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Foto: © 2013 by Schattenblick Interview am 27. April 2013 in Bremen ... (Seite 7) ... (Seite 8) Proteste geflohener Menschen in München 27. Juni 2013 Refugees setzen ihren Hunger und Durststreik fort über 20 von ihnen im Krankenhaus ... (Seite 4) Erst Flut, dann Dürre, dann Flut ... Auf den Marshallinseln häufen sich die Zeiten des Notstands ... (Seite 6)

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MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Freitag, 28. Juni 2013

Neueste tagesaktuelle Berichte . . . Interviews .. . Kommentare . . . Meinungen .. . . Textbeiträge .. . Dokumente . . .

Foto: © 2013 by Schattenblick

Der Gesellschaftstheoretiker, Poli-tik- und Sozialwissenschaftler Prof.Dr. Jörg Becker untersucht in seinenzahlreichen Schriften unter anderemdie politische Bedeutung von Kom-munikation und Medien für die Ge-sellschaft. Dabei geht er ebenso Fra-gen zur demokratietheoretischen Re-levanz, der politischen Ökonomieund ideologischen Funktion von Me-dien nach, wie er ihr Verhältnis zuKrieg und Frieden kritisch beleuch-

tet. So bemühte er sich in der zusam-men mit Mira Beham verfaßten Un-tersuchung "Operation Balkan. Wer-bung für Krieg und Tod" (2006,2008), die Lücke der völlig unzurei-chenden Aufarbeitung des medialenPropagandafeldzuges während derJugoslawienkriege zumindest einwenig zu schließen. Seine jüngste,im Mai veröffentlichte Publikation"Elisabeth Noelle-Neumann. Zwi-schen NS-Ideologie und Konserva-tismus" stieß unter Parteigängern der2010 verstorbenen Demoskopin auf

Quo vadis NATO? -

Aufklärungsmangel und Demokratiemüdigkeit -

Jörg Becker im Gespräch

Interview am 27. April 2013 in Bremen

Vitali Klitschko lobt David Tuaüber den grünen Klee ... (Seite 7)

Tyson Fury pokert mit David Hayeum die Börse ... (Seite 8)

BÜRGER / TICKER

SPORT / BOXEN

Getretene Würde - unversöhnlichProteste geflohener Menschen inMünchen ­ 27. Juni 2013Refugees setzen ihren Hunger­ undDurststreik fort ­ über 20 von ihnenim Krankenhaus

Wie ein Sprecher der rund 50geflohenen Menschen, die aufdemMünchner Rindermarkt campierenund am vergangenen Samstag einenHungerstreik begonnen haben, densie seit Dienstag noch verschärfthaben, indem sie auch nichts mehrtrinken, am heutigen Donnerstagerklärte ... (Seite 4)

UMWELT / REDAKTION

Das Meer holt sich die Atolle derMarshall-InselnErst Flut, dann Dürre, dann Flut ...Auf den Marshallinseln häufen sichdie Zeiten des Notstands

Wenn die internationale Staatenge-meinschaft nicht rasch entscheiden-de Schritte zur Reduzierung derTreibhausgasemissionen unternimmtund der allgemeinen Erderwärmungentgegentritt, werden im Laufe die-ses Jahrhunderts flache Küstenge-biete und kleinere Inseln als Folgedes Meeresspiegelanstiegs von derLandkarte verschwinden ... (Seite 6)

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wenig Gegenliebe, wie eine Rezen-sion Michael Wolffsohns [1 ] in derFAZ dokumentiert und wie OttoKöhler in einer Rezension in der jun-gen Welt [2] erläutert.

Nach seinem Vortrag zum Thema"Der Umgang der Massenmedienmit dem Krieg - strukturelle Produk-tionsbedingungen" auf dem Kongreß"Quo vadis NATO? - Herausforde-rungen für Demokratie und Recht"[3] beantwortete Jörg Becker demSchattenblick einige Fragen.

Schattenblick: "Content is king" -auf diese Erfolgsrezeptur setzen vie-le Zeitungsmacher. Könnten Sie Ih-re unter dem Begriff "Contentismus"geübte Kritik an dieser Art von In-haltlichkeit erläutern?

Prof. Dr. Jörg Becker: Ich will daseinmal mit dem alten Adorno erklä-ren. Wer in einer Tageszeitung oderin der Tagesschau den dort angebo-tenen Content für bare Münze nimmtund entweder anfängt, diesen so wei-terzugeben, wie man ihn gelesen hat,oder sich auch gerne kritisch im Rah-men dessen, wie man es gerade ver-standen hat, auseinandersetzt - dannheißt das nach Adorno nichts ande-res als Verdopplung von Ideologie.Das leuchtet in Kenntnis all der aber-witzigen organisatorischen, kom-merzialisierten Rahmenbedingungenunserer Medienproduktion ungeheu-er ein. Das heißt, wer nicht anfängt,hinter den Content zu schauen, gehtdem Content auf den Leim. Das istmein Plädoyer.

Ich erinnere mich noch gut daran,als wir in der Germanistik 1968 inMarburg den Professor Kunze ausseiner eigenen Vorlesung rausge-ekelt haben, weil er nichts anderesvortrug als eine literaturimmanenteAuseinandersetzung mit dem"West-östlichen Divan". Das reichtnicht. Man muß an Texte andersherangehen als sie nur Zeile für Zei-le zu lesen und zu interpretieren.Um es simpel zu sagen, man solltesie in ihren gesellschaftlichen Kon-

text stellen - und nichts anderes ha-be ich heute gefordert.

SB: Sie verweisen in ihrem Vortrags-skript auf den Wandel von kritischerTheorie zur Postmoderne. In derenTheoriebildung ist unter anderemvon subjektfreier, sich selbst prozes-sierender Textualität die Rede. Wel-chen Einfluß hat diese EntwicklungIhrer Ansicht nach auf den Journalis-mus und die Medien im allgemei-nen?

JB: Ich denke, das ist eine ziemlichkomplizierte wissenschaftstheoreti-sche Geschichte, über die man dortreden muß. Mir kommen als erstesDebatten über die Selbstreferenziali-tät von Medien in den Kopf. Ich den-ke da an den Soziologen Niklas Luh-mann oder den radikalen Konstruk-tivismus, doch wenn ich diese Theo-rien so übernehme, wie sie mir ange-boten werden, dann lande ich inziemlich unverbindlichen Positio-nen. Da gibt es keine Moral und ei-gentlich auch keine Ästhetik mehr,ganz zu schweigen von irgendwel-chen normativen Debatten. Es gibtsozusagen sich selbst kreierende Bil-der, die Bilder sind, die Bilder sind,die Bilder sind.

Aus der Sicht des allgemeinen Men-schenverstandes halte ich das für ei-ne Frechheit. Wenn ich Bildzeitungs-leser bin, dann möchte ich gerne wis-sen, ob der Hund echt zugebissen hatoder nicht. Dabei interessiert michnicht, ob der Hund selbstreferenziellist, sondern ich möchte wissen, obdie Zähne wirklich scharfwaren. Ichfinde eine derartige Erwartungshal-tung von einem ganz normalen Men-schen völlig in Ordnung. Ein ande-res Denkmodell: Im Irakkrieg habenpostmoderne Philosophen in Frank-reich Sätze losgelassen wie "Kino istKrieg und Krieg ist Kino". Das kannman machen, aber es ist sehr zynischangesichts desjenigen Menschen, dereinen Schuß in den Oberschenkel be-kommen hat und in der Wüste ver-durstet, weil ihm niemand hilft. Ichmag eine Philosophie nicht, die über

das subjektive Leiden eines Ange-schossenen im Krieg mit solchenSätzen hinwegfegt. Das will ichnicht. Das heißt, diese Art von Phi-losophie kennt eigentlich keine Rea-litätsbezüge mehr, und dagegen ver-suche ich anzukämpfen.

SB: Kategorien wie Macht, Herr-schaft, System und Struktur, gesell-schaftliche Widersprüche und mate-rialistische Analysen werden imheutigen Mediengeschäft bestenfallsrandläufig reflektiert. Meinen Sie,daß dieser Mangel einen Einfluß aufdie Arbeit von Journalisten hat?

JB: Natürlich. In diesem Zusammen-hang erwähne ich die Tageszeitungbei mir zu Hause in Solingen: dasSolinger Tageblatt. Wir haben dort inder Hierarchie dieser Zeitung je-mand, der zwei Jobs gleichzeitigausübt: als Chefredakteur und alsVerlagsleiter. In einer solchen Kon-struktion, in der Unternehmensrech-te und journalistische Freiheitsrech-te in der Rollenzuweisung ein undderselben Person aufgehoben sind,kann das Resultat nur eine Beschnei-dung journalistischer Freiheit sein.Dies läuft auf hierarchischen Rollen-zwang hinaus und auf eine Behinde-rung dessen, was unsere Medien lautArtikel fünf des Grundgesetzes zuleisten haben. Doch kann es so nichtmehr funktionieren, wenn man nurnoch danach, was im Hierarchiemo-dell vorgegeben ist, handelt.

SB: Haben Sie speziell die Ver-quickung von ökonomischen undpublizistischen Sphären im Sinn?

JB: Ja, die habe ich sehr wohl imSinn, weil es sowieso eine alte Stra-tegie des Bundesverbandes Deut-scher Zeitungsverleger (BDZV) ist,zwei Dinge miteinander zu verwech-seln. Die Meinungsfreiheit ist etwasganz anderes als die Pressefreiheit.Und beides ergibt sich auch nichtgleichrangig aus dem Grundgesetz.Laut Artikel fünf steht prioritär dieMeinungsfreiheit vor der Pressefrei-heit, so daß völlig klar ist: Die Mei-

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nungsfreiheit ist etwas anderes alsdie Gewerbefreiheit.

SB: Im heutigen Seminar wurde derFriedensjournalismus nach JohanGaltung dem gemeinmachendenJournalismus gegenübergestellt. DerVorwurf, daß sich Journalisten mitden Dingen, über die sie berichten,gemein machen, könnte natürlichauch dem Friedensjournalismus ge-genüber erhoben werden, indem manbehauptet, damit würde ein be-stimmtes Interesse verfolgt, das dieObjektivität und Neutralität der Be-richterstattung beeinträchtigt. Wiebeurteilen Sie die Frage der Positio-nierung im Journalismus?

JB: Man sollte mit einer normativenGrundentscheidung beginnen. Wennman sie getroffen hat, stößt man aufandere Probleme. Die erste normati-ve Grundentscheidung heißt in derTat, wie wir es heute von vielen Völ-kerrechtlern gehört haben, daß dasGrundprinzip von Außenpolitik, vonUNO, von internationaler Politik dasGewaltverbot ist. Dies ist ein norma-tiver Grundsatz. Erst wenn man die-sem folgt, sollten Prinzipien desJournalismus zur Geltung gelangen.Ich würde sehr simple Dinge fordern,und da wären wir schon beim Frie-densjournalismus von Johan Gal-tung. Es geht um die einfache Forde-rung, über die Argumente beiderKriegsparteien zu berichten - wobeies in einem Krieg wenigstens sechsoder acht Seiten gibt. Ich halte es fürselbstverständlich, daß während desKosovokrieges in der FAZ oder inder ZEIT auch einmal ein Orginalin-terview mit einem serbischen Gene-ral abgedruckt wird. Und ich setzeeinen autonomen Leser und Rezipi-enten voraus, der das alleine inter-pretieren kann. Ich brauche keinenredaktionellen Krückstock von ir-gendeinem Chefredakteur, der mirerklärt, wie ich einen serbischen Ge-neral zu verstehen habe. Sicherlichmuß man aufpassen, daß man dienormative Grundhaltung "Gewalt-verbot" nicht zu rigiden, verklemm-ten, kleinsichtigen oder pazifisti-

schen Geschichten verkümmern läßt.Das darf nicht sein, wie es Parteilich-keit überhaupt nur für den Friedengeben sollte. Frieden kann allerdingsunterschiedlich verwirklicht werden.Die Opferseite muß beispielsweiseganz massiv ins Bewußtsein des Le-sers gebracht werden. Das gilt auchfür das öffentlich-rechtliche Fernse-hen.

Wie wir aus der Friedensforschungs-debatte seit langem wissen, gibt espersonale, direkte, indirekte, struktu-relle und persönliche Gewalt und soweiter. Die Fixierung unserer Mas-senmedien aufkriegerische Gewaltist in der Tat höchst fragwürdig. Umbei dem Friedensjournalismuskon-zept von Johan Galtung zu bleiben:Warum ist strukturelle Gewalt nichtder permanente Stachel im Fleischeines Redakteurs, darüber zu schrei-ben, wieviel 1 0.000 Kinder täglichschlicht vor Hunger sterben? Warumist das nicht jeden Tag oder wenig-stens einmal im Monat eine Schlag-zeile wert? Und insofern ist die Fra-ge berechtigt, wie ich Hungeropfernim Verhältnis etwa zu den Opfernvon Anschlägen publizistischenRaum geben kann.

SB: Auf diesem Kongreß wurde sehrviel darüber debattiert, wie sich krie-gerische Interventionen überhauptbegründen lassen. Niemand scheintes allerdings für notwendig zu erach-ten, in einer Hungerzone zu interve-nieren und die notleidenden Men-schen dort vollständig zu ernähren.Zudem sind immer nur bestimmteStaaten und Regierungen in der La-ge, militärische Interventionendurchzuführen, während andere fastimmer davon betroffen sind. Machtdas die völkerrechtliche Debattenicht unglaubwürdig?

JB: Ich will diese Argumentation miteinem anderen Argument ergänzen:Die gedanklich-theoretische Ausein-andersetzung, es könne möglich sein,aus gerechten Gründen einen Kriegzu führen, ist sowohl von katholisch-kirchlicher Seite als auch in der So-

zialwissenschaft bis weit in die 80erJahre als Thema erledigt gewesen.Katholische Kirche und Sozialwis-senschaft waren sich darin einig, daßes keine aus einem gerechten Grundgeführten Kriege gibt. Hierzu möch-te ich sehr deutlich auf die verschie-denen Stellungnahmen des Vatikansverweisen. Wir sind längst wiedervon dieser Position abgewichen. Dieherrschenden Politikkreise führeninzwischen ohne Probleme Kriege,die mit Menschenrechten begründetwerden. Während des Kosovokriegsgab es hierzu spannende Definitio-nen einiger Politiker.

Damit komme ich auf einen anderenGedanken. Ein Soziologe der Uni-versität München hat zutreffend ge-sagt, daß der Kosovokrieg von einerKoalition aus NATO und amnestyinternational geführt wurde. Dasheißt, NGOs, Grasroot-Gruppen, dieberühmte Zivilgesellschaft und ir-gendwelche kirchlichen Kreise hat-ten im Prinzip die gleiche Positionwegen der Menschenrechtsfrage imKosovo wie die NATO. Ohne dieUnterstützung der gesamten zivilge-sellschaftlichen Kräfte wäre die NA-TO-Intervention im Kosovo nichtmöglich gewesen. Es ist ungeheuer-lich, daß auf einmal dieses Tabu"Gerechter Krieg" nicht mehr gilt;ich wiederhole: sowohl bei der NA-TO wie bei amnesty internationalnicht mehr gilt. Im übrigen gibt esintern bei amnesty international seitdem Kosovokrieg Überlegungenüber Ausnahmen vom Gewaltverbot,unter anderem aufgrund der Men-schenrechtsfrage. Das heißt, auch ei-ne so hehre Institution wie amnestyinternational ist längst von herr-schenden Kreisen, deren Anliegen esist, das Gewaltverbot aufzugeben,vereinnahmt worden.

Desweiteren gibt es empirisch eineReihe von Fällen, in denen Regie-rungen gegen Bezahlung bei Public-Relations-Agenturen die Bildungvon Protestgruppen veranlaßt haben.Bekannt sind die sogenannten "Ju-belperser", organisierte Beifallklat-

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scher, die scheinbar eine zivilgesell-schaftliche Mehrheitsmeinung vonunten für das, was die Militärs unddas Pentagon von oben anbieten, ve-hement vertreten. Wenn eine Regie-rung, eine PR-Agentur oder Massen-medien es schaffen, einen geschlos-senen Kreislauf zwischen den Mili-tärs oben und den Kirchengruppenunten herzustellen, dann ist "derSieg" gewiß.

SB: Wie erklären Sie sich, daß diemediale Wirklichkeit sich in ihrerSprachregelung und in ihren Deutun-gen gegenüber einer Bevölkerung,die laut Umfragen keinen Krieg will,durchsetzt?

JB: Einfach gesagt: Weil wir alleMenschen und alle ungeheuer ambi-valent sind. Wir sind nicht einförmig.Wir sagen gleichzeitig ja und nein,wir sind verheiratet und glücklichund betrügen am nächsten Tag unse-re Frau, aber wir sind ein und dersel-

be Mensch. Und so ähnlich ist dasauch bei all diesen Fragen der Medi-enrezeption. Wir sind nicht eindi-mensional, wir sagen zu irgendeinerUmfrage aus demAllensbach-Insti-tut ja, und bei der nächsten Kontroll-frage sagen wir nein. Das heißt, hiergibt es ungeheuer viele Ambivalen-zen. Es kommt darauf an, zu wel-chem Zeitpunkt ich etwas gelesenhabe. Seit Jahren schaue ich die Ta-gesschau doch nur noch, um michüber diesen Theaterkram lustig zumachen. Wer meint, Tagesschau undRezeption von Tagesschau seien einund dasselbe, spricht mir die Auto-nomie ab. Diese Autonomie gebe ichim Prinzip auch jedem Bildzeitungs-leser, der sich in der morgendlichenArbeitspause, wenn es denn über-haupt noch Malocher gibt, an irgend-einer sexistischen Darstellung hoch-zieht und lacht, und eine halbe Stun-de später einer Arbeitskollegin eben-so hilft wie er einem männlichenKollegen helfen würde. Ich warne

davor, den Medienrezipienten alsNullnummer oder als beliebiges Ma-nipulationsobjekt wahrzunehmen.Nein, das ist komplizierter.

SB: Herr Becker, vielen Dank für dasGespräch.

Fußnoten:

[1 ] http://www.faz.net/aktuell/poli-tik/politische-buecher/joerg-becker-elisabeth-noelle-neumann-infame-abrechnung-mit-elisabeth-noelle-neumann-12241325.html

[2] http://www.jungewelt.de/2013/05-31 /022.php

[3] http://www.schattenblick.de/inf-opool/politik/report/prbe0153.html

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0177.html

BÜRGER UND GESELLSCHAFT / TICKER / FLUCHT

Getretene Würde - unversöhnlich

Proteste geflohener Menschen in München ­ 27. Juni 2013

Refugees setzen ihren Hunger­ und Durststreik fort ­ über 20 von ihnen im Krankenhaus

Wie ein Sprecher der rund 50 geflo-henen Menschen, die auf demMünchner Rindermarkt campierenund am vergangenen Samstag einenHungerstreik begonnen haben, densie seit Dienstag noch verschärft ha-ben, indem sie auch nichts mehr trin-ken, am heutigen Donnerstag erklär-te, werden diese Proteste ungeachtetder lebensgefährlichen Situationfortgesetzt. Ein sogenannter "runderTisch", zu dem Vertreter der zustän-digen Behörden mit einem Sprecherder protestierenden Geflohenen zu-sammenkam, verlief am Mittwochergebnislos, zu weit lagen die jewei-ligen Positionen auseinander.

Die aus Nigeria, Äthiopien, Pakistanund weiteren Staaten stammendenAsylbewerber fordern die sofortigeAnerkennung ihrer Asylanträge, wasvon allen beteiligten Behörden schonaus rechtlichen Gründen abgelehntwird. Angeboten wird ihnen einePrüfung ihrer Anträge durch das zu-ständige Bundesamt für Migrationinnerhalb von 14 Tagen.

Bereits am Dienstag war ein Krisen-stab gebildet worden, bestehend ausdem Regierungspräsidenten Chri-stoph Hillenbrand, der Stadt Mün-chen und der Polizei. Dieser Krisen-stab errichtete auf dem Rindermarkt

zwei Zelte für die protestierendenFlüchtlinge - ein Schlaf- und ein Ar-beitszelt - und forderte sie auf, denHungerstreik zu beenden, zuminde-stens aber wieder zu trinken.

Die gesundheitliche Situation derProtestierenden hat sich in den zu-rückliegenden Tagen und Stundenzugespitzt. In der Nacht von Mitt-woch auf Donnerstag sind weiterezehn von ihnen zusammengebro-chen, weil sie nichts getrunken hat-ten. Gegen 16.00 am heutigen Don-nerstag war die Zahl der Hunger- undDurststreikenden, die nach Kreis-laufzusammenbrüchen in Kranken-