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1 50 Jahre Sommerkirchweih Von Klaus-Peter Gäbelein 28. Jahrgang Herzogenaurach, 12. Juli 2001 Nummer 25 Für viele Herzogenauracher hat das Wort Kirchweih magische Bedeutung, noch dazu, wenn es in Verbindung mit dem Begriff Weihersbach gebraucht wird. Für einen echten Weihersbachanhänger gibt es nichts Schöneres, als an einem lauschi- gen Juliabend unter den alten Bäumen bei den Fel- senkellern zu sitzen und sein Bier und eine deftige Brotzeit zu genießen. Die Kirchweihfeste, christlich-kirchlich und mit dem eigentlichen Tag der Einweihung des Gottes- hauses begründet, haben im fränkischen Raum jahr- hundertealte Tradition. Und da in Herzogenau- rach eine Martins-Kirche als älteste und früheste Kirche erbaut worden ist, feiert man hier nach alter Tradition die kalte, sprich die Martini-Kirch- weih um den 11. Novem- ber. Wie aber steht es um die warme Kirchweih die Sommer- kirchweih? Als wenige Jahre nach 1400 die Herzogenauracher Pfarrkirche vergrößert und erweitert worden war und geweiht werden musste, war wohl der heilige Mar- tin - um im heutigem Jargon zu sprechen gerade out - während Maria Magdalena in war. Folglich wurde das neue Gottes- haus zu Ehren der Büßerin Maria Magda- lena geweiht. In den Urkunden erscheint Maria Magdalena seit der Mitte des 16. Jahr- hunderts als vera patrona in civitate Herzogenaurach, also als wirkliche Stadt- patronin von Herzogenaurach. Als nach dem 2. Weltkrieg allerorten gefeiert wurde, als man sich wieder alter Bräuche und Traditionen erinnern durfte, auch wenn sie nicht heidnisch-germani- schen Ursprungs waren, gab es Überle- gungen, zu Ehren der Kirchenpatronin eine warme Kirchweih also eine Sommer- kirchweih einzuführen. Bürgermeister und Stadtrat waren für die Einführung einer Kirchweih und so wurde die Bevölkerung aufgefordert, zur Bezeichnung der Kirch- weih Namensvorschläge einzureichen. Für die besten Vorschläge wurden Geldpreise in Höhe von 10, 15 und 20 Mark (!) zur Verfügung gestellt. Da aber nach Meinung der Stadtoberen kein brauchbarer Vor- schlag einging, einigte man sich auf die Bezeich- nung .AURACHGRÜN- DER VOLKSFEST. Im Amtsblatt vom 4. Juni 1952 weisen Bürger- meister Maier und Heimat- vereinsvorsitzender Kurr darauf hin, dass in frühe- ren Zeiten die Maria-Mag- dalenen-Kirchweih die ei- gentliche Kirchweih in Herzogenaurach (neben der Martini-Kirchweih) gewesen ist, weil sie mit dem Patronatsfest der Hei- ligen (22. Juli) zusammen- gefallen ist. 1764, so die Verantwortlichen, sei von fürstbischöflicher Seite die Magdalenen-Kirchweih auf den Herbst zusammen mit der Martini-Kirchweih verlegt worden. Als Termin für die 1. Sommerkirchweih wurde 1952 der Zeitraum zwischen dem 11. und 20. Juli festgelegt. Hätte man den Ter- min auf den Namenstag der Heiligen ver- legt (22. Juli), so hätte sich das mit dem Forchheimer Annafest (eine Woche über den 26. Juli hinweg) überschnitten, und das wollten die Herzogenauracher vermeiden. Über Jahrzehnte hinweg für Kinder und Jugendliche das Zentrum der Sommer- kirchweih - das Kettenkarussell.

50 Jahre Sommerkirchweih - Herzogenaurach · Williams-Showband, an die Aalbachtaler Musikanten oder an die Band —Dolce Vitafi, während sich die Jugend auf dem Polster Keller von

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    50 Jahre SommerkirchweihVon Klaus-Peter Gäbelein

    28. Jahrgang Herzogenaurach, 12. Juli 2001 Nummer 25

    Für viele Herzogenauracher hat dasWort Kirchweih magische Bedeutung,noch dazu, wenn es in Verbindung mit demBegriff Weihersbach gebraucht wird. Füreinen echten Weihersbachanhänger gibtes nichts Schöneres, als an einem lauschi-gen Juliabend unter denalten Bäumen bei den Fel-senkellern zu sitzen undsein Bier und eine deftigeBrotzeit zu genießen.

    Die Kirchweihfeste,christlich-kirchlich und mitdem eigentlichen Tag derEinweihung des Gottes-hauses begründet, habenim fränkischen Raum jahr-hundertealte Tradition.Und da in Herzogenau-rach eine Martins-Kircheals älteste und frühesteKirche erbaut worden ist,feiert man hier nach alterTradition die kalte,sprich die Martini-Kirch-weih um den 11. Novem-ber.

    Wie aber steht es umdie warme Kirchweih die Sommer-kirchweih? Als wenige Jahre nach 1400 dieHerzogenauracher Pfarrkirche vergrößertund erweitert worden war und geweihtwerden musste, war wohl der heilige Mar-tin - um im heutigem Jargon zu sprechengerade out - während Maria Magdalenain war. Folglich wurde das neue Gottes-haus zu Ehren der Büßerin Maria Magda-

    lena geweiht. In den Urkunden erscheintMaria Magdalena seit der Mitte des 16. Jahr-hunderts als vera patrona in civitateHerzogenaurach, also als wirkliche Stadt-patronin von Herzogenaurach.

    Als nach dem 2. Weltkrieg allerorten

    gefeiert wurde, als man sich wieder alterBräuche und Traditionen erinnern durfte,auch wenn sie nicht heidnisch-germani-schen Ursprungs waren, gab es Überle-gungen, zu Ehren der Kirchenpatronin einewarme Kirchweih also eine Sommer-kirchweih einzuführen. Bürgermeister undStadtrat waren für die Einführung einerKirchweih und so wurde die Bevölkerung

    aufgefordert, zur Bezeichnung der Kirch-weih Namensvorschläge einzureichen. Fürdie besten Vorschläge wurden Geldpreisein Höhe von 10, 15 und 20 Mark (!) zurVerfügung gestellt. Da aber nach Meinungder Stadtoberen kein brauchbarer Vor-

    schlag einging, einigteman sich auf die Bezeich-nung .AURACHGRÜN-DER VOLKSFEST.

    Im Amtsblatt vom 4.Juni 1952 weisen Bürger-meister Maier und Heimat-vereinsvorsitzender Kurrdarauf hin, dass in frühe-ren Zeiten die Maria-Mag-dalenen-Kirchweih die ei-gentliche Kirchweih inHerzogenaurach (nebender Martini-Kirchweih)gewesen ist, weil sie mitdem Patronatsfest der Hei-ligen (22. Juli) zusammen-gefallen ist. 1764, so dieVerantwortlichen, sei vonfürstbischöflicher Seite dieMagdalenen-Kirchweihauf den Herbst zusammen

    mit der Martini-Kirchweih verlegt worden.Als Termin für die 1. Sommerkirchweihwurde 1952 der Zeitraum zwischen dem 11.und 20. Juli festgelegt. Hätte man den Ter-min auf den Namenstag der Heiligen ver-legt (22. Juli), so hätte sich das mit demForchheimer Annafest (eine Woche überden 26. Juli hinweg) überschnitten, und daswollten die Herzogenauracher vermeiden.

    Über Jahrzehnte hinweg für Kinder und Jugendliche das Zentrum der Sommer-kirchweih - das Kettenkarussell.

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    Und so fand dann ... schon am Freitag (1l.Juli 1952) ... eine gemütliche und sehr gutbesuchte Bierprobe in den Weihersbach-anlagen, die mit einem Konzert der Feuer-wehrkapelle verbunden war... statt. AmSamstag (12. Juli) wurde nach fränkischerKirchweihtradition ein Baum aufgestellt,welcher - der Höhe unserer Stadttürme ent-sprechend - 28 m hoch war. Außerdem gabes am Samstag noch Sportveranstaltungen,wie Fußballspiele zwischen den Berufs-schulmannschaften aus Höchstadt undHerzogenaurach sowie einen Staffellauf inder Stadt zu Ehren des verstorbenen Leh-rers, Heimatforschers und ehemaligen Vor-stands des Turnvereins, Bernhard Dietz.

    Neben verschiedenen Fahrgeschäftensorgten genügend Schießstände und son-stige Buden für Abwechslung. VieleHerzogenauracher Vereine beteiligten sichan diesem Fest. Neben einer AusstellungSchule auf Rädern gab es auch eine land-wirtschaftliche Ausstellung. Zum Ab-schluss der ersten Kirchweih spielten amSonntag (20. Juli) zwei Musikkapellen aufdem Festplatz; zusätzlich gab es am Markt-platz ein Standkonzert, dargeboten von ei-ner Egerländer Musikkapelle aus Neustadt/Aisch. Für Tanzlustige war damals bereitsein Podium am Festgelände im Weihers-bach errichtet worden.

    Der Nachholbedarf an Festen und Fei-ern war bei der Nachkriegsgeneration rie-sig. Und da kaum jemand über ein eigenesAuto verfügte, waren damals die Bahn, diePost und private Omnibusunternehmer fürden Transport gefordert. Die Bahn erklärtesich in den ersten Kirchweihjahren bereit,einen Abgangszug sonntags bei Kirch-weihende in Richtung Erlangen einzule-gen; für Nürnberger und BambergerKirchweihbesucher gab es in Bruck einendirekten Anschluss in Richtung Noris bzw.in die Bischofsstadt.

    1953 lockte man Einheimische und Gä-ste mit einem Preisschießen, mit Konzertund Tanz einer Geflügelausstellung sowieeinem Treffen der Heimatvertriebenen zumFestgelände. Am ersten Samstag in derKirchweihwoche gab es den beliebtenBernhard-Dietz-Gedächtnislauf, die Herzo-genauracher Chöre gaben sich mit Ge-sangsdarbietungen ein Stelldichein und dieFamilie Herbig in der WeihersbachsiedlungNr. 6 stellte für Fahrräder und Motorrädereinen bewachten Parkplatz zur Verfügung.Über den Bierpreis lesen wir am 10. Juli 1953Der Bierpreis von 1,10 DM je Liter Vollbiereinschl. Bedienungszuschlag ist von derRegierung von Oberfranken für die Veran-staltung preisaufsichtlich genehmigt wor-den. Bieranstich 1978 mit Bürgermeister Hans Ort

    Bürgermeister Hans Maier und Bürgermeisterin Anna Herrmann beim Bieranstich 1965.

    1962 - Anfang der 60-er Jahre spielt die Kapelle Bock Abend für Abend zum Tanz auf.

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    In den folgenden Jahren gab es immerwieder Attraktionen im Weihersbach, überdie man heute schmunzeln kann. Kinderaus dem Liebfrauenhaus führten 1954 ei-nen Schäfflertanz auf und Turnerinnen vomTurnverein luden zu einem Holzschuhtanzein und wer bei der Schützengilde um denTitel eines offiziellen Stadtmeisters mit-schießen wollte, musste 1,30 DM für zehnSchuss berappen. Übrigens taucht 1954erstmals der Begriff Sommerkirchweih auf(Amtsblatt vom 2. Juli 1954). In der Folgewurde die Sommerkirchweih von der Be-völkerung immer besser angenommen. Lie-derkranz, Volkschor und Werkvolk ludenzu Singabenden ein und die Firmen trafensich mit ihren Mitarbeitern zum geselligenBeisammensein auf den Kellern. Und da1955 der Bierpreis bei 1,30 DM lag, wurdezwar gemurrt (das Fläschla Bier kostetein der Flaschenbierhandlung um die Ecke25 bis 30 Pfennige), doch die Massenströmten hinaus in den Weihersbach.

    Parallel zum Kirchweihprogramm imSommer 1956 bot das Park-Theater (Kreu-zung Hans-Maier-Straße/Ansbacher Stra-ße) den Herzogenaurachern eine Wochelang den einmaligen und schönsten Film

    des Jahres, nämlich Sissi mit RomySchneider. Inzwischen hatte es sich aucheingebürgert, ein Feuerwerk abzuschießenund seit 1957 gab es die jahrelang belieb-ten Bunten Abende. So traten 1957 Mit-glieder der Weißblauen Drehorgel auf,

    einer beliebten Rundfunksendung, wieKathi Prechtl oder der Gstanzl-SängerRoider Jackl. Für diese Freitagsveranstal-tung wurden 50 Pfennig Eintritt erhoben,die meist freiwillig bezahlt wurden, wenn-gleich manche versuchten, vom Gelände

    Die Traunwalchner Goaßlschnalzer mit ihren Peitschen - ein Höhepunkt des Sommerkirchweihprogramms 1979

    Festzug anlässlich der 30. Sommerkirchweih 1981

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    Herausgeber: Stadt HerzogenaurachBeilage im Amtsblatt Nr. 28/2001Fotos: StadtRepros: Kulturamt der StadtText: Klaus-Peter GäbeleinRedaktion: Helmut BiehlerOnline-Ausgabe

    des 1. FC auf direktem Weg zu den Kellernzu rutschen und die Kassen zu umgehen.

    Immer wieder lesen wir von namhaften

    Interpreten, die man - das Fernsehen steck-te ja noch in den Kinderschuhen - vom Funkher kannte: Maria Hellwig die Meis-terjodlerin, Die Lustigen Dorfschwalben,Die Peterlesboum, Spatz und Spätzlein und1961 trat der berühmte fränkische KomikerHerbert Hisl im Weihersbach auf. Ein Jahrspäter jubelten die Herzogenauracher demSchlagersänger Willi Hagara zu, ließen sichvon Otto Höpfner (Fernsehsendung ZumBlauen Bock) unterhalten und lauschtenden Klängen des Nürnberger Tanzorches-ters und Steff Lindemann. Allerdings ko-stete jetzt die Maß Bier schon 1,50 DMund der Eintrittspreis war am buntenAbend auf 1 Mark erhöht worden. 5500Eintrittskarten konnten die Mitarbeiter derStadtverwaltung damals verkaufen.

    Das Trio Sorrento, Maria und MargotHellwig sowie Gerhard Wendland ließen dieWeihersbachanhänger 1963 fast dahinschmelzen. Das Amtsblatt berichtete am 26.Juli 1963 vom vollen Erfolg dieses Abends.Rund 8.000 Menschen saßen und standendicht gedrängt im Weihersbach. WilliHagara, die Jakob Sisters und RobertoBlanco traten 1965 auf und Fritz Bock spiel-te mit seiner Trachtenkapelle Abend fürAbend und sorgte für beste Stimmung. Derdunkelhäutige Billy Mo animierte dieKirchweihbesucher 1967 mit seinem Gas-senhauer Ich kauf mir lieber einen Tiroler-Hut zum Mitsingen. Inzwischen hatte derBierpreis die Schallmauer von 2 Mark proLiter erreicht. Die Kerwabesucher murrtenzwar, aber sie tranken.

    In den 70er Jahren kamen die BuntenAbende außer Mode. Das Fernsehen botnun auf zwei Kanälen buntere Programme.

    Dafür gab es jetzt abwechselnde Musik-darbietungen von Volksmusik über Show-bands bis hin zu einheimischen Kapellen.

    1981 feierte man die 30. Sommerkirch-weih mit einem Festzug. 87 Gruppen, dar-unter 16 Musikkapellen marschierten durchdie Innenstadt hinaus zum Festplatz aufdem man jetzt schon 4,70 DM für einen Li-ter Festbier bezahlen musste. Als Bürger-meister Hans Lang zehn Jahre später die40. Sommerkirchweih eröffnete war der

    Anfang der 90-er Jahre griffen die "Kerwas-Oldies" die Tradition des Baumaufstellenswieder auf.

    Bieranstich 2001 mit Bürgermeister Hans Lang

    Bierpreis auf stolze 7 Mark geklettert. Da-für hatten die Verantwortlichen auch nam-hafte Musikkapellen eingeladen.

    Viele erinnern sich noch an die Joe-Williams-Showband, an die AalbachtalerMusikanten oder an die Band Dolce Vita,während sich die Jugend auf dem PolsterKeller von zehn verschiedenen Rock- undBlues-Gruppen unterhalten ließ.

    Was wünschen sich die Verantwortli-chen von der diesjährigen Jubiläums-kirchweih? Besucher und Veranstalter hof-fen auf gutes Wetter, die Wirte wünschensich großen Durst bei den Kirchweih-besuchern und diejenigen, die Essen an-bieten, freuen sich auf hungrige Gäste. DieMänner vom Bauhof sind glücklich, wennmöglichst wenig zerstört wird rund um dasKirchweihgelände und HerzogenaurachsOrdnungshüter appellieren an die Vernunftder Kirchweihbesucher: Ein Spaziergangzur Sommerkirchweih ist allemal gesundund dem Führerschein dienlich und außer-

    dem gibt es die Zubringerbusse. Also aufdann zur 50. Sommerkirchweih und ein drei-faches Prosit der Gemütlichkeit!

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