5 Freie Elektronen

Embed Size (px)

Citation preview

  • Prof. Dieter Suter Festkrperphysik WS 95 / 96

    5. Freie Elektronen

    Das Modell der freien Elektronen ist ein sehr einfaches Modell fr die Beschreibungder Valenzelektronen in Metallen. Trotz seiner extremen Vereinfachung kann eserstaunlich viele Aspekte dieser Zustnde erklren. Das Modell eliminiert jede Wech-selwirkung zwischen Elektronen - mit Ausnahme des Pauli-Prinzips - und bercksich-tigt die Wechselwirkung der Elektronen mit Atomrmpfen nur ber ein periodischesPotential, welches die gleiche Periode wie das Gitter aufweist.

    5.1 Das klassische Drude-Modell

    Die Theorie entstand kurz nach der Entdeckung des Elektrons durch J.J. Thomson(1897). Im 19. Jhd hatte die kinetische Gastheorie eine befriedigende Erklrung frviele bekannte Effekte im Bereich der Thermodynamik geliefert. Dies mag ein Motivgewesen sein dafr dass P. Drude die Elektronen in einem Metall als Gas modellierte(P. Drude, Annalen der Physik 1, 566 und 3, 369 (1900).). Seine Annahme war, dass dieussersten Elektronen jedes Atoms sich im Metall praktisch frei bewegen konnten. Zudiesen Valenzelektronen gehren die ussersten Elektronen der Atome, welche dasGitter bilden - normalerweise ein oder zwei Elektronen. Diese Elektronen sind imgesamten Kristall frei beweglich, wobei die positiv geladenen Atomrmpfe einPotential bilden.

    Diese Elektronen sollen sich hnlich wie einklassisches Gas aus ungeladenen Teilchen ver-halten. Im Vergleich zu einem echten Gas ist die Dichte allerdings um rund einenFaktor 1000 grsser: Pro Leitungselektron steht lediglich ein Volumen zur Verfgungdas etwa einem Atomvolumen entspricht. Die positiv geladenen Atomrmpfe sindrealtiv klein und fllen lediglich einen kleinen Teil des Raumes. Sie sind aber sehr vielschwerer als die Elektronen und bleiben unbeweglich auf ihren Pltzen.

    Wie in einem Gas beinhaltet die Bwegung der Elektronen freien Flug und Stsse.Whrend des freien Fluges werden die Elektronen nur durch ussere Felder beeinflusst,nicht durch die brigen Elektronen oder die Kerne. Diese Annahme bezeichnet man alsdie Approximation der freien (unbeeinflusst von den Kernen) und unabhngigen (ohnegegenseitige Wechselwirkung) Elektronen. Die Stsse werden als kurz angenommenund die Geschwindigkeit der Elektronen nach dem Stoss ist unabhngig von derGeschwindigkeit vor dem Stoss, sondern wird durch die Temperatur des Kristallesbestimmt.

    Auch in diesem Fall konnte die klassische Theorie nicht alle experimentell beobach-teten Fakten erklren. Zu den qualitativen Unterschieden zwischen den Voraussagen derklassischen und der quantenmechanischen Theorie gehrt die Berechnung der Stsse,die ein Elektron bei der Durchquerung des Kristalls erleidet. Im klassischen Bild wrdeman eine grosse Anzahl Stsse mit den Gitteratomen erwarten. Experimentell findetman dass die Distanz, ber die sich die Elektronen frei bewegen knnen von derQualitt des Kristalls abhngt, sowie von der Temperatur. Whrend in gewhnlichenMetallen bei Raumtemperatur (z.B. Kupferdrhte) die Elektronen nach wenigen Gitter-perioden gestreut werden und sich deshalb insgesamt diffusionsartig bewegen kann beitiefen Temperaturen und guten Kristallen die mittlere freie Weglnge grsser als die

    Zeichnung: Drude-Modell

  • Kristalldimension werden. Elektronen breiten sich dann ballistisch, also ohne Streuungim Kristall aus. Weitere experimentelle Befunde, die mit dem Drude-Modell nicht er-klrt werden konnten waren die Temperaturabhngigkeit der elektrischen und ther-mischen Leitfhigkeit. Ausserdem sollten in einem idealen Gas die Elektronen einenBeitrag 3/2 R T zur spezifischen Wrme liefern; der experimentell beobachtete Beitragist umr und 2 Grssenordnungen kleiner.

    5.2 Das Teilchen im Potentialtopf; periodische Randbedingungen

    Um die quantenmechanischen Zustandsfunktionen der Elektronen im Kristall zu be-stimmen rekapitulieren wir zunchst das Problem eines Teilchens in einem eindimen-sionalen Potentialtopf.

    Das Potential verschwindet auf der Strecke[0,L] und ist undendlich hoch ausserhalb. DerHamiltonoperator dieses Systems beinhaltet im Bereich [0,L] lediglich die kinetischeEnergie

    H = p2/2m = - h22m

    d2

    dx2 .

    Die Eigenfunktionen dieses Operators sind die ebenen Wellen

    Yk = eikx oder Yk = sin(kx) und cos(kx)

    und die Eigenwerte sind

    Ek = h2k22m =

    p2

    2m

    Der Hamiltonoperator is nur gltig fr 0

  • - 3 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Elektronen in einem Potentialtopf mit Kantenlngen (a,b,c) haben dann die Zustndeund Energien

    Y n = A sin(panxx) sin(

    pbnyy) sin(

    pc nzz) und En =

    h2p 22m

    nx2

    a2+

    ny2

    b2+

    nz2

    c2

    .

    In Kristallen entspricht der Potentialtopf der Randbedingung dass die Elektronensich innerhalb des Kristalls befinden mssen. Wir bercksichtigen dies wiederum berperiodische Randbedingungen

    Y (x, y, z) = Y (x+L, y, z) = Y (x, y+L, z) = Y (x, y, z+L)

    wobei L gross gegenber einer Einheitszelle sein soll. Fr diese Randbedingungen undden Hamiltonoperator der freien Elektronen sind die Eigenfunktionen

    Y r k (r) = exp(i

    r k .

    r r ) mit

    r k = 2p /L (nx, ny, nz).

    Die Energie dieser Zustnde ist

    En = h2k22m =

    h22m kx

    2 + ky2 + kz

    2( ) = h22m

    2pL( )

    2nx2 + ny

    2 + nz2( ) .

    Der Impuls eines Elektrons in diesem Zustand ist p = hk und seine Geschwindigkeit v =hk/m.

    5.3 Fermi-Energie und Zustandsdichte

    Wir untersuchen nun die Frage, welche dieser Zustnde besetzt sind.

    Am absoluten Nullpunkt besetzen N Elektronen die N/2 ener-getisch niedrigsten Zustnde. Da die Energie nur vom Betrag desImpulses abhngt bilden diese Zustnde im k-Raum eine Kugel.Um die besetzten Zustnde zu finden bestimmen wir zunchst dieZahl der Zustnde im Impulsraum. Da wir periodische Randbe-dingungen angenommen haben ist der Impulsraum diskret, mitEinheitszellen der Seitenlnge 2p /L. Die besetzten Zustnde fllenin diesem Raum eine Kugel mit Radius kF. Das Volumen dieserKugel betrgt kF3 4p /3 und enthlt somit

    N = 2 (4p /3) kF3/(2p /L)3 = V kF3/(3p 2)

    Zustnde mit unterschiedlichem Impuls und / oder Spin. Bei N Elektronen muss damitder Radius der Kugel

    kF = (3p 2N/V)1/3

    . . . .

    . . . .

    . . . .

  • - 4 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    sein. Die entsprechende Energie betrgt

    EF =

    h22m

    3p 2NV

    2/3

    und wird als Fermi-Energie bezeichnet. Sie wird hufig auch als Fermi-Temperaturparametrisisiert, ber

    kB TF = EF .

    In der Fermi Energie tritt nun die Anzahl Elektronen und das Volumen nicht mehrunabhngig auf, sondern sie hngt lediglich von der Dichte N/V der Elektronen ab. DieGeschwindigkeit der Elektronen an der Fermi-Oberflche betrgt

    vF = (h/m)(3p 2N/V)1/3

    Eine wichtige Grsse ist die Zustandsdichte, d.h. die Anzahl quantenmechanischerZustnde in einem bestimmten Volumen. Da die Elektronen gleichmssig ber denganzen Raum verteilt sind ist die Zustandsdichte im gewhnlichen Raum offenbarkonstant. Im reziproken Raum (k-Raum) haben wir gesehen dass die Zustandsdichteebenfalls konstant ist, d.h. die Anzahl Zustnde pro Volumenelement ist konstant. Dasgilt natrlich nicht wenn wir die Anzahl Zustnde als Funktion des Betrages des k-Vektors betrachten. Fr die Berechnung der Zustandsdichte bestimmen wir zunchstdie Anzahl Zustnde deren k-Vektor kleiner als ein bestimmter Betrag ist,

    Nk = 2(4p /3) k3/(2p /L)3 = k3 V / (3p 2) .

    Daraus knnen wir die Dichte der Zustnde berechnen in der Umgebung eines Wellen-vektors k

    dNk/dk = k2 V / p 2 .

    Ausserdem interessiert die Zustandsdichteim Energieraum. Mit E = h2k2/(2m) ,resp. k2 = 2m E/h2 erhalten wir fr die Anzahl Zustnde mit Energie kleiner als E

    N(E) = (2m E)3/2 V / (3p 2h3) .

    und daraus die Zustandsdichte im Energieraum

    dN(E)/dE = d/dE E3/2 (2m)3/2 V / (3p 2h3) = E1/2 (2m)3/2 V/(2h3p 2) .

    Die Zustandsdichte steigt also propor-tional zur Wurzel aus der Energie; sieverschwindet beim Nullpunkt und ist proportional zum Volumen V des Kristalls.

    Zeichnung: Zustandsdichte(k)

    Zeichnung: Zustandsdichte(E)

  • - 5 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Wir knnen die Zustandsdichte auch als Funktion der Teilchenzahl ausdrcken:

    dN(E)/dE = (E1/2 (2m)3/2 V/(2h3p 2)) N(E) / [(2m E)3/2 V / (3p 2h3)] = 3N/(2E) .

    Wenn wir N als die gesamte Elektronenzahl interpretieren wird E zur Fermienergie EFund die Zustandsdichte an der Fermikante ist proportional zur Zahl der Elektronen undindirekt proportional zur Fermi-Energie. Der Unterschied zwischen dieser und obigerFormel kann auf die Abhngigkeit der Fermi-Energie von der Anzahl Elektronenzurckgefhrt werden.

    5.4 Die Fermi-Dirac Verteilung

    Bisher haben wir nur die Situation amabsoluten Nullpunkt betrachtet. In Wirk-lichkeit arbeiten wir aber immer bei endlicher Temperatur und mssen deshalb ther-mische Anregungen bercksichtigen. Wie wir oben gesehen haben sind im Grundzu-stand die N/2 niedrigsten Zustnde mit jeweils zwei Elektronen mit entgegengesetztemSpin besetzt. Dieses System kann zustzliche Energie aufnehmen wenn ein Elektron auseinem Niveau unterhalb der Fermikante in eines oberhalb angeregt wird.

    Wir bestimmen nun die Wahr-scheinlichkeit dass ein Zustand mitgegebener Energie E bei einer Temperatur T besetzt ist. Dabei ist es nicht mglich, dieElektronen einzeln zu betrachten, da die Besetzung der Einelektronenzustnde aufgrunddes Pauliprinzips stark aneinander gekoppelt ist.

    Die Wahrscheinlichkeit dass ein Zustand mit Energie E besetzt ist ist

    PN(E) = exp(-E/kBT)/S a exp(-E a /kBT) .

    Der Nenner ist bekannt aus der statistischen Thermodynamik: er ist die Zustandssummeund kann geschrieben werden als

    S a exp(-E a /kBT) = e-F/kBT = e-(U - TS) /kBT

    wobei F die Helmholtz'schen freie Energie des Systmes, U die innere Energie und S dieEntropie des Systems darstellt. Wir knnen deshalb die Besetzungswahrscheinlichkeitauch schreiben als

    PN(E) = exp(-E/kBT) e-F/kBT = exp(-(E-F)/kBT) .

    In der Praxis kennt man leider den N-Elektronenzustand nicht. Experimentell zu-gnglich ist hingegen die Bestzungswahrscheinlichkeit fi fr einen Einelektronenzustandi (Spin-Orbital).

    Diese erhlt man aus derobigen Verteilung durch

    Zeichnung: besetzte Zustnde

    Zeichnung: N-Elektronenzustand

    Zeichnung: Summe ber N-El. Zustnde

  • - 6 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Summation ber alle N-Elektronenzustnde in denen der Zustand i besetzt ist,

    fiN = S b PN(E b N) .

    Der Zustand i ist entweder besetzt oder leer sodass

    fiN = 1 - S g PN(E g N)

    wobei die Summe jetzt ber diejenigen Zustnde luft, bei denen der Zustand i nichtbesetzt ist. Wir drcken jetzt die Energie E g N des N-Elektronenzustandes mit leeremZustand i aus durch die Energie des entsprechenden N+1-Elektronen Zustandes in demder Zustand i besetzt ist.

    fiN = 1 - S b PN(E b N+1-e i) ,

    wobei e i die Energie des Einelektronenzustandes i darstellt.

    Das Verhltnis der Besetzungswahrscheinlichkeiten fr den N-Elektronenzustand undden N+1 Elektronenzustand betrgt

    PN(E b N+1-e i)/PN+1(E b N+1) = exp(-(E b N+1-e i-FN)/(kBT))/ exp(-(E b N+1-FN+1)/(kBT))

    = exp((e i - )/(kBT)),

    wobei = FN+1 - FN das chemische Potential darstellt, d.h. die Ableitung der freienEnergie nach der Teilchenzahl. Daraus erhalten wir fr den Summanden

    PN(E b N+1-e i) = exp((e i - )/(kBT)) PN+1 (E b N+1) .

    Wir setzen dieses Resultat in die Summe ein und erhalten

    fiN = 1 - exp((e i - )/(kBT)) S b PN+1 (E b N+1) .

    Die Summe ist aber gerade die Besetzungswahrscheinlichkeit fr einen N+1-Elektronenzustand

    fiN+1 = S b PN+1 (E b N+1) ,

    sodass

    fiN = 1 - exp((e i - )/(kBT)) fiN+1 .

    Wir knnen diese Form vereinfachen wenn wir annehmen dass die Besetzungswahr-scheinlichkeit sich durch die Vernderung der Elektronendicht um ein Elektron (also

  • - 7 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    realtiv um 10-23) nicht wesentlich ndert. Wir knnen dann fiN+1 ersetzen durch fiN

    und erhalten

    fiN = 1

    e(e i -m ) /kBT + 1 .

    Dies ist die Fermi-Dirac Verteilung, D.h. die Besatzungswahrscheinlichkeit frFermionen in einem Zustand der Energie E. Das +-Zeichen stellt sicher dass dieFunktion nicht grsser als 1 wird, dass also kein Zustand mehr als einmal besetztwerden kann. Die Bose-Einstein Statistik unterscheidet sich durch ein Minus an dieserStelle. In diesem Fall kann die Besetzungswahrscheinlichkeit sehr gross werden. Beitiefen Temperaturen kondensieren Bosonen deshalb alle in den Grundzustand. SolchePhnomene sind fr kollektive Quantenphnomene verantwortlich, wie z.B. Supra-leitung, Suprafluiditt oder Bose-Einstein Kondensation.

    Da die Fermi-Temperatur sehr viel hher ist als die Raumtemperatur und frniedrige Temperaturen ~ kBTF gilt meistens T kB. Wir betrachten die folgendenGrenzflle:

    a) e i -> 0: Die Exponentialfunktion geht gegen null und fiN -> 1.

    b) e i : Die Exponentialfunktion wird gross gegen 1 und fiN -> exp(-(e i-)/kBT).In diesem Bereich nhert sich die Fermi-Dirac Verteilung der Boltzmann-Verteilungan.

    Bei der Temperatur 0K beschreibt sieeinen abrupten bergang von der 1 nach 0an der Fermikante. Bei hheren Tempera-turen wird Population aus der Nhe derFermikante in energetisch hhere Zustndeverschoben. Die Breite dieses bergangs-bereiches ist von der Grssenordnung kBT.Das Zentrum des bergang wird durch daschemische Potential bestimmt, welchesam absoluten Nullpunkt der Fermienergieentspricht. Im Gegensatz dazu ist das chemische Potential aber temperaturabhngig.Wir berechnen diese Abhngigkeit indem wir aus der Besetzungswahrscheinlichkeit diegesamte Elektronenzahl berechnen:

    N = S i fi = S i 1

    e(e i -m ) /kBT + 1 .

    Wenn wir die gesamte Elektronenzahl als gegeben betrachten knnen wir aus dieserGleichung das chemische Potential bestimmen.

    (T) = EF (1 - p 2

    12TTF

    2 + .. )

  • - 8 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Fr Temperaturen die nicht allzu hoch sind ist aber die Fermi-Energie eine guteNherung. Nicht allzu hoch bezieht sich auf die Fermi-Temperatur TF = e F/kB, welchebei mehreren 10000 Grad liegt (siehe Tabelle).Der Korrekturterm betrgt deshalb beiRaumtemperatur rund 10-4.

    5.5 Die thermische Energie des Elektronengases

    Gemss der klassischen Drude-Theorie sollte die kinetische Energie der Elektronenwie bei Gas-Teilchen 3/2 N kBT sein. Experimentell beobachtet man aber bei Raum-temperatur einen Wert der wesentlich niedriger ist, von der Grssenordnung 1% desklassischen Wertes. Erst die Fermi-Dirac Verteilung lste dieses Problem: Whrend ineinem klassischen Gas eine Temperaturerhhung um D T die Energie jedes Teilchensum kBT erhht werden bei der Fermi-Dirac Statistik nur die Elektronen in einemBereich von kBT um die Fermi-Energie betroffen - also nur ein Bruchteil von T/TFaller Elektronen. Wie aus der Tabelle hervorgeht liegt dieser Faktor gerade bei ca 1%.Die gleiche berlegung sagt auch voraus dass die spezifische Wrme proportional zurTemperatur abnehmen sollte. Der Grund liegt darin, dass die meisten Elektronen keineEnergie aufnehmen knnen: alle benachbarten Orbitale sind besetzt, sodass sie ihrenZustand nicht wechseln knnen.

    Die Rechnung lsst sich in der Tieftemperatur-Nherung T TF auch leicht etwasexakter durchfhren. Die innere Energie U des Systems betrgt

    U = 0, de e D(e ) f(e ) ,

    wobei D(e ) die Zustandsdichte und f(e ) die Besetzungswahrscheinlichkeit bezeichnen.Die thermische Energie des Elektronengases bei der Temperatur T betrgt demnach

    D U = U(T) - U(0) = 0, de e D(e ) f(e ) - 0,e F de e D(e )

    = ( 0, e F + e F, ) de e D(e ) f(e ) - 0,e F de e D(e )

    = 0, e F de e D(e ) (f(e )-1) + e F, de e D(e ) f(e ) .

    Das erste Integral beinhaltet die Energie, welche bentigt wird um die Elektronen ausden Zustnden unterhalb der Fermikante zu entfernen, das zweite Integral die Energieder Elektronen oberhalb der Fermikante.

    Die Anzahl Elektronen muss dabei konstant bleiben

    N = N(T) = N(0) = 0, de D(e ) f(e ) = 0,e F de D(e ) .

    Wir multiplizieren diese Identitt mit der Fermienergie e F und erhalten

    ( 0, e F + e F, ) de e F D(e ) f(e ) = 0,e F de e F D(e ) .

  • - 9 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Wir addieren die rechte Seite zur thermischen Energie und subtrahieren die linke Seiteund erhalten

    D U = 0,e F de [e D(e ) (f(e )-1) + e F D(e )-e FD(e )f(e )] + e F, de [e D(e )f(e )-e F D(e )f(e )]

    = 0,e F de (e -e F)D(e )(f(e )-1) + e F, de (e -e F)D(e )f(e ) ,

    was nichts anderes als eine Verschiebung des Energie-nullpunktes entspricht. Das erste Integral bezeichnet dieEnergie, welche bentigt wird, um die Elektronen aus einem besetzten Zustand an dieFermikante anzuheben, das zweite die Energie, welche zustzlich hineingesteckt werdenmuss, um sie von der Fermikante in einen leeren Zustand oberhalb zu bringen. BeideBeitrge zur Energie sind positiv.

    5.6 Die spezifische Wrme des Elektronengases

    Wir suchen nun die spezifische Wrme, also die nderung der inneren Energie proTemperaturnderung. Der einzige Term in der obigen Gleichung der sich mit derTemperatur ndert ist die Besetzungswahrscheinlichkeit f(e ). Wir erhalten deshalb

    Cel = d/dT D U = 0, de (e -e F)D(e ) df(e )/dT .

    Da sich die Besetzungswahrscheinlichkeit nur in der Nhe der Fermikante wesentlichndert verschwindet der Integrand fr Energien weit von der Fermienergie. Wirknnen deshalb die Zustandsdichte in guter Nherung als konstant betrachten und ausdem Integral herausziehen.

    Fr die Berechnung der nderung der Besetzungswahrscheinlichkeit approximierenwir das chemische Potential durch die Fermienergie. Dies ist eine gute Nherung beiniedrigen Temperaturen.

    f = 1e(e-e F)/ kBT + 1

    .

    Die nderung ergibt

    df/d(kBT) = e - e F(kBT)

    2e(e-e F) /kBT

    (e(e-e F)/ kBT + 1)2 .

    Wir benutzen die Abkrzung x = (e -e F)/kBT und erhalten

    Cel = kB2T D(e F) -eF/kBT, dx x2 ex

    (ex + 1)2 = kB2T D(e F) p 2/3 ,

    wobei fr die (nichttriviale) Integration die untere Integrationsgrenze auf - gesetztwurde,also die Nherung T klein gegen die Fermitemperatur angenommen wurde. DieZustandsdichte an der Fermikante hatten wir zu

    Zeichnung: Beitrge

  • - 10 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    D(EF) = 3N/(2EF) = 3N/(2 kBTF)

    bestimmt, sodass

    Cel = 12

    p 2 kB N T/TF .

    Wenn die Temperatur sowohl unterhalb der Fermi Temperatur wie auch unterhalbder Debye-Temperatur liegt erwarten wir demnach eine Temperaturabhngigkeit derForm

    C = g T + AT3 oder C/T = g + AT2 ,

    Dies stellt man gernein dieser form dar:das Verhltnis C/T wird gegen das Quadrat der absoluten Temperatur aufgetragen. DerAchsenabschnitt ergibt dann gerade den Beitrag der Elektronen, die Steigung denBeitrag der Phononen.

    Der elektronische Beitrag solltealso fr sehr tiefe Temperaturendominieren. In der Figur ist dies fr Kalium gezeigt.

    Ein Vergleich der gemessenenund berechneten Wrmekapazittzeigt, dass die beobachteten Werte in der richtigen Grssenordnung liegen, aber nichtquantitativ exakt sind. Man beschreibt den Unterschied gerne ber eine nderung dereffektiven Elektronenmasse. Der Unterschied kann qualitativ darauf zurckgefhrtwerden dass die Elektronen nicht wirklich frei und unabhngig sind.

    Einige intermetallische Verbindungen von seltenen Erden und Actiniden (alsoElementen mit f-Elektronen) zeigen bei niedrigen Temperaturen extrem hoheWrmekapazitten, welche einer effektiven Elektronemasse von rund 1000 mentsprechen. Diese Verbindungen werden als schwere Fermionen bezeichnet und bildeneine spezielle Klasse von Supraleitern, die "exotischen Supraleiter".

    5.7 Elektrische Leitfhigkeit

    Werden ussere Felder an ein Metall angelegt so bewirken diese auf das Elektroneine zustzliche Kraft

    r F = m d

    r v /dt = h d

    r k /dt = -e[

    r E +

    r v

    r B ] .

    Die Elektronen werden also gleichmssig beschleunigt. Fr ein verschwindendes mag-netisches Feld erhalten wir

    Zeichnung: Beitrge Phononen / Elektronen

    Folie Temperaturabhngigkeit (C/T)

    Folie Periodensystem (exp./theor.)

    Zeichnung: Orbitalberlapp und Potential bei Actiniden

  • - 11 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    r k (t) -

    r k (0) = -e

    r E t/h .

    In Wirklichkeit dauert die Beschleunigung nicht beliebig lange, sondern nur bis dieElektronen einen Stoss ausfhren. Bei einem Stoss wird kinetische Energie vomElektron auf das Gitter bertragen, sodass die Geschwindigkeit des Elektrons ther-malisiert wird. Wenn die Thermalisierung im Mittel eine Zeit t beansprucht erreichendie Elektronen im Mittel einen Impuls, der sich um

    d r k = -e

    r E t /h

    vom thermischen Gleichgewicht unterscheidet.

    Die Fermi-Kugel im k-Raum wird somit um die-sen Betrag gegenber dem Ursprung verschoben.

    Da die Geschwindigkeit der Elektronen direkt proportional zum k-Vektor ist

    v = h-k/m = - eEtau/m

    knnen wir daraus den Strom berechnen:

    r j = n (-e)

    r v = n e2 t

    r E /m ,

    wobei n die Anzahl Leitungselektronen pro Volumeneinheit darstellt. Der Strom istsomit proportional zur Feldstrke, wie im Ohmschen Gesetz. Die Proportionalitts-konstante ist demnach die spezifische elektrische Leitfhigkeit

    s = n e2 t /m ;[s ] = m/W .

    Dieses Resultat ist identisch mit der Voraussage des klassischen Modells. In sehrsauberen Metallen kann bei tiefen Temperaturen eine freie Weglnge von bis zu 10 cmerreicht werden. Die Elektronen, welche zur Leitfhigkeit beitragen sind gerade diethermisch angeregten Elektronen an der Fermi-Oberflche. Ihre Geschwindigkeit istproportional zur Streuzeit und kann unter diesen extremen Bedingungen mehrere %der Lichtgeschwindigkeit erreichen.

    Man kann zwei wichtige Beitrge zur Streuung von Ladungstrgern unterscheiden,die Streuung an Phononen und die Streuung an Gitterfehlern, also Fehlstellen undVerunreinigungen. Die beiden Prozesse tragen additiv zum spzifischen Widerstand bei,

    r = r L + r i ,

    wobei r L den Beitrag der Phononen beschreibt und r i den Beitrag der Gitterfehler.Diese Aufteilung des spezifischen Widerstandes wird als Matthiesen-Regel bezeichnet.

    Da die Phononen bei tie-fen Temperaturen ver-

    Zeichnung: Fermi-Kugel

    Folie: Widerstand bei tiefer Temperatur

  • - 12 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    schwinden bleibt dann nur noch der Beitrag der Kristallfehler zurck. Dieser Beitragist je nach Probe unterschiedlich. ber eine Messung dieses Beitrages zum spezifischenWiderstand kann man die Konzentration von Verunreinigungen benutzen.

    Bei hheren Temperaturen treten auch dynamische Kristallfehler auf, nmlichPhononen. Bei dieser thermisch aktivierten Streuung tragen, wie bei der Phonon-Phonon Streuung, vor allem Umklapp-Prozesse zum elektrischen Widerstand bei, alsoStreuprozesse, bei denen der Elektronenimpuls sich um einen Phononenimpuls pluseinen Vektor des reziproken Gitters ndert. Solche Prozesse sind besonders effizient, dasie eine grosse nderung des Elektronenimpuls ergeben.

    Falls die Fermi-Kugel vollstndig innerhalb derersten Brillouin-Zone liegt, knnen solche Um-klappprozesse nur dann stattfinden wenn der Phononenimpuls einen minimalen Wertberschreitet. Fr eine sphrische Fermikugel mit einem Valenzelektron pro Atom undbcc-Gitter betrgt dieser Impuls q0 = 0.267 kF. Bei tiefen Temperaturen nimmt die

    Anzahl dieser Phononen mit e-q /T ab. Die charakteristische Temperatur q liegt frKalium z.B. bei 23K.

    5.8 Der Hall-Effekt

    In einem Magnetfeld muss in der Bewegungsgleichung auch die Lorentzkraft berck-sichtigt werden:

    r F = -e[

    r E +

    r v

    r B ] .

    Wir suchen nun die stationre Verschiebung d r k der Fermikugel aus der

    Bewegungsgleichung fr den Impuls

    h d r k /dt = -e[

    r E +

    r v

    r B ] - d

    r k /t = 0 ,

    wobei t die Thermalisierungszeit (durch Stsse) des Impulses darstellt. Wir betrachtenden Fall wo ein Magnetfeld parallel zur z-Achse angelegt ist. Dann wird

    r v

    r B = (vy Bz, - vx Bz, 0)

    und die Bewegungsgleichungen fr die drei Geschwindigkeitskomponenten werden

    m(d/dt + 1/t ) vx = -e(Ex+B vy)

    m(d/dt + 1/t ) vy = -e(Ey-B vx)

    m(d/dt + 1/t ) vz = -eEz

    Daraus knnen wir die stationren Geschwindigkeiten bestimmen:

    Folie Umklapp-Prozesse

  • - 13 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    vx = (-e t / m) Ex - w c t vy

    vy = (-e t / m) Ey + w c t vx

    vz = (-e t / m) Ez

    wobei w c = eB/m die Zyklotronfrequenz darstellt.

    Wir betrachten nun den Fall dass einStrom entlang der x-Achse, also senk-recht zu einem Magnetfeld fliesst, d.h. wir setzen vy = vz = 0. Aus der obigenGleichung sehen wir, dass der Strom in x-Richtung durch das Magnetfeld in y-Richtungabgelenkt wird. Wir knnen somit nur dann eine verschwindende Bewegung in x-Richtung erhalten wenn diese Lorentz-Kraft durch eine entgegengerichtete Coulomb-Kraft, d.h. durch ein elektrisches Feld kompensiert wird. Gemss obiger Gleichungbedingt dies fr den stationren Fall dass

    Ey = w c vx m/e und vx = (-e t / m) Ex

    oder

    Ey = -t w c Ex = - Ex t e B/m .

    Es entsteht also eine Spannung, welche senkrecht auf der Richtung des Stroms und demmagnetischen Feld liegt.

    Diese Spannung ist ber die Hall-Konstante

    RH = Ey/(jx B)

    an die Stromdichte jx und die Magnetfeldstrke B gekoppelt. In unserem Fall knnenwir die Stromdichte durch das Produkt aus Driftgeschwindigkeit und Ladung aus-drcken und erhalten

    jx = - e n vx = (n e2 t / m) Ex ,

    wobei n die Ladungstrgerdichte darstellt. Mit der obigen Beziehung zwischen Ex undEy erhalten wir

    RH = -1/(n e) .

    Je niedriger die Dichte der Ladungstrger destogrsser ist also die Hall-Konstante. Dies kann manqualitativ leicht so verstehen dass der gleiche Strom bei niedriger Ladungstrgerdichtenur durch eine hhere Geschwindigkeit und damit durch eine hhere Lorentz-Kraft

    Folie Messung des Hall-Effekt

    Folie Hall-Konstanten

  • - 14 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    erreicht wird. Die Messung der Hall-Konstante dient deshalb zur experimentellenBestimmung der Ladungstrgerkonzentration.

    Die Hall Konstante hat auch das gleiche Vorzeichen wie die Ladung der beweglichenTeilchen (welche wir hier als -e angenommen haben). Sie kann somit auch Auskunftgeben ber das Vorzeichen der Ladung der Ladungstrger. Wir haben hier ange-nommen, dass es sich um Elektronen, also negative Teilchen, handelt, und erhalten wiegezeigt eine negative Konstante. Wenn es sich um Lcher, also positive Ladungstrgerhandelt, so wird auch die Konstante positiv. Diese Art der Leitung werden wir spterdiskutieren.

    5.9 Wrmeleitung in Metallen

    Wie in Kapitel 4 gehen wir aus vom Ausdruck K = 1/3 C v l fr die Wrmeleitung Keines idealen Gases mit Wrmekapazitt C pro Volumeneinheit, Geschwindigkeit v undmittlerer freier Weglnge l. Wir benutzen

    Cel = 12

    p 2 kB n T/TF

    fr die spezifische Wrme und setzen fr die Geschwindigkeit die Fermi-Geschwindig-keit vF und fr die mittlere freie Weglnge entsprechend l = vF t . Damit wird dieWrmeleitfhigkeit

    K = 1/3 12

    p 2 kB n T/TF vF vF t .

    Wir schreiben die Fermi-Geschwindigkeit vF als Funktion der Fermi-Energie

    vF2 = 2 e F/m = 2 kB TF/m .

    Damit wird die Wrmeleitfhigkeit

    K = p 2 kB2 n T t /(3 m).

    Die Wrmeleitfhigkeit solltealso proportional zur Temperaturund zur mittleren Stosszeit t sein sein. Diese ist stark temperaturabhngig und dieseAbhngigkeit berwiegt bei Temperaturen ber 20K. Die Wrmeleitfhigkeit enthlt,wie im Kapitel 4 gezeigt, ausserdem Beitrge der Phononen. Im allgemeinen berwiegtder Beitrag der Elektronen, insbesondere in "guten" Metallen. Metalle sind deshalbbessere Wrmeleiter als ionische Kristalle. In verunreinigten Metallen undungeordneten Legierungen nimmt der elektronische Beitrag zur Wrmeleitung starkab, whrend der Beitrag der Phononen relativ konstant bleibt und deshalb vergleichbarund in Isolatoren dominant werden kann.

    In diesem Beispiel geht dieWrmeleitfhigkeit vonKupfer durch ein Maximum, wie wir es fr den Fall freier Elektronen erwarten. Das

    Zeichnung: Temperaturabhngigkeit

    Folie: Wrmeleitfhigkeit von Kupfer

  • - 15 -

    5) Freie Elektronen 18. Mai 1998

    Verhalten ist somit qualitativ hnlich wie bei der Wrmeleitung durch Phononen, dochsinkt die Wrmeleitfhigkeit bei tiefen Temperaturen nicht mit T3, sondern mit T ab.

    Man kann diese thermische Wrmeleitfhigkeit mit der elektrischen Leitfhigkeit

    s = n e2 t /m

    vergleichen. Man sieht aus der obigen Behandlung dass sie die gleiche Tendenz zeigensollten: Beide sind proportional zur Ladungstrgerdichte n und zur mittleren Stosszeitt . Das Verhltnis zwischen den beiden Werten,

    K/ s = p 2 kB2 T/(3 e2)

    sollte direkt proportional zur Temperatur T sein. Dies ist auch experimentell gefundenworden und wird als Wiedemann-Franz Gesetz bezeichnet. Das Verhltnis

    L = K/(s T) = p 2 kB2/(3 e2) = 2.45 . 10-8 WW /K2 .

    ist unabhngig vom Material und wird als Lorenz-Zahl bezeichnet. Die experimentell ermitteltenWerte fr

    2.3 < L < 2.6

    stimmen recht gut mit diesem theoretischen Wert berein, was als Besttigung desModells des freien Elektronengases betrachtet werden kann. Das theoretische Resultathngt allerdings davon ab dass die Stosszeit t fr die beiden Prozesse die gleiche seinsoll. Dies ist allerdings nicht zwingend der Fall. Bei tiefen Temperaturen findet mandeshalb eine Abweichung vom Wiedemann-Franz Gesetz.

    Folie experimentelle L