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5. Kapitel: Schwangerschaftsabbruch 5.1 Grundsätzliche ethische Bewertung des Schwanger-schaftsabbruchs - Unterscheidung wertender Ausdruck: „Abtreibung“ neutrale Beschreibung: „Schwangerschaftsabbruch“ bzw. „vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft“. - Welche Gründe können eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft ethisch rechtfertigen?

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5. Kapitel:Schwangerschaftsabbruch

5.1 Grundsätzliche ethische Bewertung des Schwanger-schaftsabbruchs

- Unterscheidung

wertender Ausdruck: „Abtreibung“

neutrale Beschreibung: „Schwangerschaftsabbruch“ bzw. „vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft“.

- Welche Gründe können eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft ethisch rechtfertigen?

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5.1.1 Objektive Bewertung und subjektive Schuld

- Ausgehend von der Auffassung, dass menschliches Leben von der Empfängnis an ein unbedingt zu schützendes Gut ist, kann der einzige Grund darin bestehen, dass nur so (ultima ratio) der entgegengesetzte Wert „Leben“ im Ganzen geschützt und gefördert werden kann.

Z.B. Situationen, in denen das Leben der Mutter und des Kindes in Konkurrenz treten.

Tötung des Kindes ist indirekt in Kauf genommen, um direkt das Leben der Mutter zu retten.

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- Doch auch mit dieser Begründung tut sich die Kirche noch schwer:

„Es gibt Konfliktsituationen, in denen auch nach menschlichem Ermessen zwischen den Verlust des Lebens sowohl der Mutter als auch des ungeborenen Kindes einerseits und dem Verlust nur eines menschlichen Lebens auf der anderen Seite zu entscheiden ist. Wir wissen, dass mancher katholische Arzt, der aufgrund seiner christlichen Überzeugung grundsätzlich nicht bereit ist, eine Abtreibung zu indizieren, vorzunehmen oder zuzulassen, hier in Gewissensnot gerät. Hier ist die sorgfältige Gewissensentscheidung des Arztes in der konkreten Einzelsituation gefordert. Einer solchen Gewissensentscheidung wird sicherlich niemand die Achtung vorenthalten.“

(Die deutschen Bischöfe, Zur Novellierung des § 218, 7. Mai 1976)

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- Behinderung des Fötus ist dagegen kein Grund, der eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft ethisch rechtfertigen kann.

- Anenzephalie: In diesem Fall ist nicht nur der aktuelle Besitz von Selbstbewusstsein und Interessen nicht gegeben, sondern auch die Potentialität, die Offenheit auf Selbstbewusstsein und personale Akte ist nicht gegeben. Parallele zur Argumentation bei Hirntod.

- Auch soziale und psychische Notlagen stellen keinen objektiven Grund für die Rechtfertigung eines Schwangerschaftsabbruchs dar.

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- Auch wenn ein Schwangerschaftsabbruch objektiv ethisch nicht gerechtfertigen werden kann, kann er in vielen Konfliktfällen menschlich verständlich und subjektiv entschuldbar sein.

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5.1.2 Lebensrecht des Embryos und Selbstbestimmungs-recht der Frau

- Ausgehend vom Schutz der Personwürde von der Empfängnis an hat das Lebensrecht Ungeborener Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau.

- Andererseits kann das Lebensrecht des Kindes wirkungsvoll nicht gegen den Willen der Schwangeren, sondern nur mit ihr zusammen geschützt werden.

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5.1.3 Das Argument von Judith Jarvis Thomson

- Geht vom Personstatus von der Empfängnis an aus und argumentiert dennoch für den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts der Frau.

(Geiger-Beispiel)

- Das Argument scheint zunächst nur auf Schwangerschaften aufgrund von Vergewal-tigung anwendbar.

Aber er lässt sich auch auf Schwangerschaften aufgrund von Nachlässigkeit oder Unwissen-heit anwenden.

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5.1.4 Gegenargumente gegen Judith Thomson

- Der Schwangerschaftsabbruch wird hier als unterlassene Hilfeleistung dargestellt und nicht als aktive Tötungshandlung.

Aber: Schwangerschaftsabbruch lässt sich auch als Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verstehen.

- Das Kind ist nicht ein Fremder, sondern das eigene Kind der Mutter. Dies konstituiert die Sorgepflicht für das Kind.

Aber: Gibt es nicht auch eine allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung aufgrund menschlicher Solidarität?

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5.2 Ethische Bewertung der rechtlichen Regelung durch den § 218/19 StGB

5.2.1 Zur Geschichte des § 218/19

- Preußisches Gesetzbuch (1851) und Deutsches Reichstrafgesetzbuch (1871): Schwangerschaftsabbruch generell als Tötungsdelikt

- Reichsgerichtsentscheid (1927): Schwangerschaftsabbruch bei medizinischer Indikation nicht rechtswidrig

- 26.4.1974: Fristenregelung

- 25.2.1975: Bundesverfassungsgericht betont den Schutz des ungeborenen Lebens ohne Frist

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- 18.5.1976: Indikationenregelung (medizinische, kriminologische, kindliche und Notlagen-Indikation)

- Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 zwei unterschiedliche Rechtslagen

- 25.6.1992: Schwangeren- und Familienhilfegesetz (SFHG)

- 1993: Teilweise Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht

- 1995: Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG)

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5.2.2 Ethische Beurteilung des Gesetzes

- Text

- Ist im Wesentlichen eine Fristenregelung mit Beratungspflicht;

darüber hinaus: medizinische und kriminologische Indikation.

- Grundfrage der ethischen Beurteilung des Gesetzes:

Welche rechtliche Regelung dient am besten dem Schutz des ungeborenen Lebens, verhindert tatsächlich mehr Abtreibungen?

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- Wie sich gezeigt hat, führt eine sehr strikte Regelung nicht zu einer Senkung der Abtreibungsrate.

- Vielmehr führt gerade kompetente Beratung in vielen Fällen zur Verhinderung von Abtreibungen.

Beratung führt auch oft dazu, dass die Frau das Kind nicht nur widerwillig hinnimmt, sondern bejaht.

- Beratungsregelung geht also vom Selbstbestimmungs-recht der Frau aus.

Das Selbstbestimmungsrecht wird aber nicht über das Lebensrecht gestellt.

Aber das Lebensrecht des Kindes kann nicht gegen den Willen der Frau, sondern nur mit ihr wirkungsvoll geschützt werden.

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Mögliche Einwände:

- Verpflichtung zur Beratung schränkt Selbstbestim-mungsrecht ein.

Dagegen: Beratung ermöglicht einen freien Entschei-dungsraum.

- Verpflichtende Beratung traut der Frau kein Entscheidungsvermögen zu.

Dagegen: Beratung ist nicht Überredung, sondern Information über Hilfsangebote.

Dem dient auch der Ausschluss der Darlegungspflicht.

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SchwangerschaftskonfliktberatungZahlen – Ergebnisse 1997

- 116.273 Frauen haben die katholische Schwangerschaftskonfliktberatung aufgesucht.

Davon: 94.956 Erstberatung18.434 2. Jahr der Beratung

2.883 3. Jahr der Beratung

- Anteil der Frauen, die im Rahmen der Erstberatung eine wirkliche Konfliktberatung nach § 219 wünschten: 21 %

Also: 20.097 Frauen.

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Ausgang für 1997

25% haben sich für das Kind entschieden

7% Tendenz zum Schwangerschaftsabbruch

69% Ausgang unbekannt, enthält auch einen Anteil vermiedener Schwangerschafts-abbrüche

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Einwand:

In der Ethik geht es aber um das Prinzip und nicht um das Ergebnis.

Dagegen:

Aber kann man das Prinzip „Leben schützen“ über den Schutz des einzelnen Lebens stellen?

Problematisch:

Zwar ist die embryopathische Indikation weggefallen, dafür ist die medizinische Indikation sehr „weich“ und ermöglicht Abtreibungen ohne Frist.

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5.3 Die Frage des Beratungsscheins

5.3.1 Die Ereignisse

- 26.1.1998 Brief des Papstes an die deutschen Bischöfe mit der Bitte, Beratungsstellen sollten keine Bescheinigung mehr ausstellen.

- 25.2.1999 Deutsche Bischofskonferenz macht den Vorschlag, künftig einen „Beratungs- und Hilfeplan“ zu übergeben.

- 3.6.1999 Brief des Papstes an die Bischöfe.

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„Die Einbindung des Beratungs- und Hilfeplans in die gesetzliche Konfliktberatung wirft freilich ernste Fragen auf. Die Bescheinigung, die den Frauen am Ende der Beratung ausgestellt wird, hat gewiss eine zusätzliche Funktion erhalten; sie dokumentiert die Ausrichtung der kirchlichen Beratung auf das Leben und bildet eine Garantie für die Gewähr der zugesagten Hilfen. Entscheidend für die Wertung des Vorschlags ist die Frage, ob der am Ende stehende Text weiterhin die Verwendung des Scheins als Zugang zur Abtreibung gestattet. Wäre dies der Fall, so stünde er im Widerspruch zu meinem eingangs erwähnten Schreiben und zur gemeinsamen Erklärung des Ständiges Rates Eurer Bischofskonferenz vom 26. Januar 1998, meiner Bitte Folge zu leisten und in Zukunft nicht mehr einen Schein solcher Art ausstellen zu lassen. …

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… Dass der Text ... in dieser Hinsicht unklar bleibt, ist wohl auch der Grund, dass ihm die einmütige Zustimmung der Bischöfe versagt geblieben ist. ... Damit die rechtliche und moralische Qualität dieses Dokuments unzweideutig wird, ersuche ich Euch, im Text selbst klarzustellen, dass der Schein, der die kirchliche Beratung bestätigt und Anrecht auf die zugesagten Hilfen gibt, nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden kann. Dies soll dadurch erfolgen, dass in der brieflichen Bescheinigung, die den Frauen im Rahmen des Beratungs- und Hilfeplans ausgehändigt wird, ... nur das Ziel der Beratung und Hilfe erwähnt wird und am Ende der Satz hinzugefügt wird: Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden.“ (Nr 3)

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- 21. Juni 1999: Lehmann fordert Gesetzgeber auf, diese Lösung zu akzeptieren.

- Juli/August 1999: Politiker signalisieren, den geänder-ten Beratungs- und Hilfeplan als Bescheinigung im Sinne des § 219 anzuerkennen.

- 30. Juli 1999: Kardinal Meisner fragt in Rom an, ob dies wirklich die Intention des Papstes gewesen sei.

- 18.9.1999 Kardinal Ratzinger und Kardinal Sodano antworten, der Zusatz solle bewirken, dass der Schein nicht geeignet ist, den Zugang zur Abtreibung zu eröffnen.

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- 20.9.1999 Bischofskonferenz ist geteilt: Einige wollen sich aus der gesetzlich anerkannten Beratung zurück-ziehen, andere wollen ihre Bedenken noch einmal dem Papst vortragen, werden aber abgewiesen.

- 20.11.1999: Papst bekräftigt noch einmal, dass die Beratungsstellen ihre Tätigkeit fortführen sollen, aber ohne den Schein auszustellen.

- 23.11.1999: Beschluss des ständigen Rates: Neuordnung der katholischen Beratung im Sinne des Papstes.

- 24.9.1999: Gründung des Vereins „Donum vitae“

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5.3.2 Die Argumentation des Papstes

- Papst betont zunächst die Wichtigkeit der Beratungs-stellen. Sie tragen dazu bei, „viele ungeborene Kinder vor der Tötung zu retten“. (Nr.6)

- Bedenken gegen die Ausstellung des Scheins (Nr. 7):

„Das ,Dilemma‘ besteht darin, dass die Bescheinigung die Beratung zugunsten des Lebensschutzes bestätigt, aber zugleich die notwendige Bedingung für die straffreie Durchführung der Abtreibung bleibt, auch wenn sie gewiss nicht deren entscheidende Ursache ist. …

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… Der positive Text, den Ihr dem von katholischen Stellen ausgestellten Beratungsschein gegeben habt, kann diese widersprüchliche Spannung nicht grundsätzlich beheben. Die Frau kann den Schein aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen dazu gebrauchen, um nach einer dreitägigen Frist ihr Kind straffrei und in öffentlichen Einrichtungen und zum Teil auch mit öffentlichen Mitteln abtreiben zu lassen. Es ist nicht zu übersehen, dass der gesetzlich geforderte Beratungsschein, der gewiss zuerst die Pflichtberatung sicherstellen will, faktisch eine Schlüsselfunktion für die Durchführung straffreier Abtreibungen erhalten hat. Die katholischen Beraterinnen und die Kirche, in deren Auftrag die Beraterinnen in vielen Fällen handeln, geraten dadurch in eine Situation, die mit ihrer Grundauffassung in der Frage des Lebensschutzes und dem Ziel ihrer Beratung in Konflikt steht. Gegen ihre Absicht werden sie in den Vollzug eines Gesetzes verwickelt, der zur Tötung unschuldiger Menschen führt und vielen zum Ärgernis gereicht.“ (Nr. 7)

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5.3.3 Das moraltheologische Problem: Schuldhafte Mitwirkung

- Der Papst befürchtet eine „Mitwirkung“ der Kirche an der Abtreibungspraxis, die mitschuldig macht.

- Aber:

Bereits die traditionelle Moraltheologie unterscheidet zwischen formeller und materieller Mitwirkung.

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- Formelle Mitwirkung:

„Formelle Mitwirkung ist jeder Beitrag zur Sünde des anderen, der seiner eigenen Wesensart oder inneren Zweckbestimmung nach oder auch nach der willentlichen Zweckbestimmung des Mitwirkenden als Beitrag zur Sünde des andern gekennzeichnet ist. Der formell Mitwirkende stellt sich also selbst entweder durch innerste Bejahung der sündhaften Tat des andern oder durch einen Beitrag, der als solcher schon auf Grund seiner Wesensart eine Bejahung der Tat des Haupthandelnden ist, direkt in den Dienst des Bösen.“ (B. Haering, Das Gesetz Christi)

Handlung, die ihren Grund darin hat, das schlechte Handlung eines anderen zu ermöglichen oder zu unterstützen.

Macht immer schuldig.

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- Materielle Mitwirkung:

„Der bloß materiell Mitwirkende leistet eine an sich gut oder wenigstens indifferente Handlung, die weder aus sich, das heißt ihrem Wesen nach, noch nach seiner eigenen Absicht ein Beitrag zur Sünde des andern ist, die jedoch durch den andern missbraucht und in den Dienst seiner sündhaften Tat gestellt wird. In der Handlung selber liegt also lediglich eine sichtbare Möglichkeit, missbraucht zu werden.“ (B. Haering)

Handlung, die möglicherweise von anderen missbraucht werden kann.

Kann aus bestimmten Gründen gerechtfertigt, ja sogar geboten sein.

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- Materielle Mitwirkung:

„Es gibt Gründe, die eine materielle Mitwirkung rechtfertigen, ja sogar anraten, wenn nicht sogar zu ihr verpflichten. Diese Gründe müssen aber um so triftiger sein, je größer das Unheil ist, zu dem unsere Handlungen missbraucht werden, je näher unser Beitrag im Zusammenhang mit der sündhaften Handlung des anderen steht usw.“

„Die rein materielle Mitwirkung ist also erlaubt, wenn dadurch ein höheres Gut geschützt oder ein größeres Übel vermieden wird. Es darf jedoch nach den Grundsätzen über die „doppelte Wirkung“ niemals die gute Wirkung vermittels der schlechten angestrebt werden; denn der Zweck heiligt nicht die Mittel.“

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- Materielle Mitwirkung:

Wenn man für das eigene Handeln einen entsprechenden Grund hat, bleibt der mögliche Missbrauch außerhalb der Absicht.

Es handelt sich dann nur um materielle bzw. indirekte Mitwirkung, die nicht schuldig macht.

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5.3.4 Konsequenzen für die Frage des Beratungsscheins

- Ausstellen des Scheins ist keine formelle Mitwirkung, weder der Absicht noch der Wesensart nach,

- sondern höchstens materielle Mitwirkung.

- Es ist Mitwirkung am Strafverzicht des Staates, der aber den Grund hat, die Abtreibungsrate zu senken.

- In der Senkung der Abtreibungsrate liegt der rechtfertigende Grund.

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- Kommentar des Päpstlichen Staatssekretariats:

„Der Papst geht nicht näher auf die moraltheologische Frage ein, welche Art der Mitwirkung an der Abtreibung hier genau vorliegt. Es scheint auch nicht leicht, die entsprechenden traditionellen Kriterien unverändert auf die Problematik des Beratungsscheins anzuwenden, zumal die Sachlage überaus komplex ist und es um eine institutionelle Mitwirkung der Kirche geht, in deren Auftrag die Beraterinnen in vielen Fällen handeln.“

(Osservatore Romano, 28.1.1998)

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- Statt mit dem Verweis auf die „Mitwirkung“ wird in der Folge mehr und mehr mit der „Glaubwürdigkeit“ argumentiert.

- Aber:

Genügt dann nicht auch der Vermerk der Missbilligung der Abtreibung auf dem Schein?

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6. Kapitel:Die Diskussion um Hirntod und Organspende

5.1 Grundsätzliche ethische Bewertung des Schwanger-schaftsabbruchs

- Unterscheidung

wertender Ausdruck: „Abtreibung“

neutrale Beschreibung: „Schwangerschaftsabbruch“ bzw. „vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft“.

- Welche Gründe können eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft ethisch rechtfertigen?

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