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36H YP ER! M USIK & K U N ST
68K RIEG SF OTO G R AFINNEN
46M AN TEG NA U ND BEL L INI
M ARK ROTHKO
24
JANA EU L ER
58
NIL YALTER
82
4
M A N T E G N A / B E L L I N I : Renaissance-Gipfeltreffen in Berlin
Mark Rothkos AuraLiebe, Gier, Erleuchtung: Wovon diese Bilder erzählen – jetzt in Wien
D € 11,80 // A € 13,50 // CH sfr 18,80 // P (cont.), I, E € 15,50 // B, NL, LUX € 13,60
DA S K U N S T M AG A Z I N // M Ä R Z 2 0 1 9
TITEL
MARK ROTHKO Seine glühenden Farbfeld-bilder lösen rauschhafte Gefühle aus und kos-ten Millionen. Wie sie entstanden und warum der US-Maler trotz des Erfolgs nicht glücklich wurde, zeigt eine große Schau in Wien 24
RADAR
BILDER DES MONATS Investoren-Ruinen, ein Meer aus Müll, Dior im Museum. KUNST AUS DEM OFF Warnfiguren am Straßenrand der Golfstaaten. AKTUELL ÜBERSCHÄTZT Julian Schnabels Plastiktaschen. ART-CARTOON von Frank Nikol. KUNST FÜR EINE BESSERE WELT Eine Schrift, die dem Vergessen vorbeugt 8—18
THEMEN
ART-KURATORENPREIS Die zwölf Nominierten für die Auszeichnung zur besten Ausstellung des Jahres 2018 20
HYPER! MUSIK & KUNST Was Techno mit Malerei zu tun hat und Popmusik mit Video-kunst, demonstrieren die Deichtorhallen in Hamburg – eine Ausstellung, die rockt! 36
MANTEGNA UND BELLINI Zwei Renais-sancemeister, die sich gegenseitig inspirierten. Wie viel sie voneinander abmalten, offen- bart nun eine einzigartige Schau in Berlin 46
JANA EULER Radikal, hässlich, monströs – die Frankfurter Malerin brennt sich gerade mit Hingucker-Bildern ins Kunstgeschehen ein 58
KRIEGSFOTOGRAFINNEN Sie hießen Gerda Taro, Catherine Leroy und Lee Miller – unerschrockene Frauen, die als Kriegsreporte-rinnen Geschichte schrieben. An ihr Leben und Werk erinnert eine Schau in Düsseldorf 68
BILDSEMINAR Wolfgang Ullrich erklärt, warum Politkunst, die eigentlich Ungleichheit anprangern will, das Gegenteil bewirkt 80
NIL YALTER Die türkischstämmige Kunst-pionierin hat schon vor 40 Jahren Migration und Gender zu ihren Themen gemacht. Zeit für eine Wiederentdeckung 82
BAUHAUS-SERIE (7) Maskentanz und Revo-lution – die tragische Geschichte der Avantgarde-künstler Lavinia Schulz und Walter Holdt 90
STARTER Diesmal Suzana Brborović, Tschabalala Self und Lisa Mühleisen 98
AUSSTELLUNGEN
FRANKFURT/M. Djurberg & Berg 110
BASEL Cyprien Gaillard 112
WIEN Talking Heads 113
MANNHEIM Haus-Rucker-Co 114
HUMLEBÆK Pipilotti Rist 115
LONDON The Renaissance Nude 116
HERFORD Israelische Videokunst 118
BERN Miriam Cahn 119
KALENDER
Die internationalen Kunsttermine im Überblick 120
JOURNAL
SOWJETSIMULATION In Berlin abgesagt, jetzt in Paris gestartet: Was hat es mit dem mysteriösen DAU-Kunstprojekt auf sich? 130
KÜRZUNG Warum die Stuttgarter StaatS-galerie ihre Öffnungszeiten ändert 132
GERICHTSURTEIL Darf ein AfD-Politiker kritische Kunst für Parteiwerbung nutzen? 132
EINMISCHUNG Wie Israel Druck auf das jüdische Museum in Berlin ausübt 133
EINFLUSS Festival zeigt die Arbeit von in der NS-Zeit verfolgten Künstlern in England 134
AUSSER HAUS Warum Microsoft Obdachlosenhäuser finanziert 135
IM FILM Brecht-Marathon im Fernsehen 136
RETRO Warum ein Cottbuser Architekt DDR-Kunst am Bau vor Zerstörung retten will 137
TREND Mäzenin Francesca Habsburg widmet sich jetzt dem Schutz der Ozeane 138
VIEL HOLZ Die ehrliche Buchkolumne 139
KINDER ERKLÄREN KUNST Diesmal Um den Fisch von Paul Klee 142
RUBRIKEN
Editorial 3
Betreff: art 6
Leserservice, Impressum, Fotovermerke 140
Im nächsten Heft 141
TITELBILD: Mark Rothkos Ölgemälde »White Cloud over Purple« aus dem Jahr 1957 (143 x 138 cm)
110 AUSSTELLUNGEN
130 JOURNAL
8 RADAR
Skurrile Traum- und Albtraumwelt
ONE NEED NOT BE A HOUSE, THE BRAIN HAS CORRIDORS, 2018 (VIDEOSTILL)
Von den Trieben getrieben
WORSHIP, 2016 (VIDEOSTILL)
Kinder, die ihre Mutter überwältigen, um in ihren Körper einzudringen, dahin zurückzukehren, woher
sie einst kamen. Maskierte Widerlin-ge, die eine nackte Frau mit Scheren massakrieren, menschliche Wesen, die mit Gegenständen masturbieren – die Filme von Nathalie Djurberg sind oftmals nur schwer zu ertragen. Dabei handelt es sich nicht etwa um Schau-spieler, die die albtraumhaften Sze-nen durchexerzieren, sondern um in Stop-Motion-Technik animierte Ton- und Plastilinfigürchen mit grotesk überzeichneten Körperformen, die in detailliert ausgestatteten Wäldern, Schlössern, Höhlen oder Kinderzim-mern seltsamen Tätigkeiten nach- gehen: Da wird geprügelt, gemordet, gequält. Mädchen werden vom Vater begrapscht, Tiere spielen auf einer menschlichen Leiche – es ist der reinste Horror.
Das Entsetzen allerdings stellt sich mit Verzögerung, dann aber umso nachhaltiger ein. Schließlich zeigt uns Djurberg Mord, Missbrauch, oder Demütigung auf eine überaus fesselnde Weise: Märchenhaft wird in den Filmen durchgespielt, was im wirklichen Leben nicht oder allenfalls in sadomasochistischen Zirkeln ak-zeptiert wird. Nathalie Djurberg will, »dass es einen voll von der Seite er-wischt«. Es gehe ihr, so die Künstlerin, um »die Komplexität des menschli-chen Verlangens, das zu Machtstruk-turen führt, die Scham, Schuld und Manipulation verbergen, oder einfach die Erforschung der menschlichen Erfahrung durch ein Medium, das alles banal oder erträglich macht«.
Die 1978 in Lysekil geborene Schwedin, die mittlerweile in Berlin
lebt, macht in ihren Filmen fast alles selbst – von der technischen Rea- lisierung bis zu den grotesken Figuren, den skurrilen Kostümen und Schau-plätzen. Nur die mal psychedelischen, mal retrobarocken Synthesizer- klänge, die das Geschehen akustisch vorantreiben und durch ihre pene-trante Fröhlichkeit oft noch beklem-mender erscheinen lassen, kompo-niert Djurbergs Lebensgefährte Hans Berg (Jahrgang 1978). Ein nicht un-wesentlicher Reiz geht von der Tatsa-che aus, dass die Figuren und ihre Bewegungen keinesfalls perfekt an-muten. Vieles wirkt nur grob geknetet, hin und wieder sieht man die Mario-nettenfäden im Bild, und die bisweilen eingesetzte Schrift steckt voller Rechtschreibfehler.
In der Frankfurter schirn-kunst-halle wird das Werk des Duos nun umfangreich präsentiert. Unter den rund 40 Arbeiten der vom moderna museet in Stockholm zusammen- gestellten Schau befinden sich frühe Videos, großformatige Rauminstal- lationen und auch die erste Virtual- Reality-Arbeit des schwedischen Künstlerpaars. // SANDRA DANIC KE
Horror in Ton und PlastilinIn den Animationsfilmen des schwedischen Künstlerpaars wird gemordet, geprügelt und gequältNathalie Djurberg & Hans Berg, Frankfurt am Main, Schirn-Kunsthalle, 28.02.2019—26.05.2019
V O R B E R I C H T
Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Verlag Hatje Cantz und kostet 35 Euro in der Ausstellung, 45 Euro im Buchhandel.
Gegen Vorlage ihrer artCard erhalten unsere Abonnenten ermäßigten Eintritt.
110 111
AUSSTELLUNGEND I E H Ö H E P U N K T E
I M M Ä R Z
Auf Kritik an einem missglückten Start mit Annullationen, Ver-
schiebungen und technischen Pannen reagierten die Ver- antwortlichen des russischen Kunstprojekts DAU, allen voran Chef Ilya Khrzhanovsky, mit programmatischem Schulter-zucken: »Welcome to USSR. So war sie eben, die Sowjetunion.«
War sie das wirklich? Kurz-fristige Verschiebung der Eröff-nung, stundenlanges Warten eines online angemeldeten Pu-blikums, die einwöchige Sper-
Unter die HautEXPERIMENT Zwischen Utopie und Größenwahn: Das in Berlin abgewiesene Kunstprojekt »DAU« startet in Paris chaotisch
Das Konzept, die Klaustrophobie des Totalitarismus erfahrbar zu machen, ist brillant
rung einer Location wegen Sicherheitsverstößen, überfor-dertes Personal und ungeplan-te Programmänderungen: Das lang erwartete und mit vielen Vorschusslorbeeren angekün-digte immersive Großprojekt begann mit einer Bauchlan-dung. Die französische Presse sprach von »Schiffbruch«, die »New York Times« korrigierte einen euphorischen Vorbe-
richt in eine vernichtende Kri-tik, und das wütende Publikum raunte in den sozialen Medien von »Lüge« und »Betrug«.
Der chaotische Start des in Berlin nach Behördenein-spruch im letzten Augenblick abgesagten Projekts war bedau-erlich, denn das gewagte, grenz-überschreitende künstlerische Konzept, durch Filme, Installa-tionen und Begegnungen die Klaustrophobie eines totalitären Systems erfahrbar zu machen, ist brillant. Und mehr noch: Zehn Jahre Vorbereitungszeit, drei Jahre kasernierter Filmdreh in einem zum stalinistischen Forschungszentrum umgebau-ten ukrainischen Schwimmbad, ein Casting mit 10 000 Kandi-daten, 700 Stunden Filmmate-rial, die jahrelange Arbeit an 13
langen Spielfilmen: DAU ist ein Projekt der Superlative, mit an-geblich fast 100 Millionen Dollar großenteils privat finanziert von einem russischen Kunstlieb-haber, eine Mischung aus Utopie und Größenwahn.
Das viele Geld merkt man dem megaloman detailtreuen Projekt an: Sorgfältig recher-chierte Kostüme und authenti-sche Rekonstruktion histori-scher Wohnräume, außerge-wöhnliche, radikal-naturalisti-sche Filme, dazu die Mitwirkung zahlreicher Künstler von Marina Abramović bis Brian Eno. Der viel gerühmte griechisch-russi-sche Dirigent Teodor Currentzis spielt die titelgebende Rolle des russischen Forschers Lew Land-au (1908 bis 1968), genannt Dau. Auch seine Kollegen sind fast aus-nahmslos durch Laien besetzt: Wissenschaftler, Dichter, Arbeits-
tät, in seinen besten Momenten ging DAU direkt unter die Haut.
Dass vor allem in den Filmen mit authentischen Sex-Szenen bis hin zum Inzest immer wie-der die Grenze von Anstand und gutem Geschmack überschritten wird, ist Teil eines jede politi-sche Korrektheit provozieren-den Konzepts und künstlerisch zu rechtfertigen. Legitim auch der angeblich ausbeuterische Umgang mit dem Team, das zwar rund um die Uhr im Einsatz war, aber anständig bezahlt wurde. Unentschuldbar dagegen die laienhafte Organisation, die ein einzigartiges Projekt unnötig be- einträchtigte. Trotzdem soll es im Sommer in London weitergehen. DAU ist noch nicht am Ende. // HEINZ PETER SC HWERFEL
Genie, Sarkasmus und Hoch-stapelei gingen Hand in Hand.
Da eine Besucherführung mithilfe tragbarer Sender nicht funktionierte, irrte das Publikum umher zwischen Kino- und Konzertsälen, über Einwegspiegel einsehbaren Wohnungsfluchten und mit Teppich ausgelegten Einzel- kabinen, in denen man Film-ausschnitte anschauen konn-te. Ab und zu traf man auf Zeitzeugen aus Silikon: Ge-spensterstimmung. Auch die intimen Zweiergespräche von Besuchern mit Psycholo-gen, einem Dominikaner- Pater oder »vom Leben ge-prägten« Individuen, die vor-her sorgfältig gecastet wur-den, berührten, man musste sich nur darauf einlassen. Eines der wichtigsten Ziele war die Infragestellung von Identi-
Ilya Khrzha-novsky, Mastermind hinter dem Megaprojekt »DAU«
lose, Prostituierte, sogar Neo-nazis – DAU verspricht Grenz-überschreitung und Wahnsinn, historischen wie heutigen.
In Paris begab sich der Be-sucher in zwei Theatern und einer Installation im Centre PomPidou auf eine Zeitreise auf der Suche nach dem »Ani-mal Communism«, so ein Wandgraffito im théâtre de la Ville. Dort gab es im Restaurant Kohlsuppe und Wodka, ein Souvenirshop bot authentische sowjetische Konserven an, aus dem Kauka-sus eingeflogene Schamanen führten in Heilslehren ein.
Foto aus dem »Institut«, einem in der Ukraine nachge-bauten stalinistischen Forschungszentrum, mit Rückenansicht der Serviererin Olga Sergeevna Shkabarnya
Rekonstruktion eines historischen Wohnraums
Zeitzeugen aus Silikon sorgen für Gespensterstimmung
Sowjetischer Abriss-look in Paris: das in Renovierung befindliche Théâtre de la Ville
130 131
J O U R NA LNAC HRIC HTEN
UND DEBATTEN
Das Märchen der GeisterschlösserEs war einmal ein türkischer Bauentwickler namens Sarot, der hatte einen kühnen Plan. Er baute 732 Mini-Schlösser in die Berge der Provinz Bolu zwischen Istanbul und Ankara, um damit reiche, arabische Investoren anzulocken. Jedes der kitschigen Zuckerbäckerhäuschen kostet etwa zwischen 400 000 und 500 000 Euro. Sarot wollte mit »Burj Al Babas« über 170 Mil- lionen Euro einnehmen. Doch der immense Wertverlust der türkischen Lira wirkt sich denkbar schlecht auf den Immobiliensektor aus – bei Schloss 587 wurde Ende 2018 per Gericht der Baustopp angeordnet. Sarot hatte 23 Millionen Euro Schulden angehäuft. Die Firma hofft nun, schnell 100 Schlösser zu verkaufen, damit das groteske Märchen doch noch wahr wird.
R ADARBILDER+THEMENDES MONATS
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R ADARBILDER+THEMENDES MONATS
Vorfreude: Im April wird wieder der ART-Kuratoren-preis verliehen, die Shortlist der Nominierten finden Sie auf Seite 20
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