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ZEITSCHRIFT DES BUNDESINSTITUTS FÜR BERUFSBILDUNG W. BERTELSMANN VERLAG 29. JAHRGANG 1 D 20155 F BWP BERUFSBILDUNG IN WISSENSCHAFT UND PRAXIS Blickpunkt: Ordnung oder Flexibilität? – Zur Zukunft von Beruf und Bildung Thema: Berufe 2000 Praxis: Aus Modellversuchen International: Zusammenarbeit mit den USA 5/2000

5/2000 BERUFSBILDUNG IN WISSENSCHAFT UND PRAXIS

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Z E I T S C H R I F T D E S B U N D E S I N S T I T U T S F Ü R B E R U F S B I L D U N GW. B E R T E L S M A N N V E R L A G 2 9 . J A H R G A N G1 D 2 0 1 5 5 F BWP

B E R U F S B I L D U N G

I N W I S S E N S C H A F T

U N D P R A X I S

Blickpunkt: Ordnung oder Flexibilität? – Zur Zukunft von Beruf und Bildung

Thema: Berufe 2000

Praxis: Aus Modellversuchen

International: Zusammenarbeit mit den USA

5 / 2 0 0 0

E B L I C K P U N K T

03 J Ö R G E . F E U C H T H O F E N

Ordnung oder Flexibilität?– Zur Zukunft von Beruf und Bildung

E T H E M A : B E R U F E 2 0 0 0

05 M A G R E T R E Y M E R S

Neues Strukturkonzept in der Laborausbildung imBereich Chemie, Biologie, Lack

10 W O L F G A N G B E C K E R

Taugt Weiterbildung zur beruflichenEntwicklungsplanung?Berufswege im Berufsfeld Gesundheit und Soziales

16 B E AT E Z E L L E R

Das „Nürnberger Ausbildungsmodell“Zur Entwicklung einer gestaltungsoffenen

Ausbildungsstruktur im Berufsfeld Metall

21 H O R S T K R A M E R

Aus- und Weiterbildung im OP-Bereich

23 S I M O N E G R U N O W, J Ü R G E N J O C H E M ,

I N G R I D S C H Ö F E R

OTA – ein neues Berufsbild etabliert sichim Gesundheitswesen

25 H A N N E L O R E PA U L I N I - S C H L O T TA U

Neue Ausbildungsberufe im Dienstleistungssektor

E F A C H B E I T R Ä G E

27 J E N S U . S C H M I D T

Prüfungen auf dem Prüfstand – Betriebe beurteilendie Aussagekraft von Prüfungen

32 K L A U S H A H N E

Darf das auftragsorientierte Lernen im Handwerk durchberufspädagogische Maßnahmen geformt werden?

E P R A X I S

Aus Modellversuchen

37 M A R G I T F R A C K M A N N , W I L F R I D L A M M E R S

Prozess- und Organisationsmanagement in der Ausbildung

38 M I C H A E L S A N D E R , J Ö R G V E I T

Selbstlernen im (virtuellen) Kundenauftrag –gewerkeübergreifende berufliche Bildung im Handwerkdurch Multimedia stützen

E I N T E R N A T I O N A L

40 H E L G A F O S T E R

Wissenstransfer und transatlantische Zusammenarbeitin der beruflichen BildungBIBB entwickelt Projekte zum Wissenstransfer mit den USA

45 M AT T H I A S W A LT E R

Bonner Horizonte Deutsch-brasilianischer Workshop

E B E R I C H T E

47 Bericht über die Sitzung 2/2000 des Hauptausschussesam 15. Juni 2000 in Bonn

E R E Z E N S I O N E N

E L E S E R M E L D E N S I C H Z U W O R T

E I M P R E S S U M / A U T O R E N

IN

HA

LT

Diese Ausgabe enthält die ständige Beilage „BIBBaktuell“

sowie Beilagen vom W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld

E Gleich zwei Beiträge aus namhafter Feder bzw. berufenem

Mund nehmen in diesen Tagen die berufliche Bildung ins Visier.

Bundespräsident Johannes Rau hat Mitte Juli in Berlin darge-

legt, was er sich unter einer zeitgemäßen Bildung vorstellt.

Manches korrespondiert mit der Eröffnungsrede von Maria

Jepsen, Bischöfin für Hamburg und Mitglied der EKD-Synode,

auf den 11. Hochschultagen Berufliche Bildung im März 2000

in Hamburg. Rau wie Jepsen befassen sich kritisch mit der Trias

Arbeit – Beruf – Bildung, der eine verhaltener, die andere be-

wusst kämpferisch.

BERUFSBILDUNG IM VISIER

Der Bundespräsident mahnt, dass Ziel der Bildung nicht zuerst

die Befähigung zum Geldverdienen sei. Bildung dürfe sich nicht

darauf beschränken, junge Menschen auf den Beruf und für

den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Wer ausschließlich vom

„Bedarf“ her denke, verfehle, was mit Bildung eigentlich

gemeint sei. Die Hamburger Bischöfin ist radikaler. Sie postu-

liert, der Beruf sei für den Menschen da, nicht der Mensch für

den Beruf. Johannes Rau setzt auf Denken und Verstehen,

Maria Jepsen auf soziale Gerechtigkeit und Wahrung der

Würde im Arbeits- und Freizeitleben. Beide wollen das Interes-

se der Pädagogik am Einzelschicksal, an Gemeinschaftsfähig-

keit und gesellschaftlicher Verantwortung.

Und: Beide Autoren focussieren ihre Kritik auf die Reaktion,

nicht Aktion von Bildung zu den technologischen Veränderun-

gen, zu Einfluss auf und Umgang mit Internet, Computer und

virtuellen Welten. Dabei appelliert der Bundespräsident amts-

gemäß behutsam an Bildungsziele in Gestalt von gemeinsamen

Werten wie Solidarität, Ehrlichkeit, Fairness und Gemeinsinn,

die Vorrang vor dem „wunderbaren und intelligenten Knecht

Computer“ hätten.

Die Hamburger Bischöfin sieht das eckiger. Sie wettert gegen

den „gefährlichen Gedanken von der totalen Flexibilität“, die

den Menschen der Zukunft auszuzeichnen drohe. Wer fordere,

Mitarbeiter müssten (auch nur) darauf eingestellt sein, je nach

den Gegebenheiten der Wirtschaftslage in Zukunft nicht nur

einen, sondern im Verlauf ihres Lebens nacheinander mehrere

Berufe zu erlernen, propagiere die „potenzierte Verfügbarkeit

von Arbeitskräften“. Solch eine „totale Flexibilität“ fordere die

Fähigkeiten des Menschen bis in den Grenzwertbereich und

verändere das Sozialwesen umfassend.

ARBEIT VERSUS PARADIES?

Maria Jepsen kritisiert den zu hohen Stellenwert der bezahlten

Erwerbsarbeit in Westeuropa und bemüht Gen. 2,17–19: „Im

Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen – mit

Mühsal sollst du dich ernähren – verflucht sei der Acker um

Deinetwillen“. Die biblische Wahrheit sei weitgehend aus den

Augen geraten, dass menschliche Arbeit einen ambivalenten

Charakter habe. „Arbeit schaffe nicht Paradies“.

Wem sich dieses Bibelzitat nicht ganz im ausgelegten Sinn

erschließen mag, der findet Hilfe beim Bundespräsidenten.

Johannes Rau legt der Pädagogik auf zu verhindern, dass der

Bildschirm die Wirklichkeit ersetzt. Der „intelligente Knecht“

dürfe „nicht bestimmen, was gefragt und wie gelernt wird, er

dürfe sich nicht zum Herrn aufschwingen“.

Maria Jepsen warnt vor dem Verlust der Sesshaftigkeit des

arbeitenden (und zu wenig lebenden) Menschen. Energisch

fordert sie dazu auf, „gemeinsam den Kräften entgegenzu-

wirken, die den Menschen nur unter wirtschaftlich-ökonomi-

schen Gesichtspunkten verhandeln, die ihn zur Sache und zum

Baustein der Gesellschaft machen“.

Dem interessierten Leser beider Beiträge mögen die Ohren klin-

geln. Technologie und Mobilität als Goldenes Kalb, als Gefah-

ren einer neuen Zeit? Flexibilität als falsch verstandene Freiheit,

Bildung als Erziehung zum Skeptizismus gegenüber allen Chan-

BWP 5/2000 3

Ordnung oder Flexibilität? – Zur Zukunft von Beruf und Bildung 1

B L I C K P U N K T

JÖRG E. FEUCHTHOFEN

Rechtsanwalt und Bereichskoordinator Ausbil-

dung im DIHT; Geschäftsführer der FIBAA,

Internationale Stiftung der Wirtschaft für Qua-

lität im Management Training; Chefredakteur

der „Grundlagen der Weiterbildung“ (GdWZ)

cen der Veränderung und persönlichen Entfaltung im Einklang

mit sozialem Frieden?

So verstanden wäre die Einschätzung von Globalität und welt-

weiter Vernetzung ein fatales Ergebnis zur Abwägung der

Chancen und Risiken! Jedes mittelgroße bis große Unterneh-

men in Deutschland müsste betroffen sein – und mit diesen

alle ihre Mitarbeiter. Berufsbildung erschiene einseitig als

Knecht kalter Funktionalität der Personal- und Bildungspla-

nung. Wissensmanagement als virtuelle Ersetzbarkeit des ein-

zelnen, dieser genormt auf Bausteine und unbegrenzte Ver-

fügbarkeit.

HIGHTECH ALS NEUES GOLDENES KALB?

Es entsteht der Eindruck, als hätten sich die evangelische Kirche

und der Bundespräsident in einer historischen Allianz mit der

Frankfurter Schule der 60er-Jahre verbündet. Adorno, Horck-

heimer und auch Mitscherlich nannten das beschworene Sze-

nario die Entfremdung des einzelnen. Damals waren es das

wirtschaftlich aufblühende Europa und die Versteinerung der

deutschen Städte. Davor waren es Camus mit seinem „Frem-

den“ und Sartre mit der Kälte des Existenzialismus, die vor dem

deus ex machina warnten.

Nur dass die zitierten Literaten und Philosophen anderes im

Sinne hatten. Sie wollten mehr oder weniger die Freiheit des

einzelnen, beileibe nicht anarchistisch, sondern unter dem Dach

eines offenen, toleranten Gemeinwesens. Sie postulierten For-

derungen an eine zeitgemäße Bildung, die Aufklärung und kon-

struktive Gestaltung im Zeichen der Freiheit des Individuums

miteinander verbinden sollte. Vielleicht spiegelt sich in der theo-

logischen Philosophie von Bischöfin Jepsen nur der Wunsch

nach einem Stück Bewahrung des Verlorenen. Erich Heller hat

aber bereits in den 50er-Jahren deutlich gemacht, dass „die

großen, überkommenen Traditionen des Christentums und der

Antike längst zur Unverbindlichkeit verblasst sind, dass die alte

Einheit von Glauben und Wissen, von Denken und Poesie in

ihren verschiedenen Variationsformen zerfallen ist.“

Die heute absehbaren Veränderungen von Arbeit, ihre Ortlo-

sigkeit und Breite sollten nicht als Gefahrenpotenzial mit einer

Unterschätzung des Menschen gedeutet werden. Niemals

zuvor hatte gerade die Bildung eine derartige Chance, mit

technisch-technologischer Unterstützung ein Stück des Weges

bei der Antwort auf die große Frage abendländischer Philoso-

phen zu gehen, „ob es wohl möglich wäre, dass nach der

längst versunkenen Erfüllung im antiken Griechenland der

westliche Mensch jemals wieder eine solche harmonische Aus-

geglichenheit zwischen den vereinzelt auseinander strebenden,

ja entgegengesetzt erscheinenden Aspekten der Menschen-

seele erreichen könne“ (Erich

Heller).

Bischöfin Jepsen reduziert mit

ihrer Forderung nach Sesshaf-

tigkeit in der Bildung die Wir-

kungskraft von Bildung und

Berufsbildung in einer neuen

Integration von Arbeit/Beruf/

Freizeit und mithin Gesell-

schaft. Sie sieht Sesshaftigkeit

in der Natur des Menschen,

sieht ihn „nicht so flexibel,

wie andere ihn gerne hät-

ten“. Wir seien auch nicht so

mobil, wie andere uns gern hätten. Es könne nicht der Sinn

unserer Kultur und Wirtschaft sein, nomadische Zustände zu

repristinieren. Wir könnten nicht zick-zack durchs Land ziehen

hinter irgendwelchen Arbeitsplätzen her, ohne Schaden zu

nehmen an uns selbst und ohne unsere Angehörigen zu schä-

digen. Dann würde es zugehen wie im Schachspiel, wo alle

kleinen Figuren schließlich geopfert sind und nur noch Könige

und Damen verbleiben. Das sei Kampf, das sei nicht Leben.

JA ZU FREIHEIT UND MOBILITÄT

Nein, nein, Frau Bischöfin, berufliche Bildung versteht sich auch

außerhalb der Berufsschulen bei weitem nicht als Büttel öko-

nomischer Systemzwänge oder modisch-erzwungener Job-

Hoppings. Auch wir kennen bei der Arbeit an jedem Berufsbild

die Frage nach der menschlichen Gestaltung und Umsetzbar-

keit von Arbeit, jenes – um auf der theologisch-philosophischen

Ebene zu verbleiben – „Schicksal vermeidend, sich sehnen nach

Schicksal“, wie es R. M. Rilke auf den Punkt formulierte. Berufs-

bildung ist ganzheitlich und nie in sich geschlossen. Sie setzt

heute mehr denn je auf die integrative Schaffens- und Lebens-

kraft des Denkens und Verstehens, Erfahrens und Könnens. Sie

beklagt nicht den Verfall von Ordnung und enger Überschau-

barkeit, sondern begrüßt die Öffnung ins Kreative, Gestaltende

mit seinen großen Chancen für alle Mitarbeiter. Wir wollen

nicht die potenzierte Verfügbarkeit von Arbeitskräften und

damit die schroffe geistesaristokratische Note Nietzsches oder

Georges. Wir wollen mit der Bildung keine Irren, wie Rilke sie

beschreibt: „Und sie schweigen, weil die Scheidewände weg-

genommen sind aus ihrem Sinn, und die Stunden, da man sie

verstände, heben an und gehen hin.“ Wir wollen aber auch

nicht den beschworenen sesshaft Mutigen, der an Rilkes

Panther erinnert: „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so

müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tau-

send Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“

Was wir in der Berufsbildung wollen, ist in Arbeit wie Leben

„die im Tiefsten befestigte Entsprechung zwischen den Fragen,

welche die Welt an den Menschen stellt, und den Antworten,

die der Mensch gibt“ (E. Heller). Wir wollen in der Wirtschaft –

nach Rilke – ein Arbeiten als „Tun unter Krusten, die willig zer-

springen, sobald innen das Handeln entwächst und sich anders

begrenzt“. Mit den überkommenen Ordnungsgefügen von Bil-

dung, Beruf und Arbeit hat das nicht mehr so viel zu tun.

Daran werden wir uns auch in Deutschland sehr schnell

gewöhnen müssen. Lieber den Phönix aus der Asche als den

ewigen Prometheus!

4 BWP 5/2000

Freiheit

mit

Verantwortung

Anmerkung

1 Zugleich Replik auf den Beitrag von MariaJepsen „Masse ist ein Wort der Physik,nicht der Pädagogik“. In: BWP 29 (2000)4, S. 3–7

E Am 1. August 2000 traten die neuen Ausbil-

dungsordnungen für die Berufe Biologielabo-

rant, Lacklaborant sowie Chemielaborant in

Kraft. Die Berufe sind im Rahmen einer ge-

meinsamen Konzeption und Verordnung

sowohl inhaltlich als auch strukturell neu

gestaltet. Notwendig wurde die Neuordnung

durch die technologische Entwicklung, die

zunehmende Überwindung starrer Fachgren-

zen sowie die Veränderung von betrieblichen

Strukturen. Die Konsequenzen für die Inhalte

in der neuen Ausbildungsordnung und das

neue Strukturmodell für die Laborberufe wer-

den in diesem Beitrag vorgestellt.

Die Arbeit in Laboratorien hat sich in den letzten Jahrenerheblich verändert. Der Wandel ist gekennzeichnet durchdie schnelle Erweiterung des beruflichen Wissens und Kön-nens, die Entwicklung neuer Technologien und die Über-windung starrer Fachgrenzen. Diese neuen Anforderungenund neuen Inhalte – vor allem in der Molekularbiologieund Gentechnologie, der instrumentellen Analytik sowieder Datenerfassung und -verarbeitung – mussten in einemoderne Ausbildungsordnung Eingang finden. Internatio-nalisierung und Unternehmenszusammenschlüsse bildendabei einen neuen Bezugsrahmen: Die innerbetrieblicheArbeitsorganisation orientiert sich nicht mehr in erster Li-nie an Funktionen, sondern immer mehr an Prozess- oderWertschöpfungsketten. So werden bisher getrennte Tätig-keitsbereiche gekoppelt, die Dienstleistungsorientierung inder Laborarbeit bekommt einen höheren Stellenwert. Dieserfordert die Überwindung starrer „Schnittstellen“ im Rah-men der Wertschöpfungskette wie auch in der Verbindungzu anderen Berufen. Mit der Abflachung der Hierarchiengeht eine höhere Verantwortung und ein breiterer Verant-wortungsbereich des einzelnen einher. Neben der Fach-und Methodenkompetenz gewinnen die Sozial- und (tech-nische) Kommunikationskompetenz, die Befähigung zu ei-genständiger, vorausschauender und teamorientierter Ar-beit sowie zum „lebenslangen Lernen“ an Bedeutung.

Zugleich hat sich gezeigt, dass darüber hinaus in der tradi-tionellen Grundbildung wie auch in der Fachbildung Ele-mente enthalten waren, die nicht mehr zeitgemäß sind.

Folgerung: Der schnelle technische, organisatorische undwirtschaftliche Wandel erfordert Ausbildungsordnungen,die technikoffen, organisationsneutral und so flexibel for-muliert und strukturiert sind, dass sie den sich immer ra-scher ändernden äußeren Rahmenbedingungen und tech-nischen Entwicklungen standhalten bzw. schnell und un-kompliziert an diese angepasst werden können.

BWP 5/2000 5

MAGRET REYMERS

Wiss. Mitarbeiterin im Arbeitsbereich

„Ordnung der Ausbildung –

Gewerblich-technische und naturwissen-

schaftliche Berufe“ im BIBB

T H E M A

Neues Strukturkonzept in derLaborausbildung im Bereich Chemie,Biologie, Lack1

B E R U F E 2 0 0 0

Die Ausgestaltung der neuenAusbildungsordnung

STRUKTUR

Die Strukturmerkmale der neuen Ausbildungsordnungenim Rahmen des neuen, gemeinsamen Berufskonzepts sind • für die drei Berufe gemeinsame, integrativ zu vermit-

telnde Qualifikationen („Basisqualifikationen2“), die z. T.über die gesamte Ausbildungszeit und im Zusammen-hang mit anderen Ausbildungsinhalten allen Auszubil-denden verpflichtend zu vermitteln sind,

• berufsspezifische Pflichtqualifikationseinheiten sowie • eine Differenzierung und Flexibilisierung der Fachquali-

fikation durch fachspezifische und fächerübergreifendeWahlqualifikationseinheiten.

Wesentliche Randbedingung bei der Entwicklung dieserStruktur war es, die Beibehaltung der „Beruflichkeit“ derdrei Laborberufe sicherzustellen und gleichzeitig der Über-windung starrer Fachgrenzen Rechnung zu tragen sowieeine zeitnahe Ausrichtung auf branchenspezifische und be-triebliche Erfordernisse und Entwicklungen zu ermög-lichen. Diese Aspekte miteinander in Einklang zu bringenwar eine der wichtigsten Aufgaben der Neuordnung.

Mit der Konstruktion von Wahlqualifikationseinheiten sinddie Ausbildungsordnungen flexibel sowie fach- und bran-chenübergreifend angelegt. Die bisherigen FachrichtungenChemie, Kohle, Metalle, Silikat des Berufes Chemielaborantkonnten damit entfallen. Prinzipiell ist mit dieser neuenStruktur – z. B. durch Hinzufügen neuer Wahlqualifikati-onseinheiten – die Möglichkeit gegeben, die Ausbildungs-ordnungen schneller als bisher zu aktualisieren.

Ein weiterer Vorteil dieser Struktur ist: Die Wahlqualifika-tionseinheiten können nicht nur Ausbildungsinhalte sein,sondern in modifizierter Form auch für Weiterbildungs-maßnahmen eingesetzt werden. Mit dieser Verzahnung vonErstausbildung und Weiterbildung wird ein Schritt zur Um-setzung des Konzeptes „Lebenslanges Lernen“ getan.

INHALTE

Inhalte der integrativen, gemeinsam zu vermittelnden Qua-lifikationen im Abschnitt I der Ausbildungsrahmenplänealler drei Laborberufe sind neben den Standardberufsbild-positionen wie Sicherheit und Gesundheitsschutz bei derArbeit und Umweltschutz auch die Qualifikationen Qua-litätsmanagement, Einsetzen von Energieträgern, Umgehenmit Arbeitsgeräten und -mitteln sowie Wirtschaftlichkeitim Labor. Diesen Ausbildungsberufsbildpositionen wurdeder Gedanke des verantwortlichen Handelns („ResponsibleCare“)3, der sich in weiten Bereichen mit den Anforderun-gen des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung deckt,vorangestellt.

Weitere Inhalte der integrativen Qualifikationen sindArbeitsorganisation und Kommunikation, Umgehen mitArbeitstoffen sowie chemische und physikalische Metho-den, wobei das Anwenden von Fremdsprachen bei Fach-aufgaben als Qualifikationseinheit explizit genannt wird.

Wenngleich die integrativen Qualifikationen für alle dreiBerufe gleich formuliert sind, ist bei ihrer Vermittlung inUmfang, Tiefe und Beispielgebung zu differenzieren. Sobilden z.B. alle unter der Berufsbildposition „chemischeund physikalische Methoden“ aufgeführten Ausbildungs-inhalte den kleinsten gemeinsamen Nenner für die Labor-berufe. Es können jedoch berufsspezifisch erhebliche tech-nisch-apparative und inhaltliche Unterschiede bei derpraktischen Umsetzung bestehen. Der berufsübergreifende,integrative Ansatz beabsichtigt daher, die Inhalte dieserAusbildungspositionen auch in Verbindung mit den ent-sprechenden Themen der Pflicht- und Wahlqualifikations-einheiten zu vermitteln.

Die Pflichtqualifikationseinheiten im Abschnitt II der Aus-bildungsrahmenpläne sind berufsspezifisch formuliert. Eswerden Inhalte aufgeführt, die zur Erreichung einer ganz-

Abbildung 1 Strukturelemente und zeitliche Gliederung der neuenAusbildungsordnungen

6 BWP 5/2000

T H E M A

Qualifikationen

sind Handlungspotenziale

für berufliche

Tätigkeiten

Integrative Qualifikationen IQ

Pflichtqualifikationen PQ

6 Wahlqualifikationen WQ aus Liste I und II

Zwischenprüfung Abschlussprüfung

1. 2. 3. 4. Ausbildungsjahr

6 IQ 9 PQ

WQListe IIberufs-

übergreifend

WQListe I

berufsspezifisch

heitlichen Beruflichkeit als Biologie-, Chemie- oder Lackla-borant unverzichtbar sind. Sie führen in grundlegende be-rufstypische Kenntnisse und Fertigkeiten ein und könnendurch Wahlqualifikationseinheiten vertieft und/oder erwei-tert werden. Sie umfassen• beim Chemielaboranten grundlegende Kenntnisse und

Fertigkeiten sowohl aus dem Bereich des analytischenals auch des präparativen Arbeitens.

• beim Biologielaboranten das Durchführen zoologisch-pharmakologischer, mikrobiologischer, zellkulturtechni-scher, molekularbiologischer, biochemischer und diag-nostischer Arbeiten;

• beim Lacklaboranten das Durchführen analytischer Ar-beiten an Lackrohstoffen, Halbfabrikaten und Beschich-tungsstoffen, das Vorbehandeln und Beschichten vonUntergründen, das Prüfen von Beschichtungen sowie dieGrundlagen der Herstellung und Formulierung von Be-schichtungsstoffen.

Die Wahlqualifikationseinheiten sind in den AbschnittenIII und IV der Ausbildungsrahmenpläne in jeweils zweiAuswahllisten zusammengestellt. Sie bauen auf den Pflicht-qualifikationseinheiten auf oder führen in ein neues Ar-beitsgebiet ein. Darüber hinaus sollen die Auszubildendenin diesem Ausbildungsabschnitt selbstständiges Arbeitenund Eigenverantwortung, Transferdenken und -fähigkeitsowie die Befähigung zur verantwortlichen Arbeit im Teamlernen und trainieren.

Die Auswahlliste I enthält fachspezifische Inhalte des je-weiligen Berufes. In der Auswahlliste II werden Wahlqua-lifikationseinheiten zusammengefasst, die fachübergreifendbzw. berufs- oder berufsfeldübergreifend angelegt sind(vgl. Abb. 2). Mit jeweils 13 Wochen wird allen Wahlquali-fikationseinheiten in den drei Berufen der gleiche Zeit-richtwert zugemessen, wodurch das Auswahlverfahren er-leichtert wird.

Bei allen drei Berufen sind (vom Ausbildenden) jeweilssechs Wahlqualifikationseinheiten im Umfang von insge-samt 78 Wochen zu wählen. Um die Beruflichkeit zu wah-ren, können die Wahlqualifikationen nicht beliebig zusam-mengestellt werden. Auswahl- und Verknüpfungsregelun-gen engen den Spielraum ein. So sind z. B. beim Chemielaboranten mindestens vier vonsechs Wahlqualifikationseinheiten aus der Auswahlliste Izu wählen, wobei mindestens zwei Wahlqualifikationsein-heiten aus den Nummern eins bis acht dieser Auswahllistefestzulegen sind.

LERNZIELFORMULIERUNG

Die Lernziele sind handlungsorientiert formuliert und be-schreiben ein zu erwartendes „Endverhalten“. Auf kogni-tive Lernziele wird möglichst weitgehend verzichtet. Die

Fertigkeiten und Kenntnissesind weiterhin so offen undflexibel formuliert, dass sieentsprechend der technischenEntwicklung ausgelegt werdenkönnen. Die Sozialparteiennehmen an, dass dies insbe-sondere für kleine und mittlereUnternehmen, die bisher nichtoder nur in geringem Umfangausgebildet haben, die Mög-lichkeiten verbessert, qualifi-zierte Mitarbeiter anforde-rungsgemäß auszubilden. Aus-bildungsverbünde zwischenmehreren Unternehmen unddie Ausrichtung der Ausbil-dung auf spezifische Firmen-bedürfnisse werden erleichtert.

PRÜFUNGEN

Bei der Ausgestaltung der Prü-fungen war es unter den gege-benen rechtlichen und politi-schen Rahmenbedingungennicht möglich, von den Sozial-parteien gewünschte, weiterge-hende innovative Regelungen

BWP 5/2000 7

Abbildung 2 Auswahlliste Chemie-Laborant

Auswahlliste I ChemielaborantberufsspezifischeWahlqualifikationseinheiten

1. Präparative Chemie, Reaktionstypenund -führung,

2. Präparative Chemie, Synthesetechnik,3. Durchführen verfahrenstechnischer

Arbeiten,4. Anwenden probenahmetechnischer

und analytischer Verfahren,5. Anwenden chromatographischer

Verfahren,6. Anwenden spektroskopischer Verfahren,7. Analytische Kopplungstechniken,8. Bestimmen thermo-dynamischer Größen,9. Durchführen mikrobiologischer

Arbeiten I,10. Durchführen biochemischer Arbeiten,11. Werkstoffe prüfen,12. Herstellen, Applizieren und Prüfen von

Beschichtungsstoffen und -systemen,13. Prozessbezogene Arbeitstechniken.

Auswahlliste II ChemielaborantberufsübergreifendeWahlqualifikationseinheiten

1. Laborbezogene Informationstechnik,2. Arbeiten mit automatisierten Systemen

im Labor,3. Anwendungstechnische Arbeiten,

Kundenbetreuung,4. Durchführen elektrotechnischer

und elektronischer Arbeiten,5. Qualitätsmanagement,6. Umweltbezogene Arbeitstechniken,7. Durchführen immunologischer

und biochemischer Arbeiten,8. Durchführen biotechnologischer

Arbeiten,9. Durchführen mikrobiologischer

Arbeiten II,10. Durchführen gentechnischer und

molekularbiologischer Arbeiten,11. Durchführen zellkulturtechnischer

Arbeiten,12. Durchführen diagnostischer Arbeiten,13. Formulieren, Herstellen und Prüfen

von Bindemitteln,14. Durchführen farbmetrischer Arbeiten,15. Untersuchen von Beschichtungen.

Anmerkungen

1 Die drei Ausbildungsordnungen wurden ineiner Verordnung zusammengefasst und imBundesgesetzblatt mit Datum vom29.3.2000 (Teil I Nr. 12/2000) veröffent-licht.Erläuterungen zu den Ausbildungsordnun-gen wurden – in Form einer CD-ROM –von den Sozialparteien (BAVC, Bundesar-beitgeberverband Chemie / IGBCE, Indu-striegewerkschaft Bergbau, Chemie, Ener-gie) erstellt. Die Abbildungen in diesemArtikel wurden diesen Erläuterungen ent-nommen.

2 In Fachkreisen werden die gemeinsamen,integrativ zu vermittelnden Qualifikationender Einfachheit halber häufig als „Basis-qualifikationen“ bezeichnet; dieser sehranschauliche Begriff wird in den Ausbil-dungsordnungen aber nicht erwähnt.

3 „Responsible Care“ ist eine weltweiteInitiative der chemischen Industrie mit dersich die Chemie-Unternehmen verpflichten,ihre Leistungen für Sicherheit, Gesundheitund Umweltschutz kontinuierlich zu ver-bessern. Verantwortung für die Produkte,Schonung der natürlichen Ressourcen, Ver-ringerung von Emissionen und Steigerungder Arbeits-, Transport- und Anlagensi-cherheit lassen sich nur durch engagiertesHandeln aller Mitarbeiter und Mitarbeite-rinnen erreichen und setzen eine entspre-chende Ausbildung voraus.

4 PAL – Zentrale Prüfungsaufgabenleitstellein Stuttgart

wie die Überführung der Zwischenprüfung in eine ge-streckte Abschlussprüfung und die Einbeziehung von Pro-jektarbeiten zu vereinbaren. Im Interesse einer schnellenVerabschiedung der Ausbildungsordnungen konnte alsKompromiss aber eine Verbesserung der bisherigen Zwi-schen- und Abschlussprüfung durch eine zeitliche Verkür-zung sowie durch einen ganzheitlichen, handlungsorien-tierten Prüfungsansatz erreicht werden.Der Aufwand für den praktischen Teil der Prüfungen wirdinsbesondere optimiert, indem die bisher üblichen„Arbeitsproben“ weitgehend von „praktischen Aufgaben“abgelöst werden. Bei der praktischen Aufgabe muss, an-ders als bei der Arbeitsprobe, der gesamte Prüfungsaus-schuss nicht während der ganzen Prüfungsdauer, sondernnur in wichtigen Phasen anwesend sein, um die Bewertungdes Arbeitsprozesses vorzunehmen.Die jeweiligen Wahlqualifikationseinheiten sind in der Ab-schlussprüfung angemessen zu berücksichtigen. Die Frage,ob Wahlqualifikationseinheiten, die inhaltlich verschiedenausgefüllt werden können, einer PAL-Prüfung4 zugänglichsind, ist grundsätzlich zu bejahen. Es wird angestrebt, dasszu den verschiedenen Qualifikationseinheiten von PALmehrere Prüfungsalternativen zur Verfügung gestellt wer-den, aus denen der örtliche Prüfungsausschuss eine Aus-wahl treffen kann.

RAHMENLEHRPLÄNE

Die schulischen Rahmenlehrpläne orientieren sich nichtmehr an Fächern, sondern an Lernfeldern. Im Sinne derHandlungsorientierung werden dabei keine konkretenTätigkeiten beschrieben, sondern angestrebte Handlungs-kompetenzen. Für jeden Laborberuf existiert ein eigener schulischer Rah-menlehrplan. Das erste Ausbildungsjahr ist für alle drei Be-

rufe identisch formuliert mit Ausnahme eines Lernfeldes 5im Umfang von 80 Stunden, das berufsspezifisch ausge-prägt ist. Mit der Kultusministerkonferenz (KMK) ist ver-einbart, dass in der Regel Fachklassen eingerichtet werden,so dass der Unterricht berufsspezifisch erfolgen kann. So-weit aufgrund regionaler Gegebenheiten gemischte Klas-sen unumgänglich sind, wird darauf zu achten sein, dassim ersten Jahr über das differenzierte Lernfeld 5 hinausauch die anderen, gemeinsamen Lernfelder so weit wiemöglich berufsspezifisch vermittelt werden.Die Übereinkunft über eigene schulische Rahmenlehrplänefür jeden Laborberuf und die getrennte Beschulung als Re-gelfall waren für die Sozialparteien die Voraussetzung, ei-ner Berufsfeldzuordnung zuzustimmen, wobei derzeit Be-strebungen bestehen, das jetzige Berufsfeld Chemie, Physik,Biologie in zwei Berufsfelder – „Laboratoriumstechnik“und „Prozesstechnik“ – aufzuteilen.

Resümee

Mit der Neuordnung der drei Laborberufe ist es gelungen,eine flexible und differenzierte Ausbildungsstruktur zuschaffen, die eine rasche Anpassung und Aktualisierungder Ausbildungsinhalte ermöglicht und die Erstausbildungmit der Weiterbildung verzahnt. Den Auszubildenden wirddie Anpassung an die Anforderungen des künftigenArbeitsplatzes erleichtert.Die Umsetzung der neuen Ausbildungsordnungen wirdaufmerksam zu verfolgen sein: Besonderes Augenmerk istu.a. darauf zu richten, ob die Neuordnung des Biologie-aber auch des Chemielaboranten den Anforderungen bio-

und gentechnologischer Unternehmen in der erwartetenWeise gerecht wird. Zu betrachten ist hier zum einen, obin ausreichendem Maß Fachkräfte mit den nachgefragtenQualifikationen ausgebildet werden, zum anderen, ob auchkleine, innovative Unternehmen und Labore in diesem Be-reich vermehrt Ausbildungsplätze bereitstellen bzw. wel-che Hemmnisse dem entgegenstehen.

8 BWP 5/2000

Tabelle 1 Ausgestaltung der praktischen Prüfungsteile

T H E M A

alt neu

Praktischer Teil der Zwischenprüfung3 Arbeitsproben in 3 praktische Aufgaben in höchstens 7 Stunden höchstens 7 Stunden

Praktischer Teil der Abschlussprüfung5 Arbeitsproben in 1 Arbeitsprobe und höchstens 16 Stunden 3 praktische Aufgaben in

höchstens 14 Stunden

a) Fachrichtung: Chemie, Kohle, 3 praktische Aufgaben in Silikat: 5 Arbeitsproben in höchstens 14 Stundenhöchstens 16 Stundenb) Fachrichtung Metalle: 5 Arbeitsproben in höchstens 22 Stunden

5 Arbeitsproben in höchstens 3 praktische Aufgaben in 16 Stunden höchstens 14 Stunden

Biologielaborant/-inChemielaborant/-inLacklaborantin/-in

Biologielaborant/-in

Chemielaborant/-in

Lacklaborant/-in

Die Gesamtheit

aller Qualifikationen

führt zur Handlungskompetenz

im Beruf.

E Obwohl Weiterbildung im Bildungswesen

immer noch eine untergeordnete Rolle spielt,

hat die Teilnahme an Weiterbildung seit

Beginn der 80er-Jahre um das Dreifache zuge-

nommen.1 Dabei fand die Expansion vor allem

in den Teilbereichen der (inner-)betrieblichen

und der öffentlich geförderten Weiterbildung

statt. Hier übernimmt Weiterbildung spezi-

fische, auf das jeweilige Handlungssystem

bezogene Aufgaben. Sie dient in erster Linie

der Pflege betrieblicher „Humanressourcen“,

der flexiblen Anpassung beruflicher Kompe-

tenzen an die Entwicklung fachlicher Stan-

dards und – vor allem im Bereich der Alten-

pflege ein empirisch untermauertes Faktum2 –

zur Nachbesserung unzureichender, nicht pra-

xiskonformer Qualifikationsleistungen der

Berufsausbildung.

Im Gesundheits- und Sozialwesen steht die zu großen Tei-len individuell initiierte, meist auch selbst finanzierte be-rufliche Weiterbildung im Mittelpunkt, in der überwiegendaufstiegsorientierte, bildungsinteressierte Erwerbstätige alsNachfrager und Teilnehmer in Erscheinung treten. Als Auf-stiegs- oder – der hier eher verbreitete Begriff – Funktions-weiterbildung richtet sie sich darauf, Fachkräfte auf Lei-tungsfunktionen wie die der Wohnbereichs- oder Stations-leitung, der Pflegedienstleitung, der Heimleitung oder lei-tungsunabhängige Führungspositionen wie beispielsweisedie der Unterrichts- oder Lehrkraft vorzubereiten.Herkömmliche Vorstellungen von Aufstiegs- oder Funkti-onsweiterbildung gehen implizit von einer Koppelung be-ruflicher Weiterbildung und betrieblichen/beruflichen Posi-tionen aus. Danach mündet die Teilnahme an beruflichenWeiterbildungsmaßnahmen und der Erwerb von Zertifizie-rungen oder Abschlüssen „folgerichtig“ in einer ent-sprechenden betrieblichen Funktion und/oder (Leitungs-)Position.

Dieses Karrierebild lebt im Wesentlichen von zwei Hypo-thesen, deren Tragfähigkeit für das Gesundheits- und So-zialwesen jedoch erst noch geprüft werden müssen: Zumeinen – so die erste Hypothese – sind Berufsangehörige imHinblick auf die (relativ) gesichert scheinenden Karrie-reaussichten zur Teilnahme an Aufstiegs- oder Funktions-weiterbildungen auf eigene Kosten bereit. Zum anderen –die zweite Hypothese – sind Einrichtungen und Betriebe ander Qualifizierung ihrer Mitarbeiter strategisch interessiertund honorieren deren Weiterbildungsanstrengungen mitLeitungs- oder übergeordneten Funktionsstellen. BeideVerfahrensmuster schließlich führen zu einer berufsbiogra-fischen Entwicklungsspirale, in deren Verlauf sich Weiter-bildungsaktivitäten der Berufsangehörigen und betrieblichePersonalstrategien wechselseitig ergänzen und verstärkensollen.

Zunehmend mehren sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dassdie traditionellen Karrierewege für beruflich Qualifiziertevon erheblichen Veränderungen betroffen sein werden: Vor

B E R U F E 2 0 0 0

10 BWP 5/2000

T H E M A

Taugt Weiterbildung zur beruflichenEntwicklungsplanung?Berufswege im Berufsfeld Gesundheitund Soziales

WOLFGANG BECKER

Dr. phil., M.A., Erziehungswissenschaftler,

wiss. Mitarbeiter im Arbeitsbereich „Ordnung

der Ausbildung – Dienstleistungen, Berufe in

Querschnittfeldern“ im BIBB

allem Formen der vernetzten Arbeitsorganisationen („Out-sourcing“) sowie die fortschreitende betriebswirtschaftlichdominierte Reorganisation von Einrichtungen und Betrie-ben des Gesundheits- und Sozialwesens auf Kosten des(einschlägig qualifizierten) Personalbestandes sind die mo-dernen Widersacher des eingefahrenen Wechselspiels zwi-schen individueller (Weiter-)Bildungsleistung und institu-tionell-hierarchischer Gratifikation.Durch diese Veränderungen könnten im Gesundheits- undSozialwesen bislang kaum beachtete, ja sogar systematischverhinderte berufliche Entwicklungsmöglichkeiten durchWeiterbildung an Bedeutung gewinnen. Dazu zählt vor al-lem auch die horizontale Mobilität zwischen den Berufs-bereichen des Berufsfeldes Gesundheit, der Wechsel in an-dere Berufsfelder des Arbeitsmarktsegments „Human-dienstleistung“ sowie die Verbesserung der Möglichkeitenauf (Fach-)Hochschulzugang. Zunehmend entwickelt sichauch ein Spektrum „neuer Weiterbildungsabschlüsse“, dasdazu dienen soll, individuelle fachliche Kompetenzprofileneben den traditionellen Berufen zu etablieren und am Ar-beitsmarkt konkurrenzfähig zu kommunizieren und einzu-setzen. Allerdings sind diese Modernisierungsgewinne zumgegenwärtigen Zeitpunkt kaum mehr als vage Optionen,die zudem mit dem Risiko hoher individueller Kosten ver-bunden sind.

Untersuchungsgrundlage

Vor diesem Hintergrund wurde zwischen 1996 und 1999eine umfassende Bestandsaufnahme und Klassifikation derberuflichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in aus-gewählten Berufsbereichen des Gesundheits- und Sozial-wesens durchgeführt. Dabei wurden erfasst:

• ein repräsentativer Ausschnitt aller zwischen 1996 und1999 im gesamten Bundesgebiet angebotenen beruf-lichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen privater,staatlicher und frei-gemeinnütziger Bildungsanbieter fürdie Zugangsberufe Altenpflege, Heilerziehungspflege,(Haus- und) Familienpflege, Erzieher, Krankengymna-stik/Physiotherapie und Logopädie (ca. 4.000 Maßnah-men). Hierbei sollten Strukturen und Inhalte der Ange-bote erfasst werden, um die beruflichen Entwicklungs-möglichkeiten durch Fort- und Weiterbildung analysie-ren zu können.

• ein repräsentativer Ausschnitt von Stellenangeboten ausder Tages- und Fachpresse im gesamten Bundesgebietfür die Berufsbereiche Altenpflege, (Haus- und) Famili-enpflege, Heilerziehungspflege, Krankengymnastik/Phy-siotherapie sowie die Arzthilfeberufe (ca. 1.200 Stel-lenanzeigen). Hierdurch sollte die Arbeitsmarktrelevanzder wichtigsten Fort- und Weiterbildungsqualifikationengeprüft werden.

Strukturmerkmale der Fort- undWeiterbildungsangebote

Grundsätzlich ist die Struktur des Fort- und Weiterbil-dungssystems für das Gesundheits- und Sozialwesen durchein Ausmaß an Intransparenz gekennzeichnet, das den fürdie Berufe des dualen Systems bekannten Zustand derUnüberschaubarkeit noch einmal deutlich übertrifft:Vor dem Hintergrund der in länderspezifische Qualifizie-rungsregelungen zersplitterten Berufsbildungslandschaftim Gesundheits- und Sozialwesen, in der jedes Angebotauf der Grundlage einer eigenen Regelungsgrundlage undmit „länderspezifischen“ Qualifikationsinhalten beruht, hatsich eine in regionale Besonderheiten zerfallende und in-sofern äußerst problematische Qualifizierungsvielfalt ent-wickelt: Für 37 landesrechtlich geregelte (Ausbildungs-)Be-rufe im Gesundheits- und Sozialwesen existieren 152 Ge-setze, Verordnungen oder Ausführungsvorschriften, nachdenen in den Ländergrenzen beruflich qualifiziert werdensoll.3 Auf dem Gebiet der landesrechtlichen Weiterbil-dungsregelungen für Berufe im Gesundheits- und Sozial-wesen ergibt sich ein nicht weniger uneinheitliches, wennauch etwas anders strukturiertes Bild: Hier sind es jetzt 95Abschlüsse und 201 Regelungen, die den Zuständigkeits-anspruch der Bundesländer auf Regelungshoheit nachhal-tig unterstreichen. Der Eindruck der Unüberschaubarkeit wird schließlich nochdurch eine ständig wachsende, kaum noch zu überschau-ende Zahl von teils obskuren berufsähnlichen Fort- undWeiterbildungsabschlüssen im Gesundheits- und Sozialwe-sen ergänzt, die nach vorsichtigen Schätzungen im Bun-desgebiet die Zahl von annähernd 1.000 „Berufsbezeich-nungen“ deutlich überschritten haben dürfte.

Neue Weiterbildungsberufe – neue Qualifika-tionen – neue Karriereoptionen?

Die Zersplitterung der beruflichen Weiterbildungsangeboteim Gesundheits- und Sozialwesen in eine letztlich nurnoch hypothetisch „marktgängige“ Beliebigkeit lässt sichauf dem Gebiet der untersuchten Berufsbereiche weiterverfolgen – wenn auch mit einer Reihe bemerkenswerterUnterscheidungen:• Allein im beruflichen Einsatzbereich der Altenpflege

lassen sich bei fast 900 Weiterbildungsmaßnahmen 49Abschlusstypen unterscheiden, von denen zwei Drittelmit Zertifikaten enden, die – vorsichtig ausgedrückt –nicht zum Kreis „anerkannter“ Fort- und/oder Weiterbil-dungsabschlüsse zählen (z.B. Altenbetreuer/-in, Alten-berater/-in, gerosoziale/r Betreuer/-in, Gerontotechni-ker/-in usw.).

• Eine noch stärkere Rolle spielen „ungesicherte“ Weiter-bildungsabschlüsse in der (Haus- und) Familienpflege:Hier entfallen von zehn Weiterbildungs-Abschlusstypenacht unter die Rubrik ungeklärter Marktgängigkeit (z.B.

BWP 5/2000 11

Hauspfleger/-in, Fachhelfer/-in für Familienpflege,Assistent/-in für Haus- und Familienpflege usw.).

Diese Symptome einer fortschreitend regellosen Zersplitte-rung von Weiterbildungsabschlüssen und –qualifikationenlassen den Schluss zu, dass vor allem in den Bereichen derAltenpflege und der (Haus- und) Familienpflege die tradi-tionellen Berufsqualifikationen den Arbeitsmarkt zuneh-mend nicht mehr ohne Friktionen und Risiken erreichen.In Konkurrenz und neben ihnen haben sich eine Vielzahlneuer (Weiterbildungs-)Berufsabschlüsse entwickelt, die • einzelne Segmente des „Bezugs-Berufsbildes“ mit einer

neuen Berufsbezeichnung besetzen (Konkurrenz- oderVerdrängungsaspekt),

• neue oder vernachlässigte Aufgaben im Bereich der Hu-mandienstleistung, die bislang nicht durch Berufe oderBerufsbilder bedient werden, mit „neuen Berufen“ undentsprechend neuen Qualifikationsprofilen bzw. Ab-schlüssen erschließen (Innovationsaspekt) oder die

• unter dem Eindruck ökonomischer Restriktionen im Ge-sundheits- und Sozialwesen einfachste Grund- undHilfsqualifikationen mit einem auf unmittelbare betrieb-liche Verwertbarkeit ausgerichteten Abschlussprofil ver-sehen (Wirtschaftlichkeitsaspekt).

Es fällt auf, dass insbesondere der zunehmend privatisierteMarkt der Weiterbildungsanbieter im Gesundheits- und So-zialwesen seine eigenen (Weiterbildungs-)Qualifikations-profile entwickelt – oft in Abhängigkeit von den Förder-präferenzen der öffentlichen Hand. Die Inflation „neuerBerufsbilder“ im Bereich der Altenpflege und (Haus- und)Familienpflege könnte insofern ein Abbild relativ unge-steuerter (Förder-)Mittelvergabe in einen scheinbar um bei-nahe jede Qualifikation aufnahmefähigen Arbeitsmarktbe-reich sein. Auf der anderen Seite scheinen private Weiter-bildungsanbieter die Diversifikation von (Weiterbildungs-)Abschlüssen als Mittel zur Erlangung von Wettbewerbs-vorteilen gegenüber Mitbewerbern einzusetzen – ohneRücksicht auf die Einsatzfähigkeit solcher (Berufs-)Erfin-dungen im Beschäftigungssystem.• Bei Erzieher/-innen als Fachkräfte in Kindertagesstät-

ten und Jugendhilfeeinrichtungen dominieren Leitungs-und Führungsqualifikationen (Leitung von Kindertages-stätten o.Ä.). Bei kaum einem der Angebote muss derEinsatz am Arbeitsmarkt als „ungesichert“ angesehenwerden. Eine Nebenrolle spielen (noch) „moderne“Leitungsqualifikationen, die ihr Profil maßgeblich ausähnlichen Fachhochschul-Bildungsgängen abzuleitenscheinen (z.B. „Kindergartenfachwirt“, „Qualitätsmana-ger/-in“). Wachsende Bedeutung haben in diesem Be-rufsfeld Zusatz- oder Umstiegsqualifikationen (zum Bei-spiel „Systemische Familienberatung“, „Integrative So-zialtherapie“ oder „Musiktherapie“).

• In der Heilerziehungspflege stehen neben Aufstiegswei-terbildungen zertifizierte (behinderten-, heil- und son-

derpädagogische) Zusatzqualifikationen im Mittelpunkt. • Zusatzqualifikationen zum vorhandenen Ausbildungs-

abschluss spielen in der beruflichen Weiterbildung derKrankengymnastik/Physiotherapie eine dominierendeRolle; sie stellen mehr oder minder marktgängige Er-gänzungen im physiotherapeutischen Einsatzgebiet dar(z.B. Sportphysiotherapeut/-in, PNF-Therapeut/-in, Bo-bath-Therapeut/-in usw.)

• In der Logopädie werden beinahe ausschließlich the-mengebundene Zusatzqualifikationen überwiegend ohneabschlussbezogenes Zertifikat (z.B. Sprachtherapie,Stimmtherapie) angeboten.

Fasst man die Struktur der Weiterbildungen für Heilerzie-hungspflege, Krankengymnastik und Logopädie zusammen,kann festgestellt werden, dass auch sie offenbar nicht überein uneingeschränkt zeitgemäßes, anforderungsgerechtesQualifikationsbild verfügen, doch entwickeln die Arbeits-märkte für diese Berufe eine völlig andere Dynamik als imKrisenbereich der Altenpflege und (Haus- und) Familien-pflege:

• Die Heilerziehungspflege bezieht sich auf den relativeng begrenzten Arbeitsmarkt der (teil-)stationären Ver-sorgung behinderter Menschen. Berufliche Entwick-lungswege in benachbarte berufliche Handlungsbereichesind bis heute ebenso wenig systematisch erschlossenwie verlässliche Zustiegsmöglichkeiten aus anderen be-ruflichen Qualifikationsbereichen in die Heilerziehungs-pflege hinein. Von daher spielen abschlussorientierte be-rufliche Wechseloptionen durch Weiterbildung keine er-kennbare Rolle.

Stattdessen haben Zusatzqualifikationen eine große Be-deutung. Sie signalisieren, dass die Anforderungsentwick-lung im beruflichen Handlungsfeld schneller vorange-schritten ist, als sie in den Berufsausbildungen abgebildetwerden kann. Weiterbildung als Nachbesserung einer zukurz greifenden Ausbildung führt hier nur deshalb nichtzu einer explosionsartigen Ausweitung der Angebote, weilder Arbeitsmarkt relativ „geschlossen“ bleibt und bislangkeine Anzeichen ökonomisch geleiteter Liberalisierung zuerkennen gibt.• Vergleichbar, wenn auch unter anderen ökonomischen

Vorzeichen, zeigt sich die Situation im Bereich der Kran-kengymnastik. Hier scheint die Ausbildung als formaleVoraussetzung für eine Zulassung zur Niederlassung(selbstständige Berufsausübung) zu fungieren – fachli-che Profile, die zur Durchsetzung des individuellen

Dienstleistungsangebotesbei den immer häufiger pri-vat zahlenden „Kunden“taugen, müssen offenbardurch Zusatzqualifizierun-gen erworben werden.

12 BWP 5/2000

T H E M A

Anbieter ent-

wickeln eigene

Qualifi-

kationsprofile

Unübersichtliche Kosten auf demWeiterbildungsmarkt

Berufliche Fort- und Weiterbildung – insbesondere aberabschlussbezogene berufliche Weiterbildung – ist für deneinzelnen Nachfrager ein undurchsichtiges und kostenin-tensives Lotteriespiel. Für keine der in die Untersuchungeinbezogenen Weiterbildungen mit (berufsähnlichen)Abschlüssen waren transparente oder gar vergleichbareAngebots- und Kostenstrukturen festzustellen – unabhän-gig davon, ob es sich um eine am Arbeitsmarkt etablierteWeiterbildungsqualifikation oder einen eher ungesichertenberuflichen Abschluss handelt. Die Problemzusammenhänge von Qualifikations- und Kos-tenrisiken sollen im Folgenden am Beispiel des kaum etab-lierten Weiterbildungsabschlusses Altentherapie/Geronto-therapie erläutert werden:Das dieser Weiterbildung zugrunde liegende Berufsbild ist– vorsichtig ausgedrückt – unklar; es kann günstigenfallsvon einer regional eng begrenzten (Arbeitsmarkt-)Relevanzausgegangen werden (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen). Hinzu kommt, dass dieser Weiterbildungs-abschluss in Konkurrenz mit „niederschwelligen“ Fortbil-dungsqualifikationen gleichen, wenigstens aber ähnlichenInhalts steht (z.B. „Integrative Therapie mit älteren Men-schen“ in Wochenendkursform). Vor diesem Hintergrundkann die Hypothese gewagt werden, dass die durchwegprivaten Weiterbildungsanbieter für diese Maßnahmen dentraditionellen Fortbildungsansatz mit der Ausstellung ei-nes berufsabschlussähnlichen Zertifikates künstlich auf dasNiveau eines „Weiterbildungsberufes“ angehoben haben. Auch die Inhalte der Weiterbildungen stärken die Zweifelam Profil dieses Abschlusses: Sie lassen nicht erkennen,dass die Qualifikationen über das Niveau der Zugangsbe-rufe hinausgehen. Daraus ergibt sich keine nachvollzieh-bare Legitimation eines mit Zertifikat zur Eigenständigkeitgeführten Berufsprofils – im Gegenteil: Es ist davon aus-zugehen, dass mit diesem Abschlussprofil in der Praxis we-der die Konkurrenz mit den angestammten Fachberufen inder Altenpflege noch mit therapeutischen Berufen (zumBeispiel Ergotherapeuten/-innen) bestanden werden kann.Das Problem der nicht nachvollziehbaren Legitimationwird auch im Verhältnis von individuellen zeitlichen undfinanziellen Aufwendungen auf der einen und der abseh-baren Verwertbarkeit des Weiterbildungsabschlusses amArbeitsmarkt auf der anderen Seite deutlich:

Es gibt kein Einverständnis über die Weiterbildungsdauer:Je nach Bundesland bzw. je nach Anbieter differieren dieaufzuwendenden Bildungszeiten um mehr als das Doppelte,ohne dass die Gründe für solche gravierenden Unterschiedenachvollziehbar offen gelegt wären. Es gibt kein Einverständnis über die Weiterbildungskosten.Grundsätzlich schwanken die für die Weiterbildung aufzu-wendenden Kosten um mehr als das Dreifache. Doch selbstbei gleich langer Qualifikationsdauer im gleichen Bundes-

land differieren die Teilnahmegebühren noch um 20% undmehr. Der „Markt“ der Weiterbildung erweist sich somit fürBildungsinteressierte als regionalisierte „Kostenfalle“: Da diemeisten der Angebote als Teilzeitmaßnahmen (berufsbeglei-tend) angeboten werden, bestehen beispielsweise für Weiter-bildungswillige aus Nordrhein-Westfalen kaum Chancen, aufdie um zwei Drittel billigeren Angebote in Baden-Württem-berg oder Sachsen auszuweichen. (vgl. Tabelle 1)

Schließlich muss auch das Verhältnis von Weiterbildungs-kosten und dem geringen monatlichen Verdienst derPflege- oder sozialpädagogischen Kräfte berücksichtigtwerden: Weiterbildungskosten von ca. 15.000,- DM bedeu-ten erhebliche individuelle Belastungen, die zum berufs-biografischen Risiko kumulieren, wenn man berücksichtigt,dass der Abschluss am Arbeitsmarkt nicht als „abgesichert“angesehen werden kann.Vor diesem Hintergrund stellen sich mindestens zweigrundsätzliche Fragen:1. Verhindert die Regionalisierung von Bildungszuständig-

keiten in Aus- und Weiterbildung den gesellschaftlichenKonsens über die Leistungsfähigkeit (und die fachlicheAnerkennung) von gesundheits- und sozialpflegerischenBerufen?Zum Beispiel: Im Bereich der Altenpflege steht dasAuseinanderfallen der Berufsausbildung in 16 unter-schiedliche und untereinander nur in Ausnahmefällenvergleichbare länderspezifische Ausbildungsprofile5

beruflichen Entwicklungswegen und Karrieren entge-gen. Deshalb ist die (bundesweite) Anerkennung der Be-rufsabschlüsse in der Altenpflege zwar die Regel, genaubetrachtet jedoch für jede Beschäftigungseinrichtungein Risiko, da ein verlässliches Wissen über den tatsäch-lichen Qualifikationsstand der Ausbildungsabsolventenaus anderen Bundesländern fehlt. Berufliche Weiterbil-dung verschärft diese Situation zusätzlich – und dies

BWP 5/2000 13

Tabelle 1 Weiterbildung Altentherapie/Gerontotherapie(Auswahl nach repräsentativen Merkmalen)

Abschluss(-bereich) Bundesland Kosten Dauer

Altentherapeut/-in Hessen keine Angaben 1 Jahr1.416 Unterrichtsstunden

Altentherapeut/-in Baden-Württemberg DM 5.610,00 720 Unterrichtsstunden80 Std. Praktikum

Altentherapie/ Baden-Württemberg DM 4.950,00 720 UnterrichtsstundenGerontotherapie 80 Std. Praktikum

Altentherapie/ Nordrhein-Westfalen DM 15.364,00 1 JahrGerontotherapie 1.840 Unterrichtsstunden

Altentherapie/ Nordrhein-Westfalen DM 15.430,80 1 JahrGerontotherapie 1.840 Unterrichtsstunden

Altentherapie/Gerontotherapie Sachsen DM 5.848,00 1 Jahr

Altentherapie/ Schleswig-Holstein auf Anfrage 1 JahrGerontotherapie 1.360 Unterrichtsstunden

nicht nur auf dem Gebiet der Altenpflege: Nur äußerstwenige (Weiterbildungs-)Abschlüsse finden bundesweiteAnerkennung. Die große Überzahl der beruflichen Auf-stieg und berufliche Autonomie oder betrieblicheSelbstständigkeit suggerierenden Abschlüsse sind ver-bandsspezifische Bedarfsartikulationen oder sogar trä-ger- und anbieterspezifische „Erfindungen“. Ihre ar-beitsmarktliche Bedeutung erlischt im Regelfall bei ei-nem Wechsel des Anstellungsträgers. Ein gesellschaft-licher Konsens über die tatsächliche Leistungsfähigkeit,die (betriebs-)wirtschaftliche Effizienz und die wohl-fahrtsstaatliche Bedeutung der „Fachberufe“ im Ge-sundheits- und Sozialwesen kann so nicht hergestelltwerden. Altenpflege, Heilerziehungspflege, (Haus- und)Familienpflege und Erziehern fehlt es somit nicht nuran (abstrakter) gesellschaftlicher Anerkennung. Sie gel-ten in der gegenwärtigen Diskussion um den Einsatzvon Fach- oder Hilfsberufen auch als beinahe beliebig„ersetzbar“.

2. Führt ein über weite Strecken offenbar bedarfsunabhän-giges Angebot an beruflicher Weiterbildung als „Waren-angebot“ zur Überantwortung veränderungswilliger Mit-arbeiter/-innen im Gesundheits- und Sozialwesens an ei-nen (Arbeits-)Markt, den es (so) gar nicht gibt? Zum Beispiel: Es gibt keine nachvollziehbaren Hinweisedarauf, welche halbwegs verlässlichen oder sogar ver-

besserten (Arbeitsmarkt-)Perspektiven und „Karriere-optionen“ sich für exami-nierte Altenpfleger/-innenmit dem zusätzlichen Wei-terbildungsabschluss „gero-soziale(r) Betreuer/-in“ erge-ben könnten. Offenbar be-ziehen sich „berufsförmige“(Weiterbildungs-)Abschlüssewie dieser auf die wenig er-schlossenen beruflichenEntwicklungsperspektivenexaminierter Fachkräfte imberuflichen Arbeitsfeld (Sta-tionsleitung Pflegedienst-leistung). Dabei haben sich„Berufsprofile“ herausgebil-det, die offenbar ohne nach-vollziehbare Bedarfsab-schätzung auf „moderne“Einsatzbereiche im Gesund-heits- und Sozialwesen ab-heben, die es so (noch?)nicht gibt. In diesem Zu-sammenhang kann die Hy-pothese gewagt werden, dassunter der vorläufigen Kate-

gorie „neue Weiterbildungsberufe“ am Weiterbildungs-markt des Gesundheits- und Sozialwesens Angebote un-terbreitet werden, die sich auf nichts mehr als die latentvorhandene Veränderungsbereitschaft der Berufsan-gehörigen gründen und die bei den Teilnehmenden vorallem einen Impuls zu bedienen versuchen: beruflicheAnerkennung und größere Selbstständigkeit bis hin zurBetriebsgründung – eine Perspektive, die unter den ge-gebenen Bedingungen am Gesundheits- und Pflege„markt“ allerdings kaum realistisch erscheint.

Vorläufige Schlussfolgerungen

Die hier nur in Ausschnitten dokumentierten und kom-mentierten exemplarischen Merkmale der beruflichen Fort-und Weiterbildung in der Gesundheits- und Sozialpflegeergeben ein äußerst problematisches Szenario beruflicherEntwicklungsmöglichkeiten: Die regionalisierte Uneinheit-lichkeit der beruflichen Bildungschancen wird von einemsich weithin „frei“ und ohne größere systemische Bezügeentwickelnden Fort- und Weiterbildungs„markt“ ergänzt,dessen einzig gültige Regeln die der ökonomischen Wert-schöpfung zu sein scheinen.Die Widersprüche und Folgen dieser Entwicklung für dieVerlässlichkeit individueller berufsbiografischer Planungenund zukunftsgerichteter Entwürfe auf der einen, genau soaber auch für institutionelle/betriebliche Personalplanun-gen und strategische Entscheidungen auf der anderen Seitewerden weiter zu diskutieren sein. Bundesregelungen inder beruflichen Weiterbildung, die den Zugang, die Qua-litätssicherung, die Zertifizierung sowie die Finanzierungder Weiterbildung betreffen, wären hier ein erster undwichtiger Schritt. Zu beachten bleiben aber auch die Aus-wirkungen der „Markt“-Entwicklung in der Weiterbildungauf die gesellschaftliche Anerkennung und die (berufs-)bil-dungspolitische Wahrnehmung eines beruflichen Hand-lungsfeldes, dessen wohlfahrtsstaatliche Bedeutung für dieGesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht hoch genug einge-schätzt werden kann.

14 BWP 5/2000

Anmerkungen

1 Vgl. Infratest Burke Sozialforschung:Berichtssystem Weiterbildung VII. ErsteErgebnisse der Repräsentativbefragung.München 1999

2 Vgl. hierzu die eindeutigen Ergebnisse derLängsschnittuntersuchung des BIBB zuBerufseinmündung und Berufsverbleib vonAltenpflegekräften, dokumentiert in (Teil 1)Becker, W.; Meifort, B.: Altenpflege – eineArbeit wie jede andere? Ein Beruf fürsLeben?, BIBB (Hrsg.) Bielefeld 1998 und(Teil 2) DIES.: Altenpflege – Abschied vomLebensberuf. ebda., Bielefeld 1998.

3 Vgl. BIBB (Hrsg.): Die anerkannten Aus-bildungsberufe 1997. Bielefeld 1998,S. 217 ff.

4 Darunter befinden sich insgesamt 61 Rege-lungen für verwandte Berufe: 34 Regelun-gen für den/die geprüfte/n Friseur/-in,Kosmetiker/-in und 27 Regelungen fürdie/den geprüfte/n Schönheitspfleger/-in(Kosmetiker/-in). Siehe auch Meifort, B.:Probleme der Verrechtlichung der Berufs-bildung für Berufe im Gesundheits- undSozialwesen. In: Berufsbildung undBeschäftigung im personenbezogenenDienstleistungssektor. Wiss. Diskussions-papiere des BIBB, Heft 43. Berlin 1999

5 Ausnahmefälle sind die sog. „Entwick-lungs-“ oder „Beratungspartnerschaften“zwischen alten und neuen Bundesländernim Vollzug der deutschen Vereinigung.

T H E M A

E Die Entwicklung neuer und die Weiterent-

wicklung bestehender Ausbildungsberufe ist

ein ständiges Anliegen der Wirtschaft. Zeug-

nis dafür sind die Modernisierungsbestrebun-

gen der vergangenen Jahre über die zahlrei-

che Neuerungen zur flexiblen Gestaltung der

Berufsausbildung eingeführt wurden. Der vor-

liegende Beitrag basiert auf den Ergebnissen

der Arbeiten am „Nürnberger Ausbildungsmo-

dell“, in dem einige Modernisierungsaspekte

auf einen industriellen Metallberuf übertra-

gen wurden. Das Modell wurde von einem

Kreis betrieblicher Experten entwickelt und

ergänzt eine bis heute fast ausschließlich

unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten

geführte Diskussion um Aspekte, die aus der

betrieblichen Praxis heraus entspringen.

In großer Breite und mit großem Ernst wird in den letztenJahren eine ordnungspolitisch geprägte Diskussion überInnovationsnotwendigkeiten im dualen Ausbildungssystemgeführt, geht es doch um die Zukunftssicherheit der Aus-bildungsstruktur1. Auch in den Betrieben werden Reformendiskutiert und innovative Formen des Ausbildens auf denWeg gebracht. Auffallend ist, dass sich beide Innovations-bemühungen kaum aufeinander beziehen. Betriebliche Ver-änderungsprozesse orientieren sich nicht an einer allge-meinen Umsetzbarkeit, d.h. an einer Anwendbarkeit ihrerKonzepte über das betriebliche Einzelinteresse hinaus. Ord-nungspolitische Modellvorstellungen nehmen kaum Bezugauf Realisierungsmöglichkeiten in der betrieblichen Praxis.Dies ist ein deutlicher Mangel der Reformbestrebungen aufbeiden Seiten.Das Nürnberger Ausbildungsmodell ist im Kontext diesesProblems entstanden. Es wurde aus der betrieblichen Pra-xis heraus als alternatives Ausbildungsmodell entwickeltund versteht sich in der weitgehend ordnungspolitisch ge-prägten Diskussion um die Modernisierung der Ausbildungals Reformanstoß von unten. Unter Moderation der Verei-nigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) und der Bil-dungsforschung der Beruflichen Fortbildungszentren derBayerischen Wirtschaft haben sich Ausbildungsleitergroßer Metall- und Elektrobetriebe der Region Nürnberg zueinem Arbeitskreis zusammengefunden, um Anforderun-gen an eine moderne Ausbildung zu diskutieren und eineneue Ausbildungsstruktur zu konzipieren, die im engenDialog mit betrieblichen Experten entwickelt wird und zu-gleich über die Ebene des Einzelbetriebs hinaus allgemeinumsetzbar ist. Grundlage der Arbeit waren nicht bestehen-de gesetzliche und tarifliche Regelungen, sondern allein dieFrage, wie ein Strukturmodell aussehen muss, das denQualifikationsbedarfen der Betriebe und den Interessen derAuszubildenden unter den Bedingungen einer modernenIndustrieproduktion entspricht. Das Ergebnis dieserBemühungen liegt nun nach zwei Jahren vor. Der Arbeits-kreis2 hat eine gestaltungsoffene Ausbildungsstruktur mo-dellhaft für einen industriellen Metallberuf entwickelt.

16 BWP 5/2000

Das „Nürnberger Ausbildungsmodell“Zur Entwicklung einer gestaltungs-offenen Ausbildungsstruktur imBerufsfeld Metall

BEATE ZELLER

Stellv. Abteilungsleiterin der bfz Bildungsfor-

schung der Beruflichen Fortbildungszentren

der Bayerischen Wirtschaft gGmbH und Pro-

jektgruppenleiterin „Ausbildung“, Nürnberg

T H E M A B E R U F E 2 0 0 0

Die betriebliche Situation als Grundlage derDatenerhebung

Bei der Ermittlung der Anforderungen an eine moderneAusbildung stellt sich die Frage nach dem geeigneten me-thodischen Konzept.3 Für den Arbeitskreis „Modernisierungder Berufsausbildung“ wurde ein pragmatisches Verfahrenentwickelt, wobei methodische und inhaltliche Elementevon Arbeitsanalyseverfahren aufgegriffen wurden.Auf Grundlage des Ist-Standes der betrieblichen Situationwurde erhoben, welche Tätigkeiten und Aufgaben Metall-facharbeiter an den modernisierten und in ihrer Strukturveränderten Arbeitsplätzen erfüllen müssen und welcheAnforderungen an die Handlungskompetenz daraus abge-leitet werden. Die kontinuierlichen Reorganisationspro-zesse, die in allen beteiligten Firmen seit einigen Jahrendas betriebliche Geschehen prägen, ließen es zu, aus derErhebung des Ist-Standes die gewandelten Anforderungender Arbeitswelt zu ermitteln und überberufliche Qualifika-tionen zu identifizieren. Die Prognose zukünftiger Qualifi-kationsanforderungen, wie sie z.B. mit Szenario-Technikenerhoben werden, wurde nicht zum bestimmenden Bestand-teil des Analyseinstrumentariums gemacht, weil durch dieKonzeptanlage nicht ein fester Lernzielkatalog das Ziel ist,sondern die Gestaltungsoffenheit des Konzepts.Zur Erhebung eines umfassenden Standes der Anforderun-gen, die sich aus der betrieblichen Situation an eine ver-änderte Ausbildung ergibt, wurden herangezogen:• die Ausbildungsleiter als betriebliche Führungskräfte, die

für die betriebliche Dienstleistung Qualifikationsent-wicklung sowohl innerhalb als auch außerhalb des dua-len Systems verantwortlich sind

• Führungskräfte und Fachkräfte verschiedener Ebenen,die als „Kunden“ der Ausbildungsabteilung den Bedarfdefinieren

• Ausbilder und ausbildende Fachkräfte in der Produktion,die über die veränderten Strukturvorgaben der Produk-tion an die Berufsausbildung Kenntnisse habe, und diegleichzeitig die veränderten Anforderungen an die Aus-zubildenden in pädagogisches Handeln an verschiede-nen Lernorten mit verschiedenen Methoden umsetzen.

Die Entwicklung der Ergebnisse erfolgte auf der Grundlageverschiedener Verfahren. Die Gruppe der Ausbildungsleiterarbeitete in Workshops zusammen. Dadurch war es mög-lich, in der Grundlegungsphase die unterschiedlichen Er-fahrungen aus den beteiligten Betrieben sowohl zu diffe-renzieren als auch in ihrer Allgemeinheit zu erfassen unddabei die Interaktionsmöglichkeiten der Workshop-Formauszunutzen. Ergebnisse wurden in moderierter Form ge-wonnen, visualisiert und in schriftlicher Form zur Rück-kopplung mit den Beteiligten einer weiteren Prüfung unter-zogen. Mit Fachexperten aus der Produktion wurdenExperteninterviews durchgeführt, um das Konzept in Hin-blick auf Inhalte, Differenzierungsfähigkeit und Flexibilitätin Bezug auf die betrieblichen Anforderungen zu prüfen.

Dies erlaubte es, die „Kunden“ der Ausbildungsabteilungendirekt in die Entwicklungsarbeiten einzubeziehen. Exper-tengespräche mit der dritten Gruppe betrieblicher Exper-ten – Ausbildern und ausbildenden Fachkräften – warenGrundlage der pädagogischen Ausdifferenzierung des Kon-zepts. Es ging dabei um Fragen der Inhalte, der Vermitt-lungsdauer und der Ausbildungsmethoden.Die moderierende Stelle – Bildungsträger und Verband –fungierte im Arbeitskreis als Supportstruktur und über-nahm die Aufgabe, die wichtigen Akteure zusammenzu-führen sowie die Selbstorganisation zu stimulieren. Sie un-terstützte die Arbeit inhaltlich, übernahm organisatorischeund administrative Aufgaben und vermittelte regionaleund überregionale Kontakte.

Grundzüge einer gestaltungsoffenenAusbildung nach dem „Nürnberger Modell“

DIE MODULARE AUSBILDUNGSSTRUKTUR

Die Entwicklung in der betrieblichen Praxis verlangt nachder Analyse des Arbeitskreises „Modernisierung der Be-rufsausbildung“ nach einer flexiblen und differenziertenForm der Berufsausbildung, um ihre Zukunft als Produ-zentin marktgerechter Handlungsfähigkeit zu gewährleis-ten. Bisherige Formen der Anpassung an den betrieblichenBedarf bezogen sich auf die Aktualisierung bzw. Neufas-sung von Berufsbildern. Auf diese Weise wurde ein hoherGrad an Verlässlichkeit erreicht, dem jedoch ein sehr hoherAufwand gegenüberstand. Betriebliche Erfahrungen zeigen,dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Qualifi-kationsprofile der Ausbildungsberufe an die durch immerkürzere Innovationszyklen gesteuerte Qualifikationsnach-frage anzupassen. Um nicht ständig hinter der betrieb-lichen Innovationsdynamik hinterherzuhinken, wurden das

BWP 4/2000 17

Abbildung 1 Buttom-up-Entwicklungskonzept

Berufsschulen

Verbände

Gewerkschaften

Kammern

Fachexperten

externe Akteure

betrieblicheFührungs- undFachkräfteverschiedener Ebenendefinieren als Kundender Ausbildungs-abteilung den Bedarf

betriebliche Akteure

Ausbilder undausbildendeFachkräfte setzenveränderteAnforderungenin pädagogischesHandeln um

Steuerungdurch

moderiertenArbeitskreis;

Ausbildungsleiter,vbw und bfz

Interaktion Diskussion Abstimmung Einbezug

Prinzip der Dynamik in die Berufsbildkonstruktion aufge-nommen und die Berufsbilder so entworfen, dass sie genü-gend Flexibilität aufweisen, offener für Veränderungensind, eine flexible Selbstanpassung an den ökonomischenStrukturwandel ermöglichen und den bürokratischen Re-gulationsaufwand erheblich verringern.Aus Sicht der betrieblichen Experten bietet eine modulareAusbildungsstruktur, die auf breite Basisqualifizierungsetzt und zu einem definierten Berufsabschluss führt, hin-reichend Möglichkeiten, Zuverlässigkeit hinsichtlich derberufstypisch erwartbaren Qualifikationen sowie Moder-nität der Strukturen und Inhalte miteinander zu verbinden.Eine Ausbildung in Modulen kann die geforderte Innovati-onsfähigkeit in der Struktur verankern und die Berufsaus-bildung zukunftssicherer machen. So ist die Anpassungvon Berufsbildern an veränderte Anforderungen schnellerund mit weniger Aufwand zu organisieren: Im vorgestell-ten Vorschlag einer modularen Ausbildungsstruktur wirdam Beispiel des Industriemechanikers eine breite Grund-bildung angestrebt, wie sie das Berufsbildungsgesetz im § 1fordert und die betriebliche Praxis als Bedarf anmeldet.Darin liegt eine deutliche Differenz zu Modulprinzipien,wie sie in Großbritannien (National Vocational Qualifica-tion, NVQ) und besonders in Schottland verbreitet sind. EinFesthalten am Berufsprinzip mit einer breiten vergleichba-ren Grundbildung vermeidet das beliebige Aneinanderrei-hen von Qualifikationen sowie die Entwicklung von„Schmalspurberufen“. Module werden, im Verständnis die-ses Vorschlags, als Teile und Bausteine des Ganzen, der be-ruflichen Handlungskompetenz gesehen. Insofern schafftdie Modulstruktur Transparenz und Ordnung und sie hilftbei der Steuerung des Systems. Für den Beruf des Industriemechanikers wird im Sinne ei-ner stärkeren betriebsbezogenen Differenzierung und Fle-xibilisierung durch Module vorgeschlagen, die bisherigenFachrichtungen aufzulösen. Der Industriemechaniker wirddamit zu einem Kernberuf. Die Ausbildung soll insgesamt42 Monate dauern. Das Konzept unterscheidet eine Basis-qualifizierung, Pflichtbausteine und Wahlbausteine (vgl.Abb. 2).

BASISMODUL

Ein 24-monatiges Basismodul Metall soll die solide Grund-lagenausbildung gewährleisten. Als genereller Trend zeigtsich in den Betrieben, dass die Aufgabenbereiche der Fach-kräfte nicht mehr entlang überkommener Berufsbilder ab-zugrenzen sind. Die Entwicklung einer breiten solidenGrundlagenqualifikation für zukünftige Anforderungenerscheint so als unerlässliche Voraussetzung für anschlie-ßende Spezialisierungen und rasches Einarbeiten in neueTätigkeitsgebiete. Das Basismodul Metall setzt sich aus einer obligatorischenGrundmenge von Bausteinen zusammen. Sie wurden imRahmen der Expertenbefragungen ermittelt. Für jeden Bau-

stein sind Minimalqualifikationen festgeschrieben, die alsBasis für den Einsatz in allen betrieblichen Tätigkeitsfel-dern benötigt werden. Ausgehend von den Minimalanfor-derungen besteht Flexibilität hinsichtlich der Tiefe der Ver-mittlung der Ausbildungsinhalte. Es soll schon im Basis-modul möglich sein, firmenspezifisch zusätzliche Kennt-nisse über spezielle Produkte, Produktionsverfahren usw.zu erwerben. Die Lernorte zur Vermittlung von Grundsicherheit undGrundkenntnissen sollten für den Lernzweck besonders di-daktisch gestaltet sein. Betriebliche Einsätze sind im Basis-modul dort, wo didaktisch sinnvoll, möglich. Dies giltbesonders für eine didaktische Verknüpfung der LernorteArbeitsplatz und Lehrwerkstatt, welche Arbeitsplatznähedadurch herstellt, dass schon in der ersten Ausbildungs-phase Auszubildende in der Produktion problemhaltige Si-tuationen kennen lernen.Die sich der Grundausbildung anschließende Fachbildungberuht auf einem flexiblen Modulkonzept und dauert 18Monate. Die einzelnen Module haben Pflicht- oder Wahl-charakter und bieten die Möglichkeit, die Ausbildung ankonkreten Arbeitsplätzen in betrieblichen Tätigkeitsfeldernpraxisnah zu vertiefen.

PFLICHTMODULE

Zentrale zukunftssichernde Bestandteile der Industrieme-chanikerausbildung werden in zwei Modulen mit Pflicht-charakter zusammengefasst. Sie können über die gesamteAusbildungszeit hinweg integriert vermittelt werden.Hauptsächlich aus dem inzwischen globalen Wirken derUnternehmen leiten sich eine Reihe neuartiger Kompeten-zen ab, die in der bisherigen Ausbildung nicht oder nur ingeringerem Maße berücksichtigt waren. Im NürnbergerAusbildungsmodell sind sie im Pflichtmodul „Industrie-wissen“ zusammengefasst und betreffen solche Aspektewie Anwendung der Informationstechnologie, Lösen logi-stischer Aufgaben im Team, kundenorientiertes Verhalten,berufsbezogenes Englisch sowie Qualitätsmanagement.Die betrieblichen Anforderungen machen deutlich, dass dieTrennung von Berufsfeldern, wie sie traditionellen Berufs-beschreibungen zugrunde liegt, vielfach nicht mehr der Be-triebspraxis entspricht. Dies zeigt sich besonders bei Tätig-keiten aus dem Bereich der Mechanik und der Elektrotech-nik. Als zweites Pflichtmodul ist daher eine Ausbildung in„Grundlagen der Elektrotechnik“ für alle Industriemechani-ker/-innen vorgesehen.

WAHLMODULE

Die Wahlmodule werden entlang von Auswahlpfaden be-triebsspezifisch kombiniert und führen zu einer Ausbildungin Kompetenzbereichen. Die Auswahlpfade bestimmen sichbetriebsspezifisch nach dem beruflichen Einsatzbereichzukünftiger Mechaniker in der Industrie. Als solche Einsatz-

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T H E M A

bereiche wurden festgelegt die Produktion, die Instandhal-tung und Wartung, die Forschung und Entwicklung, Logi-stik, Dienstleistung und Vertrieb. Die Kombination der Mo-dule in den einzelnen Auswahlpfaden gibt Orientierung, istjedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Somit sind auchDifferenzierungen auf der Ebene einzelner Abteilungenmöglich.Die Möglichkeit, auf verschiedenen Pfaden nach der Basis-ausbildung sowohl Wahl- als aus Pflichtmodule zu durch-laufen, lässt eine angemessene Differenzierung sowohl fürBetriebe als auch für die Auszubildenden zu. Betriebe kön-nen nach Innovationen neue Schwerpunkte in der Ausbil-dung setzen, ohne ihre Ausbildungskompetenz zu verlie-ren. Durch eine Ausbildung, die betriebsspezifisch mit denInnovationen Schritt hält, wird der Marktwert der Absol-venten gesichert und ihr Übergang an zukünftige Arbeits-plätze erleichtert. Für Auszubildende ergibt sich die Mög-lichkeit, Neigungsschwerpunkte zu setzen bzw. nach deneigenen Fähigkeiten eine Differenzierung vorzunehmen.

Praxisorientierte Prüfungen

Betriebliche Zielorientierung für die Neufassung der Prü-fungen ist im Wesentlichen eine stärkere Praxisrelevanz.Sie soll erreicht werden durch die Orientierung der Prüfungan berufstypischen betrieblichen Aufgaben, Aufträgen oderVerfahren statt an der Fachsystematik. Organisatorischgeht es vor allem um die Umsetzbarkeit neuer Prüfungs-formen in der betrieblichen Praxis sowie um die Verringe-rung des personellen und sachlichen Prüfungsaufwandes.In der vorgeschlagenen Ausbildungsstruktur des „Nürnber-ger Modells“ soll die Basisqualifizierung nach 24 Monatenmit einer ersten Teilprüfung abschließen, die im Ergebnisauf die Abschlussprüfung angerechnet wird. Die Abschluss-prüfung umfasst eine betriebliche Aufgabe, ein Fachge-spräch sowie einen schriftlichen Teil.

Integration von Aus- und Weiterbildung

Die Modulstruktur des „Nürnberger Ausbildungsmodells“schlägt eine Brücke zu den modernen Strukturen und For-men, in denen zumindest die Weiterbildung heute vor-nehmlich abläuft. In diesem Bereich gibt es bereits eineReihe von Ansätzen, die mit modularen Konzepten arbei-ten, da für die Veränderungsdynamik betrieblicher Inno-vationen eine Anpassung in passgenauen, ökonomischenund auf den Weiterbildungszweck bezogenen Größen, For-men und Methoden notwendig ist. Das Modulprinzip stelltsicher, dass auf sich wandelnde Anforderungen in den Be-trieben mit betriebsspezifischen Lösungen flexibel reagiertwerden kann. Der modulare Aufbau der betrieblichen Ausbildung, der zueinem Berufsabschluss führen soll, verfolgt einen anderenZweck als Module in der Weiterbildung. Systematisch istjedoch zu sagen, dass aus der Sicht der betrieblichen Praxis

BWP 5/2000 19

Wahl-Module

Ab

sch

luss

prü

fun

g

42 Monate

Basis-Modul

24 Monate

Pflicht-Module

1. T

eilp

rüfu

ng

A1

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A1

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A1

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42 Monate

Basis-Modul

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Wahl-Module

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Pflicht-Module

1. T

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Die Pflichtmodule Industriewissen und Elektrotechnik (A1, A2)– bringen zentrale zukunftssichernde Komponenten in die Industriemechanikerausbildung ein– können über die gesamte Ausbildungszeit hinweg vermittelt werden

Wahlmodule werden entlang von Auswahlpfaden bedarfsorientiert kombiniert,– Auswahlpfade definieren sich in Orientierung an der betrieblichen Situation.– Auswahlpfade stellen ein Orientierungsmittel dar. Die Kombination der Module in den Auswahlpfaden

ist nicht vorgeschrieben.– Differenzierungen auf der Ebene einzelner Abteilungen sind möglich.– Eine Mindestanzahl von Modulen ist definiert.– Eine Mindestdauer für die einzelnen Module ist festgeschrieben.

42 Monate

Basis-Modul

24 Monate

Pflicht-Module Wahl-Module

1. T

eilp

rüfu

ng

Ab

sch

luss

prü

fun

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A1

Abbildung 2 Ausbildungsstruktur „Nürnberger Modelle“Basis-Modul, Pflicht-Module, Wahlmodule

Das Basis-Modul• sichert eine breite Grundqualifizierung• setzt definierte Standards für eine solide berufliche Handlungskompetenz• ist Grundlage für spätere Spezialisierung

Ausbildung und Weiterbildung schon längst zu Maßnah-men der Personalentwicklung zusammengeschlossen undals Teile derselben betrieblichen Zwecksetzung behandeltwerden. Betriebe streben danach, ihre Maßnahmen zurQualifizierung von Mitarbeitern, sei es in der Ausbildungoder in der Weiterbildung, miteinander zu verknüpfen.

Die Modulstruktur des Nürnberger Modells kann als inte-griertes Aus- und Weiterbildungskonzept betrachtet wer-den, das den wechselnden spezifischen Anforderungen derBetriebe an die Qualifikation ihrer Mitarbeiter entspricht:

• Die Ausbildungsmodule können in der Weiterbildungverwendet werden. Sie bieten in gebündelter Form unddidaktisch aufgearbeitet Inhalte, die für die Berufstätig-keit eines modernen Metallfacharbeiters erforderlich sindund sind so ein geeignetes Mittel, die Facharbeiterquali-fikation schon länger in der Berufspraxis stehender Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter zu aktualisieren. Da Ver-bindungen verschiedener Berufsfelder in der betrieb-lichen Praxis immer häufiger werden, können Ausbil-dungsmodule auch dazu dienen, Fachkräfte aus anderenBerufen in Inhalte und Fertigkeiten einzuführen, die inihrem gelernten Fachberuf nicht vermittelt wurden. Einesolche Verknüpfung der Ausbildungsmodule mit derWeiterbildung beispielsweise innerhalb eines Personal-entwicklungskonzepts trägt zur Qualitätssicherung derQualifikationsvermittlung bei und dient der Ökonomi-sierung der betrieblichen Bildungspraxis. Die mehrfacheVerwendung didaktischer Konzepte verteilt die Entwick-lungskosten und ist in der – für die betriebliche Praxisunerlässlichen – betriebswirtschaftlichen Betrachtungein zusätzliches Argument für Ausbildungsabteilungen,die einem straffen Controlling unterworfen sind.

• Module aus der Weiterbildung, die von Fachleuten derPersonalentwicklung für aktuell benötigte Qualifikatio-nen entwickelt wurden, sind in der hier vorgeschlagenenAusbildungsstruktur als Wahl- oder ggf. als Pflichtmo-

dule einsetzbar. Auf diese Weise finden Entwicklungen,die auf spezielle Bedarfe in den Betrieben zurückgehen,schnell Eingang in die Ausbildungspraxis.

• Durch die Verknüpfung von Aus- und Weiterbildung isteine Rückkopplungsschleife zum betrieblichen Bedarfeingerichtet, die dafür sorgt, dass eine stetige Anpassungder Ausbildung an die aktuellen Qualifikationserforder-nisse geschieht. Auch ist hierbei eine risikolosere Erpro-bung neuer Qualifikationsprofile zu erreichen.

Über modular aufgebaute Aus- und Weiterbildungskon-zepte kann der stark strukturierte Bereich der Ausbildungdie notwendige Flexibilisierung und Differenzierung er-fahren genauso wie der derzeit kaum strukturierte Weiter-bildungsbereich einen höheren Systematisierungsgrad er-fährt, was zur Transparenz der Weiterbildungsangeboteund zur Qualitätssicherung beitragen kann.

Ausblick

Bei der Neu- und Umgestaltung des dualen Systems kommtden betrieblichen Akteuren aufgrund ihrer Nähe zum aktu-ellen Wissens- und Handlungsbedarf eine entscheidendeBedeutung zu. Am Beispiel des „Nürnberger Ausbildungs-modells“ wird deutlich, welches Innovationspotenzial inKooperationen auf regionaler Ebene entfaltet werden kannfür die Weiterentwicklung der beruflichen Ausbildung. InBayern ist inzwischen auf der Grundlage des „NürnbergerAusbildungsmodells“ eine breite Diskussion über die Mo-dernisierung von Ausbildungsberufen entstanden, die dazuführt, dass zum Teil aus einzelbetrieblicher Sicht, zum Teilaus Sicht von Teilbranchen Modernisierungserfordernisseentlang betrieblicher Bedarfe formuliert und mit außerbe-trieblichen Akteuren der beruflichen Bildung – Berufs-schulen, Verbänden, Gewerkschaften, Kammern, Fachex-perten – diskutiert werden.

20 BWP 5/2000

Anmerkungen

1 In der Debatte sind diverseVorschläge für die Neustruktu-rierung der dualen Ausbildung,z. B. Modell derGrundberufe/Kultusminister-konferenz; 10-Punkte-Modellzur Neuordnung der Ausbil-dung/DGB-Bundesvorstand,Satellitenmodell/DIHT, DasKonzept des Handwerks „Aus-und Weiterbildung nachMaß“/Zentralverband desdeutschen Handwerks.

2 Forum der Aktivitäten zurEntwicklung des NürnbergerAusbildungsmodells war derArbeitskreis „Modernisierung

der Berufsausbildung“. Erwurde im Juli 1997 gegründet.Die beteiligten Unternehmensind: AEG Hausgeräte GmbHNürnberg, BMW AG München,Bosch GmbH Nürnberg, DiehlStiftung & Co. Nürnberg,Grundig Beratungs- undDienstleistungs-GmbH Nürn-berg, Lucent TechnologiesNürnberg, MAN NutzfahrzeugeAG Abt. PB-N Nürnberg, Sie-mens AG A&D Persa N/GBNürnberg, Siemens AG UB medErlangen. Der Arbeitskreiswurde moderiert von der Ver-einigung der Bayerischen

Wirtschaft (vbw) und denBeruflichen Fortbildungszen-tren der Bayerischen Wirt-schaft gGmbH (bfz).

3 Zur Analyse der betrieblichenPraxis als Datengrundlage sinddetaillierte Arbeitsanalysever-fahren entwickelt worden, diesich auf einen relativ großenBereich von Anwendungsfel-dern beziehen. Sieht man vonVerfahren ab, die sich aufphysiologische und ergonomi-sche Messungen beziehen,gründen die meisten Analyse-verfahren methodisch auf derBasis von Beobachtungsinter-

views. In jüngerer Zeit sindauch modulartig aufgebauteAnalyseverfahren entwickeltworden, die die hohe Komple-xität des Analyseaufwandsbeim Einsatz von Arbeitsana-lyseverfahren anwendungs-ökonomisch dadurch senkenwollen, dass ausgewählteSchwerpunkte mit geringeremAufwand analysiert werdenkönnen. Vgl. z. B. Tätigkeits-Analyse-Inventar – TAI,Frieling, E., Facauarua, C.u. a.,Tätigkeits-Analyse-Inven-tar – TAI, Landsberg 1993

T H E M A

Aus- und Weiterbildung im OP-Bereich

HORST KRAMER

E Das Gesundheitssystem wird gegenwärtig

durch technische und finanzielle Rahmenbe-

dingungen stark beeinflusst. Neue Technolo-

gien dringen in sämtliche medizinische Berei-

che vor. Vor diesem Hintergrund entstehen

auch neue Qualifikationserfordernisse des

mittleren medizinischen Personals in Kran-

kenhäusern, was im Folgenden vor allem für

den Bereich Operationstechnische Assistenten

(OTA) gezeigt werden soll.

Die ersten nachweisbaren Veröffentlichungen über dasAusbildungsangebot zum/zur Operationstechnischen Assi-stenten/-in in Deutschland finden sich Anfang der 90er-Jahre in regionalen Tageszeitungen in Nordrhein-Westfa-len. Es waren Pressemitteilungen und Annoncen von Kran-kenhäusern, die einen großen Personalmangel im Operati-onssaal zu verzeichnen hatten und sich durch eigens qua-lifiziertes Personal schnelle Abhilfe versprachen, da manden seit Anfang der 70er-Jahre existierenden traditionel-len Rekrutierungsweg über die Weiterbildung von Kran-kenpflegepersonen für den OP-Bereich (drei Jahre Kran-kenpflegeausbildung, zwei Praxisjahre und eine zweijäh-rige OP-Fachweiterbildung) für unzureichend, zu lang undzu teuer hielt. Die finanzielle Dimension einer kürzerenQualifizierung war dabei sicherlich kein unerwünschter Be-gleiteffekt, da die Krankenhausträger zunehmend nichtmehr bereit waren, dem Pflegepersonal die einschlägigeWeiterbildung zu ermöglichen oder zu finanzieren.

Vor dem Hintergrund fehlenden qualifizierten OP-Perso-nals und verstärkten Forderungen nach einer Qualitäts-sicherung im Operationsbereich sollten zunächst Kranken-pflegehelfer/-innen zu „Pflegerischen Operationsassisten-ten“ qualifiziert werden. Gegen die Weiterbildung derKrankenpflegehelfer/-innen sprach vor allem, dass dasFehlen qualifizierten OP-Personals dadurch nicht zu behe-ben sei.

Zur Aus- und Weiterbildungssituation: Es gibt ca. 800Krankenhäuser, die eine Anerkennung als Weiterbildungs-stätte für den OP-Bereich durch die Deutsche Kranken-hausgesellschaft erhalten haben. Im OP-Dienst arbeiten ca.

30.000 Krankenpflegekräfte, von denen jedoch nur ca.10.000 eine abgeschlossene Fachweiterbildung nachweisenkönnen und von denen der größte Teil (Krankenschwesternund -pfleger) unmittelbar nach der Ausbildung in den OP-Bereich gewechselt ist und dort für diesen hochspeziali-sierten Bereich nur angelernt wurde.Das heißt, dass trotz der hohen Anzahl der Weiterbildungs-stätten in den letzten Jahrzehnten nicht genug Kranken-pflegepersonal weitergebildet worden ist. Daher war anzu-nehmen, dass auch nicht genug Krankenpflegehelfer (s. o.)weitergebildet werden können und der gerade durch diezunehmenden Forderungen nach Qualitätssicherung ge-stiegene Bedarf auch nicht über diesen Weg zu decken sei.Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft zufolgeist unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung eineQuote von mindestens zwei Dritteln einschlägig qualifizier-ten Personals im Operationsbereich notwendig, mitunter istauch von einem 80 %igen Anteil die Rede; die Bedarfslückewäre demnach mit 14.000 Beschäftigten zu beziffern.1

Der zunehmende Mangel an spezialisierten pflegerischenMitarbeitern im OP-Saal führte Ende der 80er-Jahre zu ei-nem „Pflegenotstand“, der durch die Einführung der Tele-medizin in unterschiedlichen Funktionsbereichen im OP-Saal in den letzten Jahren verstärkt wurde. Die geschilderteAus- und Weiterbildungsproblematik im OP-Bereich führtedazu, dass das Ausbildungskonzept des „Operationstechni-schen Assistenten (OTA)“ aus der Schweiz und den Nieder-landen in Deutschland übernommen wurde, das nun zu-nehmend die klassische Krankenpflegeausbildung mit Wei-terbildung zur OP-Fachkraft ersetzt. In mehr als sechs Bun-desländern und an über 30 Schulen werden OTA nach denEmpfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaftausgebildet.2

In diesem Zusammenhang wird die These vertreten, dassdie OTA auf der Grundlage ihrer breiten Spezialausbildungin der Lage sind, sich schnell den Anforderungen in unter-schiedlichen OP-Funktionsbereichen anzupassen. Das an-gelernte oder mit Zusatzqualifikation versehene Pflegeper-sonal sei dagegen kurzfristig nicht oder nur eingeschränktin unterschiedlichen Funktionsbereichen einsetzbar, in de-nen es nicht täglich arbeitet. Erschwerend kommt hinzu,dass die Personalquote der Fachkrankenpflege in deutschenOP-Abteilungen nach über 18 Jahren Weiterbildung bun-desweit unter 20% liegt und vor dem Hintergrund derNovellierung der Krankenhausfinanzierung voraussichtlichauch liegen bleiben wird.3

Hier ist zu fragen, ob die OTA nicht besser als die Kran-kenpflegekräfte mit Weiterbildung zur OP-Fachkraft in derLage sind, den zukünftigen technisch-induzierten Verän-derungen im OP gerecht zu werden und ob dies nicht miteiner bestimmten Affinität zur Medizintechnik beim OTA-Personal in Verbindung steht. So weist WIEMANN in seinerAnalyse der Qualifikationsanforderungen an die Assistenz-

BWP 5/2000 21

berufe im OP darauf hin, dass zu den extrafunktionalenAnforderungen an das Operationsteam unbedingt auch„ein gewisses technisches Verständnis und ein grundsätz-liches Interesse für (Medizin-)Technik“ gehören.4 Vor die-sem Hintergrund muss aber auch beachtet werden, dass esdurch die OTA-Ausbildung nicht zu einer fachlichen Immo-bilität durch Konzentration auf den Arbeitsplatz OP kommtund die Absolventen nicht in einen „Sackgassenberuf“ odereine „Schmalspurausbildung“ einmünden, wie es von ver-schiedenen Berufsverbänden prognostiziert wird.5

Karrierechancen

Es hat sich gezeigt, dass auch die Befürworter einer OTA-Ausbildung eine Separierung von den Pflegeberufen for-dern, weil im Anforderungsprofil des Pflegebereichs die so-zialen Bezüge im Vordergrund stehen. Während im Berufs-profil der Operationstechnischen Assistenten/-in eher tech-

nische Belange im Vorder-grund stehen, wird eineVerortung als technischerAssistenzberuf gefordert.Diese Argumentationsliniewird auch dadurch gestützt,dass die Bewerber für dieOTA-Ausbildung möglicher-weise eine von ihren per-sönlichen Voraussetzungenund Interessen andere Kli-entel sind als das Pflegeper-sonal.6

In Zukunft wird sich zeigen,ob die Selbstselektion beimEinstieg in die Ausbildungzur/zum OTA dazu führt,dass insbesondere Personenmit technischem Verständ-nis und Affinitäten zu tech-nischen Entwicklungen die-se Ausbildung anstreben.Eine Einstellung, die beidem herkömmlichen Pflege-personal möglicherweise ge-ringer ausgeprägt ist. Ergeb-nisse aus einer Berufsfeld-untersuchung im Bereichder Medizintechnik desBIBB haben Tendenzen be-stätigt, dass die Ausbildungzur OTA junge Frauen an-streben, die sich insbeson-dere durch die Anwendungder neuen Techniken (Tele-medizin) angesprochen

fühlen und nicht aus demklassischen Pflegebereich inden OP-Saal überwechseln.7

In diesem Zusammenhangwird sich zeigen, inwieweitsich hier neue Karrierechan-cen für Frauen bieten.

Telemedizin

Die Einführung der Telemedizin8 im Zusammenhang mitneuen Operationsverfahren, elektronischen Patientenaktenund Krankenhausinformationssystemen verwandelt denOP-Saal zunehmend in einen Hightech-Bereich, dem dieklassische Aus- und Fachweiterbildung der OP-Schwe-stern/Pfleger immer weniger gerecht wird.

Hier haben erste Untersuchungen des BIBB9 gezeigt, dass• im Arbeitsbereich des Operationsdienstes und im Bereich

der Medizinisch Technischen Assistenten (MTA) eindeutlicher Anstieg der Anforderungen an theoretischeKenntnisse und praktische Fertigkeiten besteht, vor al-lem durch den Einsatz neuer OP-Techniken und vonEDV-gestützten Geräten,

• auf diese Veränderungen im Rahmen von Qualifizie-rungsmaßnahmen nicht hinreichend vorbereitet wird,was zu Unsicherheiten in der alltäglichen Arbeit führt,

• bei OP-Personal und MTA Interesse an mehr Weiterbil-dungsveranstaltungen besteht als derzeit realisierbarsind,

• von zwei Dritteln im Qualifikationsbereich erwartet wird,dass auch zukünftig aufgrund neuer Operations-, Ana-lyse- und Diagnoseverfahren sowie durch den vermehr-ten Einsatz von Informationssystemen der Qualifizie-rungsbedarf steigen wird.

Zurzeit ist allerdings unbekannt, mit welchen qualifikato-rischen Strategien, Maßnahmen oder Entwicklungen dieBetroffenen und die Kliniken auf diese technischen und or-ganisatorischen Wandlungsprozesse reagieren und welcheneuen Berufe sich eventuell etablieren werden.10 In einemneuen Forschungsprojekt des BIBB wird diese Problematikaufgegriffen.Der folgende Beitrag von GRUNOW, JOCHEM und SCHÖ-FER schildert den Entwicklungsweg und die Voraussetzun-gen der OTA-Ausbildung aus einer Binnenperspektive, indem die Autoren das neue Berufsbild und aufgrund ihrerlangjährigen Erfahrung in unterschiedlichen Operationsbe-reichen beurteilen. In der Jahresarbeit im Rahmen ihrerWeiterbildung zur Leitung eines Pflegedienstes am Berufs-bildungswerk in Frankfurt/M. versuchen sie auf derGrundlage einer empirischen Untersuchung die Einstellungder Pflegedienstleister, des Operationspersonals und deroperativ tätigen Ärzte zu dem neuen Berufsbild OTA dar-zustellen.

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Anmerkungen

1 GOLOMBECK, G.: OperationstechnischeAssistentin/Operationstechnischer Assis-tent: Wissen, welches Instrument jetztgebraucht wird. In: DKG (Hrsg.) Berufsbil-der im Krankenhaus. 42 Berufe stellen sichvor! Düsseldorf 1997

2 RICHTER, H.: Operationstechnische Assis-tenten/-innen in Deutschland – Eine Aus-bildung etabliert sich. Die Schwester/DerPfleger 5/1997, S. 406–408

3 WIEMANN, J.: Qualifikation und Qualifi-zierung für den Operationsdienst. MS,Osnabrück 1997

4 a. a. O., S. 405 BÖHME, H.: Zur Rechtsstellung der Opera-

tionstechnischen Assistenten (OTA) imVergleich zu Krankenpflegekräften,insbesondere mit der Weiterbildung zurOP-Fachkraft. MS 1998;

6 BALS, T.: Früherkennung neuer beruflicherEntwicklungen im Berufsfeld Gesundheit –Soziales – Erziehung. In: BIBB (Hrsg.):Berufsbildung und Beschäftigung im perso-nenbezogenen Dienstleistungssektor.Wissenschaftliche Diskussionspapiere,Heft 43, Berlin 1999

7 GRÜHN, D.: Technikinduzierte Qualifikati-onsveränderungen in medizinischenAssistenzberufen. MS Berlin 1999

8 Siehe hierzu auch: BERGER, R. & Partner:Telematik im Gesundheitswesen – Perspek-tiven der Telemedizin in Deutschland.München 1998

9 KRAMER, H.: Qualifizierungsveränderungdurch Telemedizin. In: Gesundheitsnetz1999. Elektronischer Kongressband,Gesundheitsnetz Rhein-Neckar-Dreieck(Hrsg.), Ludwigshafen 1999

10 GRÜHN, D. und KOHNEN, R.: Auswirkun-gen neuer Technologien im Krankenhausauf die Qualifikationsanforderungen vonOP-Pflegekräften und Medizinisch Techni-schen Assistenten/-innen. MS Berlin 2000

OTA –

interessant für

technikinteres-

sierte Frauen

T H E M A

OTA – ein neues Berufsbild etabliertsich im Gesundheitswesen

SIMONE GRUNOW, JÜRGEN JOCHEM, INGRID SCHÖFER

E In Deutschland arbeiten 30.1888 Pflege-

kräfte im Operationsdienst, davon haben

20.300 keine Fachweiterbildung.1 Das neue

Berufsbild OTA, das sich schon in einigen Ope-

rationsabteilungen etabliert hat, sowie seine

zahlreichen Kritiker bewogen die Autoren 2,

das Thema in einer empirischen Untersuchung

aufzugreifen. Herauszufinden war, wie das

tatsächliche Stimmungsbild gegenüber dem

Berufsbild OTA in den Operationsabteilungen

und besonders auf der Ebene des Pflegemana-

gements ist.

Hinter dem Kürzel OTA verbirgt sich ein neuer, rationellerBildungsweg im Gesundheitswesen. Der in Deutschland ge-schaffene Ausbildungsgang OTA (OperationstechnischeAssistentin /Operationstechnischer Assistent) ist einegradlinige Qualifizierungsmöglichkeit für die Tätigkeit imOperationsbereich mit einer Ausbildungsdauer von dreiJahren. Im Gegensatz zum herkömmlichen Qualifizie-rungsweg über eine Grundausbildung in der Kranken-pflege, wird bei der OTA-Ausbildung auf die Krankenpfle-geausbildung verzichtet, da nachweislich nur 10%3 des inder Krankenpflege Erlernten im Operationsbereich umge-setzt werden kann. Mehr Wert wird auf die Bereiche allge-meine und spezielle Chirurgie sowie Anatomie und Phy-siologie gelegt, jedoch wird auch eine gezielte Grundlagein der Krankenpflege geschaffen. Die Zugangsvoraussetzungen, der Anteil der theoretischenund praktischen Unterrichtsstunden sowie einige Unter-richtsfächer mit ihren Inhalten entsprechen der Kranken-pflegeausbildung.Die OTA’s werden im Laufe ihrer Ausbildung neben denunterschiedlichen Operationsbereichen auch in der Zen-tralsterilisation, der Endo-skopie, dem Notfallbereichsowie auf einer chirurgi-schen Station eingesetzt.Die Ausbildung erfolgt nachder Empfehlung der Deut-schen Krankenhausgesell-schaft (DKG) zur Ausbil-

dungs- und Prüfungsordnung von OperationstechnischenAssistentinnen/Assistenten vom 1. August 1996. Sie en-det mit einer schriftlichen, mündlichen und praktischenAbschlussprüfung.

ENTWICKLUNG DES BERUFSBILDES IN DEUTSCHLAND

Hauptursache für die Entstehung des Berufsbildes OTA inDeutschland war und ist der Mangel an qualifiziertemFachpersonal im Operationsbereich. Zurzeit fehlen ca.14.000 Fachkräfte.4 Dieser Mangel an Fachpersonal hatviele Ursachen:• Krankenschwestern und Krankenpfleger werden während

ihrer Ausbildung zumeist nur auf individuellen Wunschim Operationsdienst eingesetzt;

• eine hohe Fluktuationsrate;• ein zu langer Ausbildungsweg bis hin zur Fachkranken-

schwester /Pfleger für den Funktionsdienst.

Ärzte und OP-Personal entwickelten gemeinsam ein erstesKonzept für eine OTA-Ausbildung in Deutschland nach denVorbildern der Nachbarländer Schweiz und Holland (dortgibt es die „OA’s“ schon seit 20 Jahren, und sie besetzenzu 80% den Operationsdienst). Im Dezember 1990 begann man mit 187 Teilnehmerinnendie erste Ausbildung in Deutschland (Mühlheim Ruhr). Dieerste OTA-Schule an einer Universität begann 1996 an derPhilipps-Universität in Marburg,5 wo die OTA-Ausbildungan die Krankenpflegeausbildung gekoppelt wurde. Inzwi-schen gibt es in Deutschland 22 OTA-Schulen mit ca. 450OTA-Ausbildungsplätzen, die von der DKG anerkannt sind(Stand April 2000).Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht die Weiterbil-dung in Funktionsdiensten keinesfalls als kontraproduktivgegenüber der OTA-Ausbildung an. Auch das Bundesmini-sterium für Gesundheit bezeichnete im September 1996 dieAusbildung als dritte Alternative neben der Krankenpfle-geausbildung und der Weiterbildung für den Funktions-dienst. BÖHME behauptet sogar, dass berufsrechtlich undkompetenzrechtlich die OTA der Krankenschwester unddem Krankenpfleger im Operationsdienst weit überlegen seiund eine durchaus diskutable Alternative im Operations-dienst darstelle.6 Bei der 1. OTA-Konferenz wurde erstmalsüber die Erfahrungen von operativ tätigen Ärzten berich-tet: OTA’s wurden als hochmotivierte Mitarbeiterinnen/Mit-arbeiter bezeichnet, die sich in der praktischen Arbeit nichtvon der OP-Fachkraft unterscheiden. Der neue Ausbil-dungsgang wurde uneingeschränkt begrüßt.

EINSATZMÖGLICHKEITEN DER OTA’S

Häufig wird argumentiert, dass OTA’s sich nach ihrer Aus-bildung in einer Sackgasse befinden. Dem möchten wirentschieden widersprechen. Denn aufgrund der vielfältigenAusbildungsinhalte sind als Einsatzorte neben der Operati-

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onsabteilung auch der Notfallbereich, Polikliniken, der En-doskopiebereich, die Zentralsterilisation, Leitstellen sowieder Bereich des „ambulanten Operierens“ im Krankenhausund beim niedergelassenen Arzt denkbar. Die gleiche Frageergäbe sich übrigens auch für eine OP-Schwester.Intensive Recherchen der Autoren ergaben auch, dass we-der arbeits-, haftungs-, straf- oder tarifrechtliche Aspekte7

gegen den Einsatz von OTA’s im Operationssaal sprechen.

EINSTELLUNG ZUM BERUFSBILD OTA – ERGEBNISSE

EINER BEFRAGUNG

Um das Stimmungsbild gegenüber dem Berufsbild OTA inden Operationsabteilungen von Seiten der operativ tätigenÄrzte, des Pflegepersonals und der Pflegedienstleistungherauszufinden, führten die Autoren im Rahmen ihrer Wei-terbildung zur Leitung eines Pflegedienstes am Berufsbil-dungswerk (bfw) in Frankfurt/M. in einer Jahresarbeit eineempirische Untersuchung in Krankenhäusern der Bundes-länder Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg,Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen durch.

Im Ergebnis zeigte sich:

I. Insgesamt war eine positive Einstellung gegenüber demBerufsbild OTA nachzuweisen. Das änderte sich auchnicht, wenn die Befragten der jeweiligen Berufsgruppeeine Führungsfunktion innehatten.

II. Die Auswertung der Fragebögen des Operationsperso-nals zeigte, dass es im Pflegebereich zurzeit keine ein-heitliche Meinung zu dem Berufsbild OTA gibt. Auchhier war eine positive Tendenz erkennbar.

III. Die Einstellung gegenüber dem Berufsbild OTA war beiden Pflegedienstleistungen und operativ tätigen Ärzteneindeutig positiv.

Im Einzelnen:Eine positive Einstellungbeim Pflegepersonal im OPist u. E. vor allem dadurchbegründet, dass gute Kennt-nisse über das Berufsbildund die Ausbildungsinhaltevorhanden sind bzw. posi-tive Erfahrungen (Arbeits-entlastung) mit der Berufs-gruppe gemacht wurden.Andererseits werden OTA’sauch als unmittelbare Kon-kurrenten angesehen. DieBefürchtung, dass eigeneWeiterbildungsmöglichkei-ten zur Fachkrankenschwe-ster /Pfleger für den Opera-tionsdienst eingeschränkt

werden, verstärkt die ablehnende Haltung gegenüber demneuen Berufsbild.

Pro:• gute Erfahrungen mit OTA’s• Arbeitsentlastung durch bereits eingesetzte OTA’s im OP• überzeugende Ausbildungsinhalte• zielorientierter Ausbildungsweg

Kontra:• Existenzängste um den Arbeitsplatz• Einschränkung eigener Weiterbildungsmöglichkeiten• Beeinflussung durch berufspolitische Meinungsmache

Die Thematik wird auf der Ebene der Pflegedienstleister be-reits intensiv diskutiert. Ein Grund ist sicher, dass ein ho-her Qualitätsstandard in Operationsabteilungen gefordertist, der einer optimalen Patientenversorgung im Sinne derQualitätssicherung entspricht. Des Weiteren könnten diePflegedienstleister eine vorausschauende Personalplanungdurchführen, da sie direkt qualifiziertes OTA-Personal ein-setzen können. Des Weiteren werden Kosten für Weiterbil-dungsqualifizierungen zur / zum Fachkrankenschwester /Pfleger für den Operationsdienst eingespart.

Pro:• guter Informationsstand über das Berufsbild OTA• vorausschauende Personalplanung• Gewährung gleich bleibender Personalqualität im OP• Kosteneinsparungen im Bereich Weiterbildung

Operativ tätige Ärzte sind am Entstehen dieses neuen Be-rufsbildes stark interessiert. Als Grund wird der Druck aufdas Gesundheitssystem angenommen, welche Qualität, Ef-fizienz und somit vor allen Dingen Wirtschaftlichkeit for-dert. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wird qua-lifiziertes Personal benötigt. Hier bietet sich die OTA-Aus-bildung besonders an, da sie durch den rationellen Bil-dungsweg und gezielte Ausbildungsinhalte diesen Anfor-derungen entspricht.

Pro:• starkes Interesse am Berufsbild OTA• Qualität der Ausbildung (gezielte, den beruflichen Anforderungen ent-

sprechende Ausbildungsinhalte)• wirtschaftliche Gesichtspunkte

FAZIT

Die Autoren sind überzeugt, dass die OTA-Ausbildung mitihren Inhalten einen festen Platz unter dem Dach derKrankenpflege einnehmen sollte. Wünschenswert wäreeine konzeptionelle Eingliederung in die bestehende Kran-kenpflegeausbildung, wobei eine Verknüpfung der theore-tischen und praktischen Lehrinhalte nicht nur denkbar,sondern auch praktikabel ist (siehe „Marburger Modell“).

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Anmerkungen

1 Vgl. RICHTER, H.: Die Schwester / DerPfleger 5/1997, S. 406

2 Die Autoren dieser Jahresarbeit haben diemeiste Zeit ihres beruflichen Werdegangesin Operationsabteilungen verschiedenerUnikliniken verbracht. Sie können alle auflangjährige Leitungserfahrungen zurück-blicken.

3 Vgl. RICHTER, H.: Referat OTA-KongressKöln 10/1996

4 NEIHEISER, R.: Hinweise zur neuen DKG-Weiterbildungsempfehlung. In: Das Kran-kenhaus 9/1997

5 http://info.med.uni-marburg.de/pflege/ota2.htm

6 Vgl. BÖHME, H.: Rechtsgutachten „ZurRechtsstellung der OperationstechnischenAssistenten (OTA) im Vergleich zu Kran-kenpflegekräften, insbesondere mit derWeiterbildung zur OP-Fachkraft“ im Auf-trag der ALK, Ba.-Wü. 1998, S. 10

7 BÖHME, H.: Rechtsgutachten ... a. a. O., S. 11

T H E M A

Neue Ausbildungsberufe imDienstleistungssektor

HANNELORE PAULINI-SCHLOTTAU

E Die bisherige Regelungslücke bei Ausbil-

dungsberufen des Dienstleistungssektors soll

nunmehr in den drei Bereichen Veranstaltung,

Sport und Gesundheit geschlossen werden.

Anfang August wurde mit dem Antragsge-

spräch beim Ministerium für Wirtschaft und

Technologie der Startschuss für die drei neuen

Ausbildungsberufe „Veranstaltungskaufmann/

-frau“, „Sport- und Fitnesskaufmann/-frau“

und „Kaufmann/-frau im Gesundheitswesen“

gegeben, in denen die bildungspolitischen

Eckwerte beschlossen wurden. Die drei kauf-

männischen Berufe der Dienstleistungsfamilie

sind durch gemeinsame Kernqualifikationen

miteinander verbunden, die die Hälfte der

Ausbildungszeit einnehmen. In diesen neuen

Berufen kann in wachsenden Bereichen des

Dienstleistungssektors erstmalig ab August

2001 ausgebildet werden, wenn die Erarbei-

tung der Curricula planmäßig verläuft.

Als gemeinsame Inhalte für alle drei Ausbildungsberufesind als Kernqualifikationen technische, kaufmännischeund soziale Kompetenzen vorgesehen wie das Anwendenmoderner Informations- und Kommunikationstechniken,die Vermittlung von Grundlagen des Marketing und Ver-triebs sowie der kaufmännischen Steuerung und Kontrolle,der Leistungserstellung und Organisation, der Personal-wirtschaft, der Kommunikation und Kooperation, Fragenzum Ausbildungsbetrieb sowie Aspekte von Dienstlei-stungs-/ Kundenorientierung, die in allen zu vermittelndenInhalten eine Rolle spielen.

Die Fachqualifikationen sind für den Einzelberuf profilge-bend und variieren entsprechend den Tätigkeitsfeldern.

Das Profil des Ausbildungsberufs Veranstaltungskaufmann/-frau wird ausgerichtet auf Planung, Organisation und

Durchführung von Veranstaltungen, Messen usw. unterBerücksichtigung von rechtlichen Grundlagen, der Ver-mittlung von Qualifikationen zum Veranstaltungsmarktund seinen Zielgruppen sowie der Anwendung von Fremd-sprachen.Veranstaltungskaufleute übernehmen kundenorientiertkaufmännische Tätigkeiten in allen Betriebsbereichen vonVeranstaltungsdienstleistern, wie Produktionsorganisation,Marketing und Vertrieb oder betrieblicher Steuerung undKontrolle. Sie werden in Unternehmen des Messe- undAusstellungswesens, Unternehmen, die Tagungen, Kon-gresse, Seminare und Events organisieren und durchführensowie in Konzertagenturen eingesetzt.

Das Profil des Ausbildungsberufs Sport- und Fitnesskauf-mann/-frau wird ausgerichtet auf Planung, Steuerung undKontrolle des Sportbetriebs unter Berücksichtigung vonrechtlichen Grundlagen, Mitglieder-, Kundenberatung undBetreuung, Finanzierung und Mittelbeschaffung. NebenVerwaltungs- und Organisationsaufgaben haben sie aberauch technische Aufgaben im Sportbetrieb zu lösen, um zueinem reibungslosen Sportbetrieb beizutragen. Eine wich-tige Aufgabe ist auch die Mitgliederorganisation in Verei-nen und Fitnessbetrieben, einschließlich der Beratung vonInteressenten über Sport- und Bewegungsangebote. Sport- und Fitnesskaufleute sind in den Geschäftsbereichender Verbände und Vereine, der kaufmännischen Verwaltungvon Betrieben der Fitnesswirtschaft und in der kommuna-len Sport- und Sportstättenverwaltung tätig.

BWP 5/2000 25

Bildungspolitische Eckwerte der kaufmännischen Dienstleistungsberufe

Veranstaltung Sport Gesundheit

Berufsbezeichnung: Veranstaltungs- Sport- und Fitness- Kaufmann/kaufmann/-frau kaufmann/-frau Kauffrau im Gesund-

heitswesen

Ausbildungsdauer: 3 Jahre 3 Jahre 3 Jahre

Struktur des Ausbildungsberufs: Monoberuf (mit Monoberuf (mit Monoberuf (mit

Kernqualifikationen) Kernqualifikationen) Kernqualifikationen)

Berufsfeldzuordnung: Wirtschaft und keine Zuordnung keine ZuordnungVerwaltung (offen) (offen) (offen)

Zeitliche Gliederung: Zeitrahmenmethode Zeitrahmenmethode Zeitrahmenmethode

Katalog der Kenntnisse und Fertigkeiten: liegt mit Kern- und liegt mit Kern- und liegt mit Kern- und

Fachqualifikationen Fachqualifikationen Fachqualifikationen vor vor vor

Das Profil des Ausbildungsberufs Kaufmann/Kauffrau imGesundheitswesen wird ausgerichtet auf Strukturen undEinrichtungen des Gesundheitswesens einschließlichRechtsfragen, Materialwirtschaft, Finanzierung, Bundes-pflegesatzverordnung und Investitionsfinanzierung, Rech-nungswesen und Controlling, medizinische Dokumenta-tion, Personalbedarfsberechnung, Personaleinsatzplanungund Dienstplangestaltung. Kaufleute im Gesundheitswesenverwalten und steuern unter kaufmännisch-verwaltendenGesichtspunkten die Organisation von Gesundheitseinrich-tungen, in denen verschiedene Berufsgruppen Gesund-heitsdienstleistungen erbringen. In den Gesundheitsein-richtungen sind insbesondere auf Umfang und Qualität derangebotenen Leistungen sowie Patienten- und Kundenori-entierung zu achten.

Als Einsatzbereiche kommen Krankenhäuser, stationäre,teilstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen, Vor-sorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Alten- und Pfle-geheime, möglicherweise auch Seniorenresidenzen, Ge-meinschaftspraxen und Verbände der freien Wohlfahrts-pflege in Betracht.

Diese Dienstleistungsfamilie kann – wenn sich ein bundes-weiter Bedarf abzeichnet – zu einem späteren Zeitpunktum weitere Ausbildungsberufe ergänzt werden.

Ansprechpartner/-innen im BIBB: Peter Geil (Veranstaltungen) Tel. 02 28/107-24 28, E-Mail: [email protected]; Michael Noack (Sport) Tel. 02 28/107-2418, E-Mail: [email protected]; Hannelore Paulini-Schlottau (Gesundheit) Tel. 02 28/107-24 23, E-Mail: [email protected].

26 BWP 5/2000

Mit 13 modernen Ausbildungsberufen, die abAugust 2000 an den Start gegangen sind, wird indiesem Jahr die Modernisierung der Ausbildungfortgesetzt. Die Anzahl der seit 1996 neugeschaffenen Berufe erhöht sich damit auf 37,die der modernisierten bzw. erweiterten Berufeauf 105.

In folgenden Berufen wird seit dem 1. August 2000mit einer neuen bzw. aktualisierten/erweitertenAusbildung begonnen:

Neue Ausbildungsberufe

• Bühnenmaler und Bühnenplastiker/Bühnenmalerin und Bühnenplastikerin

• Fachangestellter/Fachangestellte für Medien- und InformationsdiensteNeu: Ausbildung in einer zusätzlichenFachrichtung: Medizinische Dokumentation

• Fachkraft für Straßen- und Verkehrstechnik• Fachkraft für Wasserwirtschaft• Verfahrensmechaniker/Verfahrensmechanikerin

Glastechnik

Modernisierte Ausbildungsberufe

• Bootsbauer/Bootsbauerin• Fachkraft für Lebensmitteltechnik• Gerüstbauer/Gerüstbauerin

Laborberufe

• Biologielaborant/Biologielaborantin• Chemielaborant/Chemielaborantin• Lacklaborant/Lacklaborantin

Druckberufe

• Drucker/Druckerin• Siebdrucker/Siebdruckerin

Vorschau auf Heft 6/2000

Thema: Berufe im IT-Bereich

u. a. IT-Berufe auf dem Prüfstand

Prüfungen in den IT-Berufen werden

„geprüft“

Neue Karriereberufe in der IT-Branche

Internetionalisierung und Netzkompe-

tenz

13 moderne Berufestarten 2000

E Der Praxisbezug von Prüfungen innerhalb

der dualen Ausbildung und damit ihre Aussa-

gekraft für die spätere Bewährung im Beruf

werden häufig in Frage gestellt sowohl durch

einzelne Prüfer, Betriebsvertreter als auch

durch die zuständigen Arbeitgeber- oder

Arbeitnehmerorganisationen. Es ist offen, ob

man die Kritik verallgemeinern kann und ob

sie für alle Prüfungsformen und Berufe gilt.

Deshalb wurden Betriebe um ihre Einschät-

zung von Prüfungen u. a. hinsichtlich Praxis-

nähe, Relevanz für Einstellungsentscheidun-

gen, erfassbarer Personenmerkmale und Nut-

zen gebeten. Das Resultat zeigt, dass Prüfun-

gen durchaus differenziert beurteilt werden.

Zusätzlich erfolgt dies je nach Beruf und Wirt-

schaftsbereich unterschiedlich. Das deutet

darauf hin, dass keine flächendeckende

Reform des Prüfungswesens notwendig ist.

Den bestehenden Prüfungen wird vor allem vorgeworfen,sie seien praxisfern und zu wenig arbeits- und auftragsori-entiert und damit nicht handlungsorientiert. Besondersdeutlich wird dies durch die zunehmend geforderte undauch praktizierte Entwicklung von modernen dynami-schen, technikoffenen und flexiblen Berufen, für die ge-eignete Prüfungsformen geschaffen werden müssen. Diesgeschieht derzeit vor allem durch die Einführung neuarti-ger Prüfungsmethoden im Rahmen der Schaffung neuerAusbildungsordnungen.1 Allerdings hält man in manchenBerufen an den bisherigen Prüfungsmethoden fest. Auchgibt es eine Vielzahl von Berufen, bei denen in absehbarerZeit eine Neuordnung und Veränderung der Prüfungsme-thodik nicht vorgesehen ist. Es ist daher gleichermaßennotwendig, die Aussagekraft von „alten“ wie „neuen“ Prü-fungsmethoden zu untersuchen.Von besonderer Bedeutung ist die Frage, inwieweit dasPrüfungszeugnis spätere Berufsbewährung vorherzusagengestattet. Sie wurde u.a. in der hier dokumentierten Be-triebsbefragung untersucht, die über das Referenz-Betriebs-System (RBS) des BIBB2 durchgeführt wurde.

Methode

Im Jahr 1998 wurden die ca. 1700 Betriebe, die im RBS zu-sammengeschlossen sind, aufgefordert, einen Fragebogenzur Aussagekraft von Prüfungen zu beantworten. Dabeiwurden solche Betriebe, die in mehreren Berufen ausbil-den, gebeten, zu jedem dieser Berufe ein gesondertesExemplar des Fragebogens auszufüllen. Insgesamt erhieltenwir von 805 Betrieben 1575 Fragebögen zurück, im Durch-schnitt also zwei pro Betrieb. 1232 der vorliegenden Bö-gen bezogen sich auf 17 Berufe. Für diese 17 Berufe lie-gen jeweils mindestens 20 ausgefüllte Bögen vor. Die Be-rufe und die Anzahl der jeweils auswertbaren Bögen sindaus Tabelle 1 zu ersehen. Als gröbere Kategorisierungwurde neben Berufen auch nach Wirtschaftsbereichen auf

BWP 5/2000 27

Prüfungen auf dem Prüfstand –Betriebe beurteilen dieAussagekraft von Prüfungen

JENS U. SCHMIDT

Dr. phil., Dipl.-Psychologe, Leiter des Arbeits-

bereichs „Lernerfolgskontrollen, Prüfungen“

im BIBB

F A C H B E I T R A G

der Basis aller 1575 Fragebögen differenziert. Hier wirdunterschieden zwischen Handwerk (168 Fragebögen), In-dustrie (907), Handel, Banken, Versicherungen (175).Alle Fragen wurden in gebundener Form gestellt, wobei beiallen Fragenkomplexen außer einem eine vierstufige Ant-wortmöglichkeit vorgegeben wurde3. Die Antwortalterna-tiven waren jeweils unterschiedlich benannt, sodass auf sieim Text eingegangen wird.

Ergebnisse

PRAXISNÄHE UND HANDLUNGSORIENTIERUNG VON

PRÜFUNGEN

Erwartungsgemäß wird die Praxisnähe für die praktischePrüfung höher eingestuft als für die schriftliche, wobeiselbst für die schriftliche Prüfung in den meisten Berufeneine positivere Einschätzung vorliegt als vermutet.

Bei der praktischen Prüfung finden sich unter den Beru-fen, bei denen der Praxisbezug der Prüfung als eher geringeingestuft wird, die Berufe Industriemechaniker und Ener-gieelektroniker4, bei denen derzeit über eine neue Form derAbschlussprüfung nachgedacht wird. Innerhalb der Wirtschaftsbereiche zeigen sich keine Unter-schiede bei der Einstufung des schriftlichen Prüfungsteils.Der praktische Prüfungsteil dagegen wird von der Industrie

als erheblich weniger praxisnah eingestuft als von den bei-den anderen Wirtschaftsbereichen. Wie praxisnah eine Prüfung einzustufen ist, ergibt sichauch aus der Einschätzung der Aussage „das Prüfungs-zeugnis gibt wertvolle Hinweise auf die berufliche Hand-lungsfähigkeit“. Sie lehnten 14% der Befragten vollständigab, während 63% teilweise, 20% weitgehend und 3% voll-ständig zustimmten.

Praxisnähe und Handlungsorientierung werden also rechtunterschiedlich beurteilt. Insgesamt ist die Einschätzungaber positiver, als man bei der oft heftig geübten Kritik amPrüfungswesen vermutet hätte.

EINSTELLUNGSENTSCHEIDUNGEN VON BETRIEBEN

Wie aussagekräftig Abschlusszeugnisse sind, zeigt sichauch darin, ob und in welchem Ausmaß sie bei Einstel-lungsentscheidungen berücksichtigt werden. In der Befra-gung wurden daher sieben verschiedene Informationsquel-len genannt mit der Bitte, für jede die Wichtigkeit für Per-sonalentscheidungen zu beurteilen (Abbildung 1).Von herausragender Bedeutung ist das Vorstellungsge-spräch, gefolgt vom betrieblichen Ausbildungszeugnis. Andritter Stelle kommt dann das Prüfungszeugnis, das im-merhin von über 34% der Betriebe als sehr wichtig undvon über 60% als einigermaßen wichtig eingestuft wird.Das Prüfungszeugnis hat also für Einstellungsentscheidun-gen entgegen vieler anders lautender Behauptungen einenhohen Stellenwert. Das Berufsschulzeugnis schneidet ver-gleichsweise schlecht ab.Betriebe nutzen mehrere Informationsquellen. Dies zeigtauch die Beantwortung einer weiteren Frage. Hier war zuder Aussage Stellung zu nehmen, dass Einstellungsent-scheidungen bei jüngeren Mitarbeitern sich vorwiegend amPrüfungsergebnis orientieren sollten. Diese Aussage be-stätigt lediglich 1% der Befragten, 11% stimmen dieserAussage weitgehend zu, während die übrigen 88% sie teil-weise oder vollständig ablehnen.Der Stellenwert der verschiedenen Informationsquellenwird in den unterschiedenen Berufen weitgehend gleichbeurteilt. Vergleicht man allerdings die Wirtschaftsberei-che, so ist festzustellen, dass Handwerksbetriebe den Be-rufsschulnoten einen deutlich höheren Wert beimessen,während sie das Zeugnis des Ausbildungsbetriebes geringergewichten, als dies bei den anderen Wirtschaftsbereichender Fall ist. Plausibel ist, dass die Bedeutung des Bewer-bungsschreibens im Wirtschaftsbereich Handel, Banken,Versicherungen höher ist als in Industrie und Handwerk.In der Beurteilung der Wichtigkeit des Abschlusszeugnissesunterscheiden sich die Wirtschaftsbereiche kaum. Prüfungsergebnisse werden vermutlich vor allem dann beiEinstellungsentscheidungen berücksichtigt, wenn ein ho-her Vorhersagewert für den späteren Berufserfolg unter-stellt wird. Wir ließen daher die folgende Aussage einstu-

28 BWP 5/2000

Tabelle 1 Einschätzung der Praxisnähe von Abschlussprüfungen

F A C H B E I T R A G

erkennbare oder enge Praxisnähe in Prozent

Beruf Anzahl Schriftl. Prakt. Bögen Prüfung Prüfung

Elektroinstallateur/-in 38 88* 100Technischer Zeichner/-in 48 81 96Bankkaufmann/-frau 29 71 93Kaufmann/-frau im Einzelhandel 54 57 88Versicherungskaufmann/-frau 57 84 86Maurer 28 82 86Hotelfachmann/-frau 24 77 86Industriekaufmann/-frau 255 47 83Kaufmann/-frau für Bürokommunikation 24 42 83Kraftfahrzeugmechaniker/-in 38 69 81Restaurantfachmann/-frau 36 74 80Frisör/-in 21 70 80Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel 20 55 79Industriemechaniker/-in 243 74 77Energieelektroniker/-in 147 70 77Koch/Köchin 53 67 77Bürokaufmann/-frau 113 57 77sonstige Berufe mit weniger als 20 Bögen 347 85 65Bögen insgesamt 1575 66 82

* Fett gedruckte Werte liegen oberhalb des Durchschnitts aller Einstufungen.

fen: „Wie erfolgreich ein Auszubildender, der nachAbschluss der Ausbildung übernommen wurde, bei seinerberuflichen Tätigkeit sein wird, lässt sich aus dem Prü-fungszeugnis ablesen“. 8% der Befragten lehnen diesesStatement vollständig ab. 66% stimmten teilweise, 24%weitgehend dieser Aussage zu. Ganz genauso sahen eslediglich 2% der Stichprobe. Der Prognosewert ist also ausSicht der Betriebe nur eingeschränkt gegeben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Betriebe mehrereInformationsquellen bei Einstellungsentscheidungen nut-zen, wobei das Prüfungszeugnis wichtig ist, weniger wich-tig aber als das Vorstellungsgespräch und das betrieblicheAusbildungszeugnis.

ERFASSTE PERSONENMERKMALE

Um differenzierter feststellen zu können, worüber welchesZeugnis Aufschluss geben kann, wurden im Fragebogeneine Reihe von Personenmerkmalen und Kenntnisaspektenvorgegeben. Welches Merkmal in welcher prozentualenHäufigkeit als aus dem jeweiligen Zertifikat erkennbar be-urteilt wurde, ist aus Tabelle 2 zu ersehen. Mehrfachant-worten waren möglich.Besonders bemerkenswert ist, dass beim betrieblichen Aus-bildungszeugnis für alle Merkmale mit Ausnahme dergrundlegenden Schulkenntnisse unterstellt wird, dass hierRückschlüsse möglich sind. Das sieht bei Prüfungs- undBerufsschulzeugnis ganz anders aus: nur etwas mehr alsdie Hälfte der Befragten nehmen an, dass aus dem Prü-fungszeugnis fachliches Wissen und praktische Fertigkeitenzu erkennen sind. Bei allen anderen Merkmalen erkennennur wenige der Befragten Zusammenhänge. Das Berufs-schulzeugnis gibt nach Auffassung der Betriebe in ersterLinie Aufschluss über grundlegende Schulkenntnisse undfachliches Wissen. Dieses Ergebnis unterstreicht die beson-dere Wertschätzung des Ausbildungszeugnisses. Interessant ist hier, dass die drei Wirtschaftsbereiche in ih-rer Einschätzung deutliche Unterschiede aufweisen. So be-urteilen nur 48% der Handwerksbetriebe fachliches Wis-sen als Merkmal, das sich im Prüfungszeugnis widerspie-gelt, während dies bei Industrie sowie Handel und Versi-cherungen 73% sind. Praktische Fertigkeiten lassen sichnach Auffassung von nur 30% der Handwerksbetriebe und27% der Betriebe aus dem Bereich Handel und Versiche-rungen aus dem Prüfungszeugnis erkennen, bei der Indu-strie sind das jedoch 61%. Weiterhin interessant ist, dasssich der Aspekt „Sorgfalt und Genauigkeit“ nach Auffas-sung von immerhin 41% der Industriebetriebe aus demPrüfungszeugnis erkennen lässt, was bei den beiden ande-ren Wirtschaftsbereichen nur 26% bzw. 16% der Befrag-ten meinen. Schließlich gestattet das Ergebnis der Ab-schlussprüfung Hinweise auf den Aspekt „Überblick überden Beruf“: für 49% der Betriebe aus dem Bereich Handelund Versicherungen sind Rückschlüsse möglich, während

dies in der Industrie nur von 36% und im Handwerk von23% der Befragten so gesehen wird. Bei den anderen bei-den Zeugnissen sind sich dagegen die Wirtschaftsbereicherelativ einig in ihrer Einschätzung. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das betriebliche Ausbil-dungszeugnis als besonders informativ hinsichtlich einerReihe von Personenmerkmalen eingeschätzt wird, die überreine Fachkompetenz hinausgehen, während die beiden an-deren Zeugnisse im Wesentlichen nur auf die fachlichenAspekte Rückschlüsse zulassen.

NUTZEN DES ABSCHLUSSZEUGNISSES

Was sich aus der Abschlussprüfung ablesen lässt, erfrag-ten wir bezogen auf sieben Aspekte. Hier waren ebenfallsvier Antwortkategorien vorgegeben: Aus dem Ergebnis derAbschlussprüfung lässt sich über den jeweiligen Aspekt

BWP 5/2000 29

Tabelle 2 Aussagekraft der drei Zeugnisse für unterschiedliche Personenmerkmale(in Prozent)

Zeugnis Prüfung Berufsschule Ausbildungs-Personenmerkmale betrieb

Fachliches Wissen 67 70 62

Praktische Fertigkeiten 51 5 88

Sorgfalt, Genauigkeit bei der Arbeit 35 18 88

Überblick über den Beruf 35 30 79

Schnelligkeit bei Aufgabenerledigung 25 10 81

Grundlegende Schulkenntnisse 21 90 6

Planungs- und Organisationsfähigkeit 18 13 81

Problemlösefähigkeit, Kreativität 18 6 81

Einfallsreichtum 7 8 85

Kommunikationsfähigkeit 4 11 87

Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit 3 29 90

Kontaktverhalten, Teamfähigkeit 2 7 89

Abbildung 1 Bedeutung unterschiedlicher Informationsquellen beiNeueinstellungen von Mitarbeitern, die erst vor kurzer Zeit ihreAusbildung abgeschlossen haben

Vorstellungsgespräch

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Ausbildungszeugnis

Noten der Abschlussprüfung

Bewerbungsschreiben

persönliche Daten im Lebenslauf

Einstellungstest

Berufsschulnoten

völlig unwichtig eher unwichtig einigermaßen wichtig sehr wichtig

1 5 94

3 29 68

5 60 34

1 10 48 42

1 17 47 35

8 15 42 36

3 16 59 23

„nichts“, „wenig“, „einiges“ oder „viel“ ablesen (Abbildung 2).Es ergibt sich eine deutliche Rangfolge, angeführt vom Er-folg in der Berufsschule über Lernfähigkeit bei eher theo-retischen Fragestellungen und intellektuelle Fähigkeiten.Erst dann kommen die praktischen Leistungen am Arbeits-platz, unmittelbar vor der Einschätzung des späteren Be-rufserfolgs und der Schnelligkeit der praktischen Einarbei-tung. Bei dieser Frage zeigen sich besonders gravierendeUnterschiede in Bezug auf die einzelnen Berufe (Tabelle 3).Große Unterschiede ergeben sich bei der Aussage, aus demErgebnis der Abschlussprüfung ließen sich Rückschlüsseauf das Verhältnis zwischen Auszubildendem und Ausbil-der ziehen. Dieser Aussage stimmt ein erheblich höhererAnteil der Befragten für die Handwerksberufe zu (Frisör,Elektroinstallateur, Kfz-Mechaniker, Maurer, Koch). Infor-mationen hinsichtlich der Leistungen am Arbeitsplatz ge-stattet die Abschlussprüfung am ehesten bei den Elektro-installateuren, Kfz-Mechanikern und Kaufleuten im Groß-und Außenhandel, am wenigsten bei den Bank- und Versi-cherungskaufleuten. Die Schnelligkeit der Einarbeitung aufeinem neuen Arbeitsplatz ist ebenfalls aus Sicht der Hand-werksbetriebe eher aus dem Prüfungszeugnis herauszule-sen als aus Sicht der übrigen Wirtschaftsbereiche. Nach Einschätzung der Befragten lässt sich der Erfolg inder Berufsschule aus dem Prüfungszeugnis erkennen. Dieszeigt auch die Einschätzung zu einer anderen Frage: „DiePrüfungsergebnisse spiegeln lediglich wider, wie gut in derBerufsschule gelernt wurde“. Dieser Aussage stimmten 5%der Befragten vollständig, 26% weitgehend und 56% teil-weise zu, während sie nur von 14% der Befragten abge-lehnt wurde. Insgesamt gibt sich also ein differenziertes Bild bei derEinschätzung des Nutzens des Prüfungszeugnisses. Dabei

werden die Aspekte „Leistungen am Arbeitsplatz“ und„Vorhersage des späteren Berufserfolgs“ sehr viel ungün-stiger eingeschätzt, als dies im Hinblick auf praxisnahePrüfungen wünschenswert wäre.

VERÄNDERUNG DES PRÜFUNGSWESENS

Die Diskussion zur Umgestaltung des Prüfungswesens gehtauch an den Betrieben nicht spurlos vorbei. Es wurden da-her im Fragebogen drei Aussagen zur Einschätzung vorge-legt, die bestimmte Meinungen aus der aktuellen Debattewiedergeben. Die Einstufung anhand von drei Statementslässt lediglich Tendenzen erkennen. Die Ergebnisse deutendarauf hin, dass es sich lohnt, hier vertieft nachzufragen. Der Aussage „Abschlussprüfungen sind eigentlich entbehr-lich, besser wäre eine ständige Beurteilung im Betrieb“stimmen 5% der Befragten vollständig, 14% weitgehend,31% teilweise zu, während 50% sie vollständig ablehnen.Eine weitere Aussage bezog sich auf den derzeit geführ-ten Dialog um ganzheitliche oder projektorientierte Prü-fungsteile anstelle der herkömmlichen fachsystemati-schen Fächerstruktur: „Prüfungen sollten nicht mehr ausPrüfungsteilen bestehen, die sich an einzelnen Fächernorientieren, sondern aus größeren Arbeitsaufträgen oderProjekten“ wird von 19% der Befragten vollkommen un-terstützt, von 31% weitgehend. Teilweise stimmen 32%zu, während 18% vollständig dagegen sind. Das dritte Statement lautete: „Anstelle der schriftlichenPrüfung sollte der praktische Prüfungsteil ausgebaut wer-den“. Hier ergibt sich vollständige Zustimmung bei 7% derBefragten, weitgehende Zustimmung bei 23%, teilweise bei33%. Über ein Drittel lehnen diese Aussage gänzlich ab.Nur bei diesem Statement unterscheiden sich die Wirt-schaftsbereiche gravierend in ihrer Einschätzung. In denIndustriebetrieben wird die Aussage erheblich weniger un-terstützt als in den anderen Bereichen.Es zeigt sich auch hier kein einheitlicher Trend hin zurgrundlegenden Umgestaltung des Prüfungswesens, ein Er-gebnis, dass vor dem Hintergrund der oftmals euphorischgeforderten Einführung neuer Prüfungsmethoden über-rascht.

Fazit

Die oft vorgetragene grundsätzliche und pauschale Kritikan Abschlussprüfungen innerhalb der dualen Ausbildungwird nicht von allen Betrieben getragen. Zumindest mussdies sehr differenziert und nach Berufen oder Wirtschafts-bereichen gesondert beurteilt werden. Besonders auffälligist die Wertschätzung des betrieblichen Ausbildungszeug-nisses. Vermutlich schätzen Betriebe die hier dokumentiertelangfristige Beurteilung der Arbeitsleistung, aber auch derArbeitstugenden. Dieser Befund dürfte wichtig sein für die

30 BWP 5/2000

Abbildung 2 Nutzen des Abschlusszeugnisses

den Erfolg in der Berufsschule

0% 20% 40% 60% 80% 100%

die Lernfähigkeit bei ehertheoretischen Fragestellungen

nichts ablesen wenig ablesen einiges ablesen viel ablesen

aus dem Ergebnis der Abschlussprüfung lässt sich über

intellektuelle Fähigkeiten

die Leistungen am Arbeitsplatzwährend der Ausbildung

den späteren Berufserfolg(Aufstieg, Beurteilung durch

Vorgesetzte, Einkommen etc.)

die Schnelligkeit der praktischen Einarbeitung

auf einem neuen Arbeitsplatz

das persönliche Verhältniszwischen Ausbilder und

Auszubildendem

F A C H B E I T R A G

3 21 58 18

7 28 50 16

13 28 48 11

23 39 31 7

30 43 25 2

41 38 18 3

63 24 11 2

Diskussion über die Integration der drei im Verlauf derAusbildung erworbenen Zertifikate.Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen die Notwendig-keit einer Neugestaltung der Prüfungsanforderungen eini-ger Berufe. So wird insbesondere den Prüfungen in eini-gen gerade jetzt zur Neuordnung anstehenden Industriebe-rufen ihre Praxisnähe weitgehend abgesprochen. Bei denVersicherungs- und Bankkaufleuten hat es bereits eineNeuordnung der Prüfungsanforderungen gegeben. Die vor-liegende Befragung bezieht sich in diesen Berufen auf diefrühere Prüfungsmethodik. Es ist zu hoffen, dass durch dasNeuordnungsverfahren die dokumentierten Schwächen be-seitigt wurden.Insgesamt zeigt sich, dass die Frage der Aussagekraft undValidität von Prüfungen ein wichtiges Untersuchungsfelddarstellt. Deshalb ist dies Gegenstand eines BIBB-For-schungsprojektes, in dem diese bei vier ausgewählten Be-rufen (Versicherungskaufmann/-frau, Bäcker/-in, Informa-tions- und Telekommunikationssystem-Elektroniker/-in,Steuerfachangestellte/-r) differenziert untersucht wird. Em-pirisch soll ermittelt werden, inwieweit Prüfungs-, Ausbil-dungs- und Berufsschulzeugnis eine Vorhersage der späte-ren beruflichen Bewährung gestatten. Eine derartige Un-tersuchung wurde in Deutschland bislang noch nie durch-geführt, obwohl sie in anderen Ländern, zum Beispiel denUSA, zu den Standardinstrumenten des Prüfungswesens

gehört. In diesem Projekt wirdebenso wie in einem derzeitlaufenden Vorhaben zur Eva-luierung der Prüfungsanforde-rungen in den wichtigstenneuen und neugeordneten Be-rufen in Fallstudien die Sichtaller an den Prüfungen Betei-ligter differenzierter untersucht,als dies mit der vorliegendenBefragung möglich war.Das Thema sollte ständig pa-rallel zur Veränderung des Ar-beitsumfelds und der Ausbil-dungsordnungen untersuchtwerden. Zu wünschen wäredann, dass die Ergebnissekontinuierlich in ein Qua-litätssicherungssystem ein-münden. Nur so wird es mög-lich sein, das Prüfungswesenzu einem allgemein akzeptier-ten System der Zertifizierungerworbener Qualifikationen zumachen und dies dauerhaft zusichern.

BWP 5/2000 31

Tabelle 3 Einschätzung derdurch die Abschluss-prüfung erfasstenMerkmale (in Prozent)

Beruf

Bankkaufmann /-frau 21 0 72 79 3 17 90*Bürokaufmann /-frau 31 17 81 74 16 29 77Elektroinstallateur /-in 58 39 91 59 42 36 75Energieelektroniker /-in 45 8 65 44 26 23 57Frisör /-in 48 43 52 50 32 37 37Hotelfachmann /-frau 48 22 83 61 23 27 55Industriekaufmann /-frau 26 5 77 65 15 23 74Industriemechaniker /-in 47 9 72 50 25 26 55Kaufmann /-frau für Bürokommunikation 25 4 79 79 8 13 79Kaufmann /-frau im Einzelhandel 25 8 77 75 10 25 73Kaufmann /-frau im Groß- und Außenhandel 50 10 85 70 30 32 75Koch / Köchin 41 24 81 58 26 32 63Kraftfahrzeugmechaniker /-in 50 29 87 61 25 37 76Maurer 32 25 86 79 32 50 75Restaurantfachmann /-frau 46 14 86 51 27 29 56Technischer Zeichner /-in 41 0 70 54 20 26 67Versicherungskaufmann /-frau 21 9 77 67 4 25 70

Durchschnittliche Einschätzung in allen vorliegenden Fragebögen 38 13 76 59 21 28 66

* Werte, die über dem Durchschnitt aller Fragebögen liegen, sind fett gedruckt.

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heor

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chen

Frag

este

llung

en

Aus dem Ergebnis der Abschluss-prüfung lässt sich über ...

einiges/viel (Stufe 3, 4 der vierstufigen

Skala) ablesen

Anmerkungen

1 Vgl. Schmidt, J.U.: Neue Ausbildungsab-schlussprüfungen: praxisnahe, handlungs-orientiert, integriert, ganzheitlich!? In:BWP 27 (1998) 3, S. 17–23. Schmidt,J. U.: Erfassen neue Prüfungsformen wirk-lich Handlungskompetenz? In: BWP 29(2000) 2, S. 11–15. Vom BIBB herausgege-bene Buchveröffentlichungen zu Prüfungensind in einer Übersicht in BWP 29 (2000)2, S. 14 zusammengestellt.

2 Nähere Informationen zum Referenz-Betriebs-System finden sich auf der Home-page des BIBB (www.bibb.de) unter„Forum“, „Aus den Projekten“ und „RBS“.Hier findet sich auch das RBS-Info Nr. 12,in dem eine erste Auswertung der Fragebö-gen dokumentiert ist. Anzumerken ist, dassim RBS nur Betriebe und dabei überpropor-tional viele größere Unternehmen erfasstsind. Die Einschätzungen geben die Sichtder Firmenleitungen bzw. der Ausbildungs-verantwortlichen wieder.

3 Um die Ergebnisdarstellung übersichtlicherzu gestalten, wurden teilweise zwei Stufenzusammengefasst und der prozentualeAnteil der sich auf diese beiden Stufenbeziehenden Antworten dokumentiert.

4 Zur besseren Lesbarkeit werden hier und imFolgenden nur die männlichen Berufsbe-zeichnungen gewählt.

E Im Zuge der Aufwertung des informellen

Lernens am Arbeitsplatz hat sich das Interes-

se der Berufsbildungsforschung auch dem auf-

tragsorientierten Lernen im Handwerk zuge-

wendet. Dabei wurden die in der Ausbildung

des Handwerks verwendeten Methoden und

Lernunterstützungen in einem Forschungspro-

jekt untersucht und zu einem handwerksge-

rechten Methodenkonzept verdichtet. Ziel war

es, die authentischen Lern- und Arbeitssitua-

tionen in der Ausbildung möglichst wenig

durch berufspädagogische Maßnahmen zu ver-

ändern. Ein zweiter Ansatz im BIBB entwickel-

te die Auffassung, dass das Ausbilden mit

Lernaufträgen und auftragsbezogenen Leitfä-

den sowie die ganzheitliche Beteiligung der

Lehrlinge in allen Phasen des Kundenauftra-

ges eine notwendige Erweiterung des auf-

tragsorientierten Lernens darstellt.

Das Lernen in der Arbeit ist in der Ausbildung des Hand-werks jahrhundertelang die Urform beruflicher Bildung inDeutschland gewesen und stellt auch heute noch dieGrundform der betrieblichen Ausbildung dar. Das Hand-werk stellt in Deutschland immer noch knapp 40% allerAusbildungsverhältnisse im dualen System bereit und istdamit nach wie vor von besonderer quantitativer Bedeu-tung für das duale System der Berufsausbildung inDeutschland. Die qualitative Bedeutung wird daran sicht-bar, dass das Handwerk als „Ausbilder der Nation“ weitüber seinen eigenen Bedarf hinaus ausbildet. Damit müssenauch in der arbeitsintegrierten Ausbildung im HandwerkKompetenzen erworben werden können, die außerhalb die-ses Bereichs für berufliche Karrieren verwertbar sind.

Da man Handwerksarbeit fast durchgängig als auftragsori-entierte Arbeit charakterisieren kann (Stratenwerth 1992,S. 52f.), wird das arbeitsintegrierte Lernen in der Ausbil-dung des Handwerks als auftragsorientiertes Lernen be-zeichnet. Im Idealtyp dieser Lernform werden die Lehrlingein ihrer Ausbildungszeit mit wachsender Kompetenz zu-nehmend an der Erfüllung betrieblicher Aufträge beteiligtund lernen dabei durch das Vorbild und die Anleitung vonGesellen und Meistern. Die auftragsorientierte Ausbildungbeinhaltet einen zunehmenden wirtschaftlichen Beitrag derLehrlinge zum Betriebsergebnis, der die Ausbildungskostenfür die Betriebe in Grenzen hält und somit entscheidendfür die Ausbildungsbereitschaft gerade von kleinen undmittleren Betrieben ist.

Ansätze zur Weiterentwicklung desauftragsorientierten Lernens

Die berufspädagogische Erforschung des arbeitsintegrier-ten Lernens im Handwerk vollzog sich parallel zur Wieder-entdeckung des Lernortes Arbeitsplatz und ersten empiri-schen Untersuchungen zu seiner lernförderlichen Gestal-

32 BWP 5/2000

Darf das auftragsorientierte Lernenim Handwerk durch berufs-pädagogische Maßnahmen geformtwerden?

F A C H B E I T R A G

KLAUS HAHNE

Dr. phil., M. A., Berufspädagoge, wiss. Mitar-

beiter im Arbeitsbereich „Berufsbildungsme-

dien, Multimedia, Qualifizierung von Berufs-

bildungspersonal“ im BIBB

tung. In einem Projekt des Forschungsinstituts für Berufs-bildung im Handwerk an der Universität zu Köln unterdem Titel „Entwicklung und Erprobung eines Methoden-konzepts ‚auftragsorientiertes Lernen im Handwerk‘ – För-derung beruflicher Handlungskompetenz über das Lernenam Arbeitsplatz“ wurden die Grundlagen für eine berufs-pädagogische Strategie zur Weiterentwicklung dieser hand-werksspezifischen arbeitsintegrierten Lernform gelegt(Stratenwerth 1991).Als strategische Elemente des auftragsorientierten Lernensim Handwerk (AliH – Konzept) skizziert Stratenwerth:

1. die ZuordnungsstrategieMit ihr ist die Zuordnung des Lehrlings zu authentischenArbeitsaufgaben aus dem Spektrum der vom Betrieb zu er-ledigenden Kundenaufträge gemeint.

2. die MitwirkungsstrategieSie zielt auf die zunehmende selbstständige und ganzheit-liche Mitwirkung der Lehrlinge bei wiederkehrenden Auf-gabentypen und reicht vom Erkunden über Vor- und Teil-arbeiten bis zur selbstständigen Alleinarbeit des Lehrlingsin der Auftragsdurchführung.

3. die LernunterstützungIm Wesentlichen soll die reale Arbeitssituation nicht durchpädagogische Maßnahmen überformt und verfremdet wer-den (Stratenwerth 1992, S. 64). Beim wiederholten Ar-beitshandeln lernt der Lehrling durch das Vorbild der qua-lifizierten Mitarbeiter (der Gesellen) im Sinne des „Modell-lernens“.

4. Sonderformen betrieblichen Lernens und LehrensDie Lernunterstützungen im unmittelbaren Arbeitsvollzugwerden unterschieden von Sonderformen außerhalb desunmittelbaren Arbeitsvollzuges, wie z.B. dem Lehrge-spräch, der Arbeitsunterweisung und dem Lernauftrag. Füralle Lernunterstützungen und Sonderformen gilt das Prin-zip, sie vor allem dann einzusetzen, wenn die Schwierig-keit der Sache oder das Verhalten des Lehrlings dieses er-forderlich machen.

Unter Lernaufträgen versteht man, dass innerhalb der vomBetrieb abzuarbeitenden Kundenaufträge spezifische Anteilefür den Lehrling als Lernaufträge identifiziert und von die-sem möglichst selbstständig und ganzheitlich durchgeführtwerden. Während sich Arbeitsaufträge innerhalb diesesLernauftragskonzeptes eher auf die Einübung von schon Er-lerntem im Kundenauftrag beziehen, können Erkundungs-aufträge mit neuen Anforderungen vertraut machen.

Eine betriebs- und lernorganisatorische Sonderform desLernauftrages findet sich im Konzept der Lehrlingsbau-stelle. Hierbei werden geeignete Kundenaufträge aus demnormalen betriebliche Auftragsmanagement ausgegliedert

und mit veränderten Konditionen für die Kunden durchLehrlingsteams mit speziell ausgebildeten Lehrgesellen alsAuftragsprojekt bearbeitet, so dass sich die Authentizitätdes Lernens im Auftrag mit der simulativen ganzheitlichenProjektstruktur vermischt (Hahne 2000, S. 38f.) (Abb. 1).

Eine mediendidaktische Weiterentwicklung des Lernauf-tragskonzeptes findet sich in dem Konzept „Ausbilden mitAuftragstypen“. Bei dieser Weiterentwicklung des in der in-dustriellen Ausbildung entstandenen Leittext-Konzeptessteht die Kooperation aller Lernorte im Vordergrund. Ent-sprechend enthält ein Auftragstypenhandbuch farblich un-terschiedlich gekennzeichnete Teile für die Bearbeitung anunterschiedlichen Lernorten (vgl. Jenewein 1999, S. 19f.).

Zeitlich parallel, aber unabhängig von dem Kölner For-schungsprojekt wurden im Bundesinstitut für Berufsbil-dung (BIBB) für das Handwerk seit 1987 auftragsorientierteLeittexte entwickelt, weil sich die einfache Übertragunglehrgangsstrukturierter Medien für die betriebliche Ausbil-dung nicht bewährt hatte (vgl. Hahne 1991). In diesen Me-dien wurden exemplarische Auftragstypen eines Gewerksund die wesentlichen handwerklichen Auftragssituationenaus der Praxis mit Leitfragen und Lerninformationen ver-bunden. Sie enthalten auch Manuals und Checklisten „alsHosentaschenmedien“ zur Planung und Durchführung desAuftrages beim Kunden und auf der Baustelle. Bei der Er-probung des Ausbildungsmittels „Bodenbelagarbeiten“(vgl. Rosenbaum u.a. 1991) nutzten die Betriebsinhaber dererprobenden Betriebe dieses Auftragstypenkonzept zurRationalisierung des betrieblichen Auftragsmanagements.Die Gesellen und Lehrlinge erschienen gut vorbereitet undkomplett ausgestattet auf den Baustellen und beim Kun-den und die Reklamationen gingen zurück. So zeigte sich,dass eine ursprünglich rein berufspädagogisch gemeinteInnovation auch arbeitsorganisatorische Wirkungen mitsich bringen kann.

Abbildung 1 Grundformen didaktischer Ansätze in der Aus- und Weiterbildung

BWP 5/2000 33

zunehmende Arbeitsorientierung

Herstellung kleiner Produkte (mit

Gebrauchswert)

komplexe Produkte alsAnsatz zu Projekten

Auftragsprojekte

Lehrgangsorientierung

Produktorientierung

Projektorientierung

Auftragsorientierung

Probleme des Ausbildungs-verständnisses im Handwerk

Das vorherrschende Ausbildungsverständnis in der be-trieblichen Ausbildung des Handwerks lässt sich kenn-zeichnen als funktional im Gegensatz zum intentionalenAusbildungsverständnis an betrieblichen und überbetrieb-lichen Lehrwerkstätten und in den Berufsschulen. Danachmeint funktionales Verständnis, dass die Lern- und Ver-mittlungsprozesse der auftragsorientierten Ausbildung eherals beiläufiger Effekt auftreten. Bei einem intentionalenVerständnis der Ausbildung werden sie bewusst herbeige-führt und unter dem Aspekt der Optimierung ausgestaltet.Das funktionale Verständnis der Ausbildung erklärt auch,warum strukturierende und die Mitarbeit im Kundenauf-trag in ihren Lerneffekten intensivierende Medien und Me-

thoden (etwa in der Form von Leittexten) nicht angenom-men werden (Meerten 1996, S. 574).In einer empirischen Untersuchung des BIBB zur Ausbil-dungsqualität im Handwerk heißt es bezeichnenderweise:„Zahlreiche Handwerksmeister glauben offensichtlich im-mer noch, dass sich das Lernen am Arbeitsplatz automa-tisch vollzieht. Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass dieeinzelnen Arbeiten einen sehr unterschiedlichen Lehrge-halt haben, aufeinander aufbauen und jeweils durch theo-retische Unterweisungen ergänzt und vermittelt werdenmüssen, haben noch keine genügende Verbreitung gefun-den.“ (Damm-Rüger u.a. 1988, S. 120). Gerade die Arbeits-organisation traditioneller Handwerksbetriebe mit ihrenhäufig improvisierten Arbeitsabläufen wird von Hand-werksforschern als „funktionierendes Chaos“ beschrieben(Brüggemann, Riehle 1995, S. 61 ff.), so dass von einerplanmäßig gestuften Erweiterung der Lernförderlichkeit derMitarbeit kaum ausgegangen werden kann. Der Lehrlingwird meist eingesetzt, „wo es brennt“. In den meisten For-men des auftragsorientierten Lernens ist der faktische Aus-bilder nicht der Meister, sondern der Geselle, der jedoch imUnterschied zum Meister über keine berufspädagogischeQualifizierung verfügt. Hinzu kommt, dass in den meistenHandwerksbetrieben kein betrieblicher Ausbildungsplanentwickelt wird.

Die klassische Strategie zur Kompensation möglicher Män-gel der betrieblichen Ausbildung des Handwerks war dieüberbetriebliche Lehrgangsunterweisung. Sie sollte Ergän-zungsfunktionen zur Erfüllung der Anforderungen derAusbildungsordnung bei Betrieben mit spezialisierter Pro-duktions- und Dienstleistungsstruktur leisten, betrieblichindividuelle und regionale Unterschiede in der Ausbil-dungsqualität ausgleichen, die Grundbildung verbreiternund die Fachbildung vertiefen sowie die von den Betrie-ben nicht zu leistende Anpassung an neue Technologienunterstützten (vgl. Autsch 1999, S. 345f.). Diese Unterwei-sungsform kann jedoch die Mängel, die aus dem funktio-nalen Ausbildungsverständnis herrühren, nicht kompen-sieren.

Es hängt somit mit dem funktionalen Verständnis der Lehr-lingsausbildung im Handwerk zusammen, dass das auf-tragsorientierte Lernen als eigenständige arbeitsintegrierteund ganzheitliche Lernform von den Gesellen, aber auchvon vielen Meistern nicht erfasst und umgesetzt wird. Diesgilt besonders für die Ganzheitlichkeit des Kundenauftragesmit seinen Phasen Akquisition, Planung, Durchführung,Inbetriebnahme/Übergabe und Auswertung, die in ihremLernpotenzial nicht genügend genutzt wird. Befragungenin Handwerksbetrieben zur tatsächlichen Beteiligung vonAuszubildenden und Gesellen in den Phasen des Kunden-auftrages (am Beispiel des Sanitär-, Heizungs- und Klima-handwerks) ergaben, dass bisher Lehrlinge in Akquisition,Planung und Auswertung gar nicht und nur teilweise in

34 BWP 5/2000

Abbildung 2 Der Kundenauftrag als vollständige Handlung

Abbildung 3 Einbezug der Mitarbeiter in den Auftragsablauf

= vollständig= teilweise

Bürokräfte Meister Geselle Auszubildende

Auftragsakquisition

Auftragsplanung

Auftragsdurchführung

Auftragsauswertung

F A C H B E I T R A G

Auftragsakquisition

Auftragsplanung

Auftragsdurchführung

InbetriebnahmeÜbergabe

Auftragsauswertung

Entscheiden

Planen

Ausführen

Kontrolle

Bewerten

Informieren

die Durchführung einbezogen wurden (vgl. Eheim u. a.1997, S. 133 ff.). Selbst die Gesellen werden nur an derDurchführung vollständig beteiligt und an der Planungteilweise. Akquisition und Auswertung sind bisher fastausschließlich Sache von Meistern und Bürokräften (vgl.Abbildungen 2 und 3).

Ein entscheidendes Problem des funktionalen Ausbil-dungsverständnisses liegt darin, dass die auftragsorien-tierte Ausbildung auch dann noch in traditioneller Weisebetrieben wird („Beistelllehre“), wenn die Veränderungenin der Arbeitsorganisation und eine stärkere Kunden- undDienstleistungsorientierung der Handwerksarbeit eine vielweiter gehende Nutzung ihrer Potenziale erforderlich ma-chen. Eine empirische Untersuchung zum Ausmaß derDienstleistungstätigkeit im produzierenden Handwerk er-gab: Je erfolgreicher und größer ein Betrieb im Handwerkist, je jünger der Meister ist und je intensiver die Weiter-bildung der Mitarbeiter der Betriebe betrieben wird, destogrößer wird auch die Dienstleistungsintensität des betrieb-lichen Handlungsfeldes eingeschätzt (vgl. Kau, Fehér 1998,S. 6ff.). Wenn Lehrlinge nicht in allen Phasen des Kunden-auftrages beteiligt werden, können sie den richtigen Um-gang mit dem Kunden und die Dienstleistungsorientierungnicht lernen.

Auch angesichts neuer technologischer Innovationen siehtsich das traditionelle auftragsorientierte Lernen, welchesseine Stärken bisher eher in der Vermittlung traditionellerArbeitstechniken und -tugenden hatte, überfordert, die ge-forderten Qualifikationen zur Beherrschung der Beratungs-,Installations-, Inbetriebnahme-, Wartungs- und Störfallbe-hebungskompetenzen bei komplexen innovativen Techno-logien zu vermitteln, weil diese beim bloßen Lernen durchNachvollzug in der kognitiven Funktion einer „Blackbox“bleiben.

Zwei Strategien zur Freisetzung derPotenziale des auftragsorientiertenLernens?

Nach Stratenwerth sind letztlich Lernaufträge und darineingeschlossen Auftragstypen, auftragsbezogene Medienund Lehrlingsbaustellenkonzepte als Ausnahmen gegenü-ber dem von ihm vertretenen „didaktischen Regulations-prinzip der auftragsorientierten Lernorganisation“ einzu-schätzen. Stratenwerth bleibt bei der Auffassung, dass auf-tragsorientierte Lernprojekte einen Versuch darstellen, diein schulischen oder schulähnlichen Lernbereichen entstan-denen „konstruierten Lernwelten“ auf das Handwerk zuübertragen. Eine solche Strategie birgt nach seiner Ansichtdie Gefahr in sich, dass die Verbesserung der „im didakti-schen Zentrum der Betriebsausbildung erforderlichen Mo-

dernisierungen" zugunstenvon handwerksfernerenSonderstrategien in denHintergrund gerät (Straten-werth 2000, S. 360 ff.). ZuRecht weist er darauf hin,dass eine „Verschulung" derbetrieblichen Ausbildung

in den kleinen und mittleren Handwerksbetrieben zu Aus-bildungsverzicht und damit zu einer „Erosion des dualenSystems“ führen könnte (ders. 1991, S. 10).

Es ist auch zuzustimmen, dass die „volle und effektiveAusschöpfung des Potenzials an Mitwirkungsformen undLernunterstützungen“ in diesem Konzept der auftragsori-entierten Lernorganisation „in erster Linie eine Frage derberufs- und arbeitspädagogischen Kompetenz des einzel-nen Ausbilders (ist)“ (Stratenwerth 1991 Bd 1, S. 60). Zuwenig wird m. E. aber gesehen, dass die zu seinem Ansatzerforderlichen berufspädagogischen Kompetenzen der Aus-bilder gezielt vermittelt werden müssen. Die gezielte Ver-mittlung der vier Strategien didaktisch regulierten Mitwir-kens an realen Arbeitsaufträgen (vgl. Konzept des auf-tragsorientierten Lernens – AliH-Konzept) können die Ba-sis einer reformierten Meisterausbildung (vgl. zur Umset-zung z.B. Kremer 95) und einer Fortbildung von Gesellenzu Lehrgesellen darstellen. Diese Vermittlung muss jedochverknüpft werden mit neueren berufspädagogischen An-sätzen zum Lernen durch Handlungsregulation, zum Aus-bilden mit Lernaufträgen (vgl. Koch 1999) und einer ganz-heitlicheren Beteiligung der Gesellen und Lehrlinge in allenPhasen eines Kundenauftrages.

Mediale und multimediale Hilfen in Form auftragsorien-tierter Leitfäden, Auftragstypen-Handbücher oder exem-plarischer Arbeits- und Lernaufgaben sind sowohl für dieberufspädagogische Fortbildung als auch für den gezieltenEinsatz in der Ausbildung wichtige Mittel, um die Lernpo-tenziale freizulegen. Sie veranschaulichen für Lehrendeund Lernende authentische Auftragssituationen und helfenin der handlungsorientierten Erarbeitung auch, diese kom-munizierbar und gestaltbar zu machen. Die Medien sollenim auftragsorientierten Lernen des Handwerks natürlichnicht durchgängig, sondern nur zu bestimmten Zeitab-schnitten der Ausbildung und bei dazu passenden realenKundenaufträgen eingesetzt werden. Allenfalls kurze „Ho-sentaschen-Medien“ für das Planen, Durchführen und Be-werten von Kundenaufträgen, die beim Kunden und aufder Baustelle genutzt werden, könnten ein genereller Be-standteil der auftragsorientierten Ausbildung werden unddas ungeliebte Berichtsheft als Ausbildungsnachweis ablö-sen.

BWP 5/2000 35

Berufspädago-

gische Kompe-

tenzen gezielt

vermitteln

Ausblick

Die im Handwerk bereits vorhandenen originären Ansätzezur Stützung und Ergänzung des auftragsorientierten Ler-nens müssen im Sinne einer behutsamen Strategie der Ent-wicklung und Verbreitung von Ausbildungskultur syste-matisiert und als offenes Regelwerk der auftragsorientier-ten Ausbildung des Handwerks vermittelt werden. Straten-werths Ansatz zur Weiterentwicklung der auftragsorien-tierten Ausbildung im AliH-Konzept stellt hierfür eine guteBasis dar. Zusätzlich müssen jedoch die mediendidaktischund berufspädagogisch begründeten Entwicklungen zurFreisetzung der Lernhaltigkeit des Mitwirkens der Lehrlingean Kundenaufträgen ebenfalls genutzt und im Handwerkverbreitet werden. Sie stellen keine handwerksfremde si-mulative Verfremdung dar, solange sie aus der empirischenund didaktischen Analyse der authentischen Auftragsab-wicklung im Handwerk und dem Interesse an der Freiset-zung der ihr inhärenten Lernchancen entstehen.

Die Ausrichtung der Berufs-schule an Lernfeldern wirdm. E. bei der Flankierungdes auftragsorientierten Ler-nens im Handwerk nochwichtige, das Lernen imAuftrag fördernde Beiträgeliefern können. Die Ent-

wicklung lernortübergreifender auftragsorientierter Medienund die berufspädagogische Schulung von Gesellen undMeistern zum ganzheitlichen auftragsorientierten Lernenwird notwendig sein, um das auftragsorientierte Lernen anallen Lernorten zu stärken und zukunftsfähig zu machen.Von zentraler Bedeutung wird es aber sein, alle bisherigenErkenntnisse, Medien und Strategien zur Freisetzung derLernpotenziale des auftragsorientierten Lernens im Hand-werk in multimedialer Form zusammenzufassen und „off-line“ (CD ROM oder DVD) oder „online“ als netzbasierte„Plattform“ für alle Multiplikatoren im Handwerk zur Ver-fügung zu stellen. Das BIBB, der Westdeutsche Hand-werkskammertag, der schon ein virtuelles Zentrum für Do-zenten in der Meisterausbildung entwickelt, und die Zen-tralstelle für Weiterbildung im Handwerk sollten hier ko-operieren, um so eine nachhaltige Verbesserung der Aus-bildungsqualität im Handwerk zu erreichen.

36 BWP 5/2000

Literatur

AUTSCH, B.: ÜberbetrieblicheBerufsbildungsstätten unter demBlickwinkel ihrer lernortkooperati-ven Situation. In: PÄTZOLD, G.;WALDEN G. (Hrsg.): Lernortkoope-ration – Stand und Perspektiven.BIBB (Hrsg.), Bielefeld 1999,S. 341–374BRÜGGEMANN, B.; RIEHLE, R.:Umweltschutz durch Handwerk?Frankfurt/New York 1995DAMM-RÜGER, S.; DEGEN, U.;GRÜNEWALD U.: Zur Struktur derBetrieblichen Ausbildungsgestal-tung. BIBB (Hrsg.), Berlin undBonn 1988EHEIM, H.-D.; u. a.: Gestaltungs-und Lernchancen in Kundenaufträ-gen. BIBB (Hrsg.), Bielefeld 1997HAHNE, K.: Probleme und Per-spektiven der Medienentwicklungfür die Ausbildung im Handwerk.In: BWP 20 (1991) 6, S. 31–37HAHNE, K.: Was bedeuten Kun-den- und Dienstleistungsorientie-rung für die Weiterentwicklung desauftragsorientierten Lernens imHandwerk. In: BLOY, W.; HAHNE,

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tenhandbuch für Teil IV der Meis-terprüfung. Düsseldorf 1995MEERTEN, E.: AuftragsbezogeneLeittexte und Lernkonzepte imHandwerk. In: BIBB (Hrsg.):Berufliche Bildung – Kontinuitätund Innovation. Dokumentationdes 3. BIBB-Fachkongresses 1996in Berlin, Band 2, Bielefeld o. J.,S. 574–576ROSENBAUM, E.; HAHNE, K.;FÖRSTER, E.: Bodenbelagarbeiten.Auftragsbezogene Leittexte undArbeitsaufgaben für alle mitBodenbelagarbeiten befassten Berufe, BIBB (Hrsg.), Berlin 1991STRATENWERTH, W. (Hrsg.): Auf-tragsorientiertes Lernen im Hand-werk. Berufsbildung im Handwerk.Band I: Methodenkonzept (ReiheA, Heft 62) DHI, Köln 1991 undBand II. DIES.: Basismaterialien(Reihe A, Heft 63) DHI, Köln 1991 STRATENWERTH, W.: Leitgedan-ken zur auftragsorientierten Lern-organisation in Ausbildungsbetrie-ben des Handwerks. In: ALBERT,K. u. a. (Hrsg.): Auftragsorientier-

tes Lernen im Handwerk – Vorstel-lungen, Konzepte, Praxisbeispiele.BIBB (Hrsg.) Berlin 1992, S.51–80 STRATENWERTH, W.: Auftragso-rientiertes Lernen als konzeptio-nelle Leitidee für die Berufsausbil-dung in Handwerksbetrieben. In:METZGER, CHR.; SEITZ, H.;EBERLE, F. (Hrsg.): Impulse fürdie Wirtschaftspädagogik. Fest-schrift, Zürich 2000, S. 345–365

Online- und

Offline-

qualifizierung

ist notwendig

F A C H B E I T R A G

Aus Modellversuchen

Prozess- und Organisations-management in der Ausbildung

MARGIT FRACKMANN, WILFRID LAMMERS

E Unter dem Arbeitstitel „Prozess- und Orga-

nisationsmanagement“ ist ein neuer Modell-

versuch am 1. 4. 1999 gestartet. Modellver-

suchsträger ist die Siemens Berufsausbildung

am Standort Berlin, die wissenschaftliche

Begleitung wurde vom Institut für Berufs-

pädagogik der Universität Hannover über-

nommen. Modellversuchspartner sind mehre-

re kleinere Betriebe aus der Elektrobranche

und dem Bereich der Veranstaltungstechnik.

Zielgruppe des Modellversuchs sind Auszubildende derAusbildungsberufe Mechatroniker/-in, Fachkraft für Ver-anstaltungstechnik, IT-System-Elektroniker/-in, Industrie-elektroniker/-in, Industriemechaniker/-in, Zerspanungs-techniker/-in, Industriekaufmann/-frau.Vor allem in den oben genannten neu geordneten Ausbil-dungsberufen ist der Veränderung in der betrieblichen Or-ganisation in Richtung Geschäftsprozessorientierung Rech-nung getragen worden.Die Diskussion darüber, über welche Fähigkeiten eine Mit-arbeiterin/ein Mitarbeiter verfügen muss, um einerseitsProzesse zu analysieren, zu beurteilen und andererseitsauch aktiv Prozesse zu steuern und zu managen, führte imModellversuchsteam zu folgendem Ergebnis:

Sie/Er muss• fachliche und soziale Abläufe erkennen und steuern

können• über ein vernetztes Denken im Zusammenhang mit der

Prozesslandschaft verfügen• die Notwendigkeit einer funktionsübergreifenden Zu-

sammenarbeit erkennen und Entscheidungen treffenkönnen

• Regeln für die Zusammenarbeit vereinbaren, effektivesFeedback geben und danach handeln können

• eine Ergebnisorientierung am Gesamtziel haben und einekonstruktive Konfliktbearbeitung (im Team) leisten

• sie/er sollte bei sich selbst und anderen visionäres Den-ken zulassen.

Dieses Anforderungsprofil ist in Modellversuchsziele um-gesetzt worden, die bei der Entwicklung von Ausbildungs-modulen in ein transferfähiges didaktisches Konzept ein-münden sollen:• Von Beginn an soll im Mittelpunkt der Ausbildung

systemisches Denken stehen und das bereichsspezifischeWissen für die Auszubildenden erkennbar im Zusam-menhang mit dem Gesamtsystem einzuordnen sein.

• Die Vermittlung und Aneignung fachspezifischen Wis-sens soll in Verknüpfung mit einer an den zukünftigenArbeitsplätzen abgeforderten Handlungslogik erfolgen.

• Auszubildende sollen über ihre eigenen Verhaltenswei-sen reflektieren und die Folgewirkung von „mental mo-dels“ auf Prozessabläufe und -ergebnisse erkennen.

• Teamarbeit (vor allem Förderung sozialen Verhaltens inBezug auf eine „lernende Organisation“) wird bevorzugteingesetzt.

Insgesamt ist im Modellversuch die Entwicklung von vierModulen geplant, die auf ihre Umsetzbarkeit hin auch inanderen Betrieben überprüft werden sollen:

Modul A Grundlagenvermittlung ProzessmanagementModul B Selbstqualifizierungskonzept für das Ausbil-

dungspersonalModul C Prozessmanagement in einer umfassenden Lern-

ArbeitsaufgabeModul D Prozessmanagement in der betrieblichen Praxis.

Erste Ergebnisse sind unter der Website www.mv-pro.deabrufbar.Vor allem das Modul A steht bereits jetzt als Planspiel (mitAnleitung) anderen Betrieben oder sonstigen Interessiertenfür einen eigenen Einsatz zur Verfügung.In dem Planspiel wird eine tayloristisch organisierte Fabriksimuliert, deren Mitarbeiter gekündigt haben und die nunvon den Auszubildenden übernommen werden soll. DieÜbernahme wird durch bestimmte minimale Anweisungenbegleitet und soll in mehreren Durchgängen zu einer imSinne des „business reengineering“ geführten Fabrikorga-nisation führen. Dabei steht die Aktivität der Spieler (Aus-zubildenden) im Vordergrund.

BWP 5/2000 37

P R A X I S

Die Ziele, die mit diesem Planspiel verfolgt werden, sindfolgende:• Wichtigkeit von Regeln für eine Zusammenarbeit erken-

nen,• Wahrnehmung von Prozessen in ihren fachlichen und

sozialen Abläufen und Blockaden der Prozesse durch„mental models“

• Notwendigkeit einer funktionsübergreifenden Zusam-menarbeit erleben

• Stellenwert des Gesamtergebnisses und der Teilergeb-nisse für den Erfolg erkennen

• Analyse- und Messinstrumentarien für Prozesse alsWerkzeuge vermitteln

• vernetztes Denken (in genetischer Vorform) praktizieren.

Grundgedanke ist, dass bei richtiger pädagogischer Aufbe-reitung und Begleitung dieses Planspiels viele Vorausset-zungen für das erfolgreiche Management von Prozessenhier im Kern erarbeitet und in einer ersten Umsetzung vonden Auszubildenden selbstständig erprobt werden können.

Auch weitere Ergebnisse des Modellversuchs sowie alleVeröffentlichungen werden unter der oben genanntenAdresse fortlaufend abrufbar sein.

Selbstlernen am (virtuellen) Kunden-auftrag – gewerkeübergreifendeberufliche Bildung im Handwerkdurch Multimedia stützen

MICHAEL SANDER, JÖRG VEIT

E Zu diesem Thema startete Anfang 1999 im

Elektro-Technologie-Zentrum (etz) in Stuttgart

ein Modellversuch. Inzwischen wurde daraus

ein „Zwillingsmodellversuch“, dessen wissen-

schaftliche Begleitung an der Universität Bre-

men erfolgt.

Innovationen in Technik und Arbeit, eine Verschärfung ge-setzlicher Umweltverordnungen, neue Formen der Betriebs-und Arbeitsorganisation, veränderte Kundenwünsche so-wie Novellierungen der Handwerksordnungen führen ge-genwärtig zu einem grundlegenden Wandel der gebäude-technischen Branchen. Vor dem Hintergrund einer zuneh-menden systemübergreifenden und ökologischen Sicht-weise des Bauens ist davon auszugehen, dass die traditio-nellen Gewerke der Sanitär-, Heizungs- und Klima- sowieder Elektrotechnik im Rahmen von Kundenaufträgen

38 BWP 5/2000

P R A X I S

Bestellungen sind zu richten anW. Bertelsmann Verlag,PF 10 06 33, 33506 Bielefeld,Telefon: 05 21- 911 01 - 11Telefax: 05 21- 911 01 - 19E-mail: [email protected]

Mit Bildungscontrollingdie Weiterbildungverbessern

Bildungscontrolling – ein Konzept zur Optimierungder betrieblichenWeiterbildungsarbeit

Hrsg.: Elisabeth M. Krekel,Beate Seusing

Unternehmen setzen zunehmend Bildungs-controlling als ein Instrument zur Planungund Steuerung betrieblicher Bildungspro-zesse ein.Die Beiträge zeigen, wie Unternehmen ihreQualifizierungsbedarfe rechtzeitig erken-nen und ihre Belegschaft auf die notwen-digen Anforderungen vorbereiten können.Des Weiteren werden Möglichkeiten derErfassung und Bewertung des Nutzensberuflicher Bildung thematisiert.

BIBB 1999, ISBN 3–7639–0887–0,112 Seiten, Preis 24,– DM

Bedarfsanalyse, Nutzen-bewertung und Bench-marking –Zentrale Elemente desBildungscontrollings

Hrsg.: Christina Bötel,Elisabeth M. Krekel

Im Vordergrund des betrieblichen Bil-dungscontrollings steht die Verzahnungvon Bildungs- und Produktionsabläufensowie die Darstellung des Bildungserfolgesin Bezug auf die Unternehmensentwick-lung. Es werden drei zentrale Elementedes Bildungscontrollings aufgegriffen: dieBedarfsanalyse, die den Ausgangspunktdes Controllingprozesses bildet, die Nut-zenbewertung, mit deren Hilfe Betriebeversuchen, den Beitrag der betrieblichenBildung am Unternehmenserfolg nachzu-weisen, und das Benchmarking, das als einweiteres modernes Managementinstru-ment mehr und mehr auch in Bildungsbe-reiche eindringt.

BIBB 2000, ISBN 3–7639–0911–7,182 Seiten, Preis 24,– DM

Elis

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Bundesinstitut für Berufsbildung

Bildungscontrolling – ein Konzept zur Optimierung derbetrieblichen Weiterbildung

Berichte zur beruflichen Bildung2 3 3

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g.)

Bundesinstitut für Berufsbildung

Bedarfsanalyse, Nutzungsbewertung und Benchmarking– Zentrale Elemente desBildungscontrollings

Berichte zur beruflichen Bildung2 4 0

zukünftig verstärkt mit gewerkeübergreifenden Tätigkeitenkonfrontiert werden. Hieraus ergeben sich teilweise voll-kommen neue Anforderungen an die Mitarbeiter. Die vor-handenen Kompetenzprofile scheinen dabei jedoch nichtin ausreichendem Maße auf diese neuen Aufgabenfelderzugeschnitten: Weder verfügen Elektriker über ein not-wendiges versorgungstechnisches (Basis-)Wissen und (Ba-sis-)Können, noch weisen Sanitär- und Heizungsinstalla-teure grundlegendes elektrotechnisches Know-how auf, umgewerkeübergreifende Kundenaufträge fach-, sach- undkundengerecht abwickeln zu können. Darüber hinaus be-stehen in beiden Gewerken Defizite in der Bearbeitungganzheitlicher Aufgabenstellungen aus der betrieblichenPraxis.1

Vor diesem Hintergrund ist der Wirtschaftsmodellversuch„Selbstlernen am Kundenauftrag – GewerkeübergreifendeZusatzqualifikationen für die Aus-, Fort- und Weiterbil-dung im SHK- und Elektrohandwerk“ (SLK) darauf ausge-richtet, eine Effektivierung der beruflichen, insbesondereder (über)betrieblichen (Aus)Bildung, zu erreichen.

Die am Anfang nur in Ansätzen beteiligten berufsbilden-den Schulen beider Gewerke besitzen mittlerweile durchdie Bewilligung eines schulischen BLK-Modellversuchs ei-nen organisatorischen und inhaltlichen Rahmen zur inten-siven Beteiligung mit dem Schwerpunkt „Lernortkoopera-tion“.2 Der „Zwillingsmodellversuch“3 wird von der For-schungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung (FPB) der Univer-sität Bremen wissenschaftlich betreut. Dabei werden die bis-her in Wirtschafts- und BLK-Modellversuchen gewonnenenErgebnisse und Erkenntnisse zur Innovation der beruflichenBildung im Handwerk weitergeführt sowie eine kontinuier-liche berufspädagogische Reflexion sichergestellt.

Ausgehend von der ganzheitlichen Betrachtung typischerKundenaufträge mit gewerkeübergreifenden Inhalten sol-len in der vierjährigen Laufzeit Bildungsmodule u. a. inForm von Selbstlernmedien erstellt werden, die es Auszu-bildenden und Gesellen ermöglichen, gewerkeübergrei-fende Kundenaufträge von der Auftragsanalyse bis zurAuftragsauswertung erfolgreich zu gestalten. Die zur Be-arbeitung anstehenden Kundenaufträge wurden von einerExpertenkommission ausgewählt, die mit Fachleuten ausBetrieben, Innungen, Zentralverbänden, Berufsschulen etc.beider Gewerke besetzt ist.

Die Darstellung von Lernmodulen orientiert sich an demKonzept „Lernen am Kundenauftrag“, das im Rahmen einesvorlaufenden Wirtschaftsmodellversuches entwickelt wur-de.4 Dieses methodisch-didaktische Rahmenkonzept impli-ziert die Strukturierung der Bildungsmodule nach denAspekten der Auftragsdimension, der fachlichen Dimensionsowie nach der gewerkeübergreifenden Dimension: Wäh-rend die auftragsorientierte Dimension den Kundenauftrag

in seiner Gesamtheit, unterEinschluss überfachlicher Ele-mente wie z.B. Kundenbera-tung und Kalkulation, abbildet,zielt die fachliche Dimensionauf die technischen Inhaltedes Kundenauftrags des jewei-ligen Gewerkes ab. Die gewer-keübergreifende Dimensionwidmet sich der Kennzeich-nung der Schnittstellen zwi-schen den Gewerken. Hier sollverdeutlicht werden, was anWissen, Kenntnissen und Fer-tigkeiten des anderen Gewerkserforderlich ist, um ein Gelin-gen gebäudetechnischer Ge-samtlösungen zu ermöglichen.

Die Ausgestaltung der Bil-dungsmodule impliziert die Darstellung und Beschreibungvon Zusatzqualifikationen, die zum einen im Rahmen derErstausbildung und zum anderen in der Fort- und Weiter-bildung angeboten werden sollen. Für die Erstausbildungsind hieraus sog. Basisqualifikationen abzuleiten, die füreine zukünftige Arbeit im SHK- und Elektrohandwerk alsunabdingbar anzusehen sind.

Die in der Laufzeit des BIBB-Modellversuchs angestrebtenProdukte werden auf der Basis offener multimedialer Lern-module entwickelt und erprobt. Hierzu wurde ein erster Pro-totyp am Beispiel des Kundenauftrags „Erweiterung haus-technischer Anlagen“ erstellt, der den Lernenden und Leh-renden auf einer Internetplattform, dem sog. „Virtuellen-Trainings-Center“ (VTC), zur Verfügung steht. Die im VTCangelegte Struktur spiegelt den Kundenauftrag in seinerGanzheitlichkeit wider und ist mit Hilfestellungen und Fea-tures zur Stützung und Förderung selbstorganisierter Lern-prozesse versehen. Der virtuelle Kundenauftrag wird dabeinicht nur als Selbstlernmedium gesehen, sondern ist Be-standteil einer vor dem Hintergrund der Auftragsorientie-rung neu gestalteten überbetrieblichen Ausbildungswoche.

Die bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse im Einsatzmultimedial gestützter Lern-/ Lehrarrangements deuten da-rauf hin, dass die Ausbildung für Auszubildende und Aus-bilder motivierender und somit effektiver gestaltet werdenkann und möglicherweise Hinweise für eine neue Didaktikder überbetrieblichen Ausbildung bereithält.

Über erste Ergebnisse des Modellversuchs wird im Heft1/2001 (Thema: Modellversuche) berichtet. Interessentenkönnen sich darüber hinaus auf der Homepage des etz un-ter: www.etz-stuttgart.de sowie der FPB unter: www.fpb.uni-bremen.de informieren.

BWP 5/2000 39

Anmerkungen

1 Vgl. Eheim, H.-D. u. a.: Gestaltungs- undLernchancen in Kundenaufträgen – Ergeb-nisse aus einer Untersuchung in Betriebendes Sanitär-, Heizungs- und Klimahand-werks, Bielefeld 1997

2 BLK-Modellversuch „GewerkeübergreifendeKundenaufträge als Gegenstand der Lern-ortkooperation zwischen Berufsschule undüberbetrieblicher Ausbildungsstätte“ (GKL)

3 „Zwillingsmodellversuche“ dienen der För-derung der Zusammenarbeit von Betriebund Schule, wobei aufgrund der unter-schiedlichen Zuständigkeiten Wirtschafts-modellversuche durch den Bund und schu-lische Modellversuche durch die BLK geför-dert werden.

4 Wirtschaftsmodellversuch „Handeln undLernen im Betrieb – Entwicklung undErprobung eines Konzepts betrieblicherBerufsbildung für Klein- und Mittelbetriebedes Sanitär-, Heizungs- und Klimahand-werks“, Bremen 1995–1998

E Seit Anfang 2000 gibt es zwischen den Ver-

einigten Staaten von Amerika und der Bun-

desrepublik Deutschland eine Kooperations-

vereinbarung zur beruflichen Bildung. Auf

Regierungsebene wurde jetzt u. a. vereinbart,

den transatlantischen Wissensaustausch in der

beruflichen Bildung auf die konkrete Arbeits-

ebene von Gemeinschaftsprojekten auszudeh-

nen. Den Einstieg in die vereinbarte Koopera-

tion bildet das BIBB-Forschungsprojekt: „Nut-

zungskonzepte für den bilateralen Wis-

senstransfer in der beruflichen Bildung zwi-

schen den USA und der Bundesrepublik

Deutschland am Beispiel ausgewählter Quali-

fikationsbereiche“. Im Folgenden werden –

ausgehend von einigen theoretischen Positio-

nen zum Thema „Wissenstransfer“ – die

gegenwärtige Situation der Berufsausbildung

in den USA charakterisiert und das geplante

Projekt vorgestellt.

Internationaler Wissenstransfer mitden USA

Wie aus dem Projekttitel erkennbar, sollen am Beispiel„ausgewählter Qualifikationsbereiche“ Konzepte für denWissenstransfer zur beruflichen Bildung zwischen den USAund der Bundesrepublik entwickelt werden. Transatlanti-scher Wissenstransfer existiert bereits in vielfältiger Weise.Dazu gehört der Austausch von Schülerinnen und Schülernebenso wie der studentische Austausch oder der Austauschvon Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zwischenden beiden Ländern.1 Darüber hinaus fördern Institutionenund Organisationen, wie z.B. der German Marshall Fundof the USA oder die Fulbright Stiftung den intellektuellenund praktischen Austausch von Nachwuchs- und Fach-kräften aus unterschiedlichen professionellen Wissens- undPraxisbereichen. Auch durch die Globalisierung von Un-ternehmen und Märkten entscheiden sich immer mehr Fir-men zum Wissenstransfer, indem sie ihren Beschäftigtenund Führungskräften entsprechende Fortbildung zum in-terkulturellen Verständnis und zur Auseinandersetzung mitneuen Formen der Gewinnung und Verarbeitung von Wis-sen anbieten.2

Die aktuelle Haltung zum internationalen Wissenstransferin der beruflichen Bildung ist in der Bundesrepublik zwie-spältig. Noch im Berufsbildungsbericht 1999 steht, dass esgilt, „unseren internationalen Partnern die wesentlichenPrinzipien und Stärken einer wirtschaftsnahen und zu-gleich persönlichkeitsfördernden Berufsausbildung zu ver-deutlichen und nachzuweisen, wie mit unseren Konzeptendie Zusammenarbeit der Sozialpartner erfolgreich gestal-tet, die Abstimmung von Qualifikationsbedarf und -ange-bot erreicht sowie Modernisierung und Flexibilität berufli-cher Bildung gesichert werden können.“3 Diese Einstellungexistiert erst recht gegenüber Osteuropa und darüber hin-aus, bei der die Bundesrepublik die Funktion übernahm,zwar eigenes Wissen mit dem Ziel zu vermitteln, „dieseStaaten bei der Reform ihrer Berufsbildungssysteme zu un-

40 BWP 5/2000

HELGA FOSTER

Dr. phil., wiss. Mitarbeiterin im Arbeitsbereich

„Mittel- und Osteuropa, außereuropäische

Länder, Vergleiche, Unterstützung“ im BIBB

I N T E R N A T I O N A L

Wissenstransfer undtransatlantische Zusammenarbeitin der beruflichen BildungBIBB entwickelt Projekte zumWissenstransfer mit den USA

terstützen“4, ohne jedoch einen Rücktransfer als Zugewinnfür das duale System zu erwarten. Eine ähnliche Sichtweise herrschte bis vor kurzem auch ge-genüber den USA. Vielleicht entstand der Anschein eineseinseitigen Wissenstransfers zugunsten der USA, weil seitAnfang der neunziger Jahre gleichsam ein Ansturm voninteressierten US-Fachleuten aus Politik, Wissenschaft undPraxis in die Bundesrepublik kamen, hier die einschlägi-gen Institutionen besuchten5 und sich alle verfügbaren In-formationen über das duale System beschafften. Auch wenn im internationalen Vergleich die meisten an-deren Länder, so auch die USA, über kein gesellschaftlichund rechtlich dem dualen System vergleichbares Berufsbil-dungssystem verfügen, so ist die ‚Geberhaltung‘ von deut-scher Seite gegenüber anderen Ländern schon unter Aspek-ten eines für sich berechtigten Vorteilsgewinns durch An-regungen von außen wichtig. Aber auch unter Gesichts-punkten interkultureller Ansprüche, die heute an die Ein-zelnen und an die Gesellschaft zu stellen sind, wäre eineAbschottung unzeitgemäß.6

Dieses Bild hat sich inzwischen vor allem dadurch geän-dert, dass sich das duale System durch verschiedene Ent-wicklungen und zuvor unbekannte Herausforderungen, vorallem durch die hohe Beschleunigung von wirtschaftlichenund technischen Veränderungen, selbst einem Verände-rungsdruck ausgesetzt sieht.7 Außerdem tritt die Entwick-lung nationaler Humanressourcen weltweit in eine neuePhase ein. Davon zeugt u.a. aktuell die beabsichtigte, spe-zielle Art des internationalen Wissenstransfers, nämlichComputerfachleute mittels „Green card“ nach Deutschlandzu holen. Unabhängig von politischen oder gar populisti-schen Argumenten, nimmt niemand an, dass sich das Pro-blem eines qualitativen und quantitativen Mangels an Hu-manressourcen dauerhaft durch internationale Mobilitätvon Fachleuten lösen lässt, vor allem nicht auf der sog.mittleren Qualifikationsebene. Auch die Clinton-Regierunghatte schon Anfang der neunziger Jahre Computerexper-ten aus Asien zur Beschleunigung der Fahrgeschwindigkeitauf dem „Electronic Highway“ angeworben. Diese Art desvor allem in den USA als Einwanderungsland üblichenWissenstransfers wird jedoch die dort insgesamt günstigenArbeitsmarktentwicklungen allein nicht bewirkt haben.Vielmehr dürfte es einer Kombination von Maßnahmen zuverdanken sein, zu denen fraglos die Nutzung von Er-kenntnissen aus dem Ausland gehört, sowie deren prakti-sche Umsetzung auf die eigenen Bedürfnisse.

Berufsbildung in den USA

Es gibt unter den Einschätzungen zur derzeitigen äußerstpositiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in den USA ,insbesondere was deren Dauerhaftigkeit betrifft, vielekritische Stimmen. Der schwierige Umstellungsprozess von

der tayloristischen Indu-striearbeitswelt zu moder-nen Formen von Organisa-tion, Produktion undDienstleistungen ist jedochzügig vorangeschritten.8

Hierbei sind Elemente zuentdecken, die im Kontext

des andauernden wirtschaftlichen Transformationsprozes-ses in der Bundesrepublik für die berufliche Bildung ge-nutzt werden können. Denn eines ist in den USA klar er-kennbar: Es hat eine tiefgreifende Revision der vormaligenAusbildungsverfahren stattgefunden und – ohne dass die-ser Prozess bereits als abgeschlossen betrachtet werdenkönnte – es wurde erfolgreich von außen erworbenes Wis-sen auf die eigenen Bedingungen und Notwendigkeitenübersetzt und angewendet.

Schon bei Antritt seiner ersten Amtszeit im Januar 1992erklärte Präsident Clinton die Ausbildung von Jugend-lichen zu einem Politikschwerpunkt seiner Regierung.9 Un-terstützt wurde er durch Arbeitsminister Reich, der schonals Harvard-Professor zu den Fachleuten gehörte, die seitEnde der achtziger Jahre auf den sich trotz herrschenderJugendarbeitslosigkeit abzeichnenden Mangel an geeigne-ten Arbeitskräften verwiesen hatten und davor warnten,dass die in den USA tradierten Formen von Ausbildungdiesen Mangel nicht auszugleichen vermochten.10 Den Blickauf Japan und Europa gerichtet, wiesen die Analysen die-ser Fachleute eine ganze Reihe von Minuspunkten in Be-zug auf die berufliche Bildung auf:

• kein Engagement seitens der Wirtschaft;• ausschließlich schulische, also betriebsferne Ausbildung

für eine eng begrenzte Auswahl an Berufen; • fachliche Ausbildung überwiegend als kurzzeitiges ‚on

the job training; • qualifizierte Ausbildung erst für eine Altersgruppe, die

mit Ende Zwanzig Zugang zur betrieblichen Weiterbil-dung erhält.

Vor allem wurde der „amerikanische Traum“ vom College-Abschluss in Frage gestellt, weil nur ein Viertel der Schul-abgänger ihn erreichte. Auch die College-Abschlüsse selbstwurden wegen ihrer Distanz zu tatsächlichen Anforderun-gen kritisiert und schließlich fehlte es nicht an Warnungenvor wachsenden sozialen Problemen im Inneren und wirt-schaftlichen Problemen beim internationalen Wettbewerb.Wenn sich Amerika nicht von seinen veralteten Bildungs-ideologien trennen und zukunftsträchtigen Idealen, vor-nehmlich der beruflichen Bildung von Jugendlichen, zu-wenden würde, so die meisten Prognosen, würde Amerikaim Kreise der Industrienationen das Schlusslicht bilden.Relativ schnell, nämlich 1994, reagierte die Clinton Regie-rung mit einem Gesetz, dem School-to Work Opportunities

BWP 5/2000 41

Wissen von

Außen

erfolgreich

angewandt

Act. Hauptanliegen dieses Gesetzes ist es, Jugendlichen denZugang zu einer systematischen, möglichst arbeitsplatz-und betriebsnahen Ausbildung zu ermöglichen. Es konn-ten durch Bundesmittel Betriebe, Colleges und Schulen ge-fördert werden, wenn sie sich am Umsetzungsprozess derbildungspolitischen Vorgaben beteiligten. Die Mittelver-gabe für solche Aktivitäten lief über die einzelnen Staaten,denen die Auswahl von geeigneten Projekten unterstand. 39 der insgesamt 51 Staaten der USA beteiligten sich bis1998 am School-to Work. Aus innenpolitischen Gründen– Mitglieder der Oppositionspartei kritisierten, dass sich dieBundesregierung unzulässig durch dieses Gesetz in einzel-staatliche Angelegenheiten einmischte – wurde das zu-nächst auf vier Jahre angelegte Gesetz zur Ausbildung vonJugendlichen inzwischen durch ein neues, auch die Wei-terbildung einbeziehendes Gesetz abgelöst. Kritiker be-fürchten nun, dass zukünftig zu große Anteile bundes-staatlicher Fördermittel zu Lasten der beruflichen Bildungvon Jugendlichen in die Weiterbildung fließen könntenund dadurch die alten Verhältnisse, nämlich Abbruch derProgramme zur beruflichen Ausbildung von Jugendlichen,wiederhergestellt würden. Ob diese pessimistischen Prog-nosen Wirklichkeit werden, muss jedoch der Frage nach-geordnet werden, wie sich die berufliche Bildung von Ju-gendlichen in den USA nunmehr verankert hat und wel-che Ansatzstellen erkennbar sind, die im Zuge eines Wis-senstransfers auf offene Fragen in Deutschland eine Ant-wort bieten.

Das Projekt „Nutzungskonzepte für den Wissenstransfer....“ befasst sich nicht im ‚klassischen‘ Sinne mit dem Ver-gleich und der Bewertung verschiedener Systeme11. Hier

wird davon ausgegangen, dass es heute gleichsam system-unabhängig sowohl in den USA als auch in Deutschlanddarum geht, die Wirtschaftskraft in Zeiten schneller An-forderungsveränderungen durch geeignete Qualifizierungder Humanressourcen zu sichern. Ob und inwieweit bil-dungskulturelle Traditionen in einem Land durch den Wis-senstransfer mit dem anderen durchbrochen werden, stehtebenso wenig zur Debatte wie die Bewertung einzelner Be-funde oder Vorkommnisse, für die keine erkennbaren Über-tragungschancen bestehen.

Für den schnellen Zugang zum anderen System eignensich besonders gut jene Berufsbereiche, die in beiden Län-dern in Reaktion auf aktuelle Anforderungen entwickeltworden sind und von denen anzunehmen ist, dass sie wirt-schaftliche, organisatorische und technische Innovations-prozesse in die berufliche Bildung aufzunehmen verstehen. Einstweilen wurde festgelegt, den informationstechnischenSektor Berufe aus dem Medienbereich und als EinzelberufMechatroniker/-in einzubeziehen.

Nach dieser Eingrenzung konzentrieren sich die weiterenÜberlegungen auf Fragen, wie man an Informationen überdas tatsächliche Praxisgeschehen der Ausbildung gelangtund wie diese Informationen im Sinne des gewünschtenbinationalen Wissenstransfers mit den USA verwertet wer-den können. Dazu ist ein Methodenmix, bestehend ausLiteratur- und Materialanalysen, aus Feldforschung im je-weils anderen Land, aus Fachkonferenzen und last but notleast der konkreten transatlantischen Zusammenarbeit aneinzelnen Fragestellungen und Projekten geplant. Den Ein-stieg in die gemeinsame inhaltliche Arbeit bieten einzelneThemen, zu denen Ausbildungsmodule unter Nutzung desInternets als Kommunikationsplattform (weiter) entwickeltwerden sollen.

Der beruflichen Bildung vorgelagert, ihre Struktur, Metho-den und Inhalte jedoch nachhaltig beeinflussend, sind dievorfindbaren Ausgangs- und Herkunftsbedingungen derauszubildenden Jugendlichen. Nicht nur die Betriebe undAusbildungsstätten in den USA sind wegen sichtbarerMängel bei der schulischen Allgemeinbildung besorgt.Auch in der Bundesrepublik mehren sich die Klagen übereinschlägige Probleme bei der Vermittlung anspruchsvollerKenntnisse in der beruflichen Bildung. Deshalb wird imProjektzusammenhang auch der Lösung dieser Fragen Be-achtung geschenkt. In den USA arbeiten so bedeutsame In-stitutionen wie die Nationale Akademie der Wissenschaftenund die Nationale Forschungsstiftung daran, der Volksbil-dung im Zeitalter der Informationstechnik angemesseneSubstanz zu verleihen. Wegen des aktuell bestehendenHandlungsbedarfs in der beruflichen Bildung sind Ansätzezur curricularen Integration von beruflichen und allgemei-nen Inhalten modellhaft entwickelt worden und stehen inder Erprobungsphase.12

42 BWP 5/2000

I N T E R N A T I O N A L

Abbildung Strukturmodell zur beruflichen Bildung in den USA

Ministerielle Büros School To Work

Workforce InvestmentBuilding Linkages

Ministerien der einzelnen Staaten

Regionale/Kommunale KonsortienCommunity

Colleges

High Schools

Fachgruppen Private Träger

Chamber ofCommerce

Betriebe

AdvancedTechnicalEducation

NationalerAusschuss fürAusbildungs-

standards

Erste Arbeitsschritte derZusammenarbeit

Von US-amerikanischen Berufsbildungsfachleuten wurdenauf einer transnationalen Konferenz im Januar 2000 dieEckpunkte präsentiert, nach denen die Fachcurricula ge-gliedert und die Ausbildung im IT-Bereich unter diesem In-tegrationsaspekt konzipiert werden soll (vgl. Übersicht). ImRahmen des Forschungsprojektes „Wissenstransfer ...“ wirddas Konzept derzeit analysiert und mit deutschen Berufs-bildern/Ausbildungsordnungen verglichen.

Bei den vorgestellten Vermittlungsschwerpunkten für Aus-bildungsgänge zu IT-Berufen und zu technischen Produk-tionsberufen handelt es sich um eine curriculare Architek-tur, die im Zusammenhang mit staatlich geförderter Be-rufsausbildung im Vermittlungsprozess realisiert und wei-terentwickelt werden soll.

Sie beschreibt nicht nur die zu erwerbenden Schlüsselqua-lifikationen bei der Ausbildung von IT-Berufen, sonderngibt auch den Rahmen für die Entwicklung von Ausbil-dungsplänen vor. Letztere werden wiederum vornehmlichauf die Bedingungen der örtlichen Industrie abgestimmt.Die „Academy of Information Technology“, die in mehre-ren Staaten der USA auf die regionale Wirtschaft maßge-schneiderte Curricula entwickelt, bezieht sich dabei aufverschiedene Quellen, wie z.B. Nationale IT-Standards,Akademische Standards, Standards von SCANS.13

Viele der in den USA bei der beruflichen Bildung dominie-renden Community Colleges, in denen sowohl Teile derfachpraktischen als auch der fachtheoretischen Ausbildungstattfinden und die, soweit sie am Programm von School-to Work oder anderen staatlich geförderten Programmenbeteiligt sind, auch enge Beziehungen zur regionalen Wirt-schaft pflegen, beteiligen sich am „Advanced TechnologicalEducation“ (ATE)-Programm der Nationalen Forschungs-gesellschaft. Dieses Programm beinhaltet die Unterstützungvon curricularen Entwicklungsprozessen für die Fachaus-bildung bei gleichzeitiger Beachtung der o. g. curricularenEckpunkte. Die verschiedenen ATE-Zentren sind einemoder mehreren Entwicklungsbereichen zugeordnet, wie u.a.Berufsbereichen in der Computer- und Informationstech-nik, der Umwelttechnik oder Telekommunikation14.

Auch die Bestrebungen des US-Bildungsministeriums zie-len heute darauf hin, curriculare Verbindungen zwischenallgemeinen und technischen bzw. beruflichen Inhalten zuunterstützen. Im Hintergrund steht dabei die Absicht, wennnicht auf nationaler, so doch auf regionaler Ebene ver-bindliche Profile und Standards zu schaffen. Hier setztauch das ohnehin nicht neue, jedoch erst kürzlich durchdie eingangs erwähnte Kooperationsvereinbarung be-stätigte Interesse des US-Bildungsministers an einer Zu-

sammenarbeit auf konkreter Projektebene mit der Bundes-republik Deutschland an. Um im berufsbildungspolitischenSinne „Ordnung“ in die verschiedenen Ansätze und prakti-schen Aktivitäten in den USA zu bringen, verspricht er sichdurch eine solche Zusammenarbeit die Unterstützung fürseine Ziele, nämlich der beruflichen Bildung in den USAendlich eine erkennbare und von Staat zu Staat übertrag-bare Struktur zu verleihen. Die in den USA darunter ange-siedelten und z. T. hohen Anforderungen genügenden Aus-bildungspläne, Curricula, Methoden- und Organisations-konzepte zur Ausbildung in zukunftsreichen Berufenstoßen dagegen in Deutschland auf hohes Interesse.

Wissenstransfer als transnationalerLernprozess

Aktuell entzündet sich an der von Facharbeitern in derdeutschen Wirtschaft geleisteten wachsenden Zahl anÜberstunden eine weitere, zwischen Gewerkschaften undArbeitgebervertretern kontrovers geführte Diskussion zurRegelung der Einwanderung ausländischer Fachkräfte aufder mittleren Ebene.15 Das deutsche „Green-Card-Modell“zur Beseitigung des Fachkräftemangels in Branchen der In-formationstechnik setzt den Nachweis eines hochdotiertenBeschäftigungsverhältnisses bei den ausländischen Bewer-berinnen und Bewerbern und damit implizit den Hoch-schulabschluss voraus. Während nunmehr seitens derArbeitgebervertreter eine Einwanderungsregelung zur

BWP 5/2000 43

Eckpunkte für ein Fachcurriculum im IT-Bereich der USA

Angleichung des Grundlagenwissens und Kompetenzen für die Ausbildung:• Allgemeinwissen (Lesen, Schreiben, Arithmetik)• Analytische Fähigkeiten• Personale Kompetenz, wie Konzentrationsvermögen, Ausdauer, Pünktlichkeit

und andere Tugenden

Arbeits(platz)bezogene Kompetenzen:• Zeitmanagement, Ressourcenverwaltung• Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit• Systemverständnis und -nutzung• Anwendung/Nutzung von Technike

Branchenübergreifende technische Fähigkeiten und Kenntnisse:• Hard- und Software sowie deren Einsatz/Verwendung kennen• Verwenden und Nutzung des Internets• Kenntnisse über Systemarchitektur • Probleme in der Hard- bzw. Software erkennen und beheben können.

Branchen- bzw. berufsspezifische technische Fähigkeiten und Kenntnisse:• betriebliche Arbeitsabläufe erkennen• branchen- bzw. berufsspezifische Terminologie verstehen und gebrauchen• Rechtsgrundlagen und deren Anwendung verstehen• Qualitätsstandards identifizieren und einhalten

Gewinnung von Facharbeitern gefordert wird, heben dieGewerkschaften hervor, dass die gesunkene Ausbildungs-bereitschaft der Betriebe für den heutigen Mangel an Fach-kräften verantwortlich zeichnet und dass durch mehr undbessere Ausbildung dieses Defizit zu beheben sei.Die Konzentration von Arbeit auf eine für die Aufgaben-erledigung zu geringe Anzahl von Beschäftigten wurdeund wird auch in den USA als schwerwiegende Behinde-rung bei der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet. DerWorkforce Investment Act von 1999 berücksichtigt diesesProblem und konzentriert deshalb seine Förderaktivitätenauf die Entwicklung von Ausbildungsgängen, die einerseitsdie berufliche Ausbildung von Jugendlichen unterstützt,zum anderen jedoch auch Aspekte lebenslangen Lernensfür erwachsene Beschäftigte und Arbeitslose fördert. Für

die Aufgaben des Forschungsprojektes „Nutzungskonzeptezum Wissenstransfer zwischen den USA und Deutschland...“ sind diese US-amerikanischen Ansätze zur Integrationvon Erstausbildung und Weiterbildung insofern vonInteresse, als dort an der Entwicklung von Ausbildungs-plänen und Curricula unter Beteiligung aller relevantenAkteure aus dem Bildungsbereich, den Unternehmen undGewerkschaften und der Forschung gearbeitet wird.

Neben dem Hauptziel, durch die Erstausbildung denGrundstein für lebenslanges Lernen zu legen, besteht einweiteres Ziel in der Konstruktion von Berufsprofilen, dietrotz ihrer Orientierung auf den regionalen Fachkräftebe-darf in Übereinstimmung mit den allgemeinen Qualifika-tionserwartungen einer Branche stehen.

Die Analyse solcher, im Kontext der Praxisförderung derberuflichen Bildung durch den School-to Work und denWorkforce Investment Act in den USA entwickelten Mate-rialien soll für den Wissenstransfer zwischen den USA undDeutschland nicht nur Vergleichsmöglichkeiten mit denaktuellen IT- und Medienberufen eröffnen. Zu erwartensind auch Aussagen darüber, welche bildungspolitischenund gesellschaftlichen Voraussetzungen geeignet sind, umFachkräftemangel auf der mittleren Ebene durch geeigneteAktivitäten branchenspezifisch und regional gezielt zuvermeiden.

44 BWP 5/2000

Erwartet werden Aussagen,

wie der Fachkräftemangel

auf der mittleren Ebene vermieden

werden kann.

Anmerkungen

1 Allison, G. T.:Wechselwirkun-gen. John J. McCloy Pro-gramm und die John F. Ken-nedy School of GovernmentIn.: Lorenz, S./Machill, M.(Hrsg.): Transatlantik. Trans-fer von Politik, Wirtschaftund Kultur, Wiesbaden 1999

2 Dubialla, K.: Globalisierungund Qualifikationsanforde-rungen am Beispiel derHewlett-Packard GmbH. In:Backes-Gellner, U. (Hrsg.):Humanressourcen als Wert-schöpfungs- und Wettbe-werbsfaktor: Der Nutzen derBerufsbildung für die Unter-nehmen. Institut der Deut-schen Wirtschaft, Köln 1998

3 BMBF (Hrsg.): Berufsbil-dungsbericht 1999, Bonn1999, S. 193

4 A. a. O., S.195

5 Der German Marshall Fund inden USA installierte 1993 ei-nen Bereich „Vocational Trai-ning“ in seine Institution undschickte jährlich mindestenszwei Expertengruppen nachDeutschland und in andereeuropäische Länder, die sichüber die berufliche Bildunginformierten. Ähnliche Akti-vitäten entwickelten auch dieFulbright Stiftung und andereöffentliche und private Orga-nisationen in den USA.

6 Lorenz, S., Machill, M.: DerTransferraum als sozialesExperiment. In: DIES. (Hrsg.):Transatlantik. Der Transfervon Politik, Wirtschaft undKultur, Wiesbaden 1999

7 Margherio, L.: The EmergingDigital Economy Secretariaton Electronic Commerce. USDepartment of Commerce,Washington D. C.1998

8 Ockel, W.: Mehr Beschäfti-gung und weniger Arbeits-losigkeit – Amerika, hast Dues besser? In: Mitt AB, 2/98,S. 262–276, Nürnberg 1998

9 Clinton, W. J.: A Vision forChange of Amerika, USGovernment Printing Office,Washington D.C. 1993

10 Marshall, R./Tucker, M.:Building a smarter Workforce,Technology Review, N. Y.,Oktober 1992

11 Verschiedene Ansätze zuminternationalen Vergleich fin-den sich in: Dybowsky, G. etal.: Aspekte beruflicher Aus-und Weiterbildung im inter-nationalen Vergleich, BIBBBerlin 1999

12 Der US-Bildungsminister hateine Kommission gebildet, diesowohl allgemeine als auchberufsvorbereitende Kompe-tenzen entwickelt (Commissi-on for Achieving NecessarySkills-SCANS).

13 Myers, Dow: Building the ITWorkforce of the Future. TheAcademy of InformationTechnology (AOIT), Center forOccupational Reserach andDevelopment (CORD), WacoTx. 1999

14 National Science Foundation:Advanced Technological Edu-cation, Washington D. C.1999

15 Immer mehr Überstunden,weil Facharbeiter fehlen.Handwerkspräsident Philipp:„Expertenmangel ist nurdurch Arbeitskräfte aus demAusland zu beheben“. In: Ber-liner Zeitung vom 8. 8. 2000.

I N T E R N A T I O N A L

Bonner Horizonte1

Deutsch-brasilianischer Workshop

MATTHIAS WALTER

E Nomen est omen: Nicht von ungefähr stand

der erste deutsch-brasilianische Workshop am

3. und 4. April 2000 in Bonn/Königswinter

unter dem Namen „Bonner Horizonte“. Die

Veranstalter wollten damit den Beginn einer

neuen Qualität der Zusammenarbeit in der

beruflichen Bildung markieren, die sich nicht

nur mit den aktuellen Problemen und Heraus-

forderungen beschäftigen, sondern lang-

fristige Perspektiven und Strategien für die

Zukunft aufzeigen soll. Grundlage der Zusam-

menarbeit in der beruflichen Bildung ist eine

Vereinbarung aus der deutsch-brasilianischen

Arbeitsgruppe Bildung, die bisher zweimal

getagt hat: 1998 in Brasilia und 1999 in Bonn.

Auf dem ersten deutsch-brasilianischen Workshop inBonn/Königswinter diskutierten 30 Berufsbildungsexper-ten aus Politik, Wissenschaft und Praxis über die Themen-felder Umweltbildung und Qualifikationen. Erzielt wurdedie Vereinbarung, konkrete Projekte miteinander durch-zuführen – allerdings mit unterschiedlichen Geschwindig-keiten:

• Schnelle Ergebnisse sind möglich bei der Umweltbil-dung. Medien und Materialien, die in Deutschland ent-wickelt und erprobt worden sind, werden in die laufendeArbeit in Brasilien eingebracht und auf die lokalen Be-dürfnisse hin angepasst. Bei der Umweltbildung genügtes nicht, dass einige wenige Spezialisten mit dem Themavertraut sind, vielmehr kommt es darauf an, dass siedurchgängig in Bildung und Ausbildung integriert wird.Deswegen soll vor allem ein Austausch von Materialienund Methoden zur Ausbildung von Lehrern auf der ei-nen und zur „Grundausbildung“ von Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern auf der anderen Seite vorgenommenwerden.

• Im Bereich der Qualifikationen geht es eher um einegrundsätzliche Forschungszusammenarbeit, die sich vordem Hintergrund zweier unterschiedlicher Realitätenvollziehen muss. Es gibt in beiden Ländern so etwas wieeinen Trend zur Generalisierung von Qualifikationsan-forderungen und zur Erweiterung der Allgemeinbildung.Das führt konsequenterweise dazu, dass in beiden Län-dern eine Diskussion in zwei Richtungen stattfindet:zum einen über eine Neubestimmung des Verhältnissesvon Allgemeinbildung und Berufsbildung. Zum anderenwird im Kontext des Lernens darüber nachgedacht, obInhalte und Zielsetzungen neu definiert werden müssen,also die Frage: mehr oder weniger Fachlichkeit, mehrgenerelle Kompetenzen oder nicht. Schließlich wird inbeiden Ländern das Verhältnis von Lernen und Arbeitenunter dem Gesichtspunkt thematisiert, wie man Phasendes Lernens und Phasen des Arbeitens stärker miteinan-der verzahnen kann (Thema „Lernen am Arbeitsplatz“).

Die Diskussion zeigte, dass trotz gleicher Themen und Her-ausforderungen die jeweiligen Rahmenbedingungen in bei-den Ländern außerordentlich heterogen sind. Die histori-schen, kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozia-len Voraussetzungen stellen sich höchst unterschiedlichdar. Gleichheit der diskutierten Themen bedeutet deshalbnicht, dass man ohne weiteres gemeinsame Lösungensuchen könnte. Vielmehr müssen auch die Konzepte zurLösung der „gleichen“ Probleme unterschiedlich sein. BeideLänder gehen dabei davon aus,dass man trotzdem wechselsei-tig voneinander lernen undprofitieren kann. Der Weg zudifferenzierten Lösungsansät-zen verlangt aber, dass dieProbleme zuvor im Kontextunterschiedlicher Systeme be-schrieben werden. Über kon-krete Themen lässt sich erstreden, wenn man eine gemein-same Plattform der Verständi-gung gefunden hat. Diese

BWP 5/2000 45

I N T E R N A T I O N A L

Der Workshop wurde im Auftrag des

Bundesministeriums für Bildung und

Forschung vom Bundesinstitut für

Berufsbildung in Zusammenarbeit mit

der Carl-Duisberg-Gesellschaft organi-

siert und durchgeführt. Die einführen-

den Referate und Ergebnisse werden in

einer zweisprachigen Dokumentation

veröffentlicht, die im September dieses

Jahres vorliegen soll.

Plattform bezieht sich auf die Begrifflichkeiten, aber auchauf die Logik der jeweiligen Systemstrukturen; denn esgeht ja nicht nur darum, sich gegenseitig darüber zu in-formieren, wie unterschiedlich Bildungssysteme aufgebautsind, sondern auch zu verstehen, welche Logik hinter die-sen Unterschieden steckt.

Beide Seiten geben deswegen in der weiteren Zusammen-arbeit solchen Themen den Vorzug, die einerseits einerkonkreten Fragestellung nachgehen, andererseits aber ge-eignet sind, das Verständnis für grundlegende Begriffe desjeweils anderen Systems zu erweitern. Unter dieser Prämisseerscheinen zwei Felder in besonderer Weise geeignet:

1. Neue Arbeitsanforderungen, neue Erwartungen Jugend-licher

Bei diesem Themenkomplex geht es nicht nur darum zufragen, wie sich die Anforderungen der Wirtschaft an dieQualifikationen der Mitarbeiter verändern, sondern sichauch umgekehrt dafür zu interessieren, welche Vorstellun-gen und Erwartungen die Jugendlichen an den Betrieb ha-ben, wenn sie mit veränderten Ausbildungsabschlüssen aufden Arbeitsmarkt kommen.

Diese Fragestellung ermöglicht konkrete Diskussionenüber das Verhältnis von Allgemeinbildung, Berufsbildungund Weiterbildung. Weiter wäre im Rahmen dieser thema-tischen Auseinandersetzung über das Verständnis vonQualifikation und Kompetenz zu diskutieren, um auf die-ser Grundlage konkrete Themen wie neue Berufe, neueCurricula oder Entwicklung von Standards gemeinsam an-zugehen.

2. Formen der Kooperation zwischen Bildungseinrichtun-gen und Betrieben

Unter der Thematik der Kooperation und Kommunikationzwischen Bildungseinrichtungen und Betrieben wird übersolche Themen zu diskutieren sein wie das Lernen am Ar-beitsplatz, lernförderliche Gestaltung von Arbeitsplätzenund Anerkennung betrieblicher Phasen des Lernens. Dasberührt wiederum Fragen der Standardisierung und derZertifizierung. Und es ließe sich ganz grundsätzlich in ei-nem solchen Rahmen die Frage des Verhältnisses vonStaat und Wirtschaft und der beiderseitigen Verantwor-tung erörtern.Um die Grundlagen für diese eher perspektivische For-schungszusammenarbeit zu schaffen, haben beide Seiteneinen Lenkungsausschuss eingesetzt. Seine Aufgabe sollvorrangig darin bestehen,

• Aktivitäten auf dem Gebiet der beruflichen Bildung imRahmen der gemeinsamen deutsch-brasilianischen Ar-beitsgruppe zu koordinieren;

• sich mit dem jeweils anderen System, seiner Begrifflich-keit und seiner Logik vertraut zu machen und

• durch die Präzisierung der für die Zusammenarbeit vor-gesehenen Themen und Fragestellungen eine für beideSeiten stimmige Grundlage für die Durchführung ge-meinsamer Projekte zu schaffen.

Beides, ein konkretes Projekt auf dem Gebiet der Umwelt-bildung wie auch die perspektivischen Arbeiten, orientiertsich an Zielen, die realistisch und erreichbar sind. Geradeweil sich die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Ge-schwindigkeiten vollzieht, muss der langsamere Prozessständig angereichert werden, um auch dort zu konkretenProdukten zu gelangen. Brasilien und Deutschland sind zu-versichtlich, in zwei Jahren auf einer Konferenz in Brasi-lien bereits erste Ergebnisse der Zusammenarbeit in der be-ruflichen Bildung vorstellen zu können.

46 BWP 5/2000

I N T E R N A T I O N A L

Anmerkung

1 Der Verfasser dankt den beiden Berichter-stattern aus den Arbeitsgruppen, Prof. Dr.Walter Georg, Fernuniversität Hagen, undHerrn Marco Antonio Lucidi, CEFET, Riode Janeiro, deren Analyse der Diskussionin diesen Beitrag mit eingeflossen ist.

Bericht über die Sitzung 2/2000 des Hauptausschusses am 15. Juni 2000 in Bonn

Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung(BIBB) hatte auf seiner zweiten Sitzung im Jahr 2000 dreiBeratungsschwerpunkte: 1. Benachteiligtenförderung – zu diesem Tagesordnungs-

punkt berichteten das Bundesinstitut über seine vielfäl-tigen, kontinuierlichen Aktivitäten im Rahmen der Be-nachteiligtenförderung sowie Vertreter des Landes Berlinüber das Konzept „Modular-Duale Qualifizierungsmaß-nahme“ –,

2. Stand der aktuellen Ausbildungsplatzsituation – dieBundesanstalt für Arbeit gab einen Überblick über dieUmsetzung des Sofortprogramms der Bundesregierungund über die Ergebnisse der Frühjahrs-Regionalkonfe-renzen –,

3. die aktuelle Forschungsarbeit des BIBB.

Neu in das Forschungsprogramm aufgenommen wurdenfolgende Projekte:• 2.3005 „Kosten und Nutzen beruflicher Weiterbildung

für Individuen“• 2.3006 „Technologiegestützte Lernarchitekturen: Be-

standsaufnahme, Fallbeispiele und Relevanz für Einsatz-möglichkeiten in Klein- und Mittelbetrieben“

• 3.3008 „Aussagekraft und Validität ausgewählter tradi-tioneller und neuer Prüfungen“

• 4.2012 „Evaluation des Berufes Mediengestalter/-in fürDigital- und Printmedien“

Das BIBB erläuterte im Anschluss seine Arbeiten zur be-ruflichen Bildung benachteiligter Jugendlicher und jungerErwachsener, insbesondere zu den Vorhaben• 3.0501 „Evaluation aktueller Ansätze zur Berufsvorbe-

reitung und Berufsausbildung Jugendlicher mit schlech-teren Startchancen"

• 3.0500 „Zusammenstellung von Qualifizierungsbaustei-nen und Lehrgangsmodellen, die sich für die Einbezie-hung von Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe in dieBerufsvorbereitung eignen“

• 3.0508 „Aufbau und Erprobung eines Good-Practice-Centers für berufliche Benachteiligtenförderung“.

Alle drei Vorhaben bearbeiten mit jeweils unterschiedli-chen Akzenten und ineinander greifend die BerufsbildungJugendlicher mit schlechteren Startchancen in enger Ab-stimmung mit den zuständigen Bundesressorts und derBundesanstalt für Arbeit. Der Generalsekretär des BIBB,Prof. Dr. Pütz, erinnerte in diesem Zusammenhang an dieKontinuität, in der sich das Bundesinstitut in den letztendrei Jahrzehnten für die Belange der Benachteiligtenförde-rung eingesetzt hat.Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Ber-lin, stellte daraufhin ihr Konzept „Modular-Duale Qualifi-zierungsmaßnahme (MDQM)/Erfolgreiche Wege in die Be-rufsausbildung (EWA)“ des Landes Berlin vor; Professorvan Buer von der Humboldt-Universität erläuterte Zwi-schenergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung im Rah-men der Evaluation von MDQM. In der nachfolgenden Diskussion wies der Beauftragte desLandes Nordrhein-Westfalen, Herr Thomalla, auf die Modell-projekte zur Differenzierung der Berufsausbildung für be-nachteiligte Jugendliche im Ausbildungskonsens NRW hin,über deren Ergebnisse ein erster Zwischenbericht vorliegt.

Die Bundesanstalt für Arbeit zog anschließend Bilanz überdie Umsetzung des Sofortprogramms der Bundesregierungzum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und stellte neuesteDaten und Analysen zur aktuellen Ausbildungsplatzsitua-tion mit Stand Mai 2000 vor. Als besonders bemerkenswertwurde ein deutlicher Bewerberrückgang (minus 35 500) unddie bundesweite Zunahme von Ausbildungsstellen (mehr als27 000 plus) in der Berufsberatungsstatistik bewertet.

Aus der Arbeit des BIBB wurden Ergebnisse des Forschungs-projekts 1.1006 – Erwerb und Verwertung beruflicher Qua-lifikationen – BIBB/IAB-Erhebung 1998/99 – zu Struktur-wandel, Berufswechsel und Verwertungschancen der Aus-bildung präsentiert.

Der Hauptausschuss beschloss ferner die Sitzungsterminefür das Jahr 2001:14./15. März, für die Sitzung 1/200120. Juni, für die Sitzung 2/2001 (optional)10./11. Dezember für die Sitzung 3/2001

Als neues Mitglied wurde Herr Friedhelm Hundertmark fürdie Bank der Arbeitnehmer als Nachfolger von Herrn Man-fred Freitag begrüßt. Frau Dr. Hanni Breuer, Beauftragtedes Bundes, wurde aus dem Hauptausschuss verabschiedetund für ihre langjährige Mitgliedschaft gewürdigt.

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B E R I C H T E

Ausbildungspraxis 2000

UTE LAUR-ERNST

Jahrbuch Ausbildungspraxis 2000 –Erfolgreiches Ausbildungsmanagement

Günter Cramer, Klaus Kiepe (Hrsg)Fachverlag Dt. Wirtschaftsdienst, Köln 2000, 337 Seiten,DM 128,–

Das Jahrbuch „Ausbildungspraxis 2000“ gibt einen ausge-zeichneten Überblick über grundsätzliche und aktuelle The-men der dualen Berufsausbildung. Strukturfragen werdengenauso behandelt wie institutionelle und personaleAspekte; alle „Stakeholders“ aus Politik, Wissenschaft undPraxis kommen zu Wort. So entsteht in den fünf Kapitelndes Jahrbuchs ein interessantes, vielgestaltiges Bild einermodernen, zukunftsorientierten Berufsausbildung, die aufdie inhaltlichen, technologischen und arbeitsorganisatori-schen Herausforderungen einer sich wandelnden Wirt-schaft und Gesellschaft neue Antworten sucht, erprobt undsystematisch implementiert.

Der erste Teil mit dem Titel „Trends und Perspektiven“ weistdie verschiedenen aktuellen bildungspolitischen Positionenauthentisch aus. Der Leser kann selbst feststellen, wo zur-zeit Konsens besteht und wo die Meinungen und Zielvor-stellungen voneinander abweichen. Die plurale Bestimmt-heit der Berufsbildung wird anschaulich dokumentiert.

Im zweiten Teil wird ein breites Spektrum von Fragen derberuflichen Bildung behandelt. In sechs Abschnitten set-zen sich Autoren aus Wissenschaft und Praxis mit wesent-lichen Aspekten der Inhalte, Struktur und Gestaltung be-ruflicher Bildung auseinander. Von der Ermittlung des be-trieblichen Ausbildungsbedarfs, den Kosten und dem Bil-dungscontrolling über die methodisch-didaktische Organi-

sation arbeitsplatzbezogener Lehr-/Lernprozesse, dem Ver-halten von Jugendlichen bis hin zum Übergang des Auszu-bildenden in die Arbeitswelt und der Notwendigkeit konti-nuierlicher Weiterbildung erfährt der Leser Grundsätzlichesund unmittelbar praktisch Verwertbares. Übersichten,Check-Listen, Planungs- und Entscheidungshilfen werdendargestellt, die alle dabei helfen, die vielfältigen Aufgabeneines modernen Ausbildungsmanagements zu erfüllen.

Den Adressaten der Ausbildung, also den Jugendlichen undjungen Erwachsenen, wird besondere Aufmerksamkeit ge-schenkt. Nicht nur im Kontext ihrer Rekrutierung und be-zogen auf besondere Fördermaßnahmen für Begabte undBenachteiligte, sondern im Hinblick auf die effektive Moti-vierung und Führung der Jugendlichen, das Gespräch mitihnen, das Vermeiden von Ausbildungsabbruch und derZuweisung einer aktiven, selbstständigen und eigenverant-wortlichen Rolle im Ausbildungsprozess. Alle vorgestelltendidaktischen Konzepte sind „lernerzentriert“ und verknüp-fen Fachkompetenz mit wesentlichen sozialen und perso-nalen Schlüsselqualifikationen. Viele gehen darüber hinausin Richtung auf selbstorganisiertes Lernen und Gestal-tungsfähigkeit im Sinne der Verbesserung von Geschäfts-und Produktionsprozessen sowie unternehmerischen Han-delns. Die Beiträge sind in der Ausbildungsrealität veran-kert, wissenschaftlich fundiert und auf anspruchsvollemNiveau praxisorientiert.

Der dritte Teil greift drei höchst aktuelle Themen auf:• die neuen IT-Berufe, das dort angewandte Berufskonzept

und seine praktische Umsetzung, die aktuelle Nachfragenach IT-Kompetenz in Betrieben und bei den Jugend-lichen;

• die Forderung nach handlungsorientierten Prüfungen,damit konsequent fortgesetzt und abgeschlossen wird,was während einer modernen Ausbildung gelernt undvermittelt wird, nämlich berufliche Handlungskompe-tenz. Noch besteht eine deutliche Diskrepanz zwischenAusbildungsziel und didaktischem Konzept einerseitsund abschließender Prüfung andererseits;

• die neugefasste Ausbilder-Eignungsverordnung, dieHandlungsorientierung in den Mittelpunkt rückt undeine Neukonzeption der Lehrgänge erfordert.

In diesem „Spezialteil“ wird der Reformprozess der letztenJahre exemplarisch dokumentiert und analysiert; zugleichwerden die damit verbundenen Probleme auf der Politik-und Praxisebene angesprochen. Auch hier helfen konkreteHinweise und Beispiele, diese neuen Ansätze umzusetzenbzw. die Diskussion konstruktiv weiterzuführen.

Das Prinzip des Jahrbuchs „für die Praxis aus der Praxis“wird in Teil 4 konsequent weiterverfolgt. Ausbildende Un-ternehmen kommen zu Wort und beschreiben „best prac-tice“-Beispiele für unterschiedliche Ausbildungsaufgaben:

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R E Z E N S I O N E N

Wie werden Auszubildende mit schlechten Startchancenvorbereitet? Wie lässt sich Gruppenarbeit in der Ausbil-dung organisieren? Wie sieht die Zukunft der beruflichenFachbildung aus? Wie werden Jugendliche auf Europa vor-bereit? Wie werden Unternehmergeist, Eigenverantwortungund Initiative in der Ausbildung gefördert? Dies sind ei-nige Fragen, zu denen der Leser Antworten im Jahrbuchfindet. Dabei wird jeder feststellen, dass sich „Erfolgssto-ries“ nicht von selber schreiben, sondern hohes Engage-ment und umfassende Kompetenz der Akteure vorausset-zen sowie an ein innovationsfreundliches betrieblichesUmfeld gebunden sind. Das bedeutet auch: eine einfacheÜbertragung der beschriebenen Modelle und Vorgehens-weisen wird kaum funktionieren. Doch diese positiven Bei-spiele ermutigen, moderne Konzepte beruflicher Ausbil-dung selbst zu erproben bzw. sie entsprechend den eige-nen Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln.

Im letzten Teil wird ein interessantes „Service“-Angebotgemacht: Informationen zur Berufsbildungsforschung, zuRechtsfragen und über lesenswerte Literatur sind zusam-mengetragen; statistische Daten z. B. zur demographischenEntwicklung, zu den Kosten betrieblicher Ausbildung, überAbbrecherquoten und Beteiligung der Betriebe an der Aus-bildung werden mitgeteilt; wichtige Adressen zur Berufs-bildung im Internet runden das Jahrbuch ab. Die ergän-zende CD-ROM beschreibt aktuelle Förderungsprogrammezur Aus- und Weiterbildung.

Insgesamt ist das Jahrbuch eine anspruchsvolle „Fund-grube“ für alle an der Berufsbildung Beteiligten, nicht nurfür die Praktiker, sondern auch jene in Politik und Wissen-schaft, die ihr eigenes Denken und Handeln an der Praxisspiegeln wollen und die Rückkopplung suchen. Sie könn-ten mit der Berufsausbildung in Deutschland sehr zufriedensein, wenn sie die vielfältigen überzeugenden Beispiele,Anregungen und Überlegungen lesen. Aber jeder weiß,dass diese zukunftsweisenden Konzepte bisher nicht aufbreiter Basis in die Ausbildungswirklichkeit Einzug gehal-ten haben. So reflektiert das Jahrbuch 2000 nicht die gän-gige, sondern die wünschenswerte und intendierte Praxis.In diesem Sinne wollen die Herausgeber, Günter Cramerund Klaus Kiepe, auch diese Veröffentlichung verstandenwissen: als einen anregenden, fundierten Ratgeber bei derGestaltung von Ausbildung. Dabei fassen sie – entspre-chend ihrem eigenen Hintergrund – die Ausbildung in In-dustrie und Handel primär ins Auge; das Handwerk istkaum vertreten. Hier gelten andere Rahmenbedingungen.

Zum Abschluss: Das Jahrbuch ist grafisch ansprechend ge-staltet – mit vielen Übersichten, knappen Zusammenstel-lungen, Abbildungen und Formblättern. Die klare Unter-gliederung in überschaubare, durchnummerierte Abschnitteerleichtert das Lesen und die Verständigung über die dortgemachten Aussagen. Das Stichwortverzeichnis trägt zur

raschen Orientierung bei. So wird es zu einem Nachschla-gewerk, das dem einzelnen Sachverhalt genügend Raumgibt, ihn aber ausdrücklich in den komplexen Zusammen-hang beruflicher Bildung stellt.

Einblicke in die betrieblicheWeiterbildung in Großunternehmendes Einzelhandels

RUDOLF HUSEMANN

Betriebliche Weiterbildung im Spannungsfeldvon tradierten Strukturen und kulturellemWandel

Marianne GoltzRainer Hampp Verlag, München und Mering 1999, 259Seiten, DM 53,20

Obwohl die Forschung zur betrieblichen Weiterbildung inden letzten zehn Jahren erheblich an Umfang und Inten-sität gewonnen hat, bleiben die auf der betrieblichen Ebeneablaufenden Prozesse zu ihrer Organisation und Umset-zung dennoch eher nebulös bzw. werden modellhaft dar-gestellt. Die hier angesiedelten Prozesse sind allerdingseingebunden in betriebliche Arbeits- und Hierarchiestruk-turen sowie Personalentwicklungs- und Reorganisations-strategien, und auch die empirische Forschung, die sich mitder betrieblichen Ebene beschäftigt, wendet sich mehrheit-lich entweder Modellversuchen oder den besonderen Struk-turaspekten der Weiterbildung zu. Dies war nicht immer so– in den 70er-Jahren entstandene Studien zur betrieblichenWeiterbildung hatten als theoretischen Hintergrund denKlassenantagonismus und haben sich aus dieser Perspek-tive auch mit den betrieblichen Funktionslogiken in die-sem Zusammenhang befasst. Die vorliegende Arbeit vonM. Goltz greift dieses Thema unter einem theoretischenKonzept auf, welches betriebliche Strukturen in der Dua-lität von „Produkt und Medium des Handelns“ begreift(Giddens).

Ausgehend von dieser theoretischen Basis wendet sich dieAutorin erstens der Frage zu, wie strukturelle und kultu-relle Handlungsbedingungen auf die Weiterbildungsgestal-tung Einfluss nehmen und wie sie insbesondere in die Ge-staltungspraxis des Bildungspersonals Eingang finden, undzweitens, in welchen Formen sich strukturelle und kultu-relle Einflussnahmen in Prozessen der Weiterbildung Gel-tung verschaffen (S. 20). Diesen Leitfragen folgend be-schreibt ein erstes Kapitel empirische Forschungsbefundezur betrieblichen Weiterbildung v.a. in Großunternehmen,wobei Strukturmuster und die Reichweite von theoreti-

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schen Erklärungsmustern für die vorfindlichen Entwick-lungstendenzen den Schwerpunkt bilden. Hier zeigen sichWidersprüche zwischen Bedeutungsanstieg und Behar-rungsvermögen, die Autorin kommt zu dem Schluss, dassinsgesamt von einer einlinig durch neue Unternehmens-konzepte oder unternehmenskulturelle Leitideen beein-flussten betrieblichen Weiterbildung keine Rede sein kann.Im zweiten Kapitel entwickelt die Autorin den theoreti-schen Hintergrund ihrer weiteren Analyse, der Strukturund Kultur als Regelwerke und Handlungsressourcen imProzess der Gestaltung betrieblicher Weiterbildung begreift.Mit Rückgriff auf diesen Theoriekomplex untersucht dieAutorin die Weiterbildungspraxis in Großunternehmen desEinzelhandels. Dieser empirische Teil geht aus von den per-sonalpolitischen Zielen, den damit verbundenen Weiterbil-dungsstrukturen, der Arbeitssituation und den Qualifikati-onsanforderungen in diesem Unternehmenstyp und wen-det sich dann den Gestaltungsprozessen der Weiterbildungaus dem Blickwinkel der Akteure zu. Hier finden wir eineDarstellung der diesbezüglichen Aufgabenspektren, wie siesich aus der Verkaufsorganisation, der Warenwirtschaft,der Personalwirtschaft und dem Technikeinsatz ergeben,verbunden mit Stellungnahmen aus Sicht der Akteure zuden Weiterbildungserfordernissen und der betrieblichenWeiterbildungspraxis. In einem eigenständigen Kapitelgeht die Autorin auf innovative Weiterbildungskonzepteein, die im Rahmen von Strategien zur Anhebung der Ver-kaufsqualität umgesetzt werden und die besonders die Pro-bleme der Zielrealisierung verdeutlichen. Mit acht ausführ-lich formulierten Leitthesen wird die Analyse geschlossen. Während die hier aufgedeckte „Binnen- und Akteurssicht“nicht allzu optimistisch stimmt über die Ausgestaltung derbetrieblichen Weiterbildung in Großunternehmen, so kannjedenfalls festgestellt werden, dass es der Autorin in her-vorragender Weise gelungen ist, mit Hilfe einer theoriege-leiteten Analyse von qualitativem Material diesen Einblickzu gewähren und diesen Befund zu belegen. Die Arbeitleistet einen wesentlichen theoretischen und empirischenBeitrag dazu, den Gestaltungsprozess betrieblicher Weiter-bildung aus der Perspektive des Dualismus bzw. der Dicho-tomie von betrieblichen und Arbeitnehmerinteressen zulösen. Theoretisch und empirisch fundiert wird gezeigt, dass derHandlungsrahmen der Akteure durch strukturelle und per-sonelle Beharrungsmuster und Funktionsanforderungengeprägt ist und „eigentlich“ nur wenig Spielraum bietet,aber auch deutliche Konturen des Einsatzes von Hand-lungsressourcen als Machtmittel aufweist. In der empiri-schen Analyse kommen die Akteure in Zitaten aus demverarbeiteten Material selbst zu Wort, was dem Kapitel Le-bendigkeit und der Argumentation Nachhaltigkeit verleiht.Der Band gibt insgesamt eine Fülle von Einblicken in diepersonalwirtschaftlichen Bedingungen der großen Einzel-handelsunternehmen und zeigt darin, dass eine Verallge-meinerung der Zunahme des arbeitsintegrierten Lernens

problematisch ist: Mit Personalverknappung und Produkti-vitätssteigerung der Verkaufsarbeit sehen wir hier Trends,die eine solche Entwicklung eher unwahrscheinlich er-scheinen lassen. Die „Binnensicht“, der empirische Fokusauf Einzelhandelsunternehmen als Segment des Dienstleis-tungssektors (der in der Forschung über betriebliche Wei-terbildung immer noch defizitär ist), und der Theoriebezugder Analyse heben den Band hervor und machen ihn un-bedingt lesenswert.

Tipps zur Lehrstellensuche

WILFRIED BRÜGGEMANN

Berufe mit praktischem Profil

Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg1999, 230 Seiten, DM 39,80

Jugendliche brauchen Orientierungshilfen. Die vorliegendeVeröffentlichung stellt eine solche dar. Sie richtet sich ins-besondere an junge Menschen, die einen eher praktischenBeruf erlernen möchten. In einer Gesamtübersicht werdendie Berufe nach §25 und §48 des Berufsbildungsgesetzesvorgestellt, die ein besonderes praktisches Profil aufwei-sen: Beispiele sind Bäcker, Handelsfachpacker, Holzbear-beiter, Trockenbauer oder Werkzeugmaschinenspaner. Ne-ben den offiziellen Berufsbezeichnungen werden auch(orts)übliche Berufs- bzw. Tätigkeitsbezeichnungen ver-wendet, die dem Leser das Suchen erleichtern. Die Darstel-lung der einzelnen Berufe erfolgt checklistenartig in Plus-und Minusfaktoren.

Plus-Faktoren beschreiben die Interessen, Kenntnisseund Fähigkeiten, die für den Beruf wich-tig sind.

Minus-Faktoren sind solche Faktoren, die eine erfolgrei-che Ausbildung und Berufstätigkeit be-einträchtigen könnten.

Außerdem wird bei jedem Beruf angegeben, welche Auf-gaben und Tätigkeiten im späteren Berufsleben, d. h. in derBerufsausübung, von Bedeutung sind, so dass sich der in-teressierte Leser ein besseres Bild machen kann.Auch wenn jungen Menschen heute genügend berufskund-liches Material – etwa der Arbeitsverwaltung – kostenloszur Verfügung steht, schließt diese Schrift eine Lücke, in-dem sie die Zielgruppe „praktisch orientierte Jugendliche“direkt anspricht. Als Einstieg in die Thematik „Berufswahl“bietet die Schrift gerade diesen Jugendlichen wertvolleHinweise und Anregungen und zugleich einen Überblicküber die vielfältigen Möglichkeiten. Gleichwohl ersetzt die

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R E Z E N S I O N E N

vorliegende Veröffentlichung das berufskundliche Materialder Arbeitsverwaltung nicht, denn dazu wird nicht tief ge-nug in die jeweilige Berufsmaterie eingedrungen.Zu empfehlen ist die Schrift „Berufe mit praktischem Pro-fil“ somit im Vorfeld berufskundlicher Materialien etwa derArbeitsverwaltung, um sich einen ersten Überblick zu ver-schaffen. Sie sollte aber unbedingt in Verbindung mit ei-nem Beratungsgespräch genutzt werden, damit die Berufs-wahl richtig getroffen wird. Am Ende der Schrift ist dafürein persönlicher Berufs-Auswahl-Bogen vorgesehen, dender geneigte Leser ausfüllen und zur Beratung mitbringenkann. Wichtige Begriffe der allgemeinen und beruflichenBildung wie mittlerer Bildungsabschluss oder Berufsaka-demie werden ebenfalls am Ende der Schrift erläutert.Insgesamt gesehen richtet sich „Berufe mit praktischemProfil“ zwar an eher praktisch orientierte Jugendliche, dochkann die Schrift auch Eltern und vor allem Lehrern emp-fohlen werden, weil sie Jugendlichen vielfach in berufli-chen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Entwicklung der Ausbildungssysteme

DIETMAR FROMMBERGER

Berufsqualifizierung und dritte industrielleRevolution. Eine historisch-vergleichendeStudie zur Entwicklung der klassischenAusbildungssysteme.

Wolf-Dietrich GreinertNomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999, 160 Seiten,DM 48,00

Die Veröffentlichung von Wolf-Dietrich Greinert setzt dortan, wo ihm die Ergebnisse arbeitsmarkt- und berufsbil-dungsbezogener Politikberatung zu wenig reflektiert er-scheinen: In Hinsicht auf die „spezifische Verflechtung vonnationaler Arbeitskultur und varianten Ausbildungssyste-men“ (S. 11) müsse man das Gewordensein einer nationa-len Lösung der Organisation von Erwerbsarbeit und daraufvorbereitender Qualifizierung und damit die „politischenund sozioökonomischen Entstehungsbedingungen“ (S. 11)verstehen, um schließlich auch zuverlässige und plausibleAussagen zur Realität und Gestaltung von Arbeit und Be-rufsbildung machen zu können. Dies gelte für die natio-nale und im besonderen für die international-verglei-chende Betrachtung. Greinert legt einen historisch-vergleichenden Beitrag vor,in welchem die Entwicklung „der klassischen Ausbildungs-systeme“ Europas (gemeint sind Deutschland, England undFrankreich) gegenübergestellt werden. Als Folie und Zeit-achse benutzt der Autor das im Titel angedeutete „para-

digmatische Interpretationsmodell“ der drei industriellenRevolutionen, um damit Unterschiede und Ähnlichkeitensichtbar zu machen. Über den unmittelbaren internationa-len Vergleich zwischen Deutschland, England und Frank-reich hinaus bezieht sich Greinert auf die „Globalisierung“(Einleitung, S. 13–20), die USA (Teil II, S. 53–55) undJapan (Teil III, S. 101–108). Die Informationen zur Füllungder Studie zieht der Autor überwiegend aus der deutsch-sprachigen Literatur, die ihrerseits ebenfalls sekundärana-lytisch die Empirie bearbeitet und mit bildungstheoreti-schen Reflexionen versehen hat.

Mit der Studie verfolgt Greinert drei Ziele:1. wird eine von Greinert selbst entworfene Typologie, mit

welcher vormals die Vielfalt der Berufsbildungssystemein das Markt-, Staat- und Dualmodell geordnet wurde,konkretisiert und – wenn man so will – an den bisheri-gen Ergebnissen der international-vergleichenden Be-rufsbildungsforschung geprüft. Da als Referenzpunkteder angedeuteten Trias das deutsche, englische und fran-zösische Berufsbildungssystem dienten, die substantielle(sprich an der Empirie geprüfte) Untermauerung jedochausstand, soll diese Arbeit jetzt nachgeholt werden.

2. will die Studie den Nachweis liefern, dass Qualifizie-rungssysteme national spezifische Antworten auf sichverändernde technische, sozio-ökonomische und politi-sche Problemlagen darstellen. Unterschiedliche Räumeund Kulturen reagieren (zeitverzögert) mit ihren Ausbil-dungssystemen auf in etwa ähnliche globale Entwick-lungen und Rahmenbedingungen sehr verschieden. Grei-nert stellt in diesem Kontext die These auf, dass der je-weils nationale strukturelle Veränderungsprozess be-trächtlichen traditionsgebundenen Beharrungstendenzenunterliegt. Dabei folgt er der Annahme, dass es keinerleiobjektive Zwänge gäbe, nach denen Arbeitsorganisationund Qualifikationssystem unausweichlich zu abhängi-gen Variablen degradiert würden (S. 18 f.).

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3. Diese letztgenannten „gesellschaftlichen Effekte“ (qua-lifikatorisch, pädagogisch, sozial) im Zusammenhangmit der Organisation und Kultur beruflicher Bildungkonstatiert Greinert positiv für das duale System der Be-rufsausbildung respektive für das Prinzip der Beruflich-keit. Der internationale Vergleich soll diese Wirkungensichtbar machen und deren Erhaltungsmöglichkeit imZuge steigender Einflüsse von außen ausloten.

Mit den folgenden Schritten werden diese Absichten ge-stützt:

Die Einleitung greift das Stichwort Globalisierung auf. Eswird die Rolle der Globalisierung a) für die „Krise“ derdeutschen Berufsausbildung und b) für die Auflösung na-tionalstaatlicher Berufsbildungssysteme stark relativiert.

Teil I stellt die „klassischen Reaktionen“ auf die erste In-dustrielle Revolution und der damit einhergehenden Ero-sion des traditionellen ständischen Berufsausbildungsmo-dells in Europa dar. Es bilden sich nach Greinert die „libe-rale Antwort – Berufsausbildung nach dem Marktmodell“(Großbritannien), die „etatistisch-bürokratische Antwort –Berufsausbildung nach dem Schulmodell“ (Frankreich) undschließlich – wohlgemerkt auch zeitlich in dieser Reihen-folge – die „traditionell-korporatistische Antwort – Berufs-ausbildung nach dem ‚Dualmodell‘“ (Deutschland) heraus.

In Teil II erfolgt eine (vielleicht etwas gewagte) Übertra-gung der Grundmuster auf a) den „angelsächsischen Kul-turraum“, b) den „romanischen Kulturraum“ und c) den„deutschsprachigen Kulturraum“. Allein für den angelsäch-sischen Kulturraum erfolgt eine über England hinausge-hende Darstellung.Der Begriff der zweiten industriellen Revolution dient hierweitgehend als ein zeitliches Korsett, inhaltlich werden dieWirkungen der aufgeführten Erscheinungen der Massen-produktion und des Taylorismus für Frankreich und Groß-britannien nur sehr ansatzweise mit der Entwicklung derBerufsbildung verknüpft, während die Rolle der Industriefür die deutsche Systembildung der beruflichen Qualifizie-rung sehr deutlich hervorgehoben wird (vgl. S. 77–88). Dieveränderte Arbeitsorganisation, sozusagen das Argumentder veränderten Qualifikationsanforderungen, übt Greinertzufolge sehr wenig Einfluss auf die Entwicklung der Be-rufsbildung in Frankreich aus, wo sich die schulische Be-rufsbildung und schließlich das meritokratische Prinzip

noch in den 1920er-Jahrendurchsetzte. Für Großbri-tannien und Deutschlanddient der industrielle Ar-beitsmarkt- und Arbeitsor-ganisationsaspekt als Argu-ment, das die Entwicklungder Berufsbildung an-

schiebt. Greinert bemerkt eine „wirklich produktive Aus-einandersetzung mit den Prinzipien des ‚scientific mana-gement‘– jedoch allein für Deutschland – was schließlichzur Herausbildung des spezifisch deutschen (und mit sozu-sagen komparativen Vorteilen behafteten) Facharbeiterty-pus führt. Dadurch verbindet sich schließlich eine aus demHandwerk stammende Tradition der Beruflichkeit mit derindustriellen Arbeitsorganisation.

Den Teil III beginnt Greinert mit Ausführungen zur drittenindustriellen Revolution, die vor allem gekennzeichnet seidurch die Einflüsse der Informations- und Kommunikati-onstechniken sowie der dadurch veränderten Arbeitsorga-nisation. Am Beispiel Japan werden diese Entwicklungendeutlich. Japan ist zudem ein Beispiel einer starken inhalt-lichen Entkoppelung von Beschäftigungs- und Bildungs-system. Greinert arbeitet dabei – mit unmittelbarem Bezugauf die Arbeiten des Berufspädagogen Walter Georg – aufdie These hin, dass es a) keinen deterministischen Zusam-menhang zwischen Technikentwicklung, Arbeitsorganisa-tion und Qualifikationsstruktur mehr gibt, dass sich daherb) bildungspolitische und didaktische Entscheidungen nichtmehr nur mit Qualifikationsdefiziten begründen ließen unddass dadurch c) die Möglichkeit einer eigenen Zieldefinitionfür eine Berufsbildungspolitik eröffnet wird (vgl. S. 108).Wie England, Frankreich und Deutschland diese Chancewahrnehmen und wahrgenommen haben, ist hinlänglichbekannt und wird auf den Seiten 109–139 ausgeführt.

In Bezug auf England schließt sich Greinert den deutschenVorbehalten gegenüber einem „Qualifizierungsdschungel“im Zuge der NVQ’s1 an. Dabei wird jedoch nicht auf dieRolle der durchaus relevanten GNVQ‘2 eingegangen. Fürdie von Greinert zu Recht eingeforderte Strukturanpassungim Sinne einer Erhaltung des Berufsprinzips stehen weiter-hin noch sorgfältige (auch didaktisch-curriculare) Analy-sen europäischer Erfahrungen aus.

Weiterbildung in den USA

HELGA FOSTER

Klaus Götz (Hrsg.): Managementkonzepte,Band 12

Paul Jay EdelsonRainer Hampp Verlag, München und Mering 2000, 68 Sei-ten, DM 24,–

„Weiterbildung in den USA“ bietet den an der nachschuli-schen Bildung in den USA Interessierten eine Mischungaus Deskriptionen, Fallbeispielen, Analysen und bildungs-

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Anmerkungen

1 NVQ’s (National Vocational Qualificati-ons/nationale Berufsqualifikationen)

2 GNVQ’s (General National VocationalQualifications/allgemeine nationaleBerufsqualifikationen)

R E Z E N S I O N E N

politischen Einschätzungen. Der Verfasser bemüht sich, dieDiversität dieses Bildungssektors in den USA an einigenFallbeispielen zu entschlüsseln und einer Leserschaft zu er-läutern, die sich in die Situation und die Strukturen derUSA hineinzudenken versteht.Verwunderlich ist jedoch, warum im Titel der Begriff Wei-terbildung verwandt wird. Schon in seinem Vorwort sprichtEdelson von Erwachsenenbildung und setzt dies auch rechtkonsequent in seinen weiteren Ausführungen fort. Ob diein Deutschland übliche Differenzierung zwischen Weiter-bildung als berufliche und Erwachsenenbildung als alleLernaktivitäten in dieser Lebensphase betreffende Bildungdurch die Übersetzung aus dem Englischen entfallen oderdie Ungenauigkeiten bei der Verwendung der Begriffe demVerfasser zuzuschreiben ist, muss offen bleiben. Die Erläu-terungen, die Edelson in seinen Kapiteln „Was verstehtman unter Erwachsenen- und Weiterbildung“ bzw. „Ein er-weitertes Verständnis von Erwachsenenbildung“ gibt, klärtseine Verwendung der Begriffe nicht. Auf jeden Fall wäreeine Begriffsklärung für die deutsche Leserschaft am An-fang des Buches hilfreich gewesen. Dies umso mehr, als oftim selben Kontext sowohl von Erwachsenenbildung alsauch von Weiterbildung gesprochen wird, wie auch Be-griffskombinationen wie „Erwachsenen-Weiterbildung“,„berufliche Fortbildung“ und „Berufsweiterbildung“ ohneerkennbare inhaltliche Prägung einfließen. Auch hätte mander Logik der inhaltlichen Ausführungen folgend, einenanderen Buch-Titel wählen sollen.

Abgesehen davon eignet sich die Lektüre vor allem für Per-sonen, die bereits ein Hintergrundwissen über die US-ame-rikanischen Bildungssektoren und deren jeweilige Seg-mente besitzen. Einen Zugewinn an Informationen erhältman aus dem Blickwinkel eines ‚insiders‘ über einzelne,„dynamischen Praxisfeldern“ zugeordnete Bildungsein-richtungen, wie Firmenuniversitäten, Community Colleges,die Universität von Phönix und zum Studium per Internet.Durchaus kritisch beschreibt Edelson, dass mangels staat-licher Förderung nunmehr – wie bei den Firmenuniversitä-ten – ein Bildungsmarkt entsteht, dem sich aus Wettbe-werbsgründen auch die traditionellen, öffentlich geförder-ten Einrichtungen, einschließlich der staatlichen Univer-sitäten, stellen müssen. Bei der schon jetzt existierendenVielfalt privater Bildungsinstitute, die nicht nur unterein-ander, sondern zunehmend auch mit den staatlich geför-derten Einrichtungen konkurrieren, wird die Suche nachMarktvorteilen zum Gebot. Enge Kontakte zu Arbeitgebernund dadurch gute Aussichten bei der Job-Vermittlung fürdie Absolventen werden nach Edelson „schnell zu einer be-rechtigten Alternative traditioneller Institute sowohl im öf-fentlichen als auch im privaten Bereich“ (S. 46). Aus seinerSicht hilft es wenig, wenn „traditionelle Universitäten, ins-besondere die öffentlichen“ (versuchen), „marktorientierteVersuche zu vereiteln“ (S. 49). Nicht ohne Ironie stelltEdelson dann auch die Frage, ob zukünftig neben dem

Kursangebot eines Bildungsinstituts nicht auch dessen Bi-lanz überprüft werden muss, da „Gewinn bringende Insti-tute für ihre Investoren Geld verdienen müssen, bleibt ab-zuwarten, welchen Einfluss fallende Aktienpreise auf ihreExistenz haben werden“ (S. 49).Die Konsequenz einer zunehmenden Vermarktung von Bil-dung sieht der Verfasser darin, dass dadurch die Chancenfür „Schlechtergestellte“ sinken werden (S. 49).

Weiterbildung an Universitäten für Personen ohne akade-mische Ambitionen oder Möglichkeiten wird von Edelsonin mehreren Kapiteln angesprochen. Als Leiter eines Insti-tuts für Berufsentwicklung und Berufsforschung hat sichder Verfasser besonders mit der Weiterbildung von Berufs-tätigen, Arbeitslosen und anderen Gruppen mit Arbeits-marktrisiken befasst. Sehr ausführlich erläutert er daherauch die bundes- und einzelstaatlichen Programme, die so-wohl das Nachholen des High-School-Diploms als auch be-rufliche und akademische Abschlüsse fördern. In dem Ka-pitel „Von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe zur Beschäfti-gung“ legt er dar, welche Erfolge zu verzeichnen sind,wenn Hochschulen Programme für Risikogruppen ent-wickeln. Wie er schon eingangs beschrieben hat, ist es seitBeginn der 90-er Jahre in den USA zu einem Gesinnungs-wandel, im Sinne einer Abkehr von bildungspolitischenFördermaßnahmen, für Problemgruppen gekommen. Miteiniger Bitterkeit, aus der auch sein Grundverständnis vonErwachsenenbildung durchschimmert, vermerkt Edelson,dass der Wert von Weiterbildung in der „Realität der Wirt-schaft und nicht, wie bisher behauptet, in der Moral“ zufinden ist (S. 29). In seiner „Zusammenfassung: ZukünftigePerspektiven der Weiterbildung“ entwickelt der Verfasserin sechs Punkten Modellvorstellungen, die er gegen Ten-denzen einer reinen Marktorientierung und dem damit ein-hergehenden Zwang zur Orientierung der Weiterbildungs-angebote auf die zahlungskräftige Mittelschicht als Ziel-gruppe stellt.

„Weiterbildung in den USA“ ist somit auch ein BekenntnisEdelsons zu den in der amerikanischen Tradition veranker-ten Wertvorstellungen, auch wenn diese, wie er vielfachdarlegt, aktuell durch Konstellationen gefährdet sind, dieaus Lernenden Kunden und Konsumenten und aus den Bil-dungsinstitutionen Wirtschaftsunternehmen machen. Sei-ner Leserschaft und sich selbst spricht er jedoch Mut zu,wenn er abschließend metaphorisch die US-amerikanischeErwachsenenbildung mit einer Amöbe vergleicht, „ohnefeste Grenzen, ständig in sich veränderndem Fluss als Re-aktion auf die entstehenden und unvorhersehbaren Be-dürfnisse der Gesellschaft“ (S. 62).

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Bildungsreform – Experiment oderNotwendigkeit?

Ist Deutschland als hoch technisierter Wirtschafts- undDienstleistungsstandort in der Lage, qualifizierte Fach-kräfte für zukunftsorientierte Wirtschaftszweige auszubil-den? Kann das deutsche Bildungssystem hochwertige Bil-dung als Dienstleistung exportieren? Sind Studienplätzefür IT-Qualifikationen an deutschen Hochschulen auch imAusland gefragt? Welchen Stellenwert hat das deutscheBildungssystem im europäischen und Weltvergleich?Einführung der Orientierungsstufe, Abitur nach 12 oder 13Jahren, Rechtschreibreform – verkommt die Bildung zu ei-nem Experimentierfeld profilierungssüchtiger Politiker?Gebraucht werden komplexe Modelle – allgemeine Regula-rien, die aus Deutschland wieder ein Land hochgeistigerDenker, Forscher und Techniker werden lassen. Grundle-gende Voraussetzungen dazu müssen so früh wie möglichgelegt werden. Gesicherte Grundlagenkenntnisse, funda-mentale Fremdsprachenkenntnisse und der ausgeprägteWille zur Leistungsfähigkeit müssen bereits in der Grund-schule eine solide Basis finden. Der Realschulabschlussmuss ein Qualitätsmerkmal für gesichertes Allgemeinwis-sen sein, das Abitur muss wieder zum Markenzeichen ex-zellenter Fähigkeiten werden.

Und das duale System der Berufsbildung?Im September 1999 wurde Dänemark für sein vorbildlichesAusbildungssystem mit dem Carl Bertelsmann-Preis 1999ausgezeichnet. „Die ehemals gerühmte deutsche Berufsbil-dung ist dringend überholungsbedürftig.“ Symptome seiender Rückgang der Ausbildungsquote, immer schlechtereGrundlagenkenntnisse der Auszubildenden und das in For-malismus erstarrte duale System. Das – zum Teil bezugs-lose – Nebeneinander von Landes- und Bundesregelungenverhindert Synergieeffekte bei der betrieblichen Ausbil-dung. (Mark Wössner: auf dem Festakt zur Verleihung desCarl-Bertelsmann-Preises 1999).

Mangelnde Motivation der Auszubildenden, eine – unterheutigen Bedingungen – völlig fehlorientierte Rolle der Be-rufsschule, die Bedeutungslosigkeit der Zwischenprüfun-gen, die Überalterung der Lehrkräfte, die Engstirnigkeit be-tont firmenorientierter praktischer Ausbildungsinhalte, diemangelnde Zusammenarbeit von Betrieben, Bildungsein-richtungen, Verbänden, Kommunen und staatlicher Kon-trollorgane sind nur einige hervorzuhebende Ursachen fürunzureichende Bildungsergebnisse und ein immer mehranwachsendes Bildungsdefizit sowie daraus resultierendmangelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.Wenn jedoch anteilig steuer- und sozialleistungsbedingteKosten der Ausbildung höher einzuschätzen sind als derEinkauf qualifizierter Fachkräfte aus den sog. Entwick-lungsländern und dieser Einkauf auch noch staatlich sank-tioniert wird, dann ist die „Green card“ das eindeutige Ein-geständnis des Versagens des deutschen Bildungssystems.Vor all diesen Hintergründen gerät zunehmend auch der„Große Befähigungsnachweis – der Meisterbrief“, das prä-gende Qualitätsmerkmal des deutschen Handwerks, in dieSchlagzeilen. Halbherzige Lippenbekenntnisse der Bundes-politiker und Verweise auf mögliche künftige Kompeten-zen der Europäischen Gemeinschaft (Kurt Beck, Minister-präsident Rheinland-Pfalz in: „Norddeutsches Handwerk“,04.05.2000) sind nicht das richtige Konzept zur Stärkungdes deutschen Mittelstandes.

Bildung ist eine Investition in die Zukunft. In Anbetrachtdes notwendigen Bildungsvorlaufs bleibt nicht die Zeit fürlangwierige Überlegungen und bedenkliches Abwägen.Eine Bildungsreform komplexen Ausmaßes und mit kurz-fristig greifbaren Auswirkungen kann nur durch elemen-tare Integration und rationelle Anpassung bestehender Bil-dungssysteme zum Ziel führen.Diesen Weg zu beschreiten, sollte die Politik den Mut unddas Geld finden, bevor Deutschland zum bildungspoliti-schen Entwicklungsland degeneriert.

Peter MichelmannHandwerkskammer SchwerinBerufsbildungs- und Technologiezentrum

54 BWP 5/2000

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in diesem Heft beginnen wir mit einer neuen Rubrik „Ihre Meinung“.In unregelmäßigen Abständen möchten wir hier Ihre Eindrücke,

Kritiken und Anregungen zu den in der BWP angeschnittenen Themen veröffentlichen.

Schreiben Sie uns! Über „Ihre Meinung“ freut sich Die Redaktion der BWP.

Es versteht sich, dass diese Leserbriefe keine redaktionelle Meinungs-äußerung darstellen. Auch behalten wir uns aus Platzgründen eine

Auswahl und Kürzung der Zuschriften vor.

I H R E M E I N U N G

A U T O R E N

DR. WOLFGANG BECKERBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

DR. WILFRIED BRÜGGEMANNBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

JÖRG. E . FEUCHTHOFENDeutscher Industrie- und HandelstagAdenauerallee 14853113 Bonn

DR. HELGA FOSTERBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

PROF. DR. MARGIT FRACKMANNUniversität HannoverWunstorfer Str. 1430453 Hannover

DR. DIETMAR FROMMBERGERFriedrich-Schiller-Universität Jena00740 Jena

SIMONE GRUNOWMesskircherstr. 51a68239 Mannheim

DR. KLAUS HAHNEBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

PROF. DR. RUDOLF HUSEMANNPädagogische Hochschule ErfurtNordhäuser Str. 6399089 Erfurt

JÜRGEN JOCHEMIn der Aue 435080 Bad Endbach

DR. HORST KRAMERBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

WILFRID LAMMERSSiemens BerufsausbildungTechnik Akademie BerlinNonnendammallee 10413629 Berlin

DR. UTE LAUR-ERNSTBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

HANNELORE PAULINI-SCHLOTTAU

Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

MAGRET REYMERSBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

IMPRESSUM

Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis

29. Jahrgang, Heft 5/2000, September/Oktober 2000

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Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

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MICHAEL SANDERForschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung FPBUniversität BremenWilhelm-Herbst-Str. 728359 Bremen

DR. JENS U. SCHMIDTBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

INGRID SCHÖFERBismarckstraße 2897209 Veitshöchheim

JÖRG VEITForschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung FPBUniversität BremenWilhelm-Herbst-Str. 728359 Bremen

DR. MATTHIAS WALTERBundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

BEATE ZELLERbfz BildungsforschungObere Turmstr. 890429 Nürnberg

Herausgeber:Bundesinstitut fürBerufsbildungDer Generalsekretär2000, 180 Seiten, 29,- DMzzgl. VersandkostenISBN 3-7639-0913-3Bestell-Nr. 108.033

Die Veröffentlichungerhalten Sie beimW. Bertelsmann VerlagPostfach 10 06 3333506 BielefeldTelefon 0521 / 91101-11Telefax 0521 / 91101-19E-mail [email protected]

Der vorliegende Banddokumentiert die Redenund Vorträge der Fach-tagung „30 Jahre Berufs-bildungs- und Arbeits-förderungsgesetzgebung.30 Jahre Bundesinstitut für Berufsbildung“.

Anlass der Tagung am24./25. Mai 2000 in Bonnwar das Jubiläum desBundesinstituts. Der Inhalt der Vorträgebietet – über die Darstel-lung der Geschichte desInstituts hinaus – eine kritische Bestands-aufnahme der bisherigenAuswirkungen der Berufs-bildungs- und Arbeits-förderungsgesetzgebung.

Er liefert zudem einenAusblick auf die derzeitigenund künftigen Anforde-rungen an die Berufsbildungund Berufsbildungsfor-schung durch maßgeblicheExperten und Entscheidungs-träger aus Politik, Gesell-schaft und Wissenschaft.Das "plurale" Berufs-bildungssystem mit seinenverschiedenen Ausbildungs-möglichkeiten in Betrieb,Berufsschule, beruflicherVollzeitschule, Lernwerk-statt in Großbetriebensowie in der außer- undüberbetrieblichen Aus-bildung kann seine Attrak-tivität nur dann erhalten,wenn seine Modernisierungweiterhin konsequent vorangetrieben wird.

Attraktiv bleiben muss dasBerufsbildungssystem fürUnternehmen, Verwaltung,Staat und vor allem für die Jugendlichen. SeineZukunft liegt in der Kombi-nation des bewährtenBerufskonzepts mit seinerbreiten beruflichen Grund-qualifikation, von Fachquali-fikation und – als neuemElement – von Modulen.

30 Jahre Bundesinstitut für Berufsbildung

Dokumentation der Fachtagung 24. und 25. Mai 2000