersgefallen: „Wir brauchen nicht nur mehrGeld für Forschung, sondern auch mehrForschung fürs Geld“, das heißt mehr Ef-fizienz und einfachere Prozesse. Diese 3-Prozent-Marke soll ein aufrüttelndes Sig-nal sein. Deutschland steht in Europa im-mer noch in der Spitzengruppe undbraucht einen Vergleich der einzelnen In-novationssysteme nicht zu scheuen.

Mit Blick auf Europa wurde ein Punktnoch nicht beleuchtet. Viele Diskussio-nen auf europäischer Ebene kreisen umdie Frage, den richtigen Ausgleich zu fin-den zwischen Wettbewerb von Exzellenzund Qualität auf der einen Seite und „re-gional balance“, das heißt Strukturpoli-tik, auf der anderen Seite. Wir schauen jagerne nach Amerika. Dort kommt nie-mand auf den Gedanken, bei anspruchs-vollen Forschungsprogrammen einegleichmäßige Mittelverteilung über alleRegionen zu fordern – etwa zu fragen, wa-rum denn wieder Finanzmittel nach Kali-fornien oder Massachusetts fließen. Einefalsch verstandene Regionalpolitik im eu-ropäischen Forschungsraum darf denAufbau von Forschungsexzellenz nichtdurch strukturpolitische Maßnahmenkonterkarieren, etwa im Sinne einer Eini-gung auf den kleinsten gemeinsamenNenner.

Wir können vieles lernen, auch von Ame-rika. In einem weit gefassten Forschungs-thema werden dort Ziele und Schwer-punkte formuliert und so als eine Missionverstanden. Dieser Gedanke des gemein-samen, großen Ziels ist in Deutschlandnoch nicht sehr ausgeprägt. Wenn es umdreistellige Millionenbeträge geht, so istmeines Erachtens die Frage der Rechtfer-tigung des Nutzens für die Gesellschaftund einer Schwerpunktsetzung durchauserlaubt. Bei diesen Fragen und bei derPrioritätensetzung ist die Politik auf Be-ratung angewiesen.

In diesem Zusammenhang bin ich ent-täuscht, dass es innerhalb der Physiker-zunft nicht möglich war, klare Prioritä-ten herauszuarbeiten, als es um die Emp-fehlungen des Wissenschaftsrates zu denGroßprojekten im Bereich der Physikging. Wir müssen aber zu einer unmiss-

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Output zählt

Von Amerika lernen

verständlicheren Prioritätensetzung aufder Fachebene kommen, damit nicht et-wa die Politik diese Prioritätensetzungnach ihren Gesichtspunkten vornimmt.In den USA können wir die Gesund-heitsforschung als Beispiel einer gelun-genen Schwerpunktsetzung ansehen mitentsprechender Mittelallokation währendder letzten zehn Jahre. Es gab ein klaresZiel, eben eine Mission, und entspre-chend wurde der Schwerpunkt gesetzt.Das Ergebnis sehen wir heute an den„Top Ten“ der Pharmaunternehmen welt-weit mit einer wesentlich besseren Stel-lung der US-Firmen als vor zehn Jahren.

Die Idee der „European Research Area“(ERA) wurde in Lissabon in die Debattegeworfen, allerdings bisher noch ungenü-gend ausgefüllt. Die Idee ist gut, nach derin der Forschung allein die Qualität unddie Exzellenz im Wettbewerb entscheidensollen, auch über die nationalen Grenzenhinaus.

Es gibt Empfehlungen, auch in BrüsselerGremien, zu einer besseren Koordinationder nationalen Forschungspolitiken unter-einander zu kommen. Die Erfahrung zeigt,dass Koordination meistens mit Bürokra-tie verbunden ist. Außerdem muss dievielfältige und unterschiedliche Innova-tionslandschaft jedes einzelnen Landesausreichend berücksichtigt werden. Des-wegen empfehle ich: Bevor für alle euro-päischen Länder neue Instrumente zurFörderung der Forschung und Wissen-schaft eingeführt werden, sollten von deneuropäischen Nationen zunächst dieGrundlagen der jeweiligen nationalenForschungspolitik gegenseitig ausge-tauscht und erläutert werden. Zu dengegenseitigen Informationen gehören we-nigstens Angaben über die Prioritäten-setzung und deren Begründung, über die

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Budgets sowie das geplante nationaleVorgehen, das 3 Prozent-Barcelona-Zielzu erreichen. Auf diese Weise kann un-nötige Doppelarbeit vermieden werden.

Wettbewerb braucht die Forschungnach wie vor. Bei kostspieligen Projektenund großen Forschungsvorhaben fördernoft sogar auch Kooperationen den Wett-bewerb um die besten Lösungen – imVorfeld von Kooperationen bleibt derWettbewerb schon dadurch erhalten, dassdie Forscher sich jeweils die weltweit bes-ten Partner zur Zusammenarbeit aus-wählen.

Es wurde heute viel von Spitzenfor-schung gesprochen und von Hoch-Tech-nologie-Unternehmen. Dabei ist bemer-kenswert, dass viele Industriezweige, dielaut Statistik zwar den so genannten me-dium tech- und low tech-Bereichen ange-hören, dennoch sehr viele Ergebnisse ausder Spitzenforschung implizit in den Pro-dukten umgesetzt haben. Ein Beispiel istdie Automobilindustrie mit den inDeutschland höchsten F&E-Aufwendun-gen aller Industriesparten. Deshalb kannich nur warnen vor dieser Trennung undder einseitigen Betonung von high tech-Bereichen.

Ein zweiter Punkt des EuropäischenForschungsraumes ist die Kohärenz derForschungspolitik mit anderen politi-schen Themenfeldern. Da ist nicht nurdas Feld Erziehung zu nennen, ich seheauch die Notwendigkeit der Verzahnungvon Forschung und Politik in den Berei-chen Umwelt, Gesundheit, Verkehr undEnergie. Außerdem brauchen wir oftmalseine licence to operate. Es nützt nichts,Forschung zu betreiben und Ergebnissezu erreichen, wenn wir hinterher nicht inder Lage sind, diese aufgrund gesetz-licher, restriktiver Regelungen oder man-

Kohärenz der Politikfelder

Gegenseitig informieren

gelnder gesellschaftlicher Akzeptanz inProdukte und Prozesse umzusetzen.

In vielen Diskussionen in Brüssel wirddie Öffnung der nationalen Programmegefordert. Dazu gibt es natürlich vielfälti-ge Meinungen, insbesondere aus Deutsch-land in Hinblick auf die so genannte„Gegenseitigkeit“. Die Industrie ist hieroffen. Sie wählt die Forschungspartnerglobal aus. Warum soll nicht auch prag-matisch eine Wissenschaftsorganisationoder ein Konsortium, einen Partneraußerhalb Deutschlands, sogar außerhalbEuropas auswählen dürfen, der dannauch mit den entsprechenden Steuergel-dern finanziert wird? In den USA gibt esgar kein Forschungsministerium, da wer-den diese Diskussionen nicht geführt,denn da wird diese Debatte der jeweili-gen Mission untergeordnet: Wenn es fürdas Forschungsziel wichtig und notwen-dig ist, einen kompetenten Partner aus ei-nem anderen Erdteil in einem Konsor-tium mitarbeiten zu lassen und mitzufi-nanzieren, dann wird das tatsächlich auchgemacht.

Was den European Research Council (ERC)oder Science Council, wie Herr Lundvall esformulierte, anbelangt, so mag es sein,dass dieser Council sinnvoll ist. Allerdingshabe ich in Brüssel vernommen, dass mitdem European Research Council mehr dieerkenntnisorientierten Fächer, also die rei-ne Grundlagenforschung gefördert wer-den soll. Die Industrie empfiehlt, ehrlichzu sein und dies entweder als ScienceCouncil zu konzipieren mit dem Fokus auferkenntnisorientierter Forschung, oder alsResearch Council mit dem vollen Spektrumder Forschung, das heißt von den Grund-lagen bis hin zum Produkt, dann aberauch einschließlich der Mitsprache derWirtschaft.

Bezüglich der Aufgaben eines neuen Gre-miums mit einer Mittelvergabe für ganzEuropa muss aber die Frage gestellt wer-den, wie Qualität und Exzellenz als allei-nige Kriterien gegenüber nationalen Inter-essen garantiert werden. Unsere bisheri-gen Erfahrungen mit der Projektauswahlauf europäischer Ebene sind nicht nur po-sitiv. Deswegen sollten wir erst prüfen,welches Land, welche Forschungsorgani-sation die besten Prozesse besitzt, die bes-ten Instrumente, um diese gegebenenfallszu übernehmen. Warum nicht pilothaftmit einem definiertem Forschungsfeld be-ginnen und stufenweise – je nach demons-triertem Erfolg – die ganze Fülle des eu-ropäischen Forschungsspektrums demneuen ERC anvertrauen? Dies sollte na-türlich auch gleich über Europa hinausgelten.

Europäische Forschung muss ein breite-res Spektrum bedienen. Es müssen Zieleund Missionen für große Vorhaben miteinem europäischen Mehrwert definiertwerden. Alle Maßnahmen und Förderin-strumente müssen auf den Prüfstand ge-stellt werden. Von den Besten in Europaund den USA sollten wir lernen, anstattlange unfruchtbare Diskussionen zu füh-ren, die dann letztlich auf den kleinstengemeinsamen Nenner hinauslaufen. Daskönnen wir uns in der Forschung wederin Deutschland noch in Europa leisten.Die Vernetzung zwischen der gesamteninternationalen Forschungsszene und derIndustrie, die auch das Problem der Mo-bilität der Forscher einschließt, ist dabeiein besonders wichtiges Anliegen, unddas kann auch in Deutschland durchausnoch sehr verbessert werden. MonetäreAnreize können dabei hilfreich sein. Diebesten Voraussetzungen aber schafft derpermanente offene und intensive Dialog

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Science oder Research Council?

Monetäre Anreize

zwischen Politik, Wissenschaft und Wirt-schaft, sofern er zu den beabsichtigtenKonsequenzen führt.

Anmerkung:

1) „Boosting Joint Investment in Research: To-

wards 3 per cent of GPD“, EURAB 02.066 fi-

nal, Dez. 2002

Dr. Horst J. Soboll, stv. Vorsitzender European Re-search Advisory Board of the European Commis-sion (EURAB), Leiter Forschungspolitik und Kom-munikation, DaimlerChrysler AG, Stuttgart

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When looking at the Europeansituation in science, tech-nology and innovation poli-

cies (STI) and its consequences for the na-tional situation we have, first of all, to takeinto account the geographical situation.There are two aspects to this: first, the dif-ferentiation of which STI policy responsibil-ities we have allocated to a regional, a na-

tional or a European level. Secondly, we haveto look at Europe as a whole, as an openspace for science, because, as in the case forcapital, goods and people, this clearly hassome beneficial aspects. That also impliescomparing ourselves to the US sometimes.

My approach is also institutional, sincein economic and social theory we have foundout during the last decade how crucially im-

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Zusammenfassung

Peter Tindemans

Competition instead of Integration

Die aktuelle europäische Debatte richtetsich auf Integration. Stattdessen sollte siesich auf Wettbewerb beziehen. In Europagibt es durchaus Forschungseinrichtungen,die groß genug sind, um sowohl miteinan-der als auch mit amerikanischen Einrich-tungen zu konkurrieren. Dies wäre der bes-te Garant dafür, dass Deutschland als Gan-zes sich im Wettbewerb mit den Vereinig-ten Staaten oder Japan oder auch rasantentstehenden neuen Zentren behaupten

könnte. Eine Ausnahme bildet der Bereichder Großgeräteforschung: hier wird derMangel an richtigen Ansätzen in Europasehr deutlich, und er stellt einen echtenNachteil dar.Wahrscheinlich gibt es durchaus einen Be-darf für ein Rahmenprogramm. Was wirallerdings nicht mehr gebrauchen können,ist der diffuse Ansatz, der derzeit verfolgtwird. Es gibt eine echte Gelegenheit für eineuropäisches Programm, das unter der Lei-

There is a huge gap between the European set-up and the American one in fos-

tering the science base. Europe needs – in addition to its national research councils

– an equivalent to the large US agencies like the National Science Foundation. Be-

sides, the European R&D programmes should concentrate on areas with great so-

cietal relevance that can only be solved on the European level. A closer intertwin-

ing with the EU-policy in these fields is pivotal for their success.

portant institutional approaches and institu-tions are. They are so important because theyare empowering the real actors, institutes ofresearch or people to do what they should do.The man who has most forcedly argued forthat was the economist Amartya Sen.

Now just to remind you very quickly,what is Europe in terms of science and tech-nology? In the first place there are, of course,the national systems. 80-85 per cent of theoverall expenditure in Europe is spent wit-hin the national systems. Next, you mightsay there is a real European layer: theCERNs, the ESAs, and the ESOs of thisworld – they make up 4 to 6 percent. There isa sort of bottom-up-Europe, famously estab-lished in the European Science Foundationformed by the national Research Councilsand Academies, and Eureka for example –another 3-5 per cent. And finally there iswhat most people think the real Europe is: theEU Framework Programme. That Frame-work Programme accounts for about 8 percent if you take into account that the com-mission funds are on average only 50 percent of the various projects. So that isEurope.

I think that changes need – both at a na-tional level and at the European level –first,to go into the direction of a much more effi-cient market place for training, educationand research institutions. We should have a

broad variety in quality and missions. Thatincludes the discussion in Germany and inthe Netherlands about the Institutes for high-er vocational education (“Fachhochschule”

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Peter Tindemans:The approach of Integration andco-ordination in the European Research Area ismisleading.

tung einer europäischen politischen Be-hörde ausgeführt wird in Bereichen mitgroßer gesellschaftlicher Relevanz, wie et-wa Gesundheit, Ernährungssicherheit, re-gionale und globale Umweltprobleme, usw.Dies sind europäische Probleme, und siemüssen auf europäischer Ebene gelöstwerden. Eine engere Verzahnung der For-schungspolitik mit politischen Ansätzen indiesen anderen Bereichen sollte als Trieb-kraft für solche F&E-Programme angese-

hen werden. Was die Diskussion um einenEuropäischen Forschungsraum betrifft, soist es ganz gewiss, dass wir dringend etwasVergleichbares zu den großen amerikani-schen Organisationen wie etwa der Natio-nal Science Foundation, den National Insti-tutes of Health oder des Department ofEnergy brauchen. In Europa sollten ähnli-che Einrichtungen die bestehenden Insti-tutionen nicht einfach ersetzen, sondernan ihrer Seite agieren.

in Germany, for example) and the universi-ties for example in Germany. This differenti-ation has to be developed much further. The-se institutions should be much more autono-mous and they should be much less national.That means we should denationalise this sys-tem to some extent. But that has, of course,great implications for the financing. Weshould finance these higher education insti-tutions differently from what happens now.Philanthropy has been mentioned, privatefoundations, and endowments – they allshould come in.

But the most important point, this is thesecond one, we have probably to discuss inthe next decade in Europe, is the huge gapbetween our set-up and the American one infostering the science base. We need definite-ly and urgently something equivalent to thebig American agencies, such as the NationalScience Foundation, the National Institutesof Health or the Department of Energy. Herein Europe, they should not just replace thenational agencies, but come in addition.

Why do we need it? Just look at these da-ta from the United States. They have finan-cing mechanisms that are geared to compe-tition at a scale that matters: a transconti-nental one. If you are looking at investmentin large facilities in the States, there is abudget which is twice as large as in Europe,4 billion US-$ a year versus maybe 2 billion€. It is concentrated, moreover, in a few agen-cies. If you look at the funding of research inthe American universities, the overall pictureof all universities together is striking and re-vealing in at least two surprising aspects tomost Europeans. The Federal Governmentpays for about 60 per cent of all research inAmerican universities, and, secondly, indus-try only accounts for 7 per cent, which is ab-out the European figure. It’s slightly less insome countries, but the order of magnitudeis the same. It shows that the with pleaswhich people sometimes ask industry to paymore for research in universities is the wrong

approach: it just won’t work. In America,these figures have been stable during the last20 or 25 years.

Thirdly, let us turn now to the European lev-el. There is probably scope for something li-ke a Framework Programme, but not any-more for the diffuse approach which we haveat present. It should focus on a few thingsthat the European Commission can do verywell. There is a genuine opportunity for aEuropean programme run under a Europe-an political authority, in areas which havegreat societal relevance, in health, food se-curity, regional and global environmentalproblems, etc. These are European problems,and they have to be solved at the Europeanlevel. A closer intertwining of research poli-cy and policies in these other domains shouldbe seen as the driving point for such R&Dprogrammes.

Allow me a few words about the Europe-an Research Area (ERA) and why this is turn-ing into a wrong direction. ERA basicallyhinges on two arguments. First, it is aboutintegration. The idea that we should inte-grate all forces in Europe in each and everyarea of science in networks of excellence thatcan compete as a whole versus the UnitedStates, is a completely wrong idea. The sec-ond notion behind ERA is subsidiarity andco-ordination.

Integration should be based on whetherit is necessary for producing top-qualityscience, and on the nature of science. Sciencemeans competition; integration comes in ifyou lack size, for example. If you, however,look at the size of European research efforts,it is rather strange to think that integrationis necessary. Take universities: the averageuniversity in Europe is as large as the ave-rage American university. Consider the waythey are organised internally: nowadays inmost countries we are in a process of reach-

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Zu viele Gewichte in Europa?..

ERA turns into the wrong direction

ing critical mass in the university depart-ments which makes them competitive if theycan focus on quality. Looking at applied re-search, we have in many countries in Europeorganisations like the Fraunhofer Gesell-schaft in Germany or The Netherlands Or-ganisation for Applied Scientific Research inthe Netherlands that are not only large as awhole, but also consist of powerful depart-ments. Similarly, the size of industrial re-search laboratories is not the issue; rather, itis the trailing industrial R&D expendituresas such.

As to subsidiarity: of course, some activi-ties and responsibilities are better organisedat a regional or national level. But the na-ture of the activities, and the ambitions onenourishes for Europe as a whole should bedecisive, not history and national borders,irrelevant to science and innovation. Turningsubsidiarity into a legal or dogmatic princi-ple only invites trench wars.

Co-ordination is another delusion. If twoorganisations with specific objectives agreeto co-ordinate some of their activities, thereare in the first place good arguments forthem to lead separate lives – if not, they justwould merge. Secondly, they also agree thatthere is something that they can do better to-gether by co-ordinating time scales, empha-ses in research areas, by setting up joint pro-grammes etc. to reach a specific objective.Both aspects are lacking in the present dis-cussion of co-ordination in Europe. Peoplejust sit together in committees and go on tothe next meeting of the committee.

There is one area in which the lack of doingthe real things in Europe is very evident. Thisconcerns large research facilities. Here Eu-rope is really at a disadvantage. We have ofcourse a few major successes, like CERN,but for new facilities there is a major prob-lem in Europe. We have to get our act to-

gether in a very complicated way, there is nomechanism between the national govern-ments and other funding agencies that on theone hand produces long-term road maps andon the other hand is geared to producing de-cisions, a major factor being that there is noEuropean budget, nor a structural link be-tween national budget mechanisms for theselarge investments. This contrasts very muchwith the structural approach the Americanscan take in establishing such new large fa-cilities, which are increasingly important inscience beyond the traditional borders ofphysics and chemistry.

Let me summarise: what we see at pre-sent is a discussion that focuses on integra-tion – instead it should focus on competition.We have units in Europe that are largeenough to compete among each other andwith American players. That is the bestguarantee for Europe as a whole to be com-petitive with the States or Japan or new cen-tres that emerge rapidly. Secondly, we shouldwork on institutional mechanisms and theinstitutional set-up rather than concentra-ting on co-ordination and subsidiarity. Thatis where the real action lies and – comingback to the discussion about Germany – ifwe are able to solve a few of these problemsat the European level, this will have a ma-jor impact and be a powerful incentive forGerman and for any national institutions tochange, in order to accommodate, to copewith these changes at the European level. Infact, daring to ask and to answer these Eu-ropean institutional questions amounts al-most to the same as discussing and trying toget rid of national rigidities and obsolete di-visions and structures.

Professor Peter Tindemans, Chairman of the Euro-pean Spallation Source Council, The Hague

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Large-scale facilities

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Zu viele Gewichte in Europa?..

Diskussion

Karl Max Einhäupl,Wedig von Heyden, Alfred Pühler und Peter Lamprecht (Welt amSonntag) (v. li.): Wie viel organisatorischen Overhead braucht die Forschung?

ç

Peter FrankenbergMinister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-WürttembergGenerell sollten wir uns nicht fragen, ob wir zusätzliche Institutionen brau-chen, sondern ob wir nicht zu viele Institutionen haben in der Forschungs-organisation.

Andrei PlesuGründer und Rektor des New Europe College BukarestIch möchte ein paar unvermeidbare Dissymmetrien, Unangemessenheiten zwi-schen Ost und West aufdecken. Wir versuchen seit ein paar Jahren in den ehe-maligen kommunistischen Ländern eine wissenschaftliche Elite wieder aufzu-bauen. Ich meine damit nicht einen Club von Ausgewählten, sondern eine Ka-tegorie von sehr qualifizierten Leuten, die auf allen Ebenen nötig sind, um Effi-zienz, Professionalität, Gründlichkeit zu erreichen. Die Vertreter dieser Elitenwurden unter dem Kommunismus systematisch marginalisiert, wenn nicht ver-nichtet. Die westliche Welt scheint diese Etappe der Elitenförderung hinter sichzu haben. Selbst das Wort „Elite“ scheint ein bisschen strapaziert zu sein; über Eli-ten zu sprechen, ist politically incorrect. Man sagt uns, dass wir Elfenbeintürmevermeiden müssen, dass elitäre Reservate der advanced studies weltfremd zusein drohen. Ich gebe zu, dass der Elfenbeinturm tadelnswert ist, aber die Be-kämpfung des Elitismus soll nicht zur Sabotierung der Eliten führen.

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Ein anderes Vorurteil, wenn wir mit westlichen Kollegen in Kontakt kommen, istdas Vorurteil der sofort nützlichen Forschung. Die Grundlagenforschung, diefreie intellektuelle Ideen austauscht, würde die sozialen Nöte, die Interessender Steuerzahler, die allgemeinen Notwendigkeiten nicht in Betracht ziehen.Das stimmt uns besonders melancholisch. Denn paradoxerweise ist das ge-nau das, was wir jahrzehntelang von der Kommunistischen Partei zu hören be-kommen haben. Alles, was nicht mit den Nöten des Augenblicks zu tun hat, al-les was nicht sofortige Resultate für die ganze Bevölkerung mitbrachte, galtals reine Schwärmerei, Verachtung des Volkes. Wir haben jahrzehntelang ge-träumt, uns einmal eine zweckungebundene, uneingeschränkte Reflexion zuleisten. Im Westen scheint das aber auch eine altmodische, unzeitgemäße Sa-che zu sein.Für Osteuropa ist die Teilnahme an den Entwicklungen des Europäischen For-schungsraumes eine riesige stimulierende, aber auch utopisch klingende Her-ausforderung. Wenn ich die thematischen Prioritäten der EU-Forschung sehe,Genomik, Raumfahrt, Nanotechnologie, muss ich sagen, das sind noch nichtunbedingt unsere Prioritäten, sondern Prioritäten der hoch entwickelten Länder.Wenn ich lese, dass 95 Prozent der Forschungsfinanzierung in Europa eine na-tionale Grundlage haben muss, bin ich eher entmutigt. Unsere nationalen Bud-gets geben uns keine Chance. Um an das Geld der EU zu kommen, müssen wireine Kompetivität beweisen, die unerreichbar ist ohne geeignete Mittel – alsoein Teufelskreis. Damit sind wir von Anfang an zum Scheitern bestimmt.Wenn wir überhaupt kompetitiv sein können, dann eher auf dem Gebiet derGeisteswissenschaften. Man kann auf diesem Gebiet ohne high technology,ohne spektakuläre Mittel hervorragende Resultate haben. Genau dieses Gebietist aber nicht zu finden unter den Forschungsprioritäten der Union. Damitmöchte ich überhaupt nicht Naturwissenschaften und Geisteswissenschaftenantagonisieren. Im Gegenteil: Eine knowledge based economy and society istohne eine Fantasievolle Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaften undGeisteswissenschaften nicht vorstellbar. Eine globalisierte Welt braucht eineglobalisierte Erkenntnis.

Dieter JahnSenior Vice President der BASF AGFür unser Unternehmen ist Europa der Heimatmarkt. Wir verkaufen mehr als60 Prozent unserer Produkte in Europa, und insofern besteht gar keine Alter-native zu Europa, wenn Sie bedenken, dass der Wissenschaftsmarkt dem wirt-schaftlichen Markt oft hinterherhinkt, aber immer folgt. Europa ist aus unsererSicht in Forschung und Technologie miserabel organisiert. Wir sind sowohl inDeutschland als auch in Europa überbürokratisiert.Trotzdem sind wir in viele eu-ropäische Projekte involviert, nicht, um europäische Forschungsgelder zu ak-quirieren, sondern um in die Netzwerke hineinzugehen. Wenn man sich fragt,warum bestimmte Organisationen gut und andere schlechter sind, dann >>>

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Zu viele Gewichte in Europa?..

waren es immer Menschen, key player oder exzellente Wissenschaftler, die dasGanze voran gebracht haben. Und deswegen der Rat, auch natürlich an die Un-ternehmen: Man muss erstens gute Leute in die Organisationen und die Un-ternehmen hineinbringen, und zweitens muss man die Rahmenbedingungenschaffen, dass sie ihre Begabung, ihr Engagement entfalten können. Bei BASF ha-ben wir noch 80 Prozent unserer F&E-Ausgaben in Deutschland, das wird auchso bleiben.Wir haben den Anteil der nicht-deutschen Wissenschaftler in unse-ren Forschungseinrichtungen innerhalb von vier Jahren von 5 Prozent auf 16Prozent gesteigert. Diese Wissenschaftler aus der ganzen Welt, bevorzugt aller-dings aus Europa, bringen ihr Netzwerk automatisch herein. Lasst uns doch vielmehr auf die Menschen vertrauen, auf ihre Netzwerke und auf ihre Fähigkeiten,statt über dicke Papiere und Strukturen zu diskutieren.

Karl Max EinhäuplVorsitzender des WissenschaftsratesMit Blick auf die europäische Position muss man einfach deutlich machen, dasswir in Deutschland und in Europa im Moment nicht sehr gut aufgestellt sind,wenn es darum geht, Nischen, Stärken und Defizite im deutschen Forschungs-raum zu identifizieren, in die wir hineingehen können. Ich glaube wir müssenuns überlegen, welche Organisationsform wir finden können, um solche Ni-schen zu finden. Es gibt zum Beispiel in Europa in Bereichen der Schlaganfall-forschung keine wirklich gut aufgestellte Nation.Wir haben aber größte Schwie-rigkeiten, uns innerhalb Europas zu organisieren.

Rolf TarrachPräsident des Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (CSIC)Das deutsche Forschungssystem ist eines der besten in Europa. Wenn man esmit den skandinavischen Ländern vergleicht, könnte man meinen, die sind nochviel weiter. Aber man darf nicht vergessen, dass die skandinavischen Ländersehr klein und demzufolge statistische Fluktuationen groß sind. Ich glaubenicht, dass man das, was man in Skandinavien erreicht als leicht erreichbar be-trachten könnte für ganz Europa. Die Rahmenprogramme fördern mehr die in-dustrienahe und die gelenkte Forschung. Aber warum sollte beispielsweise diedeutsche Industrie die neuen Erkenntnisse mit der französischen Industrie tei-len wollen? Meines Erachtens müssten wir gerade Grundlagenforschung in Eu-ropa betreiben. Ein anderes Problem ist, dass es in Europa zu schwer ist, in neu-en Disziplinen zu forschen und risikoreiche Forschung zu betreiben. Der Kon-sens, dass wir alle mit dieser Verschiedenheit der europäischen Systeme endlichein Modell ausarbeiten, wird sehr, sehr schwer zu realisieren sein.Großbritannien und Deutschland sind die beiden Länder, die Modelle haben,die man als für Europa im Ganzen als interessant betrachten könnte. Und einesdieser beiden Länder, wenn nicht beide zusammen, sollte viel aktiver sein in Eu-ropa, um wirklich ein europäisches Forschungssystem aufzubauen.

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Walter KröllPräsident der Hermann von Helmholtz-GemeinschaftDeutscher Forschungszentren Ein wesentliches Desiderat sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebenesind handlungsfähige Strukturen sowohl zur Entscheidungsfindung wie zurUmsetzung und zum Management.Wir haben in Deutschland und auch in Eu-ropa zu viele Strukturen, die in endlosen Abstimmungsprozessen dem Idealdes Konsenses anhängen, der bei internationalem Wettbewerb um innovativeProdukte nicht in angemessener Zeit zu Ergebnissen führt.Europa muss gestaltet werden dadurch, dass gegebenenfalls auch wenige Ein-richtungen, wenige der Forschungsorganisationen und -zentren zu dieser Artvon Vernetzung und Arbeitsteilung kommen. Sie sollen dabei offen bleiben fürandere, aber den Weg vorausgehen. Wenn in Europa insgesamt unter Beteili-gung aller der Europäische Forschungsraum entstehen soll, dann entsteht ernach meiner Erfahrung entweder gar nicht, viel zu spät oder auf niedrigemQualitätsstandard, den wir nicht wollen.

Peter GrussPräsident der Max-Planck-GesellschaftWenn man den Europäischen Forschungsraum analysiert, dann stellt man fest,dass es ein Element gibt, das fehlt.Wir haben zwar eine gemeinsame Förderungfür die Entwicklung des europäischen Wirtschaftsraums, das ist auch in den Ver-trägen festgeschrieben, aber wir haben kein gemeinsames Förderungsinstru-ment für die Entwicklung des Europäischen Wissenschaftsraumes. Das fehlt!Man kann hier natürlich sagen, das Problem ist gelöst, wenn wir die nationalenTöpfe europäisch zugänglich machen. Da stimme ich zu. Zusätzlich aber wärees doch denkbar, die EU-Fördertöpfe auch für die Grundlagenforschung zu öff-nen. Dazu bedarf es einer Änderung der Vertragsgestaltung. Dafür plädiere ich.

Philipp CampbellEditor Nature Publishing GroupI completely agree with what is being said about the need for autonomy. That istrue at the funding level for Europe.What younger researchers and good creativeresearchers will need is the ability to get funding with little effort in actually ap-plying for it, and also the possibility to work with outstanding people. So the Eu-ropean Research Council (ERC) is a door that is already half open.

Jean-Patrick ConneradePresident of “Euroscience”One of the major roles the European dimension can play in the whole matter isto actually help to enhance or increase competition. But it is not being used, be-cause Europe in terms of funding research is “balkanised”. It is simply an aggregateof little monopolies and empires. >>>

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Zu viele Gewichte in Europa?..

One way to break it is very simple. You take 5 per cent of the research budget, dis-tributed by national councils in every one of these European countries, and makeit open to all European applicants. And you do not need to create any new bu-reaucracy. There is no need to invent any new institutions in order to do that.Next, you bring it up from 5 per cent to 10 per cent, and you will end up with a sys-tem that will be rather similar to what exists in America and in Japan – the twocountries that we are worried about. This seems to be the plan B for Europeani-sation, because it is not too expensive. The ERC has now been discussed at greatlength. If nothing happens now, what will the consequence be? The consequencewill be that the young scientists working in laboratories, having followed all thesediscussions and debates with great interest, and perhaps even considering thatprogress is being made, they will feel that yet another opportunity to build some-thing European has been missed.A failure of the ERC and the accumulation of fruitless European endeavours of thatkind would further fuel the famous brain drain that we are worried about. Therehas been enough talking about the ERC. I think now isactually the time for action.

Peter FrankenbergMinister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-WürttembergWir brauchen auch eine europäische Dimension der Grundlagenforschung,denn gerade dort gab und gibt es gute Beispiele europäischer Zusammenar-beit, und die Zusammenarbeit sollte immer zwischen zwischen den Besten inder Wissenschaft stattfinden.Wenn wir die europäische Forschungsförderung so organisieren wollten, wiewir normalerweise Forschungsförderung organisieren, egal ob das jetzt Researchoder Science Council heißt, dann hieße das ja, dass so etwas wie das 6. Rah-menprogramm von der Kommission beschlossen und vom Parlament verab-schiedet wird und dann in die Verantwortung einer wissenschaftsnahen unab-hängigen Institution gegeben wird, die dieses Programm nach den Regeln derWissenschaft administriert. Dann brauchten wir eigentlich nichts Sonstiges.Und das müsste eigentlich unser politisches Ziel sein.Etwas, das Europa auch lernen muss, ist, dass in Deutschland die Kompetenzver-teilung anders ist als in vielen anderen europäischen Ländern, nämlich dass fürdie Hochschulen die Bundesländer zuständig sind. Und wenn wir über Zustän-digkeiten sprechen, müssen wir uns fragen, was wäre die Zuständigkeit der Eu-ropäischen Union, und bei uns in Deutschland, was sind die Zuständigkeitendes Bundes und der Länder, denn wir haben hier zu viele Vermischungen inDeutschland.

Bengt Åke LundvallDRUID Secretariat-AalborgWe need to keep an eye on what is going on in some evaluation procedures.Whenwe move from minor projects to networks of excellence, the kind of selection and

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evaluation processes becomes even more important. If you get any feeling in theacademic community that it is not a legitimate process it will undermine com-pletely the idea of the European Research Area. I have proposed that we use eval-uators from outside Europe, bringing in some of the best people from the US in theprocedure, in order to make sure that we have some really independent expertise.A typical administrative answer is that this would become very expensive. Butwe have to think very carefully about how these projects are all selected.

Frieder Meyer-Krahmer Mithalten und mitprägen

Seite 52

Diskussion

Seite 58

Deutschlands Gewicht in Europa

Um die Frage, wie sich das deut-sche Forschungssystem im eu-ropäischen Kontext verändern

muss, beantworten zu können, möchte ichzuerst auf diesen „europäischen Kontext“eingehen. Der europäische Kontext ist inder mittelfristigen und langfristigen Per-spektive nicht eindeutig:

Zentralisierung – Wunschtraum oder Alptraum?• EU-Kommission als demokratisch ge-

wählte Regierung• Forschungspolitik aus einem Guss und

mit großem Gewicht• Europäisches Headquarter der For-

schungseinrichtungen

Dezentralisierung – Scheitern der Integration?• Unfähigkeit, ein 7. Rahmenprogramm

zustande zu bringen• Wachsender Wettbewerb zwischen For-

schungspolitiken• Interregionale und internationale For-

schungsverbünde

Europa als Multi-Ebenen- und Multi-Akteurs-System• Koexistenz regionaler, nationaler und

europäischer Politiken• Geschickt agierende EU-Kommission

erzeugt Integrationsdruck• Europäischer Forschungsraum und das

3 Prozent Ziel als Schritte zu abge-

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Deutschlands Gewicht in Europa..

Frieder Meyer-Krahmer

Mithalten und mitprägen

There is no clear-cut European context in themedium or long term. A continuation of thecurrent trends would result in a “multi-ac-tor system” comprising a multitude of play-ers co-existing and acting with and along-

side each other. Establishing links to otherEuropean universities and partners can al-so open up the institutional barriers thathave developed among extra-university re-search institutions on the one hand and

Für die Weiterentwicklung der Forschung im europäischen Kontext sind ver-

schiedene Szenarien denkbar – eine starke zentrale Instanz, ein Wettbewerb der

Regionen oder wie bisher ein Nebeneinander diverser Akteure und Ebenen. Ent-

scheidend wird auf lange Sicht sein, ob es endlich gelingt, einen funktionieren-

den europäischen Arbeitsmarkt für Forscher einzurichten.

Summary

stimmten Initiativen zwischen den Na-tionen

Drei mögliche Ausgänge scheinen mir rea-listisch. Wir können möglicherweise in ei-nigen Jahren konfrontiert sein mit einer eu-ropäischen Verfassung, mit einem demo-kratisch gewählten Parlament, das wiede-rum eine europäische Regierung wählenwird, also mit einer ganz starken europäi-schen Ebene. Nur innerhalb eines solcheneuropäischen Kontexts kann ich mir vor-stellen, dass z.B. zwei Dutzend Hochschu-len in Europa zu weltweit führenden Or-ten der Lehre und Forschung ausgebautwerden, so dass sie den 20 führenden For-schungsuniversitäten in den USA entspre-chen. Es kann aber auch sein – so das zwei-te Szenario –, dass mit den Beitrittskandi-daten ein so ungeheures Spannungsver-hältnis aufgebaut wird, dass es möglicher-weise zu einer gewissen Zerreißprobekommt. Der Prozess des Zusammenwach-sens kann so gebremst werden, dass z.B.kein siebtes Rahmenprogramm mehr zuStande kommt. Das wäre die Stunde derstarken Regionen, so dass in Zukunft imwesentlichen Regionen wie z.B. Baden-Württemberg in Europa miteinander ko-operieren und konkurrieren. Nationaleund europäische Ebenen würden stark anGewicht verlieren. „The winners win, thelosers lose“ kann dann eine wesentlicheAuswirkung auf die jeweiligen Forschungs-und Wissenschaftssysteme haben. Das drit-te Szenario zeigt die Fortsetzung dergegenwärtigen Trends auf. In der Politik-wissenschaft bezeichnet man es als „Multi-

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Ebenen“- oder „Multi-Akteursystem“, daseine Vielzahl von Playern umfasst, die mit-einander und nebeneinander koexistierenund auch miteinander agieren. Mein Ein-druck ist, dass die EU-Kommission in die-

Frieder Meyer-Krahmer: Ein starkes Europa kanndie Kräfte in der Forschung besser bündeln.

higher education institutions on the other.To achieve this, obstacles to co-operationand mobility in Europe have to be removed.Also, a European labour market needs to becreated for researchers. Germany itself has

to do everything necessary to keep pace withand shape these processes in the EuropeanResearch Area and play a leading role inthem.

ser Multi-Akteurs-Landschaft im Augen-blick relativ geschickt und intelligent agiertund einen größeren Druck aufbaut, als wirDeutsche uns dies klar machen.

Die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) istprimär aus Drittmitteln finanziert. Eshängt also viel davon ab, wie sich die Er-träge aus dem Ausland insgesamt entwi-ckeln. Dabei sind wir primär auf Europafokussiert. Wir haben zwar auch aus denUSA und Asien bestimmte Einnahmen,aber das Wesentliche spielt sich in Europaab. Interessanterweise partizipieren wirkeineswegs nur von der EU-Kommission,sondern mittlerweile kommt ein größererTeil der Einnahmen aus den Mitglieds-staaten. Wir haben verschiedene Instru-mente, die wir anwenden, wir beteiligenuns natürlich an den Kooperationsvorha-ben der Europäischen Union, wir folgenunseren Kunden nach Europa, und wirversuchen joint ventures mit anderen eu-ropäischen, also italienischen, französi-schen, britischen Einrichtungen aufzu-bauen. Wir wagen derzeit nicht, ein ei-genständiges Fraunhofer-Institut in einanderes Land zu verpflanzen, weil wir be-fürchten, dass die Anbindung nicht ge-lingt. Praktische Schwierigkeiten ergebensich mit dem Zuwendungsgeber hinsicht-lich der Frage, ob kleine Teile der Grund-finanzierung in diese gemeinsamen jointventures fließen. Das will man uns ver-wehren. Jedoch: Wer nichts wagt, wirdnichts gewinnen.

Die eigentliche Frage für uns ist die län-gerfristige Perspektive. Die entscheidendeFrage ist, bleibt die FhG ein nationalerPlayer? Das Interessante ist: In allen euro-päischen Vertrags-Forschungseinrichtun-gen ist der Home-Markt jeweils das Sitz-land. Das finden Sie selbst in dem kleinenFinnland; die finnische Vertragsfor-

schungseinrichtung hat ihren Markt-schwerpunkt in Finnland, nicht in Euro-pa. Für die FhG ist die Frage: Bleibt sie inden nächsten zehn Jahren überwiegend inDeutschland, oder wird unser HauptmarktEuropa als Ganzes werden? Das hat ganzeinschneidende Konsequenzen; bisher istdie FhG eine Art „Generalanbieter“ inDeutschland. Sie verfügt über alle wichti-gen Technologien mit Ausnahme der Che-mie. Wenn aber der Hauptmarkt Europaist, dann wird sie sich in Arbeitsteilungund in Kooperation mit anderen Vertrags-forschungseinrichtungen einfinden müs-sen, dann ist sie „Spezialist im Netzwerk“,ein arbeitsteilig angelegtes Portfolio ist al-so angesagt. Jede Forschungseinrichtungjedoch muss für sich selbst eine spezifi-sche Strategie finden.

Ich möchte kurz auf die Internationalisie-rungstendenzen der Forschung der globalplayers eingehen: An meinem Institut füh-ren wir Untersuchungen durch, warumdie global players international Forschungund Entwicklung betreiben. Wir haben200 der wichtigsten großen Firmen be-fragt, in den USA, in Europa und Japan,weshalb sie in anderen Ländern außerdem Sitzland Forschungslabors aufbauen.Relativ uninteressant sind die Fälle, in de-nen man vor schlechten Bedingungen imeigenen Land flüchtet oder andernorts Fi-nanzierung sucht. Der entscheidendePunkt ist eher der Zutritt zu exzellentenForschern, zu den jungen Talenten, zurForschungsinfrastruktur und zum Markt,sofern er attraktive Bedingungen für dieMarkteinführung von Innovationen bie-tet. Diese Faktoren Exzellenz, For-schungsinfrastruktur und Marktbedin-gungen spielen sehr stark miteinander zu-sammen. Die Attraktivität für Firmen istabhängig von Offenheit und Zugänglich-

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Deutschlands Gewicht in Europa..

Der Sitz bestimmt den Hauptmarkt

Exzellenz zieht global players an

keit der Forschungssysteme. Man solltenicht nur darüber nachdenken, wie wirexzellente Forscher im Bereich der öffent-lichen Wissenschaft einwerben können,sondern auch wie wir die Forschungsla-bors von multinationalen Firmen anzie-hen können – denn auch dies ist ent-scheidend für den Standort.

Meine Antworten auf die Frage, „Wiemuss sich das deutsche Forschungssystemim europäischen Kontext ändern?“ lauten:

• Modernisierung von Wissensproduk-tion und -nutzung und Aufbrechen der„Versäulung“ in Deutschland offensivanstreben

• International anschlussfähige Ausbil-dung erreichen

• Abbau von innereuropäischen Koopera-tions- und Mobilitätshemmnissen (So-zialversicherung, Einfluss des Sprach-raums)

• Im europäischen Forschungsraum mit-halten, mitprägen und führende Rollespielen:

• 3 Prozent Ziel: ambitionierte Maß-nahmen notwendig

• europaweite Karrierewege für For-scher und exzellenten Nachwuchs

• Bewertung und Standards (z.B. Cen-ter of Excellence)

• neue Plattformen für europaweiteForschung

• Neue Standortpolitik: Lead-Märkte alsGegenstand der Forschungs- und Inno-vationspolitik.

Ich gehe bei meinen Antworten von derEinschätzung aus, dass das Integrations-ziel der Europäischen Union vor allem aufder Ebene der Programmatik genanntwird. De facto wird aber vieles, was mitBlick auf den Europäischen Forschungs-raum begonnen wird – das 3 Prozent-Ziel,die Versuche anderer Nationen, stärker aufdie knowledge society und Forschung und

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Entwicklung zu setzen – zu einem höhe-ren intra-europäischen Wettbewerb füh-ren. Die Anstrengungen, das Forschungs-system in Deutschland zu modernisierenund Versäulungen aufzubrechen, solltendeshalb offensiv fortgeführt werden. Mankann die Versäulung zwischen außeruni-versitären Forschungseinrichtungen undHochschulen auch so aufbrechen, dassman sich mit anderen europäischen Uni-versitäten und Partnern verbindet; dasmuss nicht alles nur im nationalen Raumpassieren. Als Innovationsforscher begrü-ße ich besonders die gegenwärtige Rolleder privaten Stiftungen, wie Volkswagen-Stiftung oder Stifterverband, die versu-chen, durch innovative Pilotprojekte undUnterstützung von Pionieren im Schum-peter’schen Sinne den notwendigen Struk-turwandel im öffentlichen Wissenschafts-system zu beschleunigen.

Eine weitere Antwort ist: Es gibt in Eu-ropa immer noch eine ganze Reihe vonKooperations- und Mobilitätshemmnis-sen. Es steht an, einen europäischen Ar-beitsmarkt für Forscherinnen und For-scher zu etablieren. Auch das ist wettbe-werbsfördernd. Forscher verlieren bei-spielsweise ihre Altersversorgung, wennsie auf Dauer in ein anderes Land gehen.Und wenn man hierzulande schon dieSozialversicherungssysteme reformiert,dann bitte auch in einer Art und Weise,dass damit zugleich ein Beitrag zur Er-möglichung eines europaweiten Arbeits-marktes für die Forschung geleistet wird.Wir haben darüber hinaus im Bericht zurTechnologischen Leistungsfähigkeit fest-gestellt, dass es einen Nachteil der gro-ßen Sprachräume in Europa gibt (haupt-sächlich des französischen, z.T. des deut-schen Sprachraums – Japan zählt übri-gens auch hierzu –). Diese Sprachräume

Ein europaweiter Arbeitsmarkt

bergen eine gewisse Tendenz, auf sichselbst orientiert zu sein. Also auch da gibtes noch einiges zu tun.

Deutschland muss alles daran setzen,im europäischen Forschungsraum mitzu-halten, mitzuprägen und eine führendeRolle zu spielen. Diese zwei Begriffe sol-len sehr stark unterschieden werden. Mit-halten heißt beispielsweise in Bezug aufdas 3-Prozent-Ziel, dass dies wahrschein-lich von Deutschland nur schwerlich er-reicht wird. Wir haben von Herrn Sobollgehört, dass es nicht nur um Forschungund Entwicklung geht, sondern dies nureine Metapher für eine Richtung ist, in dersich eine große Innovationsdynamik ent-faltet. Dies betrifft auch die Wirkungenvon Spitzentechnologie auf traditionelleSektoren oder den medium-tech-Sektor.Das sind alles Themen, die weit über denWissenschaftsraum selbst hinausgehen. Soviel zum Stichwort „Mithalten“.

Unter dem Stichwort „Mitprägen“ würdeich nennen: Die europäische Kommissionagiert geschickt in einer ganzen Reihe voneuropaweiten Festlegungen. Europaweitwerden Karrierewege geöffnet. Bewertun-gen und Standards zu Exzellenznetzwerkenwerden gesetzt. Es geht auch darum, neuePlattformen für europaweite Forschung zuschaffen. Wir brauchen Kooperationsmög-lichkeiten zwischen Forschungseinrich-tungen für fünf bis zehn Jahre (geknüpftan Meilensteine und Evaluation), die einehöhere Stabilität und Robustheit garantie-ren als kurzatmige Projektförderung aufder einen Seite, aber nicht solche schweränderbare Strukturen erzeugen wie z. B.das Joint Research Center. Wenn Deutsch-land sich nicht ausreichend beteiligt, dannwerden diese Dinge an anderer Stelle de-finiert und festgelegt; deswegen ist mirdieses „Mitprägen“ so wichtig. Die Attitü-

de in Deutschland ist doch sehr stark: Wirsind so groß, wir machen das ja alles, wedon’t care what’s going on in Europe. Ichübertreibe etwas, aber das scheint eine ge-wisse Grundstimmung zu sein, die unslangfristig schadet. Auch ist die Debatte,auf welchen Feldern Deutschland in Eu-ropa eine führende Rolle spielen sollte,noch keineswegs überzeugend geführtworden. Ich bin kein großer Fan von coun-cils, wie sie von Bengt Åke Lundvall vor-geschlagen werden. Ich würde, wennüberhaupt eine neue Institution gegründetwerden soll, eine von der EuropäischenKommission unabhängige Einrichtungvorschlagen. Es ist nicht unbedingt vonVorteil, in die Willensbildungsprozesse,Konsultationen und intransparenten poli-tischen Aushandlungen eingebunden zusein. Begrüßenswert wäre, wenn Grundla-gen-, angewandte Forschung und Innova-tion ganzheitlich zur Sprache kommen undsich mit selbstbewusster Stimme zu Wortmelden würden.

Abschließend möchte ich zu dem Vor-schlag von Herrn zur Hausen kommen.Die Innovationsforschung befasst sich seitneuestem mit so genannten Lead-Märkten.Lead-Märkte sind die Märkte, in denen In-novationen erstmalig eingeführt werden,sind also besonders attraktiv. Der Lead-Markt für Pharmazeutik befindet sich inden USA, weil die Forschung, die Interak-tion zwischen Pharmazeutikfirmen, Klini-ken und den Unternehmen, die Größe desMarktes und die durchaus anspruchsvol-len Regulierungsbedingungen attraktivsind. Lead-Märkte in Europa stellen bei-spielsweise die Mobilkommunikation unddie Automobilindustrie dar. Firmen wieMotorola und Sony bauen in Europa ihreFuE-Labors für Anwendungen der Infor-mationstechnik im Verkehrsbereich auf,weil sie erwarten, dass in Europa die inter-essantesten Mobilitätskonzepte entwickeltwerden. Von dieser Seite her, völlig außer-

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Deutschlands Gewicht in Europa..

Neue europaweite Plattformen

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halb des Rahmens der heute hier disku-tierten Wissenschaftssysteme, von der In-novationsforschungsseite her, kann manzeigen, dass ein Standort erheblich ge-winnt, wenn er neben einem modernenWissenschaftssystem auch attraktive wirt-schaftliche Bedingungen in der beschrie-benen Weise aufweist. Wenn Lead-Märkteauf den Feldern Mobilität, Gesundheit, Si-cherheit, Energie oder Brennstoffzellen an-gestrebt werden, dann kommt man ausdieser ganz anderen Sicht zu ähnlichenSchlussfolgerungen wie Herr zur Hausen:einer Neuaufstellung des Forschungssys-tems mit weniger aufgabenbezogenen,sondern stärker themenbezogenen Struk-turen. Doch das kann man durch hori-zontale Vernetzung in einer flexiblenForm erreichen und setzt nicht den Auf-bau neuer institutioneller Strukturen vor-aus, mit denen man sich möglicherweisewieder erneute Erstarrungstendenzen ein-handelt.

Professor Dr. Frieder Meyer-Krahmer, Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsfor-schung, Karlsruhe

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Deutschlands Gewicht in Europa..

Bengt Åke LundvallDRUID Secretariat-AalborgThis concept of excellence could sound as if it is a one-dimensional concept thatcould be easily deduced from some indicators. There is a certain arrogance in say-ing that those universities who are not really good should not be there, but ofcourse they should be there.They are going to train an enormous amount of peo-ple, and these people need professors who have certain research experience. Andif we let all the second rate become third and fourth rate, we will pay the price interms of very bad students coming out, working in the majority of firms. I thinkthere is a certain tendency to focus on very advanced, very costly science and itsconnection with very advanced and very big firms. I will go as far as saying thatraising the knowledge base at a constant level in the remainder might have amuch bigger impact of what is going on. We have to realise that we are playingdifferent games, and we have to play them according to different rules and withdifferent players. So let’s have a science council to play the excellence game. But wealso have to play the broader innovation competence game.

Diskussion

Uwe Thomas, Dieter Jahn, Arend Oetker, Peter Frankenberg (v. li.): Mehr Exzellenzdurch Wettbewerb der Hochschulen.

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Karl Max EinhäuplVorsitzender des WissenschaftsratsDie Universitäten sind natürlich für die Zukunft unseres Landes verantwort-lich, insofern als sie die besten Studenten ausbilden müssen. Aber sie müssennicht nur die besten Studenten, die später in Berufe gehen, ausbilden, siemüssen auch die besten Wissenschaftler ausbilden, die später in den Ein-richtungen der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, derFraunhofer-Gesellschaft ihre Forschung machen. Es ist kein Geheimnis, dasses um die Universitäten in Deutschland in vieler Hinsicht nicht so gut steht,wie wir es uns wünschen. Wie können wir die Universitäten zu dem machen,was wir ihnen immer als Aufgabe zuweisen, nämlich das berühmte Rückgratzu sein? Steht es wirklich so schlimm? Unsere Absolventen können doch garnicht so schlecht sein, wenn wir bedenken, dass sie in den USA mit Kusshandgenommen werden. Es ist eine große Nachfrage nach deutschen Absolventen.Aber wir haben das Problem, dass in Deutschland die Grundlagenforschungzum großen Teil aus den Universitäten ausgegliedert ist, und das ist eineSchwäche, die überwunden werden muss. Wir haben als Konzept die Bildungvon Clustern. Solche Cluster müssen, zumindest in einer Entstehungsphase,durch Incentives gebahnt werden. Wir brauchen ein starkes, auch finanziellunterstütztes Incentive-System, damit Cluster zwischen Max-Planck-Institu-ten und Universitäten, zwischen Max-Planck-Instituten und Helmholtz-Insti-tuten getragen werden können. Wovor ich wirklich warnen möchte ist, dassman jetzt zwar gemeinsame Berufungen durchführt, aber letztlich auf Kostender Universität, so dass dann auch noch Forschungsmittel, die eigentlich an dieUniversitäten gehören, von den Universitäten in diese gemeinsamen Projek-te abfließen.Wir brauchen in Deutschland einige wenige Eliteuniversitäten. Wir haben imDurchschnitt sehr gute Wissenschaftler, wir haben auch einzelne Wis-senschaftler, die hervorragend sind und zur internationalen Spitze gehören,aber uns fehlen Institutionen, die als Institution zur absoluten Spitzenklassegehören, zumindest fehlen sie uns in der nötigen Anzahl.Wir brauchen sie, weilsie der Maßstab für die anderen sein und gewissermaßen voranschreiten müs-sen, um die Messlatte festzulegen, an der die anderen gemessen werden müs-sen.Zur leistungsorientierten Mittelvergabe sage ich ganz deutlich, dass ich festder Überzeugung bin, obwohl Universitäten unterfinanziert sind, und obwohlwir darum kämpfen müssen, dass Universitäten besser finanziert werden, dasswir immer noch Reserven in den Universitäten zur Verfügung haben, diemobilisierbar sind. Reserven nämlich dort, wo Forschungsmittel für sachfremdeDinge verwendet werden. Es ist gesagt worden, dass wir Einschnitte vornehmenmüssen und nicht so sehr versuchen dürfen, zu restituieren. Ich glaube, wennwir diesen Mut in den Universitäten nicht aufbringen, dann werden wir dieUniversitäten auch nicht international konkurrenzfähig machen. >>>

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Deutschlands Gewicht in Europa..

Als weiteren Punkt sehe ich die Internationalisierung der deutschen Univer-sitäten. Es wird nicht genügen, einfach nur Englisch im Unterricht zu machen,um Internationalisierung durch Universitäten herbeizuführen.Wenn wir euro-päische Studierende, auch europäische Wissenschaftler an deutschen Univer-sitäten haben wollen, dann müssen wir auch Programme starten, die die Infra-struktur für diese jungen Leute bereitstellen. Es darf nicht sein, dass sie bereitsam Einwohnermeldeamt scheitern, und auf diese Weise überhaupt keinenWunsch haben, nach Deutschland zu kommen.

Frieder Meyer-KrahmerFraunhofer-Institut für Systemtechnik und InnovationsforschungDie außeruniversitären Einrichtungen sind nun einmal in Deutschland sehrstark. Es gibt Verbindungslinien zu den Hochschulen, die sind aber weit, weitmehr ausbaufähig als bisher. Geteilte Stellen beispielsweise 50 Prozent in der ei-nen Situation, 50 Prozent in der anderen Situation sind ganz unübliche Model-le, entweder – oder. Und die Fraunhofer-Gesellschaft ist sehr stark darauf an-gewiesen, eine gute Anbindung an die Hochschulen zu haben. Wir braucheneine Balance, angewandte Forschung und Grundlagenforschung.Die Schnittstelle zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtun-gen ist noch lange nicht ausgereizt, es gibt da noch ein großes Potenzial an Ver-netzung. Und das würde dem deutschen System sehr gut tun.

Peter FrankenbergMinister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-WürttembergDie deutschen Universitäten entwickeln sich sehr unterschiedlich von Land zuLand.Wir haben noch nie so viel Länderunterschiedlichkeit in den Hochschulge-setzen und in den Strukturen gehabt wie derzeit. Das ist ein wichtiger Wettbe-werb. Wir wollen erreichen, dass wir eine mittlere Ebene von Hochschuleinrich-tungen haben, deren Qualität garantiert ist. Und wir wollen Elite bilden, aber nichtauf Kosten der Elite auch ganz schlechte Institutionen zulassen. Also ein diffe-renziertes System mit einer gewissen Abdichtung nach unten. Bei der Frage vonEliteuniversitäten muss man natürlich an Elitefakultäten denken oder Eliteinsti-tute, es ist die Frage, ob eine ganze Institution in allen Teilen exzellent sein kann,aber wir brauchen herausragende Institutionen und gleichzeitig die Notwendig-keit, 30 Prozent eines Altersjahrganges oder mehr qualitativ hochwertig akade-misch auszubilden.Wir müssen von der Gruppenuniversität Abschied nehmen.Wirmüssen die Berufungsverfahren wesentlich härten. Wir müssen wegkommenvon den kollegialen Entscheidungsstrukturen. Damit können Sie keine Elite schaf-fen, damit können Sie auch keine Elite berufen.Wir brauchen andere Karrierewe-ge, wir brauchen in diesem Zusammenhang sicherlich auch eine Zeit des Wan-dels. Mir wäre daran gelegen, dass die Länder ihre eigenen Personalstrukturenund ihre eigenen Dienstrechte schaffen können. In diesem Wettbewerb wird sichsehr viel mehr bewegen, als sich jetzt bundeseinheitlich bewegt hat.

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Peter TindemansChairman of the ESS CouncilI believe very strongly that one of the things we have to learn in Europe, in con-tinental Europe in particular, is to think of universities in terms of differentiatedentities. They are animals in a zoo, but they are totally different animals. Andthat is what we have to accept. A major failure of the introduction of the Bach-elor/Master structure in Europe, continental Europe, would be if it led in the endto a new system which would still be based on the common concept of both stu-dents and professors and the whole population that every student actually shouldcontinue from planning a Bachelor to a Master and possibly further on. Whatwe should learn from America is that about 50 per cent or even more of the stu-dents stop after their Bachelor degree. If we do not accept that situation – andthat means a societal acceptance – we can forget about the real differentiationin terms of quality of universities.

Alfred PühlerLehrstuhl für Genetik, Universität BielefeldDas Bundesministerium für Bildung und Forschung hat auf dem Gebiet derbakteriellen Genomforschung drei Netzwerke ausgeschrieben. Das Beispielzeigt, wie man Spitzenforschung an Universitäten organisieren kann. In diesenNetzwerken sollen die besten Gruppen auf diesem Gebiet zusammenarbeiten,und zwar nicht nur Gruppen an Universitäten, sondern auch Gruppen an außer-universitären Forschungseinrichtungen und aus der Industrie.Ausschlaggebend ist, dass Netzwerke von einem an einer Universität angesie-delten Kompetenzzentrum aus gesteuert werden. Dies kann man bundesweitund natürlich über die Grenzen Deutschlands auf andere Gebiete ausweiten.

Ein inhaltlich weit ausgreifendes,an Diagnosen und Therapievor-schlägen reiches Gespräch wie

das heutige zusammenzufassen, ist im-mer schwierig, wenn nicht gar unmög-lich, in jedem Fall aber in der Gefahr, sichdem Vorwurf auszusetzen, unangemessenselektiert zu haben und gegenüber einerVielzahl von Positionen und Personenungerecht gewesen zu sein. Ich bitte des-halb schon jetzt um Nachsicht und Ver-ständnis dafür, dass ich im Folgenden vie-les nicht noch einmal aufgreifen werde,was uns an bedenkenswerten Analysenund Bewertungen zur deutschen und eu-ropäischen Forschungslandschaft prä-sentiert worden ist.

Mit Blick auf den forschungspoliti-schen Ertrag – und damit als Fingerzeigefür unser zukünftiges Handeln! – möchteich mich darauf konzentrieren, in fünfPunkten Veränderungsnotwendigkeitenzu akzentuieren, denen wir in jeder Hin-sicht politische, administrativ-organisato-rische und nicht zuletzt auch finanziellePriorität einräumen müssen:

1. Mehr Qualität, Flexibilität und Innova-tionsbereitschaft ermöglichen

Qualität und Beweglichkeit in der Wis-sensproduktion und Wissensvermittlungentscheiden heute mehr denn je über die

Potenziale, die Fähigkeiten und die Be-reitschaft einer Gesellschaft und ihrerWirtschaft, die Herausforderungen einersich rasch wandelnden Umwelt aufzu-greifen und ihre Zukunft erfolgreich zumeistern. In der Wissensgesellschaft wer-den sie zu einer immer wichtigerenRessource für die Bewältigung und vor al-lem für die Gestaltung des Wandels. Da-bei stehen wir nicht nur in Deutschland,sondern in nahezu allen europäischenLändern vor prinzipiell demselbenschwierigen Problem: Während sich dieWissenserzeugung quer durch alle damitbefassten Institutionen und innerhalb die-ser selbst ständig beschleunigt, könneninstitutionelle Strukturen und Prozessedes Wissenschafts- und Forschungssys-tems, die sich in anderen Kontexten undunter anderen Anforderungen herausge-bildet haben, damit oftmals nicht Schritthalten. Die für die kommenden Jahre zuerwartende, weitere Beschleunigung derWissensproduktion und die wachsendeDynamik in der Entwicklung neuer Wis-sensgebiete und Technologien machen eserforderlich, mit neuen Instrumenten derQualitätssicherung, aber auch mit größe-rer Offenheit und Beweglichkeit daran zugehen, Aufgaben, Strukturen und Ar-beitsformen der einzelnen Teile unseresWissenschaftssystems in einen intensivenAustauschprozess einzubinden sowie die

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Fazit und Ausblick..

Wilhelm Krull

Veränderung tut NotWilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, moderierte das Villa-

Hügel-Gespräch 2002. Eine Bilanz in fünf Punkten.

dafür notwendigen Förderinstrumentefortlaufend zu überprüfen und bei Bedarfneu zu gestalten.

2. Höhere Anreize für Mobilität,Wissens-transfer und Vernetzung setzen

Je stärker sich die Formen und Wege, indenen neues Wissen hervorgebracht wird,von einem relativ homogen strukturierten,durch innerwissenschaftliche Diskurse ge-prägten, institutionell fest verankerten Pro-zess verändern hin zu offeneren, von ei-nem dezidierten Anwendungsbezug ge-prägten Verfahren, umso stärker ergebensich aus diesem Wandel auch neue An-sprüche an Hochschulen und Forschungs-einrichtungen einerseits, an Unternehmenandererseits, sich in Ausbildungs-, For-schungs- und Entwicklungsprozessen weit-aus stärker als bisher zu vernetzen. Auchwenn es weiterhin richtig bleibt, dass dieerfolgreichste Form des Wissenstransfersdie Ausbildung von hervorragend qualifi-zierten Nachwuchskräften ist, die leitendeFunktionen in Wissenschaft, Wirtschaftund Gesellschaft übernehmen können, soist doch unübersehbar, dass wir künftigauch andere Formen der Interaktion unddes Transfers wissenschaftlicher Kennt-nisse und technologischer Expertise ausHochschulen und außeruniversitären For-schungseinrichtungen in den jeweiligengesellschaftlichen Handlungskontextenverstärkt nutzen müssen.

3. Effektivere Internationalisierung durchstrategische Allianzen in Forschung undLehre

Im Kontext eines weltweiten Marktes, dernicht nur forschungs- und technologiein-tensive Produkte, sondern auch immermehr Bildungsangebote umfasst, erhält dieinternationale Dimension von Wissen-schaft neue Bedeutung. So verdienstvoll

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es im Einzelnen gewesen sein mag, dasssich die deutschen Hochschulen mit Part-nerschafts- und Kooperationsabkommengut eingedeckt haben, so wenig kann diesjedoch darüber hinwegtäuschen, dassneue Anstrengungen erforderlich sind, umim globalen Hochschulwettbewerb beste-hen zu können. Die mit dem „Bologna-Prozess“ begonnene Modularisierung und

Wilhelm Krull: Qualität und Beweglichkeit in derWissensproduktion entscheiden.

Neustrukturierung des Studienangebotskann auch den deutschen Hochschulendabei helfen, sich auf dem internationalenBildungsmarkt neu zu positionieren. Dazugehört jedoch auch ein von den jeweiligenForschungsschwerpunkten aus konzi-piertes Angebot an international vernetz-ten Graduate Schools, über die sich – ge-meinsam mit international führenden Uni-versitäten anderer Länder – ganz neueMöglichkeiten für unsere Hochschulenauftun könnten, ihre Leistungsfähigkeitzu demonstrieren und ein Stück Reputa-tion hinzu- oder zurückzugewinnen. Vie-le Universitäten haben sich mit Blick aufsolche internationalen, strategischen Al-lianzen auf den Weg gemacht. Ich denkejedoch, dass hier noch viel Potenzialschlummert, vor allem auch in der Clus-terbildung gemeinsam mit benachbartenaußeruniversitären Forschungseinrich-tungen.

4. Forschungsfreundlichere Förderstruktu-ren für Europa implementieren

Die Lissaboner Erklärung vom März 2000,derzufolge sich die Europäische Union daspolitische Ziel gesetzt hat, bis 2010 dieführende wissenschaftsbasierte Ökonomiein der Welt zu etablieren, und die Erklä-rung vom März 2002 in Barcelona, wo-nach die Investitionen in Forschung undEntwicklung in der Europäischen Unionvon derzeit insgesamt rd. 2 Prozent desBruttoinlandsprodukts bis 2010 auf 3 Pro-zent gesteigert werden sollen, haben fürEuropa eine ehrgeizige Agenda gesetzt.Diese quantitativen und qualitativen Zielewerden nicht allein durch ein „Weiter so“zu erreichen sein. Die auch im ersten eu-ropaweiten Benchmarking aufgezeigtenSchwächen lassen sich nur überwinden,wenn neue, vorrangig qualitätsbasierteund wissenschaftsgesteuerte Wettbewerbs-strukturen auch auf der europäischen Ebe-

ne etabliert werden. Ein European Rese-arch Council könnte ganz wesentlich dazubeitragen, eine solche europaweite Arenades Wettbewerbs um die besten Köpfe, diebesten Projekte und auch um die bestenForschungszentren zu eröffnen. Fernerkönnte ein European Research Council si-cherstellen, dass bereits vorhandene Groß-geräte und vor allem auch künftige Inves-titionen in neue Forschungsinfrastruktu-ren koordinierter, kooperativer und auchkompetitiver angegangen werden könnenals heute. Da die Konzepte auf dem Tischliegen, ist es nun an der Politik, zu han-deln!

5. Attraktivere Rahmenbedingungen fürForschung und Entwicklung schaffen

Im Laufe unseres Gespräches ist immerwieder deutlich geworden, dass die inner-wissenschaftlichen Strukturen und Orga-nisationsformen allein nicht ausreichen,um die Attraktivität der deutschen – undletztlich auch der europäischen – For-schung zu erhöhen. Zwar erweist es sichauch hier als notwendig, die Bedingun-gen für die institutionenübergreifendeKooperation zwischen den einzelnen Be-reichen des Forschungssystems nachhal-tig zu verbessern und Kooperations-hemmnisse abzubauen, um sicherzustel-len, dass neue problemorientierte For-schungsthemen und -richtungen jenseitseingespielter und verfestigter institutio-neller Strukturen rasch aufgegriffen wer-den können. Aber weitaus wichtiger nocherscheint es mir, die rechtlichen Rah-menbedingungen in vielen, die For-schung in ihrer Leistungsfähigkeit tan-gierenden Bereichen zu überdenken. Diesfängt an mit den Vergütungsregeln undAnstellungsmodalitäten, die immer nocheher den Anforderungen staatlicher Ver-waltungen als denen international kon-kurrenzfähig agieren könnender For-

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Fazit und Ausblick..

schungseinrichtungen entsprechen. DasDesiderat eines Wissenschaftstarifvertra-ges ist zwar erkannt, aber konkreteSchritte zu seiner Einführung stehenweiterhin aus. Ähnliches gilt für vielfachimmer noch zwingend vorgeschriebeneZulassungsverfahren, Organisations- undLeitungsstrukturen, Finanzierungsmoda-litäten und nicht zuletzt auch für eineVielzahl von Gesetzen, mit denen lang-wierige Genehmigungsverfahren für dieDurchführung von Forschungsarbeiten,etwa in der modernen Gentechnik, zuVerzögerungen führen. Der in einigenLändern bereits beschrittene Weg, mehrLeistungsfähigkeit durch eine Stärkungder Eigenverantwortung der Hochschu-len und Forschungseinrichtungen zu er-möglichen, muss konsequent weiter be-schritten werden.

Wie vor allem der Blick ins Ausland –und dafür sei unseren Gästen noch einmalausdrücklich gedankt! – gezeigt hat, be-steht für uns in vielen Bereichen Hand-lungsbedarf. Freilich wird dieser nicht ein-fach durch eine direkte Übertragung aus-ländischer Modelle realisiert werden kön-nen. Es gibt keine Patentrezepte, die wireinfach nur auf Deutschland übertragenmüssen. Wenn wir zum Beispiel die Ba-chelor-Master-Struktur aus dem angel-sächsischen Bereich auf unsere deutschenHochschulen übertragen, dann entstehtmit Sicherheit etwas Neues und nicht ein-fach nur eine Kopie der Modelle aus denUSA oder aus Großbritannien. Dies mussaber kein Fehler sein, sondern kann gera-de die Chance für Innovationen eröffnen.Dabei können wir jedoch niemals sichersein, dass die von uns auf Anhieb favori-sierte Lösung auch die richtige ist. LassenSie mich deshalb schließen mit einem Zi-tat des Göttinger Naturwissenschaftlersund Philosophen Georg Christoph Lich-tenberg, der einmal gesagt hat: „Ich kannfreilich nicht sagen, ob es besser wird,

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wenn es anders wird, aber so viel kann ichsagen, es muss anders werden, wenn esgut werden soll.“

Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, Hannover

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Fazit und Ausblick..

Wilhelm Krull

A Shift is inevitable

Summarising talks like today’s, whichhave covered a wide range of issuesand provided a wealth of diagnoses

and therapeutic proposals, is always a diffi-cult, if not impossible venture. It certainly al-ways bears the danger of exposing oneself tothe accusation of having made an inappro-priate selection and having treated a largenumber of positions and persons unfairly. Iwould therefore already like to ask you to beforbearing and appreciate that I have not onceagain taken up all of what has been present-ed as analyses and assessments of the Ger-man and European research landscape thathas to be deemed worthy of consideration.

With a view to what has been yielded interms of research policy – and as a hint ofour future action! – I would like to concen-trate on the need for change in five aspectsthat we must give political, administrativeand, last but not least, also financial priori-ty in every respect:

1. Enabling more quality, flexibility andreadiness to innovate

More than ever before, quality and flexibi-lity in today’s knowledge production andknowledge dissemination are crucial to thepotentials, abilities and readiness of a so-ciety and its economy to address the chal-lenges a rapidly changing environment po-ses and master its future successfully. In the

knowledge-centred society, these aspects arebecoming an increasingly important resourceto cope with and, above all, shape change.Not only in Germany, but in almost all Eu-ropean countries, we are facing what is es-sentially the same difficult problem: Where-as the generation of knowledge is gainingmomentum across all institutions involvedin it and within these institutions them-selves, institutional structures and proces-ses in the science and research system thathave developed in other contexts and as aresponse to different demands often cannotkeep up. A further acceleration of knowled-ge production that can be expected over thenext few years and the growing dynamics inthe development of new fields of knowledgeand technology are resulting in the need toapply new instruments of quality assuran-ce and to observe a greater degree of open-ness and flexibility in integrating tasks,structures and modes of working among theindividual parts of our science system intoan intensive process of exchange and to re-view the funding instruments required to thisend on an ongoing basis and, if necessary,reorganise them.

2. Putting greater incentives in place for mo-bility, knowledge transfer and networking

The more the shapes and ways of generatingnew knowledge shift from a relatively ho-

Wilhelm Krull, Secretary General of the VolkswagenStiftung, led the Villa Hügel

Talks 2002. A conclusion in five steps.

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mogeneously structured, institutionally es-tablished structure determined by discipli-nary discourse to more open procedures fea-turing a determined link to application, themore this shift will result in new demandsbeing made on higher education and researchinstitutions on the one hand and on compa-nies on the other to network – far more thanhas so far been the case in training, researchand development processes. Even if it conti-nues to hold that the most successful way oftransferring knowledge is to educate excel-lently qualified junior staff who are able totake up executive positions in science, in-dustry and society, one can nonetheless notoverlook that in future, we are also going tohave to make greater use of other forms ofinteraction and transfer of scientific know-ledge and technological expertise from high-er education institutions and extra-universi-ty research institutions to the respective so-cietal contexts of action.

3. Strategic alliances to achieve more effec-tive internationalisation in research andteaching

In the context of a worldwide market thatcomprises not only research and technolo-gy-intensive products but more and moreeducational programmes as well, the inter-national dimension of science is gainingnew significance. As commendable as itmay have been in individual cases for Ger-many’s higher-education institutions to seeto it that they are involved in a wide rangeof collaborative schemes, this can nonethe-less conceal the fact that new efforts are re-quired to hold one’s own in global highereducation competition. The modularisationand restructuring of curricula that has setin with the “Bologna Process” can help Ger-many’s higher education institutions to at-tain new positions in the international edu-cation market as well. This also includes aprogramme of graduate schools which has

been designed on the basis of the respectiveresearch priorities, features institutions thatare networked at international level andwith which – together with internationallyleading universities of other countries – en-tirely new prospects could emerge for ourhigher education institutions to demonstratetheir efficiency and gain or regain a bit of re-putation. Many universities have introdu-ced measures with a view to such interna-tional, strategic alliances. However, I belie-ve that here a considerable potential stilllies dormant, especially also with regard tothe formation of clusters with neighbouringextra-university research institutions.

Wilhelm Krull: Quality and flexibility are crucialfor knowledge production.

4. Implementing funding structures for Eu-rope that are more conducive to research

The Lisbon Declaration of 2002, accordingto which the European Union has set itselfthe political goal of establishing the leadingknowledge-based economy by 2012, and theBarcelona Declaration of March 2002, whichenvisages that investments in research anddevelopment in the European Union are torise from a current approx. 2 per cent of thegross domestic product to 3 per cent by 2010,have set an ambitious agenda for Europe.These quantitative and qualitative goals can-not be reached by merely carrying on in thesame way as usual. Establishing new, predo-minantly quality- based and science-drivencompetitive structures at European level canonly overcome the weaknesses that have al-so been highlighted in the first Europe-widebenchmarking exercise. A European Re-search Council could make a very significantcontribution to opening up such a Europe-wide arena of competition for the best brains,the best projects, and also the best researchcentres. Moreover, a European ResearchCouncil could ensure that already existinglarge-scale apparatus and, above all, futureinvestments in new research infrastructurewould be dealt with in a more co-operativeand also competitive manner than today.Since the structures are at hand, it is now upto politicians to act!

5. Creating a more attractive environmentfor research and development

In the course of our talks, it has become ap-parent again and again that the disciplinarystructures and forms of organisation are notenough on their own to enhance the attrac-tiveness of German – and ultimately also Eu-ropean – research. Here too, the need hasemerged to improve the conditions for co-operation across institutions between the in-dividual areas of the research system in asustainable manner and eliminate obstaclesto competition in order to ensure that new,

problem-oriented research topics and fieldsgoing beyond well-adjusted and well-estab-lished institutional structures can rapidly beaddressed. But to me, it would appear to befar more important to reconsider the legalframework in many areas that affect the ef-ficiency of research. This starts with the re-gulations governing remuneration and em-ployment, which still correspond more to therequirements of government administrationthan those of research institutions that areexpected to be able to respond to internatio-nal competition. While the residue of a col-lective agreement for science has been rec-ognised, concrete steps to implement it haveyet to be taken. The same applies to admis-sion procedures, organisational and execu-tive structures and funding modalities muchof which is prescribed on a compulsory basisand, last but not least, to a number of lawswith which tedious authorisation proceduresgoverning the carrying out of research acti-vities, for example in modern genetic engi-neering, result in delays. The approach thatsome countries have already opted for ofenabling more efficiency by enhancing theself-responsibility of higher education andresearch institutions has to continue to bepursued consistently.

As a glance abroad – for which we wo-uld once again like to express our thanks toour guests – has shown, there are many are-as in Germany with a need for action to betaken. However, it will not be possible to ac-complish this merely by directly applyingforeign models. For example, if we transferthe bachelor/master structure from the An-glo-Saxon area to our German higher edu-cation institutions, this is certainly going toresult in something new rather than merelyin a copy of models from the USA or theUnited Kingdom. But this need not be a mis-take. Rather, it can represent an opportuni-ty for innovation. However, we can never becertain that the solution we have immedia-tely opted for will be the right one. Allow

68

Fazit und Ausblick..

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me therefore to conclude by quoting the Göt-tingen scientist and philosopher GeorgChristoph Lichtenberg, who once said: “Ofcourse I cannot say whether a change willmake anything better. But what I can say isthat things have to change if they are to begood.”

Dr. Wilhelm Krull, Secretary General of the Volks-wagenStiftung, Hannover

DDas Villa-Hügel-Gespräch mitzahlreichen europäischen Teil-nehmern hat gezeigt, dass der

Blick von außen nützlich und notwendigist. Alle waren sich darin einig, dass es kei-nen Mangel an Diagnosen gibt, auch kei-nen Mangel an möglichen Therapien –aber es fehlt am Mut zur Entscheidungund an der Kraft zur Umsetzung. Wir ha-ben ein großes Thema „groß“ geredet. Wirhaben allen Versuchungen widerstanden,es „klein“ zu reden, also nur mehr Geldzu fordern, uns gegenseitig die Schulter zuklopfen oder uns nur ins Jammertal zuflüchten, obwohl dies ja weiterhin die öf-fentliche Diskussion bestimmt. Wir habenstattdessen tatsächlich eine sinnvolle The-rapie entwickelt. Dazu folgende zehn kur-ze Postulate.

• Versäulung aufbrechen, Querstrukturenschaffen, Cluster bilden.

• Weniger institutionell denken als viel-mehr in qualitativer Differenz und wis-senschaftlicher Exzellenz.

• Dafür die notwendigen und liberalen

Rahmenbedingungen und Anreizsyste-me schaffen – wozu natürlich auchSanktionsmechanismen gehören.

• Qualität, Leistungsfähigkeit und Wett-bewerb generieren, auf Spitzentechnikund Spitzenforscher setzen und dabeidie Breitenförderung nicht vergessen,weil zur Spitze immer auch die Breitegehört.

• Eine strategische Forschungsplanungetablieren und zwar nicht als Struktur-diskussion, sondern als Themendiskus-sion.

• Herausragende Institute und Wissen-schaftler über die nationalen die insti-tutionellen und disziplinären Grenzenhinweg vernetzen.

• Die innereuropäischen Kooperations-und Mobilitätshemmnisse abbauen.

• Den Europäischen Forschungsraumwettbewerbs- und wissenschaftsadäquatgestalten.

• Neue Plattformen für eine europaweiteFörderung der Exzellenzforschung,auch der Grundlagenforschung, schaf-fen.

70

Fazit und Ausblick..

Manfred Erhardt

Mehr Wissenschaftfürs Geld

Manfred Erhardt, Generalsekretär des Stifterverbandes, formuliert zehn Postu-

late, die sich aus dem Villa-Hügel-Gepräch 2002 „Gewogen und für zu leicht be-

funden? – Neue Herausforderungen für die Forschung in Deutschland und Eu-

ropa“ ergeben.

• „Set the Universities free“ – d. h. Dere-gulierung, Professionalisierung, Reallo-kation der Mittel auf Exzellenz, aufinternationale Standards und im Sinneeiner nationalen und internationalenArbeitsteilung. Leitbild in diesem Be-reich ist die unternehmerische, diehandlungsfähige, experimentierfreudi-ge, aber auch zeitorientierte Universitätim europäischen und im internationa-len Kontext.

Bei allen Unterschieden im Detail der Lö-sungsansätze waren sich die Teilnehmerdes Villa-Hügel-Gespräches in der Dia-gnose einig: Wir brauchen nicht nur mehrGeld für die Wissenschaft, sondern vor al-lem auch mehr Wissenschaft für das vor-handene Geld, mehr gezielte und mit derPraxis verknüpfte Projektforschung aufder einen Seite, aber auf der anderen Seitemehr Grundlagenforschung, die zu Basis-innovationen führt. Um das zu erreichen,sind die vorhandenen Strukturen nicht op-timal: Sie haben teilweise zur „Versäu-lung“, d.h. zu institutionellen Barrierenzwischen den Wissenschaftsorganisatio-nen geführt, die durch mehr Kooperationund Clusterbildung aufgebrochen werdenmüssen. Für diese an wissenschaftlicherExzellenz orientierte Zusammenarbeit giltes, flexible Rahmenbedingungen und fi-nanzielle Anreize zu schaffen.

Wir müssen durch Wettbewerb mehr Qua-lität und bessere Leistungen erzielen, aufSpitzenforschung und Spitzentechnik set-zen und dürfen dabei die notwendige Brei-tenförderung nicht vernachlässigen. Unsfehlt eine strategische Forschungsplanung,die sich an zukunftsträchtigen Wachs-tumsfeldern orientiert.

Wir müssen die herausragenden For-schungsinstitute und die besten Wissen-

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schaftler, über die wir in Deutschland ver-fügen, über die nationalen, institutionel-len und disziplinären Grenzen hinwegvernetzen. Auch die innereuropäischenKooperations- und Mobilitätshemmnissegilt es abzubauen und den EuropäischenForschungsraum wettbewerblich zu ge-stalten.

Leitbild für die Forschungsförderungsind qualitative Differenz und wissen-schaftliche Exzellenz sowie Wettbewerbund Kooperation. Leitbild im Hochschul-bereich ist die unternehmerische, hand-lungsfähige, experimentierfreudige Uni-versität, die sich dem international gülti-gen Standard stellt und im europäischenKontext profiliert.

Professor Dr. Manfred Erhardt, Generalsekretärdes Stifterverbandes

Manfred Erhardt: Zur Spitze gehört auch immerdie Breite.

Strategische Planung fehlt

72

Fazit und Ausblick..

Manfred Erhardt

More Science for the Money

The Villa Hügel Talks with several Eu-ropean participants have shown thatlooking at things from the outside is

both useful and necessary. Everyone agreedthat there is neither a lack of diagnoses norof therapies. What is lacking, however, is thecourage to make decisions and the strengthto implement them. We have talked big abouta big topic. We have resisted any temptationsto play it down by merely demanding moremoney, patting each other on the back orsimply fleeing to the vale of tears, althoughthis is what continues to determine the pub-lic debate. Instead, we have developed a sen-sible therapy that is reflected in the followingten short postulates:

• Dismantling institutional barriers, puttinglateral structures in place and formingclusters.

• Thinking less in institutional terms andmore in terms of qualitative differencesand academic excellence.

• Creating the necessary and liberal frame-work conditions and incentive systems tothis end, which of course also includessanctioning mechanisms.

• Generating quality, efficiency and compe-tition, opting for cutting-edge technologyand top researchers without neglectingacross-the-board support, because peakperformance always requires a broad base.

• Establishing strategic research planning,not as a structural debate but as a thema-tic debate.

• Networking institutes and scientists andscholars of excellence beyond the national,institutional and disciplinary barriers.

• Removing obstacles to co-operation andmobility within Europe.

• Developing the European Research Areawith a view to competition and the require-ments of science.

• Creating new platforms for Europe-widefunding of excellent research, includingpure research.

• “Set the universities free” – which meansderegulation, setting professional stan-dards and reallocating funds towards ex-cellence in terms of international stan-dards and in the context of a national andinternational division of labour. In thisarea, the guiding concept is the entrepre-neurial university that is able to act, wil-

Manfred Erhardt, the Secretary General of the Stifterverband, claims ten postulates

resulting from the 2002 Villa Hügel Talks “Weighed and found Wanting? – New

Challenges for Research Policy in Germany and Europe”.

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ling to experiment and that has set itselfclear targets in the European and interna-tional context.

Regardless of all the differences in the detailsof the solution strategies, the participants ofthe Villa Hügel Talks agreed on the diagno-sis. Not only do we need more money forscience, but we also need more science forthe money available, more targeted projectresearch linked to practice on the one hand,and on the other more pure research leadingto basic innovations. The existing structuresare not ideally suited to achieve this. Partly,they have resulted in institutional barriersbetween science organisations that need tobe dismantled through increasing co-opera-tion and the formation of clusters. Such co-operation oriented on academic excellence

requires that flexible framework conditionsand financial incentives be put in place.

We have to achieve more quality and betterperformance through competition. We needto opt for cutting-edge research and technolo-gy without neglecting the funding of a broadresearch base. What we are lacking is stra-tegic research planning oriented on forward-looking growth fields.

We must network outstanding researchinstitutes and the best scientists and scholarswe have in Germany beyond the national,institutional and disciplinary barriers. Theinternal European obstacles to co-operationand mobility have to be removed as well, andthe European Research Area has to be deve-loped with a view to competition.

The guiding concept for research fundingis differences in quality and academic excel-lence as well as competition and co-opera-tion. In the higher education sector, the guid-ing concept is the entrepreneurial universitythat is keen to experiment and willing to ac-cept internationally recognised standardsand develop a profile in a European context.

Professor Dr. Manfred Erhardt, Secretary Generalof the Stifterverband

Manfred Erhardt: Peak performance always re-quires a broad base.

Strategic Research Planning Needed

Campbell, Dr. PhilipEditor, Nature Publishing Group, London

Connerade, Professor Jean-PatrickPräsident „Euroscience“, Lockyer Profes-sor of Physics, Quantum Optics and La-ser Science Group Physics DepartmentImperial College, London

Einhäupl, Professor Dr. Karl MaxVorsitzender, Wissenschaftsrat, Köln

Erhardt, Professor Dr. ManfredGeneralsekretär, Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft, Essen

Frankenberg, Professor Dr. Dr. h. c. PeterMinister, für Wissenschaft, Forschungund Kunst Baden-Württemberg, Stuttgart

Gruss, Professor Dr. PeterPräsident, Max-Planck-Gesellschaft zurFörderung der Wissenschaften e.V.,München

Hausen, Professor Dr. Harald zurVorsitzender des Vorstands, DeutschesKrebsforschungszentrum, Heidelberg

Henkel, Professor Dr.-Ing. E. h. Hans-OlafPräsident, WissenschaftsgemeinschaftGottfried Wilhelm Leibniz e.V., Bonn

Huber, Prof. Dr. Dr. h. c. Max G.Vizepräsident, Deutscher AkademischerAustauschdienst e.V., Bonn

Jahn, Dr. DieterSenior Vice President, BASF Aktienge-sellschaft, Leiter der Abteilung Hoch-schulbeziehungen und Forschungspla-nung, Ludwigshafen

Kröll, Professor Dr.WalterPräsident, Hermann von Helmholtz-Ge-meinschaft Deutscher Forschungszen-tren e.V., Bonn

74

Anhang..

Teilnehmer/ParticipantsVilla-Hügel-Gespräch 2002„Gewogen und für zu leicht befunden? – Neue Herausforderungen für die Forschung in Deutschland und in Europa“

Donnerstag, 28. November 2002, 9.30 – 16.30 Uhr,in der Villa Hügel in Essen

Die Angaben zur Position beziehen sichjeweils auf den Termin der Tagung imNovember 2002.

ç

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Pavitt PhD, Professor Keith SPRU Science and Technology Policy Re-search University of Sussex, Falmer,Brighton(Professor Pavitt verstarb am 20. Dezem-ber 2002.)

Peters, Professor Dr. UrsulaVizepräsidentin, Deutsche Forschungs-gemeinschaft, Universität zu Köln

Plesu, Professor Dr. Dr. h. c. mult. AndreiGründer und Rektor des New EuropeCollege Bukarest, ehem. Kultur- undAußenminister der Republik Rumä-nien

Pühler, Professor Dr. AlfredFakultät für Biologie, Lehrstuhl für Ge-netik Universität Bielefeld, Bielefeld; Vor-sitzender der AG „Strategische For-schungsförderung“ des Wissenschafts-rates

Krull, Dr.WilhelmGeneralsekretär, VolkswagenStiftung,Hannover

Landfried, Professor Dr. KlausPräsident, Hochschulrektorenkonferenz,Bonn

Lundvall, Professor Bengt ÅkeDRUID Secretariat – Aalborg UniversityDepartment of Business Studies, Aalborg

Meyer-Krahmer, Professor Dr. FriederFraunhofer-Institut für Systemtechnikund Innovationsforschung, Karlsruhe

Oetker, Dr. ArendPräsident, Stifterverband für die Deut-sche Wissenschaft, Essen

Oppermann,ThomasMinister, Niedersächsisches Ministeriumfür Wissenschaft und Kultur, Hannover

Hochkarätig besetzte Runde: Gut 30 Experten aus dem In- und Ausland diskutierten beim Villa-Hügel-Gespräch 2002, wie die Forschungsförderung in Deutschland und der EU aussehen sollte.

76

Anhang..

Tindemans, Professor PeterVorsitzender des European SpallationSource Council, Den Haag

Winter, Dr. EkkehardMitglied der Geschäftsleitung, Stifterver-band für die Deutsche Wissenschaft,Essen

Rauck, Dipl.-Ing. HorstMitglied des Vorstands, MAN Technolo-gie, Augsburg

Schmidt, Professor Dr. ArnoldPräsident, Fonds zur Förderung der wis-senschaftlichen Forschung (FWF) Aus-trian Science Fund, Wien

Schweickart, Dr. h. c. NikolausVorsitzender des Vorstands, ALTANA AG,Bad Homburg v.d.H.

Soboll, Dr. Horst J.stv. Vorsitzender European Research Ad-visory Board of the European Commis-sion (EURAB), Leiter Forschungspolitikund Kommunikation, DaimlerChryslerAG, Stuttgart

Sonder, Chem. Dipl.-Volkswirt ClaudioVorsitzender des Vorstands, Celanese AG,Kronberg im Taunus

Tarrach, Professor RolfPräsident, Consejo Superior de Investiga-ciones Cientificas (CSIC), Madrid

Thomas, Dr.-Ing. E. h. UweStaatssekretär, Bundesministerium fürBildung und Forschung, Berlin

77

„Wie sehr gerade die Industrie die Wissenschaft brauche, unterstrich auch Horst J. So-boll (DaimlerChrysler). Sie brauche ihre Ergebnisse und die von ihr ausgebildeten For-scher – aber sie brauche sie auch als Kooperations-Partner. ‚Investition in Forschung istZukunftssicherung‘, betonte er. Und er fragte, ob die politische Seite nicht zu viel anKohle und Landwirtschaft denke – sprich Subventionen. Zur Struktur-Förderung mitBlick auf die neuen Länder: In den USA käme niemand auf die Idee zu sagen: Warumschon wieder nach Kalifornien oder Massachusetts, wir gehen jetzt mal nach Idaho.Sein Fazit: ‚Politische Diskussionen, die auf kleinstem gemeinsamen Nenner enden,können wir und nicht mehr leisten.‘“ Rolf-Michael Simon

„Nikolaus Schweickart, Vorstandsvorsitzender der Pharmafirma Altana, kritisierte, dasszwar genügend ‚Geld im System‘ vorhanden sei, es aber leider für die falschen Ent-wicklungen verschwendet werde. So habe die deutsche Biotech-Industrie sich nicht aufdie lukrative Wirkstoff-Forschung, sondern auf Dienstleistungen in diesem Bereichkonzentriert. Inzwischen sei ein großer Teil abgewandert. Dieter Jahn, Chef der For-schungsplanung des Chemiekonzerns BASF, nannte als Beispiel, dass seine Firma inner-halb weniger Jahre den Anteil der ins Ausland verlagerten Forschungsausgaben vonfünf auf 16 Prozent aufgestockt habe. Die deutsche Forschung sei schlicht überbüro-kratisiert, rügte Jahn. Statt Strukturen zu verändern, würden immer neue dicke Pa-pierstudien vorgelegt. ‚Halte es einfach‘, sei sein Motto. Das heiße, so Jahn, gute Leuteanstellen, die Rahmenbedingungen für optimales Arbeiten schaffen und ansonsten ‚aufdie Menschen und ihre Netzwerke vertrauen‘. Karl-Heinz Karisch

Pressestimmen

Neue Ruhr Zeitung Essen, 7.12.02

„Forschung – Fragezeichen“

Frankfurter Rundschau, 3.12. 2002

„Zu lange ans Atom geklammert“

78

Anhang..

„Obendrein naht eine neue Herausforderung. Im Konkurrenzkampf gegen Japan und dieUSA soll deutsche Forschung europäisch werden. Von einem European Research Coun-cil ist die Rede, einem Wissenschaftsrat, der den Wettbewerb der Besten in Europa an-kurbeln soll. Fünf Prozent der nationalen Forschungsmittel, schlägt Euroscience-Prä-sident Jean-Patrick Connerade vor, sollen künftig in einen großen europäischen Wis-senschaftsetat investiert werden. Der Vorschlag – Basis für eine grenzüberschreitendeGrundlagenforschung – blieb in Essen ohne Resonanz.Die Aussicht auf den europäischen Wettbewerb wird – so steht zu befürchten – die Forscherhierzulande kaum beflügeln. ‚Die Stimmung hier spricht gegen Veränderung‘, sagt Lund-vall und hat vermutlich Recht. Deutsche Forschungsbarone wollen bleiben, was sie sind:Alleinherrscher über ihr Reich. Einsame Spitze – im eigenen Land. Andreas Sentker

„Die deutschen Vertreter streuten Asche auf ihr Haupt und benannten Defizite. DieChancen, die die kontinuierliche Evaluation der deutschen Forschungslandschaft durchden Wissenschaftsrat geboten habe, sei letztlich nicht genutzt worden, meinte Harald zurHausen, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg.Auch die Wiedervereinigung sei kein Anstoß zu deren fälliger Neustrukturierung ge-wesen – die DDR sei einfach ins westdeutsche System integriert worden.Zur Hausen beklagte vor allem das, was in Essen immer wieder als die Effizienz hinter-treibende „Versäulung“ des deutschen Wissenschaftssystems gebrandmarkt wurde: Dieeinzelnen Organisationen und Institutionen – Unis, Fraunhofer-Gesellschaft, Helm-holtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft stünden un-verbunden nebeneinander, befassten sich in erster Linie mit sich selbst und nütztenmögliche Synergieeffekte nicht.“ Markus Schwering

DIE ZEIT, 5.12. 2002

„Einsame Barone“

Kölner Stadtanzeiger, 4.12.02

„Viele Säulen, aber kein Tempel“

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„,Es mag den Deutschen schwer fallen, aber wir können nicht in allem Spitze sein.‘ Ba-den-Württembergs Forschungsminister Peter Frankenberg plädierte dafür, sich in derWissenschaft auf Kernfelder zu konzentrieren und dort multidisziplinär zu arbeiten.Im Abschied von der Gruppenuniversität, wo alles kollegial entschieden werden muss,und in härteren Berufungsverfahren sieht er wichtige Bausteine für die Reform des deut-schen Forschungssystems. Frankenberg setzt in Baden-Württemberg, das mit seinenForschungsausgaben über dem Bundesdurchschnitt liegt, auf den Wettbewerb. Ziel istein ‚differenziertes Forschungssystem mit Abdichtung nach unten‘, das heißt: Die Hoch-schulen sollen auf gutem Niveau eine breite Masse junger Leute ausbilden, zugleichaber dem Spitzennachwuchs beste Chancen ermöglichen. Von Elitehochschulen sprachder Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Kurt Max Einhäupl: „Uns fehlen Institutionen,die zur absoluten Spitzenklasse gehören und uns als Schrittmacher dienen: Von denenbrauchen wir in Deutschland einige wenige.“ Uschi Heidel

„Für Fußballspieler mag das Mittelfeld eine gute Position sein – für die deutsche Wis-senschaft ganz und gar nicht. Doch im internationalen Vergleich ist das, was Forschung‚made in Germany‘ hervorbringt, nur durchschnittlich. Woran liegt das? Und wie ließees sich ändern? Das haben beim 14. Villa-Hügel-Gespräch des Stifterverbandes in Essenrund 30 Männer, aber nur eine Frau diskutiert. Typisch, wie der Däne Bengt Åke Lund-vall, Professor an der Universität Aalborg, meint. Denn für ihn zeigt der Mangel anFrauen, wie sehr das deutsche Wissenschaftssystem ‚alte Wege verfolgt‘. Noch deut-licher wurde Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg, der mit derabgewandelten Redensart „My chair is my castle“ die vorrangige Haltung deutscherLehrstuhlinhaber beschrieb. Und aus dieser geschützten Machtposition deutscher Pro-fessoren folgt, dass sich neue Disziplinen nur schwer durchsetzen lassen, weil die eige-ne stets die wichtigere ist. Dorothee Menhart

Badische Zeitung, 4.12. 2002

„Zu viel Dribbling im wissenschaftlichen Mittelfeld“

Generalanzeiger, 4.12. 2002

„Chancen für den Spitzennachwuchs statt Mittelmaß“