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INTERVIEW mit Harald Welzer " 4 STATEMENTS von Akteuren " 14 PORTRÄT von Lars Johansen " 18 4|17 Rolle der Arbeit

417 Rolle der Arbeit - soziokultur.de · Editorial Ob Menschen glücklich sein können oder nicht, hängt davon ab, ob sie lieben, was sie tun, und ob sie ein positives Feedback von

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INTERVIEW mit Harald Welzer " 4STATEMENTS von Akteuren " 14PORTRÄT von Lars Johansen " 18

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Kultur – aber sicher (!)

SEMINAR: Aufsicht führende Personen in Veranstaltungsstätten

Die Versammlungsstättenverordnung der einzelnen Bundesländer fordert bei Ver an­staltungen geeignete Fachkräfte für den bühnentechnischen Bereich. Für die Vielzahl der kleinen Veranstaltungen immer eine „Fachkraft für Veranstaltungstechnik” vor­zuhalten, ist jedoch für die meisten soziokulturellen Einrichtungen nur schwer oder gar nicht umsetzbar. Hier gibt es einen Ausweg: Wenn von der jeweiligen Veranstal­tung keine Gefahren ausgehen, kann die Funktion der „Fachkraft für Veranstaltungs­technik” auch von einer „Aufsicht führenden Person” wahrgenommen werden. Das Seminar ist konzipiert für Mitarbeiter*innen, die mit der (technischen) Durchfüh­rung von Veranstaltungen betraut oder für die Personalauswahl verantwortlich sind.

Seminarinhalt: •ÜberblicküberrelevanteGesetzeundVerordnungen •VerantwortungundHaftung •LeitungundAufsichtinVeranstaltungsstätten •ErmittlungvonGefährdungen,ErarbeitungvonSchutzzielen

und Ableitung von Maßnahmen •Brandschutz,Notfallmaßnahmen •UmgangmitveranstaltungstechnischemEquipment •UnterweisungvonMitwirkenden

Veranstalterin: Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. inKooperationmitdenjeweiligenLandesverbänden

Termine: 23.–25.01.2018 Niedersachsen: Pavillon, Hannover 03.–05.04.2018 Baden-Württemberg: Kulturforum Brackenheim 24.–26.04.2018 Hessen: KFZ, Marburg 08.–10.05.2018 Baden-Württemberg: ROXY, Ulm 29.–31.05.2018 Schleswig-Holstein: JugendAkademie, Bad Segeberg 12.–14.06.2018 Rheinland-Pfalz: Kulturfabrik, Koblenz Teilnahmegebühr: 150,00 Euro (inkl. 7% Mwst.) für Mitglieder

400,00 Euro für Nichtmitglieder DieTeilnehmer*innenerhalteneinZertifikat.

Referent: ThomasSchiffmann,MeisterfürVeranstaltungstechnikund Technischer Betriebswirt im Kulturzentrum E-Werk, Erlangen

Anmeldung: www.soziokultur.de > Veranstaltungen

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Ob Menschen glücklich sein können oder nicht, hängt davon ab, ob sie lieben, was sie tun, und ob sie ein positives Feedback von ihren Mitmenschen bekommen. Das hört sich selbstverständlicher an, als es ist. Wir haben das auch bei unseren Diskussionen und Recherchen zum Thema „Arbeit und Armut“ festgestellt. Währenddessen fanden die Wahlen zum Deutschen Bundestag statt. Die Ergebnisse beweisen, dass unsere Gesellschaft sich als komplizier- te Gemengelage widerstreitender Interessen darstellt. Trotz Hochkon-junktur nimmt in weiten Regionen die Armut zu, reihen sich zu den Verlierer*innen der Wende immer mehr solche von Globalisierung und Digitalisierung. Siemens-Belegschaften kämpfen um ihre Jobs. Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie stehen gegen Klimaer-fordernisse und die Gesundheitsrisiken der Feinstaubbelastung zur Abstimmung. Nicht zuletzt an der schwierigen Regierungsbildung sehen wir: Es gibt keine einfachen Lösungen. Vielversprechende Lösungsansätze gibt es aber durchaus. Das Redaktionsteam begegnete einer beeindruckenden Bereitschaft, alles völlig neu zu denken und aus den zum Teil sehr misslichen Situa-tionen etwas Besseres zu machen. Die soziokulturellen Zentren wissen aus eigenen Erfahrungen: Man muss als Person wie als Einrichtung zunächst einmal leben können von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Trotzdem und gerade deshalb zeigen sie, dass Geld eben nicht der alles mes-sende Maßstab ist. Sie schaffen ein Klima der unmittelbar analogen Wertschätzung von Mensch zu Mensch. Was Ehrenamtler*innen und Mitarbeiter*innen daraus selbst gewinnen, bezeichnen sie oft als Glück. Unser Autor Ivo Muri plädiert dafür, dass man seine Talente einsetzen können muss, ohne dadurch – wie so oft im Kulturbereich – in Armut zu sinken. Einen gangbaren Weg dahin zeigt Michael Bohmeyer mit seinem Projekt „Mein Grundeinkommen“. Harald Welzer schlägt vor, die jetzige Situation als Chance zu nehmen und das Arbeitssystem neu zu organisieren.

Lassen Sie sich inspirieren!

Ellen Ahbe, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.

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Inhalt

Thema: Rolle der Arbeit

5 Für die Anwesenheit von Zukunft selbst handeln Ein Gespräch mit Harald Welzer von Edda Rydzy

8 Bedingungslos geht sogar Menschenliebe Interview mit Michael Bohmeyer von Ellen Ahbe

10 Time-Money-Balance statt Work-Life Wie sich die „Zeit-ist-Geld-Mechanik“ auf unsere Arbeitsbeziehungen auswirkt von Ivo Muri

11 MEINUNG: Nur wer arbeitet, soll auch essen? von Kristine Schütt

12 Ein gut gepflegter Opa lässt sich nicht verkaufen Interview mit Johannes Daniel Dahm von Kristine Schütt

14 Vom Glücksfaktor in der Soziokultur Statements von Aktiven

16 PORTRÄT: Karneval ist anders Lars Johansen und der Moritzhof Magdeburg von Edda Rydzy

Kultur und Politik

22 „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle“

Netzwerk Soziokultur

26 Soziokulturelle Erfahrungen von japanischen Experten Ein Reisebericht als Diskursprotokoll von Wolfgang Schneider

28 Markt und mehr FREE MARKET im russischen Kultur zentrum PRAXIS von Eleonore Hefner und Olga Egorova

32 Herzblut und Know-how Workshop zum Generations- wechsel bei zeitraumexit von Julia Terbrack

34 JUGEND INS ZENTRUM!: FUTUR PERFECT Visionen visualisieren von Ulrike Korbach

36 START: Die zukunftsweisende Kraft von Kultur Dritte Runde im Stipendienprogramm „START – Create Cultural Change“ von Fabio Gorchs

39 THÜRINGEN: Konferenz für Trendsetter Klubszene fordert bessere Rahmenbedingungen von Thomas Putz

42 BRANDENBURG: Im Hinterland der weiten Wege Konferenz „Kreative Provinz III“ des Netzwerks Raum UmOrdnung von Anne Peschken

43 RHEINLAND-PFALZ: 25. Jubiläum der Landesarbeits-gemeinschaft Soziokultur & Kulturpädagogik Rhein-land-Pfalz von Margret Staal

43 SAARLAND: „Mit den Leit und für die Leit“ – Landesver band Soziokultur in Gründung von Hans-Martin Derow

44 Impressum / Adressen der Landesverbände

Foto TitelseiteUwe „Schäfer“ Schmidt, Bierzapfer in der KulturFabrik Löseke, Hildesheim © Norbert Jaekel/Stefan Könneke

Grafik Seite 3Matthias Dettmann, Grafiker und Illustrator, www.matthiasdettmann.de

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Thema Rolle der Arbeit

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Für die Anwesen-heit von Zukunft selbst handeln

Ein Gespräch mit Harald Welzer, einem Streiter für die Weiter- entwicklung der Zivilisation

Wer in Zukunft Armut als gesellschaftliche Tatsache beseitigen oder vermeiden will, muss Arbeit neu ordnen. Das setzt vor-aus, Zukunft als etwas zu Gestaltendes zu ver stehen. Harald Welzer wirft dem eben stattgefundenen Wahlkampf und der Politik die Abwesenheit von Zukunft vor. Auf dem letzten Bundeskongress der Kulturpoliti-schen Gesellschaft WELT.KULTUR.POLITIK forderte er die Kulturpolitik zur Rück- gewinnung des Politischen auf. Er ist Soziologe und Sozialpsychologe. Um alter-native Lebensstile und Wirtschaftsformen zu zeigen und zu fördern, gründete er mit Gleichgesinnten die Stiftung FUTURZWEI und leitet sie. An der Universität Flensburg wirkt er als Professor für Transformations-design und parallel als ständiger Gastprofes-sor für Sozialpsychologie an der Universität Sankt Gallen. Mit seinem Buch „Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand“ (2014) wirbt er kenntnisreich und leidenschaftlich dafür, die eigenen Handlungsspielräume für eine Zukunft zu nutzen, in der es nicht zuerst um Wachstum, Effizienz, Konsum und individu-ellen Profit, sondern um Glück, Enkeltaug-lichkeit und Allgemeinwohl geht. Wir haben mit ihm über Gegenwart und Zukunft gesprochen.

von edda rydzy

ER: Die Schlagzeilen dieser Wochen stiften mindestens so viel Verwirrung wie Information. Der Demografie wegen, so sagen die einen, muss das Renteneintrittsalter nach hinten verschoben werden. Außerdem brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, weil junge gut ausgebildete Fach-kräfte fehlen. Andere sehen selbstfahrende Autos und die Industrie 4.0 unmittelbar vor der Tür, weshalb bald nur noch die Hälfte der Erwerbsfähigen sich in „normalen“ An-stellungen befinden wird. Wie soll man daraus klug werden oder sich orientieren?

HW: Das ist wie in vielen anderen Thematiken auch. Es wird nicht aus einer Zusammenhangsperspektive diskutiert.

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Jeder redet über seins. Es werden unterschiedliche Inter-essen berührt. Je nachdem, ob Digitalisierungsexperten, Gewerkschaften oder Unternehmer sich äußern, werden die jeweils speziellen Inhalte transportiert.

ER: Die Dinge haben aber miteinander zu tun. Um heraus-zukriegen, was, brauchen wir genau die Zusammenhangs-perspektive. Wo bekommen wir die her?

HW: Da sind die Politik, Medien und die Deutungseliten in der Verantwortung. Man muss die angesprochenen Fragen in einen sehr großen Kontext stellen. Bislang wird extrem wenig darüber diskutiert, wie das Ganze in zehn Jahren aussehen wird. Was wird sich aus der Migration entwickeln, was aus der Automatisierung? Wir haben jetzt eine lange Phase der Hochkonjunktur. Vielleicht fällt deshalb nicht auf, dass die traditionellen Konzepte zum Umgang mit Arbeit und Er-werb nicht länger geeignet sind.

ER: Welche Themen gehören aus Ihrer Sicht am dringendsten in die politische Debatte?

HW: Zunächst die Feststellung, dass mo-derne Gesellschaften dort am besten funk-tionieren, wo sie sich am Prinzip der Sozialstaatlichkeit orientieren. Angesichts der Automatisierung ist völlig klar, dass sich der Arbeitsmarkt radikal verändern wird. Wir brauchen eine gründliche Diskussion des bedingungslosen Grundeinkommens. Vor allem müssen wir mit der Idiotie aufhören, Arbeit zu besteuern.

ER: Wolfgang Schäuble hat schon zu Beginn der 1990er Jahre einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er sinngemäß sagt: Wir müssen weg von einem Verständnis des Staates als Dienstleister, hin zu einem solchen als Schutz- und Schicksalsgemeinschaft. Was bedeutet, dass die Ressorts Inneres und Verteidigung und Außenpolitik die wichtigsten sind. Der Sozialstaat scheint inzwischen ziemlich weit von einer Selbstverständlichkeit entfernt zu sein.

HW: Ja, stattdessen ewige Versuche, ihn zurückzubauen. Dafür engagiert sich aktuell besonders die FDP 4.0.

harald welzer

ER: Oder vor ein paar Monaten der Philosoph Peter Slo-terdijk. Er findet es viel besser, die ganz Reichen gar nicht zu besteuern und sie selbst entscheiden zu lassen, was sie dem Gemeinwesen spenden. Mit dem Wissen über die Panama- und die Paradise-Papers ist das fast lustig. Die Superreichen zahlen ja längst ganz legal fast keine Steuern mehr.

HW: Nur mit dem Spenden hapert’s.

ER: Ein Skandal! Der sich nur zweieinhalb Tage lang in den Schlagzeilen gehalten hat. Woran liegt das und was kann man dagegen tun?

HW: An der Dummheit der Medien, das heißt: Systematisch liegt es daran, dass der mediale Skandalisierungswert die-ses tatsächlichen Skandals offenbar geringer ist als der von sechs Wochen Sondierungsgesprächen, über die es eigentlich täglich gar nichts zu berichten gab.

ER: Was hilft dagegen?

HW: Da fragen Sie den Richtigen! Ich bin in vielen Thema-tiken verzweifelt über die Prioritätensetzung der Leitme-dien. Die entwickeln sich zur Zeit dynamisch in Richtung Gegenaufklärung. Vielleicht brauchen wir mehr Gegenöf-

fentlichkeit. Deshalb gebe ich seit Kurzem das FUTURZWEI. Magazin für Zukunft und Politik heraus. In der aktuellen Ausgabe haben wir übrigens einen Essay darüber, wie die Digitalisierung nicht nur in der Pro-duktion, sondern vor allem bei gehobenen Angestellten Jobs bedroht.

ER: Womit wir wieder beim Thema Arbeit sind. In der Frühgeschichte des deutschen Wortes „Arbeit“ gibt es Waisen, die keine Versorger haben und bei schwerer Schuf-terei darben müssen. Beim französischen „travailler“ und beim spanischen „trabajo“

kommen im Wortstamm sogar lateinische Folterinstrumen-te vor.

HW: Historisch ist es tatsächlich eine neue Angelegenheit, Arbeit positiv zu bewerten. Das läuft – ungleichzeitig – mit dem Beginn des Klosters und der dort geleisteten „gott-gefälligen“ Arbeit. Ihre wirkliche Hochbewertung kommt aber erst mit der Industrialisierung, dem protestantischen Arbeitsethos und vor allem der Sozialdemokratie. Es ging ja um das Selbstbewusstsein und den gesellschaftlichen Wert der Arbeiter. Dass die Sozialdemokratie der Erwerbsarbeit immer noch größten Wert beimisst, hat eigentlich etwas Absurdes. Menschen brauchen ihren Lebensunterhalt, aber sicher nicht unbedingt entfremdete Arbeit. Wir könnten jetzt die Situation nutzen, sie als Chance nehmen, unser Arbeitssystem neu zu organisieren. Sollen doch Automaten die Arbeiten verrichten, die sich automatisieren lassen. Es geht darum, endlich die gesellschaftlich nützlichen Ar-

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Die existierenden Regeln der Gesellschaft zu Wirtschaft und Arbeit zu hinterfragen - das fragt nach Orten, wo dies möglich ist. (Stadt-) Planung ist in Verantwortung, Orte für nicht planbare Ent-wicklungen zuzulassen, die Experimente für al-ternative Kulturen und Wirtschaften ermöglichen. Diese Experimentierräume brauchen besonderen Schutz und Regeln, um nicht missbräuchlich prekäres Sammelbecken von Arbeitskräften für die vorherrschende Wirtschaftsweise zu werden. (Stadt-) Planung ist zudem in der Pflicht, die Ent-wicklungsprozesse mit den Menschen an diesen Orten gemeinsam zu gestalten, die sich daran messen, ob sie demokratischen, gemeinwohl-orientierten Ansprüchen an Kultur, Wirtschaft und Arbeit gerecht werden. Letztlich sind es also wir Menschen selbst, die alle dieselbe Chance bekommen müssen, miteinander etwas gemein-sam erarbeiten zu können, unabhängig von indi-viduellen Voraussetzungen. Das wäre dann aus meinem Verständnis im besten Sinn ein Ort der Soziokultur.MIChael rOSTalSKI, Architekt, Berlin

Vielfalt ist eine unverrückbare Tatsache unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit und das Zusammenleben eine immer wichtiger werdende Gestaltungsaufgabe in den Kommunen. Hierfür braucht es Gelegenheiten und Orte der Begeg-nung und des gemeinsamen Gestaltens. Enga-gierte Bürger*innen in soziokulturellen Initiativen und Vereinen leisten diese unverzichtbare Begeg-nungsarbeit, und soziokulturelle Zentren in den Quartieren bieten die Orte, an denen Menschen zusammengebracht und ein Miteinander in Viel-falt kreativ gestaltet wird.ClaUS PreISSler, Beauftragter für Integration und Migration der Stadt Mannheim

beiten – solche mit Menschen wie in Bildung, Pflege oder Kultur – vernünftig zu bezahlen.

ER: Dazu ist eine starke politische Lobby nötig. Sie schrie-ben nun gerade der Kulturpolitik ins Stammbuch, dass sie kaum über den Tellerrand guckt und das Politische aus dem Blick verloren hat.

HW: Ja. Nehmen wir mal ein scheinbar entlegenes Bei-spiel. In der Bundesliga ist diese Saison der Videobeweis eingeführt worden, der deshalb umstritten ist, weil er zu Spielunterbrechungen und Fehldeutungen von Situationen führt. In Wahrheit geht es wohl darum, diese Spielunter-brechungen zu schaffen, um Platz für Werbeeinblendungen zu bekommen. Da findet also gerade der nächste ökono-mische Übergriff auf einen weiteren Lebensbereich statt. Das ist eine kulturpolitische Fragestellung ersten Ranges. Aber im aktuellen Streit um den Videobeweis ist die Kultur-politik nicht zu hören. Oder nehmen Sie die ganze Share Economy. Da vereinnahmen Marktplattformen zutiefst unökonomische menschliche Handlungen wie Verleihen oder Verschenken für sich. Sie vermarkten soziale Bezie-hungen. Wenn das kein kulturpolitisches Thema ist …

ER: Sie kritisieren „diffuse kosmopolitische Identitäten“, weil aus ihnen keine politischen Subjekte entstehen und weil sich dahinter im Kern Verweigerung von Verantwortung verbirgt. Soziokulturelle Zentren sind das Gegenteil davon. Wir sehen bei jeder SOZIOkultur-Ausgabe, die wir machen, dass jeweils Hunderte von ihnen hautnah vor Ort in ge-sellschaftlichen Problemfeldern wie Bildung, Integration, Inklusion, Nachhaltigkeit oder Rassismus arbeiten. Ihre An-gestellten können dabei zu 80 Prozent nur untertariflich ver-gütet werden. Sie müssen dann mit sehr geringen Renten leben. Akademisches Prekariat. In den Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung findet keine Kulturpo-litik, geschweige denn Soziokultur statt. Weisen die Akteure in politischen Veranstaltungen auf ihre Unterfinanzierung hin, werden sie regelmäßig aufgefordert, „nicht immer nur über Geld“ zu reden. Sollen Sie sich bescheiden?

HW: Ich plädiere nie für Bescheidenheit. Nehmen Sie das nicht hin. Es gehört auf die politische Agenda.

ER: Danke für das Gespräch.

Harald Welzer: Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt a. M., 2014, 329 S., ISBN 978-3-10-089435-9, 19,99 Euro | www.futurzwei.org

edda rydzy ist freie Autorin mit Lehr- und Vortragstätigkeit.

Es geht darum, endlich die gesellschaftlich nützlichen Arbeiten vernünftig zu bezahlen.

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EA: Herr Bohmeyer, das bedingungslose Grundeinkommen ist schon länger Gegenstand der politischen Diskussion. Sie diskutieren aber nicht nur. Sie haben mit Ihrem Projekt seit 2014 einen Weg gefunden, Menschen per Crowdfun-ding jeweils ein Jahr lang ein bedingungsloses Einkommen von monatlich 1.000 Euro zur Verfügung zu stellen. In-zwischen haben es 120 Glückliche bei Ihren Verlosungen gewonnen. Bei welcher Gelegenheit ist Ihnen das Thema zum ersten Mal als wichtiges Thema bewusst geworden?

MB: Das war 2006. Gleich nach meinem Studium habe ich als Freelancer in einer Firma gearbeitet. Dort sind zwei Dinge passiert. Ich habe gesehen, wie schnell das Unter-nehmen selbst sich wandelt und wie sich die Technologien ändern. Gleichzeitig bin ich auf festangestellte Mitarbeiter getroffen. Mir wurde deutlich, dass es immer absurder wird, ein Leben lang dasselbe zu tun. Es gibt da eine kog-nitive Dissonanz. Natürlich ist das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter zu verstehen. Lebenslange Festanstellungen sind aber nicht das, was wir kriegen werden.

EA: Sie haben bereits als Elfjähriger Computer und Internet als Ihr „Ding“ erkannt. Sie sind also etwas wie ein nativer Digitaler und Sie haben Kommunikationsmanagement studiert. Crowdfunding und Social Media sind Ihnen das Gegenteil von böhmischen Dörfern. Bessere Vorausset-zungen lassen sich für ein Unterfangen wie Ihres schwer denken. Trotzdem: Man muss erst mal drauf kommen und dann auch noch den Mut haben, das wirklich zu realisieren.

Gab es dafür einen speziellen Anlass?

MB: Den, dass ich selbst ein bedingungsloses Grundeinkommen hatte.

EA: Woher kam das?

MB: Aus meiner eigenen Firma. Die hatte ich 2006 mitgegründet und bis 2013 geführt. Dann kam das Bedürf-nis, den Kopf frei zu kriegen und gar

nichts zu machen und dann etwas anderes für mich zu finden. Die Firma

lief auch ohne mich. Ich bin da jetzt An-

teilseigner und beziehe aus ihr ein Einkommen von lusti-gerweise ziemlich genau 1.000 Euro im Monat. Unmittelbar nach dem Ausstieg aus der festen beruflichen Struktur steckte ich eine Weile im Loch, habe mich gequält. Dann änderte sich mein ganzes Leben. Ich begriff emotional, dass ich Zeit hatte und abgesichert war. Das bedingungs-lose Geld machte mich mutiger, empathischer, kreativer, eloquenter. Ich baute eine viel entspanntere Beziehung zu meinem Kind auf und las mehr. Mein Grundgefühl sagte, dass ich okay war. Nicht faul, sondern voll aktiv. Ich konnte einfach sein.

EA: Von 1.000 Euro monatlich lebt es sich nicht so leicht …

MB: Klar, verglichen mit den 3.000 Euro netto, die ich vorher zur Verfügung hatte, scheint das erst mal ein sehr geringes Einkommen zu sein. Wenn man günstig wohnt, ist es aber auch nicht so wenig. Vor allem bedeutet es etwas anderes. Mit der Bedingungslosigkeit des Einkommens ändern sich die inneren Werte. Unter anderem geht das Bedürfnis nach Konsum zurück. Ich habe mich wirklich unglaublich verändert. Irgendwann wollte ich ausprobie-ren, ob das nur bei mir oder auch bei anderen so ist. Das Projekt „Mein Grundeinkommen“ ist dieser Versuch.

EA: Und welche Ergebnisse stellen Sie nun nach drei Jahren fest? Sehen Sie Ihre individuellen Erfahrungen in denen der bisherigen Gewinner bestätigt?

MB: Viel mehr als das! Denken Sie sich meine positiven Änderungen mit einem Faktor x multipliziert. Das bedin-gungslose Grundeinkommen holt das Beste aus den Men-schen heraus.

EA: Ein voller Erfolg also. Hier in Ihren Büroräumen kann man die Begeisterung für das Projekt förmlich anfassen. Ihr Team ist sichtlich mit Feuer bei der Sache. Arbeiten sie eigentlich alle ehrenamtlich?

Bedingungslos geht sogar Menschenliebe

Nachgefragt bei Michael Bohmeyer, dem Gründer und Initiator des Projekts „Mein Grundeinkommen“

von ellen ahbe

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Mit der Bedingungslosigkeit des Einkommens ändern sich die inneren Werte.

MIChael bOhMeyer

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MB: Nein. Wir sind ein Team von 23 angestellten Mitarbei-tern. Die finanzielle Seite funktioniert auch besser, als ich das anfangs zu träumen gewagt hätte. Die 1.000 Euro für den ersten Gewinner hatten wir nach dreieinhalb Wochen erreicht. Dann ging es immer schneller. Inzwischen gehen bei uns circa 200.000 Euro Spenden pro Monat ein. Die eine Hälfte davon geht in die Grundeinkommen, die andere in den Verein.

EA: Da sich Ihr Projekt so prächtig entwickelt: Können wir jetzt optimistisch in rosige Zeiten blicken?

MB: Nein!

EA: Wo sehen Sie die größten Gefahren?

MB: Im Klimawandel, in der sozialen Spaltung und in der Digitalisierung. Viele leugnen ja bis jetzt die Digitalisie-rung und ihre Folgen. Es werden in Größenordnungen Jobs wegfallen. Früher ging es bei Automatisierung um die Ersetzung körperlich schwerer Arbeit. Jetzt wird sozu-sagen das Hirn digitalisiert. Da bleiben im Wesentlichen die „Herzberufe“ übrig, also was mit Care, Bildung und menschennaher Dienstleistung zu tun hat. Uns steht eine schwierige Transitionsphase in eine anders organisierte Gesellschaft bevor.

EA: Wagen Sie eine Schätzung, in welchen Zeiträumen wir hier denken müssen?

MB: Ebenfalls: Nein. Es handelt sich um exponentiel-le Entwicklung, die sich nicht voraussagen lässt. Aber wahrscheinlich findet sie schneller statt, als wir uns das denken.

EA: Vor diesem Hintergrund: Was halten Sie von den ak-tuellen Versuchen, das Rentenalter nach hinten zu ver-schieben oder die Wochenarbeitszeiten zu flexibilisieren und zu verlängern?

MB: Innerhalb der Denke des jetzigen Systems ist das zu verstehen. Dabei leben wir aber schon in einer Burn out-Gesellschaft. Wir haben es dabei im Kern übrigens nicht mit einem finanziellen oder mit einem objektiven Belas-tungsproblem zu tun, sondern mit einem emotional-psy-chischen. Sobald Sie selbst frei über Ihre Zeit verfügen – weil Sie eben bedingungslos abgesichert sind – können Sie in der einen Woche 120 Stunden arbeiten und, wenn Sie in der anderen Woche die Zeit dafür reif fühlen, sich einfach Urlaub nehmen. Unter solchen Bedingungen kann viel Arbeit viel Spaß machen.

EA: Da stellen sich natürlich Fragen: Wie kommen wir hin in die neuen Zeiten und wie finanzieren wir das?

MB: Die gegenwärtige Situation verursacht vielen zurecht Wut. Wut bringt uns aber nicht weiter. Die Kapitalisten sind immer die Stärkeren. Wir stärken sie selbst, weil wir ihr Wertesystem verinnerlicht haben. Deshalb müssen wir das Wertesystem ändern. Genau das kann mit bedingungs-losem Grundeinkommen gelingen. Es ändert das Klima der gesellschaftlichen Aushandlungen. Wir beobachten bei unseren Gewinnern, dass sie alles hinterfragen, dass der Konsum an Bedeutung verliert, dass sie auf friedvolle Weise repolitisiert werden. Katja Kipping nennt das bedin-gungslose Grundeinkommen eine „Demokratiepauschale“. Mit anderen Linken diskutiere ich immer wieder. Denen ist das alles nicht revolutionär genug. Irgendwie stimmt das sogar. Es geht um mehr als eine Revolution, es geht um eine Renaissance. In dieser Renaissance entstehen basale menschliche Fähigkeiten neu: Selbstvertrauen, Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Vertrauen in andere, Solidarität. Das sind alles Eigenschaften, die wir dringend brauchen, um mit den vor uns liegenden Problemen über-haupt umgehen zu können.

EA: Bleibt die Frage nach dem lieben Geld …

MB: Ohne eine radikale Umverteilung von oben nach unten werden wir die gerade genannten Zukunftsprobleme nicht lösen. Wir brauchen gleitende Übergänge. Noch sind die Steuertöpfe vergleichsweise voll. Wir müssen bald anfan-gen, das bedingungslose Grundeinkommen allmählich zum gesellschaftlichen Projekt zu machen. In naher Zukunft fallen ja viele Jobs und damit auch Steuern weg. Das wären dann schwierigere Voraussetzungen.

EA: Viel Erfolg weiterhin und vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen: www.mein-grundeinkommen.de

ellen ahbe ist Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.

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Früher ging es bei Automatisie-rung um die Ersetzung körperlich schwerer Arbeit. Jetzt wird so-zusagen das Hirn digitalisiert.

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Wollen wir verstehen, warum viele Menschen sich in der heutigen Zeit wie in einem Hamsterrad eingesperrt fühlen, muss man wissen, warum Zeit Geld ist und wie sich diese „Zeit-ist-Geld-Mechanik“ auf unsere Arbeitsbe-ziehungen auswirkt. Zeit ist Geld – wegen alldem, was der Buchhalter als Fixkosten bezeichnet. Fixe Kosten heißen fix, weil sie an die Uhrenzeit gekoppelt sind: Monatslöhne, Monatsprämien, Monatszinsen, Stundenlöhne und so wei-ter. Die Fixkosten sind gleichsam die Treibermechanik für das Hamsterrad, in dem wir alle mitrennen. Sie zwingen uns, dafür zu sorgen, dass punktgenau auf den Termin der fälligen Fixkosten genügend Einnahmen generiert werden, um diese Fixkosten bezahlen zu können. Und dieses Gene-rieren von Einnahmen hält uns dauernd auf Trab.

Betrachten wir nun die Fixkosten nicht statisch, sondern dynamisch als Geldfluss, dann erkennen wir, dass alle Fixkosten auf eine vertragliche Sozialpartnerschaft hin-weisen. Fixe Kosten fließen immer jemandem zu, der bei sich fixe Einnahmen verbucht. So begründen wir die Sozial-partnerschaft Arbeitgeber - Arbeitnehmer zum Beispiel über Monatslöhne. Was beim Arbeitgeber als Fixkosten anfällt, geht an fixen Einnahmen zum Arbeitnehmer. Und der angestellte Kulturschaffende muss mit diesem Geld wiederum seine privaten Fixkosten wie Miete, Leasingprä-mie, Krankenversicherung und so weiter decken können. Aus dieser Erkenntnis heraus kann man verstehen, was das Problem in Arbeitsbeziehungen ist. Jedem muss es gelingen, fixe Kosten und fixe Einnahmen so auszubalan-cieren, dass er (Geld)sorgenfrei lebt. Wer seine Fixkosten tief hält und hohe fixe Einnahmen hat, ist sorgenfreier, als wer keine fixen Einnahmen hat oder hohe Fixkosten. Deshalb versuchen alle, ihre Fixkosten tief und ihre fixen Einnahmen hoch zu halten. Liebe ich meine Arbeit oder finde ich keine besser bezahlte Arbeit, bin ich bereit, eine

unsichere oder prekäre wirtschaftliche Situation zu akzep-tieren. Gerade im kulturellen Bereich wird deshalb – wie im übrigen Unternehmertum – viel Gratisarbeit geleistet. Die Kultur- und Kunstschaffenden arbeiten oft aus purer Lebensfreude. Sie betrachten ihre Tätigkeit als Hobby und verausgaben sich – egal, was sie dabei verdienen. Diese Menschen haben eine gute Work-Life-Balance. Denn die Freude an ihrer Arbeit gibt ihnen keineswegs das Gefühl, ein schlechtes Leben zu führen, obwohl sie sehr viel ar-beiten. Was diesen Menschen jedoch fehlt, ist eine gute Time-Money-Balance. Im heutigen System stellt man viele Kulturschaffende vor die Wahl: Entweder folgst du deiner Leidenschaft oder du verdienst Geld. Es geht also bei der Suche nach gelingendem Leben darum, wie wir dafür sor-gen, dass Menschen ihre Leidenschaft und ihr Talent ohne finanziellen Nachteil ausüben können. Dies ist nicht nur für jeden Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes vorteilhaft. Denn wenn alle Menschen dort wir-ken können, wo ihre Talente liegen, wird auch die Wirt-schaft davon profitieren. Eine wirklich freie Arbeitswelt, welche den Titel „liberal“ verdient, muss allen Menschen eine gute Time-Money-Balance ermöglichen. Dem Banker, dem Sozialarbeiter, dem Landwirt, dem Hausmann und der Hausfrau. Alle Arbeit verdient eine existenzsichernde Entschädigung – auch die Kulturarbeit.

www.zeitag.ch

IvO MUrI, Unternehmer und Zeitforscher, ent-stammt einer Unternehmerfamilie, die Kirchturm-uhren und Glockenantriebe herstellt. Im Jahr 1994 gründete er die ZEIT AG, die in der Zentralschweiz vollintegrierte Soft- und Hardwarelösungen für Zeitwirtschaft und Zutrittsmanagement entwickelt.

Als Ivo Muri feststellte, dass die Menschen in den Unternehmen zu-nehmend Zeitprobleme beklagten, die man mit Software alleine nicht lösen kann, gründete er im Jahre 2002 das Institut Zeit & Mensch. Hier erforschte er das Wissen über die Instrumente der Zeitmessung und Zeitplanung, den Sinn, aus dem diese entstanden sind, und wie man sie sinnvoll anwendet. Das einzigartige Zeitwissen bietet Lösungs ansätze zu Fragestellungen rund ums Thema Zeit.

Time-Money-Balance statt Work-Life

Kulturschaffende leben oft in wirtschaftlicher Unsicherheit. Sie müssen wählen zwischen Geld oder Leben – nicht zwischen work und life, wie wir gemeinhin annehmen. Aus Leidenschaft wählen sie oft das sinnstiftende Leben, verzichten aber auf Geld. Insofern unterscheidet sich der leidenschaftliche Kultur- und Kunst-schaffende in keiner Weise von anderen Unternehmern. Mit dem Unterschied, dass das, was in anderen Berufen bezahlte Arbeit ist, im Kulturbereich oft unbezahlte Arbeit oder so genannte Freiwilligen-arbeit ist. Muss das so sein? Oder können wir das dauerhaft verändern? Ist eine Arbeitswelt denkbar, in der alle Menschen aus Freude ihr Talent ausüben dürfen, ohne dabei verarmen zu müssen?

von IvO MUrI

Entweder du folgst deiner Leiden-schaft – oder du verdienst Geld.

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Seit Wochen warte ich auf den Anruf der Tischlerfirma, die mein Fenster reparieren soll. Samstagmittag ist jemand, der mit mir den Termin absprechen will, auf dem Anrufbe-antworter. Ich rufe zurück, er erklärt, dass er das Aufmaß nur abends oder am Wochenende machen kann, da er in der Woche tagsüber mit Montagearbeiten beschäftigt ist. Ob er Sonntag um 11.30 Uhr vorbeikommen kann, ich könne ihn auch noch bis 22 Uhr zurückrufen.Vor drei Tagen hatte ich eine DHL-Benachrichtigung im Briefkasten, das Päckchen wurde im Haus schräg gegen-über abgegeben. Als ich endlich am Sonntag jemanden zu Hause antreffe, erklärt man mir, dass der Zusteller es den Sonntag zuvor gebracht hat, da hat der Kiosk mit DHL an der Ecke geschlossen. Die Zusteller kämen nicht mehr hinterher und müssten daher auch sonntags zustellen.In den Nachrichten höre ich, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland leicht angestiegen ist, auf 2,545 Millionen. Irgendwie fühlt sich das absurd an. Zusteller und Handwer-ker sind komplett überfordert, aber die Arbeit verteilen, mehr Menschen einstellen, zu besseren Bedingungen, das geht nicht?

Dagegen lebe ich privilegiert, aber prekär! Auch selbstbe-stimmt – dennoch getrieben. Ich war immer tätig – aber habe ich gearbeitet?Hört ihr auch diese innere Stimme, die einen gern heim-sucht, wenn alles irgendwie zu viel wird, man sich unfähig fühlt: Du musst nur mehr arbeiten oder den richtigen Job finden, den inneren Schweinehund überwinden, immer schön fleißig sein und endlos so weiter, denn: Du bist dei-nes Glückes Schmied! Und: Nur wer arbeitet, soll auch essen!So wahr und doch so falsch! Bei der rasanten Erschöpfung unserer Ressourcen und der buchstäblichen Vernichtung der Erwerbsarbeit durch falsch verstandenes Wachstum – 80 Prozent aller Industrieprodukte werden nur einmal oder keinmal benutzt – worin besteht da das Glück, wenn du kein Geld verdienst? Du wirst konsumunfähig, arbeitslos, obdachlos, alles deine eigene Schuld?

Wenn du ein bedingungsloses Grundeinkommen hättest, was würdest du dann tun? Du könntest tatsächlich deines Glückes Schmied*in werden. Denn du wärst nicht mehr gezwungen, deine Lebenszeit zu Dumpingpreisen auf dem

„freien“ Markt zu verhökern! Du könntest tief durchatmen, dich umschauen, herausfinden, was Glück für dich und deine Mitmenschen überhaupt bedeutet!

Ein Großteil meines Glücks besteht in Freundschaften, Lie-be und einem Gefühl der Zugehörigkeit. Allgemein kann man erkennen, dass der Großteil erfolgreicher Musik und Literatur genau davon handelt. Dafür brauchen wir Zeit, die wir miteinander verbringen. Diese können wir auch sehr tatkräftig gestalten, uns gegenseitig helfen, lernen, Kunst schaffen oder gemeinsam etwas aufbauen, was uns noch glücklicher macht. Jenseits des Profitdenkens ist eigentlich genug für alle da!Deswegen bin ich privilegiert – weil ich die letzten 18 Jah re in einem soziokulturellen Zentrum genau das leben durfte. Allerdings auch prekär – weil das eben nicht extra bezahlt wurde und häufig mit Unsicherheit und Knappheit einher-ging. Selbstbestimmt, aber getrieben – weil der Lebens-unterhalt in solchen Verhältnissen zeitaufwendiger ist und das Tätigsein oft gefährlich an Überforderung grenzte.

Wenn es tatsächlich einen politischen Willen zur mündigen Demokratie und besseren Bildung gibt, dann räumt den Künstler*innen und Kulturschaffenden die Steine aus dem Weg, bezahlt alle Personen anständig, die Dienst am Men-schen leisten und gebt ihnen Raum! Vielleicht fällt dann die Wahl nicht mehr unter die Wölfe!

KrISTIne SChüTT ist freiberufliche Musi-kerin. 2004 gründete sie die tRaumstation, Musikprojekt und freie Musikschule im RAW-tempel in Berlin-Friedrichshain. Sie engagiert sich für die Entwicklung des RAW-Tempel als soziokulturelles Zentrum.

MEINUNG

Nur wer arbeitet, soll auch essen?

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Ein gut gepflegter Opa lässtsich nicht verkaufen

Interview mit Johannes Daniel Dahm

Johannes Daniel Dahm engagiert sich in der Friedens- und Ökologiebewegung. Er studierte Geografie, Biologie und Ethnologie und befasst sich mit Überschneidungen der ökonomischen, räumlichen und kulturellen Dimen- sionen von Gesellschaften. Er tritt für einen kulturellen und ökologischen Wandel ein und prägte den Begriff urbane Subsistenz. Er sucht nach Ansätzen und Perspek- tiven einer Tätigkeitsgesellschaft, in der sich Erwerbs- und Subsistenzwirtschaft produktiv ergänzen.

von KrISTIne SChüTT

KS: Du bist international mit vielen Wissenschaftlern, Un-ternehmern, politischen Akteuren und Künstlern, die in der Nachhaltigkeitsbewegung Rang und Namen haben, in engem Kontakt. Aber du bist ihnen ein kritischer, ein unbequemer Begleiter.

JDD: Zu oft werden hier im Kern konservative, defensive Strategien verfolgt. Man will im Prinzip so weiter machen wie bisher, nur ein bisschen weniger schädlich. Das genügt aber nicht. Wir müssen nützlich werden. Wir müssen unse-re Lebensgrundlagen nicht langsamer zerstören, sondern sie sanieren. Ich spreche auch von Lebensdienlichkeit statt von Nachhaltigkeit.

KS: Wir beobachten seit Monaten, wie sich Naturschützer und Kohlekumpel gegenüber stehen. Arbeitsplätze und Umweltschutz sind hier unvereinbare Gegensätze. Mit der Begründung „Arbeitsplätze!“ dürfen zum Beispiel Automo-bilkonzerne betrügerisch und gering gestraft Klimaziele unterlaufen.

JDD: Das ist eine typische Situation, wie sie die gegenwär-tige Erwerbswirtschaft hervorbringt. Dabei geht es um viel mehr als nur um Arbeitsplätze. Die ganze Erwerbsarbeits-gesellschaft legitimiert sich aus den Wohlfahrtsleistungen, die durch die Erwerbsarbeit ermöglicht werden. Das sind auch Straßen, Schulen, Sozialleistungen oder der Natur-schutz.Damit sie funktioniert, braucht die Erwerbswirtschaft ein mindestens stabiles, in der Regel aber ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (um Produktivitätszuwächse und Inflation ausgleichen zu können). Die Gewinne werden dabei in Finanzkapital überführt und privat akkumuliert, die entstehenden Schäden an Natur und auch Gesellschaft, an unseren Gemeingütern und gemeinsamen Lebens-grundlagen oder in unserem persönlichen Leben werden externalisiert, also ausgelagert. Das wiederholt sich auf immer höherer Stufe. Unsere Lebensgrundlagen sind aber

auch die Produktionsgrundlagen. Indem die finanzkapit-algesteuerte Wirtschaft sie auszehrt und zugleich durch die Akkumulation von Kapital bei wenigen immer mehr Teilnehmer des Marktes verdrängt, zerstört sie also auch ihre eigenen Voraussetzungen. Man kann sagen, dass der Finanzkapitalismus das Gegenteil von Marktwirtschaft ist und zudem Nachhaltigkeit unmöglich macht.

KS: Ein tödlicher Teufelskreis.Vor fast genau zwei Jahren hast du einen längeren, dichten Text verfasst. Darin prangerst du die Schäden an, die wir bereits angerichtet haben: Global Overshoot, Überschrei-tung der Biokapazität, Dürre, Stürme, Armut, Kummer, Wut, Gewalt … Du hast den Text „Spring ins Leere“ genannt. Das ist natürlich keine Aufforderung zum Selbstmord, sondern die Ermutigung, sich ins Unbekannte zu wagen. Du sagst: „Es ist nicht so, dass wir weiter scheitern müssen. Es ist nicht so, dass der Planet besser ohne Menschen wäre.“ Also traust du uns zu, dass wir die Logik der Erwerbsar-beitswirtschaft überwinden. Was ist dazu nötig?

JDD: Mein sehr lieber Freund, der Physiker und Alternative Nobelpreisträger Hans Peter Dürr formulierte einmal ge-genüber einem Journalisten: „Mich interessieren nicht dei-ne Ängste und mich interessieren nicht deine Sorgen. Mich interessiert, ob du den Mut hast, lebendig zu sein.“ Das ist es, worum es geht: das Lebendige, das Virile, Wirksame und mit anderen Co-Agierende. Wir haben zuerst darauf zu antworten, was dem Lebendigen nützt und was ihm schadet. Bislang, wie gesagt, werden die in der Erwerbs-wirtschaft anfallenden Schäden externalisiert. Wir müssen sie internalisieren, sie in unsere Wertschöpfungsprozes-se einbeziehen. Dann wäre der industriell erzeugte Apfel 1212

JOhanneS danIel dahM

Das ist es, worum es geht: Das Lebendige, das Virile, Wirksame und mit anderen Co-Agierende.

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Ein Wohlstandssystem, das sich selbst die Lebensgrundlage ent-zieht, ist zum Scheitern verurteilt.

mindestens ebenso teuer wie der im kleinbäuerlichen, ökologischen Anbau geerntete. Unsere Lebensgrundlagen erweiternd statt vernichtend arbeiten können wir dann, wenn wir Nutzen externalisieren. Das bedeutete auch, dass die Wirkungen der Produktion und Tätigkeiten auf die Gemeingüter justiziabel sein müssten. Bislang steht zwar die Gemeinwohlverpflichtung des Privateigentums im Grundgesetz. Einklagen kann man sie aber nicht. Im Unterschied zu Vergehen gegen Privateigentum.

KS: Was sind dann aus deiner Perspektive zukunftsfähige Berufe?

JDD: Solche, die sich über den biografischen Verlauf ändern, die dazu helfen, dass andere mit mir co-agieren können, dass die Lebendigkeit anderer gefördert wird. Ich selbst würde nie etwas als einen Beruf betrachten, sondern als eine Wahl zu etwas, zu dem man sich im Moment berufen fühlt. Das kann der Bau eines Tisches sein, an den andere sich setzen möchten, das kann sein, jemanden zu unter-richten oder zu pflegen. Diese Tätigkeiten sollten in die Gemeinschaft gerichtet sein und ihre gesellschaftliche An-erkennung nicht daraus ziehen, dass sie in „Berufsform“ als Schrauben und Scharniere der Erwerbsarbeitsgesellschaft fungieren. Ein Wohlstandssystem, das darauf beruht, dass es sich selbst die Lebensgrundlage entzieht, ist zum Schei-tern verurteilt. Wir brauchen ein völlig anderes Paradigma.

KS: Wenn ich, ganz konkret, jungen Menschen dabei helfe, ein Musikinstrument zu erlernen, dann helfe ich ihnen, ihre Potenziale zu entfalten. Mit deinen Worten: Ich wirke in die Gesellschaft – wie auch viele andere, aber für be-scheidenes Honorar.

JDD: Weil fast alles an den monetären Maßstäben der Erwerbswirtschaft gemessen wird. Viele halten die Pfle-ge eines Opas für eine nützliche Tätigkeit. Aber ein gut gepflegter Opa lässt sich nicht verkaufen. Deshalb wird Pflege schlecht bezahlt.

KS: Es scheint so, als hätten wir noch einen weiten Weg vor uns. Was sind aus deiner Sicht sinnvolle erste Schritte?

JDD: Zum Beispiel eine Änderung des UWG, also des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, kombiniert mit einer Pflicht zur Erhaltung der Gemeingüter im Bür-gerlichen Gesetzbuch. Wenn ein Unternehmen Schäden auslagert, die es nicht selbst kompensiert, sondern der Gesellschaft aufbürdet und sich so einen Wettbewerbs-vorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft, dann müssen diese dagegen klagen können. Es macht dabei im Prinzip keinen Unterschied, ob es sich um die zu geringe Rente einer Discount-Verkäuferin handelt, die dann durch Sozi-altransfers ausgeglichen wird, oder um die Lagerkosten für atomare Brennrückstände.KS: Leicht wird es jedenfalls nicht. Woher nimmst du dei-nen Optimismus?

JDD: Aus dem Wissen um die Evolution, um die Kraft des Lebendigen. Sieh dir eine Straße an oder eine Ruine, um die sich kein Mensch mehr kümmert. Sie sind nach kurzer Zeit wieder bewachsen. Das Lebendige findet Bedingungen vor, geht damit um, durchdringt sie und vervielfacht sich.

KS: Danke für das Gespräch.

www.danieldahm.de

KrISTIne SChüTT ist Musikerin und Musiklehrerin in Berlin.

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Vom Glücksfaktor in der Soziokultur

Aktive zu ihrer Arbeit in sozio-kulturellen Zentren

Eigene Ideen umsetzen, mit Menschen zusammen sein, Feedback bekommen, Wirkungen spüren ... Es gibt viele Gründe, um in der Soziokultur zu arbeiten, sich zu engagieren und zu bleiben – trotz stressiger Phasen und finanzieller Nachteile im Ver-hältnis zu anderen Berufen. Viele Aktive erleben ihre Tätigkeit in der Soziokultur als sinnstiftend und beglückend.

Loretta BösVorstand, Kulturkreis Offenburg e.V.

Seit 1983 bin ich ehrenamtlich im Vor-stand vom Kulturkreis Offenburg e.V. Neben Hochkultur und Diskotheken wollten wir eine Alternative schaffen. Wir begannen mit Open-Air-Veranstal-tungen. Nachdem wir eine feste Bleibe hatten, lockten wir das Publikum mit Konzerten, Filmen und Ausstellungen in unser Haus. Mittlerweile machen wir Musikprojekte zur Nachwuchsför-derung. Das bunte Treiben bei Veran-staltungen macht mir Spaß. Auf der Strecke bleibt das eigene spontane Freizeitverhalten.

Sigrid NiemerMitbegründerin und Vorstand, Internationa-les Kultur Centrum ufaFabrik e.V.

Mein Engagement in der Soziokultur ist und war stets purer Eigennutz: Die Neugier auf das, was in mir steckt und die Neugier auf andere, auf Lebens-geschichten und Potenziale, die sich entfalten können, wenn die passenden Bedingungen dafür geschaffen sind. Aus Berufung wurde Beruf, mein Alltag ist seither extrem kurzweilig und stets in Bewegung! Menschen machen et-was gemeinsam und doch bleibt die Individualität des Einzelnen erlebbar, - das ist nicht immer einfach, macht aber glücklich.

Olga Suin de BoutemardGeschäftsführerin, Nienburger Kulturwerk

Soziokultur ist für mich lebensbeglei-tend; bedeutsam gerade in Zeiten des Umbruchs. Wenn es mir schwer fiel, mich zu definieren, hat mich die kul-turelle Teilhabe geerdet. Schon immer haben Menschen versucht, mit Kultur den Schlüssel zur Erkenntnis zu finden. Eine Kulturarbeit, in deren Mittelpunkt der Dialog und die Auseinandersetzung stehen, entspricht meiner Vorstellung eines humanen und sinnstiftenden Menschen- und Gesellschaftsbildes, das auch in Zeiten des Wandels stark macht.

Thomas BuschGeschäftsführender Vorstand, Stiftung Fabrik für Kultur und Stadtteil, Düren

In der Hochkultur stehen die Künstler, die Werke und das Publikum im Mittel-punkt. In den soziokulturellen Zentren ist der Weg das Ziel: Wir ermutigen Menschen, selbst einen künstlerischen Prozess zu verfolgen und stellen Zeit und Rat, Raum und Technik bereit. Aber nicht nur die Aufführung zählt – die Wochen davor, in denen sich zum Beispiel die Schülertheater-AG oder Seniorentanzgruppe zwanglos selbst erproben konnte, sind für unsere Nut-zer das eigentliche Erlebnis und für uns der Sinn unserer Arbeit.

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Fabio GorchsMitarbeiter, Vorderhaus Ringlokschuppen, Mülheim an der Ruhr

Kulturarbeit vereint mein eigenes Freizeitverhalten mit der Arbeitswelt. Sie bedeutet für mich Nähe zu den Künstler*innen und zu unseren Besu-cher*innen. Unser Programm endet nicht mit dem Fall des Vorhangs auf der Bühne: Anschließende Gesprä-che in Auseinandersetzung mit dem Bühnengeschehen schaffen neue Ideen. Nur Kultur bringt Menschen zusammen, die in anderen Kontexten niemals aufeinander getroffen wären. Genau das liebe ich an meiner Arbeit.

Ulrike BrinkKooperative Leitung/Kulturmanagement Stadtteilzentrum Nordstadt e.V./Bürgerschule

Menschen zu ermutigen, Inhalte selbst zu bestimmen, positive Reaktionen und Veränderungen im sozialen Miteinan-der wahrzunehmen: Das alles macht Spaß, gibt Befriedigung und macht glücklich – trotz aller Widrigkeiten. Seit 30 Jahren arbeite ich in der Sozio kultur – als Ehrenamtliche und Vereinsgrün-derin, als ABM- und Honorarkraft, als Festangestellte. Trotzdem: Meine Rente wird miserabel aussehen. Keine Ahnung, wie ich dann über die Runden kommen werde.

Alex OmbeckEuropäische Projektwerkstatt Kultur im ländli-chen Raum e.V., Unterweißbach

Eigentlich „waren“ wir schon lange So-ziokultur; darauf aufmerksam gemacht wurden wir aber erst von außen. Und nun sind wir das seit vielen Jahren richtig gerne. In dieser Zeit ist mein Einkommen gesunken und mein Ar-beitsaufkommen gestiegen. Trotzdem dürfen wir uns Alex Ombeck als glück-lichen Menschen vorstellen, der es als Privileg und Glück empfindet, gemein-sam mit vielen lieben Menschen die Welt da draußen manchmal vergessen zu dürfen, um ganz und gar im Projekt zu leben.

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Sonja EnglerGeschäftsführerin, Zinnschmelze, Hamburg

Mir ist wichtig, mich in Strukturen zu bewegen, die auf Wertschätzung und solidarischem Handeln beruhen, die Möglichkeitsräume eröffnen und Kul-turarbeit mit gesellschaftspolitischem Bewusstsein verbinden. Selbstbe-stimmter Arbeitsalltag, Konzepte schmieden ohne Festlegung auf ein einzelnes Genre, der multiperspekti-vische Blick auf die Themen, die im Quartier, in der Stadt, gesamtgesell-schaftlich anstehen – sind nur einige Aspekte, die Spaß bringen und meinen Tätigkeiten Sinn geben.

Thomas OestereichLeiter, Initiative Mach Musik, Potsdam

Soziokultur ist die Bühne für meine sozialpädagogische Arbeit. Mit ihr können wir nachhaltige Projekte freier musikalischer Bildung umsetzen. So-ziokultur vereint für uns alles, um das Erleben und Gestalten von Musik für viele Menschen möglich zu machen. Hier finden wir Lösungen für Angebot und Nachfrage in Bereichen der Nach-wuchsförderung, die anderswo fehlen. Soziokultur ist für mich somit essen-tiell, um sämtliche kreative Potenziale von Gestaltenden und Teilnehmenden freisetzen zu können.

Annette LoersGeschäftsführerin, Kulturzentrum Merlin, Stuttgart

Soziokultur ist für mich die perfekte Möglichkeit, politisches Engagement und Leidenschaft für die Kultur zu verbinden: beraten, vernetzen, Räume schaffen, Künstler fördern, Veranstal-tungsformate erfinden. Schon immer ist die Verbindung von gesellschafts-politischen Inhalten mit kulturellem Genuss mein Ziel. Deshalb gucken zum Beispiel die Kleinen beim public viewing die Sendung mit der Maus, während die Eltern nebenan über Fa-milienkolumnen lachen und über Fe-minismus in der Erziehung diskutieren.

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Angelika Janz Leiterin, KinderAkademie im ländlichen Raum, Ferdinandshof

Soziokulturelles Tun als geerdete kul-turelle Basisarbeit ist für mich allein in der lebendigen Verbindung von Kopf, Hand und Herz möglich, wo immer ich bin. Kulturelle Basisbildung im ländli-chen Raum: Sie ist nicht fünftes Rad am Wagen der Wissensgesellschaft, sondern Luft in allen Reifen. Sie ist ein wichtiger Weg, um die Wahrnehmung zu schärfen, Herzensbildung und kom-munikative Kompetenz zu fördern, ge-nau hinzuschauen, um einen Überblick zu gewinnen über die Komplexität un-serer Wirklichkeit.

Roland GoldackM.A., Werkstatt, Kassel

Den gesellschaftspolitischen Diskurs mitzugestalten, Soziales mit Kulturel-lem synergetisch zu verknüpfen, ist für mich durchaus ein Stück Selbst-verwirklichung. Auch politisch enga-gierte Projekte, Urban Gardening, Lite-raturförderung, die Möglichkeit sozial wirksam zu werden und dem Stadtteil Lebendigkeit einzuhauchen, sind ein wichtiger Antrieb. Lieber Selbst- als Fremdausbeutung, aber für eine gute Sache. Aktuell dürft das wohl wieder sinnhafter sein denn je.

Nadine SchefflerProjektleiterin, Quartier gGmbH, Bremen

Soziokulturelle Projektarbeit ähnelt ei-ner Reise, auf die man sich miteinan-der begibt, immer mit einem neuen Ziel vor Augen. Kein Tag und kein Projekt gleicht dem anderen. Über das kreati-ve Arbeiten kommen unterschiedliche Leute zusammen, die sich gegenseitig inspirieren. Das finde ich spannend und wertvoll. Ich bin künstlerisch ak-tiv und kann meine Interessen einbrin-gen. Wenn ich sehe, welche Ergebnisse entstehen und welche Wertschätzung die Mitwirkenden bekommen, freue ich mich jedes Mal aufs Neue.

Jochen MolckLeiter, Kulturzentrum zakk, Düsseldorf

Ich arbeite gerne in der Soziokultur, weil es im Prinzip ein Traumjob ist. Spannende ästhetische, aber vor allem auch gesellschaftspolitische Fragen, oft interessante Künstler*in-nen, viele Gestaltungsmöglichkeiten, Freiräume und Kontakte über Grenzen hinweg. Flexible und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen, was will frau/man mehr… naja, manchmal eine etwas bessere Ausstattung an Arbeitsmitteln, eine leistungsgerechtere Bezahlung und jeden Tag einen Strauß frische Blumen auf dem Tisch.

Jean-Martin SoltVorstand, transcultur e.V., Trier

Soziokultur ist für mich die Freude, gemeinsam mit einer Vielfalt von Menschen verrückte kreative Träume in konkrete Projekte umzusetzen und dabei auch noch gesellschaftlich mit-zumischen. Zudem: Unter rein soziolo-gischen Gesichtspunkten hätte ich nie werden können, was ich jetzt bin, hatte aber das Glück, in den entscheidenden Momenten den richtigen Menschen zu begegnen. In der Soziokultur kann ich meinerseits der richtige Mensch im richtigen Moment für den einen oder anderen sein – hoffe ich!

Jacqueline Brösicke Geschäftsführerin, Volksbad Buckau

Ich mache diese (bezahlte) Arbeit als Geschäftsführerin jetzt schon seit mehr als zehn Jahren. Warum? Weil wir ganz viel zurückkriegen, nämlich tolles Feedback nach Konzerten und von Gruppen, die hier im Haus ihren Platz haben. Wir können sehen, dass das in der Gesellschaft viel oder zu-mindest einiges bewegt. Wir fördern vor allem Frauen und Mädchen. Frau-en sind in der Kunst und Kultur immer noch unterrepräsentiert - vor allem als Macherinnen. Auch das ist eine Moti-vation: da etwas zu ändern.

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„Besser arm dran …

… als Arm ab“ heißt: Glück ist relativ. Falls Sie es noch nicht sind, könnten Sie sich also durch-aus wünschen, lieber arm zu sein. Manche Top-journalisten und Politiker warnen allerdings: Das wird nicht leicht. Deutschland geht es prächtig wie nie. Wer leidlich bei Trost ist, denken zum Beispiel die Liberalen und ein CDU-Kronprinz, der kann kaum arm und ärmer werden. Wenn‘s aber ein Reicher nun unbedingt sein will, arm? Soll er Steuern zahlen? Igitt! Welch gefährliche Grauzone der Legalität. Ab einer gewissen Grenze sind aktuell ja bereits mäßige Steuerabführungen illegal. Es sind obendrein Akte blanker Unmenschlichkeit. Schließlich verbergen sich hinter der irreführen-den Bezeichnung „Paradise“ Gegenden bitterer Bedürftigkeit. Wer als absolut Reicher den Nie-derlanden oder der Isle of Man aus der Patsche helfen will, der muss als Nachteil hinnehmen: Sein absoluter Reichtum wächst weiter. Möchte er dennoch das Glück des relativen Reichtums erfahren, das ihn der Armut näher bringt, kann er sein Vermögen ja immer noch verschenken.

Sie haben kein Geld zu verschenken? Nicht so schlimm. Gehen Sie einfach arbeiten. Im Lauf der Jahre, spätestens im Rentenalter werden Sie schon arm werden. Unterwegs machen Sie am besten viele Überstunden. So kriegen Sie Ihren realen Stundenlohn runter. Arbeiten Sie in der Pflege oder in der Soziokultur, dann sehen Sie dauernd Leute, denen es schlechter geht als Ih-nen. Der Vergleich soll zufrieden machen. Auch die kleinen schwarzen Afrikaner, die ständig in Elektroschrott puhlen, können Ihnen persönliche Zufriedenheit bringen. Genießen Sie das. Sie dürfen Egoist sein. Im Unterschied zu vielen Ma-nagern und Politikern. Von denen wird der Blick nach den oberen Rankings verlangt. Sie müssen hohe Saläre aushandeln und Diäten beschließen. Andernfalls würden sie ja nichts Gutes leisten.

Merde!,schnaubtIhre Friede Nierbei

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Verena BäumlerMitarbeiterin für Programm, E-WERK, Erlangen

Kulturarbeit ist immer auch eine per-sönliche Gratwanderung. Die eigene Freizeit liegt auf der einen Seite der Waage, die Bedürfnisse Ehrenamtlicher auf der anderen. Kulturarbeit verlangt Flexibilität, sie bietet diese aber auch. Beide Waagschalen wiegen mal schwe-rer, mal leichter. Es ist nur wichtig, dass sie in Bewegung bleiben. Oft ist Stress bis zum Beginn einer Veranstal-tung, aber solange am Ende ein zufrie-denes Lächeln auf beiden Seiten steht, weiß ich, dass ein „dicker Geldbeutel“ dies nicht aufwiegen könnte.

Bettina Kalisch Leiterin, Kulturbörse Gnoien

Der Schritt ins Ungewisse – nur noch selbstbestimmt arbeiten und eigene Ideen verwirklichen.13 Jahre gehe ich mit Freude zur Arbeit, widme mich der Theater-Leidenschaft, die keine Leiden schafft. Nun kann ich: meine unerschöpfliche Kreativität ausleben, sinnerfüllt Neues erfinden, menschlich, wertvoll, abseits von Konsum; politisch aktiv sein, ohne Politik zu machen; Kul-tur aufs Land bringen; Veränderungen in Herz und Hirn bewirken. Gewiss, reich wurde ich nicht dabei, aber reich-lich belohnt.

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hingezogenJährlich am 11.11. hat Lars Grund zum Feiern. Sein

Geburtstag fällt vorsehungsgemäß auf dieses Datum, aber nur ein wenig. Zwar spielt Lachen in seinem Leben eine größere Rolle, doch Karneval ist etwas ganz anderes. Nachdem er in Hannover aufgewachsen war und dann Ge-schichte, Germanistik und angewandte Theaterwissen-schaften studiert hatte, las er in Theater heute, dass ein Dresdner Kabarett ein Mitglied suchte. Jemand war schnel-ler als er, doch eine Woche später riefen die Magdeburger Kugelblitze bei ihm an und engagierten ihn.

welcome to CabaretAls Lars 1994 in seiner neuen Heimat eintraf,

kannten sich die Einwohner*innen in ihrer eigenen Stadt kaum noch aus. Die 30.000 Arbeitsplätze des Schwer-maschinenbau-Kombinats SKET waren so gut wie weg, die 7.000 des Magdeburger Armaturenwerkes auch. Die offizielle Statistik stellte eine Arbeitslosigkeit von etwa 20 Prozent fest. Nach ihrem 1990er Spitzenergebnis flog zum Dank die FDP aus dem Landtag wieder raus. Dafür begann sich die extreme Rechte zu organisieren. Ihr Nährboden erregte zu Himmelfahrt 1994 bundesweites Aufsehen. Da rannten in Magdeburg fünf Schwarzafrikaner um ihr Leben. Mehr als 50 Skinheads und Hooligans jagten sie. Ein Taxi mochte nicht beim Fliehen helfen. Die Afrikaner hatten Polizisten als Zuschauer*innen und der nächste McDonald versperrte ihnen die Tür. Erst in einem türki-schen Restaurant fanden sie Schutz – um den Preis der Einrichtung. Nein, nein, sprach dazu der damalige Poli-zeipräsident, das waren keine Neonazis, das waren die

Hitze und der Alkohol. Obwohl zwei Jahre zuvor sechzig bewaffnete Neonazis zwei Punker totgeschlagen hatten. „Das hat mich erschreckt. Es war richtig gefährlich“, sagt Lars. Schlechte Zeiten für die Leute sind gute Zeiten für böse scharfe Texte. In Magdeburg finden viele Kabaret-tisten Publikum und Leben. Man kann es auch die Kaba-rett-Hauptstadt von Sachsen-Anhalt nennen.

lachen und ernstnehmenLars zog mehr als 20 Jahre lang mit den Kugelblitzen

das große Ganze durch den Kakao. Inzwischen führt er in den Reihen LARS WARS und Magdebürger Nachschlag Solo-programme auf. Jeweils einmal monatlich im Moritzhof. Ihm liegen die Menschen am Herzen und die Gesellschaft, die sie zusammen bilden. Wenn über die richtigen Dinge an der richtigen Stelle gelacht wird, entsteht daraus Kraft. Die kunstvoll geschaffenen Pointen machen den geringeren Teil seines Engagements aus. Er hinterlässt seine Spuren als Projekt-Koordinator in der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Sachsen-Anhalt, als Vorstandsmitglied der Kul-turkonferenz Sachsen-Anhalt, als Vereinsvorsitzender und Moderator des Offenen Kanals Magdeburg und nicht zuletzt seit 2010 als Vorsitzender von ARTist!, des Vereins, der das Kulturzentrum Moritzhof trägt.

Oase zum ersten und zweitenDer Moritzhof heißt Hof, weil er früher tatsächlich

ein Bauernhof war. Wo gibt es das schon: mitten in einer Großstadt einen als solchen noch gut erkennbaren Bauern-hof? Mit seinem von hohen Laubbäumen beschatteten In-nenhof fällt er als Oase ins Auge. Wegen mangelnder Kauf-

Karneval ist andersIn Magdeburg-Neustadt treffen Fragen von Arbeit und Armut wie im globalen Brennglas aufeinander. Damit setzt sich Lars Johansen auf der Bühne und als Vereins-vorsitzender des ARTist e.V. im Moritzhof auseinander.

von edda rydzy

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kraft schweigt die nahe gelegene Hauptstraße laut. Mit Ausnahme von Mäc-Geiz, einem Haarstudio, einer Spiel-halle, einem Bäcker und einem kleinen Italie ner wird sie von Händler*inen und Gastronom*innen gemieden. Man braucht hier den Moritzhof als niedrigschwellige kulturelle Oase dringend. Der Stall und die Scheune, die Hofgalerie und das Theater unter´m Dach warten mit einem dichten Programm auf: Kino für Kinder, Kino für Familien, OmU und cineastische Spezialitäten, für die die Besucher*innen von weither angereist kommen. Dazu täglich mindestens eine Veranstaltung – Kabarett, Lesungen, Konzerte und Dis-kussionen. Vor gar nicht langer Zeit waren es noch 20.000 Besucher*innen, die pro Jahr in den Hof kamen. Die Zahlen steigen stetig. Sie sind inzwischen bei 40.000 angelangt.

viel arbeitIm Moritzhof gibt es keine Ruhetage. Lediglich von

kurz vor Weihnachten bis kurz nach Neujahr leistet er sich sozusagen Hofferien. Mehr als einhundert Besucher*innen im Tagesdurchschnitt fordern vom Kartenverkauf über Or-ganisation, Planung, Abrechnung bis zur Öffentlichkeits-arbeit und Pflege der Website einiges. Vieles leisten die Vereinsmitglieder ehrenamtlich, zeitweise helfen FSJler*in-nen oder BuFDies. Der Hauptstress hängt an den beiden Angestellten: dem Geschäftsführer Christoph Hackel und an Andrea Studte, der Frau für alles. Sie arbeiten beide bis zu sechzig Stunden in der Woche und bekommen Gehalt für dreißig. Nachdem Sachsen-Anhalt die nationale Arbeitslosensta-tistik lange anführte, zeigt sich seit zwei drei Jahren eine Trendwende. In den ersten zwölf Nachwendejahren verlor Magdeburg mehr als 60.000 – reichlich ein Fünftel – seiner Einwohner*innen. Seit 2013 nimmt die Bevölkerung spürbar wieder zu. An der Soziokultur ging die deutsche Hochkon-junktur bislang vorbei. Der Verein hofft, die Situation der Angestellten ab 2018 verbessern zu können. Magdeburg bewirbt sich als Kulturhauptstadt Europas 2025. Das bringt zusätzliches Geld in die Kulturtöpfe und öffnet Wege.

Oase zum drittenAls die ersten OmU im Stall liefen, entschieden die

Zuschauer*innen hin und wieder, lieber doch den deut-schen Ton zu hören. Das taten sie einmal bei einem is-ländischen Film. Da kam ein Isländer herein. „Wie schön, isländisch hören!“, jubelte er. Die Zuschauer*innen ent-schieden sich sofort für seine Sprache. Die Welt im Haus macht manchem Spaß. Aber bei Weitem nicht jedem. Bei der letzten Landtagswahl fiel der Wahlkreis Magde-burg-Neustadt an den AfD-Kandidaten. Hier leben viele Verlierer*innen von Wende und Globalisierung. Weil es sowieso eine dürftige Gegend ist, wies die Stadt mehreren aus Rumänien zugezogenen Roma-Familien zwei Blocks in der Neustadt zu. Die zuständige Sozialarbeiterin findet das Innere dieser Blocks sauber und ordentlich vor. Das hilft nicht viel. Außen bieten sie ein Bild der Verwahrlosung. Die Eigentümer der Blocks sind Vermögende aus Bulgarien und Griechenland. Sie wollen nicht sanieren, sondern schnelles Geld. So halten sich Vorurteile. Der sozialpolitische Sprecher der AfD lässt öffentlich wissen, dass er seine „Notdurft gern an einer Moschee“ verrichten möchte. Ihr Vorsitzender stellt „Geschwüre am Volkskörper“ fest. In einer solchen Umgebung kann die Demokratie Kraft aus der Oase Moritzhof schöpfen. „Wenn man eine Gesellschaft der gegenseitigen Akzeptanz möchte, dann muss man das vorleben“, sagt Lars. Der Ver-ein und er selbst tun es. Sie laden regelmäßig Geflüchtete zu gemeinsamem Kino und Gespräch ein. Womöglich tref-fen die Gäste auf das Publikum, das gelegentlich zu preis-wertem Bier und Public Viewing in den Innenhof kommt. Das rege Hofleben zieht junge Leute an, auch Halbstarke aus den Roma-Familien. Stehen sie in einer Gruppe zusam-men, geschieht das Gleiche, wie wenn frisches Testosteron in den Köpfen von Eingeborenen schäumt: Es fliegen Zoten und laute Worte. Man muss dann mit den Jungen reden. „Das hilft“, sagt Lars, „es ist nicht immer einfach, aber das sind doch normale Konflikte.“ Eben keine zu skandalisie-renden Eigenheiten bestimmter Ethnien.

nüchtern betrachtetVon der Linken bis zur CDU/CSU sehen alle Politi-

ker*innen die Notwendigkeit, sich mit der AfD auseinan-derzusetzen. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, betont mancher Unionspolitiker, Deutschland gehe es schließlich gut wie nie. Der Zukunft und der Wirtschaft zuliebe soll-ten die Arbeitszeiten trotzdem besser flexibilisiert werden, meinen die Liberalen. In Deutschland werden jährlich rund 1,8 Milliarden Überstunden geleistet. Etwa 2.000 davon entfallen auf die zwei Mitarbeiter*innen des Moritzhofes. Unbezahlt. Wenn sie Mitte der 2030er Jahre in Rente ge-hen, sagt eine aktuelle Bertelsmann-Studie, werden 20 Prozent der deutschen Rentner*innen arm sein. Ohne höhere Mathematik betreiben zu wollen: In Sachsen-An-halt wird dieses Schicksal eher 40 oder 50 Prozent der Rentner*innen betreffen, darunter viele jetzige Akteure der Soziokultur. So ist die Lage.

edda rydzy ist freie Autorin mit Lehr- und Vortragstätigkeit.

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2020

Literatur

arbeit transformieren! | Kerstin Jürgens/Reiner Hoffmann/Chris-tina Schildmann | Die Arbeitswelt verändert sich in den kommenden Jahrzehnten fundamental. Der Ab-schlussbericht der Kommission „Ar-beit der Zukunft“ diagnostiziert die aktuelle Lage, blickt auf die Zukunft der Arbeit und liefert Denkanstöße für einen Wandel, der soziale Teil-habe und mehr als nur Existenz-sicherung garantiert. | transcript, Bielefeld 2017, 256 S., ISBN 978-3-8376-4052-6 | 24,99 Euro/als PDF kostenlos

Und, was machst du so? | Patrick Spät | Ich arbeite, also bin ich! Durch Beispiele und An-ekdoten prüft Patrick Spät unsere Arbeitsgesellschaft. Er zeigt, wie sehr sich die Arbeit vom Menschen „entfremdet“ hat, wie die Arbeits-ideologie entstanden ist, wie sie den Globalen Süden bluten lässt und weshalb sie schließlich zweck-los ist. Am Ende steht die Hoffnung, dass wir uns vom Arbeitsfetisch lösen. | Rotpunktverlag, Zürich 2016, 167 S., ISBN 978-3-85869- 616-8 | 9,90 Euro

wirtschaft verstehen mit Info­grafiken | Jan Schwochow/ Thomas Ramge | Wirtschaft be- trifft alle! Doch verstehen wir sie? 111 anschauliche Infografiken geben Antworten auf Fragen rund um den Menschen in der Wirtschaft, zu Kon-zernen und Unternehmen, zur Volks-wirtschaft, auch im globalen Maß-stab, zu Umwelt und Ressourcen sowie zur Zukunft der Wirtschaft. | bpb, Bonn 2017, 238 S., Schriften-reihe (Bd. 10097) | 7,00 Euro

neue arbeit, neue Kultur | Frithjof Bergmann | Wir leiden an der Unfähigkeit, Wünsche zu äußern und eigene Projekte zu realisieren. Wir klammern uns an Jobs, die unse-ren Lebensunterhalt und Platz in der Gesellschaft sichern – selbst dann, wenn sie unbefriedigend sind. Und wir verzweifeln, wenn wir sie verlie-ren. Um Abhilfe zu schaffen, müssen wir uns mehr auf das besinnen, was wir „wirklich, wirklich wollen“.| Arbor Verlag, Freiburg 2004, 440 S., ISBN 978-3-86781-208-5 | 19,90 Euro

Frauen in der Kultur­ und Kreativ­wirtschaft: wie weiblich ist die Kulturwirtschaft? | Olaf Zimmer-mann/Theo Geissler (Hg.) | Wie vie-le Frauen arbeiten in künstlerischen Fächern? In welcher Position? Mit welchen Erfahrungen? Das Dossier porträtiert Frauen und Männer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft und formuliert Vorschläge für mehr Geschlechtergerechtigkeit. | Deut-scher Kulturrat, Berlin 2017, 64 S., ISBN 978-3-947308-02-6 | 4,20 Euro

Programmformeln und Praxis­formen von Soziokultur | Tobias J. Knoblich | Knoblich gibt einen Überblick über die Soziokultur als Schlüsselbegriff der Neuen Kultur-politik. Er deckt deren Verbindung zu Fragen der Demokratieentwick-lung auf und fragt nach Entwick-lungsproblemen. Damit legt er eine Kulturpolitikgeschichte vor, die die Perspektive „von unten“ aufmacht und die Entstehung einer kulturellen Zivilgesellschaft darstellt. | Springer VS, Wiesbaden 2018, 333 S., ISBN 978-3-658-19621-9 | 49,99 Euro

Netzberufswahl ohne Geschlechter­klischees fördern: Bundesinitia­tive Klischeefrei | Durch Zusam-menwirken von allen Institutionen der Berufs- und Studienorientierung sollen Geschlechterklischees über-wunden und die Jugendlichen zur Lebensplanung entsprechend ihrer Talente und Möglichkeiten befähigt werden. Klischeefrei wurde 2014 von den Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie für Bildung und Forschung initiiert. | www.klischee-frei.de

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Kultur und Politik

Wenn alle kulturelle Vielfalt notwendig finden, müssen dafür auch die finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dazu brauchen der Bund, die Länder und insbesondere die Kommunen mehr Einnahmen. raIner bOde (S. 23)

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Die aktuelle Ungleichheitskrise ist keine Naturkatastrophe, sondern von Menschen gemacht.

Das Bündnis „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle!“, ein Zusammenschluss von mehr als 30 bundes-weit aktiven Sozialverbänden, Gewerkschaften und zivil-gesellschaftlichen Organisationen, darunter auch die Bun-desvereinigung Soziokultureller Zentren e.V., fordert einen rigorosen steuer- und finanzpolitischen Kurswechsel. Zur Bekämpfung von Armut und zur Finanzierung notwendiger Renten- und Sozialreformen sowie dringend benötigter In-vestitionen in das Gemeinwesen seien die stärkere Besteu-erung sehr hoher Einkommen, Vermögen und Erbschaften sowie der konsequente Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerschlupflöcher alternativlos.

Drei Viertel der Bevölkerung finden die Vermögensverteilung ungerecht„Eine gerechte und solidarische Steuerpolitik ist

aus unserer Sicht die Nagelprobe, ist der Glaubwürdig-keitstest für alle, die eine bessere Bildungs-, Sozial- oder Arbeitsmarktpolitik oder gar ein gerechteres Deutschland versprechen“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsfüh-rer des Paritätischen Gesamtverbands. Drei Viertel der Bevölkerung bewerten nach einer Umfrage die aktuelle

Vermögensverteilung als ungerecht und sprechen sich für eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen aus, um öffentliche Aufgaben besser zu finanzie-ren. „Die Menschen in diesem Land wollen in ganz großer, parteiübergreifender Mehrheit eine solidarische Steuer-politik, die Reiche stärker zur Verantwortung für dieses Gemeinwesen heranzieht und den Staat wieder in die Lage versetzt, in das Soziale zu investieren. Alle Parteien stehen, ganz unabhängig vom Wahlausgang, in der Pflicht, diesem überwältigenden Mehrheitswillen Rechnung zu tragen.“

Neben einer Erhöhung der Einkommensteuer, der Einfüh-rung einer Vermögensteuer und einer reformierten Erb-schaftsteuer will das Bündnis auch finanzstarke Unterneh-men stärker als bisher in die Verantwortung nehmen. „Die aktuelle Ungleichheitskrise ist keine Naturkatastrophe, sondern von Menschen gemacht und zwar im Interesse

„Reichtum umverteilen –ein gerechtes Land für alle!“

Mit einer kreativen Protestaktion und dem klaren Appell an alle Parteien, sich nach der Wahl für den Abbau sozialer Ungleichheit und eine gerechtere Vermögensverteilung in Deutschland einzusetzen, wandte sich das Bündnis „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle!“ eine Woche vor der Bundestagswahl an Politik und Öffentlichkeit.

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Kunst- und Kulturgeragogik nun Thema der Kulturpolitik

Der Fachverband Kunst- und Kulturgeragogik e.V. wurde im November 2017 als Mitglied in die Sektion Soziokultur und Kulturelle Bildung des Deutschen Kulturrats aufgenommen. Anlie-gen des Fachverbands ist es, die Themen kunst- und kulturgeragogischer Bildung und kultureller Teilhabe älterer Menschen in kulturpolitische Diskussionen einzubringen.Der Fachverband Kunst- und Kulturgeragogik e.V. vertritt die Interessen von Absolvent*innen, Dozierenden und Leitenden der Qualifizierungen Kunstgeragogik und Kulturgeragogik. Ziel ist es, die Ausbildungs- und Forschungssituation in der Kunst- und Kulturgeragogik zu verbessern, um ein qualitätsvolles kulturelles Bildungsangebot für ältere Menschen sowie die Qualifikation von Berufstätigen im Bildungswesen, in der Kultur- pädagogik, in Kunst und Kultur, im Sozialwesen, im Gesundheitswesen und in der Pflege zu ge-währleisten. | www.fachverband-kkg.de

Absenkung des Künstlersozial-abgabesatzes

Der Künstlersozialabgabesatzes wird im Jahr 2018 auf 4,2 Prozent gesenkt. Dazu teilte Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit: „Die Künstlersozialversicherung leistet einen unverzichtbaren und elementaren Beitrag, um Künstlerinnen und Künstler sozial abzusichern. Sie steht als einzigartige kulturpolitische Errun-genschaft exemplarisch dafür, dass Kulturpolitik durch Rahmensetzung mehr Freiraum für Künst-ler und Kreative schaffen kann.Die geplante erneute Senkung der Abgabesatzes im nächsten Jahr ist ein sehr gutes Signal. Sie unterstreicht die bereits im vergangenen Jahr eingeläutete Trendwende und wird sicherlich dazu beitragen, die Akzeptanz der Künstlersozial-versicherung allgemein noch weiter zu erhöhen.“

SPOTS

einer Minderheit von Großkonzernen und Superreichen. Schuld an der wachsenden Ungleichheit hat auch eine Poli-tik, die annimmt, der Markt brauche möglichst wenig Regu-lierung. In der Folge können sich internationale Konzerne auf vielfältige Art davor drücken, ihren fairen Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten. Das muss ein Ende haben: Wir brauchen endlich echte Steuertransparenz, Steueroasen müssen auf eine Schwarze Liste gesetzt und mit Sankti-onen belegt werden“, so Jörn Kalinski, Leiter Lobby- und Kampagnenarbeit bei Oxfam Deutschland.

Öffentliche Investitionen gefordertDas Bündnis fordert unter anderem mehr öffentli-

che Investitionen und mehr Personal für soziale und kul-turelle Einrichtungen und Dienste, für die Bereitstellung und Bau von ausreichend bezahlbaren Wohnungen und im Kampf gegen Armut. Insbesondere die wachsende Alter-sarmut sowie die extrem hohe Kinderarmut in Deutschland ist für viele Partner Anlass für ihr Bündnis engagement. „Immer mehr Familien und ihre Kinder sind von der Ent-wicklung unseres Wohlstandes abgekoppelt. Arbeitslosig-keit oder ein geringes Einkommen der Eltern, Trennung, aber auch bereits die Entscheidung, mehr als zwei Kinder zu bekommen, erhöhen das Risiko, in Armut zu leben. Die derzeitige Familienförderung bekämpft die Armut nicht, denn Familien mit hohem Einkommen werden deutlich mehr steuerlich entlastet als Familien ohne oder mit nur geringem Einkommen gefördert werden. Das darf nicht sein! Wir treten dafür ein, diese Schieflage zu beseitigen, die Förderung umzuverteilen und das System durch eine Kindergrundsicherung vom Kopf auf die Füße stellen“, so Christiane Reckmann, Vorsitzende des Zukunftsforums Familie e.V.

Aktion vor dem ReichstagIm Rahmen einer Aktion vor dem Berliner Reichstag

verteilten am 15. September 2017 als Superhelden ver-kleidete Aktivist*innen des Bündnisses symbolisch das in Deutschland vorhandene Geld dahin um, wo es dringend benötigt wird – in Kitas, Krankenhäuser, Jugendeinrich-tungen, Schulen und für bezahlbaren Wohnraum. Weitere dezentrale Aktionen und Veranstaltungen fanden am Tag darauf statt.

www.reichtum-umverteilen.de | Quelle: Pressemitteilung

„Wenn alle von kultureller Vielfalt sprechen und diese notwendig und richtig finden, müssen dafür auch die finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Und dazu brauchen der Bund, die Länder und insbesondere die Kommunen mehr Einnahmen.“

raIner bOde, Vorstandsmitglied der Bundes- vereinigung Soziokultureller Zentren e.V.

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Kultur zählt!

25.000 Akteure übernehmen Aufgaben der Soziokultur.

10% haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, davon ein Drittel in Vollzeit. Jede zweite Teilzeitstelle hat weniger als zwanzig Wochenstunden.

Etwas mehr als

die

hälfte der entscheidungsbefugten Personen sind Frauen.

39% beschäftigen ihre Mitarbeitenden nach TVöD, das sind sieben Prozent weniger als im Jahr 2013.

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Die deutsche Soziokulturlandschaft weiß Teilhabe zu ermöglichen und Schlüssel-konzepte zu erarbeiten, um die lokale Gemeinschaft zu entwickeln. PrOF. dr. hISaO IKeya (S. 26)

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NetzwerkSoziokultur

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Prof. Dr. Hisao Ikeya von der Universität Ryotokuji ist der Präsident des Forschungsnetzwerkes und schätzt die deut-sche Soziokulturlandschaft, weil sie Gesellschaft begleiten kann, „die Themen der Zeit zu identifizieren weiß, Teilhabe ermöglichen will und Schlüsselkonzepte erarbeitet, um die lokale Gemeinschaft zu entwickeln.“ Ihm gefällt der Begriff Breitenkultur, nicht nur etwa als Abgrenzung zur Hochkultur, sondern weil es Dezentralität und Demokratie beinhalten kann. In seiner Schriftenreihe zur „Sozialkultur-forschung“ - mit derzeit 19 Heften - sind einige der Fra-gen behandelt, die auch auf der kulturpolitischen Agenda in Deutschland stehen: soziale Kultur als künstlerische Praxis, Transformationenprozesse in der Kulturarbeit, So-ziokultur als Anti-Nationalismus - Erkundungen multikultu-reller Entwicklungen, Feminismus als Soziokultur, Heraus-forderungen für die Ungleichheitsgesellschaft, regionale Identität, Gestaltung einer Zukunftsgesellschaft.

Theaterarbeit mit GeflüchtetenVon besonderem Interesse für die ja-panische Delegation waren Programme und Projekte mit Geflüchteten. Bestens informiert über die Kulturlandschaft und die Lage der Zuwanderung in Deutsch-land, wurde unter anderem die Praxis an Theatern in Frankfurt am Main ob-serviert, analysiert und reflektiert. Denn dass Soziokultur nicht mehr nur Allein-stellungsmerkmal von soziokulturellen Zentren ist, hat sich auch schon in Japan herumgesprochen.Die Performance „Rausch und Zorn. Stu-die zum autoritären Charakter“ der Frei-en Theatergruppe Ligna im Künstlerhaus Mousonturm basiert auf der Analyse rechtsradikaler und rassistischer Ten-denzen und fragt, was die Attraktivität autoritärer Fundamentalpolitik ausma-chen könnte. Dabei wird das Publikum

zum zentralen Akteur des Ereignisses. Im Gallus-Theater berichteten Winfried Becker und Heike Bonzelius von der Rolle der darstellenden Künste in einem Arbeiterviertel, ausgehend von einem internationalen Solidaritätszentrum, von Billard und Nachhilfe zum Rollenspiel und Theater-besuch, von der Gastarbeitergruppe Teatro Siciliano bis zum Verein Art-Q. Timo Becker repräsentiert die neue Ge-neration der Macher*innen sozialer Kulturprojekte, die Experimentierfelder schaffen, in denen Inhaftierte, Geflüch-tete, Demenzkranke, Schüler*innen und Student*innen gemeinsam neue Erfahrungen sammeln wollen. Zuletzt war „WoMan – Von Bitch bis Burka“, ein Theaterprojekt mit weiblichen Geflüchteten, Ehrenamtlerinnen und Busi-nessfrauen, zu sehen. Dritte Station in der Mainmetropole war das Theater Willy Praml in der Naxoshalle. Dortselbst erzählt der Prinzipal Willy Praml persönlich, wie sie das Mammut-Projekt „Das Erd-

Soziokulturelle Erfahrungenvon japanischen Experten

Ein Reisebericht als Diskursprotokoll

Soziokultur, ist das nicht eine deutsche Erfindung? Von den Sozis nach 68 in den Kommunen kreiert? Oder wenigstens ein europäisches Phänomen? Keineswegs! Soziokultur gibt es auch in Japan, als Begriff und als Praxis, ja sogar als akademische Disziplin. Und es gibt die Japanische Gesellschaft für Sozio-Kultur – mit Bindestrich und 160 Mit- gliedern, vor allem Wissenschaftler*innen der Soziologie, Philosophie, Pädagogik, Psychologie und Cultural Studies. Ein Dutzend davon, alle-samt Professor*innen, waren im Spätsommer 2017 anlässlich einer Recherche-Reise durch die Republik Gäste des Instituts für Kultur- politik der Universität Hildesheim.

von wOlFGanG SChneIder

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beben in Chile“ nach Heinrich von Kleist mit 21 Darstellen-den, darunter syrische Kurden, Araber, Afghanen, Iraner und das deutsche Ensemble, gestemmt haben. „Es ist ein Katas-trophen-Szenario geworden“, sagt Praml, der in den 1970er Jahren Lehrlingstheater gemacht hat und später Dorftheater mit überre gionalem Erfolg. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Welt, ein kalter und unwirklicher Ort, und eine Liebe, die nicht sein darf, aufgeführt in Deutsch, Farsi und Arabisch. „Unser Anliegen war es, diesen Text nicht mit irgendwelchen Behelfsuntertiteln verständlich zu machen, wir wollten den Sprachkulturkreis Geflüchteter und Beheima-teter zur Wirkung kommen lassen.“ Praml hat seitdem sein Theater zwischen den Welten angesiedelt, einige der Laien sind mittlerweile in anderen Produktionen präsent, gelun-gene Integration bei Wahrung der Identitäten, darauf ist das Theater im Denkmal der Industriekultur stolz.

Cross Culture als programmatisches Prinzip Im Gespräch mit den Soziokulturexpert*innen aus

Fernost findet die schnelle Reaktion der Künstler*innen auf neue gesellschaftliche Entwicklungen große Beach-tung, sie sind beeindruckt von der Frankfurter Praxis, die durchaus beispielhaft dokumentiert, was vielhundertfach landauf landab in Projekten produziert wurde und wird. Professor Ikeya spricht sogar von Inklusion, weil die Viel-falt der Kulturen ernst genommen und die Möglichkeit gewährt wird, sich einzubringen. Andererseits gibt er zu bedenken, „dass dies auch den Neoliberalismus nähre, da der Staat es dem freiwilligen Engagement überlasse, die solidarische und soziale Seite der Gesellschaft zu zeigen“. Der japanische Philosoph sieht darin auch die Ausbeutung des menschlichen Kapitals. Professor Dr. Masahiro Ohzeki von der Universität Shiten-noji pflichtet dem bei, ohne das zutage geförderte Poten-zial sozialer Kulturarbeit angesichts der Flüchtlingskrise gering zu schätzen. Er ist es, der besonders die Cross Cul-ture-Projekte als permanentes Prinzip des Programms der ebenfalls besuchten soziokulturellen Zentren Kulturfabrik in Hildesheim und Pavillon in Hannover als Modell iden-tifiziert. „Es geht zu jeder Zeit um Interaktion der Gene-rationen und um eine Kultur für alle.“ Stefan Könneke, Geschäftsführer der Kulturfabrik Löseke, und Christoph Sure, Geschäftsführer des Pavillon, pointieren das Zu-

Trotz aller Unterschiedlichkeit in der Kennzeichnung kultureller Phänomen gibt es ganz grund-sätzliche gemeinsame Fragen.

sammenspiel von Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik als Quintessenz ihrer Kulturarbeit. Prof. Dr. Masako Yamazaki von der Universität Rikkyo fragt, ob die zeitgenössischen Herausforderungen der Soziokultur auch Eingang fänden in die Kulturförderung, was Strukturen und Finanzierung be-treffe. In diese Richtung forscht auch Özlem Canyurek am Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Hildes-heim. Sie untersucht, ob sich aus Theaterprojekten mit Ge-flüchteten Reformen der Theaterlandschaft Deutschlands ableiten lassen. Künstlerische Vermittlung und kulturelle Partizipation wären zukünftig stärker im Fördersystem zu verankern, lautet ihre erste vorläufige Erkenntnis.

Kulturerbe als gelebte TraditionKrönender Abschluss des deutsch-japanischen

Austauschs ist die Teilnahme an einer aufsuchenden Kul-turarbeit des Projekts „Operndolmus“ von Mustafa Akca und Johanna Wall der Komischen Oper in Berlin. Es findet nicht im großen Haus Unter den Linden statt, sondern im Kreuzberger Kiez. Das eintägige Symposium „Gelebte Tra-dition. Die Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes“ am 7. September 2017 im Japanisch-Deutschen Zentrum an der FU Berlin. Vorträge von Wissenschaftler*innen beider Länder beschäftigten sich mit Theorie und Praxis sowie Sinn und Unsinn einer Konvention der UNESCO. Und trotz aller Unterschiedlichkeit in der Kennzeichnung kultureller Phä-nomene – Japan fokussiert vor allem auf die Schutzbedürf-tigkeit spezieller Handwerkstechniken, Deutschland rekur-riert mehr auf Erscheinungsformen des Gemeinschaftlichen wie Chorsingen, Schützenwesen oder Skatspielen – gibt es ganz grundsätzliche gemeinsame Fragen: Warum wird zwischen materiell und immateriell, zwischen mobil und immobil unterschieden? Professor Dr. Kazuo Fujino von der Universität Kobe findet es fragwürdig, dass Kulturerbe vom Vorhandensein einer individuellen Gemeinschaft abhängig sei, denn das grenze zum Beispiel Praktiken des Judentums aus, die ohne lokale Verortung weltweit zelebriert werden. Von eurozentristischen Besitz interessen war die Rede und davon, dass das Immaterielle Kulturerbe eine „Antiglobali-sierungsbewegung“ darstellen könnte. Letztendlich gehe es darum, so Fujino, „ob die Menschen Kulturlandschaften überhaupt als kulturelles Erbe wahrnehmen“. Eine Frage, die das Spektrum eines Diskurses offenbart, Soziokultur neu zu denken zwischen kritischer Zeitgenossenschaft und gelebter Traditionspflege.

Prof. Dr. wOlFGanG SChneIder ist Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und Inhaber des UNESCO-Chair Cultural Policy for the Arts in Development.

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Markt und mehrFREE MARKET im russischen Kulturzentrum PRAXIS

Das soziokulturelle Zentrum PRAXIS in Sotschi wurde 2015 gegründet. Musik- veranstaltungen stellen meist avantgar- distische und experimentelle elektroni- sche Musik vor. Der Kinoclub Sinemania präsentiert aktuelle Filme. Ausstellungen mit jungen lokalen Künstler*innen zeigen vor allem Video-Art und Performances. Zentral im Programm ist die „Alternative Universität“ mit Vorträgen zu Psychologie und Philosophie, zeitgenössischer Kunst und Stadtgeschichte. Drei- bis viermal jähr-lich findet ein FREE MARKET statt.

von eleOnOre heFner, OlGa eGOrOva

Gegenseitige Unterstützung„Otdam darom“ (= Umsonst Markt) ist eine nicht-

kommerzielle Gütertauschgruppe in russischen sozialen Netzwerken, seit 2015 wird im Kulturzentrum PRAXIS im Abstand von sechs bis acht Wochen ein FREE MARKET durchgeführt. Dann wird es im PRAXIS besonders bunt und lebendig. Bis zu 100 Besucher*innen kommen, um eigene Sachen, in der Regel Kleidungstücke, abzugeben und etwas für sich oder ihre Familie auszuwählen. Jede*r Besucher*in darf sich so viel nehmen, wie sie/er will. Alle Sachen des FREE MARKET sind von guter Qualität und ge-waschen, das wird beim Eingang geprüft. Taisia Simonova, eine der Organisatorinnen, unterstreicht: „Beim FREE MAR-KET geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um gegen-seitige Unterstützung“. Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichem sozialem Status besuchen den FREE MARKET. Auch für Familien ist er attraktiv, weil es immer auch etwas für Kinder und nicht nur für Erwachsene gibt.

Güter und Informationen tauschenDer erste FREE MARKET fand beim Mini-Festival am

„Tag der Non-Profit-Organisationen” am 8. November 2015 statt. Bei der Veranstaltung stellten sich zivilgesellschaft-liche Gruppen öffentlich vor. In einem Land, in dem über Jahrzehnte der Rückzug in Privatheit für viele die einzige erfolgversprechende Strategie für ein gutes Leben war, sind solche Aktionen von weit größerer Bedeutung als zum Beispiel in Westeuropa. Gemeinsam etwas zu bewegen, Formen von Solidarität und gegenseitiger Unterstützung zu erleben - auch gegen politische Machtverhältnisse – ist in einer Transformationsgesellschaft wichtig. Bei diesem ersten Festival gab es neben dem Gütertausch des FREE MARKET jede Menge Informationen von vielen unterschied-lichen Non-Profit-Projekten, die ihre Anliegen – zum Bei-spiel Umwelt- und Tierschutz, Arbeitnehmerrechte, Hilfe für Obdachlose und so weiter – vermittelten und disku-tierten. Es wurde auch über Idee und Konzept von Veran-staltungen wie FREE MARKET gesprochen, vergleichbare Initiativen und Projekte weltweit wurden vorgestellt. Damit hatte sich das Format etabliert: Der FREE MARKET wird seither immer mit Vorträgen, Workshops und ähnlichem verknüpft. „Mit dem FREE MARKET wird die Idee einer Welt jenseits des totalen und allumfassenden Vorherrschens der Waren-Geld-Beziehungen transportiert”, so hofft Micha Barsykin, der Leiter von PRAXIS. „Besucher*innen und Ver-anstalter*innen möchten vermitteln und erleben, welche Wärme, Herzlichkeit und Freude entsteht, wenn man sich hilft, wenn man unentgeltlich und bedingungslos bekommt und gibt.”

eleOnOre heFner ist Geschäfts-führerin des Vereins Kultur Rhein Neckar e.V. und Projektleiterin von „QUATTROLOGE - ein deutsch-russi-sches Kulturaustauschprojekt". Sie ist Mitglied im Vorstand der

Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. und des ENCC. OLGA EGOROVA ist Künstlerin und Projektleiterin von „QUATTRO-LOGE“ in Russland.

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Wie zahlen Selbstständige eigentlich ihre Kranken-versicherung? Und sparen sie für ihre Rente? Manche verdienen tatsächlich genug, um sich nicht mit solchen Sorgen herumschlagen zu müssen. Die Mehrheit der Selbstständigen hat es allerdings schwer, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden.Selbstständige zahlen im Schnitt 20 Prozent mehr für ihre Sozialversicherung als klassisch Angestellte mit einem vergleichbaren Einkommen – einschließlich des Arbeit-geberanteils. Viele Freischaffende machen sich keine Pläne für ihre Vorsorge, sie schieben das Thema in der Regel einfach immer wieder auf die lange Bank. „Selbst-ständig sein heißt, ständig vom Gefühl geplagt zu werden, die eigenen Hausaufgaben vergessen zu haben“, erzählt Elizabeth Rushe, die in Berlin als freischaffende Autorin lebt. Selbst wenn die Dinge gerade gut laufen, bleibt das nagende Gefühl, dass etwas im Argen liegt.Was aber wäre, wenn Selbstständige ihre Unabhängigkeit mit der Sicherheit eines festen Arbeitsvertrags kombinie-ren könnten?

ein arbeitsvertrag für SelbstständigeDas ist eine der Lösungen, die SMart, eine Genos-

senschaft für Selbstständige, entwickelt hat. SMart wurde 1998 in Belgien gegründet und zählt mittlerweile 90.000 Mitglieder in neun europäischen Ländern. Seit 2016 bietet SMart nun einen außergewöhnlichen Service für seine in Deutschland ansässigen Mitglieder an: ein Beschäftigungs-verhältnis für die eigene selbstständige Tätigkeit.Das Ganze funktioniert wie folgt: Als Mitglieder von SMart können Selbstständige ihre Leistungen über die Genos-senschaft erbringen und SMart stellt die Rechnung an ihre Kunden. Gleichzeitig vereinbaren die Selbstständigen mit SMart einen Anstellungsvertrag, der ihnen ein festes mo-natliches Einkommen sowie Zugang zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung garantiert.

Die Verträge werden auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten und können von einer Anstellung auf 450-Euro-Basis bis hin zu einem Arbeitsverhältnis in Voll-zeit reichen – ausschlaggebend ist allein der Betrag, den Selbstständige monatlich einbringen möchten. Natürlich gibt es das alles nicht geschenkt. SMart behält von jeder gestellten Rechnung sieben Prozent ein, um damit die eigenen Kosten zu decken. Aber selbst damit fahren die meisten Selbstständigen besser, als wenn sie sich als Einzelkämpfer aufstellen.Daneben besteht auch die Möglichkeit, ohne Arbeitsver-trag Rechnungen über SMart zu stellen. In diesem Fall er-halten Selbstständige ihr Geld, sobald sie die Rechnung bei SMart einreichen; auf die Zahlung der Kunden müssen sie nicht warten. SMart übernimmt das Mahnwesen, und sollte ein Kunde Insolvenz anmelden müssen, wird der Verlust aus einem Solidaritätsfonds beglichen.

Mehr als nur GeldMitglieder können auf ein mehrsprachiges Team

zurückgreifen, das auf Fragen und Belange rund um das Thema Selbstständigkeit spezialisiert ist. Beratungen erfol-gen per E-Mail, Skype oder persönlich vor Ort im Berliner oder Bremer Büro. Und nicht zuletzt ist SMart eine Gemeinschaft kreativer Menschen. Mitglieder treffen sich regelmäßig, um zu netz-werken, die Tristesse ihrer Solo-Selbstständigkeit zu über-winden und Gemeinsamkeiten zu entdecken, die sie trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkte verbinden – seien sie DJs, Finanzberater, Schriftstellerinnen, Opern-sänger oder Workshopleiterinnen.

Mehr Informationen unter www.smart-de.org und www.facebook.com/SMartDe.Genossenschaft

Text: SMart-Genosse Joel Dullroy | Übersetzung: SMart-Genosse Lyam Bittar, Sebastian Landsberger | Lektorat: SMart-Genosse Lyam Bittar | Fotos: Team von SMartDe eG © Anke Beims

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Genossenschaftliche Lösungen für Selbstständige

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Neue Mitarbeiter*innen der Bundes-vereinigung Soziokultureller Zentren

PaTrICK adaMSCheCK unterstützt mit Beginn der zweiten Phase von „Kultur macht stark“ und der Fortführung von „Jugend ins Zentrum!“ die Bundesver-einigung Soziokultureller Zentren als Projektassistent. Er studiert Kultur- und

Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, schreibt derzeit an seiner Abschluss-arbeit über die Erfolgsfaktoren von Evaluation in soziokul-turellen Zentren und engagiert sich ehrenamtlich im Baumhaus Berlin – einem Projekt und Raum für sozial-öko-logischen Wandel. Sein Interesse für Kulturpolitik entdeck-te er während eines Praktikums am Goethe-Institut Tokio.

MIChaela bIrK arbeitet seit Anfang Dezember bei der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren und ist mit der Organisation der Fachtagung zum The-ma „Soziokultur findet Stadt“ im Herbst 2018 betraut. Sie ist seit vielen Jahren

als Projektkoordinatorin für Stiftungen und Verbände tätig und betreute in den letzten Jahren hauptsächlich Projekte in Berlin-Neukölln, bei denen die sozialräumliche Vernet-zung, die Förderung einer effektiven Zusammenarbeit, die Erstellung neuer Strategien und innovativer Angebote so-wie die Stärkung der sozialen Integration in benachteiligten Stadtteilen im Vordergrund steht.

nIKI KaSIS verstärkt weiterhin das Team von „START – Create Cultural Change“ in der Geschäftsstelle der Bun-desvereinigung Soziokultureller Zent-ren. Ihre Stelle im Stipendien- und Fort-bildungsprogramm für griechische

Kulturmanager*innen wurde ab August 2017 von zehn auf 20 Stunden wöchentlich erweitert. Neben START engagiert sie sich für Musikprojekte in verschiedenen Ländern, kon-zipiert und leitet Workshops zu (inter-) kulturellen Themen und beschäftigt sich im Rahmen eines Masterstudiengangs an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit soziokulturellen Studien.

LEUTE

RHEINLAND-PFALZ

Landesverdienstorden für Margret Staal

MarGreT STaal wurde mit dem Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz 2017 ausgezeichnet. „Gerade in Zeiten, in denen wir als Gesellschaft vor neuen Heraus-forderungen stehen, stimmt es mich äußerst zuversichtlich, dass es so viele Menschen gibt, die Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen. Dafür danke ich den heute Ge-ehrten von Herzen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei der 36. Verleihung des Landesverdienstordens am 5. Dezember 2017. „Alle Ordensträger und -trägerinnen so-wie ihr Werk haben einen großen Anteil daran, dass unser Land so lebens- und liebenswert ist, wie wir es kennen“, betonte sie. Der Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz wird seit 1982 vergeben, um das außergewöhnliche Engagement und die hohen Verdienste Einzelner für das Gemeinwohl zu ehren. Er ist die höchste Form der Anerkennung, die sei-tens des Landes ausgesprochen wird. Um die Bedeutung des Ordens zu unterstreichen und das Engagement der Ausgezeichneten hervorzuheben, ist die Zahl der Ordens-träger*innen auf 800 lebende Personen begrenzt. (Zur Person Margret Staal siehe rechte Seite.)

BAYERN

Neuer Vorstand gewählt

Die LAG Soziokultur Bayern e.V. hat einen neuen Vorstand gewählt. Neu gewählt wurden Michael Weidinger (Z Bau - Haus für Gegenwartskultur, Nürnberg) und Mari-na Boyer (KUF im Südpunkt, Nürnberg). Bestätigt wurden Berndt Urban (Kulturzentrum E-Werk, Erlangen), Frank Pr-zybilla (Pasinger Fabrik Kultur- und Bürgerzentrum GmbH, München) und Jürgen Dahlke (Kulturwerkstatt Disharmonie, Schweinfurt). Erster Vorsitzender ist Michael Weidinger, zweiter Vorsitzender und Kassenwart Berndt Urban. Das Büro der LAG befindet sich jetzt im Z Bau in Nürnberg.

NIEDERSACHSEN

Neuer Vorstand gewählt

Die LAG Soziokultur Niedersachsen e.V. hat einen neuen Vorstand gewählt. Bestätigt wurden Hanne Bangert (Pavillon, Hannover) als 1. Vorsitzende, Bernt Wach (Kultur-etage, Oldenburg) als 2. Vorsitzender, Marion Schorrlepp (FORUM für KUNST und KULTUR e.V., Heersum), Ilaria Mas-sari (Blauschimmel Atelier e.V., Oldenburg) und Bettina Harborth (SPOKUSA e.V., Hannover). Neu gewählt wurde Thorsten Höfler (TPZ, Braunschweig). Für den Beirat hat die Mitgliederversammlung Marion Schorrlepp, Linda Meier (Sumpfblume, Hameln) und Marcus Munzlinger (Pavillon, Hannover) nominiert.

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Am 22. November 2017 fand im Kultur-zentrum E-Werk in Erlangen die Herbst-Mitgliederversammlung der Bundesvereini-gung Soziokultureller Zentren (BuSZ) statt. Zu Gast waren Bürgermeisterin Susanne Lender-Cassens, Rolf Billing von der GEMA in Nürnberg und Stefanie Dunker vom Kuratorium des Fonds Soziokultur. Auch der neue Vorstand wurde gewählt, für den Anselm Züghart und Eleonore Hefner nicht erneut kandidierten.

Neuer Vorstand der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren

raIner bOde ist Geschäftsführer der LAG Soziokultureller Zentren Nord-rhein-Westfalen. Er vertritt die BuSZ im Vorstand des Fonds Soziokultur, ist im Beirat der KSK und im Koordinierungs-ausschuss des BBE. Beim Deutschen

Kulturrat ist er Mitglied im Steuer- und im Urheberrechts-ausschuss. Im Vorstand des Kulturrates NRW ist er für die Sektion Soziokultur zuständig. Er ist Mitglied der Deut-schen Akademie für Fußballkultur sowie der AG Bürokra-tieentlastung des Dritten Sektors und des bürgerschaftli-chen Engagements und der AG Zuwendungspraxis in der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung.

SIeGFrIed dITTler studierte Verwal-tungswissenschaften und war im so-zialen Bereich aktiv. Nach dem Kultur-managementstudium in Ludwigsburg ist er seit Ende der 1990er Jahre in Lei-tungspositionen verschiedener soziokul-

tureller Zentren tätig, unter anderem im E-Werk Freiburg, in der Alten Feuerwache Mannheim und zuletzt im Wasch-haus Potsdam. Er ist Vorstandsmitglied der LAG Soziokultur Brandenburg, Mitbegründer von Creole Brandenburg sowie Mitglied des Beirates „Kunst im öffentlichen Raum“ in Pots-dam. Als Recorder nahm er am Projekt „Rethinking Cultu-ral Centres in an European Dimension“ teil.

COrInne eIChner studierte Soziolo-gie, Journalistik, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte in Göttingen und Hamburg. Sie arbeitete unter anderem in der Erwachsenenbildung, als freie Journalistin und Kulturmanagerin. Seit

2011 ist Corinne Eichner Geschäftsführerin von STADT-KULTUR HAMBURG. Für den Dachverband baute sie den Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung und den BFD Welcome auf. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Interkultur/Offene Gesellschaft, Kulturpolitik und Kom-munikation/Öffentlichkeitsarbeit. Sie ist Mitglied im Ham-burger Landesrat Stadtteilkultur.

GeOrG halUPCzOK arbeitete ge-schäftsführend im Kultur- und Kommu-nikationszentrum Brunsviga in Braun-schweig und gehört zu dessen Mitbegründern. Er vertritt die BuSZ im Fachausschuss Arbeit und Soziales des

Deutschen Kulturrates. Bis September 2013 gehörte er dem Vorstand der LAGS Niedersachsen an. Den Soziokul-turbeirat des Niedersächsischen Ministeriums für Wissen-schaft und Kultur leitet er weiterhin. Von seinem ehren-amtlichen Engagement profitierte auch der Rat der Stadt Braunschweig. Zurzeit ist er Mitglied im Verwaltungsaus-schuss des Staatstheaters Braunschweig.

andreaS KÄMPF ist Geschäftsführer des Kulturzentrums GEMS in Singen und Mitglied des Vorstands der LAKS Baden-Württemberg. Er vertritt die BuSZ im Rat für Soziokultur und Kultu-relle Bildung sowie im Deutschen Kul-

turrat. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die europäische und internationale Kulturpolitik. 2013 wurde Andreas Kämpf zum Vizepräsidenten des Deutschen Kulturrates gewählt und 2016 wiedergewählt. Er ist Vorsitzender des Fachaus-schusses Europa/Internationales. Andreas Kämpf gehört dem gesellschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an.

MarGreT STaal war 1986 Mitbegrün-derin des soziokulturellen Zentrums Haus Felsenkeller in Altenkirchen. Sie beteiligte sich am Aufbau von Landes-strukturen im Bereich Andere Bildung, Soziokultur und Kulturpädagogik. Seit

Gründung der LAG Soziokultur und Kulturpädagogik Rhein-land-Pfalz 1992 engagiert sie sich im Vorstand und ist als Referentin für das FSJ Kultur und den Auf- und Ausbau von Jugendkunstschulen tätig. Seit 2009 ist sie im Vorstand der BuSZ und hat insbesondere das Projekt „Jugend ins Zentrum!“ intensiv begleitet. Von 2006 bis 2012 war sie Mitglied im Kuratorium des Fonds Soziokultur.

berndT Urban ist Geschäftsführer des Kulturzentrums E-Werk in Erlangen und Mitglied des Vorstands der LAG Soziokultur Bayern. 1979 gehörte er zu den Gründern des E-Werk-Vereins. Be-reits seit 1986 ist er Mitglied des Vor-

stands der BuSZ und zeichnet seitdem für die Finanzen verantwortlich. Von der Rechnungsstelle in Erlangen aus kümmert er sich um die finanziellen Angelegenheiten und die Personalverwaltung. Gemeinsam mit Rainer Bode ver-tritt er die Interessen der Mitgliedseinrichtungen der BuSZ gegenüber der GEMA. Seit 2008 ist er stimmberechtigtes Mitglied im Jugendhilfeausschuss der Stadt Erlangen.

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Herzblut und Know-howWorkshop zum Generationswechsel bei zeitraumexit

von JUlIa TerbraCK

Einen passenderen Ort hätte man für die Release-Party der SOZIOkultur-Ausgabe „change - Generationswechsel in der Soziokultur“ nicht finden können. Denn diesen Umbruch hat das zeitraumexit wirklich beispielhaft bestanden. Das junge Team wirbelt mit seinen innovativen Ideen durch die Mannheimer Kulturszene. Nach dem gelungenen Genera-tionswechsel setzte sich der neue Geschäftsführer nicht etwa hin und machte einfach „seine“ Kulturarbeit – er setzt mit dem Programm ARTFREMDE EINRICHTUNG ein Zeichen und vergibt feierlich alle vier Wochen den Schlüssel seiner Räumlichkeiten an ein anderes Projekt. Entschieden wird öffentlich und basisdemokratisch von einem Zuschauer-plenum. Das hat zur Folge, dass er jetzt mit einer Gruppe Theken für einen alternativen Weihnachtsmarkt sägt. Die-ses Beispiel ist wichtig, denn es zeigt etwas, was program-matisch sein sollte für den Wechsel in der soziokulturellen Szene: Es muss Raum geben für zeitlich Begrenztes, für Impulse von außen – eben für etwas Artfremdes in den eigenen festen Strukturen.Aber von vorn: Die Teilnehmer*innen aus Bonn, Horb und Stuttgart kommen mit ihren ganz eigenen Fragen und Beweggründen zu dem anlässlich der Release-Party veranstalteten Workshop. Wo geht es hin mit unserem Zentrum? Sind unsere Strukturen überhaupt übergabefä-hig? Wie gehen wir damit um, wenn die Kommunikation zwischen den „Alten“ und den „Neuen“ schiefläuft? Die-se Fragen brennen auf der Seele, sie beschäftigen einen nicht nur bei der Arbeit, sondern auch ganz persönlich. Das

Change-Management ist etwas, was nie reibungslos über die Bühne gehen kann, denn Umbruch stellt existenzielle Fragen an die Beteiligten.

Der Referent Stephan Bock, Kulturmanager und Super-visor, berichtet von den Anfängen der Soziokultur und lässt in Gruppen überlegen, welche Strukturen die Nach-folger*innen für eine dauerhafte Arbeit in der Soziokultur brauchen und wie ein guter Wissenstransfer aussehen muss.Dauerhaft? Da ist schon der erste Knackpunkt erreicht. Ist es wichtig, dass die Nachfolger*innen die nächsten 20 Jahre das Zentrum begleiten, wie es viele ihrer Vorgän-ger*innen getan haben? Nein, ist der Konsens. Vielmehr braucht es aufgeräumte und externalisierte Strukturen, die eine schnelle Übersicht und Einarbeitung ermöglichen und mit denen ein*e Nachfolger*in 20 oder eben auch nur zwei Jahre arbeiten kann, bis dann der oder die Nächste übernimmt. Welche Arbeitspakete, Kompetenzbereiche oder Aufgaben gibt es? Sind diese in klaren Organigram-men festgehalten? Ist das über Jahrzehnte gewachsene Ordnerarchiv in einem klaren digitalen System verstaut worden? Nur so kann eine Institution nachhaltig überga-befähig gemacht werden. So ist man – wie das zeitraum-

ARTFREMDE EINRICHTUNG: Von Okto-ber 2017 bis Juni 2018 öffnet zeitraumexit seine Räume in der Hafenstraße in Mann-heim für alle: Kampagnenbüro, Busi-ness-Start-Up, Kunstprojekt, Friseursalon, Werkstatt, Vereinsheim oder Tanztee – für jeweils vier Wochen ist alles möglich und kostenlos und das mit Unterstützung des gesamten Teams. Veranstaltungsräume, Technik und Infrastruktur werden für einen Monat jeder und jedem mit einer Idee zur Verfügung gestellt. 4 Wochen Zeit, 3 Veranstaltungsräume, 9 Mitarbei-ter*innen, 0 Miete: die Kultureinrichtung als Allmende. © zeitraumexit /Design: Valentin Alisch, Sarah Kral, Erika Mai

Change-Management geht nie reibungslos über die Bühne.

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exit – offen auch für temporäre Projekte von außen, die frischen Wind bringen.Auch über die Arbeitszeitmodelle lohnt es sich zu reflek-tieren. Jobsharing, Teilzeitarbeit, Home-Office, flexible Ar-beitszeiten – aber eben im Sinne des Arbeitnehmers. Es geht um Ergebnisse, und nicht darum, wann, wie und wo sie erarbeitet werden. Solche Arbeitszeitmodelle erhal-ten, wenn sie gut koordiniert sind, die Kräfte motivierter Menschen, egal welcher Generation. Sie erfordern aber auch, Altbewährtes zu hinterfragen. Braucht es wirklich eine 7-Tage-mal-24-Stunden-Ansprechzeit zur Betreuung Ehrenamtlicher? Ein Leben für das Zentrum und am bes-ten gleich im Zentrum? Zeugen Feierabend und freies Wo-chenende gleich von mangelndem Herzblut? Nein, Herzblut und Professionalisierung der Arbeitsstrukturen sind keine Gegensätze, schlussfolgern die Teilnehmer*innen. Ande-rerseits: Nur weil die Gründergeneration nicht Kulturma-nagement studiert hat, ist sie nicht weniger professionell in ihrer Arbeit, sonst wäre sie nicht da angekommen, wo sie heute ist. Und nur, weil die Nachfolgegeneration ihr Bedürf-nis, anders zu arbeiten, tatsächlich durchsetzt, zeugt dies nicht von mangelndem Gestaltungswillen oder mangelnder Tatkraft, sonst könnte sie sich wahrlich einfachere und besser bezahlte Jobs suchen. Dinge ändern sich nämlich nicht unbedingt, weil sie schlecht sind, sondern einfach, weil die Welt sich dreht. Ein Begegnen auf Augenhöhe, ein gegenseitiges Vertrauen ist hier gefragt. Manchmal funktioniert diese Begegnung intern in einem vom Vor-gänger/von der Vorgängerin begleiteten Übergangspro-zess, oder man arbeitet einige Zeit im Tandem. Direkte Wissensweitergabe, aber auch die Vermittlung der feinen Zwischentöne sind viel wert. Manchmal braucht es aber auch eine externe „Übersetzungsleistung“ zur Übergabe. Für die Gestaltung dieser individuellen Change-Prozesse braucht es Zeit und Geld. Die Stiftung Niedersachsen mit ihrem Programm sozioK_change oder die LAGS Nieder-sachsen mit ihrem umfassenden Beratungsangebot dürfen nicht die einzigen Institutionen sein, die das erkannt haben und leisten. Dieses Bewusstsein muss sich bei Förderern und in der Kulturpolitik verankern und Wirkung zeigen! Am Ende der Übergabe steht der Abschied. Der darf ge-feiert werden, laut, anerkennend, mit großer Geste und dem Blick zurück auf das Geschaffte! Dann muss man/frau loslassen, die Wege frei machen für Veränderung und die Neuen ihre Ideen verwirklichen lassen.

JUlIa TerbraCK ist Kulturmanagerin. Sie ist zurzeit in Elternzeit.

NIEDERSACHSEN

Kulturministerium stellt 1,7 Mio.für investive Projekte bereit

Das Niedersächsische Ministerium für Wissen-schaft und Kultur stellt mit dem Förderpro-gramm für kleine Kultureinrichtungen in Nie-dersachsen 2017 und 2018 jeweils 850.000 Euro bereit. Damit werden kleine, meist ehrenamtlich getragene Kultureinrichtungen bei Anschaffun-gen und kleinen Baumaßnahmen unterstützt. Mit dem Programm werden Maßnahmen zur Erhöhung der Angebotsvielfalt und zur Ent-wicklung neuer Vermittlungsformate sowie im Bereich der Digitalisierung und der Modernisie-rung der Infrastruktur gefördert. 2017 wurden 56, 2018 werden 62 Projekte unterstützt.

RHEINLAND-PFALZ

Neue Kulturförderrichtlinie vorgestellt

Kulturminister Konrad Wolf und der Präsident des Landesmusikrates, Peter Stieber, als Ver-treter des Netzwerks der rheinland-pfälzischen Kulturverbände, haben Mitte November in Mainz die neue Kulturförderrichtlinie vorgestellt. Auch die LAG Soziokultur & Kulturpädagogik Rhein-land-Pfalz hatte sich seit langem für die Ände-rung der Kulturförderrichtlinie eingesetzt und an der Novellierung mitgearbeitet. Der Erlass einer „Allgemeinen Richtlinie zur Festlegung von Erleichterungen bei der Kulturförderung und zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in der Kultur “ wird die Kulturförderung in Rheinland-Pfalz zukünftig deutlich vereinfachen. Die Vielzahl an Auflagen und Nachweisen hatte viele Kulturschaffende und Künstler*innen von der Antragstellung abgeschreckt. In vielen Kultur einrichtungen und Initiativen bildet das ehrenamtliche Engagement das Rückgrat der Arbeit. „Mit der neuen Förderrichtlinie wurde auch bewusst eine Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in der Kultur festgeschrieben“, so Kulturminister Konrad Wolf.

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FUTUR PERFECTVisionen visualisieren

Was kommt dabei heraus, wenn man junge Menschen nach ihren persönlichen Zukunftsvisionen oder ihrer persönlichen Botschaft an die Welt befragt? Und wie lassen sich diese Vorstellungen in einem Bild visualisieren? Dieser Frage sind die Filmemacherin Ulrike Korbach und die Grafikdesignerin Annette Naudiet in ihren Fotoprojekten „Zeitreise Hansa“ und „Erste Worte“ der Jahre 2016/17 nachgegangen. Zielgruppe waren Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren mit und ohne Fluchter-fahrung. Für einige der geflüchteten Jugendlichen war dabei das Thema Beruf von zentraler Bedeutung, aus völlig unterschiedlichen Motiven.Umgesetzt wurde ein Teil der Fotos in dem industriellen Umfeld einer ehemaligen Kokerei, die ein visuelles Spannungsfeld zu vielen der heu-tigen Berufsfeldern darstellte.

haSSan a.

Mein vater ist zahnarzt in aleppo. Ich habe ihn früher oft in seine Praxis begleitet und wollte schon immer zahnarzt werden. zurzeit mache ich eine ausbildung zum zahnarzthelfer, das macht mir viel Spaß und jetzt habe ich schon einige erfahrungen gesammelt. danach will ich zahn­ medizin studieren. Ich liebe diesen Job, weil ich mit vielen verschiede­ nen Menschen zusammentreffe, denen ich helfen kann ­ sie kommen mit Schmerzen und gehen ohne wieder nach hause.

Foto: © Merih.S.

Mehr unter: www.jugend-ins-zentrum.de

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durch einen nachbarn, der Pilot war, wurde mein Inter­ esse am Flugbetrieb bereits in meinem heimatland afghanis­tan geweckt. Meinen ursprüng­lichen berufswunsch Pilot zu erreichen, erscheint mir mo­mentan jedoch unrealistisch, ich hoffe aber eine Ausbildung als Fluggerätemechaniker zu bekommen. Ein Praktikum auf dem Flughafen habe ich schon absolviert. Ich finde es großar­tig, dass man als Pilot die ganze Welt bereisen kann – das will ich auch!

Foto: © Edris S.

MerIh S.

In meinem heimatland eritrea habe ich nebenbei ein Jahr als Tischler gearbeitet. hier in deutschland besuche ich zur­zeit die 9. Klasse. auf der Su­che nach einem beruf habe ich schon viele Praktika gemacht, nicht nur in der Schulzeit, son­dern auch in den Ferien. Gärt­ner, KFz­Mechatroniker, Tisch­ler, beim adFC, im altenheim und aktuell Koch ­ das habe ich alles schon ausprobiert.

Foto: © Nief A.

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Die zukunftsweisende Kraftvon Kultur

Dritte Runde im Stipendienprogramm „START – Create Cultural Change“

Anlässlich des neuen Programmjahres von „START – Create Cultural Change“ für angehende griechische Kulturmanger*innen fand am 23. September 2017 in der Berliner Kulturbrauerei das große Opening Event statt. Im Anschluss absolvierten 30 Stipendiat*innen ein Fort- bildungsprogramm und ein sechswöchiges Praktikum in soziokultu- rellen Zentren. Mitte November wurden 15 von ihnen ausgewählt, die nun bis Mai 2018 eigene Projekte in Griechenland realisieren werden.

von FabIO GOrChS

Grund zu feiern gab es für alle: Die Gäste der Veranstaltung trafen zum ersten Mal auf die 30 griechischen Kulturma-nager*innen und auf Vertreter*innen der 30 Gastinstitu-tionen, in denen die Stipendiat*innen in den kommenden Wochen den Arbeitsalltag soziokultureller Zentren kennen-lernen würden. Die Stipendiat*innen wurden zum ersten Mal mit ihren Projektideen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Grund zur Freude hatten auch drei Stipendi-at*innen des vorherigen Programmjahres: Sie erhielten die START Scaling Grants der John S. Latsis Public Benefit Foundation, mit denen innovative Projekte ausgezeichnet werden, die nachhaltig und dauerhaft Wirkung im sozialen Kontext entfalten. Mit Live-Musik und Performances bot die Veranstaltung einen ansprechenden Rahmen für die deutsch-griechische Vernetzung von Kulturschaffenden.

die Keynote hielt in diesem Jahr STeFan hOrn zur bedeutung von Kultur als ein Instrument für sozialen wandel:„Seit fast 20 Jahren beschäftigt sich der Berliner

Stadt-Kunstverein urban dialogues mit allen Arten von Veränderungen und Umwälzungen im städtischen wie im sozia len Bereich mit den Mitteln der künstlerischen Forschung.Auf internationaler Ebene hat urban dialogues in den letz-ten Jahren Projekte initiiert, um Unterschiede und Gemein-samkeiten zwischen Metropolen zu untersuchen. Die dabei entstehenden translokalen und transkontinentalen Dialoge versuchen, diverse Möglichkeiten und Methoden zutage zu fördern, um gemeinsam zu diskutieren, um voneinander zu lernen und an der nachhaltigen Entwicklung von Städten aktiv als Kulturschaffende mit zu wirken.Doch was bedeutet Kultur eigentlich? Wenn wir über Kultur sprechen, so denken wir in erster Linie an ein museales Er-innerungsarchiv, an die Errichtung von Denkmälern und an Kunsthandwerk aus vergangenen Zeiten und Traditionen. Darüber hinaus hat Kultur auch eine zeitgenössische Be-deutung in Bezug auf Kochen, Tanzen, Mode, Sport, Spiel

und andere Formen des menschlichen Handelns. Zudem findet Kultur ihren Ausdruck in der bildenden und der dar-stellenden Kunst, in der Musik, in Architektur und Sprache. Kultur ist all das, und vielleicht noch mehr: Der französi-sche Philosoph Louis Althusser meinte: ‚Kultur spiegelt nicht die Gesellschaft wider, sondern produziert sie.‘

Seit den 1960er Jahren hat die Kunstwelt eine Reihe von verschiedenen Praktiken erlebt und erschaffen - Hap-penings, Interventionen, Performances, Workshops und Aktionen unterschiedlichster Art -, die die klassischen Defi-nitionen von Kunst in Frage stellen. Die Künstler versuchen oftmals, eine unmittelbare Beziehung zu ihrem Publikum herzustellen, indem sie verschiedene Arten des Zusam-menwirkens erforschen. Es geht um die Erzeugung von konkreten Verbindungen zwischen mannigfaltigen Ziel-gruppen, Themen, Standorten und Rahmenbedingungen. Diese Formen künstlerischen Schaffens haben klare politi-sche Absichten und verwischen dabei die Grenze zwischen Kunst und Kultur, aber auch zwischen Kunst und Leben.Bei der Arbeit an der Schnittstelle von Kunst und sozia ler Realität sollte daher die erste Frage lauten: Wer profitiert davon und was sind die Erwartungen der Ini tiatoren und der Teilnehmer? Anschließend muss geklärt werden, wie man die künstlerische Projektidee mit den Interessen der Teilnehmer in einen sinnvollen Einklang bringt, stets unter

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Berücksichtigung ethischer und struktureller Aspekte der Zusammenarbeit. Diese Fragen führen uns zum Begriff der Partizipation. Um einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen, müssen die verschiedenen Kunst- und Kulturformen ihre Teilha-bemöglichkeiten vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen bottom-up-Initiativen einerseits und der top-down-Praxis auf der Basis ökonomischer, ästhetischer und sozialer Werte auf der anderen Seite exakt ausba-lancieren. Ich möchte an dieser Stelle auf zwei intellektuelle Posi-tionen verweisen, von denen ich meine, dass sie für das Verständnis des Potenzials von Kultur bei dem Blick in die Zukunft und deren aktiver Gestaltung von entscheidender Bedeutung sind: Albert Hirschman war ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, der in Berlin geboren wurde und nach der Machtergreifung des Nazi-Regimes in die USA auswanderte. In den frühen 1970er Jahren schrieb er das Buch mit dem Titel ‚Exit, Voice and Loyalty‘.

Die Grundthese von Hirschmann lautet darin: Mitglieder einer Gemeinschaft, sei es eine Firma, eine Organisa tion oder ein Nationalstaat, haben im Wesentlichen zwei Mög-lichkeiten aktiv zu werden, wenn sie wahrnehmen, dass die Gemeinschaft eine Qualitätsminderung erfährt, die zum Nachteil ihre Mitglieder gelangen kann: sie können aussteigen (EXIT-Strategie); oder sie können ihre Stimme erheben und versuchen, die Situation durch Kommunika-tion, Beschwerde, Vorschläge oder aktive Teilnahme zu verbessern (VOICE). So können die Bürger eines Landes auf zwei Arten auf eine zunehmende politische Repression oder Krise reagieren: Sie können entweder auswandern oder protestieren.

Doch was bedeutet dies für uns Kulturschaffende? Unsere ureigene Aufgabe als Kulturakteure liegt darin, im sozia-len und kulturellen Bereich die Bürger zu befähigen: sie im Diskutieren und Argumentieren zu unterstützen, sie zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben und vor allem ihnen zu helfen, Widersprüche innerhalb des kollektiven sozialen Lebens auszuhalten oder zu überwinden. VOICE ist eine kulturelle Technik und VOICE muss in Form von kreativen Aktionen ausgedrückt werden, die eine lokale Verankerung haben. Deshalb brauchen wir auch einen ortsbezogenen kulturellen Rahmen, wie ihn zum Beispiel die soziokulturellen Zentren bieten, um Bürger zu mobilisieren und mit ihnen in einen echten Dialog zu treten.Der indisch-amerikanische Anthropologe Arjun Appadu-raj zeigt in seinem Aufsatz ‚The Capacity to Aspire‘ auf, wie die Ideenfindung von Vorstellungen oder konkreten Lösungen für die Zukunft immer der Wirtschaft zuge-schrieben wird. Denn Ökonomie handelt scheinbar im-mer vorwärts gewandt, während die Kultur dazu auser-koren ist, die Rolle des Wächters unseres sozialen und menschlichen Erbes zu spielen. Doch dieser Idee des reinen Wächterdaseins widerspricht Appaduraj vehe-ment. Seiner Ansicht nach besitzt Kultur beides - eine bewahrende und beobachtende Komponente, aber eben auch eine zukunftsweisende Kraft.Kunst im Allgemeinen und sozial engagierte Kunstformen im Besonderen können die Welt nicht verändern. Aber sie können und sollten versuchen, die Wahrnehmung der Bür-ger zu sensibilisieren, so dass diese befähigt werden, über soziale und gesellschaftliche Bedingungen zu reflektieren, um sich schließlich zu organisieren und um letztendlich aktiv zu werden und zu versuchen, die Dinge zu verbessern oder gar zu verändern. Das ist ein sinnvoller Grund, sich als Kulturschaffender zu engagieren.“

Gekürzte und aus dem Englischen übertragene Rede von Stefan Horn, Kurator von urban dialoges.

Unsere ureigene Aufgabe liegt darin, die Bürger zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben.

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Auch im dritten Jahr sind die Projekte wieder enorm vielfäl-tig und berühren eine große Bandbreite an gesellschaftlich relevanten Themen. Ob Theaterstücke, die unsere gesell-schaftlichen Wertvorstellungen infrage stellen, integrative Tanz-Workshops für Geflüchtete und Senior*innen, in de-nen allein der Körper als Musikinstrument dient oder Bil-dungsangebote für Kinder, die ein Bewusstsein für unser Ökosystem schaffen sollen. In den 30 verschiedenen Gast-institutionen vertieften die Stipendiat*innen ihre Kenntnis-se, lernten soziokulturelle Strukturen und Arbeitsweisen kennen und führten selbst ein Miniprojekt durch.

FabIO GOrChS ist Kulturmanager und Social Media Redakteur.

Fotos (v.o.n.u.):Angeliki Mitropoulou sammelt Erfahrungen für ihr inklusives Tanzprojekt in Athen beim steptext dance project in Bremen.

Kolleginnen auf Augenhöhe: Natasa Chanta-Martin (Mitte) mit Katrin Temme und Carina Clay. Natasa Chanta-Martin brachte Body Percussion in die Tanz- und Theaterwerkstatt Ludwigsburg.

Aggelina Kanellopoulou entwickelt mit Kindern in der Kulturfabrik Löseke, Hildesheim, das Logo für ihr Naturschutzprojekt „Bee Camp“.

Austausch und Wiedersehen: Bei den START-Regionaltreffen führt Olga Daskali durch ihr neuen Zuhause: die Honigfabrik in Hamburg.

Testphase im Waschhaus Potsdam für Vanessa Melissourgaki. Sie baut in Athen einen Spielplatz für Geflüchtete mit neuesten Technologien.

Save The daTe! Ab 5. März 2018 können sich soziokulturelle Zentren und Initiativen wieder als Gastinstitutionen bei STarT bewerben! www.startgreece.net,facebook.com/startgreece

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Konferenz fürTrendsetter

Klubszene fordert bessere RahmenbedingungenBei der Konferenz „Our House“ der LAG Soziokultur Thüringen konnten sich im Oktober in Weimar erstmals thüringische Musikveranstalter und Klubbetreiber aus-tauschen und vernetzen. Es hat sich gezeigt: Viele Spielstätten verrichten ihre wichtige Kulturarbeit unter katastrophalen Rahmen-bedingungen. Eine gezielte Förderung der Strukturen ist notwendig. Der Freistaat Thüringen zeigt sich gesprächsbereit.

von ThOMaS PUTz

Erstes Treffen der Klub­ und Veranstalter­szene ThüringensAnwohnerbeschwerden, Behördenauflagen, GE-

MA-Abgaben, Kommerzialisierungsdruck – Musikspiel-stätten und Clubs haben einiges auszuhalten. Dabei sind sie Trendsetter und Durchlauferhitzer für die Stars von morgen. Sie betreiben mit viel Herzblut Nachwuchsförde-rung jenseits von kommerziellen Formaten, sind Arbeit-geber und Standortfaktor. Wie steht es um die Club- und Veranstalterszene in Thüringen? Mit welchen Problemen hat sie zu kämpfen? Welche Förderung braucht sie? Und wie funktionieren die Klubs jenseits der großen Städte?

Diese und weitere Fragen standen auf der Agenda der Konferenz „Our House“, die am 12. Oktober 2017 im Ju-gend- und Kulturzentrum mon ami in Weimar stattfand. Initiiert und veranstaltet von der LAG Soziokultur Thüringen und in Kooperation mit der LiveKomm sowie der LAG Jazz in Thüringen, brachte die Konferenz erstmals die Club- und Veranstalterszene des Freistaates zusammen. Mehr als 70 Gäste und Expert*innen diskutierten in Panels und Gesprächsrunden über die Bedingungen und Perspektiven einer Kulturarbeit, die bisher eher selten im Fokus des kulturpolitischen Interesses lag.Es zeigte sich, dass viele Spielstätten ihre wichtige Kultur-arbeit unter teilweise katastrophalen Rahmenbedingungen verrichten: steigende Kosten und Abgaben, prekäre Be-schäftigung und sanierungsbedürftige Häuser. Es sei höchs-te Zeit zu handeln. Es fehle nicht nur an Wertschätzung und einer kulturpolitischen Lobby, sondern auch an gezielter Unterstützung für den Betrieb der Kultureinrichtungen.

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Musikspielstätten betreiben mit viel Herzblut Nachwuchs-förderung, sind Arbeitgeber und Standortfaktor.

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Austausch zu Problemfeldern und Lösungs­ansätzenDer Publizist und Konzertveranstalter Bertold Se-

liger hielt in seinem Einführungsvortrag ein Plädoyer für kulturelle Vielfalt. Um diese tatsächlich zu verwirklichen, müsse die Politik Bedingungen schaffen, damit Kultur ent-stehen könne. Etwa über günstige Mieten für Spielstätten oder Proberäume. Gleichzeitig müsse das Grundrecht auf kulturelle Teilhabe immer wieder neu erkämpft und artiku-liert werden, denn die Gesellschaft benötige eine Gegen-kultur. „Die wirklich interessanten kulturellen Strömungen und Innovationen entstehen immer am Rande der Gesell-schaft, nicht im Mainstream.“ Kulturhäuser, Live-Klubs und soziokulturelle Zentren hätten dabei eine zentrale Funk-tion: Sie geben neuen Künstlern eine Plattform. Deshalb, so forderte Seliger, müssen diese Strukturen institutionell gefördert werden.

Diese Forderung zog sich wie ein roter Faden durch die anschließenden Panels, in denen sich die Teilnehmenden gemeinsam mit Expert*innen aus dem gesamten Bun-desgebiet über aktuelle Problemfelder austauschen und Lösungsansätze entwickeln konnten. Neben den Themen Profilentwicklung, Grundkostensteigerung oder Investi-tionsstau in Spielstätten ging es auch um den Lärmschutz. Der Geograf Torsten Wißmann plädierte dafür, Lärm neu zu definieren, da sich die Geräuschkulisse einer Stadt auch immer wieder verändere. Zudem sei das Lärmempfinden hochgradig subjektiv. Wenn Einwohner*innen zuzögen und sich über den Lärm im Viertel beschwerten, sei das auch eine politische Frage. Eine Stadt könne auch ihre schützen-de Hand über die Klubs halten und dürfe nicht willkürlich Schließungen veranlassen.

Podiumsdiskussion mit der GeMaIn der anschließenden Podiumsdiskussion zur

GEMA- Reform kritisierten Klubvertreter*innen unter an-derem die mangelnde Erreichbarkeit von kompetenten Berater*innen und die späte Erstellung der Abrechnungen seitens der GEMA. Lorenz Schmid von der GEMA-General-direktion räumte Schwierigkeiten bei der Umstrukturierung von der „regionalen zur funktionalen Organisation“ ein. Derzeit gebe es noch „andere Durchlaufzeiten“, aber er versicherte, dass die Probleme in den nächsten Monaten beseitigt würden. Aber Schmid verwies auch auf die Be-ratungspflicht der Verbände, die dafür jährlich Nachlässe in Höhe von 54 Millionen Euro bekämen. Olaf Möller, poli-tischer Sprecher der LiveKomm, kritisierte das normative Vorgehen der Verwertungsgesellschaft. So schlug er vor, statt zehn Prozent Strafe bei Nichtabgabe einer Musikfolge nach einer Veranstaltung fünf Prozent Bonus bei fristge-rechter Abgabe einzuführen. Schließlich gab Schmid den Teilnehmer*innen mit einem Augenzwinkern noch eine Empfehlung mit auf den Weg: „Es nützt nichts, wenn Sie mogeln und Ihre Veranstaltung nicht anmelden. Unsere Außendienstmitarbeiter werden es mitbekommen.“

Die wirklich interessanten kulturellen Strömungen entste-hen am Rande der Gesellschaft.

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Thüringer KULTURRIESE 2017

Der Verein 3K – Kunst, Kultur, Kommunikation e.V. aus Mühlhausen erhält in diesem Jahr den KULTURRIESEN, den Förderpreis der Soziokultur in Thüringen. Die Jury lobte vor allem die gene-rations- und spartenübergreifende Arbeit des seit über 25 Jahren aktiven Vereins sowie des-sen weite Strahlkraft. Zudem habe er mit seiner Spielstätte, der Killianikirche, ein bedeutendes Baudenkmal der Stadt gerettet und einer kultu-rellen Nutzung zugeführt. Der Förderpreis wird seit zehn Jahren von der LAG Soziokultur Thüringen für beispielhaftes soziokulturelles Engagement im Freistaat ver-geben. Die Mitglieder der LAG stiften mit ihren Beiträgen diesen unabhängigen Kulturpreis, der damit etwas ganz Besonderes ist: ein Preis, der die soziokulturelle Szene aus sich heraus fördert und motiviert.

Mitgliederzuwachs in Thüringen

LAG Soziokultur Thüringen wächst weiter. Allein im Jahr 2017 sind acht neue Mitglieder aufgenommen worden. Mit Freie Bühne Jena e.V., Freie Lernwelten e.V. und Freiraum e.V. sind al-lein drei Vereine aus Jena dabei. Aber auch das Netzwerk in Südthüringen wird durch die neuen Mitgliedschaften des Kubus e.V. aus Suhl und des Heimatförder-Verein Zeilfeld e.V. aus Römhild ausgebaut. Darüber hinaus zählen PAF – Pößneck Alternativer Freiraum e.V., Kinder- und Jugend-kunstschule Wartburgkreis e.V. aus Schweina und die Buchkinder_Weimar zu den neuen Mitglie-dern. Damit hat die LAG Soziokultur Thüringen nun 76 Mitglieder.

LANDAUF.LANDAB

rahmenprogramm und FazitNeben dem fachlichen Austausch bot die Konferenz

auch die Möglichkeit, die Klub- und Veranstalterszene in Weimar kennenzulernen, wovon gerade die auswärtigen Konferenzgäste sehr angetan waren. Wolfgang Renner, Stadtführer und Gründungsmitglied der LAG Soziokultur Thüringen, konnte beim Stadtspaziergang auf sein geball-tes Wissen zurückgreifen – vor allem im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung der Klubs und soziokulturellen Zentren in Weimar. Auf dem Besuchsprogramm standen der Kasseturm, das E-Werk und der C.Keller.Zum Abschluss der Konferenz konnten die Gäste bei der Live-Show mit dem drum klub aus Berlin noch einmal rich-tig Dampf ablassen. Während die Crew auf der Bühne ihre spektakulären, in ein DJ-Set eingebauten rhythmischen Figuren zum Besten gab, konnte das Publikum auf eigenen Drum-Sets mittrommeln. Alle Trommler verschmolzen so zu einem gemeinsamen Klangkörper. Ein perfekter Ab-schluss! Was ist das Fazit der Konferenz? Es sei, so das einhellige Credo der Teilnehmenden, zunächst wichtig gewesen, ein-ander kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Prob-leme wurden identifiziert und erste Forderungen öffentlich formuliert. Durch die begleitenden Medienberichte konnte sich die Szene Gehör verschaffen. Die LAG Soziokultur Thüringen wird auch in den nächsten Monaten am Thema bleiben und die Forderungen in die Politik und Verwaltung tragen. Im Januar schon wird es ein Gespräch mit dem Thüringer Kulturminister geben, bei dem die Ergebnisse der Konferenz ausgewertet und mögliche Handlungsschritte erörtert werden sollen. Erste Vernetzungsaktivitäten der thüringischen Musikszene sind auch schon zu verzeichnen: Im November gründete sich mit der Landesarbeitsgemein-schaft für Improvisations- und Songkultur Thüringen e.V. erstmals eine Interessenvertretung für Akteure im Bereich der Popularmusik in Thüringen.

Die Konferenz-Dokumentation ist abrufbar unter www.soziokultur- thueringen.de

ThOMaS PUTz ist Mitarbeiter bei der LAG Sozio kultur Thüringen e.V.

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BRANDENBURG

Im Hinterland der weiten Wege

Konferenz „Kreative Provinz III“ des Netzwerks RaumUmOrdnung in Bitterfeld

von anne PeSChKen

indoorsUnter dem Motto „Veränderung bewirken in peri-

pher(gemacht)en Räumen“ kamen die Aktivist*innen des Netzwerks RaumUmOrdnung am 10./11. Oktober 2017 mit Künstlerinitiativen und Grassroot-Organisationen aus ländlichen und peripheren Räumen zusammen. Bitterfeld war der passende Tagungsort: eine schrumpfende Stadt mit viel Leerstand; bei den Menschen viel Wehmut nach vergangenen Zeiten und das mit Trotz gemischte Gefühl, vergessen worden zu sein. Diese Atmosphären kennen die RaumUmOrdner, das sind die Felder, die sie seit Jahren künstlerisch beackern und wo sie die Saat von Zusam-menhalt, Reflexion und Kreativität ausbringen, um der gesellschaftlichen Erosion entgegenzuwirken. Zum Auftakt der Konferenz „indoors“ im Ratssaal zeigte Anne Peschken in einer Videoinstallation mit 20 Tablets Kurzporträts der Initiativen. Diese Einblicke ins Tun und Denken der Akteure entfaltete eine Sogwirkung! Die 50 Teilnehmer*innen der Konferenz rückten die Stühle, um zu erfahren, wie vielfältig und originell die Projekte der jeweils anderen und wie ähnlich unsere Problemlagen sind als chronisch überlastete Einzelkämpfer, Allrounder, die zugleich Konzeptentwickler, Abrechnungsprofis, Non-Pro-fit-Manager und Innovationstreiber sind - und das im Hin-terland der weiten Wege. Durchs wechselseitige Kennen-lernen fiel es wie Schuppen von den Augen: Wir sind mehr und anderes als nur Konkurrent*innen um Projektmittel.

Wir sind viele einzelne Kräfte, die, über verschiedene Orte verstreut, am selben gesellschaftlich-kulturellen Strick zie-hen. Masse kann auch klasse sein! Diese Erfahrung zeugte vom Aufbruchswillen, der sich durch die ganze Konferenz zog. Am zweiten Tag flossen die Ergebnisse der Workshops von Susanne Bosch, Ba-bette Scurrell, Andreas Willisch und Gerrit Gohlke dank der Moderation von Thies Schröder in einem Maßnah-menkatalog von 10+3 Thesen zusammen. Kurzgefasst: In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und Präsenz populistischer und nationalistischer Kräfte in den Räumen, in denen wir aktiv sind, fordern wir von der Poli-tik, soziokulturelles, partizipatorisches und künstlerisches Engagement nachhaltig und konsequent zu stützen und zu stärken. Der Begriff von Heimat darf nicht den Rechten zum Missbrauch überlassen werden, sondern sollte von Aktiven vor Ort in demokratischer Weltoffenheit entwickelt werden. Für uns steht jetzt an, eine gemeinsame, mit Pra-xis unterlegte Haltung und Sichtbarkeit herzustellen.

outdoorsZusätzlichen Drive erhielt die „Kreative Provinz III“

durch künstlerische Interventionen outdoors, die raum-UmOrdnerisches Tun erlebbar machten. Dank der Ko-operation mit dem Verein Energieavantgarde Anhalt (EAA) und der Stadt Bitterfeld-Wolfen konnten neben der Konfe-renz auch diese Arbeiten realisiert werden. Die Wanderboje von Marek Pisarsky und Anne Peschken (kula e.V.) war als mobiles Kommunikationstool Verbindungsglied zu den Anliegen des Forschungsprojekts der EAA. Sie sammelte Ideen und Wünsche der Bitterfelder*innen zu einem ener-gieeffizienten, regenerativen Stadtumbau und transpor-tierte sie auf den Marktplatz. Sibylle Hofter ver öffentlichte Fotos von eher verborgenen Bitterfelder Arbeits- und Le-benswelten als Plakate in Schaufenstern. Karsten Wittke (Institut zur Entwicklung des ländlichen Kulturraums e.V., Baruth) und Ursula Achternkamp durchleuchteten die Stadt mit der Wärmebildkamera. Die entstandene Film-collage wurde in der lokalen Eisdiele gezeigt. Jörg Schlinke (Kammergarten Stierow) schuf mit Feuerstellen, die er im Stadtraum anmachte und bewachte, denkwürdige Bilder. An einem Ort, wo nicht wenige das Gefühl haben, dass nun bald der Letzte das Licht ausmacht, kann einem via Kunst eben doch wieder ein Licht aufgehen!

www.raumumordnung.net

anne PeSChKen ist bildende Künstlerin und Mitbegründerin des kula e.V. Seit 1995 ist sie mit Kunstprojekten im Grenzraum zwischen Polen und Deutschland aktiv. Sie ist Vorstandsmitglied des Netzwerks RaumUmOrdnung.

Wir sind viele, die am selben gesellschaftlich-kulturellen Strick ziehen.

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„Mit den Leit und für die Leit“ -Landesverband im Saarland inGründung

von hanS­MarTIn derOw

Auf gemeinsame Initiative des soziokulturellen Zentrums BREITE63 und des saarländischen Kultusministeriums tra-fen sich am 17. Oktober 2017, einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt, sechs saarländische Ein-richtungen, Initiativen und Verbände zur Gründung einer Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur im Saarland. Ulrich Commerçon, Minister für Bildung und Kultur, be-grüßte die Absicht zur Gründung eines soziokulturellen Netzwerkes an der Saar und bedankte sich bei Margret Staal und Eleonore Hefner, beide Mitglieder des Vorstands der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren, für die fachliche Begleitung. Er betonte, dass aus seiner Sicht der richtige Zeitpunkt gekommen sei, einen solchen Zu-sammenschluss zu gründen. Damit würde auch ein Gegen-gewicht zur Tendenz der Abschottung und Ausgrenzung gesetzt, die im öffentlichen Leben und in der Gesellschaft in vielen Bereichen zu beobachten sei. Er setzte der Leit-kultur, wie sie vorwiegend von konservativer und rechter politischer Seite propagiert werde, seine Vorstellung einer Leitkultur „mit den Leit“ und „für die Leit“ (saarländisch Leit = Leute) entgegen. Der Minister bekräftigte seine Absicht, den Gründungsprozess und die Arbeit einer so-ziokulturellen Struktur im Saarland zu unterstützen, und ermunterte die anwesenden Institutionen zur Mitwirkung. Hans-Martin Derow, künstlerischer Leiter der BREITE63, beschrieb die vielfach positiven Erfahrungen seines Hau-ses als Mitglied der Bundesvereinigung. Eleonore Hefner betonte, dass gerade ein saarländisches Netzwerk im Di-alog mit den anderen europäischen Regionen eine inter-essante Bereicherung für den überwiegend bundesweit agierenden Dachverband wäre. Alle Anwesenden bekun-deten ihr Interesse an der Mitwirkung in einer solchen Landesarbeitsgemeinschaft. Daraufhin wurde beschlossen, diesen Prozess mit einer ersten Gründungswerkstatt im November 2017 im Kulturzentrum Villa Fuchs in Merzig zu beginnen. Gesagt, getan! Eingeladen wurden hierzu weitere Kultureinrichtungen und Organisationen aus dem kleinsten Bundesland im Südwesten der Republik. Um eine gemeinsame Philosophie eines saarländischen Netzwerkes zu entwickeln, wurde zunächst eine Liste von elf Leitfragen zusammengestellt, die als Grundlage für die weitere kon-zeptionelle Arbeit dienen soll. Bis Pfingsten 2018 soll die Gründung der LAG Soziokultur im Saarland vollzogen sein.

hanS­MarTIn derOw ist künstlerischer Leiter des Bürger- und Kulturzentrums BREITE63 in Saar-brücken.

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25. Jubiläum der Landesarbeitsge-meinschaft Soziokultur & Kultur-pädagogik Rheinland-Pfalz

von MarGreT STaal

Back to the roots und neuer Aufbruch zu weiteren Ufern: An ihrem Gründungsort, der Burg Waldeck im Hunsrück, feierten die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur & Kulturpädago-gik Rheinland-Pfalz mit gela-denen Gästen am 16. Oktober 2017 ihr 25-jähriges Jubiläum. Eingeladen hatte der Landes-verband schon für den Nach-

mittag, um gemeinsam in Workshops kreativ zu werden. Der Verband wollte seinen Mitgliedern und anderen Kul-turakteuren einen anregenden Nachmittag bieten, wie ihn viele sonst nur für andere organisieren. Da wurde auf Cajatons getrommelt, im Poetry-Slam getextet, mit allerlei Materialien künstlerische Interventionen im Gelände vor-genommen und die Kunst des Beatboxings erprobt.Einige Ergebnisse flossen in das Abendprogramm der offiziellen Feier ein. So konnte der anwesende Staats-sekretär Prof. Dr. Salvatore Barbaro das erste Mal einen professionellen Beatboxer erleben, was ihn nachhaltig beeindruckte. In seiner Rede würdigte er die Arbeit der Akteure: „Die Soziokultur und der Landesverband als ihr wichtigstes Sprachrohr und Beratungsorgan haben die rheinland-pfälzische Kulturlandschaft in den vergangenen Jahren wesentlich bereichert. Gerade Menschen, für die dies nicht selbstverständlich ist, können dank der soziokul-turellen Einrichtungen und Initiativen Konzerte, Kunstaus-stellungen und vieles mehr landesweit erleben. Mit ihren Ideen und Angeboten, aber auch als genaue Beobachterin gesellschaftlicher Verhältnisse und Veränderungen wird die Soziokultur heute mehr denn je gebraucht – und da-bei selbstverständlich auch von Landesseite unterstützt.“ Dank des sonnigen Wetters fand die Feier draußen an der offenen Bühne statt, und der Abend konnte beim La-gerfeuer mit vielen Gesprächen ausklingen. Eine nicht so spektakuläre und aufwendige, aber dafür intensive und für alle Beteiligten sehr schöne Form für das Jubiläum. So wie sich auch ein guter Teil unserer Arbeit darstellt, eher kleinteilig, nicht so oft spektakulär, aber dafür intensiv und mit nachhaltigen Erlebnissen für die Beteiligten.

MarGreT STaal ist Mitarbeiterin im Kulturbüro Rheinland-Pfalz, Vorstandsmitglied der LAG Sozio-kultur & Kulturpädagogik Rheinland-Pfalz e.V. und der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.

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ImpressumSOZIOkultur Zeitschrift der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. 27. Jahrgang | SOZIOkultur Nr. 1094/2017 | ISSN 0946-2074

HerausgeberinBundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.

Geschäftsstelle Lehrter Str. 27–30 | 10557 Berlin T 030.3 97 44 59-0 | F [email protected]

Rechnungsstellec/o E-WERK Kulturzentrum GmbH Fuchsenwiese 1 | 91054 Erlangen T 09131.80 05-15 | F -10 [email protected]

Redaktion/Lektorat Ellen Ahbe, V.i.S.d.P.

Redaktionelle MitarbeitWerner Danneberg, Ute Fürsten berg, Lena Kühnreich, Kristina Rahe, Edda Rydzy

RedaktionsteamSiegfried Dittler, Noren Fritsch, Griet Gäthke, Eleonore Hefner, Robert Hillmanns, Lars Johansen, Christine Pfirrmann, Kristine Schütt, Ronja Wiechern

Thementeil dieser AusgabeEleonore Hefner und Kristine Schütt

Gestaltunganschlaege.de und Ute Fürstenberg

DruckLASERLINE, Druckzentrum, Berlin

FotonachweisEllen Ahbe (S. 1) © Swen Gottschall Harald Welzer (S. 6) © vhwMichael Bohmeyer (S. 8) © Christian Stollwerk

Erscheint quartalsweise zum Einzelpreis von 3,50 Euro (inkl. Versand 5,60 Euro), im Jahres abo für 18,30 Euro inkl. Versand. Namentlich gekenn-zeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Mei nung der Redaktion wieder. Für unverlangt ein gesandte Manuskripte sowie für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr. Nachdruck auf vorhe-rige Anfrage mit Quellenangabe. Belegexemplar erwünscht. Die bisher erschienenen Ausgaben sind abrufbar unter www.soziokultur.de.

LandesverbändeLAKS Baden-Württemberg e.V. LAG der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren in Ba den-Württemberg e.V. Alter Schlacht hof 11 | 76131 Karlsruhe T 0721.47 04 19 10 [email protected] | www.laks-bw.de

LAG Soziokultur Bayern e.V.c/o Z-Bau | Frankenstr. 200 | 90461 Nürnberg T 0911.4 33 49-212 | F -229 [email protected] | www.soziokultur-bayern.de

LAG Soziokultur Brandenburg e.V. Charlottenstr. 121 | 14467 Potsdam T 0 172.3 74 60 92 lag.soziokultur.brandenburg@t-online.dewww.soziokultur-brandenburg.de STADTKULTUR BREMEN e.V.Schildstr. 12–19 | 28203 Bremen T 0421.70 10 00 [email protected] | www.stadtkultur.bremen.de

STADTKULTUR HAMBURG e.V.Stresemannstr. 29 | 22769 Hamburg T 040.8 79 76 46-0 | F -20 [email protected] | www.stadtkultur-hh.de

LAKS Hessen e.V.LAG der Kultur initiativen und sozio kulturellen Zentren in Hessen e.V. | c/o Kulturzentrum SchlachthofMombachstr. 12 | 34127 Kassel T 0561.8 90 68-81 | F [email protected] | www.laks.de

LAG Soziokultur Mecklenburg-Vorpommern e.V.Lange Straße 49 | 17489 Greifswald T/F 03834.79 96 46 [email protected] | www.lag-soziokultur-mv.de

LAG Soziokultur Niedersachsen e.V.Lister Meile 27 | 30161 Hannover T 0511.5 90 90-40 | F [email protected] www.soziokultur-niedersachsen.de

LAG soziokultureller Zentren Nordrhein-Westfalen e.V.Achtermannstr. 10–12 | 48143 Münster T 0251.51 84-75 | F -76 [email protected] | www.soziokultur-nrw.de

LAG Soziokultur & Kulturpädagogik Rheinland-Pfalz e.V.Kulturbüro Koblenzer Str. 38 | 56112 Lahnstein T 02621.6 13 25-0 | F -5 [email protected] | www.kulturbuero-rlp.de

LASSA e.V. LAG soziokultureller Zentren im Land Sachsen-Anhalt e.V.Brandenburger Str. 9 | 39104 Magdeburg T 0391.2 44 51-60 | F -70 [email protected] | www.soziokultur-sachsen-anhalt.de

LAG Soziokultur Schleswig-Holstein e.V.Gurlittstr. 22 | 25813 Husum T 04841.8 12 43 | F .6 23 75 [email protected] | www.soziokultur-sh.de

LAG Soziokultur Thüringen e.V.Michaelisstr. 34 | 99084 Erfurt T 0361.7 80 21 40 | F .6 57 85 28 [email protected]