23
3URIHVVLRQHOOH 3IOHJH FKURQLVFK NUDQNHU .LQGHU LQ GHU )DPLOLH Analyse der Pflegetheorie von Dorothea E. Orem hinsichtlich eines möglichen Einsatzes zur Strukturierung der Pflege von chronisch kranken Kindern im Rahmen einer ambulanten pflegerischen Betreuung Hildegard Streyl Dipl.-Pflegepädagogin (FH) Dipl.-Pflegewirtin (FH) Kinderklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Zusammenfassung Die ambulante Versorgung chronisch kranker Kinder rückt immer mehr in den Vordergrund. Schwerpunkt der ambulanten pflegerischen Betreuung bilden Schulungen, die im Prozess der Krankheitsbewältigung eingesetzt werden, um der Familie ein effektives Selbstmanagement zu ermöglichen. Um diese pflegerische Intervention pflegetheoretisch zu stützen, wird die Pflegetheorie von Dorothea E. Orem bzgl. eines möglichen Einsatzes analysiert. Dabei zeigt sich eine Übereinstimmung zwischen den Pflegeproblemen und –zielen chronisch kranker Kinder und den von D.E. Orem beschriebenen Problemen und Zielen. Ihre drei Pflegesysteme lassen zudem eine gute Anwendbarkeit erkennen, sodass diese Theorie als gut einsetzbar für die ambulante pflegerische Betreuung chronisch kranker Kinder beurteilt werden kann.

3URIHVVLRQHOOH3IOHJHFKURQLVFKNUDQNHU.LQGHU … · 3URIHVVLRQHOOH3IOHJHFKURQLVFKNUDQNHU.LQGHU LQGHU)DPLOLH Analyse der Pflegetheorie von Dorothea E. Orem hinsichtlich eines möglichen

Embed Size (px)

Citation preview

3URIHVVLRQHOOH�3IOHJH�FKURQLVFK�NUDQNHU�.LQGHU

LQ�GHU�)DPLOLH

Analyse der Pflegetheorie von Dorothea E. Orem hinsichtlich einesmöglichen Einsatzes zur Strukturierung der Pflege von chronischkranken Kindern im Rahmen einer ambulanten pflegerischenBetreuung

Hildegard StreylDipl.-Pflegepädagogin (FH)Dipl.-Pflegewirtin (FH)

Kinderklinik derJohannes Gutenberg-Universität Mainz

Zusammenfassung

Die ambulante Versorgung chronisch kranker Kinder rückt immer mehr in

den Vordergrund. Schwerpunkt der ambulanten pflegerischen Betreuung

bilden Schulungen, die im Prozess der Krankheitsbewältigung eingesetzt

werden, um der Familie ein effektives Selbstmanagement zu ermöglichen.

Um diese pflegerische Intervention pflegetheoretisch zu stützen, wird die

Pflegetheorie von Dorothea E. Orem bzgl. eines möglichen Einsatzes

analysiert.

Dabei zeigt sich eine Übereinstimmung zwischen den Pflegeproblemen und

–zielen chronisch kranker Kinder und den von D.E. Orem beschriebenen

Problemen und Zielen. Ihre drei Pflegesysteme lassen zudem eine gute

Anwendbarkeit erkennen, sodass diese Theorie als gut einsetzbar für die

ambulante pflegerische Betreuung chronisch kranker Kinder beurteilt

werden kann.

2

Inhaltsverzeichnis

Einleitung.............................................................................................1

1. Das Auftreten einer chronischen Krankheit im Kindesalter .....41.1. Reaktionen des Kindes und seiner Eltern .........................41.2. Welche Probleme begründen Pflegebedarf?.....................6

2. Pflegerische Intervention durch die ambulantePflegeeinrichtung ............................................................................6

2.1. Schulungen als pflegerischer Auftrag................................72.2. Pflegeziele .............................................................................8

3. Die Pflegetheorie von Dorothea Orem..........................................83.1. Analyse der Pflegetheorie von D. Orem anhand

ihrer Schlüsselkonzepte.......................................................93.1.1. Selbstpflege....................................................................................93.1.2. Selbstpflegeerfordernisse ...........................................................103.1.3. Situativer Selbstpflegebedarf.....................................................113.1.4. Selbstpflegedefizit .......................................................................113.1.5. Selbstpflegekompetenz ...............................................................113.1.6. Pflegesysteme...............................................................................13

3.2. Welche Probleme des Patienten begründenPflegebedarf ?.....................................................................17

3.3. Welche Ziele der Pflege werden benannt? ......................173.4. Kann Pflege evaluiert werden?.........................................18

4. Abschließende Beurteilung ..........................................................194.1. Ausblick 20

Literaturverzeichnis

1

Einleitung

Noch vor wenigen Jahren waren eine ganze Reihe chronischerErkrankungen bereits in der Kindheit tödlich. Inzwischen hat sich dieLebenserwartung chronisch kranker Kinder aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts erhöht, sodass die Kinder und ihre Familiengezwungen werden, sich über einen langen Zeitraum hinweg mit derchronischen Erkrankung zu arrangieren.

Die Diagnose einer chronischen Erkrankung, meist im Rahmen einesKrankenhausaufenthaltes den Eltern übermittelt, erschüttert diese oft derart,dass sie kaum in der Lage sind, zusätzliche Informationen über dieLangzeittherapie und Verhaltensmaßnahmen aufzunehmen. Um sowichtiger ist im Anschluss des Krankenhausaufenthaltes eine ambulantepflegerische Betreuung, um dem Kind und seiner Familie durch effektivePflegesysteme die Lebensbewältigung zu erleichtern.

Um diese Aufgabe pflegetheoretisch zu stützen, möchte ich in meiner Arbeitdie Pflegetheorie von Dorothea E Orem analysieren, hinsichtlich einesmöglichen Einsatzes zur Strukturierung einer langfristigengesundheitspflegerischen Betreuung chronisch kranker Kinder und ihrerFamilien durch eine ambulante Pflegeeinrichtung.

2

1. Das Auftreten einer chronischen Krankheit imKindesalter

Chronische Erkrankungen im Kindesalter sind beispielsweise das Asthmabronchiale, die Neurodermitis, die Mukoviszidose, rheumatischeErkrankungen und cerebrale Anfallsleiden.Das Wort ‘chronisch‘ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet dauernd,ständig, anhaltend (Duden 1997). Doch eine chronische Erkrankung istnicht nur gekennzeichnet durch einen langandauernden Krankheitsprozessohne Aussicht auf Heilung, sondern auch durch eine nicht bekannte odernicht behebbare Krankheitsursache. Dabei ist der Krankheitsverlauf nichtgleichförmig, sondern zeigt immer wieder unvorhergesehene Phasen akuterVerschlechterung.Betroffene Familien müssen die Eigenarten der Erkrankung kennen lernen,sie müssen ihr Leben danach ausrichten und auf vieles verzichten, wasihnen zuvor wichtig war. Eine chronische Erkrankung erfordert einen hohentherapeutischen Aufwand, häufige Arztbesuche und wiederholteKrankenhausaufenthalte bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes.Neben den medizinisch–therapeutischen Maßnahmen, die Eltern und Kinderneu lernen müssen, ist es zudem die psychosoziale Bewältigung derChronizität, die sie oft ein Leben lang begleitet.

1.1. Reaktionen des Kindes und seiner Eltern

Die Diagnosestellung erfolgt meist im Rahmen eines ersten akuten Schubes.Dabei erfahren die Kinder Veränderungen am eigenen Körper und imVerhalten ihrer Umwelt, besonders im Verhalten der Eltern. Hierbei erlebensie ihre Krankheit entsprechend ihres Entwicklungsstandes. Während einSchulkind durch die Verbindung von Symptom und Ursache denKrankheitsverlauf zunehmend einschätzen und die Bedeutung vonChronizität erfassen kann, erlebt ein Vorschulkind die Krankheit aufgrundseines noch unterentwickelten Abstraktionsvermögens wesentlich unklarer(vgl. Könning, Thiele-Wöbse 1994, Lohaus 1990, 14-23).Durch deren emotionale, soziale und existenzielle Abhängigkeit von denEltern als ihre vorrangigen Bezugspersonen, orientiert sich dasKrankheitserleben des Kindes folglich hauptsächlich an deren Verhalten.Dieses Verhalten der Eltern ist abhängig von der empfundenen Bedrohungdurch die Erkrankung. Im Akutstadium steht aufgrund der körperlichenSymptome die vitale Bedrohung im Vordergrund. Die Eltern empfindenAngst durch den Kontrollverlust über das Krankheitsgeschehen. Hierbeistellt sich Angst als einengendes Gefühl dar, in dem sie ihre eigeneHandlungsunfähigkeit erleben und dadurch Verzweiflung empfinden (vgl.Bühlmann 1998).Um Kontrolle wiederzuerlangen, erwarten die Eltern folglich eine Diagnose,die durch Therapie und Krankheitsverlauf eine neue Orientierung erlaubt.Durch die Chronizität einer Krankheit wird für sie jedoch dieser akutbedrohliche Zustand zu einer lebenslangen Auseinandersetzung, was nichtnur den Aspekt der Hilflosigkeit verstärkt, sondern auch die Unsicherheit,Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit (vgl. Zeller–Foster 1998).

3

Diese von den Eltern empfundene existentielle Bedrohung durch die mit derKrankheit einhergehenden Störungen im Lebens- bzw. Familienalltagbeeinflussen somit im Folgenden ihr Verhalten.

Die Reaktionen der Eltern auf die chronische Erkrankung ihres Kindes sindgekennzeichnet durch die Art ihrer Krankheitsverarbeitung.Die Verarbeitung einer Krankheit wurde in der Literatur inunterschiedlichen psychologischen Modellen beschrieben. Barbara Klug-Redmann stellt in ihrem Buch unterschiedliche Stadien der Anpassung aneine Krankheit von Crate, Lederer, Suchman sowie Matson und Books dar,welche verdeutlichen, dass bei diesen unterschiedlichen Modellen derKrankheitsverarbeitung übereinstimmend ein Nichtwahrhabenwollen,Ablehnung bzw. Verleugnung der Diagnose in der ersten Phase derBewältigung zu erkennen ist (Klug-Redmann 1996, 30ff.).Zu dieser Zeit befindet sich die Familie mit ihrem Kind noch in stationärerBehandlung und ist folglich kaum in der Lage, vorbereitende Informationenfür die Langzeittherapie daheim adäquat zu verarbeiten. So werden dieEltern nach Stabilisierung des körperlichen Zustandes des Kindes zwar mitden notwendigen technischen Hilfsmitteln und Medikamenten, aberdennoch hilflos nach Hause entlassen.

Selbst wenn es der Familie gelingt, die chronische Erkrankung mit in ihrenLebensalltag zu integrieren, so gibt es, bedingt durch den ungewissenKrankheitsverlauf, immer wieder Phasen der Sorge um das Kind.Diese chronische Sorge wurde erstmals 1962 von Orlansky bei Elterngeistig zurückgebliebener Kinder beobachtet und als eine periodischauftretende Traurigkeit beschrieben (vgl. Eakes, Burke, Hainsworth,Lindgren 1997). Georgene G. Eakes et al. stellten dieses Phänomen imRahmen ihrer Studie bei Erwachsenen mit unterschiedlichen chronischenErkrankungen vor. Sie folgerten:

„Angesichts der Tatsache, daß 82,5% der interviewtenVersuchspersonen chronische Sorge aufweisen, können wir schließen,daß diese emotionalen Regungen eine normale Reaktion darstellen,auf das, was als abnormale Situation bezeichnet werden kann.Deswegen ist es wichtig, daß Pflegekräfte chronische Sorge alsintegralen Bestandteil chronischer Zustände begreifen, von demsowohl der Patient als auch die pflegenden Familienangehörigenbetroffen sind und auf hilfreiche Weise darauf reagieren.“ (ebd., 1997,272)

Das Auftreten chronischer Sorge lässt sich u.a. mit den vielfältigenAuswirkungen einer chronischen Erkrankung begründen.Da sie sich in unterschiedlicher Form auf fast alle Lebensbereiche auswirkt,ist es für die Pflegende unerlässlich, bereits im Rahmen derPflegeanamnese, das Kind in seiner Umwelt zu erfassen. Somit soll diePflegeanamnese insbesondere auch über das subjektive Erleben derErkrankung Aufschluss geben, zumal jedes Kind und jede Familie die mitder Erkrankung einhergehenden Veränderungen anders empfindet. (vgl.Knafl, Gallo, Breitmayer, Zoeller, Ayres 1997, Klug-Redmann 1996, 30).Nur auf diese Weise lassen sich Probleme erkennen, die das Eingreifenprofessioneller Pflege erfordern.

4

1.2. Welche Probleme begründen Pflegebedarf ?

Aus entwicklungspsychologischer Sicht können wir also davon ausgehen,dass aufgrund einer sozialen Abhängigkeit, das Verhalten der ElternEinfluss auf das Krankheitserleben des Kindes hat. Dies um so mehr, jejünger und abhängiger das Kind ist. Folglich können auch inadäquateVerhaltensweisen der Eltern, dem Kind die Krankheitsbewältigung ingroßem Maße erschweren.Wenn wir uns also fragen, welche Probleme Pflegebedarf begründen, dürfenwir nicht nur gesundheitliche Probleme des Kindes oder Wissensdefizite imUmgang mit der Erkrankung beachten. Gleich wichtig ist im Rahmen derKrankheitsverarbeitung der Eltern, ihre Ängste, Hilflosigkeit und chronischeSorge, aber auch ihre Ressourcen zu berücksichtigen.So lassen sich hier folgende mögliche Probleme aufführen, die bei chronischerkrankten Kindern und ihren Familien Pflegebedarf begründen :• Angst• Hilflosigkeit• Chronische Sorge• Herabgesetztes Selbstwertgefühl• Inadäquate Lebensgewohnheiten• Herabgesetzte Körperwahrnehmung• Herabgesetzte körperliche Belastbarkeit• Schmerzen• Herabgesetztes Allgemeinbefinden• Mangelnde Kenntnisse über die Erkrankung• Mangelnde Kenntnisse im Umgang mit technischen Hilfsmitteln und

Medikamenten• Mangelnde Ressourcen

2. Pflegerische Intervention durch die ambulantePflegeeinrichtung

Mit den Veränderungen im Gesundheitssystem rückte auch die Erwartungder ambulanten Betreuung chronisch kranker Kinder in den Vordergrund.Abgesehen davon, dass eine ambulante Betreuung kostengünstiger ist alsdie stationäre Behandlung, ist dies zu begrüßen, da die mit einemKrankenhausaufenthalt einhergehenden Trennungsängste der Kinder sowiezusätzliche nosokomiale Infektionen hierbei entfallen. Ferner ist esunumgänglich, das Kind in der Familie pflegerisch zu betreuen, um dieIntegration des Kindes mit seiner chronischen Erkrankung in sein sozialesUmfeld sichern zu können.

Die primäre pflegerische Funktion der ambulanten Pflegeeinrichtung inFamilien mit einem chronisch kranken Kind ist die Begleitung der Familiebei der Krankheitsbewältigung. Die Grundlage hierfür bildet einevertrauensvolle Pflegebeziehung in dieser Langzeitbetreuung. Dabei steht

5

die Interaktion im Vordergrund, wobei sich die Pflegende von der Familieleiten lässt. Einfühlungsvermögen, Verstehen, Akzeptanz undWertschätzung sind Voraussetzung, um eine förderliche Pflegebeziehungaufzubauen.

Wird hierbei im Verlauf der Krankheitsverarbeitung die Bereitschaft zurSelbstbehandlung deutlich, kann mit speziellen, zielgerichteten Beratungenbegonnen werden.Bereits 1985 wurde im Krankenpflegegesetz verankert:“ Die Ausbildungsoll insbesondere gerichtet sein auf [...] die Anregung und Anleitung zugesundheitsfördernden Verhalten, [...]“ (Harsdorf 1986, 16). Dies umfasstdie Bereiche Information, Schulung und Beratung und reicht somit über dieVermittlung manueller Fertigkeiten hinaus (vgl. auch DBfK 1990).

2.1. Schulungen als pflegerischer Auftrag

Patientenschulungen sind Beratungen, die eine Veränderung im Wissen oderim Verhalten von Patienten erreichen wollen. Sie sollen die physischen,psychologischen und geistigen Bedürfnisse des Patienten ansprechen undlegen ihren Schwerpunkt auf Selbsttherapie und Unabhängigkeit (vgl. Klug-Redmann 1996,4f.)Schulungen können direkt in der Familie durch eine Pflegende stattfindenoder es schult ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Pflegenden,Physiotherapeuten, Psychologen, Ernährungsberatern und Ärzten, einePatientengruppe.Im Rahmen von Asthmaschulungen hat sich die interdisziplinäre Arbeit seitJahren bewährt (vgl. Theiling, Szczepanski, v. Schlippe, Lob-Corzilius1994). Interdisziplinarität in der Betreuung chronisch kranker Kinder undihrer Familien ist insbesondere wichtig, um die Wechselwirkung vonpflegerischen, medizinischen, psychosozialen Aspekten zu berücksichtigen.

„Die interdisziplinäre Betreuung von Familien chronisch Krankerberuht auf einer kollegialen wechselseitigen Kooperation, wobei jeder,[...] in den berufseigenen Bereichen grundsätzlich eigenverantwortlichund selbständig wirken muß“ (ebd.,158).

Die Möglichkeit der interdisziplinären Patientenschulung ist den Pflegendeneiner ambulanten Pflegeeinrichtung derzeit noch selten gegeben. In derRegel werden Schulungen in dieser Form durch Klinikteams angeboten.Pflegende der ambulanten Pflegeeinrichtung führen daher ihre Schulungenmeist direkt in der Familie durch. Aber auch hier ist aus den genanntenGründen eine gute Kooperation mit den Therapeuten anderer Berufsgruppenzu sichern.Inhalte einer solchen Patienten- und Elternschulung ließen sich wie folgtzusammenfassen:• Medizinische Informationen• Behandlungstechniken• Selbsteinschätzung und – behandlung• Psychosoziale Orientierung.

6

Eltern und Kinder werden hierbei häufig gemeinsam geschult, um einengleichsinnigen Informationsstand zu sichern. Dennoch muss die Pflegendespezielle, dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechende, Lehr- undLernmethoden einsetzen. Dies können z.B. der Einsatz von Handpuppen,Rollenspielen oder kleinen Bastel- u. a. Gestaltungsaufgaben sein.Außerdem sind bei Patientenschulungen soziale Faktoren wie z.B. kulturelleBesonderheiten sowie die mögliche Wechselwirkung zwischen kognitiven,emotionalen Aspekten und dem Verhalten zu berücksichtigen (vgl. Lohaus1990, 113 – 117).Insbesondere in einer noch nicht abgeschlossenen Krankheitsverarbeitungist hier eine gegenseitige Beeinflussung zu erwarten. Hinzu kommt, dass eschronische Erkrankungen gibt wie z.B. Asthma bronchiale undNeurodermitis, deren Krankheitssymptome sich auf emotionale Belastungenhin verschlechtern können. Aus diesem Grunde muss die Pflegende imVerlauf ihrer pflegerischen Intervention diese Aspekte berücksichtigen.

2.2. Pflegeziele

Das primäre Pflegeziel in der Betreuung chronisch kranker Kinder und ihrerFamilien ist die Lebensbewältigung. Diese zeigt sich nicht nur in einerFunktionstüchtigkeit unter veränderten Anforderungen, sondern beinhaltetauch Lebensqualität, d.h. Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden.Somit versuchen Patientenschulungen Kompetenzen aufzubauen, die derFamilie einen eigenständigen und verantwortungsbewussten Umgang mitder Erkrankung ermöglicht.Folgende Feinziele lassen sich dafür formulieren:• Wissen über die Erkrankung erlangen• Behandlungstechniken und hygienische Maßnahmen erlernen• Schädigende Einflüsse erkennen• Unbeeinflussbare Folgeerscheinungen akzeptieren• Ein neues Lebenskonzept mit der Erkrankung zu erarbeiten

Werden diese Feinziele erreicht, ergibt sich daraus eine Verbesserung desGesundheitszustandes, Reduzierung der Folgeschäden, Linderung derBeschwerden und das Wiedererlangen von Unabhängigkeit.Durch diese Befähigung zum effektiven Selbstmanagement im Umgang mitder chronischen Erkrankung erlangen die Familien die Kontrolle über ihrLeben zurück, sind weniger ängstlich und hilflos. Folglich wird ihreAutonomie gestärkt, sie erhalten Entscheidungskompetenz und werden zumaktiven Partner im Behandlungsprozess.

3. Die Pflegetheorie von Dorothea Orem

Nachdem ich die pflegerelevanten Aspekte bei der Betreuung chronischkranker Kinder in ihren Familien herausgestellt habe, möchte ich mich nunder Pflegetheorie von Dorothea E. Orem zuwenden.

Dorothea E. Orem, geb. 1923, arbeitete nach ihrer Ausbildung zurKrankenschwester jahrelang in der Praxis. Allerdings hat sie weder in derKinderkrankenpflege, noch in der ambulanten Pflege praktische Erfahrung

7

sammeln können. 1959 wurde sie Professorin für Krankenpflegeausbildungan verschiedenen Universitäten, und arbeitet seither alsAusbildungsberaterin.

D. E. Orem entwickelte eine ‘Allgemeine Theorie der Pflege‘. IhreÜberlegungen begannen bereits 1958, wobei sie sich an drei Fragenorientierte: Was tun Pflegende, warum tun sie es, was ist das Ergebnis ihresTuns.Diese ‘Allgemeine Theorie der Pflege‘ , die auch als ‘Selbstpflegedefizit–Theorie‘ bezeichnet wird, gliedert sich in drei Theorien, die jedoch in engerWechselbeziehung zueinander stehen.• Theorie der Selbstpflege• Theorie des Selbstpflegedefizits• Theorie der Pflegesysteme

Diesen Konzepten legt D. E. Orem folgende zentrale Annahmen zugrunde:• jeder Mensch betreibt Selbstpflege• die Selbstpflegehandlungen jedes Menschen richtet sich nach seinem

Selbstpflegebedarf und Selbstpflegekompetenzen und unterschiedlicherbeeinflussender Faktoren (vgl. Orem 1997, 112 ff.).

1971 veröffentlichte D. E. Orem erstmals ihre Theorie in ihrem Buch:Nursing: Concepts of Practice. Georg Evers und Gerd Bekel führten ihreTheorie in den Beneluxländern und in Deutschland ein, wobei Gerd Bekelsie im Rahmen einer Reihe von Projekten in Norddeutschland bereits in diePraxis umsetzt.In den USA ist sie sehr weit verbreitet und wird dort u.a. der Arbeit in derGemeindekrankenpflege zugrundegelegt.

Im Folgenden analysiere ich die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Theorieder Pflege anhand ihrer Schlüsselkonzepte mit der Frage: Sind sie brauchbarfür die pflegerische Betreuung chronisch kranker Kinder?

3.1. Analyse der Pflegetheorie von D. Orem anhand ihrer Schlüsselkonzepte

3.1.1. Selbstpflege

Unter Selbstpflege wird eine Selbstfürsorge verstanden, die durch erlerntesund zielorientiertes Handeln gekennzeichnet ist. Sie dient nicht nur zurAufrechterhaltung des Lebens und der Gesundheit, sondern auch demallgemeinen Wohlbefinden (vgl. Orem 1997, 114).Selbstpflege stellt nach Orem eine menschliche regulative Funktion dar,wobei sie zwei Phasen umfasst:1. Die Einschätzung des Selbstpflegebedarfs mit der Entscheidung für eine

bestimmte Handlung und2. die Ausführung der Handlung.

Dies setzt bestimmte Fähigkeiten voraus.

8

„ Menschen, die sich in der Selbstpflege engagieren, verfügen überHandlungsfähigkeiten – die Kompetenz oder das Potential, bewußttätig zu werden, um interne und externe Faktoren zu regulieren, dieihre eigenen Funktionen und Entwicklungen beeinflussen“ (ebd.,112).

Da Kinder diese Fähigkeiten in ihrer Entwicklung erst erwerben müssen,können sie folglich nur begrenzt Selbstpflege durchführen. Sie benötigen inunterschiedlichem Umfang die Hilfe ihrer Eltern. Diese Abhängigenpflegewird als Dependenzpflege bezeichnet. Sie setzt eine gewisse sozialeAbhängigkeit voraus und bezieht sich daher nicht auf die professionellePflegebeziehung.

Die Selbstpflege, das elementarste Schlüsselkonzept dieser Theorie, lässtsich in seiner abgewandelten Form der Dependenzpflege gut auf dieBetreuung chronisch kranker Kinder in ihren Familien übertragen. Dieelterliche Fürsorge im Rahmen der Dependenzpflege besteht nicht nur durcheine soziale Abhängigkeit, sondern auch durch eine tiefe emotionaleBindung.

So verdeutlicht dieses Konzept m.E., dass Eltern und Kind als Einheitgesehen werden müssen. Folglich ist die Elternintegration in dieprofessionelle pflegerische Betreuung eines chronisch kranken Kindesunerlässlich. Eine individuelle, intensive Schulung der Eltern soll diese,auch unter den veränderten Bedingungen einer chronischen Erkrankungbefähigen, die Dependenzpflege ihres Kindes durchzuführen .Tätigkeiten eines Menschen zur Durchführung seiner Selbstpflegebezeichnet D.E. Orem als Selbstpflegeerfordernisse.

3.1.2. Selbstpflegeerfordernisse

Beim Auftreten einer chronischen Erkrankung müssen aufgrund derveränderten Anforderungen neue Formen der Selbstpflege bzw.Dependenzpflege gefunden werden.Diese veränderten Selbstpflegeerfordernisse finden wir nach D. E. Orem indrei Bereichen:• nach besonderen Situationen (z.B. gesundheitsbedingte)• in den unterschiedlichen menschlichen Entwicklungsstufen und• nach den gewöhnlichen Bedingungen des Lebens (allgemeine

Selbstpflegeerfordernisse)

Mit den Selbstpflegeerfordernissen aller drei Bereiche müssen sich dieEltern bei der Dependenzpflege ihres chronisch kranken Kindesauseinandersetzen. Neben den allgemeinen Selbstpflegeerfordernissen,welche die Eltern bereits vor dem Auftreten der Erkrankung erfüllten,kommen gesundheitsbedingte Selbstpflegeerfordernisse hinzu. Diesekönnen je nach Erkrankung vielfältig sein: Umgang mit technischenGeräten, Medikamenten und Spritzen, Einhalten von Diäten oderPhysiotherapien sowie das Erkennen und Vermeiden von schädlichenEinflüssen usw.

9

Die veränderten Selbstpflegeerfordernisse in den unterschiedlichenEntwicklungsstufen weisen uns beispielsweise darauf hin, denEntwicklungsstand des Kindes zu beachten, sodass es auch im Rahmen derKrankheitsbewältigung seine Autonomie entwickeln kann.Unterschiedliche Entwicklungsstadien (z.B. die Pubertät) fordern „[...]Bildung und Erhaltung von Bedingungen, die bekannteEntwicklungsprozesse zu jeder Zeit eines Lebenszyklus fördern“ (Orem1997,117).Dies weist deutlich auf den entwicklungsfördernden Aspekt der Pflege hin,der insbesondere bei Kindern zum Tragen kommt.Die professionelle Pflege muss diesen Aspekt nicht nur durchaltersentsprechende Lehr- und Lernmethoden in ihren SchulungenRechnung tragen, sondern auch im täglichen Umgang mit dem Kind.

3.1.3. Situativer Selbstpflegebedarf

Die o.g. Selbstpflegeerfordernisse erfordern spezielleSelbstpflegehandlungen. Diese bezeichnen den SituativenSelbstpflegebedarf, welcher situationsabhängig ist und immer individuellfür jeden Menschen formuliert werden muss.Hierbei wird die Einzigartigkeit des Kindes bzw. der Familie berücksichtigtund stellt somit die Voraussetzung für eine individuelle pflegerischeBetreuung dar. Dies ist nicht nur bei der Pflege chronisch kranker Kinderunerlässlich, sondern stellt eine Grundvoraussetzung für jede professionellepflegerische Intervention dar.Wird ein Kind von der Pflegenden in der Familie betreut, muss demnach dieIndividualität der gesamten Familie, ihr Lebenskonzept, ihre Werte undZiele Berücksichtigung finden.

3.1.4. Selbstpflegedefizit

Dies bezeichnet die Differenz zwischen den Selbstpflegeerfordernissen undder Selbstpflegekompetenz des Menschen.Ist die Familie beispielsweise durch veränderte Selbstpflegeerfordernissenicht in der Lage, Dependenzpflege in ausreichendem Maße zu leisten,besteht ein Selbstpflegedefizit. Dies tritt demnach auf, wenn ein Mensch dieFähigkeit, sich in seiner Selbstpflege zu engagieren(Selbstpflegekompetenz), verliert.

3.1.5. Selbstpflegekompetenz

Die Selbstpflegekompetenz befähigt den Menschen, die o.g. zwei Phasender Selbstpflege durchzuführen.D.E. Orem führt eine Reihe Faktoren auf, die Einschränkungen derSelbstpflegekompetenz beschreiben. Neben den Potentialkomponenten derSelbstpflegekompetenz, die grundlegende Fähigkeiten zur Erfüllung derSelbstpflege verdeutlichen (vgl. Orem 1997, 243), beschreibt sie Faktoren,

10

die insbesondere bei verändertem Selbstpflegebedarf, z.B. durchgesundheitliche Selbstpflegeerfordernisse, Einfluss ausüben. Dazu gehört:• Die Einschränkung des Verstehens,• die Einschränkung der Urteils- und Entscheidungsfindung, z.B. durch

fehlendes Vorwissen oder durch Ablehnung oder Abneigung, und• die Einschränkung der Umsetzung, z.B. durch Wissens- oder

Ressourcenmangel oder mangelnder Zielorientierung (vgl. ebd., 258 ff.).

Dies verdeutlicht, warum Eltern nach der Entlassung ihres Kindes aus demKrankenhaus noch nicht in der Lage sind, ohne Hilfe seine Betreuung zuübernehmen.Wie bereits in Kapitel 1.1. verdeutlicht, ist in der frühen Phase derKrankheitsverarbeitung ein logisches Denken und somit auch das Verstehenund die Entscheidungsfindung kaum möglich. Zudem ist die Motivationaufgrund der Orientierungs- und Hilflosigkeit deutlich gelähmt. Ablehnungder Erkrankung in der frühen Phase der Krankheitsverarbeitung steht zudemeinem Aufbau der nötigen Handlungskompetenz entgegen.

Ein besseres Verständnis für die Situation und zur konkreten Einschätzungder Gesamtsituation wird durch diese Auflistung von Faktoren, welche dieSelbstpflegekompetenz beeinflussen, ermöglicht. Dabei ist das Assessment,also das Sammeln pflegerelevanter Informationen und die anschließendeEinschätzung der Gesamtsituation, bei D. E. Orem ein wichtiges Element.Neben den bereits erwähnten beeinflussenden Faktoren, die u.U. imRahmen der Krankheitsbewältigung nicht erfüllt werden, führt sieumgebungsrelevante Merkmale auf, die ebenso im Assessment wie auch inder Form der Hilfeleistung Berücksichtigung finden sollten.Diese umgebungsrelevanten Merkmale sind aufgeteilt nachphysiochemischen, biologischen, sozioökonomisch kulturellen undgesellschaftlichen Merkmalen. Darunter fallen beispielsweiseLuftverschmutzung, Haustiere oder auch Schimmelpilze in der Wohnung.Dies sind Faktoren, die gerade bei Kindern mit allergischenAtemwegserkrankungen eine wichtige Rolle spielen.Nicht weniger wichtig sind kulturell geprägte Rollenverteilungen in derFamilie, die Familiendynamik, sowie Ressourcen der Familie als Einheitund der einzelnen Mitglieder sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen desgesellschaftlichen Gesundheitswesen (vgl. Orem 1997, 55ff.).

So werden eine ganze Reihe wichtiger Merkmale aufgeführt, die auch fürdie ambulante Betreuung chronisch kranker Kinder bedeutsam sind, da dasKind als Teil eines Familiensystems angesehen werden muss und aufgrundder Dependenz familienrelevante Merkmale für die Einschätzung derHandlungskompetenz der Eltern in der Dependenzpflege unerlässlich sind.

Zudem ist das Ziel, nämlich das größtmögliche Wohlbefinden und dieLebenszufriedenheit, ohne die pflegerelevanten Merkmale der Umgebung indie Pflegeintervention einzubringen, kaum zu erreichen. Denn all dieseFaktoren können die Möglichkeit zur Ausübung der Selbstpflege bzw.Depedenzpflege beeinflussen und müssen daher von der Pflegenden in ihrerPlanung und der Wahl der Pflegesysteme berücksichtigt werden.

11

3.1.6. Pflegesysteme

Können also Selbstpflegedefizite von den Betroffenen selbst nicht mehrbeeinflusst werden, wird professionelle Pflege aktiv.D. E. Orem definiert professionelle Pflege als:

“[...] Kunst, durch die der Pflegende [...] Personen mitEinschränkungen spezielle Unterstützung gewährleistet [...]. DieKunst der Pflege wird praktiziert, indem für die Person mitEinschränkung ‘etwas getan wird‘, indem man ‘ihr hilft, selbst etwasfür sich zu tun‘ und/oder indem man ‘ihr hilft zu erlernen, wie sieselbst etwas für sich tun kann‘. Pflege wird auch praktiziert, indemman einer kompetenten Person aus der Familie des Patienten odereinem Freund des Patienten hilft zu lernen, ‘wie man etwas für denPatienten tun kann‘. Einen Patienten zu pflegen ist somit einepraktische und didaktische Kunstfertigkeit“ (Orem 1997,7).

Einer Person helfen, zu erlernen, wie sie selbst für sich ( bzw. für ihr Kind)etwas tun kann, verdeutlicht die beratende Funktion der Pflege. Zudem wirddie Hilfestellung durch anleitende Beratung der Eltern dargestellt inSituationen, in denen der Situative Selbstpflegebedarf ihre Dependenz-Pflegekompetenz übersteigt.

Dass sich D. E. Orems Auffassung von Pflege folglich sehr gut aufunterschiedliche Pflegesituationen der ambulanten Betreuung chronischkranker Kinder übertragen lässt, wird nicht nur in ihrer Definition vonPflege deutlich, sondern auch in den fünf von ihr formulierten Methodendes Helfens:• handeln für,• unterstützen,• anleiten,• gewährleisten einer umweltbezogenen Umgebung,• unterrichten(ebd., 16ff.).

Anhand dieser fünf Methoden des Helfens wird die pflegerischeIntervention in drei unterschiedliche Pflegesysteme organisiert:• Dem vollständig kompensatorischen,• dem teilweise kompensatorischen und• dem unterstützend-erzieherischen System (ebd.,332).

D. E. Orem verdeutlicht die Aufgaben und deren Verteilung innerhalbdieser drei Pflegesysteme anhand einer Grafik, die ich auf der folgendenSeite vorstelle.

12

Vollständig kompensatorisches System

Durchführung einigerSelbstpflegemaßnahmen für den

PatientenKompensieren der

Selbstpflegeeinschränkungen desPatienten

Unterstützen des Patienten beiBedarf

Durchführung einigerSelbstpflegemaßnahmen

Regulieren derSelbstpflegekompetenz

Akzeptieren der Pflege undUnterstützung der Pflegekraft

Teilweise kompensatorisches System

Verwirklichen der Selbstpflege

Regulieren der Ausübung undEntwicklung der

Selbstpflegekompetenz

Unterstützend-erzieherisches System

(Orem, 1997, 333)

Obgleich diese Grafik scheinbar eine feste Reihenfolge vonPflegehandlungen darstellt, bei denen die Initiative der Pflegenden ab- unddie des Patienten zunimmt, was dem Vorgehen zur Befähigung zumSelbstmanagement im Rahmen einer chronischen Erkrankung entspräche,handelt es sich hier nicht um eine festgelegte Nacheinanderschaltung derPflegesysteme, sondern durchaus um parallellaufende Handlungen imVerlauf einer pflegerischen Betreuung.Die Wahl des jeweiligen Pflegesystems wird nach derSelbstpflegekompetenz in den verschiedenen Teilbereichen im Umgang mitder Erkrankung gewählt.

Verwirklichung der SituativenSelbstpflege des Patienten

Kompensieren der Unfähigkeit desPatienten, Selbstpflege auszuführen

Unterstützen und schützen desPatienten

Handlung derPflegekraft

Handlung derPflegekraft

Handlung desPatienten

Handlung desPatientenHandlung der

Pflegekraft

13

Das Kriterium für den Einsatz des vollständig kompensatorischenPflegesystems

„[...] ist die Unfähigkeit, solche Selbstpflegemaßnahmendurchzuführen, die eine selbstorientierte und kontrollierte Bewegungund manipulative Aktivitäten erfordern (ein gesundheitsbedingtesSelbstpflegeerfordernis)“ (Orem 1997,334).

Da es sich in der Dependenzpflege chronisch kranker Kinder nicht umBetroffene (hier Eltern) handelt, die weder körperlich noch geistigHandlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten haben (vgl. ebd., 334), wirddieses Pflegesystem bei der ambulanten pflegerischen Betreuung kaum zumEinsatz kommen.

Im teilweise kompensatorischen Pflegesystem führen Pflegende wie PatientPflegehandlungen durch. Dabei können alle fünf Methoden des Helfens zurgleichen Zeit Anwendung finden (vgl. ebd. 336).Beachtet man die unter 1.2. aufgeführten Probleme chronisch krankerKinder und ihrer Familien, kann man im Rahmen des teilweisekompensatorischen Pflegesystems durch die fünf Methoden des Helfensfolgendermaßen einen Großteil des Pflegebedarfs decken.

Die Pflegende handelt für die Eltern, indem sie z.B. den richtigen Zeitpunktfür eine Bedarfsmedikation bestimmt, solange die Eltern über keineausreichenden Kenntnisse im Umgang mit Medikamenten verfügen oder dasKind durch seine entwicklungsbedingte eingeschränkteKörperwahrnehmung Frühsymptome nicht erkennt.

Sie leitet die Eltern z.B. zur i.v. Injektion eines Faktor VIII – Präparates an,wenn diese durch mangelnde Kenntnisse diese Injektion nicht selbstständigsetzen können.

Sie unterstützt dabei die Eltern, die durch Angst und Hilflosigkeit odermangelndes Selbstwertgefühl der Hilfe bedürfen, durch ihre Gegenwart oderdurch verbalem Zuspruch.

Eine weitere Methode des Helfens, die Schaffung von Umweltbedingungen,die sich günstig auf die Entwicklung auswirken, wendet die Pflegende z.B.an, bei der Vermittlung von Kontakten zu anderen Betroffenen, die dazubeitragen, dass die Familie eine Veränderung in ihren Einstellungen undWerten erfährt oder ihre Ressourcen erkennt. InadäquateLebensgewohnheiten können durch diese Methode des Helfens gemeinsamumstrukturiert werden, was für die Familie eine Neuorientierung bedeutetund damit die Angst und Hilflosigkeit mindert.Die oft herabgesetzte körperliche Belastbarkeit erfordert die Entwicklungund Förderung einer für das Kind günstige Freizeitaktivität bzw. dieSchulung der Eltern, um im Rahmen eines differenziertenSelbstmanagements durch den gezielten Einsatz von Medikamenten(Bedarfsmedikation), dem Kind eine entwicklungsgerechte körperlicheAktivität zu ermöglichen.

14

Ein für die Entwicklung günstiges Umfeld schafft die Pflegende zudem,indem sie schädigende Einflüsse aus dem Umfeld entfernt,Vorsichtsmaßnahmen trifft oder bei den Eltern die Bereitschaft zum Lernenim Rahmen von Schulungen weckt.

Die Schaffung von Umweltbedingungen, die sich günstig auf dieEntwicklung auswirken sowie das Unterrichten als weitere Methode desHelfens, bilden den Schwerpunkt des unterstützend – erzieherischenPflegesystems (vgl. Orem 1997, 336)Wie D. E. Orem bereits in ihrer Definition von Pflege herausstellt,beinhaltet Pflege auch didaktische Fähigkeiten der Pflegenden. Sie kommenbei dieser Methode des Helfens zum Tragen.Das Unterrichten ist eine Möglichkeit zur Entwicklung von Wissen undFähigkeiten. Es ist ein Teil der Beratung und somit in systematisierter Formin speziellen Patientenschulungen angewandt. Sie steht, wie bereits unter2.1. hervorgehoben, auch bei der Betreuung chronisch Kranker imVordergrund.Dabei findet Unterricht keineswegs nur in Schulungsräumen statt, sondernauch in Alltagssituationen, in denen der Patient beispielsweise dieInhalationstherapie durchführt und dabei Fragen zur Effektivität beiBerücksichtigung verschiedener Atemtechniken stellen kann.Um das Unterrichten als Methode des Helfens fachgerecht anwenden zukönnen, ist auch hier das Assessment wichtig, um adäquat unterBerücksichtigung vorhandenen Wissens und Fähigkeiten bzw. desEntwicklungsstandes auf das Kind eingehen zu können.

Durch diese drei Arten von Pflegesystemen soll eine genaue Beschreibungvon Handlungsanweisungen für den Patienten sowie für die Pflegendemöglich sein (vgl. Orem 1997, 337). Für die Pflegepraxis ist die Dynamikder Pflegesysteme von Bedeutung. Der Schwerpunkt kann je nachvorherrschendem Problem wechseln.

In der Betreuung von Familien mit einem chronisch kranken Kind erlangendie Eltern zunehmend Entscheidungskompetenz und folglich die Kontrolleüber ihr Leben zurück. Die Pflegende muss immer weniger kompensierendeingreifen. Unterstützung und Beratung stehen einige Zeit im Vordergrund,bis die Familie die gesamten Situativen Selbstpflegeerfordernisseselbständig erfüllen kann. Folglich ist die Hilfe durch professionelle Pflegezu diesem Zeitpunkt nicht mehr nötig.Dennoch wird sie immer wieder gefordert sein. Der ungleichförmigeKrankheitsverlauf chronischer Erkrankungen birgt Phasen dergesundheitlichen Verschlechterung, in denen die Dependenz–pflegekompetenz nicht ausreicht, z.B in akuten Schmerzphasen. Hier wirddie Pflegende einzelne Bereiche der Selbstpflegeerfordernisse teilweisekompensierend oder erzieherisch unterstützend übernehmen.

Hinzu kommt die Unterstützung zur Sicherung der Dependenzpflege beiAuftreten der in Kap. 1.1. beschriebenen chronischen Sorge. Dieseperiodisch auftretende Traurigkeit der Eltern, die das Wohlbefinden der

15

gesamten Familie, insbesondere auch des erkrankten Kindes negativbeeinflusst, bedarf aus diesem Grunde der professionellen Pflege.

Somit wird deutlich, dass sich der Situativer Pflegebedarf aufgrund dergesundheitsbedingten Selbstpflegeerfordernisse in gemäßigter Extensitätüber Jahre hinaus erstreckt.Nicht nur dieser lange Zeitraum, sondern auch das Eindringen in dasFamiliensystem, erfordert, wie in Kap. 2 verdeutlicht, eine vertrauensvollePflegebeziehung.Auch D. E. Orem hebt die Wichtigkeit der interpersonalen Beziehung alsnotwendig für das Assessment und die Umsetzung von Pflege hervor (vgl.Orem 1997, 75ff.). Der Mangel an Interaktion beeinflusst negativ diepflegerische Intervention durch fehlende Empathie, mangelnde Akzeptanzund entstehende Missverständnisse.Zudem ist ein patientenorientiertes, und hier im Rahmen derDependenzpflege chronisch kranker Kinder auch ein familienorientiertesprofessionelles Pflegen kaum möglich, wenn es der Pflegenden und derFamilie nicht gelingt, eine effektive Pflegebeziehung durch Interaktionaufzubauen.

Ich möchte im Folgenden anhand zwei weiterer Aspekte diese Pflegetheorieanalysieren. Dazu stelle ich die von D.E. Orem definierten Pflegeproblemeund –ziele heraus und vergleiche sie mit den Pflegeproblemen und – zielenchronisch kranker Kinder.

3.2. Welche Probleme des Patienten begründenPflegebedarf ?

Nach D. E. Orem hat ein Mensch Pflegebedarf, solangeSelbstpflegeerfordernisse bestehen. Dies bedeutet: alle Menschen habentäglichen Pflegebedarf.Bezieht man diese Frage jedoch auf die professionelle pflegerischeIntervention, müssen wir sagen: Professionelle Pflege tritt ein wenn derMensch seine Selbstpflege bzw. Dependenzpflege nicht mehr erfüllen kann.Es kommt somit zum Selbstpflegedefizit.Da nach D. E. Orem Selbstpflege nicht nur der Aufrechterhaltung desLebens und der Gesundheit dient, sondern auch dem allgemeinenWohlbefinden, können wir folgern: Professionelle Pflege tritt ein, bei einerGefährdung des Lebens, der Gesundheit oder des allgemeinenWohlbefindens.Vergleichen wir nun diese Kriterien mit den in Kap. 1.2. formuliertenProblemen von chronisch kranken Kindern und ihren Familien, so könnenwir folgende Übereinstimmung feststellen: Angst, Hilflosigkeit, chronischeSorge, ein geringes Selbstwertgefühl sowie der herabgesetzteAllgemeinzustand und eventuelle Schmerzen gefährden das allgemeineWohlbefinden. Mangelnde Kenntnisse über die Erkrankung und im Umgangmit technischen Hilfsmittel und Medikamenten gefährden u.U. das Lebendes Kindes. Und die herabgesetzte Körperwahrnehmung von kleinen

16

Kindern, mangelnde Ressourcen sowie inadäquate Lebensgewohnheitenstellen eine Gefährdung der Gesundheit dar.

Somit ist deutlich eine Übereinstimmung erkennbar bei den Problemenchronisch kranker Kinder und deren Familien und der in der Pflegetheorievon D.Orem aufgeführten Problemen, die das Eingreifen von professionellerPflege begründen

3.3. Welche Ziele der Pflege werden benannt ?

Ziel der Selbstpflege ist nach D.E. Orem die Aufrechterhaltung des Lebens,der Gesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens. Professionelle Pflegetritt ein, wenn Selbstpflege nicht mehr geleistet werden kann unddemzufolge die o.g. Ziele gefährdet sind.Daraus ergibt sich das Ziel der professionellen Pflege: Personen zu helfen,damit sie ihre Selbstpflegekompetenz wiedererlangen und somit dieAufrechterhaltung des Lebens, der Gesundheit und des allgemeinenWohlbefinden wieder gesichert sind.Dies entspricht einem effektiven Selbstmanagement im Umgang mit einerchronischen Erkrankung. Vergleicht man die unter Kap. 2.2. aufgeführtenPflegeziele, so finden wir auch hier als primäres Ziel den Erhalt derLebensqualität, d.h. Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Selbst dieaufgeführten Feinziele verfolgen die auch bei D.E. Orem aufgeführteAufrechterhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens.

Demzufolge lässt sich auch hier eine Übereinstimmung feststellen, in denvon D. E.Orem in ihrer Theorie formulierten Ziele der Pflege und denZielen, die sich die Pflegende bei der Betreuung von chronisch krankenKindern und deren Familien setzt.

3.4. Kann Pflege evaluiert werden?

Im Folgenden wende ich mich der Frage zu: Kann die Effektivität derPflegemaßnahmen evaluiert werden? Welche Angaben macht D.E. Oremüber eine Evaluation?

Die Pflegetheorie von D. Orem macht keine Angaben über dieMöglichkeiten der Evaluation von Pflege.

Dennoch ließe sich die Effektivität der pflegerischen Interventionbeispielsweise anhand ihrer Methoden des Helfens nachweisen:Handelt die Pflegende für die Eltern, indem sie beispielsweise über denZeitpunkt der Bedarfsmedikation bestimmt, lässt sich die Richtigkeit ihrerEntscheidung direkt anhand der Verbesserung des Blutzuckerwertes oderdes Peak–Flow1 Wertes belegen.

1 Lungenfunktionsprüfung durch Messung der Ausatemgeschwindigkeit.

17

Hat sie die Eltern zur korrekten Vorbereitung einer Injektion angeleitet,lässt sich der Erfolg dieser Maßnahme kontrollieren, indem sie die Technikder Eltern beobachtet und beispielsweise anhand einer Liste aufVollständigkeit überprüft.Inwieweit Eltern und Kinder ihre Angst und Hilflosigkeit durch dieUnterstützung der Pflegenden verloren haben, erkennen wir durch ihrzielgerichtetes, selbstbewusstes Vorgehen.Und ob die Pflegende mit der Schaffung zur Entwicklung günstigerUmweltbedingungen und mit dem Unterrichten erfolgreich war, lässt sichanhand von situationsangemessenen Reaktionen der Eltern im Rahmen vonAllergenvermeidung und Diäten oder der Stressbewältigung im Umgang mitalltäglichen Belastungssituationen beurteilen.Eine weitere Möglichkeit der Evaluation ist der Nachweis anhand derAnzahl der Krankenhausaufenthalte, der Fehltage in der Schule oder vonLaborparametern, wie z.B. Medikamentenspiegeln.

Doch nicht nur objektive Messungen belegen die Wirksamkeit der Pflege,sondern auch die subjektive Beurteilung der Angemessenheit vonHandlungen. Die Pflegende als professionell ausgebildete Fachkraft istaufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Pflegeerfahrung befähigt, ihrePflegeintervention in den Familien mit chronisch kranken Kindern aufgrundvon Beobachtung zu evaluieren.

4. Abschließende Beurteilung

Abschließend lässt sich die Pflegetheorie von D.E. Orem als gut einsetzbarbeurteilen, für die Strukturierung einer langfristigengesundheitspflegerischen Betreuung chronisch kranker Kinder und ihrerFamilie durch eine ambulante Pflegeeinrichtung.Zu diesem Schluss komme ich aus folgenden Gründen:

Die Pflegetheorie von D.E. Orem bietet eine klare Struktur und eine guteVerständlichkeit, sodass sie auch von weniger pflegetheoretisch geübtenPflegenden angewandt werden kann. Da sie weder an Zeit noch an einen Ortgebunden ist, kann sie zur Strukturierung einer ambulanten pflegerischenBetreuung gut eingesetzt werden.Aus der Sicht der Kinderkrankenpflege ist die Darstellung einerDependenzpflege zu begrüßen. Diese beschreibt die fürsorgliche Beziehungzweier Menschen und verdeutlicht damit die enge Verbundenheit zwischendem Kind und seinen Eltern.Daraus lässt sich der notwendige pflegerische Ansatz bei den Elternableiten. Im Rahmen der Betreuung chronisch kranker Kinder tritt Pflegeein, um durch Anleitung der Eltern die dauerhafte Versorgung der Kindernzu sichern. Nicht weniger wichtig ist hier jedoch die Begleitung der Elternin ihrer Krankheitsverarbeitung, um zu verhindern, dass evtl. emotionale,inadäquate Verhaltensweisen, einen negativen Einfluss auf dasKrankheitserleben des Kindes bewirken.

18

Zahlreiche, die Dependenzpflegekompetenz beeinflussenden Faktorenermöglichen der Pflegenden hierbei auch die Erkennung individuellerRessourcen und begnügt sich somit nicht mit der Feststellung von Defiziten.Diese bestehen selbstverständlich beim Auftreten einer chronischenErkrankung. Wichtiger ist jedoch, die bestehenden Ressourcen der Familiezu erkennen und gezielt zu fördern, um ein adäquates Selbstmanagement zuermöglichen.Das Assessment scheint mir ein Schwerpunkt dieser Pflegetheorie zu sein.Folglich ist der Einsatz dieser Pflegetheorie sinnvoll für die Analyse derEinschätzungsdaten, um der Pflegenden eine angemessene Grundlage fürdie Entscheidungsfindung bzw. die Planung der Pflege zu geben.Zur Pflegeplanung und zu Pflegemaßnahmen werden kaum speziellereAngaben gemacht. Die Inhalte dieser Bereiche müssen durch dieFachkompetenz der Pflegenden gefüllt werden.

Der Schwerpunkt der Betreuung chronisch kranker Kinder liegt auf sozialeund psychologische Faktoren.Ungeachtet dessen, dass physische und soziale Aspekte bei D.E. Orem imVordergrund stehen, fließen indirekt, zumindest im Assessment, psychischeAspekte in die von D.E. Orem aufgeführten Faktoren ein, die dieDependenzpflegekompetenz verhindern. An dieser Stelle findet zudem derProzess der Krankheitsbewältigung Berücksichtigung.Besonders hilfreich ist, dass in dieser Pflegetheorie der Patient in seinemjeweiligen sozialen Kontext dargestellt wird. Dies ist bei der Betreuung vonKindern schon durch ihre Dependenz unumgänglich, zumal es darum geht,das Kind mit seiner chronischen Erkrankung in sein soziales Umfeld zuintegrieren.

Durch die drei Pflegesysteme dieser Pflegetheorie kann die pflegerischeIntervention pflegetheoretisch gestützt, sehr gut beschrieben werden. DieRolle der Pflegenden richtet sich nach dem Stand derKrankheitsbewältigung. Dabei hebt D.E. Orem klar die beratende Funktionder Pflege hervor. Dies deckt sich mit der primären Funktion derambulanten Pflegeeinrichtung bei der Betreuung chronisch kranker Kinderin ihren Familien.Leider finden wir hierbei keinen expliziten Hinweis auf eineZusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen.Im Aufbau der Pflegesysteme, besonders in der graphischen Darstellungerkennt die Pflegende sowohl einzelne Schritte zur systematischenErreichung der Unabhängigkeit der Familie im Umgang mit derErkrankung, als auch die wechselnde Verteilung der Handlungen zwischenPflegende und Familie. Sie sind in einer Form aufgebaut, die es derPflegenden ermöglicht, aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz flexibel aufveränderten Pflegebedarf zu reagieren.

Ein weiterer Grund für die Anwendbarkeit dieser Theorie ist dieÜbereinstimmung der Pflegeziele. Bei D.E. Orem, wie auch bei den von mirformulierten Zielen für chronisch kranke Kinder in ihren Familien stehtnicht die Krankheit im Vordergrund, sondern die Lebensbewältigung, d.h.das Leben mit der Krankheit, gerichtet auf eine Lebenszufriedenheit und einWohlbefinden.

19

Infolgedessen komme ich zu dem Schluss, dass die Pflegetheorie von D.E.Orem in der Lage ist, die pflegerische Betreuung von chronisch krankenKindern effektiv zu strukturieren.

Allerdings wird dies nur gelingen, wenn die Pflegenden die dazu nötigenFähigkeiten vorweisen können.

4.1. Ausblick

Voraussetzung für die pflegerische Intervention, gestützt durch diePflegetheorie von D.E. Orem, ist die Ausbildung folgender Fähigkeiten:• Zum einen psychologische, für die Arbeit mit Kindern im Besonderen

entwicklungspsychologische Kenntnisse zur Erkennung desKrankheitserlebens im Prozess der Krankheitsverarbeitung. Aber auchdie Beurteilung der Krankheitsverarbeitung der Eltern muss gesichertsein.

• Zum anderen interpersonale Fähigkeiten, um z.B. durch eine adäquateGesprächsführung gezielt Hilfestellung leisten zu können.

• Außerdem sind didaktische Fähigkeiten notwendig, um das Unterrichtenals Methode des Helfens effektiv durchführen zu können.

• Pflegefachliche Fähigkeiten

Neben der Vielfalt an ‘technischen‘ Pflegemaßnahmen, muss dieWichtigkeit einer effektiven Pflegebeziehungen im Pflegeunterrichtverdeutlicht werden. Verständnis für die Situation des Kindes und der Elternmüssen z.B. mit Hilfe von Fallbeispielen auf Videos oder aus der Praxisgeweckt werden. Hierdurch können insbesondere Reaktionen der Eltern inder ersten Phase der Krankheitsbewältigung besser verstanden werden.Zudem sollte die Gesprächsführung ein wichtiges Element imKinderkrankenpflegeunterricht werden. Durch die lösungs- bzw.ressourcenorientierte Gesprächsführung können wir den Eltern helfen, ihreRessourcen zu erkennen.Gesprächsführung sollte auch im Rahmen von Elternanleitung nicht nurtheoretisch vermittelt, sondern vielmehr in praktischen Übungen zumUnterrichtsinhalt werden.Und nicht zuletzt stellt mir diese Arbeit ein Beispiel für den Unterricht zurVerfügung, um meinen Schülern die Effektivität von pflegerischerIntervention, strukturiert durch eine Pflegetheorie, zu verdeutlichen.Da in dieser Theorie insbesondere Hilfestellung für das Assessment gegebenwird, sehe ich hier einen Ansatzpunkt für die stufenweise Umsetzung imRahmen des Pflegeunterrichtes. Ein Arbeitsauftrag für den praktischenStationseinsatz könnte hier der erste Schritt sein, die Kluft zwischen Theorieund Praxis zu verringern.

20

Literaturverzeichnis

Beutel, Manfred (1988): Bewältigungsprozesse bei chronischen Erkrankungen. In:Koch, Uwe (Hrsg., 1988): Psychologie in der Medizin. Weinheim: EdMedizin, VCH

Bühlmann, Josi (1998): Angst. In: Käppeli, Silvia (Hrsg., 1998): Pflegekonzepte.Phänomene im Erleben von Krankheit und Umfeld. Bern; Göttingen;Toronto; Seattle: Huber 81-103

Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (Hrsg., 1993): Berufsbild. Eschborn

Eakes, Georgene G.; Burke, Mary L.; Hainsworth, Margaret A.; Lindgren, Caro-lyn L.(1997): Chronische Sorge: Welche Rolle spielt dabei die Pflege? In:Funk, Sandra G. et al. (Hrsg., 1997): Die Pflege chronisch Kranker. Übers.Brock, Elisabeth. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle: Huber 268-277 (Orig.:Key Aspects of Caring for the Chronically Ill 1993)

Harsdorf, Herbert (1986): Krankenpflegegesetz und Ausbildungs- und Prüfungs-verordnung für die Berufe in der Krankenpflege. Köln; Berlin; Bonn;München: Heymann

Knalf, Kathleen A.; Gallo, Agatha M.; Breitmayer, Bonnie J.; Zoeller, Linda H.;Ayres, Lioness (1997): Die Reaktion der Familie auf die chronischeKrankheit eines Kindes: Beschreibung der wichtigsten Merkmale undThemen. In: Funk, Sandra G. et al. (Hrsg., 1997): Die Pflege chronischKranker. Übers. Brock, Elisabeth. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle:Huber 334-349, (Orig.: Key Aspects of Caring for the Chronically Ill 1993)

Klug-Redmann, Barbara (1996): Patientenschulungen und –beratung. Dt. Ausg.hrsg. von Jürgen Osterbrink. Berlin; Wiesbaden: Ullstein Mosby (Orig.:The Process of Patient Education, 1993)

Könning, Josef; Thiele-Wöbse, Sigrun (1994): Kognitive Hilfen zur Krankheits-bewältigung. In: Könning, Josef; Szczepanski, Rüdiger; von Schlippe,Arist (Hrsg., 1994): Betreuung asthmakranker Kinder im sozialen Kontext.Die Bewältigung einer chronischen Krankheit als Herausforderung fürKind, Familie und interdisziplinäres Team. Stuttgart: Enke 103-115

Lohaus, Arnold (1990): Gesundheit und Krankheit aus der Sicht von Kindern.Göttingen; Toronto; Zürich: Hogrefe

Lohaus, Arnold (1993): Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention imKindes- und Jugendalter. In: Krohne, Heinz; Schmidt, Lothar; Netter,Petra; Schwarzer, Ralf (Hrsg., 1993): Reihe Gesundheitspsychologie.Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe

21

Orem, Dorothea E. (1997): Strukturkonzepte der Pflegepraxis. Dt. Ausg. hrsg. vonGerd Bekel. Berlin; Wiesbaden: Ullstein Mosby (Orig.: „Nursing-Conceptsof Practice“, 5. Aufl.)

Schmitt, Gustel M.; Kammerer, Emil; Harms, Erik (Hrsg., 1996): Kindheitund Jugend mit chronischer Erkrankung: Verstehen und Bewältigenvon Belastung und Bedrohung. Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe

Theiling, Stephan; Szczepanski, Rüdiger; von Schlippe, Arist; Lob-Corzilius,Thomas (1994): Interdisziplinarität. In: Könning, Josef; Szczepanski,Rüdiger; von Schlippe, Arist (Hrsg., 1994): Betreuung asthmakrankerKinder im sozialen Kontext. Die Bewältigung einer chronischen Krank-heit als Herausforderung für Kind, Familie und interdisziplinäres Team.Stuttgart: Enke 152-163

Zeller-Forster, Franziska (1998): Hilflosigkeit. In: Käppeli, Silvia (Hrsg., 1998):Pflegekonzepte. Phänomene im Erleben von Krankheit und Umfeld. Bern;Göttingen; Toronto; Seattle: Huber 65-81

Download dieser Arbeit vonhttp://www.kinderkrankenpflege-netz.de