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365/13 Vierter Teil: An Gerda Matejka-Felden

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Gerda Matejka-Felden gründete 1954 die Wiener Kunstschule. Diese Publikation informiert über ihren Lebensweg. Visuelles Konzept/technische Ausarbeitung: Christine Julius & Johanna Moyses – Die Wiener Kunstschule präsentiert ihre DiplomandInnen, Studierenden, Lehrveranstaltungen, Projekte, Kooperationen und theoretische Texte von Lehrbeauftragten, Studierenden und GastautorInnen in einem Designpacket von fünf Büchern. Sieben Studierende der Werkstätte Grafik Design entwickelten ein Konzept für eine Publikation die fünf einzelnen Bücher mit eigenständiger Gestaltung zu einen Jahrbuch zusammenfasst. Verbindende Elemente sind der Titel, der schwarze Punkt (Logo der aus der Wiener Kunstschule gewachsenen school of subversion) und eine Banderole die aus Restbeständen einer Zeitungsbeilage produziert wurde. 60 Jahre nach Gründung durch Gerda Matejka-Felden droht der Wiener Kunstschule die Schließung ... Fortsetzung folgt? Nähere Informationen zur Wiener Kunstschule auf www.kunstschule.at

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Liebe Frau Professor, Sie haben eine Schule gegründet, die nun nach 60 Jahren erfolgreicher Tätigkeit angeblich aus finanziellen Gründen geschlossen werden soll. Aus diesem Anlass drängen sich viele Fragen an Sie auf: Wie haben Sie es geschafft, die Wiener Kunstschu-le allen Widerständen zum Trotz zu gründen? Woher haben Sie die Kraft genommen, den Anfeindungen der akademischen Künstler und ihrer Vereinigungen zu widerste-hen? Waren Sie tatsächlich so widerborstig und unleidlich, wie Ihnen in den wenigen Untersuchungen, die Ihnen gewidmet sind, nachgesagt wird? Und nicht zuletzt: Lassen sich aus Ihren energisch verfolgten Unternehmungen Rezepte ableiten, die dazu beitragen, Ihr mittlerweile längst groß gewordenes Kunstschul-Kind vor dem drohenden Kahlschlag im Bildungsbereich zu retten?

Sitzend: Gerda Matejka-Felden

links: Waltraud Pollak, rechts: Viktor Matejka (Foto: © Wolfgang Pollak)

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Ausgangslage … Erstaunlicherweise gibt es über diese bemerkenswerte Frau, die für ihre pädagogische Tätigkeit mit den höchsten Auszeichnungen der Republik Österreich bedacht wurde, so gut wie keine Literatur. In der Bibliothek der Akademie der Bildenden Künste, an der sie beinahe drei Jahrzehnte lang gewirkt hat, existiert ein Kalender aus dem Jahr 1956 und eine zweiseitige Broschüre über eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus im Jahr 1961. Erst 1995, also über ein Jahrzehnt nach Gerda Matejka-Feldens Tod, legte Doris Weißinger, eine ehemalige Studentin der Meister-schule für Kunsterziehung, die von Matejka-Felden geleitet wurde, eine kritische Würdigung dieser umstrittenen Persönlichkeit vor.

Die hier zusammengestellten Berichte, Dokumente und Sachverhalte stützen sich neben der genannten Untersuchung auch auf die – wenigen – anderen Quellen, die sich am Rande auf Gerda Matejka-Felden beziehen. Es sind dies die Personalakte aus dem Archiv der Akademie der Bildenden Künste, der Nachlass von Viktor Matejka aus dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, die Untersuchungen von Erika Mortinger über die künstlerische Volkshochschule, die Biographiebeiträge zu Viktor Matejka von Elisabeth Klamper, die Überlegungen von Oskar Seber über die Entwicklung und Veränderung des Unterrichtsfaches Bildnerische Erziehung, sowie auf die Aufarbeitung der Geschichte der Wiener Akademie der Bildenden Künste und der faschistischen Kunstpolitik von Seiger, Lunardi und Populorum.

Möglich und notwendig wurde die vorliegende Broschüre aber insbesondere aufgrund der Einsicht, die Wolfgang Pollak in die Konvolute aus Gerda Matejka-Feldens Nachlass gewährt hat, die er aus dem Kohlekeller des elterlichen Wohnhauses retten konnte, und die noch immer auf ihre systematische Aufarbeitung warten. Zahlreiche Dokumente aus diesen Beständen sind hier erstmals veröffentlicht, und es ist zu hoffen, dass dieser kleine Schritt zu einer umfangreichen und angemessenen Auseinandersetzung mit dem vielfältigen Legat dieser Grande Dame der künstleri-schen Erziehung und Volksbildung ermuntert.

Text: Tom Waibel..............................................................................

1901 … Gerda Felden wird am 29. 4. 1901 als Tochter von Emil und Marie Felden geboren. Gerdas Mutter stammt aus altem Pommerschen Landadel und die Familie ist entsprechend wohlhabend und angesehen. Ihr Vater kommt aus dem Großbürger-tum, ist evangelischer Pastor und sozialdemokratischer Abgeordneter im Deutschen Reichstag. 1911 … Die Familie kann es sich leisten, ihren Kindern eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Gerda erhält bereits mit zehn Jahren privaten Zeichenunterricht bei dem Worpsweder Maler Cobet. 1918 … Mit siebzehn Jahren gewinnt sie ein Stipendium der Stadt Bremen für die Malerschule in Worpswede.

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„Und schließlich bescheiden sich die Einen und gehen zu den Menschen, um ihre Arbeit und ihr Los zu teilen, um zu nützen, zu helfen und der Erweiterung dieses Lebens irgendwie zu dienen, während die Anderen, die die verlorene Natur nicht lassen wollen, ihr nachgehen und nun versuchen, bewußt und mit Aufwendung eines gesammelten Willens, ihr wieder so nahe zu kommen, wie sie ihr, ohne es recht zu wissen, in der Kindheit waren. Man begreift, daß diese Letzteren Künstler sind …“ Rainer Maria Rilke, Worpswede (1902)

1924 … Mit 23 Jahren übersiedelt Gerda Felden nach Wien. Vielleicht ist es ihr Interes-se für die neuen sozialen Möglichkeiten, die zu dieser Zeit im „Roten Wien“ experimen-tiert werden, vielleicht ist es aber auch eine verschwiegene Liebesgeschichte, die sie zu diesem Schritt veranlasst. Tatsächlich geht Gerda Felden kurz nach ihrer Ankunft in Wien mit dem Schriftsteller Kossak eine Ehe ein, die allerdings nach wenigen Jahren geschieden wird und die sie Zeit ihres Lebens unerwähnt lässt. Sie richtet sich in Wien ein Atelier ein und arbeitet als freischaffende Künstlerin für verschiedene Zeitungen und Magazine und stellt Illustrationen für Bücher und Verlage her.

Illustration von Gerda Felden, vermutlich in den

1920er Jahren (Sammlung Pollak)

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1932 … heiratet sie Viktor Matejka, der zu dieser Zeit als Dozent an der Wiener Volkshochschule tätig ist. Viktor veranlasst Gerda an der Volkshochschule Zeichen- und Malkurse einzurichten und sie hält ihren ersten Kurs in der Volkshochschule Leopoldstadt. Die folgenden Jahre widmet sie sich fast ausschließlich ihrer Tätigkeit als Volksbildnerin. Sie arbeitet mit allen Schichten der Bevölkerung, und richtet Zeichen- und Malkurse für ArbeiterInnen und Arbeitslose gleichermaßen ein.1934 … Der austrofaschistische Ständestaat ernennt Karl Lugmayer von der Christ-lich-Sozialen Partei zum Wiener Volksbildungsreferenten. Im Bewusstsein der Tatsache, dass die Volkshochschulen der Weiterbildung der Arbeiterklasse dienten, konzipiert er das Volksbildungswerk. Gerda Matejka-Felden gründet eine eigene Fachgruppe für Zeichnen und Malen im Volksheim Ottakring.1935 –1937 … Gerda Matejka-Feldens rege Lehr- und Ausstellungstätigkeit an der Volkshochschule, die ständig steigende Zahl von SchülerInnen und Ausstellungsbe-sucherInnen, das große Interesse der Öffentlichkeit und das unerwartet hohe Niveau der Arbeiten führt immer wieder zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen mit dem „Zentralverband der Bildenden Künstler Österreichs“.

Im Jänner 1938 verfasste das Bundesministerium für Unterricht eine Eingabe an den Bundeskanzler, die den Protest des Zentralverbandes der bildenden Künstler gegen die Weihnachtsausstellung der „künstlerischen Arbeitsgemeinschaft des Wr. Volksbil-dungsvereines“ (Leitung Gerda Matejka-Felden) betrifft. Der zuständige Minister Pernter hielt darin „den altbekannten gehässigen Geist des Klassenkampfes und der Klassenverhetzung“ fest, der ihm zufolge „in der Fachklasse Gerda METAYKA-FELDEN [sic] gezüchtet wird“.

Bericht über Gerda Matejka-Felden im Wiener

Magazin. Okt. 1936 (Österr. Nationalbibliothek)

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Der Unterrichtsminister schloss sich den „sehr zutreffenden Ausführungen des […] Protest-schreibens des Zentralverbandes der bildenden Künstler […] gegen das ganze überaus gefährliche Unternehmen der Frau Gerda MATAYKA-FELDEN [sic]“ an, da diese angeblich „durch ihre nun schon über 600 Dilettanten umfassenden Kunstkurse die Entbehrlichkeit und Überholtheit der Akademie der bildenden Künste dartun will“. Minister Pernter urteilte: „Die Konstituierung eines eigenen Standes der Arbeitermaler stellt sich – wegen der klassenmässigen Zerreissung des Berufsstandes – als eine gefährliche Nachblüte des sonst glücklich überwundenen Klassengeistes dar und ist den ständigen Prinzipien unserer Bundesverfassung diametral entgegengesetzt.“ Er folgert daraus, dass „die strengste Distanzierung aller amtlichen Stellen gegenüber dem Unternehmen der Frau Gerda MATEYKA-FELDEN höchst wünschenswert“ wäre. (Vgl.: Abschrift aus dem österr. Staatsarchiv Zl: 45173-I-6a).

Antwort von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg im Februar

1938 (Abschrift aus dem österr. Staatsarchiv)

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1938 … Als am Morgen des 12. März 1938 die Truppen der Hitler-Wehrmacht Öster- reichs Grenzen überschreiten und den „Anschluss“ vollziehen, wird der glühende Antifaschist Viktor Matejka am selben Tag festgenommen und mit dem ersten Gefangenentransport ins Konzentrationslager Dachau gebracht.Die Reichskulturkammer verhängt über Gerda Matejka-Felden ein generelles Arbeits-verbot auf sämtlichen Gebieten der bildenden und angewandten Kunst und gleich-zeitig auch ein Verbot der Lehrtätigkeit. Sie ist die einzige österreichische Künstlerin, die mit einem so umfassenden Arbeitsverbot belegt wird.1939 –1943 … Gerda Matejka-Felden macht mit solcher Beharrlichkeit Eingaben für die Freilassung ihres Mannes, dass ihr unter Androhung von Schutzhaft weitere Schrit-te verboten werden. Sie verhält sich einige Zeit ruhig und fährt dann wiederholt nach Berlin, wo es ihr gelingt zum zuständigen SS-Gruppenführer vorzudringen.1944 … Viktor Matejka wird am 7. 7. 1944 aus dem KZ entlassen mit der Auflage, sich bei der GESTAPO in Wien zu melden. Das bedeutete so viel wie die Einziehung zum Militärdienst und damit den wohl sicheren Tod. Viktor erwirkt einen Aufschub der Musterung durch die Manipulation seiner offiziellen Krankengeschichte und taucht bis zum Ende des NS-Regimes unter.

Brief aus Dachau vom 17.5.1938 (DÖW)

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Viktor Matejka an Gerda Matejka-Felden, Dachau am 24.4.1938 (DÖW)

Zuteilung von Dir aus bezahlen kannst.

Das ist nicht möglich. Vor einiger

Zeit hast Du mir einen Brief von

Regierungsrat Seyß-Inquart ange-

kündigt. Sage ihm herzliche Grüße.

Ebenso meinem Vetter Viktor Barth,

den Du aufsuchen sollst ebenso

wie meinen kranken Vater. Sage

auch Präsident Lengauer und dem

Wenzel, daß ich sie grüße. Was macht

Deine Malerei? Ich hoffe, dass Du viel malst.

Was machen Karl und seine alten Eltern?

Herzlichst Dein Viktor

Liebe Gerda!

Ich danke Dir für Deinen Brief

vom 14. 4. , worin Du mir mitteilst, daß

Du das Gehalt für April bekommen

hast. Ich freue mich, daß Dein Vater

jetzt aus Bremen leicht zu Dir

kommen kann. Bestelle ihm herz=

liche Grüße mit bestem Dank

für die Sendung der 15 Mark,

die ich von ihm gestern erhalten

habe. Bitte merke Dir gut: Geld

darfst Du Deinen Briefen nicht

beilegen. Du fragst, ob Du die

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1945 … Nach dem Kriegsende wird Viktor Matejka zum Generalbevollmächtigten für alle kulturellen Angelegenheiten in Österreich. Er wird zum Kulturstadtrat für Wien nominiert und tritt in die Kommunistische Partei ein.Im Juli 1945 erhält Gerda Matejka-Felden einen Lehrauftrag für den zweisemestrigen Vorbereitungskurs, sowie für den zeichnerischen und malerischen Unterricht an der Meisterschule für Kunsterziehung der Akademie der Bildenden Künste.

Manuskript Gerda Matejka-Felden

1945 (Sammlung Pollak)

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Manuskript Gerda Matejka-Felden 1948 (Sammlung Pollak)

Trotz eingeleiteter Entnazifizierungsbestrebungen waren auch an der Akademie der Bildenden Künste nach 1945 personelle Kontinuitäten nicht zu übersehen. So übernah-men wiederholt Professoren, die schon zwischen 1938 und 1945 an der Akademie tätig waren, das Rektorat. Möglicherweise wurde Herbert Boeckl, der designierte Rektor nach Kriegsende eine kulante Behandlung bei der „Entnazifizierung“ in Aussicht gestellt, falls er sich für Matejka-Felden als Lehrbeauftragte einsetzte. Den verbliebenen Professoren erschien es jedenfalls opportun, der vorgeschlagenen Berufung (wenn auch widerwillig) zuzustimmen, um weitere Aufdeckungen hintanzuhalten.

1946 … erhält sie einen unbefristeten Lehrauftrag an der Akademie und wird zum außerordentlichen Professor ernannt. 1947 … Gerda Matejka-Felden gründet mit Karl Lugmayer und Leopold Langham-mer den Verein „Künstlerische Volkshochschule“ und bringt diese Volkshochschule in der Akademie der Bildenden Künste unter. Ihre Mal- und Zeichenkurse im Gebäude am Schillerplatz bieten reichlich Konfliktpotential für Auseinandersetzungen mit dem Professorenkollegium der Akademie.

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Gerda Matejka-Felden machte in Kenntnis vieler Details aus den Personalakten der Kollegen, die in den Wirren 1945 frei herumlagen, vor der Übernahme ihres Lehrauftrages an der Meisterschule für Kunsterziehung die Unterbringung der künstlerischen Mal- und Zeichenkurse der Volkshochschule im Souterrain der Akademie zur Bedingung. Die Aktivi-täten der „Künstlerischen Volkshochschule“ an der Akademie fanden großes Interesse, nicht zuletzt auch in der Politik, aber sie boten ein nicht enden wollendes Konfliktpotential mit dem Professorenkollegium. Der Standort am Schillerplatz und die Betreuung durch eine Akademieprofessorin hatten eine große Anziehungskraft für die breite Öffentlichkeit.

Brief an Gerda Matejka-Felden 1949 (Sammlung Pollak)

Gerda Matejka-Felden teilte die Studierenden der Kunsterziehung dazu ein, Kursbetreuun-gen für die künstlerische Volkshochschule zu übernehmen. Die Akademie-Studenten wehrten sich gegen diese obligatorische Unterrichtstätigkeit und behaupteten, dass ihr Studienfortschritt dadurch erheblich verzögert würde. Ihr Unmut mündete in einem Vorlesungsstreik, um die Ablösung ihrer ungeliebten Professorin zu erzwingen.

1948 … Die Ehe zwischen Viktor und Gerda wird geschieden. Trotz der Scheidung verbleibt Viktor Matejka weiterhin in der gemeinsamen Wohnung und bleibt Gerda bis zu ihrem Tod freundschaftlich verbunden.Zwischen der Akademie der Bildenden Künste und dem Verein der Künstlerischen Volkshochschule wird ein Benützungsübereinkommen geschlossen. Die Gegenwehr des Kollegiums der Akademie blieb folgenlos.

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1949 –1951 … erfolgt ein Disziplinarverfahren gegen Gerda Matejka-Felden an der Akademie augrund ihrer Entscheidung, die Studenten der Meisterschule für Kunster-ziehung für die Lehrtätigkeit an der Künstlerischen Volkshochschule zu verpflichten. Das Disziplinarverfahren endet mit einer Rehabilitierung und Wiedereinsetzung Matejka-Feldens. Auch während des Verfahrens erfährt die künstlerische Volkshoch-schule einen lebhaften Aufschwung.

Angesichts der skizzierten politischen Situation an der Akademie ist zu vermuten, dass manchen Kollegiumsmitgliedern der Studentenstreik willkommen war, um Matejka-Felden loszuwer-den. Dazu kam, dass sie als einzige Frau im männerdominierten Kollegium durchaus keinen leichten Stand hatte.

Manuskript Gerda Matejka-Felden

(Sammlung Pollak)

Das Erstaunlichste an diesem Konflikt besteht darin, dass Gerda Matejka-Felden mit der verpflichtenden Unterrichtstätigkeit der Studierenden einen aus der heutigen pädagogi-schen Ausbildung nicht mehr wegzudenkenden Teil als Pionierin entwickelte. Die von Matejka-Felden gebotene Möglichkeit, bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt festzustel-len, wie gut sich die Studierenden zur Lehrtätigkeit eigneten, zählt mittlerweile zum erziehungswissenschaftlichen Standard. Matejka-Feldens praktischer Zugang, pädagogi-sche Fähigkeiten zu üben, didaktische Konzepte zu entwickeln und anzuwenden, war ihrer Zeit voraus und widersprach dem akademischen Dünkel der damaligen Studierenden.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten kümmete sich Gerda Matejka-Felden stets auch um die soziale Situation ihrer StudentInnen.

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Tätigkeitsbericht der Meisterschule für Kunsterziehung 1945–1948 (Sammlung Pollak)

Frauen in der Volksbildung (Sammlung Pollak)

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1952 … Auch die Gewerkschaften unterstützen die Bildungsarbeit der Künstlerischen Volkshochschule durch Gewährung eines fünfzigprozentigen Kurskostenersatzes. Die Österreichische Bundesbahn bietet für Kriegsversehrte, Arbeitslose und Studenten eine fünfzigprozentige Preisermäßigung der Fahrtkosten zum Kursbesuch an.

Handschriftliche Notiz Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

Transkription: Die Wiener KunstschuleDie Wiener Kunstschule wurde schon im Jahr 1952 ins Leben gerufen, konnte sich aber nicht entfalten, da sie von der KVH (Künstlerischen Volkshochschule) gestartet, in der Akd. d. bild. Künste (Akademie der bildenden Künste) zu wenig Raum und andere Möglichkeiten hatte. Als die KVH ein neues Haus zur Verfügung gestellt bekam wurde sofort die WK Schule (Wiener Kunstschule) aktiviert und aufgebaut.

In ihren Notizen und Erinnerungen datiert Gerda Matejka-Felden die Gründung der Wiener Kunstschule oft auf 1952. Das reguläre Funktionieren der Kunstschule kann jedoch vermutlich besser mit 1954 angesetzt werden.

1954 … Gründung der Wiener Kunstschule im Souterrain der Akademie der Bilden-den Künste. Diese vierjährige Ausbildung macht Kunst breiten Kreisen der Bevölke-rung zugänglich und nimmt auch jene auf, denen ein ordentliches Studium durch die Prüfungskomission der Akademie verwehrt wurde.

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Manuskript Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

Ein Beamter des Unterrichtsministeriums, der anonym bleiben wollte, hatte einst einer Mitarbeiterin von Gerda Matejka-Felden seine Erfahrungen mit der resoluten Schulgründerin geschildert (Zitiert nach Weißinger):

„Jessas, wenn diese Matejka kommt, das ist furchtbar, sie stürzt hinein, dem Ersten drückt sie den Schirm in die Hand, dem Zweiten drückt sie den Mantel in die Hand, – hängen sie mir den auch ordentlich über – reißt die Tür auf und ist beim Chef drinnen, bevor die überhaupt noch Luft schnappen können und sagen – bitte der Chef kann heute nicht.“

1955 … Gerda Matejka-Feldens Tatkraft und Energie scheinen schier unerschöpflich. Sie ist von 7 Uhr früh bis 21 Uhr abends in der Akademie anzutreffen, wo sie sowohl die Mal- und Zeichenkurse der Kunsterzieherausbildung leitet, als auch die Schüler der Volkshochschule und der Wiener Kunstschule betreut.

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1956 … Gerda Matejka-Felden erhält den Staatspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Volksbildung.1957 … Gerda Matejka-Felden erhält den Preis für Volksbildung der Stadt Wien. 1959 … Gerda Matejka-Felden wird zur ordentlichen Hochschulprofessorin ernannt.1960 … Gerda Matejka-Felden erhält zahlreiche Einladung zu internationalen Konfe-renzen über Volksbildung, so etwa im Herbst von der Sektion Korrespondierender Mitglieder der Akademie der pädagogischen Wissenschaften der UdSSR nach Moskau.

Lehrplanentwurf Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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Kursheft, 1962 (Sammlung Pollak)

1962 … besuchen zweiunddreißigtausend Hörer und Hörerinnen zweihundertfünf-zig Kurse und zweihundert Vorträge und Führungen der Künstlerischen Volkshoch-schule und der Wiener Kunstschule.

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1963 … Der Künstlerischen Volkshochschule und der Wiener Kunstschule wird ein eigenes Haus in der Lazarettgasse 27, im 9. Wiener Gemeindebezirk zur Verfügung gestellt.

Manuskript Gerda Matejka-Felden, 1963 (Sammlung Pollak)

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1964 … erfolgt eine Vergrößerung des Lehrangebotes der Künstlerischen Volkshoch-schule und der Wiener Kunstschule, etwa durch Theater- und Laienspiel, Diskussions-abende, Fotografie, Film und verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der angewandten Kunst. Neben der bereits bestehenden Bibliothek wird nun auch ein Lesesaal eingerichtet, der Zeitschriften und Fachliteratur für alle Hörer kostenlos anbietet.Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes für die künstlerische Ausbildung der Wiener Kunstschule. Die vierjährige Wiener Kunstschule bietet damit eine umfassende Bildungsmöglichkeit im künstlerischen Bereich. Die Studierenden erwerben nun nach der Bewältigung aller geforderten Einzel- und der Abschlussprüfungen ein staatlich anerkanntes Diplom, das die Möglichkeit bietet, die erhaltene Ausbildung in den Bereichen der bildenden und angewandten Kunst beruflich zu verwerten.

1965 … Gerda Matejka-Felden nimmt Aufgaben auf sozialem und psychotherapeuti-schem Gebiet wahr, etwa den Klub „Aktiver Lebensabend“ für ältere Menschen und gemeinsam mit der Klinik Hoff das Experiment, Mal- und Zeichenkurse, sowie Unterricht in Kunstgewerbe und Handfertigkeiten als Ergänzung zur bestehenden Arbeitstherapie für geistig behinderte Menschen anzubieten.

Manuskript Gerda Matejka-Felden,

1965 (Sammlung Pollak)

1966 … Gerda Matejka-Felden bemüht sich durch künstlerischen Unterricht einen Beitrag zur Resozialisierung von jugendlichen Strafgefangenen zu leisten.1967 … Gerda Matejka-Felden erhält das goldene Ehrenzeichen für ihre Verdienste um die Republik Österreich; sie wird sie in den Rang eines Ordinarius erhoben.1970 … Gerda Matejka-Felden erhält das goldene Ehrenzeichen von Stadt und Land Wien.

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Aus dem Tätigkeitsbericht der Wiener Kunstschule und der künstlerischen Volkshochschule (Sammlung Pollak)

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1972 … Prof. Gerda Matejka-Felden scheidet aus Altersgründen aus dem Kollegium der Akademie der Bildenden Künste aus.

Die Künstlerische Volkshochschule wird dem Verband der Wiener Volksbildung eingegliedert. Gerda Matejka Felden bleibt ab diesem Zeitpunkt die künstlerische pädagogische Leiterin der Künstlerischen Volkshochschule und der Wiener Kunstschule.

Handschriftliche Notiz Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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Vorlesungsmanuskript Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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Skizzen Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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1980 … Gerda Matejka-Felden legt die künstlerisch-pädagogische Leitung der Wiener Kunstschule und der Künstlerischen Volkshochschule zurück.Im Alter von neunundsiebzig Jahren tritt sie in den Ruhestand und tut dies trotz eines von Arbeit erfüllten Lebens nur ungern und zögernd.

1984 … Gerda Matejka-Felden verstirbt am 27 .12. 1984 und wird in einem Grab im Ehrenhain der Stadt Wien auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Aus dem Parte-Zettel für Gerda Matejka-Felden:Im Sinn der Verstorbenen bitte von Kränzen abzusehen. Spenden an das „Separatkonto zur Förderung von Kunststudenten“

Skizze aus dem Elisabeth Spital Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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Liebe Frau Professor,

offensichtlich waren Sie eine Künstlerin und Volksbildnerin mit enormen sozialen Idealen und großen menschlichen Stärken. Sie kämpften wie eine Löwin, wenn es darum ging, ihre SchülerInnen und StudentInnen in künstlerischer und sozialer Hinsicht zu fördern oder zu verteidigen.

Ihr Lebensweg macht die Konzeption und Gründung der Wiener Kunstschule als die Kulmination Ihrer jahrelangen Erfahrungen mit der künstlerischen Volksbildung und der akademischen Kunstausbildung begreiflich. In der Kunstschule konnten Sie Ihre Vorstellungen von einem regulären, qualifizierten und dennoch leicht zugänglichen Umgang mit den künstlerisch-kreativen Belangen des gesellschaftlichen Lebens verwirklichen.

Nach Ihren Erfahrung mit den politischen Kontinuitäten nach 1945 und den Untergriffigkeiten während Ihres Disziplinarverfahrens wird die Radikalität und Entschlossenheit verständlich, mit der Sie die Wiener Kunstschule der elitären Abgeschlossenheit und den akademischen Kunst- und Standesdünkel entgegen gestellt haben.

Der Wunsch nach gangbaren Alternativen zu den sozialen Ausschluss-mechanismen beim Zugang zu künstlerischer Bildung und die Notwen-digkeit von qualifizierten Modellen gegen die bestehenden Tendenzen zur Homogenisierung von Ausbildungsmöglichkeiten sind in unserer Gegenwart noch immer dringlich.

Herzlichen Dank für Ihr unermüdliches Engagement in diesen zentralen gesellschaftspolitischen Belangen. Möge Ihre Unnachgiebigkeit und Ausdauer unsere Kämpfe für Ihre Ideen inspirieren.

Ihre KunstschülerInnen, StudentInnen und LehrerInnen der – noch – quicklebendigen Wiener Kunstschule

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Quellen:

Elisabeth Klamper: Viktor Matejka – Beiträge zu einer Biographie. Disserta-tion, Uni Wien: 1981.

Erika Mortinger: Die künstlerische Volkshochschule in Wien, Entwicklungs-geschichte und Bildungsangebot. Dissertation Uni Wien: 1984.

Nachlass Viktor Matejka. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstan-des, Archivnummer E 22035

Personalakt Gerda Matejka-Felden, Archiv der Akademie der Bildenden Künste

Sammlung Wolfgang Pollak (www.atelier20.jimdo.com), Konvolute zum Nachlass von Gerda Matejka-Felden

Oskar Seber: Vom Freihandzeichnen zur Bildnerischen Erziehung. Entwicklung und Veränderung eines Unterrichtsfaches vor und nach 1945. Beiträge

zur Geschichte der Bildnerischen Erziehung in Österreich. Dissertation

Uni Wien: 2001

Hans Seiger, Michael Lunardi, Peter Michael Populorum: Im Reich der Kunst. Die Wiener Akademie der Bildenden Künste und die faschistische Kunstpolitik.

Doris Weißinger: Professor Gerda Matejka-Felden 1901–1984. Diplomarbeit an der Akademie der Bildenden Künste, Wien: 1995.

Notizen Gerda Matejka-Felden (Sammlung Pollak)

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Gerda Matejka-Felden rechnet ab. (Sammlung Pollak)

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Unorthodox in die Kunst einsteigen. Innerhalb meiner Tätigkeit an der Wiener Kunstschule in der Werk-stätte Malerei und prozessorientierte Kunstformen habe ich diese Einrichtung als eine wichtige Ergänzung zu den zwei etablierten Wiener Kunsthochschulen erlebt. Junge Menschen, die frisch aus der Schule kamen oder ihre schulische Ausbildung frühzeitig abbrachen, Quereinstei-ger aus anderen Berufsfeldern, die sich im fortgeschritte-nen Alter entschieden hatten etwas Neuen anzufangen, Orientierungssuchende auf dem Weg in einen künstleri-schen oder gestalterischen Zweig. Sie alle haben mit der Kunstschule eine Plattform gefunden, die es ihnen ermög-lichte, unorthodox in die Kunst oder in kunstnahe Bereiche einzusteigen. Ich bedauere es sehr, dass es diese Möglich-keit in Zukunft nicht mehr geben soll und appelliere an die Zuständigen der Stadt Wien, den Wert und die Not-wendigkeit dieser Einrichtung anzuerkennen.Die Kunstschule hatte und hat immer etwas Improvisato-risches, Experimentelles, das nicht nur den Arbeiten der Studierenden zuträglich war. Ich selbst habe die Möglich-keiten, die sich mir dadurch in der künstlerischen Lehre geboten hat und den direkten Bezug zu den Studierenden immer sehr genossen.

Wolfgang Obermair, war Werkstättenleiter für

Malerei und prozessorientierte Kunstformen an

der Wiener Kunstschule.

René van de Vondervoort hat die

Wiener Kunstschule besucht und 1997

mit Diplom abgeschlossen.

Horror Vacui. So lautete mein Thema 1995, im ersten Jahr der interdisziplinären Klasse an der Wiener Kunstschule. Später machte ich dort meinen Abschluss. Für mich fällt die Zeit an der Kunstschule mit meiner Integration in die öster-reichische Gesellschaft zusammen. Davor war ich noch nicht richtig angekommen: Meine Wurzeln liegen in den Nieder-landen und ich dachte nicht an kulturelle Unterschiede, als ich hierher kam. Die Wiener Kunstschule gehört zur Bildungs-landschaft in diesem Land. Sie hat eine lange Tradition, viele Hände und Köpfe haben an der Gestaltung der Ausbildung gearbeitet und tun das immer noch! Bei manchen Entwick-lungen konnte sie eine Vorreiterrolle spielen. Sie kann nicht einfach wegrationalisiert werden, ohne eine Leere zu hinter-lassen, die bedrohlich ist, und die nicht wieder gefüllt werden kann.

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Mein sprungbrett fürs leben. Die wiener kunstschule war für mich eine bereicherung. Ihre vier jahre haben mir geholfen, mich kreativ zu entfalten. Das schöne an der wiener kunstschule war, dass die tutoren aus dem berufsleben kamen und mich motiviert haben, nach london zu gehen und nicht in österreich zu bleiben! Das habe ich gemacht, und ich war schlussendlich vier jahre dort. Die wiener kunstschule war mein sprungbrett fürs leben. Die kunstschule hat mir möglichkeiten für wettbewerbe, logodesigns, viele tolle kreative projekte, ausstellungen, siebdrucke, photogra-phien, portraits geboten. Ich habe freunde fürs leben gefunden und eine abschlussarbeit mit vernissage gemacht.

Karina Grill hat die Wiener Kunstschule besucht und 2000 mit Diplom abgeschlossen.

Weil sich Kunst grundsätzlich widersetzt. Von einem freien und gleichberechtigten Zugang für alle kann bei einer Schule, die Studiengebühren in nicht unbeträchtlicher Höhe erhebt, eigentlich nicht gespro-chen werden. Dennoch: Die Wiener Kunstschule wurde einst gegründet, um eine demokratisierende Alternative zur Elitenbildung der Kunstakademien zu schaffen. Und solch eine Alternative war sie bis zuletzt, denn die Stu-dierenden müssen hier weder einen bestimmten Schul-abschluss vorweisen, noch eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Diese Möglichkeit gilt es unbedingt zu verteidigen. Ganz besonders in Zeiten der Ökonomisierung von Bildung muss für den Erhalt der Wiener Kunstschule gekämpft werden – nicht zuletzt deshalb, weil sich Kunst als Stu-dienfach wie kaum eine andere Studienrichtung dem Effizienzdenken und einer berufspraktischen Funktio-nalisierung ganz grundsätzlich widersetzt.

Lea Susemichel ist Lehrbeauftragte an der Wiener Kunstschule.

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Norbert Grabensteiner war Werkstättenleiter für Räumliches Gestalten und

Lehrendenvertreter an der Wiener Kunstschule.

Viel Herz, Verstand und Vision. Ich beobachte die Kunstschule seit meinem Ausscheiden aus der Distanz, mein Herzschlag pulsiert nach wie vor mit ihr. Sie war und ist ein großer und wichtiger Teil meiner persönlichen Laufbahn, meines beruflichen und persönlichen Werdegangs hinaus in die Welt der Form. Viel durfte ich mitnehmen, von dem man sagen kann: es hat mich geprägt und etwas durfte ich selbst auch prägen und Teil eines größeren Ganzen werden und sein. Das Große, ja das war das Erfinden, das Suchen und das Antworten auf so viele, ja unzählige Fragen. Wie macht man einen Lehrplan, der den exekutiven Spielregeln der Ministerialräte und Schulbehörden entspricht, wie kann man seinen eigenen Ansprüchen folgend einen Unterricht gestalten, ohne über die dazu notwendigen Ressourcen zu verfügen, wie sich dem Ziel schrittweise nähern, ohne das Gesamte, das Integrierende unserer Grundsatzentscheidungen aus den Augen zu verlieren? Meine Güte, was für ein Chaos an Ideen, die aber gefasst werden mussten, wie ein Brunnen, der ansonsten ob der Menge an Gedachtem versiegen würde. Was ich von da an beginnend lernen und positiv erfahren durfte, war der unglaubliche Respekt unter den KollegInnen, der aus dem Zuhören und dem folgenden Auseinandersetzen über all die Inhalte entstand. Herrlich, was haben wir gestritten, um gemeinsam Lösungen zu finden, die dann von uns allen getragen wurden – egal wie unmöglich die Ausgangslage auch schien. Diese Mixtur aus Naivität, dem unwider-stehlichem Engagement aller Einzelnen und einer Prise gesteuertem Pragmatismus machte Unmögliches erst möglich und Unvorherseh-bares sichtbar und die Kunstschule zu dem, was sie heute ist. Alles natürlich gebaut auf Verstand und Kompetenz aller Beteiligten. „Die unbekannteste beste Kunstausbildungsstätte Österreichs“ oder so ähnlich hat der Falter vor einigen Jahren geschrieben – wie recht er doch hatte! Einzigartig das Team der Unterrichtenden (großen Dank dafür), ja wir waren Teamplayer, großartig vor allem die Studierenden, die an uns und an die Schule geglaubt haben, weil sie durch und mit uns an sich selbst und ihren Weg glauben konnten. Die Kunstschule ist einzigartig und wichtig für eine Metropole, zu der Wien (wieder) geworden ist. Sie besitzt nicht nur eine Berechtigung durch das Öffentlichkeitsrecht, sondern noch viel mehr aus sich selbst heraus, wie es die unzähligen Projekte, Diplome und Karrieren der AbgängerInnen beweisen. Wien wächst, warum also nicht auch die Kunstschule? Die Kunstschule lebt und atmet diese Stadt. Die Kunstschule kann und darf nicht sterben.

raum und zeit … denn die kunstschule gab mir raum und zeit ich zu sein!

Petra Schwarz hat die Wiener Kunstschule besucht und 2010 mit Diplom abgeschlossen.

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Warum aufhören, wenn’s am Schönsten ist? Bei Kunst handelt es sich um eine Haltung, und die Wiener Kunstschule betreibt bedeutend mehr als lediglich Wahrnehmungsschulung. Ästhetische Bildung wird als wichtiger Beitrag für die Entwicklung abstrakten Denkens, selbstständi-gen Lernens und dem Erfahren der eigenen Persönlichkeit verstanden.Die Wiener Kunstschule bot daher jedem, der an einer abwechslungsrei-chen und bildungsintensiven künstlerischen Aktivität interessiert war, die Möglichkeit, sich im Rahmen eines professionellen Unterrichts mit Hilfe eines sowohl offenen, als auch deutlich definierten Lehrkonzeptes zu entwickeln.Knapp vor dem 60-jährigen Jubiläum der Wiener Kunstschule ist es an der Zeit, ein positives Fazit zu ziehen. Eine Kunstschule ist immer in Bewegung. Die Wiener Kunstschule galt immer als produktive, sich weiterentwickelnde Baustelle. Organisatorische Strukturen wurden umgestellt, neue Räume und Werkstätten dazu gewonnen und alles Bestehende einer Revision unterzogen. Im letzten Jahr gelang es erstma-lig, alle Werkstätten und Ateliers in einem Gebäude zu vereinen.Das künstlerische Angebot wurde größer und gleichzeitig professioneller. Denn die Wiener Kunstschule hat sich immer wieder beweisen und selbst hinterfragen müssen, etablierte sie sich doch im übermächtigen Schatten der beiden zu Universitäten geadelten Kunsthochschulen „Angewandte“ und „Bildende“. Kunstschulen mit ihrer Vermittlungsarbeit im gesamtkul-turellen Kontext sind in anderen europäischen Städten sowie in nieder-österreichischen Gemeinden schon längst etabliert. Stand der Dinge ist jedoch, dass 2014 die Wiener Kunstschule gezwungen sein wird, zum 60. Geburtstag in den Ruhestand zu gehen.

Rolf Laven war Lehrbeauftragter an der Wiener Kunstschule.

Eine herrliche befreiung. Was für eine schande, dass die wiener kunstschule schließen muss! Nach 13 jahren schule mit klassischem (frontal-)unterricht war ich schön zurecht-gestutzt… Was war doch dann die wiener kunstschule für eine herrliche befreiung, um letztendlich ein stück weit mich, meine talente und freude am lernen (wieder) zu entdecken!Für all jene, die diese einzigartigkeit nicht mehr miterleben dürfen, tuts mir unglaublich leid … denen bleiben dann kollegs, FHs und die uni … Ihr name wird durch eine (matrikel)nummer ersetzt und yeah … man wird schön weiter zurecht-gestutzt. Willkommen im österreichischen bildungssystem!

Nina Fritsche hat die Wiener Kunstschule besucht und 2008 mit Diplom abgeschlossen.

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Die Wiener Kunstschule einfach mal versuchen Ich kann nicht sagen, wie sich mein Leben entwickelt hätte, wenn ich nicht die Mög-lichkeit gehabt hätte, die Wiener Kunstschule zu besuchen. Im Rahmen des Orientierungsjahres kann man ein Jahr an der Schule verbringen und alle angebotenen Studienrichtungen ausprobie-ren. Erst nach dem ersten Semester entscheidet man sich für eine Studienrichtung. Erst am Ende des Jahres wird eine Mappe mit künstlerischen Arbeiten abgegeben und erst dann wird das eigene künstlerische Schaffen beurteilt und die Entscheidung getroffen, ob man weiterhin die Schule besuchen darf oder nicht. Dieses Verfah-ren war für mich ausschlaggebend, als ich mich dafür entschieden habe, mich für die Wiener Kunstschule anzumelden. Einfach mal versuchen, ist ja nur ein Jahr. What the hell. Später habe ich die Wiener Kunstschule erfolgreich abgeschlossen. In den vier Jahren der Ausbildung hat sich mein Schaffen stark in die performative Richtung entwickelt. Zu Beginn habe ich mit Stift, Feder und Papier gearbeitet, am Ende mit meinem Körper und mit meiner Stimme. Die Performances im Rahmen der Schule waren die ersten Schritte, um meine Nervosität auf der Bühne zu überwin-den. Ich habe mir in der Wiener Kunstschule das Grundwissen und das Gefühl erarbeitet, um mein gesamtes Artwork und meine Fotos selber her-stellen zu können, was mein Schaffen als Musi-kerin bereichert.

Katrin Wieser aka Kidcat Lo-fi hat die Wiener Kunstschule besucht und

2009 mit Diplom abgeschlossen und sagt: Danke!

Sabine Hoda hat die Wiener Kunstschule besucht und 1997 mit Diplom abgeschlossen.

Der Faktor Mensch Leider gehört es zur heutigen Zeit, Dinge, die gut funktionierten, zu reformieren und dabei den Faktor Mensch außer Acht zu lassen. So ist es leider auch mit der Wiener Kunstschule passiert. Diese Einrich-tung, die einzige, die ich kenne, bei der man die Möglich-keit erhielt, sich in allen Disziplinen der Kunst weiterzu-bilden. Schade, dass es sie bald nicht mehr gibt und dass damit jungen Menschen diese einzigartige Möglichkeit wegenommen wird.

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Ein Übungsplatz der Subjektivität? Ich hab enorm viel gelernt in der Wiener Kunstschule; und das, obwohl ich dort niemals Schülerin war. Über Ver-mittlung einer Freundin, die selbst dort unterrichtete, bekam ich die Möglichkeit, eine Einführungsveranstaltung zur Kunstgeschichte mit zu entwickeln und dann auch abzuhalten. Später übernahm ich für eineinhalb Jahre die Öffentlichkeits-arbeit der Schule, die von der Pressearbeit, Studienplanentwicklung, Ausstellungs-organisation, Networking und Institutionspolitik bis zu Aktionismus im öffentlichen Raum eine reiche Bandbreite an Aktivitäten von mir forderte; die Kompetenzen dafür erwarb ich zum Großteil durch „learning by doing“, wovon ich noch heute profitiere. Vielleicht ist das eine der entscheidenden Qualitäten, die es rechtfertigt, sich für den Erhalt einer solch kleinen, beweglichen und vor allem zugänglichen Bildungsinstitution zu engagieren: Sie kann der Lernort für weit mehr Personen-kreise und Bildungsziele sein, als es der Studienplan oder die Studienplatzfinan-zierung vorsehen.Aber möglicherweise steckt – wie immer – in einer so positiven Sicht auch ein Widerspruch, der darin besteht, dass die Schule auch Teil einer zentralen Gegen-wartsproblematik ist. Hält sie nicht gerade dadurch, dass sie für ein individuelles Lernen am Engagement für die Sache steht, das Versprechen aufrecht, dass Kreativität, DIY und semiautonome Freiräume alles gut machen? Ist sie nicht ein weiterer Übungsplatz einer Subjektivität, die sich durch die leidenschaftliche Bereitschaft, sich selbst zu gestalten, so leicht in die Verwertungskanäle eines Kreativ-Kapitalismus einklinken lässt? Aber natürlich gehört es zu gesellschaftli-chen Widersprüchen, dass sie sich nicht einfach so durch ein schlichtes Heraus-treten aus ihnen auflösen lassen, sondern dass es nur die Chance gibt, sie von Innen zu reflektieren und zu bearbeiten. Also auch wieder ein Grund, definitiv für ein Weiterbestehen der Wiener Kunstschule zu sein.

Andrea Hubin war Lehrbeauftragte an der Wiener Kunstschule.

„Kunst kommt von Können“ Wenn einem etwas ver-meintlich Prägendes passiert, unterteilt man sein Leben oft in ein „Davor“ und ein „Danach“. So ist das bei mir geschehen: Parallel zum Wohl üblichen postpubertären Selbstfindungs-tripp begann ich mein Studium an der Wiener Kunstschule, die mit eben so einem Einschnitt dafür sorgte, mich und vor allem meine Umwelt (neu) zu entdecken und zu begreifen.Das kollektive Wissen der Lehrenden und deren ständiges impulsgebendes und konstruktives „Mit uns arbeiten“ hat mich, mein Leben und mein Schaffen dauerhaft geprägt. Dinge zu hinterfragen wurde zum Usus. Meine Grundhaltung dem Leben gegenüber hat sich vollkommen verändert. Die Wiener Kunstschule hat mir Augen und Ohren geöffnet und mich mit Hintergrundwissen versorgt, sodass ich auch im Diskurs verbal versierter wurde.Ich mochte die Abwechslung und die allgemeine Stimmung an der Kunstschule sehr. Die Studierenden wurden teilweise Freunde fürs Leben und die Kunstschule war ein Meilenstein in meinem auf dem Weg zum Menschsein. Eine Zeit, die ich nie missen möchte.

Anita Barilits hat die Wiener Kunstschule besucht und 2010 mit Diplom abgeschlossen.

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Richard Fürstner hat die Wiener Kunstschule besucht und 1995 mit Diplom abgeschlossen.

Bilder und informationen an menschen weitergeben. Die wiener kunstschule hat mir meinen traum ermöglicht, einer tätigkeit nachzugehen, in der ich bilder und informationen in form von design an menschen weitergeben kann. Zuerst war ich koch, kellner und lokalbesitzer und-betreiber. Mit 29 jahren hab ich beschlossen, mich beruflich zu verändern – das ist u. a. durch den überschaubaren finanziellen aufwand, den die wiener kunstschule bedeutet, auch gelungen. Man braucht in wien unbedingt alternativen zur grafischen oder zur universität für angewandte kunst – allein wegen der dort üblichen, durch platz- und personalan-gebot beschränkten aufnahmemöglichkeiten. Eine schule weniger dieser art kommt der amputation der kreativen ausbildungsplätze in wien gleich. Die wiener kunstschule hat ihren beitrag zu meinem heutigen erfolg geleistet – danke!

Gerd Resinger hat die Wiener Kunstschule besucht

und 2009 mit Diplom abgeschlossen.

Ich weiß nicht mehr, wie oft mich leute gefragt haben, und jedesmal hab ich erklärt – aber was eigentlich? Als ich 2003 das gebäude zum ersten mal betrat, wusste ich sofort: ich bin da! Hier ist alles genau nicht so wie draußen. Die neuankömmlinge: alle ein bisschen verplant im stiegenhaus und die höhersemestrigen: alle ein bisschen verplant im stiegenhaus. Perfekt, kein komisches gefühl, eher erleichterung. Ich fühlte mich verstanden, obwohl ich noch nicht einmal mit wem geredet hatte. Danach vier jahre ungezwungenes leben in und mit dem gebäude. Viele freunde, familie und endlich eine vision.Die schule sperrt zu, tja, was solls, könnte man sagen. Vielleicht wars nicht genug, nicht genug platz, nicht genug geld, nicht genug leute, nicht genug aufmerksamkeit, nicht genug.Aber für mich war die schule alles. Dinge, die ich in dieser zeit erlebt habe, sind heute auf den akademien fast undenkbar. Diese schule war ein ort für unangepasste, ganz antiakade-misch. Ein ort voller energie und dort bin ich zum künstler geworden.

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Max Cruder hat die Wiener Kunstschule

besucht und 2010 mit Diplom abgeschlossen.

Warum die wiener kunst schule bleiben muss. Für mich persönlich war das Studium in Raum und Design eine Erfahrung, die ich nicht missen will, und die neue Aspekte meiner Persönlichkeit hervorgebracht hat. Durch die unterschiedlichen Charaktere der Unterrichtenden und der Studienkollegen habe ich gelernt, verschie-denste Blickwinkel zu Situationen, Objekten und Menschen einzu-nehmen. Die Vielzahl der Menschen, die zusammenkommen, sind aus so vielen Altersgruppen, haben so unterschiedliche Wissensbe-stände und Lebenserfahrungen und ebenso viele Blickwinkel und Herangehensweisen, die man alle erfahren kann. Der Studienplan und auch die Räumlichkeiten der Wiener Kunstschule vermitteln eine Freiheit in der Entfaltung und ermöglichen eine Durchmischung der Studierenden und somit einen Einblick in deren Schaffensprozesse. Das hat mir immer wieder sehr geholfen, meinen eigenen Schaffens-prozess zu sehen und (anders) zu begreifen. Durch diese Freiheit hatte ich die Möglichkeit, meinen eigenen „Strich“ zu entwickeln, d.h. meine eigenen Fähigkeiten und meine eigene Art und Weise, die Dinge und meine Umgebung wahrzunehmen, zu entdecken, und dies nach außen zu kommunizieren. Die Wiener Kunstschule ist für mich eine wichtige Institution in der österreichischen Bildungslandschaft, da sie in der Gesamtheit ihrer Unterrichtsstruktur ein hohes Maß an freier kreativer Entwicklung fördert und mir die Chance gegeben hat, mich neu zu definieren und zu begreifen!

Wie arm so eine reiche Kulturhauptstadt sein kann? Was will sich eine fast zwei Millionen große, so genannte Kulturhauptstadt leisten, die ihre Künstler ohnehin erst dann einen hohen Tribut  zollt, wenn sie im Ausland Erfolge verzeich-nen konnten oder wenn sie – besser noch – schon vor Jahrzehnten verstorben sind, eine Kulturhauptstadt, die ästhetische Dividenden als ihr allerhöchstes Kulturgut begreift.Künstlerinnen scheinen in diesem Kontext eigentlich kaum auf und schon gar nicht im bildnerischen Bereich! Die derzeit mehrheitlich sozialistisch regierte  Kulturhauptstadt will sich keine „wiener kunstschule“ mehr leisten, obwohl die sozial und sozialistisch eingestellte Gerda Matejka-Felden doch 1954 die Wiener Kunstschule gründete, die trotz vieler Widerstände 1947 im Souterrain der Aka-demie der Bildenden Künste eine Fachschule für künstlerische Berufe eingerichtet hatte, mit der Absicht, einer nicht elitären Gesellschaftsschicht eine Kunstausbil-dung zugänglich zu machen.  Matejka-Felden hat damit eine „Soziale Skulptur“ geschaffen, obwohl dieser Terminus zu dieser Zeit noch nicht kreiert war, dennoch!

Stefanie Wimmer war Werkstättenleiterin für Keramik und Pro-duktgestaltung an der Wiener Kunstschule.

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Lena Fasching hat die Wiener Kunstschule besucht und 2013 mit Diplom abgeschlossen.

Obwohl die Wiener Kunstschule nun seit fast sechzig Jahren besteht, wissen nur wenige was es mit dieser Institution auf sich hat. Wenn man an künstlerische Ausbildungsformen in Österreich, speziell in Wien denkt, so stehen immer die beiden Akademien im Vordergrund. Kunst, egal ob dar-stellend oder bildend, hat immer sehr viel mit Herzblut, Emotionen und Leidenschaft zu tun. Damit verbunden aber auch Selbstzweifel, Kritik und Entmutigung. Als ich mich vor Jahren durch ein dreitägiges Aufnahmever-fahren gekämpft habe, beschloss ich nach einer Absage, nie wieder einen Stift in die Hand zu nehmen, geschweige denn mich jemals wieder einer Aufnahmeprüfung zu stellen. Und trotzdem habe ich inzwischen mein Diplom an der Wiener Kunstschule gemacht. Es geht nicht darum, welche akademische Bedeutung ein Abschluss hat, es geht vielmehr darum, wie man die Zeit der Ausbildung nutzt und mit welchen Erfahrungen man die Institution verlässt. Hierbei ist der konven-tionelle Weg nicht für jeden gleichermaßen auch der zielführende. Aber wie kann man überhaupt versuchen, eine Ausbildung konventionell auf-zubauen, wo doch das Fachgebiet selbst, die Kunst, sehr unkonventionelle Wege geht? Das Studium an der Wiener Kunstschule gliedert sich in zwei Abschnitte, in das Orientierungsjahr und sechs vertiefende Semester. Am Ende des Orientierungsjahres müssen alle Studierende eine Übertrittsprü-fung absolvieren, die darüber entscheidet, ob man weiterstudieren darf oder nicht. Zwar handelt es sich hier auch um eine Art Aufnahmeprüfung, der große Unterschied jedoch ist der, dass man bereits im Orientierungsjahr die Gelegenheit hat, sich vielseitig und intensiv darauf vorzubereiten. Und so hatte auch ich die Möglichkeit, trotz meiner Ängste in diesem Jahr zu wachsen, zu lernen und mich persönlich weiter zu entwickeln, sodass die Prüfung selbst im Endeffekt kein Problem mehr war. Mag sein, dass die Akademien ein größeres Ansehen genießen. Fakt jedoch ist, es gibt kein Modell und kein System, das gleichermaßen auf alle von uns passt. Und genau aus diesem Grund muss es solche Institutionen wie die Wiener Kunstschule geben! Und genau aus diesem Grund darf sie auch nicht schließen!

Ein Verlust dieser Schule wäre verheerend. Der Besuch auf der Wiener Kunstschule bedeutete für mich das Sprungbrett in die Welt. Die Kunstschule ermöglichte meine Ausbildung auf der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und am Pratt Institute in New York und lieferte somit die grundlegende Basis für mein Leben im Design. Dafür bin ich ihr heute sehr, sehr dankbar. Ein Verlust dieser Schule wäre für Wien verheerend.

Stefan Sagmeister hat das Orientierungsjahr der Wiener Kunstschule besucht.

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Wissen am Silbertablett „Es war einmal und es war einmal schön … da ist nichts zu erklären und niemand trifft schuld … es war einmal, es war ein-mal … es war … es war … “ Songtext von Erika Pluhar. Dieser Text ist mir sofort eingefallen als ich gehört habe, die Kunstschule wird geschlossen. Aus, vorbei, kann nicht sein! Warum? Eine einmalige Institution, die einem Mangel an Interesse und Einfühlungsver-mögen, einem Mangel an Verständnis und Bürokra-tie zum Opfer fällt. Es gibt kein Geld und niemand trifft eine Schuld? So plötzlich, gerade jetzt? Wir brauchen kritische Kunstschaffende! Und derer gibt es viele an der Wiener Kunstschule. Ich habe an der Wiener Kunstschule Malerei studiert und mein Diplom gemacht – das war nur möglich, weil mir auf meinem Weg zum Diplom enorm viel fachliches Wissen von kompetenten Lehrbeauftragten zur Verfügung gestellt wurde. Fachübergreifend – offene Werkstätten – komm rein – hör zu – nimm mit – Wissen am Silber-tablett serviert, und immer in Auseinandersetzung mit brisanten zeitpolitischen Themen. Kein Stillstand, kein „Was geht mich die Welt und deren Probleme an“. Ein Ort voll Energie und Ideen und ich breche hier alle Stäbe für die Wiener Kunstschule und hoffe, dass diese einmalige Institution nicht einem Finanz- und Inkompetenzproblem zum Opfer fällt.

Sylvia Fischer hat die Wiener Kunstschule besucht und 2013 mit Diplom abgeschlossen.

Die Selbstfindung in der Kunst …für mich IST! die Wiener Kunstschule ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Sie gab mir den Halt, das Verständnis und hörte mir zu! Sie gab mir den Raum und eine erkennbare Autonomie mit großartigen ProfessorInnen, die einfühlsam, geduldig und mit Spannung „immer“ und trotz geringem Budget großartige Projekte ermög-lichten.Eine Schule mit einer sichtbaren Entwicklung im Lehrplan mit einer Institutionsgeschichte seit den 1960er Jahren. „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen,“ gibt Hermann Hesse zu bedenken…

Dani Ma‘rais hat die Wiener Kunstschule besucht und 2004 mit Diplom abgeschlossen.

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HerausgeberinWiener KunstschuleNobilegasse 23/2. Stock, 1150 Wien, ÖsterreichLazarettgasse 27, 1090 Wien, Österreich+43 (0) 676 533 70 [email protected]

RedaktionTom Waibel

RechercheBrigitte Ammer, Birgit Kerber und Tom Waibel

Für den Inhalt verantwortlichNicoletta Blacher, Leitung Wiener Kunstschule

Lektorat Brigitte Ammer, Tom Waibel

VerlagSONDERZAHL Verlagsgesellschaft m.b.H. WienISBN 978 3 85449 421 8

Visuelles Konzept, Layout und technische AusarbeitungChristine Julius und Johanna Moyses , Werkstätte Grafik Design

Werkstättenleitung Grafik Design Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Thomas Reinagl, Tom Thörmer

Herzlichen Dank an Herrn Wolfgang Pollak für den Zugang zur Sammlung und für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Dokumente.© Atelier 20, Wolfgang Pollak. www.atelier20.jimdo.com

Förderer Magistratsabteilung 13 für Bildung und außerschulische Jugendbetreuung der Stadt Wien. Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.Besonderen Dank dem15. Bezirk.

Impressum

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Jahrbuch 365/13Sieben Studierende der Werkstätte Grafik Design entwickelten ein Konzept für eine Publikation die fünf einzelnen Bücher mit eigenständiger Gestaltung zu einen Jahrbuch zusammenfasst. Verbindende Elemente sind der Titel, der schwarze Punkt (Logo der aus der Wiener Kunstschule gewachsenen school of subversion) und eine Banderole die aus Restbeständen einer Zeitungs-beilage produziert wurde.

Visuelles Konzept, Layout und Technische Ausarbeitung: Marcus Balogh, Nella Bobo, Rudolf Fitz, Christine Julius, Johanna Moyses, Patricia Schwarz und Bettina Zurowetz

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