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MITTEILUNGEN DER VEREINIGUNG ÖSTERREICHISCHER BIBLIOTHEKARINNEN & BIBLIOTHEKARE 61 (2008) 2 ISSN 1022-2588 Redaktionsschluss für Heft 3 (2008): 31. Juli 2008

61 (2008) 2 - univie.ac.at · der enthaltenen Titel in das Fächerspektrum der Universität pas-sen. − Die Prüfung der angebotenen Sammlungen ergab, dass unter den gegebenen Umständen

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MITTEILUNGEN DER VEREINIGUNG

ÖSTERREICHISCHER BIBLIOTHEKARINNEN & BIBLIOTHEKARE

61 (2008) 2

ISSN 1022-2588

Redaktionsschluss für Heft 3 (2008): 31. Juli 2008

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IMPRESSUM

Medieninhaber, Hersteller und HerausgeberVereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare

Geschäftssitz: Vorarlberger Landesbibliothek Fluherstraße 4, A-6900 Bregenz

Tel: +43 / (0)5574 / 511-44099, Fax: +43 / (0)5574 / 511-44095 E-mail: [email protected], [email protected]

http://www.univie.ac.at/voeb/php

Redaktionsteam

Dr. Josef PauserBibliothek des

VerfassungsgerichtshofsJudenplatz 11, A-1010 Wien

E-Mail: [email protected]

Dr. Eveline PippUniversitätsbibliothek Innsbruck

Innrain 50, A-6010 InnsbruckE-mail: [email protected]

Elektronische Ausgabe unter der URL: http://www.univie.ac.at/voeb/php/publikationen/vm/

DruckSteiger Druck, Lindenweg 37, A-6094 Axams

Tel.: +43-5234-68105, Fax: +43-5234-68105/11E-mail: [email protected]

PreiseJahresabonnement der Mitteilungen ab 2007: 50,– EUR

Einzelheft: 15,– EURAnzeigenpreise: 1/1 Seite: 360,– EUR (Teile entsprechend)

Beilage pro 1.000 Stück bzw. Gesamtauflage: pro Heft: 360,– EUR

Alle in den „Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare“ veröffentlichten Texte stellen die

Meinung der Verfasser, nicht unbedingt die der Redaktion dar.

Cover-Photo „Smoke 1432“ © by Clive Tooth, 2006

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 3

———————————— I N H A L T ————————————

Editorial

Josef Pauser/Eveline Pipp: Das neue Heft 2 ............................................. 6

Beiträge

Adalbert Kirchgäßner: Erwerb elektronischer Bücher ................................ 7Leopold Hayer: Lazarsfeld zitiert: eine bibliometrische Analyse .............. 14Bruno Bauer: Nationale und internationale Kooperationen der

österreichischen Universitätsbibliotheken 2007 ............................. 21Elke Greifeneder: Hilfe auf allen Ebenen. Ein Beitrag zur Forschung

über Online-Hilfen in OPACs ....................................................... 32

Aus der Tätigkeit der VÖB

Einladung zur 58. Generalversammlung der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Biblio thekare ................... 46

Aus den Kommissionen

Margit Sandner: Neues aus der Kommission für Sacherschließung ........ 47

Berichte

Marion Kaufer: 2. Bremer eBook-Tag: Fachtagung rund ums Thema eBook ......................................................................................... 48

Reinhard Buchberger: Bibliotheken in der NS-Zeit. Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Internationale Tagung in Wien, 25.–27. März 2008 ...................................................................... 51

Personalia

Walter Obermaier: Im Gedenken an Gerhard Renner ............................ 56

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 24

Rezensionen

Susan Gibbons: The academic library and the net gen student. Making the connections, Chicago 2007 (Monika Bargmann) ............. 61

Guido Stoye, Tina Schönfelder: BibLibido – eine Liebeserklärung für Bibliothekare. Nach einer Idee von Andrea Nikolaizig, Berlin 2007 (Monika Bargmann) ..................................................... 65

Miloš Vec, Bettina Beer, Eva-Maria Engelen u.a. (Hrsg.): Der Campus-Knigge. Von Abschreiben bis Zweitgutachten, München 2008 (Mario Hütte) ....................................................... 66

Claus Leggewie, Elke Mühlleitner: Die akademische Hintertreppe. Kleines Lexikon des wissenschaftlichen Kommunizierens, Frankfurt u.a. 2007 (Mario Hütte) ................................................. 66

Beate Guba, Unbekannte Portalwelten? Der Wegweiser!, Wiesbaden 2007 (Michael Katzmayr) .............................................. 70

Ralph Lansky, Carl Erich Kesper: Bibliotheksrechtliche Vorschriften. Mit Bibliographie zum Bibliotheksrecht, 4. Aufl., Frankfurt am Main 2006 (Josef Pauser) ............................................................... 72

Anna Weuster: Die Neuregelung der Buchpreisbindung in Deutschland. Eine Gesamtdarstellung und Analyse des Buchpreisbindungsgesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Frage der verfassungs- und europarechtlichen Vereinbarkeit, Stuttgart, München u.a. 2007 (Josef Pauser) .................................. 74

Gabriele Beger: Urheberrecht für Bibliothekare, Eine Handreichung von A–Z, 2. Aufl., München 2007 (Christian Recht) ......................... 76

Gedeon Borsa: Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum qui in Bibliotheca Nationali Austriae asservantur / Katalog der Drucke des 16. Jahrhunderts in der Österreichischen National-bibliothek. Wien NB 16. Bd. II: Deutsches Sprachgebiet: Biblia-Byz, Baden-Baden 2007 (Josef Pauser) .................................. 78

Rafael Ball (Hrsg.): Wissenschaftskommunikation der Zukunft. 4. Konferenz der Zentralbibliothek Forschungszentrum Jülich. 6.–8. November 2007. Beiträge und Poster, Jülich 2007 (Eveline Pipp) ................................................................................ 79

Barbara Lison (Hrsg.): Information und Ethik. Dritter Leipziger Kongress für Information und Bibliothek. Leipzig, 19. bis 22. März 2007, Wiesbaden 2007 (Otto Oberhauser) ....................... 84

Claus Pias und Christian Holtorf (Hrsg.): Escape! Computerspiele als Kulturtechnik, Köln, Wien [u.a.] 2007 (Mark Buzinkay) ........................................................................... 86

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 5

Thorsten Quandt, Jeffrey Wimmer und Jens Wolling (Hrsg.): Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames, Wiesbaden 2007 (Mark Buzinkay) ................................................. 87

Mitteilungen

Neue Führung für die Büchereien Wien ............................................. 89Suche nach der größten privaten Bibliothek im Gemeindebau ............ 90Hauptbücherei: Symposium sieht Potentiale bei Internet-Portalen ...... 90Gehobene Bücherschätze – Der Handschriftenkatalog der ULBT ........ 93Universitätslehrgang Library and Information Studies MSc an der

Universität Innsbruck, Master Thesen 2008 .................................. 97Universitätsbibliothek Salzburg: „… gegen das Vergessen“. Eine Aus-

stellung zur Bücherverbrennung in Salzburg am 30. April 1938 .... 101NIKE – „Netzwerk Initiative Kulturelles Erbe“ ....................................105Nachhaltigkeit der Massenentsäuerung von Bibliotheksgut – Neue

Untersuchung der Deutschen Nationalbibliothek ........................ 107Ausschreibung des VFI-Förderungpreises 2008 ............................... 109

Veranstaltungshinweise

7. Österreichischer Zeitgeschichtetag 2008 (Innsbruck, 28.–31.05.2008) ..................................................... 110

4. EduMedia Fachtagung 2008: Selbstorganisiertes Lernen im interaktiven Web. Lernkultur im Wandel? (St. Virgil, 02.–03.96.2008) ....................................................................... 110

97. Deutscher Bibliothekartag (Mannheim, 03.–06.06.2008) ........... 110 10th International Conference on Science and Technology Indicators:

Excellence and Emergence – A new Challenge for the Combi-nation of Quantitative and Qualitative Approaches (Wien, 17.–20.09.2008) ............................................................ 111

Weltkongress Bibliothek und Information: 74. IFLA General-konferenz und Ratsversammlung (Québec, 10.–15.08.2008) ....... 111

Giftschrank oder Freihand? Über „Schmutz und Schund“ in Bibliotheken (Wien, 09.11.2008) ............................................... 111

11. Internationales Symposium für Informationswissenschaft –ISI 2009: Information: Droge, Ware oder Commons? NeueWertschöpfungsprozesse auf den Informationsmärkten (Konstanz, 01.–03.04.2009) ...................................................... 112

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 26

——————————— E D I T O R I A L ———————————

DAS NEUE HEfT 2

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wieder einmal halten Sie das neue Heft der VÖB-Mitteilungen in den Hän-den. Die Redaktion darf sich vorab bei allen Beiträgerinnen und Beiträ-gern für die zeitgerechte Ablieferung der Texte bedanken. So finden sich diesmal Überlegungen zum Erwerb elektronischer Bücher von Adalbert Kirchgäßner, eine bibliometrische Analyse der Zitierung der Werke von Paul F. Lazarsfeld von Leopold Hayer, ein Überblick über nationale und interna-ationale und interna-tionale Koo perationen der österreichischen Universitätsbibliotheken 2007 von Bruno Bauer sowie einen Beitrag zur Forschung über Online-Hilfen in OPACs von Elke Greifeneder. Letztere wurde für Ihre Magisterarbeit „Effek-tivität und Effizienz von Online-Hilfesystemen in deutschen Universitäts-OPACs“, Humboldt-Universität zu Berlin 2007, übrigens mit dem VFI-För-derungspreis 2007 (Anerkennungspreis) ausgezeichnet. Die Arbeit ist frei verfügbar (http://eprints.rclis.org/archive/00012865/ oder http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract.php?lang=ger&id=28772). Zudem ist sie mittlerweile auch als Buchpublikation erhältlich (Online-Hilfen in OPACs: Analyse deutscher Universitäts-Onlinekataloge. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2007. ISBN 978-3-8364-4674-7).

Im Personalia-Bereich finden Sie den Nachruf auf Dr. Gerhard Renner, Vizedirektor der Wien bibliothek im Rathaus. Verfasst hat diesen Nachruf Dr. Walter Obermaier, ehemaliger Direktor der Wiener Stadt- und Landes-bibliothek und langjähriger Freund von Gerhard Renner. Renner war neben seiner Tätigkeit in der Wienbibliothek auch aktives Mitglied der VÖB, in vielen Kommissionen der VÖB tätig und Vorsitzender der VÖB-Kommissi-on für Landesbiblio theken.

Zusendungen für das nächste Heft der Mitteilungen werden bereits ent-gegengenommen. Bitte beachten Sie den Redaktionsschluss für Heft 3 mit 31. Juli 2008.

Mit freundlichen Grüßen Josef Pauser & Eveline Pipp

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 7

———————————— B E I T R Ä G E ————————————

ERwERB ELEKTRONISCHER BüCHER

von Adalbert Kirchgäßner

Vortrag, gehalten auf dem 2. Bremer E-Book-Tag am 18. Januar 2008

Seit einigen Jahren werden zunehmend mehr wissenschaftliche Bücher in elektronischer Form angeboten. Die Bibliothek der Universität Konstanz war in den letzten Jahren – wie die meisten anderen Bibliotheken auch – sehr zurückhaltend beim Erwerb dieser Medienform. Dies hatte fol-gende Gründe: Seit Mitte der neunziger Jahre bis Ende des Jahres 2006 schrumpften die Erwerbungsmittel stetig – 2006 hatte die Bibliothek den geringsten Bandzugang seit ihrem Bestehen. Zudem war das Angebot sehr unübersichtlich. Die Verlage wissen bis heute noch nicht, wie langfristig tragfähige Geschäftsmodelle für diese Angebote aussehen werden. Auch die technische Seite war ebenfalls noch in der Entwicklung.

Zu Beginn des Jahres 2007 hatte sich die Situation für die Bibliothek der Universität Konstanz deutlich geändert. Die Universität hatte entschie-den, dass die Bibliothek aus den Studiengebühren etwa 400.000 Euro zu-sätzliche Literaturmittel bekommt. Die Bibliothek wollte diese zusätzlichen Mittel zum Teil dafür einsetzen, ein Angebot an elektronischen Büchern zu beschaffen und bereitzustellen.

In den Jahren zuvor wurde eingehend beobachtet, was angeboten wird und wie die anderen Bibliotheken mit diesen Angeboten umgegangen sind. In verschiedenen Arbeitsgruppen und Veranstaltungen wurden die Erfah-rungen mit den Angeboten elektronischer Bücher ausgetauscht, sowohl die Erfahrungen mit den Verlagen und deren sehr unterschiedlichen Geschäfts-modellen als auch die Erfahrungen, wie die Benutzer auf die verschiedenen Angebote reagiert haben. Aus diesen Beobachtungen, den Erfahrungen anderer Bibliotheken und eigenen Überlegungen wurden folgende Erwer-bungsgrundsätze entwickelt, auf die sich unsere Bibliothek für den Einkauf elektronischer Bücher verständigte:

1. Kein Ausleihverfahren.2. Keine geschützten PDFs, die Druck und Kopie aus den Dokumenten

unzumutbar behinderten.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 28

3. Kauf sollte bevorzugt werden, dass heißt, die laufenden Kosten der Nutzung sollten nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten aus-machen. Die kommenden Jahre sollten nicht durch hohe Folgeko-sten vorbelastet werden.

4. Zeitnahe Veröffentlichung zu den Druckausgaben.5. Ergänzung der Lehr- und Referenzwerke mit dem Ziel, die Anzahl der

Mehrfachexemplare zu verringern.6. Transparente Kostenstrukturen: Subskriptionen mit Folgekosten nur

für Werke, die laufend aktualisiert werden.7. Möglichst keine laufenden Ausgaben für die Nutzung der Bücher auf

den Verlagsservern. Die Folgekosten sollten in einem vertretbaren Verhältnis zum Aktualisierungsaufwand des Verlages stehen.

8. Freischaltung der Universität, keine Einschränkung auf technisch be-stimmte Arbeitsplätze, langfristig wird Shibboleth-Authentifizierung angestrebt.

Die Bibliothek hatte seit 1986 einen mehr oder weniger konstanten Etat. In den Jahren 1986, 1996 und 2006 lag der Literaturetat jeweils auf etwa der gleichen Höhe, Zuwächse in einigen Jahren wurden durch darauf folgende Sparmaßnahmen jeweils wieder zurückgenommen. Das Land Baden-Württemberg hat im Jahr 2007 allgemeine Studiengebühren ein-geführt, die zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden sollten. Die Universität Konstanz entschied, dass die Bibliothek aus diesen Mitteln für 2007 400.000 Euro für die studentische Literaturversorgung bekommt. Dies eröffnete der Bibliothek die Möglichkeit, zusätzlich zu ver-mehrten Käufen gedruckter Lehrbücher auch elektronische Bücher zu be-schaffen.

Die Bibliothek hat daraufhin die Angebote elektronischer Bücher unter folgenden Gesichtspunkten überprüft:

1. Sammlungen bzw. Pakete elektronischer Bücher:− Es sollten keine zu umfangreichen Parallelbeschaffungen zu be-

reits vorhandenen gedruckten Beständen vorgenommen werden.− In zu beschaffenden Sammlungen sollten mindesten die Hälfte

der enthaltenen Titel in das Fächerspektrum der Universität pas-sen.

− Die Prüfung der angebotenen Sammlungen ergab, dass unter den gegebenen Umständen nur zwei von Oxford angebotene Pakete beschafft werden sollten.

2. Einzeltitel sollten vorerst nur über eine Plattform beschafft werden, um den Beschaffungs- und Bearbeitungsaufwand in vertretbaren

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Grenzen halten zu können. Dementsprechend wurde untersucht, auf welchen Plattformen zu welchen Bedingungen elektronische Bücher angeboten werden. Die Wahl fiel auf die Firma Missing Link, die Buchkäufe auf der Plattform MyiLibrary vermittelt. Zusätzlich bietet sie eine Oberfläche Milibib an, in die auch die Metadaten elektro-nischer Bücher, die auf anderen Plattformen liegen, eingebunden werden können. Für diese Entscheidung war ausschlaggebend, dass diese Plattform einen Campuszugang bietet, ein sehr großes Titelan-gebot hat und über die Milibib erschlossen ist. Diese Milibib bietet auch die Möglichkeit, diese analog zur EZB als Katalog der elektro-nischen Bücher in das Web-Angebot der Bibliothek einzubinden.

Diese Vorbereitungen waren im Sommer 2007 abgeschlossen. Bevor wir diese Überlegungen umsetzen konnten, kam eine weitere, nicht erwartete Mittelzuweisung hinzu. Der Universität wurden vom Ministerium Restmit-tel aus Langzeitstudiengebühren zugewiesen, die noch innerhalb des Jah-res 2007 zur Verbesserung der Studienbedingungen ausgegeben werden sollten. Von diesen Mitteln erhielt die Bibliothek über 200.000 Euro für die Verbesserung der Literaturversorgung. Diese Mittel konnten in der kurzen, verfügbaren Zeit nicht über die normale Mittelverteilung der Fächer ver-ausgabt werden. Deshalb wurde beschlossen, diese Mittel zum Teil zur Beschaffung zusätzlicher elektronischer Bücher einzusetzen. Damit sollte erreicht werden, dass mit der Einführung elektronischer Bücher von vorn-herein eine kritische Menge als Angebot verfügbar sein wird. Um dies zu erreichen wurden nun die angebotenen Pakete unter den neuen Vorgaben nochmals überprüft:

− Nun sollte ausreichen, dass nur ein Drittel der enthaltenen Titel für unsere Universität fachlich interessant ist, und

− zu bereits vorhandenen gedruckten Bestände sollten elektronische Parallelausgaben beschafft werden, soweit in den betroffenen Fä-chern eine Nutzung zu erwarten ist.

Ausgewählt wurden zehn Fachpakete, etwa 500 Einzeltitel des Aggrega-tors MyiLibrary sowie weitere Einzeltitel und Lexikas weiterer Anbieter.

Diese veränderten Vorgaben wurden wie folgt umgesetzt:− Die Auswahl erfolgte durch die Fachreferenten ohne Vorakzession.

Da bisher keine elektronischen Bücher beschafft worden waren, war die Dublettengefahr kaum gegeben.

− Die Beschaffung wurde nach der Auswahl vom Erwerbungsleiter di-rekt mit den Lieferanten bis zum Vertragsabschluss verhandelt, ohne die Vorgänge im Bibliothekssystem zu bearbeiten.

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− Die Rechnungsbearbeitung erfolgte, indem für die Sammlungen fik-tive Gesamtheiten inventarisiert wurden, ohne die Einzeltitel zu be-arbeiten.

− Die Freischaltung erfolgte über die Milibib von Missing Link, auch für die Pakete, deren Einzeltitel auf den Verlagsplattformen liegen. Dieser Zugang soll genutzt werden, bis in der Bibliothek entschieden worden ist, wie die (Einzel-)Titel künftig im Bibliotheksangebot an-geboten werden sollen.

Diese vereinfachte Verfahrensweise war nur möglich, da bisher keine elektronischen Bücher vorhanden waren. Deshalb wird dieses vereinfachte Verfahren in künftigen Jahren auch nicht mehr möglich sein.

Die Ende 2007 beschafften elektronischen Bücher sind für unsere Be-nutzer verfügbar. Damit dieses Angebot nun auch gut genutzt wird, muss noch einiges geschehen. Vorläufig wird die Milibib als elektronischer Bü-cherkatalog analog zur EZB parallel zu unserem OPAC angeboten. Es ist geplant, zu Beginn des Sommersemesters für dieses Angebot breit zu werben, um möglichst viele Nutzer darauf aufmerksam zu machen. Nach den Erfahrungen anderer Bibliotheken ist es zweckmäßig, zur Einführung dieses Angebotes die Titel in einem eigenen Verzeichnis auf der WEB-Seite der Bibliothek an einer deutlich sichtbaren Stelle zu platzieren. Dies wird mit der Einbindung der Milibib in unser Angebot geleistet.

Weiter ist zu klären, wie das Angebot elektronischer Bücher auf Dauer in das Bibliotheksangebot eingebunden werden soll. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:

− Die Plattform eines Dienstleisters nutzen,− eine separate lokale Datenbank aufbauen, oder− alle elektronischen Titel in den OPAC einspielen.Die Erfahrung anderer Bibliotheken hat gezeigt, dass es zwar für die

Einführung günstig ist, die elektronischen Bücher in einem eigenen Ver-zeichnis anzubieten. Auf Dauer aber ist es zweckmäßiger, diese Bücher ge-meinsam mit den gedruckten Beständen im Katalog nachzuweisen. Auch dann, wenn die Titel der elektronischen Bücher weiterhin in einem eigenen Verzeichnis angeboten werden, unabhängig davon ob auf einer Händler-plattform oder in einem eigenen Parrallelopac, muss eine gemeinsame Su-che über alle Bestände der Bibliothek möglich sein.

In diesem Jahr wird die Bibliothek sicher wieder elektronische Bücher kaufen. Dies kann nicht mehr in der Form wie im letzten Jahr erfolgen.

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Einerseits gibt es inzwischen Vorgänger, andererseits wird die Bibliothek vermutlich nicht wieder Sondermittel in dieser Höhe bekommen. Deshalb wird die Beschaffung anders verlaufen:

− Einzeltitelauswahl hat Vorrang vor Paketkäufen.− Vor allen Bestellungen wird eine Bestandsüberprüfung erforderlich

sein. Wie die Vorakzession durchgeführt werden kann, hängt wiede-rum davon ab, wie die Nachweissituation in der Bibliothek ist, d.h. welche Kataloge wir aufbauen und nutzen werden.

− In der Bibliothek ist ein Arbeitsablauf zu etablieren, der parallel zur Beschaffung und Bearbeitung der gedruckten Bücher einzurichten ist. In diesem Arbeitsablauf sind die Besonderheiten der elektronischen Bücher und deren Beschaffung und Bearbeitung zu berücksichtigen. Die elektronischen Bücher werden vorerst von den Bearbeiterinnen der elektronischen Medien eingekauft und bearbeitet werden. Aber der Arbeitsablauf ist so zu gestalten, dass später in allen Fachteams auch elektronische Bücher beschafft werden können.

− Eine Lizenzverwaltung ist aufzubauen. Diese muss die Nutzungsbe-dingungen in formalisierter Form erfassen und für befristete Lizenzen Wiedervorlagefunktionen enthalten.

Die Diskussion in der Bibliothek und mit anderen Bibliotheken sowie die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr führten dazu, dass an die künf-tige Beschaffung elektronischer Bücher aus Sicht der Bibliotheken folgende Anforderungen zu stellen sind:

− Die Bibliotheken müssen jeweils für sich einen Anforderungskatalog erarbeiten, den sie der Beschaffung zu Grunde legen: Unsere Biblio-thek wird diesen ausgehend von den oben aufgeführten Anforde-rungen nochmals intern diskutieren.

− Unsere Bibliothek wird bevorzugt Inhalte kaufen. Diese sollen platt-formunabhängig bereitgestellt werden können. Es sollte möglich sein, die gekauften Inhalte ausliefern zu lassen, um sie später in einem eigenen System oder in dem System eines zu beauftragenden Dienstleisters bereitzustellen. Das dazu eingesetzte System muss eine Rechteverwaltung enthalten, die die vereinbarten Nutzungsbe-dingungen sicherstellen kann.

− Zusammen mit den Händlern sind die Beschaffungswege neu zu ge-stalten. Es sollte möglich sein, die Inhalte direkt auf den Plattformen der Verlage oder Aggregatoren auszuwählen. Die Bereitstellung und/oder Freischaltung sollte vom Händler vorgenommen werden, der dann die ausgewählten Titel in einer periodisch zu erstellenden Sam-

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 212

melrechnung in Rechnung stellt. Einzelbearbeitung sollte vermieden werden. Die Metadaten und die Zugriffsadressen sollten automati-siert über den zuständigen Verbund in die lokalen Kataloge geliefert werden.

− Der Nachweis der Titeldaten sollte weitgehend automatisiert erfol-gen. Titeldaten aus Titelgesamtheiten (Bücherpakete) sind von den Verlagen, Aggregatoren oder Händlern an die Verbünde zu liefern, dort maschinell anzusigeln und an die lokalen Kataloge durchzurei-chen. Ebenso sind ausgewählte Einzeltitel mit Kennung der bestel-lenden Bibliothek über die Verbünde an die lokalen Kataloge weiter-zuleiten.

− Die Bibliotheken sollten (nochmals) prüfen, ob es für sie zweckmä-ßig ist, einen zentralen Katalog der elektronischen Bücher analog zur EZB aufzubauen, um die Arbeit durch Kooperation zu minimieren. Die bayerische Arbeitsgruppe für elektronische Bücher hat die Ent-wicklung eines solchen Kataloges schon einmal geprüft und einen ge-meinsame „Elektronische BücherBibliothek“ (EBB) verworfen. Mög-licherweise ändern sich die Sichtweisen, wenn mehr Erfahrungen mit diesen Materialien gewonnen wurden. Ein solcher Katalog könnte als Gesamtkatalog aufgebaut werden, der den Verbundkatalog ana-log zur ZDB beliefert. Gespeist werden sollte diese zentrale EBB vor allem durch Metadaten der Verlage. Auch ist es denkbar, für die Einzelbibliothek eine solche EBB als spezielle Sicht auf den Katalog ihres zuständigen Verbundes zu realisieren.

Die Nutzungsmöglichkeiten für die Bibliothekskunden sind deutlich zu verbessern:

− Die berechtigten Nutzer der Bibliotheken sollen standortunabhän-gig auf die von ihrer Bibliothek für sie bereitgestellten elektronischen Bestände zugreifen können. Dies wird durch die Realisierung der Shibboleth-Authorisierung möglich werden.

− Die Blätter- und Suchfunktionen aller elektronischen Medien sollten benutzerfreundlich gestaltet werden. Behinderungen in der Form, dass jede Seite einzeln mit entsprechenden Wartezeiten aufgeblättert werden muss und beim schnellen Blättern und Suchen dem Benutzer der Zugriff verweigert wird, können auf Dauer nicht hingenommen werden.

− Das Kopieren und Weiterverarbeiten von Textteilen in den eigenen Ausarbeitungen der Benutzer muss ermöglicht werden. Ebenso sind benutzerfreundliche Druckfunktionen bereitzustellen.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 13

− Und es sind Verfahrensweisen zu entwickeln, die die Fernleihe der gedruckten Medien ersetzen können. Denn auch in Zukunft werden die Bibliotheken darauf angewiesen sein, sich gegenseitig zu unter-stützen, um punktuellen Bedarf ihrer Benutzer zu befriedigen.

Die Bibliotheken, die Händler und die Verlage werden noch einiges tun müssen, damit die Vorteile der elektronischen Bücher zum Tragen kommen und den Nutzern der Bibliotheken in vollem Umfang bereitgestellt werden können.

Dr. Adalbert KirchgäßnerErwerbungsleiter/Bibliothek der Universität Konstanz

Universitätsstraße 10, D-78457 Konstanz e-mail: [email protected]

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 214

LAzARSfELD zITIERT: EINE BIBLIOMETRISCHE ANALySE1

von Leopold Hayer

Um sich einer Antwort auf die Frage anzunähern, welche Bedeutung der Nachlass eines Wissenschaftlers wie jener Paul F. Lazarsfelds (mit zahl-reichen noch unveröffentlichten Schriften) für die aktuelle Forschung ha-ben könne, kann untersucht werden, wie häufig dieser Wissenschaftler zitiert wird. Wenn ein Autor zitiert wird, wird er auch genutzt. Wird er über einen langen Zeitraum oft genutzt, ist vermutlich auch die Auseinan-dersetzung mit seinem Nachlass von Nutzen. Außerdem kann aufgrund der Zitierungen festgestellt werden, was aus dem Lebenswerk eines Wis-senschaftlers für die aktuelle Forschung relevant erscheint. Daraus können die vordringlichen Fragestellungen in der Bearbeitung des Nachlasses ab-geleitet werden.

Die Aufgabe für die folgende Untersuchung lautete daher: Wie oft wird Paul F. Lazarsfeld zitiert? Dabei interessierte auch: Wer zitiert wo?

Die Untersuchung wurde mit Hilfe der Meta-Datenbank „ISI Web of Knowledge“ durchgeführt. In dieser wurde im „Web of Science“ mit dem Werkzeug „Cited Reference Search“ nach dem zitierten Autor (Cited Aut-hor) „Lazarsfeld P*“ gesucht. Diese Suche ergab 1535 Referenzen (Re-ferences). Werden alle Referenzen gewählt, führt dies zu 4839 Ergebnis-sen (Results).2 Dabei wurden die Datenbanken SCI-Expanded, SSCI und A&HCI verwendet.

Bei dieser Suche wurden die Publikationsjahre 1941–2008 analysiert. Vor 1956 wurden allerdings nur sehr wenige Zitate gefunden: 1946 fünf, ansonsten maximal drei, 1942–1944 und 1949 überhaupt keines. Zudem ist das Jahr 2008 noch lange nicht zu Ende. (Es gab jedoch schon vor Ende März 24 Zitate!)

Die weitere Analyse wurde auf die Publikationsjahre 1956–2007 be-schränkt. Diese Beschränkung führt zu 4793 Ergebnissen.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 15

Tabelle 1/Abb. 1: Zitierungen Lazarsfelds nach Publikationsjahren (1956–2007)

Publication Year Record Count1956 541957 351958 531959 531960 611961 651962 891963 701964 631965 931966 881967 911968 1301969 981970 1411971 1121972 1111973 961974 1201975 1181976 1251977 1341978 1071979 1071980 1081981 1171982 791983 1061984 931985 811986 871987 1001988 751989 791990 831991 911992 701993 721994 851995 731996 891997 811998 1011999 952000 832001 912002 772003 892004 1032005 1012006 1352007 135

5435

5353

6165

8970

6393

8891

13098

141112111

96120118

125134

107107108

11779

10693

8187

100757983

917072

8573

8981

10195

8391

7789

103101

135135

1956

1958

1960

1962

1964

1966

1968

1970

1972

1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

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0 50 100

150

Records

Publ

icat

ion

Year

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 216

Die Frage, in welchen Sachgebieten Paul F. Lazarsfeld in den Jahren 1956–2007 zitiert wurde, liefert folgendes Ergebnis:

Tabelle 2: Zitierungen Lazarsfelds nach Sachgebieten (1956–2007)

Subject Area Record CountSOCIOLOGY 1215POLITICAL SCIENCE 756COMMUNICATION 583SOCIAL SCIENCES, INTERDISCIPLINARY 554SOCIAL SCIENCES, MATHEMATICAL METHODS 233STATISTICS & PROBABILITY 230EDUCATION & EDUCATIONAL RESEARCH 224BUSINESS 210PSYCHOLOGY, SOCIAL 206MATHEMATICS, INTERDISCIPLINARY APPLICATIONS 199PSYCHOLOGY 183PSYCHOLOGY, MULTIDISCIPLINARY 171PSYCHOLOGY, MATHEMATICAL 157MANAGEMENT 147PUBLIC, ENVIRONMENTAL & OCCUPATIONAL HEALTH 144ECONOMICS 110weitere Sachgebiete mit weniger als 100 Zitierungen 1845

Abbildung 2: Zitierungen Lazarsfelds nach Sachgebieten (1956–2007)

PSYCHOLOGY

PSYCHOLOGY, MULTIDISCIPLINARY

PSYCHOLOGY, SOCIAL

MATHEMATICS, INTERDISCIPLINARY

APPLICATIONS BUSINESS

SOCIOLOGY

POLITICAL SCIENCE

COMMUNICATION

SOCIAL SCIENCES, INTERDISCIPLINARY

SOCIAL SCIENCES, MATHEMATICAL

METHODS

STATISTICS & PROBABILITY

EDUCATION & EDUCATIONAL

RESEARCH

PSYCHOLOGY, MATHEMATICAL

MANAGEMENT

PUBLIC, ENVIRONMENTAL &

OCCUPATIONAL HEALTH

ECONOMICS

weitere Sachgebiete mit weniger als 100

Zitierungen

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 17

Interessant ist weiters, in welchen (zehn) Zeitschriften Paul F. Lazarsfeld am häufigsten zitiert wurde:

Tabelle 3: Die zehn Zeitschriften mit den häufigsten Zitierungen Lazarsfelds (1956–2007)

Source Title Record CountPUBLIC OPINION QUARTERLY 134AMERICAN SOCIOLOGICAL REVIEW 113AMERICAN JOURNAL OF SOCIOLOGY 99SOCIAL FORCES 85JOURNALISM QUARTERLY 79PSYCHOMETRIKA 77AMERICAN POLITICAL SCIENCE REVIEW 67JOURNAL OF COMMUNICATION 64QUALITY & QUANTITY 60KOLNER ZEITSCHRIFT FUR SOZIOLOGIE UND SOZIALPSY-CHOLOGIE 49

Folgende (neunzehn) Autoren haben Paul F. Lazarsfeld am häufigsten zitiert (inklusive Anonymus an fünfter Stelle):

Tabelle 4: Autoren, die Lazarsfeld am häufigsten zitierten (1956–2007)

Author Record CountFORMANN, AK 20

SMITH, RB 17GOODMAN, LA 16

KATZ, E 16[ANON] 15

MANTON, KG 15SUITOR, JJ 14

BOUDON, R 13HUCKFELDT, R 13

LIPSET, SM 13ROGERS, EM 13CHAFFEE, SH 12

MCDONALD, RP 12PILLEMER, K 12CLOGG, CC 11

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 218

LANGEHEINE, R 11SEARS, DO 11

GRANBERG, D 10WOODBURY, MA 10

Für die Wissenschaftsforschung interessante Ergebnisse liefert das Werkzeug „Create Citation Report“: Demzufolge wurden die 4793 zitie-renden Dokumente ihrerseits in insgesamt 60.785 Artikel (ohne Selbst-zitate in 58.358 Artikel) zitiert. Insgesamt wurden die zitierenden Doku-mente 79.452mal – im Mittel jedes Dokument also 16,58mal – zitiert.

Dass Paul F. Lazarsfelds Schriften auch 32 Jahre nach seinem Tod noch ausgiebig genützt werden, scheint auf der Hand zu liegen. Es interessiert nun allerdings die Frage, ob er überdurchschnittlich, normal oder unter-durchschnittlich genützt wird. Einer Antwort auf diese Frage kann man sich mit Hilfe der „Science Citation Indicators“ annähern. Diese werden im ISI Web of Knowledge für die Periode 1997–2007 berechnet.

Für einen Vergleich sind die 1091 Zitierungen Lazarsfelds der Jahre 1997–2007 heranzuziehen:

Tabelle 5: Zitierungen Lazarsfelds nach Publikationsjahren (1997–2007)

Publication Year Record Count1997 811998 1011999 952000 832001 912002 772003 892004 1032005 1012006 1352007 135

In den letzten Jahren war die Soziologie nicht mehr so dominant wie in den vierzig Jahren davor. (Für die Wissenschaftsforschung wäre nun eine Zeitreihenanalyse nach Sachgebieten interessant.) Die zehn am häufigsten genannten Sachgebiete sind:

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 19

Tabelle 6: Die zehn Sachgebiete mit den häufigsten Zitierungen Lazarsfelds 1997–2007

Subject Area Record CountPOLITICAL SCIENCE 222SOCIOLOGY 194COMMUNICATION 169SOCIAL SCIENCES, INTERDISCIPLINARY 79STATISTICS & PROBABILITY 72SOCIAL SCIENCES, MATHEMATICAL METHODS 58MATHEMATICS, INTERDISCIPLINARY APPLICATIONS 46PSYCHOLOGY, SOCIAL 46MANAGEMENT 41PUBLIC, ENVIRONMENTAL & OCCUPATIONAL HEALTH 41

In der Regel handelt es sich bei diesen (und bei den Sachgebieten mit weniger als 40 Zitierungen) um Sozialwissenschaften. Wo steht Paul F. La-zarsfeld?

Laut dem Citation Ranking im Werkzeug „Essential Science Indicator“ sind die folgenden die zwanzig meistzitierten Autoren:

Tabelle 7: Ranking der meistzitierten Autoren in den Sozialwissenschaften 1997–2007

Scientist Papers Citations1 SAMPSON, RJ 21 25492 WECHSLER, H 49 19003 GURALNIK, JM 80 18154 SUNSTEIN, CR 99 17905 RAUDENBUSH, SW 20 17516 BATES, DW 65 15387 LYNN, J 61 15178 EARLS, F 4 14489 IDLER, EL 8 1371

10 WILLIAMS, DR 38 136011 MOR, V 59 132712 BENYAMINI, Y 8 121913 HAYS, RD 65 117314 SMITH, A 159 115615 PORTES, A 21 1149

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 220

16 PHILLIPS, RS 32 113917 FERRUCCI, L 46 109018 KAWACHI, I 38 108019 FRIED, LP 41 107220 LEE, H 63 1045

Paul F. Lazarsfeld stünde mit 1091 Zitierungen an der 17. Stelle, und es stellt sich die Frage, warum er hier nicht aufscheint. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass er ein überdurchschnittlich häufig zitierter und genutzter Autor ist.

Dies legt den Schluss nahe, dass sein Nachlass und dessen Bearbeitung von eminenter Bedeutung ist. Dagegen wäre es aber unzulässig, einem wenig zitierten Autor geringere Bedeutung zuzusprechen. Er könnte noch unentdeckt oder noch unerkannt sein. Dafür gibt es in der Wissenschafts-geschichte einige Beispiele.

Mag. Leopold HayerPaul F. Lazarsfeld Archiv / Universität Wien

A-1090 Wien, Rooseveltplatz 2E-Mail: [email protected]

1 Eine erste Version dieses Beitrages wurde im Rahmen des Interuniver-Eine erste Version dieses Beitrages wurde im Rahmen des Interuniver-sitären Universitätslehrganges „Master of Science (MSc) Library and Information Studies“ Ende März 2008 verfasst. Seither haben sich die Zahlen im ISI Web of Knowledge für die Jahre 2007 und 2008 schon wieder geringfügig verändert. In dem vorliegenden Beitrag wurden al-lerdings noch die früheren Ergebnisse dargestellt. Ich danke Herrn Dr. Juan Gorraiz (Österreichische Zentralbibliothek für Physik) für seine Anregungen und Hinweise sehr herzlich.

2 Die Auswahl darf allerdings nicht (allein) mit dem Werkzeug „Select All“ durchgeführt werden. Dieses Werkzeug wählt nur die ersten 500 Referenzen aus.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 21

NATIONALE UND INTERNATIONALE KOOPERATIONEN DER ÖSTERREICHISCHEN UNIVERSITäTSBIBLIOTHEKEN 20071

Von Bruno Bauer

1. Einleitung

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Entwicklung des Jahres 2007 an den 20 Universitätsbibliotheken der 21 bundesstaatlichen Universitäten in Österreich. Einen Sonderfall stellt die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol2 dar, die seit der Errichtung der Medizinischen Universität Innsbruck 2004 als größte wissenschaftliche Bibliothek Westösterreichs für beide In-nsbrucker Universitäten die Literatur- und Informationsversorgung über-nommen hat.

Universitätsbibliotheken an bundesstaatlichen Universitäten:— Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz (http://ub.uni-graz.at/) — Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz (http://www.meduni-graz.at/bmed/)— Universitätsbibliothek der Technischen Universität Graz (http://www.ub.tugraz.at/)— Universitätsbibliothek der Universität für Musik und Darstellende

Kunst Graz (http://ubportal.kug.ac.at/)— Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck (http://www.uibk.ac.at/ub/)— Universitätsbibliothek der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (http://www.uni-klu.ac.at/)— Universitätsbibliothek der Montanuniversität Leoben (http://www.mu-leoben.at/index.php?option=com_content&task=

view&id=370&Itemid=974) — Universitätsbibliothek der Johannes Kepler Universität Linz (http://www.ubl.jku.at/)— Universitätsbibliothek der Universität für Künstlerische und Industri-

elle Gestaltung Linz (http://www.ufg.ac.at/universitaetsbibliothek.bibliothek.0.html)— Universitätsbibliothek Salzburg (http://www.uni-salzburg.at/portal/page?_pageid=147,76259&_

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 222

dad=portal&_schema=PORTAL)— Universitätsbibliothek der Universität Mozarteum Salzburg (http://www.moz.ac.at/german/library/)— Universitätsbibliothek Wien (http://www.ub.univie.ac.at/)— Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien (http://ub.meduniwien.ac.at)— Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien (http://www.ub.tuwien.ac.at/)— Universitätsbibliothek der Universität für Bodenkultur (http://www.boku.ac.at/bib.html)— Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien (http://www.vu-wien.ac.at/bibl/)— Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien (http://www.wu-wien.ac.at/bib/wubib.html)— Universitätsbibliothek der Akademie der Bildenden Künste Wien (http://www.akbild.ac.at/Portal/einrichtungen/universitatsbiblio-

thek)— Universitätsbibliothek der Universität für Angewandte Kunst Wien

(http://bibserver.uni-ak.ac.at/hbaw/einstieg.html)— Universitätsbibliothek der Universität für Musik und Darstellende

Kunst Wien (http://www.mdw.ac.at/bib/)

Die auf universitäre Weiterbildung spezialisierte, 1994 gegründete Donau-Universität Krems (http://www.donau-uni.ac.at/) hat einen Sonderstatus; sie ist eine öffentliche Universität mit privatwirtschaftlicher Organisation und einem Eigenfinanzierungsanteil von ca. 75 %.

2. Universitätsgesetz 2002 und die bundesstaatlichen Universitäten

Im September 2007 endete für die 21 bundesstaatlichen Universitäten in Österreich die erste Rektoratsperiode nach der Implementierung des neuen Universitätsgesetzes (UG 2002)3, das mit 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist. Mit dem UG 2002 wurden die österreichischen Universitäten, einem internationalen Trend folgend, in die Vollrechtsfähigkeit entlassen. Seither besteht an den Universitäten als drittes Leitungsgremium neben Rektorat und Senat mit dem Universitätsrat ein strategisches Organ, das ähnlich einem Aufsichtsrat agiert und auch kontrollierende Aufgaben wahrnimmt. Vom Universitätsrat werden der Entwicklungsplan, der Organisationsplan,

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 23

der Entwurf der Leistungsvereinbarung der Universität sowie die Geschäfts-ordnung des Rektorates genehmigt; weiters obliegt ihm die Wahl des Rek-tors aus dem Dreiervorschlag des Senates.

Neu geregelt ist auch das Zusammenspiel zwischen den einzelnen bun-desstaatlichen Universitäten und dem Staat, der eine deutliche Bewegung weg von den Verwaltung und Führung der Universitäten durch Verord-nungen und Gesetze hin zu einem strategischen Management in den Uni-versitäten gemacht hat.

In diesem Zusammenhang ist als ein Kernstück des neuen UG 2002 die Leistungsvereinbarung des Bundes mit den bundesstaatlichen Univer-sitäten zu nennen, der eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung der Universitäten durch den Staat zukommt.

2007 hatten die Universitäten erstmals eine Wissensbilanz für das Jahr 2006 vorzulegen. Von den 66 geforderten Kennzahlen betreffen vier die Universitätsbibliotheken, nämlich die Kosten für angebotene Online-For-schungsdatenbanken bzw. die Kosten für angebotene wissenschaftliche / künstlerische Zeitschriften (unterschieden in Print-Zeitschriften bzw. On-line-Zeitschriften) sowie die Anzahl der Entlehnungen an Universitätsbi-bliotheken (unterschieden in die Entlehner-Typen Studierende, Lehrende / sonstige Universitätsangehörige, Nicht-Universitätsangehörige) bzw. die Anzahl der Aktivitäten von Universitätsbibliotheken (unterschieden nach Aktivitätsarten Ausstellungen, Schulungen, Bibliotheksführungen).

3. Nationale Kooperationen österreichischer Universitätsbibliotheken 2007

3.1. Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheksdirektor/-innen Österreichs

Die Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheksdirektor/-innen Österreichs (http://www.uibk.ac.at/voeb/arge-dir) ist ein kooperierendes Gremium zur Beratung der Angelegenheiten der Universitätsbibliotheken der bun-desstaatlichen Universitäten und der Österreichischen Nationalbibliothek. 2007 trafen sich die 21 Leiter der Universitätsbibliotheken und der Öster-reichischen Nationalbibliothek viermal (15. Februar 2007 an der UB TU Wien, 31. Mai 2007 an der UB Wien, 17. September 2007 an der UB Graz, 29. November 2007 an der UB TU Wien).

Auf der Agenda standen Themen wie die Erstellung der Wissensbilanz, Forschungsdokumentation, Plagiatsprüfung, Bibliotheksstatistik, Natio-nallizenzen, Langzeitarchivierung oder die Lehrlingsausbildung an den Bi-bliotheken.

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3.2. Österreichischer Bibliothekenverbund

Dem Österreichischen Bibliothekenverbund, betrieben von der Österrei-chischen Bibliothekenverbund und Service GmbH – OBVSG (http://www.obvsg.at), sind 2007 die Bibliotheken der Sigmund Freud Privatstiftung, des Lentos Kunstmuseums Linz, der FH der Wirtschaftskammer Wien, der FH Kufstein und der FH Campus Wien, die Max Perutz Library, die Privat-universität Modul University Vienna sowie die Franziskanerprovinz Austria beigetreten. Nach ihrer Auflösung bereits mit Ende 2006 als Verbundteil-nehmer ausgeschieden ist das Österreichische Ost- und Südosteuropa-In-stitut (OSI). Somit zählt der größte nationale Verbund universitärer, wissen-schaftlicher und administrativer Bibliotheken in Österreich 75 Mitglieder (http://www.obvsg.at/bibliothekenverbund/verbundbibliotheken-liste/).

Als Verbundkataloge angeboten werden der „Gesamtkatalog des ös-terreichischen Bibliothekenverbundes“, der „Teilkatalog Zeitschriften und Serien“, der „Österreichische Verbundkatalog für Nachlässe, Autographen und Handschriften (ÖVK-NAH)“ sowie das Verzeichnis „Bibliotheken in Österreich“.

ÖVK-NAH (http://opac.obvsg.at/acc05) wurde erst 2007 auf ALEPH-500-Basis eingerichtet und soll als zentrales Nachlassverzeichnis für Ös-terreich etabliert werden. Es verzeichnet derzeit die Bestände der Öster-reichischen Nationalbibliothek, der Universität Innsbruck / Forschungsin-stitut Brenner-Archiv, der Universitätsbibliothek Graz und des Adalbert-Stifer-Instituts Linz / Oberösterreichisches Landesarchiv.

2007 wurden der traditionelle Verbundtag4 (23. Mai 2007 an der UB der Medizinischen Universität Graz) und drei Verbundvollversammlungen (31. Januar 2007 an der UB TU Wien, 24. Mai 2007 an der UB der Medizi-nischen Universität Graz, 14. November 2007 an der UB TU Wien) durch-geführt. Auf der Agenda standen Themen wie die kooperative Neukatalo-gisierung, die automatische Übernahme von bibliographischen Metadaten für elektronische Bücher in den Verbundkatalog, der Umstieg auf Version Aleph 18, die Bibliotheksstatistik oder das Verbundschulungssystem.

Ein wichtiger Markstein für die weiteren Planungen des Verbundes war das definitive Scheitern der koop3-Initiative, der geplanten Kooperations-initiative zwischen der Verbundzentrale des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB), des Hochschulbibliothekszentrums des Landes Nordrhein-West-falen (HBZ) und der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH (OBVSG)5.

Die von der Vollversammlung im Mai 2005 für zwei Jahre eingesetzte Ar-beitsgruppe „Strategische Planung“6, deren Aufgabe die Erörterung strate-

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gischer Belange und die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für den ös-terreichischen Bibliothekenverbund ist, wurde im Mai 2007 im Rahmen der turnusmäßig anstehenden Neuwahl in ihrer Zusammensetzung bestätigt.

3.3. eDoc und Österreichische Dissertationsdatenbank

Die Entwicklung von eDoc (http://media.obvsg.at/suche) sowie die Be-arbeitung der Österreichischen Dissertationsdatenbank (http://media.ob-vsg.at/dissdb) wurden 2007 von der OBVSG weitergeführt. 2000 als Instrument der Kataloganreicherung (ToCs, Abstracts, Rezensi-onen, Umschlagbilder) entwickelt, bietet eDoc mittlerweile die Möglich-keit, elektronische Dokumente außerhalb von Aleph einfach zu verwalten.

Im Verbund werden eDoc-Suchmöglichkeiten sowohl für die eDoc-Ge-samtsuche als auch für die Österreichische Dissertationsdatenbank ange-boten. Weiters wurden 2007 für die lokalen eDoc-Partner separate eDoc-Web-Portale eingerichtet. Dieses Service nutzen derzeit sechs Universitäts-bibliotheken (Medizinische Universität Wien, Technische Universität Wien, Universität für Bodenkultur Wien, Universität Graz, Veterinärmedizinische Universität Wien, Wirtschafsuniversität Wien), die Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien und die Oberösterreichische Landesbibliothek.

3.4. Kooperation E-Medien Österreich

2007 traten der „Kooperation E-Medien Österreich“, die 2005 von 13 bun-desstaatlichen Universitäten als Koordinationsstelle für E-Ressourcen und Konsortien-Management in Österreich gegründet worden ist, 15 weitere Kooperationspartner unterschiedlicher Trägerorganisationen offiziell bei. Mitglieder sind nunmehr u.a. auch die Österreichische Nationalbibliothek, die Donau-Universität Krems, die Private Universität für Gesundheitswis-senschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall in Tirol, die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg sowie die Österrei-chische Akademie der Wissenschaften.

Von der an der Universitätsbibliothek Graz eingerichteten „Kooperati-on E-Medien Österreich“ wurden 2007 Konsortien für Datenbanken (13 Produkte), elektronische Zeitschriften (10 Produkte), elektronische Bücher (3 Produkte) sowie Software (2 Produkte) abgewickelt.

Vier Konsortialtreffen fanden im abgelaufenen Jahr für die Mitglieder der Kooperation statt (30. Jänner 2007 an der UB WU Wien, 1. Juni 2007 an der UB TU Wien, 12. Oktober 2007 an der UB Wien, 28. November 2007 an der UB TU Wien). Neben den inhaltlichen Fragen zu den konsor-

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tial lizenzierten Produkten lag ein Schwerpunkt der einzelnen Treffen auch auf der Erörterung struktureller und organisatorischer Fragen über Status und Zukunft der Kooperation E-Medien Österreich. Weil der aktuelle Ko-operationsvertrag nach drei Jahren – mit Ende Juni 2008 – auslaufen wird, standen bereits 2007 Überlegungen über die im Vertrag vorgesehene Eva-luierung der Geschäftsstelle sowie für die Weiterführung des Vertrages auf der Agenda.

Nachdem Nationallizenzen in Deutschland, dank der Deutschen For-schungsgemeinschaft, bereits seit 2004 eine wichtige Rolle in der natio-nalen Literaturversorgung einnehmen7, hat sich 2007 auch die Koopera-tion E-Medien Österreich dieses Themas angenommen8, wobei sich als erster möglicher Schwerpunkt ein eventuell 2008 zu realisierender Kauf der Nature-Backfiles9 herauskristallisiert hat.

Neu eingerichtet für die Kooperation E-Medien Österreich wurde 2007 eine Website (http://www.konsortien.at/), die neben einem öffentlich zu-gänglichen Teil mit allgemeinen Informationen über das Konsortium auch einen geschützten Bereich für die interne Kommunikation beinhaltet.

4. Internationale Kooperationen österreichischer Universitätsbibliothe-ken 2007

4.1. Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB)

Die Elektronische Zeitschriftenbibliothek – EZB (http://rzblx1.uni-regens-burg.de/ezeit) wird nach dem Beitritt von acht weiteren Bibliotheken mitt-lerweile von 37 Bibliotheken aus Österreich (davon 15 Universitätsbibli-otheken) genutzt. Der schnelle, strukturierte und einheitliche Zugang zu ca. 38.000 Zeitschriften ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der EZB auch an den österreichischen Bibliotheken.

4.2. Datenbank-Infosystem (DBIS)

Eine ähnlich erfolgreiche Entwicklung wie für die EZB ist auch für das Da-tenbank-Infosystem – DBIS (http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/dbinfo) zu registrieren, die ebenfalls an der Universitätsbibliothek Regens-burg betrieben wird.

Nachdem bereits 2006 drei österreichische Bibliotheken (Universität für Angewandte Kunst Wien, Veterinärmedizinische Universität Wien, Vorarl-berger Landesbibliothek) DBIS für den strukturierten und einheitlichen Zu-

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 27

gang zu Datenbanken eingesetzt haben, nutzen mittlerweile zwölf weitere österreichische Bibliotheken dieses Verzeichnis von mehr als 6.600 Daten-banken, nämlich sieben Universitätsbibliotheken (Universität Graz, Uni-versität Innsbruck, Universität Leoben, Universität Linz, Universität Salz-burg, Universität Bodenkultur Wien, Medizinische Universität Wien), die Österreichische Nationalbibliothek sowie vier Informationseinrichtungen sonstiger Trägerorganisationen (Fachhochschulstudiengänge Eisenstadt, Fachhochschule Joanneum, Fachhochschule Kärnten, Fachhochschulstu-diengänge der Wirtschaftskammer Wien).

4.3. Literaturlieferdienst Subito

Auch 2007 haben sich die Universitätsbibliotheken der Universität Wien (mit dem Bibliotheksstandort Österreichische Zentralbibliothek für Physik) bzw. der Medizinischen Universität Wien an subito – Dokumente aus Bi-bliotheken e.V. (http://www.subito-doc.de/), dem größten europäischen Literaturlieferdienst, an dem insgesamt 37 Bibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv mitarbeiten, als Lieferbibliotheken betei-ligt.

4.4. eBooks on Demand (eod)

Im September 2006 gestartet, verfolgt das EU-Projekt „eBooks on De-mand“ – eod (http://www.books2ebooks.eu/about.php5) das Ziel, mit Hilfe eines Netzwerks von Partnerbibliotheken jedes urheberrechtsfreie eu-ropäische Buch als e-Buch zugänglich zu machen. Unter den 13 am Projekt teilnehmenden Bibliotheken aus acht Ländern sind mit der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, das auch die Projektkoordination innehat, so-wie den Universitätsbibliothek Graz und Wien drei österreichische Univer-sitätsbibliotheken beteiligt.

4.5. Bibliotheksindex (BIX)

Der Bibliotheksindex – BIX (http://www.bix-bibliotheksindex.de) ist mitt-lerweile als modernes Instrument der Leistungsmessung, das den Vergleich der Leistungsmessung von öffentlichen und wissenschaftlichen Biblio-theken ermöglicht, auch an den österreichischen Bibliotheken etabliert.

Dank der Einladung der Verantwortlichen des Bibliotheksindex-Pro-jektes auch an die österreichischen wissenschaftlichen Bibliotheken, sich an BIX als bewährtes und stabiles Instrument der Leistungsmessung zu be-

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teiligen, stellen sich mittlerweile insgesamt zehn österreichische Universi-tätsbibliotheken diesem internationalen Leistungsvergleich. Zu den bereits länger bei BIX vertretenen sechs österreichischen Universitätsbibliotheken (Montanuniversität Leoben, Universität Innsbruck, Medizinische Universi-tät Graz, Universität Wien, Veterinärmedizinische Universität Wien, Wirt-schaftsuniversität Wien) kamen 2007 vier weitere (Technische Universität Wien, Universität Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Universität Wien) hinzu.

4.6. GASCO

Auch 2007 wurden einige länderübergreifende Konsortien über die Ger-man, Austrian and Swiss Consortia Organisation – GASCO (http://www.hbz-nrw.de/angebote/digitale_inhalte/gasco) abgewickelt.

Am GASCO Nature-Konsortium beteiligen sich 12 österreichische Bi-bliotheken, darunter elf Universitätsbibliotheken, am GASCO Science-Kon sortium elf österreichische Teilnehmerbibliotheken, darunter neun Universitätsbibliotheken.

Ebenso hat die GASCO die Vermittlung von Mitgliedschaften beim kom-merziellen Open Access Publisher BioMed Central für daran interessierte Institutionen in Österreich übernommen. Auf dieser Basis wurden 2007 für drei Universitäten (Technische Universität Graz, Medizinische Universität Wien, Universität Wien) von den jeweils zuständigen Universitätsbiblio-theken Mitgliedschaften finanziert; mit dem IMP – Research Institute of Molecular Pathology in Wien und WOMED – Integral care of the indivi-dual in Innsbruck waren im vergangenen Jahr zwei weitere Institutionen Mitglieder bei BioMed Central.

5. Privatuniversitäten in Österreich und ihre Bibliotheken

Gemäß dem Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Akkreditierungsgesetz 1999/2000), das die bisherige Monopolstellung des Staates für das Angebot von universitärer Ausbil-dung beendet und den universitären Sektor auch für private Anbieter ge-öffnet hat, sind mittlerweile zwölf Privatuniversitäten akkredidiert (http://www.privatuniversitaeten.at/).

Zuständig für die Akkreditierung als Privatuniversität ist der Akkredi-tierungsrat (http://www.akkreditierungsrat.at). Als Privatuniversität ak-kredidiert werden können postsekundäre Bildungseinrichtungen, die nicht

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aufgrund einer anderen österreichischen Rechtsvorschrift als Bildungsein-richtung anerkannt werden. Charakteristika für Privatuniversitäten sind die nichtstaatliche Finanzierung durch Länder, Vereine, Verbände oder Private, die Studienzugangsbeschränkungen sowie individuelle Studiengebühren.

Neu akkredidiert wurden am 30. Juli 2007 die Modul University Vienna (http://www.modul.ac.at/) und am 22. November 2007 die Private Wirt-schaftsuniversität in Seekirchen am Wallersee (http://www.my-campus-seekirchen.com/).

Die Checklist des Österreichischen Akkreditierungsrates (http://www.akkreditierungsrat.at/files/downloads_2007/Checkliste_%20Institution-en_160707.pdf) führt unter den „Voraussetzungen für die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten“ den Punkt „Ausstattung (Räume, Bibliothek und informationstechnische Infrastruktur etc.)“ an.

Nach wie vor sind die Privatuniversitäten, nicht zuletzt aufgrund unter-schiedlicher Unterhaltsträger und mangels einheitlicher Strukturen, in den nationalen und internationalen Kooperationen nur wenig engagiert.

Als Ausnahme anzuführen sind die 2007 erfolgten Beitritte der Paracel-sus Medizinische Privatuniversität Salzburg sowie der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall in Tirol zur Kooperation E-Medien Österreich.

6. Ausblick

Die mit 1. Januar 2004 erfolgte Implementierung des neuen UG 2002 hat auch für die Universitätsbibliotheken gravierende organisatorische Verän-derungen gebracht. In den vergangenen Jahren hat sich bei einzelnen Pro-jekten (Stichwort: Repositorium) gezeigt, dass die von manchen erwarteten stärkeren Zentrifugalkräfte zwischen den österreichischen Universitätsbi-bliotheken zwar aufgetreten sind. Zugleich wurde aber auch evident, dass nationale und internationale Kooperationen im Hinblick auf die großen Herausforderungen der sich immer rascher verändernden Literatur- und Informationslandschaft nicht nur unvermindert wichtig, sondern vielmehr zunehmend größere Bedeutung gewinnen. Um die Hybrid-Bibliothek (und die damit einhergehende Integration elektronischer Ressourcen und tradi-tioneller Bibliotheksbestände unter einer Nutzeroberfläche) rasch und ko-stengünstig erreichen zu können, sind Schwerpunktsetzung, arbeitsteiliges Vorgehen und die Bildung von Kooperationen unumgänglich.

Aus der Vielzahl der in den kommenden Monaten zu bewältigenden Themen sind zwei Punkte hervorzuheben, deren optimale Lösung eine

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wesentliche Voraussetzung für eine gute Weiterentwicklung der österrei-chischen Universitätsbibliotheken darstellen:

1. Die Basisfinanzierung des Österreichischen Bibliothekenverbundes, die für die österreichischen Universitätsbibliotheken und für die Na-tionalbibliothek von den zuständigen Ministerien getragen wird, blieb seit dem Jahr 2000 unverändert. Aufgrund der zusätzlichen Anforderungen an einen modernen Bibliothekenverbund (Catalogue Enrichment, Repositorien, ERM-System, Suchmaschinentechnolo-gie etc.) sollten die von der OBVSG zu erbringenden Basisleistungen erweitert und die Basisabgeltung erhöht werden.

2. Weil elektronischen Medien in Zukunft eher noch mehr Bedeutung zu kommen wird, sollte der neue Vertrag für die Kooperation E-Me-dien Österreich, der voraussichtlich mit 1. Juli 2008 in Kraft treten wird, neben der Lizenzierung von elektronischen Ressourcen auch wichtige Themen – von den Nationallizenzen bis zur Langzeitarchi-vierung – berücksichtigen. Um diese zusätzlichen Aufgaben leisten zu können, sollte die Kooperation organisatorisch und personell ge-stärkt werden.

Bruno BauerUniversitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien

A-1097 Wien, Währinger Gürtel 18-20Tel: +43 1 40400-1082 / Fax: +43 1 40400-1086

E-Mail: [email protected]: http://ub.meduniwien.ac.at/

1 Der Beitrag „Universitätsbibliotheken in Österreich 2007“ bildet die Fortsetzung zu: Bauer, Bruno: Universitätsbibliotheken in Österreich 2004-2006. In: Bibliotheksdienst 41 (2007), H. 3, S. 269–286.

2 Spatenstich für die neue Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. – In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothe-kare 60 (2007), H. 4, S. 106–110.

3 Bast, Gerald [Hrsg.]: Universitätsgesetz 2002. Wien: Manz, 2003.4 Klien, Peter: Bericht über den Verbundtag 2007 des österreichischen

Bibliothekenverbundes (Graz, 23.5.2007). – In: Mitteilungen der Vereini-gung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 60 (2007), H. 3, S. 52–57.

5 Brandauer, Johann ; Hamedinger, Wolfgang: Untersuchung zur Zu-sammenführung der drei zentralen Verbunddatenbanken: Endbe-richt, I. Fachlicher Teil (öffentliche Abschnitte). Kooperationsinitiati-

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ve hbz – BVB – OBVSG. Stand: 2007-01-18. 15 S. – Online: http://www.obvsg.at/f ileadmin/f iles/obvsg/publ/Endbericht-Teil_1-fachlich_20070118_2100-oeffentliche_abschnitte.pdf

6 Schiller, Robert: „Indessen wir die halbe Welt gewonnen, was habt ihr denn getan? Genickt, gesonnen ...“ Bericht der für den österreichischen Bibliothekenverbund eingerichteten Arbeitsgruppe Strategische Planung über die Arbeitsjahre 2005-2007 an die Vollversammlung am 24. Mai 2007. – In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 60 (2007), H. 4, S. 65–68.

7 Bauer, Bruno ; Dugall, Berndt: Nationallizenzen: Konzept, Umsetzung und Perspektiven eines Programms der Deutschen Forschungsgemein-schaft zur Lizenzierung von digitalen Textsammlungen für den Wissen-schaftsstandort Deutschland. 10 Fragen von Bruno Bauer an Berndt Dugall, Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Ver-treter einer der neun den Ankauf der Nationallizenzen organisierenden Informationseinrichtungen. – In: GMS Medizin – Bibliothek – Informati-on 7 (2007), H. 2, S. 1–7. – Online: http://www.egms.de/pdf/journals/mbi/2007-7/mbi000083.pdf

8 Gruber, Eva Maria: Wissenschaftliche Zeitschriften immer teurer: Na-tionallizenzen und mehr Bibliotheksbudget als Gegenmittel [mit State- [mit State-ments von Helmut Hartmann, Leiter der Kooperation E-Medien Öster-reich, und Peter Kubalek, Direktor der Universitätsbibliothek der Tech-nischen Universität Wien]. – In: ORF ON Science 03.12.2007. – Online: http://science.orf.at/science/news/150136

9 Bauer, Bruno: Nationallizenzen – ein Desiderat in Österreich. – In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 7 (2007), H. 2, S. 1–4. – Online: http://www.egms.de/pdf/journals/mbi/2007-7/mbi000085.pdf

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HILfE AUf ALLEN EBENEN. EIN BEITRAG zUR fORSCHUNG üBER ONLINE-HILfEN IN OPACS

von Elke Greifeneder

Viele Benutzer haben Probleme im Umgang mit OPACs – das dokumentie-ren zahlreiche Usability-Studien in ausreichendem Maße. Benutzer benö-tigen also Hilfe, genauer: sie benötigen ein Online-Hilfesystem, das ihnen beim „Discovery“, „Locate“ und „Request“1 von Dokumenten im OPAC unabhängig von den Öffnungszeiten der Bibliothek situationsgerechte On-line-Hilfen anbietet. Mit dem Ausdruck „Online-Hilfe“ assoziieren viele nur einen Fragezeichen-Button oder Module wie die sprechende Büroklammer der Microsoft-Office-Applikationen. Doch Online-Hilfe umfasst viel mehr, von der Rechtschreibkorrektur in Suchfeldern bis hin zu Recommender-Systemen. Definieren lässt sich Online-Hilfe als ein computer gestütztes Werkzeug im virtuellen Raum, das an kritischen Stellen den Nutzer bei der erfolg reichen Durchführung einer Aktion unterstützt und/oder kontext-bezogene Informationen gibt. „Kritisch“ für die erfolgreiche Nutzung eines Angebotes sind solche Stellen, „an denen bei den Nutzern ein jeweils spezi-fisches oder differenziertes Wissen vorausgesetzt wird“2. Eine einzelne Hil-fe, etwa ein erklärender Text, kann dem Benutzer nicht auf allen Ebenen der Interaktion mit dem System helfen. Deshalb ist es notwendig, mehrere Online-Hilfen zu kombinieren; man spricht dann von einem Online-Hilfe-system.

Online-Hilfe ist ein wichtiges Forschungsthema, doch ist es vor allem im Bibliotheks bereich nur mangelnd theoretisch fundiert. Eine präzise Unterscheidung und Klassifikation der verschiedenen Arten von Online-Hilfen ist dabei eine notwendige Grundlage für weiterführende Analysen. Der vorliegende Beitrag erläutert die einzelnen Arten von Online-Hilfen in OPACs anhand der von der Autorin entwickelten Klassifikation nach Funk-tionalitäten3. Es werden vier Arten von Online-Hilfen unterschieden: er-klärende Hilfen, aufbereitende/visuelle Hilfen, such einschränkende Hilfen und such erweiternde Hilfen. Während die ersten beiden am Suchergebnis nichts ändern, beeinflussen sowohl die einschränkenden als auch die er-weiternden Hilfen das Such ergebnis. Abbildung 1 zeigt die Klassifikation mit ihrer weiteren Untergliederung. Die technische Komplexität der ange-führten Online-Hilfen nimmt dabei – in grober Näherung – von oben nach unten zu.

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Abb. 1: Funktionsbezogene Klassifikation von Online-Hilfen (Greifeneder, 2007)

Erklärende Hilfen

Erklärende Hilfen erläutern Fachbegriffe wie „Notation“, helfen dem Be-nutzer, die Funktionsweise des OPACs zu verstehen und sagen ihm gegebe-nenfalls, mit welchen Mitteln er ein besseres Suchergebnis erhalten könnte. Waren diese textbasierten Hilfen früher benutzerinitiiert, so werden heute verstärkt systeminitiierte, kontextsensitive Hilfe texte angeboten.

Am geläufigsten sind dem Benutzer die statischen Hilfetexte, bei denen in möglichst komprimierter Form Wissen über die Bedienung des OPACs vermittelt wird. Obwohl sie Hypertexte sind, haben solche Hilfetexte ei-nen statischen Charak ter, da die Links nur das Springen zu bestimmten Punkten im linearen Text erleichtern. Hilfetexte sollten leicht verständlich sein und durch einfache Beispiele ergänzt werden. Ins besondere bei lan-gen Texten sind Visualisierungen wichtig. Bei der Untersuchung der im-plementierten Online-Hilfen in rund einhundert Bibliotheks-OPACs zeigte

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sich, dass es immer noch Beispiele mangelhafter Umsetzung gibt. Obwohl es sich beispielsweise beim OPAC der Medizinischen Universität Graz um eine Aleph-Version aus dem Jahr 2006 handelt, verbergen sich hinter dem Hilfe-Button umgerechnet ca. 10 Seiten reiner Text, ohne eine einzige Illu-stration. Ein vorbildliches Beispiel im Hinblick auf die grafische Umsetzung bietet hingegen die North Carolina State University Library (NCSU)4.

Im Gegensatz zu den statischen Hilfetexten unterstützen die kontext-sensitiven Hilfetexte den Benutzer adressatenorientiert und „at the point of use“. Kontextsensitivität verweist auf die Eigenschaft dieser Hilfe, die abhängig von der Aktion des Benutzers unterschiedliche Hilfeformen an-bietet. Ein Benutzer, der das gesuchte Buch bereits gefunden hat, will nicht wissen, wie er es im OPAC suchen kann, sondern wie er es ausleihen kann. Der Vorteil der kontextsensitiven Hilfen ist eine Reduktion der Information auf das in der spezifischen Situation benötigte Wissen. Kontext sensitivität ist ein weites Forschungsfeld, so dass an dieser Stelle beispielhaft nur drei Anwendungen untersucht werden. Am geläufigsten sind die Hilfe-Buttons, häufig kleine Fragezeichen oder andere Hilfesymbole, auf die man zu Be-ginn einer Aktion klicken kann. Es erscheint in einem Pop-up ein erklä-render Text, der einem zum Beispiel sagt, wie man im angeklickten Feld „Erweiterte Suche“ die besten Ergebnisse erhält. Hilfe-Buttons sind rein wissensvermittelnder Natur, denn sie führen keine Suchalgorithmen selbst-ständig aus. Neben den Hilfe-Buttons gibt es die Bubbles, auch What’s-this-Hilfe genannt. Der Benutzer erhält Kurzhinweise zu Oberflächenele-menten der Applikation. Diese erscheinen benutzerinitiiert entweder in einem Pop-up-Fenster oder einer Blase, wenn man mit der Maus über eine sensitive Stelle der Oberfläche fährt.5 Systeminitiierte kontextsensitive Hilfe gibt dem Benutzer die wichtigsten Informationen direkt neben dem Ein-gabefeld. Der Benutzer muss sich nicht erst klar werden bzw. eingestehen, dass er Hilfe benötigt, sondern sie wird ihm gewissermaßen aufgedrängt. Ein anschauliches Beispiel bietet der OPAC der UB der Donau-Universität Krems: Klickt man auf „Verfasser“, erscheint in dem zuvor weißen Feld ein erklärender Text zu diesem Suchfeld. Dasselbe gilt für Titel, Systematik, Mediengruppe und ISBN.

Hilfetexte sind häufig in Form von Frage und Antwort aufgebaut, be-kannt als Frequently Asked Questions (FAQ). Seit einiger Zeit gibt es zu-dem Frequently Asked Reference Questions (FARQ), die speziell auf häu-fige Fragen zur Recherche Auskunft geben. FARQ werden zum Beispiel in der Internet Public Library6 angeboten. Die Realität zeigt jedoch, dass ein Benutzer bevorzugt an den Auskunftsschalter geht und sich die gewünsch-te Auskunft im Dialog mit einer realen Person einholt. Ansatzweise kann

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das durch digitale Auskunftsdienste in den OPAC übertragen werden. Man spricht dann von dialogbasierten Hilfen im engeren Sinn, wenn sie ein Aus-kunftsgespräch virtuell nachbilden, bei dem der Benutzer frei formulierte Fragen in natürlicher Sprache eingeben kann und darauf eine Antwort er-hält.

Aufbereitende/visuelle Hilfen

Auch aufbereitende/visuelle Hilfen verändern das Suchergebnis nicht. Ihre Funktion ist es, die Sichtung und Sondierung der Treffer für den Be-nutzer möglichst einfach und transparent zu gestalten. Das System kann Suchanfragen ausführen, einschränken oder erweitern. Visualisierung und Transparenz sind wichtige Bau steine dafür.

Das Highlighting von Ergebnissen ist eine solche Visualisierung. Bei der Anzeige der Treffer wird der ursprüngliche Suchbegriff fett gedruckt oder mit Farbe hinterlegt. Der Benutzer kann somit schneller erfassen, ob der gesuchte Begriff zum Beispiel im Titel oder im Abstract vorkommt. Das Anzeigen der Medienart ist für den Nutzer ebenfalls eine wichtige Online-Hilfe, um eine Trefferliste schnell nach dem gewünschten Medium zu über-

Abb. 2: UB der Donau-Universität Krems, Beispiel für kontextsensitive Hilfe

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blicken. Dabei wird die Materialart visuell mit kleinen Icons dargestellt. Gibt es für Bücher und CD/DVDs eindeutige Visualisierungen, so fehlen leider einheitliche Standards für elektronische Publikationen. Der OPAC der UB der Kunstuniversität Graz (Abb. 3) zeigt als Ergebnisliste bei einer Suchanfrage nach Picasso die Kombination von Highlighting und das An-zeigen der Medienart.

Abb. 3: UB der Kunstuniversität Graz, Beispiel für Highlighting und Anzeigen der Medienart

Hat ein Benutzer einmal das gewünschte Medium gefunden, ist die An-gabe des Standorts eine weitere Hürde im Rechercheprozess. Der Benut-zer muss die Signatur mit der Auf stellung in seiner Bibliothek abgleichen können und wissen, wo diese Signaturbereiche auf gestellt sind. Visualisie-rungen der Bibliothek sind deshalb eine wichtige Online-Hilfe. Raumpläne geben direkt im OPAC die Information, an welcher Stelle sich ein Medium in der Bibliothek befindet, und dem Benutzer werden unnötige Wege er-spart. Als Beispiel ist in Abb. 4 der Raumplan der UB der Technischen Uni-versität Wien zu sehen. Eine interaktive Form eines Raumplans findet sich in der Grand Library, Near East University in Nordzypern7.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 37

Abb. 4: UB der Technischen Universität Wien, Beispiel für Raumplan

Ein Ranking der Suchtreffer ist für die meisten Benutzer nur in Form einer Sortierung nach Erscheinungsdatum geläufig. Die oben erwähnte NCSU hingegen hat einen auf Endeca basierenden OPAC, der ein komple-xeres Ranking nach Relevanz anbietet. Kaum ein Benutzer schaut sich 200 Treffer an, sondern er sucht unter den ersten 20 Ergebnissen. Im Gegensatz zu Google ist das Rankingverfahren im OPAC der NCSU bekannt. Jeder Benutzer kann auf den Hilfeseiten das Ver fahren nachlesen.

Ein Online-Hilfesystem sollte dem Benutzer stets ausreichend Feedback geben, insbesondere auch in Hinsicht auf systeminitiierte Hilfen. Ein OPAC soll dem Benutzer zum Beispiel deutlich anzeigen, wie die Ergebnisliste sor-tiert ist, und ihn gegebenenfalls darüber informieren, dass das System auto-

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matisch nach Synonymen und Übersetzungen sucht und wie dies erforder-lichenfalls unterdrückt werden kann. Dem Feedback kommt insofern eine besondere Rolle zu, weil es auch Bestandteil anderer Online-Hilfen ist; den-noch ist es eine eigenständige Hilfefunktion und wird in der hier vorgeschla-genen Klassifikation unter die aufbereitenden/visuellen Hilfen subsumiert.

Sucheinschränkende Hilfen

Die Kategorien der erklärenden und der aufbereitenden/visuellen Hilfen verändern das Suchergebnis nicht. Die Online-Hilfen aus der unteren Hälf-te des Tableaus in Abb. 1 beeinflussen hingegen sowohl die Recherche als Ganzes als auch die Suchanfrage im Speziellen. Dabei verändern sie die Suche entweder benutzer- oder systeminitiiert. Diese Online-Hilfen lassen sich im Schema der vorgeschlagenen funktionalen Klassifikation in zwei Kategorien einteilen: die sucheinschränkende und die sucherweiternde Hilfen. Nur wenn ein System genügend Feedback gibt, weiß der Benutzer, dass eine der folgenden Online-Hilfen aktiv ist.

Die sucheinschränkenden Hilfen sind alle benutzerinitiiert und beruhen auf einer gezielten Verwendung der Datensätze in der Datenbank. Biblio-thekare waren bereits zu Zeiten des Zettel katalogs in der Lage, einzelne Ver-bindungen zwischen einzelnen Titeln aufzuzeigen. In OPACs ist es möglich, viele Verbindungen anzulegen und wieder aufzufinden. Sucheinschränken-de Hilfen unterstützen den Benutzer, diese Links zu erkennen und in einer Weise zu verwenden, die das Suchergebnis verkleinert und präzisiert.

Der Thesaurus ist ein bewährtes bibliothekar isches Hilfsmittel zur Kata-logisierung, aber er wird zu wenig für die Recherche genutzt beziehungswei-se nutzbar gemacht. Nur wenn der Thesaurus aktiv in den OPAC integriert ist – für den Nutzer also zu einer benutzbaren thematischen Suche wird –, ist er eine Online-Hilfe. Nur wenige Benutzer überblicken die Aufstellungs-systematik der Medien in wissenschaftlichen Bibliotheken; eine Regalauf-schrift „IS 9320“ können sie meist nicht dekodieren. Es verwundert daher wenig, dass Benutzer selten die Systematik einer Bibliothek für eine thema-tische Recherche im OPAC verwenden. Ein bloßer Link zur Regensburger Verbundklassifikation gibt ihnen nicht das Wissen, dass man im OPAC nach Medien suchen kann, die zu einem bestimmten Fachgebiet gehören. Nur ein benutzerfreundlich integrierter Thesaurus mit Angabe der Klassi-fikation im Klartext (statt des unverständlichen Notations-Kürzels) hilft dabei, eine Suche sinnvoll thematisch einzugrenzen.

Ebenfalls eine benutzerinitiierte Hilfe ist der Index, der bei der Eingabe eines Suchbegriffs genutzt werden kann. Er hat einschränkenden Charak-

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ter, weil er verschiedene Schreibweisen auf eine einzige reduziert. Benutzer kennen keine biblio thekarischen Unterscheidungen zwischen zwei richtigen Schreibweisen eines Begriffes. Sie wissen nicht, dass ihre Suche ins Leere läuft, wenn sie nach einem Autor nicht in seiner An setzungsform suchen. Wenn ein russischer Student nach „Pjotr Iljitsch Tschaikowski“ sucht, wird er womöglich in einem deutschsprachigen OPAC nichts finden. Durch eine Suche im Index würde er herausfinden, dass deutschsprachige Bibliothe-kare diesen Komponisten als „Tschaikowski, Peter“ ansetzen. Index als Hil-fe führt den Benutzer zur richtigen Wortwahl. Häufig kann der Benutzer in der Suchmaske direkt auf einen Index-Button klicken. In einem Pop-up oder einem Pull-down-Menü wird dann der Index der Datenbank in Listen-form angezeigt. Diese Online-Hilfe funktioniert in der Regel nur, wenn der Benutzer mindestens den ersten Buchstaben eines Suchbegriffes eingibt.

Die dritte wichtige sucheinschränkende Hilfe ist der Suchergebnis-Filter. Wie bei Thesaurus und Index handelt es sich ebenfalls um eine benutzerini-tiierte Hilfe, doch greift der Benutzer erst bei der Sondierung der Trefferli-ste darauf zu. Der Suchergebnis-Filter hilft bei der gezielten Einschränkung dieser ersten Trefferliste. Dabei nützt er Verbindungen im OPAC, die eine gezielte Recherche erlauben. Der OPAC der UB der Medizinischen Univer-sität Graz bietet einen solchen Filter an (Abb. 5).

Abb. 5: UB der Medizinischen Universität Graz, Beispiel für Suchergebnis-Filter

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Sucherweiternde Hilfen

Ein gutes Online-Hilfesystem soll dem Benutzer deutlich machen, dass der Prozess der Recherche nicht mit dem Ergebnis einer ersten Suchanfrage zu Ende ist. Such erweiternde Hilfen unterstützen den Benutzer dabei, die im OPAC angelegten Verbindungen zwischen Datensätzen auf eine Weise zu nutzen, die das Rechercheergebnis vergrößert. Die erweiternden Online-Hilfen knüpfen an eine bereits erfolgte Suchanfrage an und können in the-matische Erweiterungen, linguistische Hilfen und Recommender-Systeme unterteilt werden.

Die thematischen Erweiterungen sind benutzerinitiiert und haben eine ähnliche Funktionalität wie die ein schränkenden Hilfen, allerdings in ent-gegengesetzter Weise. Anknüpfend an ein erstes Suchergebnis, kann der Benutzer durch Schlagwort- oder Notationssuche seine Recherche auf das ganze zugehörige Fachgebiet ausweiten. Dabei muss der Benutzer die re-levanten Schlagwörter oder Notationen nicht von vornherein kennen; sie werden ihm durch Verlinkung in den Suchergebnissen angezeigt und zur weiterführenden Suche angeboten. Die Schlagwortsuche erweitert in sehr starkem Maße die Suche, da thematisch entfernte Medien leicht ein ge-meinsames Schlagwort haben können. Beispielhaft sei nur das allgemeine Schlagwort „Bibliothek“ genannt. Medien mit dieser Verschlagwortung können inhaltlich von Bibliothekstechnik über Bibliothekmanagement bis hin zu Katalogisierungs regeln reichen.

Die Notationssuche erweitert die Suche nur auf Medien, die zu einem bestimmten Fachgebiet gehören. Sie hat erweiternden Charakter, weil der Benutzer, aus gehend von einem Medium, auf alle Medien zugreifen kann, die – bildlich gesehen – in der Bibliothek im gleichen Regal stehen würden. Viele Benutzer haben allerdings Probleme, die Bezeichnung „Notation“ als „Medien, die im Regal neben dem gefunden Treffer stehen“ zu de kodieren, und verwenden die Notationssuche aus diesem Grunde wenig.

Die zweite Gruppe der sucherweiternden Hilfen befasst sich mit Sprach-technologien, die wir linguistische Hilfen nennen. Sie basieren auf Metho-den der Linguistik; ihre Funktionalität ergibt sich aus der Veränderung und Weiter verarbeitung des Wortes, das heißt bei OPACs: des Suchbegriffs. Linguistische Hilfen sind in der Regel system initiiert und von einer spe-zifischen Suchanfrage abhängig. Bei den hier vorgestellten linguisti schen Hilfen werden Verfahren aus der Semantik, der Morphologie und der Pho-nologie verwendet. Zu den semantischen Hilfen zählen die Erweiterungen um Synonyme und Übersetzungen. Semantik ist die Lehre von der Be-deutung sprachlicher Zeichen; sie ist für Bibliothekare seit jeher wichtig,

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wie die steten Bemühungen um ein kontrolliertes Vokabular in Katalogen zeigen. Wenn ein Benutzer nach dem Schlagwort „Influenza“ sucht, muss ihm das System sagen, dass er (möglicherweise) den Suchbegriff „Grip-pe“ verwenden muss. Deshalb sind diese Online-Hilfen von besonderer Bedeutung. Die semantischen Hilfen unterstützen die Weiter v erarbeitung der ursprünglichen Sucheingabe durch den konsequenten Gebrauch der seman tischen Verbindungen im OPAC. In der Literatur werden für diese Online-Hilfe auch die Begriffe Suchzeilengenerator und Assoziativen suche verwendet.

Zu den morphologischen Hilfen gehört die Unschärfe, auch Fuzziness genannt. Bei der Unschärfe wird ein Wort zuerst auf sein Morphem – die kleinste bedeutungstragende Einheit eines Sprachsystems – reduziert. Dieses Verfahren nennt man Stemming. Dann folgt eine Flexion. Wenn ein Benutzer nach „Buch“ sucht, erweitert die Online-Hilfe die Suchanfrage systeminitiiert um die Suchbegriffe „Bücher“, [des] „Buches“ und [dem] „Buche“. Unschärfe ist jedoch keine Trunkierung. Gesucht wird zum Bei-spiel nicht nach „Bucheinband“ oder „Buchtitel“. Es handelt sich nur um Nominal flexionen; Verben oder Adjektive werden bei der Unschärfe nicht beachtet. In den meisten Fällen merkt der Benutzer nicht, dass er mit „Su-che starten“ automatisch eine Online-Hilfe bedient. Nur wenige OPACs geben ein Feedback, um welche Wortform sie eine Such anfrage automa-tisch erweitert haben.

Eine weitere Art linguistischer Online-Hilfen basiert auf der Phonologie, die das Funktionieren von lautlichen Einheiten untersucht. Hierzu gehört die Recht schreibkorrektur – aus Benutzersicht eine der wichtigsten Online-Hilfen. Sie erkennt Tippfehler und bietet Korrekturvorschläge oder alter-native Schreibweisen an. Die Universität Bayreuth8 hat ebendiese in ihren OPAC integriert.

Neben den thematischen Erweiterungen und den linguistischen Hilfen gibt es eine dritte Gruppe der sucherweiternden Hilfen: die Recommender-Systeme. Sie sind benutzerinitiiert und – wie alle einschränkenden und erweiternden Hilfen – abhängig von einer spezi fischen Suchanfrage. Vie-len Benutzern ist diese Hilfe vor allem durch Online-Shops wie Amazon bekannt. Ein Recommender-System erhält als Eingabe aufgezeichnetes Nutzer verhalten oder Meinungen von Nutzern und aggregiert diese fort-laufend. Das System stellt die daraus hervorgehenden Empfehlungen pas-send für den Nutzer zur Verfügung. Man muss zwischen zwei Arten von Re-commender-Systemen unterscheiden: dem verhaltensbasierten und dem expliziten Recommender. Ersterer basiert auf Verhaltensdaten. Das System prüft zum Beispiel das Verhalten eines Nutzers während einer OPAC-Sessi-

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on. Ähnlich dem Prinzip „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, kauf-ten auch ...“ verfährt der Recommender nach dem Motto „Benutzer, die dieses Medium angeschaut haben, ließen sich auch folgende Titel anzeigen ...“. Dem Benutzer werden dann aus der Volltitelanzeige heraus Empfeh-lungen für Medien angezeigt, die häufig in Rechercheergebnissen anderer Nutzer gemeinsam mit dem ausgewählten Titel aufgetaucht sind bzw. die gemeinsam entliehen wurden. Dementsprechend gibt es für Titel, die sel-ten oder nie angeschaut werden, sehr wenige oder gar keine Empfehlungen. Neben diesen verhaltensbasierten Recommendern gibt es noch die expli-ziten Recommender, die auf einer direkten Befragung der Nutzer basieren. Der Benutzer wird gefragt, wie er einen Titel bewertet, und daraus errech-net sich ein Ranking von sehr gut bis schlecht für das jeweilige Medium. Diese expliziten Recommender findet man immer häufiger in Biblio theken, insbesondere im Rahmen der Diskussion um den „OPAC 2.0“. Im neuen „OPAC 2.0“ der Médiathèque de Pergame9 ist sowohl ein verhaltensbasier-ter als auch ein expliziter Recommender implementiert (Abb. 6). In der Mit-te sieht man rechts ein Reiterfeld „ils ont aimé aussi...“ („das mochten die

Abb. 6: Médiathèque de Pergame, Beispiel für Recommender-Systeme

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anderen auch“), dies ist der Link zum verhaltens basierten Recommender. Links sieht man ein Feld „Avis des lecteurs“ („Meinung der Benutzer“, hier auf geklappt), das dem expliziten Recommender entspricht. Der Benutzer kann dabei wählen zwischen Meinungen von Lesern der Bibliothek oder von Amazon-Benutzern. Anhand der Sterne kann er dann sehen, wie ein Medium bewertet wurde, oder selbst eine kurze Kritik schreiben.

Die hier beschriebenen Online-Hilfen sind größtenteils weit verbrei-tet und in OPACs integriert. Doch wie die von der Autorin durchgeführte Analyse deutscher Universitäts-OPACs zeigt10, können viele dieser Hilfen nur durch eine ge zielte Suche gefunden werden, das heißt vom normalen Benutzer werden sie häufig nicht bemerkt. Der Hauptgrund hier für liegt in der mangelhaften Einbindung der Hilfen: Die meisten thematischen Online-Hilfen zum Beispiel bestehen lediglich darin, dass die Schlagwör-ter oder Notationen in den Voll titel anzeigen verlinkt sind. Viele Benutzer können dies nicht als thematische Suche dekodieren oder erkennen noch nicht einmal die Verlinkung an sich. Auch inhaltlich ist noch vieles man-gelhaft: Solange erklärende Hilfen aus 14 Seiten Text bestehen und von Bibliothekaren nebenbei am Auskunftsschalter geschrieben werden müs-sen, sind sie keine Hilfe, sondern eher eine Behinderung. Das Problem der schlechten Umsetzung resultiert aus dem augenscheinlichen Desinteres-se des Bibliothekswesens an diesem Thema. Online-Hilfesysteme werden als Aufgabe der OPAC-Hersteller und nicht der Bibliotheken gesehen. Die diesem Artikel zugrunde liegende Studie ist ein erster Beitrag zur gezielten bibliothekswissenschaftlichen Forschung über Online-Hilfen.

Elke Greifeneder, M.A.Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Institut für Bibliotheks- und InformationswissenschaftHumboldt-Universität zu Berlin

Assistant Editor: Library Hi Tech – EmeraldE-Mail: [email protected]

1 Das von Lorcan Dempsey eingeführte Modell beschreibt den Dreischritt des Entdeckens, Findens und Suchens; d.h. von der Recherche über die Lokalisierung bis zur Beschaffung eines Dokumentes. Vgl. Dempsey, Lorcan (2005): Lorcan Dempsey‘s weblog: Discover, locate, vertical and horizontal integration. Online verfügbar unter http://orweblog.oclc.org/archives/ 000865.html, zuletzt geprüft am 08.06.2008.

2 Dynkowska, Malgorzata (2006): Ursachen für Probleme bei der Nut-Dynkowska, Malgorzata (2006): Ursachen für Probleme bei der Nut-zung bibliothekarischer Webangebote. DFG-Projekt „Web-Usability des

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 244

Informations- und Interaktions angebots von Hochschulbibliotheken“. Unter Mitarbeit von Fritz Gerd, Henning Lobin und Peter Reuter. Gießen. Online verfügbar unter http://www.uni-giessen.de/usability/downloads/Ursachenbereiche_.pdf, zuletzt geprüft am 22.04.2008, S. 7.

3 Dieser Aufsatz basiert auf der Magisterarbeit der Autorin, „Effekti-Dieser Aufsatz basiert auf der Magisterarbeit der Autorin, „Effekti-vität und Effizienz von Online-Hilfesystemen in deutschen Univer-sitäts-OPACs“ (online verfügbar unter: http://eprints.rclis.org/ar-chive/00012865/), die 2007 unter folgendem Titel als Buch erschienen ist: Elke Greifeneder, Online-Hilfen in OPACs. Analyse deutscher Uni-versitäts-Onlinekataloge, Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2007.

4 NCSU Libraries Online Catalog. Online verfügbar unter http://www.lib.ncsu.edu/catalog.

5 Vgl. Knopp, Sandra (2001): Aufbau, Gestaltung und Struktur bei On-Vgl. Knopp, Sandra (2001): Aufbau, Gestaltung und Struktur bei On-line-Hilfesystemen. Im Kontext der Mensch-Computer-Interaktion. Lübeck: Schmidt-Römhild (Tekom-Hochschulschriften, 3), S. 32.

6 FARQ der Internet Public Library, http://www.ipl.org/div/farq/. 7 Grand Library. Online verfügbar unter http://library.neu.edu.tr/cgi-

bin/koha/opac-main.pl.8 Universitätsbibliothek Bayreuth, Implementierung einer Rechtschreib-Universitätsbibliothek Bayreuth, Implementierung einer Rechtschreib-

korrektur: http://opac.uni-bayreuth.de:8080/InfoGuideClient.9 Médiathèque de PERGAME. Online verfügbar unter http://www.perga-

me-enligne.net/ pergame_opac2/ pergame_opac2.php, zuletzt geprüft am 29.07.2007.

10 Vgl. Greifeneder (2007).

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 45

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 246

—— A U S D E R T Ä T I G K E I T D E R V Ö B ——

EINLADUNG zUR 58. GENERALVERSAMMLUNG DER VER-EINIGUNG ÖSTERREICHISCHER BIBLIOTHEKARINNEN UND BIBLIO THEKARE

Zeit: 23.–26. September 2008 (der genaue Termin wird noch bekanntgegeben werden) auf dem VÖB-Kongress: Die metamorph-e-Bibliothek

Ort: Krems

Tagesordnung:1. Begrüßung und Feststellung der Beschlussfähigkeit 2. Genehmigung des Protokolls der 2. a.o. Generalversammlung der

VÖB der Funktionsperiode 2006–2008 vom 16. Mai 20083. Tätigkeitsbericht über die vergangene Funktionsperiode 4. Kassenbericht und Entlastung des Präsidiums 5. Wahl der Kassenrevisor/inn/en 6. Beschlussfassung über eingegangene Anträge 7. Allfälliges 8. Wahl des Präsidenten/der Präsidentin und seiner/ihrer Stellvertreter

für die Funktionsperiode 2008–20099. Ergebnisse der Wahl des Präsidenten/der Präsidentin und seiner/ih-

rer Stellvertreter für die Funktionsperiode 2008–200910.Ergebnisse der Wahl für den Vorstand der VÖB für die Funktionspe-

riode 2008–200911.Verleihung von Ehrungen

Für etwaige Fahrt- und Übernachtungsspesen kann leider kein Kostener-satz geleistet werden!

Dr. Harald Weigel Präsident

AUfRUf zUR KANDIDATUR füR DEN VORSTAND UND EIN-BRINGUNG VON wAHLVORSCHLäGEN füR DAS PRäSIDIUM DER wAHLPERIODE 2008–2009

siehe VÖB-Mitteilungen Heft 1 (2008), S. 53

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 47

———— A U S D E N K O M M I S S I O N E N ————

NEUES AUS DER KOMMISSION füR SACHERSCHLIESSUNG

Im Arbeitsfeld Sacherschließung finden im deutschsprachigen Raum der-zeit mehrere Paradigmenwechsel gleichzeitig statt.

Zum einen wird das Regelwerk RSWK – zeitlich parallel zum Redakti-onsprozess von RDA bzw. RDA deutsch – gänzlich neu überarbeitet um modular daran anzudocken, zum anderen verändert sich der Workflow in allen im Gebrauch stehenden Normdateien (PND, SWD, GKD …) hin zu einem Online-Redaktionsverfahren und letztlich in Richtung „Gemein-same Normdatei“ (GND) mit dem Fernziel „Virtual International Authority File“ (VIAF), all dies einhergehend mit einem Formatumstieg von MAB2 zur MARC21.

Außerdem beginnt sich die Breitenwirkung von DDC Deutsch bemerk-bar zu machen: DNB hat im ersten Jahr der Klassifizierung von Bibliografie-Reihe „A“ 2007 auf Anhieb den weltweit zweiten Rang (nach LoC) erreicht, was die Anzahl vergebener Notationen betrifft! Nun sollte wohl auch bei uns nicht mehr lange gezögert werden, um sie für die Publikumsrecherche bequem nutzbar zu machen. Erste Erfolge bei der Integration des dafür entwickelten Tools MelvilSearch in Aleph-OPACs zeigen sich etwa in der UB der FU Berlin.

Die nächste öffentlich zugängliche Sitzung der KofSE wird zwei Gast-vorträge zu solch aktuellen Themen bieten und findet im Vorfeld des VÖB-Kongresses in Krems am Dienstag, dem 23. September 2008 statt. Diesmal kommen beide Vortragende aus Berlin. Dörte BRAUNE-EGLOFF (UB der Freien Universität Berlin) bringt seit vielen Jahren in mehreren SE-Gremien sowohl zu klassifikatorischen Fragen als auch zu RSWK/SWD-Themen ihre umsichtige Kompetenz ein. Norbert NAHRMANN (Staatsbibliothek zu Berlin) setzt unsere Serie von Beiträgen über die SE-Praxis und Normda-teiarbeit in anderen Verbünden fort und berichtet sowohl über die verbale Sacherschließung im GBV als auch über das dortige SWD-Redaktionsver-fahren sowie über die Anwendung der Basisklassifikation (BK).

Dr. Margit SandnerUniversitätsbibliothek Wien

Dr. Karl Lueger-Ring 1, A -1010 Wien [email protected]

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 248

———————————— B E R I C H T E ————————————

2. BREMER EBOOK-TAG: fACHTAGUNG RUND UMS THEMA EBOOK

Von Marion Kaufer

Am 17. und 18. Jänner 2008 fand der 2. Bremer eBook-Tag mit 40 Teilneh-merInnen aus Deutschland und Österreich statt – ausgerichtet von der Ver-sandbuchhandlung Missing Link, einem in dem Bereich elektronische Bücher spezialisierten Bibliothekslieferanten.

Der Bremer eBook-Tag wurde ins Leben gerufen, um die Gelegenheit für einen breit angelegten Erfahrungsaustausch zwischen bibliothekarischen ErwerbungsspezialistInnen und Anbietern von digitalen Büchern zu bie-ten. Dabei wurden einerseits Möglichkeiten im Umgang mit dem Medium eBook zur Vereinfachung der Geschäftsgänge thematisiert, andererseits gängige Verlagsmodelle und neue Konzepte diskutiert.

2. Bremer eBook-Tag, Foto: Tobias Keppler

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 49

In seinen Begrüßungsworten veranschaulichte Klaus Tapken von Mis-sing Link den Grundgedanken deutlich: Das Ziel sei es voneinander zu ler-nen, neue Ideen zu entwickeln und gegenseitig Anregungen zu bekommen. Der Erfolg dieses Ansatzes sei bereits nach dem 1. Bremer eBook-Tag zu ersichtlich geworden: so habe die Angst vor der Abhängigkeit von einem Anbieter auf Kundenseite zu einem verstärkten Einpflegen fremder Titel in eigene Angebote geführt.

Branka Felba von Missing Link stellte in ihrem Begrüßungsreferat die Fra-ge, in wie weit eBooks abhängig machen. Dabei kamen die bekannten Kri-tikpunkte beim Erwerb und Umgang mit diesem Medium zur Sprache: die seitens der Bibliotheken beklagte mangelnde Mitbestimmung, die aufwän-dige Bedarfsklärung eines Titels und zusätzliche Fragen des Geschäftsgangs. Oftmals fehlen in einer Bibliothek klare Richtlinien, wie mit dem Medium umzugehen ist und die dabei helfen können, Geschäftsgänge zu etablieren.

Um einen ersten Überblick über den Diskussionsstand zu bekommen und verschiedene Gesichtspunkte von digitalen Büchern zu beleuchten, arbeiteten die TeilnehmerInnen in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Thesen und deren entsprechenden Antithesen. Dabei wurde etwa die Aussage postuliert: um eine generelle Akzeptanz von eBooks zu erhalten, muss eine kritische Menge an elektronischen Büchern zu Verfügung gestellt werden. Auf der anderen Seite stand die Meinung, dass bei gezielter Auswahl von relevanten eBooks die An-zahl der vorgehaltenen Titel nicht von Bedeutung sei. Im Anschluss folgte eine Vorstellung der erarbeiteten Gegensätze und Konsensbildungen im Plenum.

Am Nachmittag des ersten Tages wurden zwei Vorträge von Anbietersei-te gehalten. Hierzu referierten Vertreter von Elsevier und MyiLibrary. Dabei wurde etwa das eBook-Verlagsprogramm von Elsevier im Hinblick auf das Fehlen von deutschsprachigen Titeln angesprochen, wobei eine Änderung dieser Strategie firmenintern diskutiert werde.

Zum Abschluss sprach Helmut Hartmann von der Kooperation E-Me-dien Österreich über den Umgang mit elektronischen Büchern in Öster-reich. Er unterstrich dabei zunächst den Unterschied zwischen eBook und Datenbank, der in seinen Übergängen fließend sei und eine Abgrenzung schwierig mache. Des Weiteren gab er einen Einblick in die Arbeit der Koo-peration E-Medien, deren Agenden und Herausforderungen.

Den zweiten Tag eröffnete ein Impulsreferat zu technischen Grundlagen, die im Zusammenhang mit eBooks stehen. Einen Höhepunkt der Tagung bildete der anschließende Vortrag von Adalbert Kirchgäßner, der die Wün-sche der Bibliotheken im Zusammenhang mit elektronischen Büchern poin-tiert und direkt zur Sprache brachte. Den idealen zukünftigen Geschäftsgang sieht Kirchgäßner bestimmt durch die Auswahl beim Anbieter, gefolgt von

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 250

der Lieferung der Titeldaten an den jeweiligen Verbund und der dortigen Kennzeichnung als Bestellung. Besonders eindringlich forderte Kirchgäßner standardisierte, lesbare Lizenzverträge mit einem einheitlichen Vokabular.

Podiumsdiskussion, Foto: Tobias Keppler

In der abschließenden Podiumsdiskussion versuchten die Referenten und Firmenvertreter eine Vision über den firmeninternen und bibliothe-karischen Umgang mit eBooks sowie über zukünftige Angebote und An-forderungen zu zeichnen. Das Thema Lehrbücher und mögliche Gebüh-renmodelle spielte dabei ebenso eine Rolle wie die prinzipielle Frage nach der weiteren Entwicklung von eBooks, etwa die Frage nach e-only oder die Zusammenstellung eigener, neuer digitaler Bücher aus bereits beste-henden Titeln. Die verschiedenen Finanzierungsmodelle (inklusive Hosting Fee) und die von den Firmen vorgenommene Paketbildung wurden ebenso eindringlich diskutiert wie die Möglichkeit des Ausdruckens von eBooks.

Die Fachtagung bot auf diese Weise einen regen Erfahrungsaustausch zwischen ErwerbungsexpertInnen einerseits und BibliothekarInnen und An-bietern andererseits. Diese Mischung und die Möglichkeit, einen Einblick in die jeweils andere Sicht zu bekommen, machte diese Veranstaltung zu einem Gewinn. Am Erfolg der Tagung hatte nicht zuletzt der Veranstalter Missing Link großen Anteil, der ein interessantes Programm zusammenge-stellt hatte und für einen reibungslosen Ablauf sorgte.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 51

BIBLIOTHEKEN IN DER NS-zEIT. PROVENIENzfORSCHUNG UND BIBLIOTHEKSGESCHICHTE. INTERNATIONALE TAGUNG IN wIEN, 25.–27. MäRz 2008

Von Reinhard Buchberger

Mit dem österreichischen Kunstrückgabegesetz von 1998 wurde die Dis-kussion um NS-Raubgut und Provenienzforschung auch an den heimischen Bibliotheken zum großen Thema. Vom 25. bis 27. März 2008 luden die UB Wien und die Wienbibliothek im Rathaus zu einem internationalen Sympo-sium, auf dem – begleitet von zwei Ausstellungen an der Universität und im Rathaus – nicht nur die Ergebnisse dieser beiden Institutionen vorgestellt wurden, sondern vor allem auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Bibliotheken angeregt werden sollte. Denn um den Netzwerken des Kunst-güterraubes gerecht zu werden, ist es unbedingt erforderlich, vergleichbare Netzwerke der „Bibliotheksarchäologie“, wie es Jürgen Babendreier (Bre-men) in seinem Eröffnungsvortrag metaphorisch nannte, aufzubauen, wie sie auch den Bücherräubern selbst zur Verfügung standen.

Gleich das erste Panel am 26. März, das dem Stand der Provenienzfor-schung an deutschen Bibliotheken gewidmet war, stellte diese Notwendig-keit ins Zentrum. Die Bibliothek der Schwestern Elise und Helene Richter, die von Christiane Hoffrath im Rahmen ihres Vortrags über Provenienzfor-schung an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln bearbeitet wurde, ist dafür eines der bekanntesten Beispiele: Teile der Bibliothek tauchten auch an der Wienbibliothek, der Österreichischen Nationalbibliothek und der UB Wien auf. Stephan Kellner stellte die Provenienzforschung an der Baye-rischen Staatsbibliothek vor, die vorwiegend über den Einsatz von Freiwil-ligen organisiert wird. Heike Pudler wiederum präsentierte die Staatsbibli-othek zu Berlin und deren Modell für die Erschließung von NS-Raubgut gemäß den Weimarer Empfehlungen zur Provenienzverzeichnung, die eine eigene Beschlagwortung für geraubte Bücher vorsehen. Matthias Harbeck und Sonja Kobold (UB Humboldt-Universität Berlin) zeigten anhand ihres Projektes über die Bibliothek der jüdischen Germanistikprofessorin Aga-the Lasch, wie sich im Zuge der Provenienzforschung an Großbibliotheken Einzelschicksale auftun. Bernd Reifenberg beschloss den Block mit seiner Einführung zur Provenienzforschung an der UB Marburg. In den Diskussi-onen wurden immer wieder die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbe-dingungen in Österreich und Deutschland angesprochen, die durch das Fehlen eines klaren, gesetzlichen Auftrages die Arbeit in Deutschland er-heblich erschweren.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 252

Der Nachmittag des ersten Tages war dann ganz der Geschichte der Bi-bliotheken in der NS-Zeit gewidmet. Helmut Hilz stellte die Bibliothek des Deutschen Museums vor, die mit dem gewaltigen Neubau von 1932 und der Ausrichtung auf Wissenschaftler, aber auch Technik-interessierte Laien perfekt in die Ziele des NS-Regimes und des totalen Krieges passte. Auch der UB Leipzig gelang sehr früh die Gleichschaltung, wie Cordula Reuss zeigen konnte; besonders interessant waren an ihrem Vortrag die überregionalen Requirierungsstrategien sowie ein Fund von in der Bibliothek versteckten Thorarollen im Jahr 1998, der sich aber nicht – wie ursprünglich angenom-men – als Akt des Widerstandes gegen das NS-Regime interpretieren lässt. Katharina Bergmann stellte ihr ambitioniertes Dissertationsprojekt zur Ge-schichte der UB Graz von 1938 bis 1945 vor, wobei sie durch Autopsierung zehntausender Bände gleich auch ein gutes Stück Provenienzforschung für die Bibliothek miterledigt. Ebenfalls als Zwischenbilanz ihres Dissertati-onsprojektes analysierte Susanne Wanninger Eigen- und Fremdaussagen über die Persönlichkeit Rudolf Buttmanns, des Generaldirektors der Ba-yerischen Staatsbibliothek von 1935 bis 1945 und Nationalsozialisten der ersten Stunde. Der Tübinger Wissenschaftsredakteur und Historiker Hans-Joachim Lang schilderte schließlich seine sehr persönlichen Erfahrungen in Sachen Restitution mit der UB Tübingen anhand der Privatbibliothek Max Fleischmanns, die sich noch immer im juristischen Seminar der Universität befindet – Ausgang offen.

Christina Köstner-Pemsel (Wien), Christiane Hoffrath (Köln), Stephan Kellner (München)

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 53

Der Vormittag des 27. März war ganz den Wiener Bibliotheken gewid-met. Den Anfang machte Werner Hanak-Lettner, der mit der Bibliothek des Jüdischen Museums Wien, die auch die alte Bibliothek der Kultusge-meinde umfasst, einen ganz speziellen Fall präsentierte: wohl kaum eine andere Bibliothek in Österreich hat eine derart heterogene Geschichte, wohl kaum eine andere Bibliothek musste derart große Abgänge während, aber auch ungeklärte Zugänge nach der NS-Zeit hinnehmen. Insofern war es nur konsequent, dass Hanak-Lettner die Frage nach Relativchronologie und Validität von Bibliotheksstempeln aufwarf: eine konsequente Erfor-schung der Stempel ist in Österreich aber leider noch Forschungsdesiderat. Christian Mertens zeichnete die Geschichte der Wiener Stadtbibliothek, der heutigen Wienbibliothek im Rathaus in der NS-Zeit nach, die – obwohl unter dem nationalsozialistischen Direktor Ferdinand Müller von Anfang an perfekt gleichgeschaltet – offenbar weniger in die Verteilungsnetzwerke des Bücherraubs eingebunden war, wenngleich auch hier zahlreiche Re-stitutionsfälle auftauchten. Zur Universitätsbibliothek Wien leitete Evelyn Adunka mit ihrem Vortrag zum Schicksal deren Direktors Salomon Frank-

Christian Mertens (Wien) erläutert die Ausstellung in der Wienbibliothek

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 254

furter (Direktor von 1919–1924) über. Für die UB Wien selbst war die Ta-gung die erste größere Gelegenheit, ihr engagiertes Provenienzforschungs-projekt vorzustellen, bei dem die Autopsie der Bücher bereits als weitest-gehend abgeschlossen betrachtet werden kann. Für die Hauptbibliothek der UB Wien tat dies Peter Malina, der sehr persönliche Eindrücke von der Arbeit des Provenienzforschers vermittelte: unter anderem am Beispiel der „Sammlung Tanzenberg“, die auch in der Österreichischen Nationalbibli-othek eine wichtige Rolle spielt, zeigte er, wie der Austausch mit anderen Institutionen die anfängliche Desorientiertheit überwinden half. Monika Löscher schließlich präsentierte das (vielleicht noch aufwändigere) Projekt an den Instituts- und Fachbereichsbibliotheken der UB Wien: nicht weni-ger als 49 Teilbibliotheken mit mindestens ebenso vielen Aufstellungssyste-matiken und Findbehelfen werden vom „Außen-Team“ der UB seit Früh-jahr 2006 vollständig durchgesehen. Bruno Bauer von der UB der Medizi-nischen Universität Wien zog schließlich gemeinsam mit Harald Albrecht eine Zwischenbilanz zur Provenienzforschung an seiner Bibliothek, die im Mai 2007 begonnen wurde.

Murray G. Hall (Wien), Evelyn Adunka (Wien),Werner Hanak-Lettner (Wien)

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 55

Das Abschluss-Panel zum „Bücherraub in den besetzten Gebieten“ wur-de von Sem C. Sutter eröffnet, der die Rolle von H. A. Krüss und Gustav Abb, den Direktoren der zwei großen Berliner Bibliotheken UB Berlin und Preußische Staatsbibliothek Berlin, in den besetzten Gebieten Polens und Frankreichs beleuchtete. Mit der „Zusammenholung russischer Literatur an Ort und Stelle“ beschäftigte sich der Buchhändler Werner Schroeder (Oldenburg) in seinem quellenbasierten Vortrag zum „Forschungstrupp Ost“ in der Sowjetunion 1941 bis 1943. Den Abschluss machte Andrzej Mężyński aus Warschau, der den gewaltigen Bücherverlust der polnischen Bibliotheken thematisierte, der die Folge einer gezielten deutschen Biblio-thekspolitik im Generalgouvernement war.

Nach der Konferenz „Raub und Restitution in Bibliotheken“ (2003) war die Tagung „Bibliotheken in der NS-Zeit“ die zweite Konferenz zum Thema Provenienzforschung und NS-Buchraub in Österreich. Mit dem Tagungs-band, der noch im Herbst erscheinen wird, wird hoffentlich ein weiterer Meilenstein gesetzt werden.

Alle Fotos: Monika Löscher, Wien

Bruno Bauer und Harald Albrecht (Wien)

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 256

——————————— P E R S O N A L I A ———————————

IM GEDENKEN AN GERHARD RENNER

Die Wienbibliothek im Rathaus (bis 2006 Wiener Stadt- und Landesbi-bliothek), aber auch das österreichische Bibliothekswesen und die Litera-turwissenschaft haben einen schweren Verlust erlitten. Der stellvertretende Bibliotheksdirektor Dr. Gerhard Renner ist am 1. April 2008 im 56. Lebens-jahr viel zu früh verstorben.

Gerhard Renner wurde am 10. Juli 1952 in Würnsdorf im Waldviertel geboren, besuchte im nahe gelegenen Pöggstall die Volks- und Hauptschu-le und wechselte dann an das Gymnasium in St. Pölten. Nach der Matu-ra studierte er an der Pädagogischen Akademie in Wien-Strebersdorf und schloss das Studium mit dem ursprünglichen Ziel, den Lehrberuf zu er-greifen, ab. Kurzfristig war er an der Schule der Wiener Sängerknaben als Erzieher tätig, und unterrichtete dort auch von Frühjahr bis Sommer 1977. Zu dieser Zeit studierte er bereits an der Wiener Universität Germanistik und Romanistik – ein Studium, das er sich selbst verdienen musste – und promovierte 1981 zum Thema „Österreichische Autoren und der Nationalsozi-alismus 1933–1940. Der ,Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs‘ und der Aufbau der Reichsschrifttumskammer in der ,Ostmark‘“ (publiziert in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 27 (1986), S. 195–303, unter dem Titel „Öster-reichische Schriftsteller und der Nationalsozialismus 1933–1940“).

Seit Herbst 1977 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Dokumentations-stelle für neuere Österreichische Literatur, war er Mitherausgeber von Son-dernummern der Zeitschrift „Zirkular“, vor allem aber wirkte er von 1984 bis 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen eines großen Pro-jekts des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zur Erfas-sung der „Nachlässe österreichischer Autoren“. Dies brachte ihn in engem Kontakt mit Bibliotheken, so dass es gleichermaßen für die Bibliothek wie für ihn persönlich ein Gewinn war, als er 1991 an die Wiener Stadt- und Landesbibliothek berufen wurde. 1992 erschien das gemeinsam mit Mur-ray G. Hall verfasste „Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren“ (2. Auflage 1995), ein Standardwerk, dem Gerhard Renner 1993 den Band „Die Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Öster-reich, ausgenommen die Österreichische Nationalbibliothek und das Österreichische Theatermuseum“ und im gleichen Jahr „Die Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Ein Verzeichnis“ folgen ließ.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 57

Vieles von dem, was die Wienbibliothek im Rathaus heute ausmacht, ist ganz wesentlich auf Gerhard Renner zurückzuführen. So stellte er sich von allem Anfang an mit großem Elan und ständig sich erweiternder Fach-

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 258

kenntnis den großen Herausforderungen des Bibliothekswesens, das sich damals im Um- und Aufbruch befand. In allen Bereichen des Bibliotheks-marketings war und ist seine Handschrift spürbar. Insbesondere auf dem Gebiet der EDV war er der kompetente Stratege der Bibliothek sowohl was den Einsatz im internen Bibliotheksbereich betraf, wie auch in der Präsen-tation der Bibliotheksbestände nach außen: Nach und nach wurden die Bibliothekskataloge ins Netz gestellt, wobei neben dem umfangreichen Ka-talogen der Druckschriften- und der Handschriftensammlung vor allem die Aufnahme der Plakate eine große logistische Herausforderung darstellte, die Gerhard Renner glänzend bewältigte. So war es nur selbstverständlich, dass er auch im elektronischen Verbund der Landesbibliotheken, der in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschaffen wurde, Pionier-arbeit geleistet hat.

Von allem Anfang an, noch Jahre bevor er 1999 stellvertretender Biblio-theksdirektor wurde, hat Gerhard Renner auch an der Planung für die Lö-sung der bereits seit langem anstehenden Depotfrage mitgearbeitet. Die bestehenden Depots der Wiener Stadt- und Landesbibliothek waren Mitte der 90er-Jahre praktisch voll, die Sicherheitsstandards durchaus nicht auf der Höhe der Zeit und vor allem der Plakatsammlung – einer der größ-ten in Europa – mangelte es an einer adäquaten Unterbringung. Ein Tief-speicher im Hof 6 des Wiener Rathauses war angedacht, der sowohl vom konservatorischen wie auch vom sicherheitstechnischen Standpunkt aus allen Erfordernissen zeitgemäßer Bibliotheksstandards entsprechen sollte. Dass dieses Projekt schließlich 1999 bis 2003 verwirklicht werden konnte, ist – vor allem was Planung und Logistik betrifft – im Wesentlichen ihm zu danken. Auch die Neugestaltung des Publikumsbereiches der Bibliothek, der nach der Übersiedlung des ursprünglich benachbarten Wiener Stadt- und Landesarchivs in den Simmeringer Gasometer im Jahr 2001 in Angriff genommen und im November 2003 eröffnet werden konnte, trägt ganz wesentlich die Handschrift von Gerhard Renner.

Ein besonderes Augenmerk richtete er auch auf die Restitution von in der Zeit des Nationalsozialismus ihren Eigentümern geraubten und der Bibliothek übergebenen Druckwerke, Handschriften und Musikalien be-ziehungsweise auf solche, die nach 1945 unter mehr als fragwürdigen Um-ständen von der Bibliothek „erworben“ worden waren. Als wir 2001 in Zusammenhang mit der Einrichtung des neuen Plakatdepots einschlägige Sammlungen in der Schweiz besuchten, war es seine Anregung, mit den Nachkommen von Adele Crespo de la Serno, der Erbin der ihren Besitzern abgepressten Sammlung „Strauß-Meyszner“ (einer der größten Bestän-de zu Leben und Werk von Johann Strauß Sohn), Kontakt aufzunehmen.

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 59

Es war nicht zuletzt diesem seitens der Bibliothek aktiv unternommenem Schritt sowie dem Verhandlungsgeschick Gerhard Renners zu danken, dass dieser für die Wiener Musikgeschichte so wesentliche Bestand nach seiner Restituierung an die Erben mit Unterstützung des Wiener Bürgermeisters und des Stadtrats für Kultur und Wissenschaft für die Bibliothek erworben werden konnte.

Für Gerhard Renner war und blieb „seine“ Bibliothek immer ganz wich-tig und seine unbedingte Loyalität zu ihr in allen Situationen seiner Berufs-laufbahn war bewundernswert. Darüber hinaus war er aber auch im Laufe der Zeit in vielen Kommissionen der VÖB aktiv tätig und war bis zuletzt Vorsitzender der Kommission für Landesbibliotheken und stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Nachlassbearbeitung.

Man sollte über den exzellenten Bibliothekar aber den exzellenten Litera-turwissenschaftler nicht vergessen. Immer am literarischen Diskurs interes-siert, widmete er sich insbesondere den Schnittbereichen von Literatur und Politik im 20. Jahrhundert, aber auch editionstechnischen Fragen, wovon auch die beiden Kataloge der von ihm betreuten beiden Ausstellungen in der Bibliothek beredtes Zeugnis ablegen: „Literaturzeitschriften heute“ (1992) und „Eduard Castle. Sein Beitrag zur Erforschung der österreichischen Literaturge-schichte“ (1995). Aber auch mit der Literatur des 19. Jahrhunderts setzte er sich auseinander, etwa mit „Grillparzers Lebensentwurf als Dichter“ (1991). Meine Hoffnung, mit Gerhard Renner gemeinsam einen Band der neuen historisch-kritischen Raimund-Ausgabe zu betreuen, wurde durch sein Ar-beitsengagement in der Bibliothek, und letztlich durch seine Krankheit zu-nichte gemacht. Doch hat er zwei bemerkenswerte Beiträge hinterlassen: „Ferdinand Raimund: Edition aus Bühnenmanuskripten“ (2000) und den grund-legenden Aufsatz „Warum wir eine neue Raimund-Ausgabe brauchen“ (2006).

Dass die wissenschaftliche Arbeit Gerhard Renners auch weit über die Grenzen Österreichs hinaus geschätzt wurde, ist auch daraus ersichtlich, dass W. Edgar Yates, der emeritierte langjährige Ordinarius für Germanistik der Universität Exeter in England, mir am Tage von seinem Tod (und noch nichts von diesem wissend) eine Nachricht schickte, in der er mit Hinblick auf die in der UB Exeter verwahrte umfangreiche Sammlung von Zeitungs-ausschnitten Arthur Schnitzlers schrieb: „Wenn Forscher aus Österreich extra nach Exeter gekommen sind, um daran zu arbeiten, habe ich das immer als untrüglichen Beweis der wissenschaftlichen Seriosität betrach-tet. Zu meiner Zeit sind nur drei gekommen“ – einer davon war Gerhard Renner. Das Resultat seiner Forschungen an diesem Bestand waren die Analysen und Dokumente zu Schnitzlers „Reigen“, die er 1993 gemeinsam mit Alfred Pfoser und Kristina Pfoser-Schewig herausgegeben hatte. – Sein

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 260

reiches Wissen hat er als Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik an der Universität Wien an eine jüngere Generation weitergegeben.

Ich darf hier dankbar sagen, dass Gerhard Renner in den Jahren mei-ner Direktion von 1999 bis 2003 weit mehr als nur ein stellvertretender Direktor war. Die Zusammenarbeit mit ihm war von höchster Qualität, es wurde alles gemeinsam besprochen, durchdiskutiert und entschieden, es war für mich so etwas wie eine Doppeldirektion: Wir haben uns gemein-sam bemüht, entsprechend unseren Fähigkeiten das zu tun, was für die Bi-bliothek, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihren Benützerkreis wichtig war.

Gerhard Renner war über sein Fachgebiet hinaus vielseitig interessiert, ein großer Liebhaber und Kenner der Kunst und insbesondere der Musik, er lachte gerne, liebte pointierte Formulierungen und hatte Freude an jeder Art guter Geselligkeit. Er machte gerne Reisen mit seiner Familie und mit Freunden und es war einfach schön, sich mit ihm über so viele Dinge un-terhalten zu können. Besonders am Rande dienstlicher Reisen oder der ge-meinsam besuchten österreichischen und deutschen Bibliothekartage gab es Zeit für freundschaftliche Gespräche und gemeinsames Erleben. Dass aus einer hervorragenden Zusammenarbeit auch Freundschaft wurde, ist ein Geschenk, das den Abschied zwar umso bitterer macht, aber auch viel bleibende Erinnerung und Dankbarkeit auslöst.

Gerhard Renner war ein lebensbejahender und unglaublich tapferer Mensch. Den Kampf, den er seit 2001 gegen seine Krankheit führte, hat er am Schluss scheinbar verloren, aber er hat auch gezeigt, wie man mit schweren Dingen, die das Leben oft so unvermutet bereit hält, umgehen kann und ihnen lange nicht erlaubt, über einen Macht zu gewinnen. Er wird der Wienbibliothek, dem österreichischen Bibliothekswesen, der Lite-raturwissenschaft, vor allem aber seiner Familie und seinen Freunden sehr fehlen.

Walter Obermaier

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Susan Gibbons: The academic libra-ry and the net gen student. Making the connections. Chicago: American Libra-ry Association 2007. XVI, 119 S. ISBN 978-0-8389-0946-1. $ 45.

Autorin Susan Gibbons1 ist Associate Dean für öffentliche Dienste und Be-standsaufbau bei den River Campus Li-braries der University of Rochester2. An dieser Universität wurden von 2004 bis 2006 unter Anleitung durch eine Sozial-anthropologin, Nancy Fried Foster3, die Arbeitsgewohnheiten der Undergradua-te-Studierenden, also bis zum Bachelor-Level, gründlich untersucht. Unter ande-rem darauf basiert der vorliegende Band, der sich von anderen Library 2.0-Bü-chern4 dadurch unterscheidet, dass Aus-sagen über Internetgebrauch von Studierenden auf einer besonders fun-dierten empirischen Basis stehen.

In der Einleitung umreißt Gibbons kurz die aktuellen Entwicklungen im Bibliothekswesen: Eine wissenschaftliche Disziplin nach der anderen verla-gert ihre Publikationen in die Online-Welt. Durch die stärkere Verbreitung von Konsortien, Zeitschriftenpaketen und Approval Plans ähneln einander die Bibliotheksbestände immer mehr. Studierende stellen immer höhere Anforderungen an technische Ausstattung und Recherchemöglichkeiten. Kurz: Die Zukunft der Bibliotheken erfordert große Umstellungen. „This book makes the bold assumption that there is a real, vibrant future for academic libraries. But that future requires a realignment of the services, collections, and resources of academic libraries with the academic needs of their unique higher education community, in particular undergraduate students“ (S. XV). Im ersten Kapitel werden daher verschiedene betriebs-wirtschaftliche bzw. organisationswissenschaftliche Theorien vorgestellt, die sich mit Organisationen beschäftigen, die Phasen der Veränderung ent-weder sehr gut oder gar nicht bewältigen konnten. Die Herausforderung und Chance für Bibliotheken sieht Gibbons darin, sich auf die heutigen

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Studierenden und ihre Recherche- und Arbeitsgewohnheiten einzulassen und eine Art Brückenfunktion zwischen den Studierenden und dem Lehr-körper wahrzunehmen (S. 11).

In Kapitel 2 wird definiert, was denn eigentlich unter der „Net gene-ration“ zu verstehen sei, die teilweise auch als Generation Y, Generation Now, Millennials, Echo Boomers oder Generation Me bezeichnet wird. Der Begriff wurde von Don Tapscott in seinem Buch „Growing Up Digital“ geprägt und bezeichnet Personen, die je nach Definition nach 1977 oder nach 1982 geboren wurden bzw. die mit digitalen Technologien aufge-wachsen sind, sogenannte „digital natives“. Gibbons beschreibt anschau-lich, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die US-Studierenden dieser Generation in ihrer Entwicklung und ihren Ansichten beeinflusst ha-ben. Auch bei uns wird BibliothekarInnen, die mit Studierenden in diesem Alter arbeiten, einiges bekannt vorkommen – der gewisse Mangel an Auf-lehnung gegen die Eltern, die Erwartung einer Sonderbehandlung, über-steigerte Selbsteinschätzung, kürzere Aufmerksamkeitsspanne, aber auch die größere Erfahrung in Teamwork, Multitaskingfähigkeit, selbstverständ-licher Umgang mit Internettechnologien, höherer Leistungsdruck und eine gewisse Offenherzigkeit in der Preisgabe persönlicher Informationen. Auch der Verweis auf die dazugehörigen „Helikopter-Eltern“ (S. 77), die immer um ihre Kinder herumkreisen, auch wenn sie eigentlich schon erwachsen sind, darf nicht fehlen. Natürlich sind das verallgemeinernde Aussagen, die nicht auf alle Menschen in einer „Generation“ zutreffen müssen, wie auch Gibbons selbst bemerkt. Außerdem wage ich einmal zu behaupten, dass die durchschnittlichen 26jährigen, die ja eigentlich schon in diese Genera-tion fallen, nicht unbedingt schon das Internet quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben und sich so von durchschnittlichen 18jährigen deutlich unterscheiden. Hier gibt es wohl fast mit jedem Jahrgang, nicht mit jeder Generation nennenswerte Änderungen.

In Kapitel 3 behandelt Gibbons Computerspiele, vor allem die von der „Net Generation“ häufig bevölkerten Online-Welten (MMORPGs, Mas-sively Multiplayer Online Role-Playing Games), die sich durch ausgefeilte 3D-Graphik und durch das gemeinsame Spielen tausender einander per-sönlich nicht bekannter, weltweit verstreuter Personen auszeichnen. An-gesprochen werden Lerneffekte von Spielen, Lernspiele im engeren Sinne und Möglichkeiten, wie wissenschaftliche Bibliotheken Online-Spiele in ihr Angebot aufnehmen und integrieren können. Kapitel 4 widmet sich Web 2.0-Tools wie RSS-Feeds, Weblogs und Wikis, jeweils mit konkreten An-wendungsmöglichkeiten für Bibliotheks-Websites und Online-Kataloge. Das Thema Web 2.0 wird in Kapitel 5 fortgesetzt, und zwar mit der Vorstel-

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lung von Social Bookmarking- und Social Cataloguing-Werkzeugen bzw. mit einer Einführung in Tagging und Folksonomy und deren Auswirkungen auf Bibliotheken. Interessant die vorgestellten Projekte zur Integration von Tags, also nicht normierten, persönlichen Schlagwörtern, in Online-Kataloge. In Kapitel 6 geht Gibbons auf Kommunikations- und Vernet-zungswerkzeuge wie Mobiltelephone, PDAs, Instant Messenger und Social Networking ein. Ein gänzlich unaufwendiges Anwendungsbeispiel, das ich hier herausgreifen möchte, ist die Idee, am Ende von Benutzerschulungen die Studierenden aufzufordern, die Telephonnummer des Infoschalters in ihre Handys zu speichern. Schon mehr Know-How setzen die Einführung von Chatauskunft oder der Einsatz von Facebook-Gruppen in Kooperation mit Fakultäten oder Instituten voraus.

Im letzten Kapitel löst sich Gibbons von den konkreten Anwendungen, deren es ja täglich zahlreiche neue gibt, und geht „a few steps back from the specific, immediate trends to address more generally what academic libraries can do to ensure that they continually in step with their students while fulfilling their mission to be the best in the world at serving the unique teaching, learning, and research needs of their home academic institutions by actively participating in the creation, transmission, and disseminati-on of knowledge“ (S. 90). Hier trifft Gibbons mehrmals den bibliotheka-rischen Nagel auf den Kopf: Ideen für neue Angebote werden solange in verschiedensten Komitees und Ausschüssen diskutiert, bis sie schon über-holt sind: „We strive to reach a point at which all the potential outcomes of a change in service are known and the results are largely predictable“ (S. 91) Etwas, was die Autorin ebenso den Universitäten als Dachorga-nisationen zuschreibt: „How long will it take before outstanding digital scholarship ... counts uniformly towards tenure in the same way a publis-hed monograph does today?“ (S. 91). Gibbons schlägt vor, in den Biblio-theken eine Art „Forschungs- und Entwicklungshaltung“ einzuführen, also laufend bestehende Dienste zu evaluieren und zu hinterfragen, auch dem Bibliothekspersonal den nötigen Freiraum zu geben, um neue Ideen zu ent-wickeln, durchzudenken und umzusetzen. Das bringt auch mit sich, Geld und Personal von altbewährten Einheiten in neue experimentelle Projekte umzuleiten, die natürlich auch einmal schiefgehen können. Was auch dazu gehört: „understanding our users“ (S. 97), also nicht nur zu konstatieren, dass junge Leute von heute eben anders lernen, arbeiten, und leben, son-dern diesen Unterschieden auch auf den Grund zu gehen. Vorbildlich ist hier der Beschluss der Universität Rochester, ein zweijähriges Forschungs-projekt zu finanzieren, das Gibbons so umreißt: „In trying to answer the question ‚How do students research and write papers?‘ we engaged them

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in reflective interviews and intellectual self-assessments. We asked them to create maps of their movements on campus and take pictures. We invited them to codesign library spaces and express their wants and needs for aca-demic and social places. And all the while we quietly observed them using the field observation techniques Foster taught us (…) A new philosophy of ‚don’t guess, just ask has helped us place our students in the center of our design process“ (S. 97f.). Vor allem dieses abschließende Kapitel war sehr spannend und hätte ruhig etwas ausführlicher gehalten sein dürfen. Hier wird man hoffentlich im ergänzenden Band „Studying Students: The Undergraduate Research Project at the University of Rochester“5 fündig.

Was mir bei der Lektüre ein wenig fehlt, wie bei vielen anderen Publika-tionen zu diesen Themen, ist eine kritische Einschätzung, ob die Studier-enden wirklich auf diese Angebote gewartet haben oder ob sie es, über-spitzt formuliert, als peinliche Anbiederung und Eindringen in ihre Leb-enswelt empfinden. Hier würde ich auch Unterschiede bei einzelnen Tools erwarten: Weblog der Bibliothek lesen – ja gerne; Neuerscheinungen per RSS-Feed – tolle Sache; den Bibliotheksleiter als „Friend“ bei Facebook – nein danke? Meine eigenen, natürlich nicht so umfassenden und wis-senschaftlich fundierten Gespräche mit Bachelor-Studierenden aus der „Net-Generation“ zeigen auch, dass ein selbstverständlicher Umgang mit Internettechnologien noch lange nicht professionell und reflektiert ist und dass sich die nennenswerten Erfahrungen mit modernen Kommunikation-stechnologien häufig auf Chat und Internetforen beschränken. In diesem Zusammenhang wäre interessant, ob Schulungsangebote der Bibliothek zum Thema Web2.0 von Studierenden angenommen werden oder ob sie der Bibliothek (höhere) Kompetenz auf diesen Gebieten gar nicht zutrau-en. Das Buch macht auf all diese weiteren Fragen auch dank einer um-fangreichen Literaturliste neugierig und leistet für mich, die ich schon der „Generation X“ angehöre, einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Lebens- und Arbeitswelt heutiger bzw. zukünftiger Studierender. Empfeh-lenswert vor allem für die Leitungsebene und BibliothekarInnen, die in Ent-wicklungsabteilungen (die es ja da und dort schon gibt6) arbeiten bzw. mit Entwicklungsaufgaben betraut sind.

Monika Bargmann, Wien

1 Kurzinformation auf http://www.educause.edu/PeerDirectory/750?ID=115655 2 http://www.library.rochester.edu/.3 Kurzinformation auf http://www.dlib.org/dlib/january05/authors/

01authors.html#FOSTER.4 Siehe dazu u.a. Monika Bargmann, Susanne Tremml: „Library 2.0 –

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eine Sammelrezension“. In: Libreas 3-4 (2007), http://www.ib.hu-ber-lin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe10/012bar.htm.

5 Zu den Methoden siehe Nancy Fried Foster, Susan Gibbons (Hrsg.): Studying Students: The Undergraduate Research Project at the Univer-sity of Rochester. Chicago: Association of College and Research Librar-ies 2007. 100 S. ISBN978-0-8389-8437-6. $ 28 bzw. online abrufbar unter http://www.acrl.org/ala/acrl/acrlpubs/downloadables/Foster-Gibbons_cmpd.pdf.

6 Siehe z.B. http://www.onb.ac.at/organigramm.htm.

Guido Stoye, Tina Schönfelder: Bib Libido – eine Liebeserklärung für Biblio thekare. Nach einer Idee von Andrea Nikolaizig. Ill. von Alexander Süß. Berlin: Bibspider, 2007. 137 S. ISBN 978-3-936960-21-1. EUR 15 [D] / 16,50 [A].

Also, liebe Bibliothekarin, wer soll nun Dein Herzblatt sein? Ist es der „Würz-burger Zimelienwächter“, ist es „DJ Pa-limpsest“ oder gar der „schnittige Kord-hosentyp von der Auskunft“? Auch Du, lieber Bibliothekar, musst Dich jetzt entscheiden – wählst Du die „mittel-deutsche Katalog-Mieze“, die „Daten-muse“ oder doch das „Mahnwesen“?

Nachdem in den Bänden „Von Crêpes Museion bis Online-Drink“ und „Bibliofit. Ein Fitnessbuch für Bibliothe-kare“ das körperliche Wohlbefinden von Bibliothekarinnen und Bibliothe-karen im Mittelpunkt stand, widmet sich nun „BibLibido“ einem Aspekt der seelischen Gesundheit – nämlich der Wahl geeigneter PartnerInnen. Auch Biblibido geht auf eine Idee der FH-Professorin Andrea Nikolaizig zu-rück und wurde von Studierenden der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig verfasst.

Im ersten Abschnitt wird untersucht, welche Berufsgruppen die geeig-neten PartnerInnen für Bibliothekspersonal darstellen und was bei einer entsprechenden „Paarung“ herauskäme. Im zweiten Abschnitt wird of-fengelegt, welche reiz- und lustvollen Tätigkeiten sich mit Einrichtungen

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wie Freihandtheke und Frauenruheraum verbinden lassen und was die wirk liche Aufgabe eines Standortkataloges ist. Klar lebt das Buch von der Übertreibung, aber dennoch werden aktuelle Herausforderungen im Bibli-othekswesen – wie Konzepte der Öffentlichkeitsarbeit oder das Gewinnen von neuen Benutzerschichten – sehr humorvoll auf den B-Punkt gebracht.

Äußerst treffend ist aber der dritte Abschnitt, die Schilderung einer bibliothekarischen Fachtagung (unter dem verheißungsvollen Titel „Der Bibliothekskongress – die totale Lust“), in deren Rahmen unter anderem MitarbeiterInnen versteigert werden. Besonders begehrt natürlich der 24jährige „Fachreferent für Soziologie, Nordische Sprachen, Anglistik, Nautik, Veterinärmedizin, Experimentalphysik, Jura, Politik, Virologie, Alte Geschichte und Cryo-Technologie“...

Abgerundet wird das Buch durch meist sehr gelungene Illustrationen von Alexander Süß. Insgesamt eine heitere, empfehlenswerte Lektüre. Üb-rigens: Wer von Ihnen einsam ist, sei ohne Sorge, die richtige zweite Hälfte wartet sicher schon irgendwo im Verschlussmagazin.

Monika Bargmann, Wien

Der Campus-Knigge. Von Abschreiben bis Zweitgutachten / hrsg. v. Vec, Miloš; Bettina Beer; Eva-Maria Engelen u. a. (Beck’sche Reihe Bd.1842). München: Beck 2008. 240 S. ISBN 978-3-406-56824-4. EUR 9,95 [D] / 10,30 [A].

Leggewie, Claus u. Elke Mühlleitner: Die akademische Hintertreppe. Kleines Lexikon des wissenschaftlichen Kommunizierens. Frankfurt u.a.: Campus 2007. 295 S. ISBN 978-3-593-38153-4. EUR 22,00 [D] / 22,70 [A].

Die beiden unterhaltsam geschriebenen Lexika widmen sich den Sitten und Gebräuchen des Mikrokosmos Hochschule und könnten auch den Unter-titel „Was Sie schon immer über Ihre Alma Mater wissen wollten, sich aber nie zu fragen getraut haben“ führen. Die Textbeiträge bewegen sich da-bei stilistisch auf dem Niveau von Kurzessays von einer halben bis zu fünf Seiten Länge. In z.T. herrlichen Bonmots wird der tägliche akademische Wahnsinn unverblümt geschildert.

Vom Umfang her sind sich beide Werke ähnlich: Der „Campus-Knigge“ enthält auf 233 Seiten Text 181 Lemmata, die „Akademische Hintertrep-pe“ umfasst 174 Einträge auf 276 Seiten – bei ähnlichen Buchformaten. Die somit etwas kürzere durchschnittliche Länge der Texte im Campus-

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Knigge ist u.a. der Tatsache geschuldet, dass hier einige Lemmata den Um-fang von mehrzeiligen Aphorismen haben oder nur als Querverweis auf-tauchen. Trotz der beachtlichen Anzahl von Einträgen lassen sich nur 27 Dopplungen feststellen, was v.a. auf die unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkt-setzung zurückzuführen ist.

Der in der Originalausgabe bereits 2006 erschienene Campus-Knigge (Cover rechts oben) liegt mittlerweile auch als (unverän-derte) Taschenbuch-Ausgabe vor (Cover rechts unten). Die neun Herausgeber sind Mitglieder der interdisziplinär zusammen-gesetzten „AG Manieren!“ der „Jungen Aka-demie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina“ und beschäftigen sich mit den vielfältigen Regeln und Normen des Wissenschaftsbetriebes. Zum 71 (!) Köpfe zählenden Autoren-Kollektiv gehören ne-ben Professoren, Wissenschaftlichen Mit-arbeitern und Studierenden auch Schrift-steller und Journalisten.

Tendenzielle Intention des Buches ist, junge Akademiker auf umstrittene Verhal-tensweisen hinzuweisen und sie in amü-santer Art und Weise mit den Normen und Konventionen des Wissenschaftsbetriebes vertraut zu machen. Inhaltlich wird im Prin-zip der gesamte Komplex Hochschule be-handelt, wobei das soziale Gefüge, der zwi-schenmenschliche Bereich, im Fokus steht.

Geschrieben aus Sicht des jungen Wis-senschaftlers – was durch enthaltene Stich-wörter wie Streber, Titelkauf, Silberrücken, Co-Autoren oder Mentoring deutlich wird – ist das Buch inhaltlich außerdem auch der studentischen Sicht noch deutlich verhaf-tet (vgl. z.B. die Einträge Kommilitone, Erstsemestertage, Semesterferien, Mensa

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oder Studentenwohnheim). Aus einigen der Lemmata (Drittstudium, Ho-norarprofessor, Kohle, Ungleichheit) spricht ferner die leise Angst vor einer ungewissen akademischen Zukunft.

Wie es von einem Knigge zu erwarten ist, hält das Buch auch handfeste Empfehlungen für angehende Wissenschaftler bereit, die die Klaviatur der akademischen Manieren beherrschen möchten. So erfährt der interessierte Leser z.B. wie man einen Nachruf verfasst, das man ein „Blurb“, also ein be-stelltes Lob für den Waschzettel oder Klappentext einer wissenschaftlichen Monographie, lieber höflich absagen sollte oder das der passende sakrale Raum für die Antrittsvorlesung unbedingt rechtzeitig zu reservieren ist. Ei-nige Begriffe erinnern deutlichst daran, dass Hochschulen nach wie vor Teil eines schwer zu bändigenden bürokratischen Apparates sind. So könnte man die „Bemühenszusage unter Haushaltvorbehalt“, die Bewerber oder Antragsteller in Hochschulen erreicht, durchaus bei der Wahl zum (Un-)Wort des Jahres vorschlagen und die „Festschriftendruckkostenzuschuss-versicherung“ wäre gar ein Kandidat für das Wortmonstrum des Jahres. Vor schwierigen Themen scheuen die Autoren des Campus-Knigge nicht zurück und werden an einigen Stellen durchaus bissig. So wird die in Deutschland in finanzieller Hinsicht höchst unsichere Position der Honorarprofessoren bemängelt und die „Damen und Herren Professoren“, die aus Abschluss-arbeiten ihrer Prüflinge abschreiben, weil sie der Meinung sind, ein Erstver-wertungsrecht an diesen Arbeiten zu besitzen, offen kritisiert.

Die stilistische Geschlossenheit des Bandes, für den einige Texte zweit-verwertet wurden, leidet leider unter der Vielzahl von Autoren. So sind nicht alle Texte erfrischend geistreich geschrieben, manches ist zu ausufernd, zu detailverliebt oder zu fachbezogen geraten.

Lemmata aus dem Bibliothekskontext sind im Campus-Knigge rar. Völ-lig missraten ist der Kurzessay zum Eintrag „Bibliothek“, in dem der Autor – natürlich ein Geisteswissenschaftler – in Erinnerungen schwelgend, einen Lobgesang auf die Pariser Bibliotheken anstimmt. Der tiefere Sinn bleibt dem Rezensenten verborgen.

Von weit weniger Autoren wurde die Akademische Hintertreppe ver-fasst. Claus Leggewie ist Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Zentrums für Medien und Interaktivität der Justus-Liebig-Universität Gie-ßen. 2007 wurde er zum Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen, einem interdisziplinären Forschungskolleg, bestellt. Seine Mitautorin, Elke Mühlleitner, ist Psychologin und Sozialwissenschaftlerin und arbeitet als freie Wissenschaftsautorin.

Forschungsschwerpunkt von Leggewie ist u.a. die Wissenschaftskom-munikation in digitalen Medien. Dies kommt auch bei der Auswahl der

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Lemmata für die Akademische Hinter-treppe zum Ausdruck, die den Untertitel „Kleines Lexikon des wissenschaftlichen Kommunizierens“ führt. Das Thema Wis-senschaftliches Kommunizieren, unter dem sich ja letztlich auch Bibliotheken und ihre Dienstleistungen behandeln lassen, wird wesentlich erschöpfender behandelt als im Campus Knigge. Insofern enthält dieses Buch sicherlich die für den Bibliothekar in-teressanteren Beiträge.

Neben eng mit Bibliotheken verwand-ten Begriffen, wie Bibliographie, Buch, Enzyklopädie, Graue Literatur oder Sam-melband werden auch aktuelle Debatten, die das Bibliothekswesen betreffen (z.B. E-Learning, Informationskompetenz, Urhe-berrecht), ex- oder implizit behandelt. Fer-ner finden die modernen Ausprägungen der Wissenschaftskommunikation, wie E-Learning, E-Mail, Fachblog oder das Google-Copy-Paste-Problem Erwähnung.

Im Gegensatz zum Campus-Knigge ist die Akademische Hintertreppe aus Sicht des arrivierten Akademikers geschrieben, der unter dem Stich-wort „ProfessorIn“ selbstironisch „Notorische Vergesslichkeit und Welt-fremdheit, eine gewisse Verwahrlosung im Aussehen und eine moderate Vertrottelung“ konstatiert, seine Zunft aber auch augenzwinkernd vertei-digt: „… so luxuriös ist der Job nicht mehr: Man muss mehr arbeiten für weniger Gehalt“. Einblicke in die (Gefühls-)Welt des angehenden Akade-mikers oder aufstrebenden Wissenschaftlers fehlen dagegen.

Insgesamt präsentiert sich die Akademische Hintertreppe stilistisch ein-heitlich, klar und sprachlich geschliffen und ist dabei überaus amüsant zu lesen. Unterhaltsam sind vor allem die hin und wieder eingestreuten Bonmots, wenn z.B. Open Source als „Utopie der Wissensallmende“ be-zeichnet wird oder die Autoren nüchtern feststellen: „Am Anfang war das Wort, dann kam sofort der Kommentar“.

Vergleicht man beide Werke, so kommt die Akademische Hintertrep-pe alles in allem wortgewandter, bissiger und unterhaltsamer daher, der Campus-Knigge dafür etwas informativer, v.a. für Nicht-Akademiker. Die für den Bibliothekar sicherlich interessanteren Lemmata enthält die Aka-demische Hintertreppe. Letztlich ergänzen sich die beiden Bücher aber gut,

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so dass auch die 10 Euro für die Taschenbuchausgabe des Campus-Knigge gut investiert sind.

Nachsatz: Beide Titel widmen auch einen Eintrag dem Thema „Rezen-sion“. Die im Campus-Knigge verfasste Rezensionsethik beschreibt die Be-sprechung auch als „Tanz mit allen Gefahren“. In diesem Sinne hofft der Rezensent im Takt geblieben zu sein.

Mario Hütte, Dortmund

Beate Guba, Unbekannte Portal-welten? Der Wegweiser! (= B.I.T.on-line – Innovativ 15), Wiesbaden: Din-ges & Frick, 2007. 120 S. ISBN 978-3-934997-18-9EUR 29,50 [D] / 30,40 [A].

Beate Guba beschäftigt sich im vorlie-genden Buch mit Webportalen, wo-bei insbesondere Universitätsportale behandelt werden. Tatsächlich kann sich das Informationsmanagement an Hochschulen über einen Mangel an Herausforderungen nicht beklagen: wie die Autorin einleitend darstellt, haben diese nämlich sowohl administrative als auch wissenschaftliche Informati-onen in sehr großer Menge zu verwal-ten. Dabei sind die für spezifische Informationen benötigten Datenquellen sowohl im administrativen als auch wissenschaftlichen Bereich oft vonei-nander isoliert und befinden sich in heterogenen Systemen – unerwünschte Redundanzen und Inkonsistenzen sind die Folge. Verbunden mit der ver-stärkten Nachfrage nach elektronisch vorliegenden Fachinformationen im Wissenschaftsbetrieb ist ein planmäßiges, strukturiertes und effizientes Umgehen mit Informationen notwendig.

Ein Portal kann hier wertvolle Dienste leisten – doch was ist darunter eigentlich genau zu verstehen? Nach einer Auseinandersetzung mit der ein-schlägigen Literatur gelangt Guba zu folgender Arbeitsdefinition: „Ein Portal ist […] ein virtueller Ort für die Bereitstellung und Distribution von (über verschiedene Anwendungen verteilte) Daten und Informationen und ermög-licht eine durchgängig IT-gestützte Prozessteuerung über technische System-

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grenzen hinweg […] Ein universitäres Informations- und Kommunikations-portal hat also die Funktion, auf der einen Seite den Universitätsbetrieb und auf der anderen Seite die grundlegenden Bestandteile des Wissenschaftspro-zesses, nämlich die Gewinnung, Speicherung, Publikation und Vermittlung von Informationen bzw. Wissen sowie die wissenschaftliche Kommunika-tion, zu unterstützen“ (20). Als weiteres wesentliches Merkmal von Portalen kommt noch die Möglichkeit der Personalisierung der Funktionen hinzu.

Bei der Einteilung von Portalen in verschiedene Typen herrscht in der Literatur eine große Vielfalt an Ansätzen. Ausgehend von der fehlenden Stringenz und Vollständigkeit der verwendeten Typologien wird von Guba eine eigene Klassifikation präsentiert, die die Portale nach ihren jeweils pri-mären Funktionen einteilt: so werden Rechercheportale zur Recherche nach Fachinformationen, Informations- und Kommunikationsportale zur organisatio-nalen Aufgabenerfüllung (Corporate Portals) bzw. privaten Endnutzung (nicht-transaktionsorientierte Consumer Portals) sowie Geschäftsportale zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen als die drei Hauptklassen definiert, in die sich die weiteren Portaltypen einordnen lassen.

Auf drei dieser weiteren Portaltypen – Fachinformations-, Bibliotheks- und Universitätsportale – geht die Autorin näher ein und bringt auch einige Praxisbeispiele. Erstere stellen Rechercheportale dar, in denen von einem virtuellen Ort aus verteilte, heterogene Datenquellen ohne Medienbrüche durchsucht und genutzt werden können. Im deutschsprachigen Raum sind sie als Virtuelle Fachbibliotheken schon seit einigen Jahren bekannt und verbreitet. Bibliotheksportale, die ebenfalls zu den Rechercheportalen ge-hören, sind im deutschsprachigen Raum jedoch noch kaum zu finden. Sie zeichnen sich durch personalisierbare Zugänge zum Literatur- und Fachin-formationsangebot spezifischer Bibliotheken aus und gehen somit weit über die üblichen BenutzerInnenkontos in Online-Bibliothekskatalogen hinaus. Universitätsportale als spezielle Ausprägung von Informations- und Kom-munikationsportalen werden durch drei Fallbeschreibungen ausführlicher präsentiert. Sie sind – zumindest in Deutschland – schon häufiger vorhan-den, was wohl nicht zuletzt an der finanziellen Förderung dieses Portaltyps durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG liegt.

Im praktischen Teil zeigt die Autorin am Beispiel der Donau-Universität Krems, wie mittels einer Analyse des Informationsbedarfes der Zielgruppe Portale hinsichtlich ihres Funktionsumfanges konzipiert werden können. Sie führte hierzu eine Befragung unter Studierenden durch und gewann da-raus Erkenntnisse, die nun als Ausgangspunkt herangezogen werden kön-nen, um für die Donau-Universität ein Portal für Studierende als primäre Zielgruppe zu realisieren.

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Die vorliegende Studie ist sowohl in ihrem theoretischen als auch prak-tischen Teil interessant und lesenswert. Es wäre wünschenswert, wenn die von der Autorin vorgeschlagene Klassifikation von Portalen von der Fach-welt aufgenommen und weiter bearbeitet würde. Die präsentierten Beispiele von Portalen stellen eine Fundgrube an Anregungen und Ideen für die Kon-zeption von (Universitäts-)Portalen dar. Hierbei gilt allerdings: der Entwurf erfolgreicher Portale hat nicht den Schreibtisch von ProgrammiererInnen oder WebdesignerInnen als Ausgangspunkt, sondern hat sich primär an den Bedürfnissen der Zielgruppen auszurichten. Die Erstellung oder Weiter-entwicklung eines Portals ist deshalb zuerst eine Angelegenheit des betrieb-lichen Informationsmanagements und erst in weiterer Folge eine technische oder gestalterische Aufgabe – ein Umstand, der in dieser Studie durch die Informationsbedarfsanalyse für ein Portal der Donau-Universität Krems treffend veranschaulicht wurde. Der im Anhang abgedruckte umfangreiche Fragebogen kann dabei als Orientierung für ähn-liche Erhebungen dienen.

Fazit: Dieser erhellende, prägnante und praxisrelevante Überblick in Buch form zum Thema (Universitäts-)Portale schließt eine wesentliche Lücke in der einschlägigen deutschsprachigen Fachliteratur und liefert ei-nen Beitrag zur Professionalisierung des universitären Informationsmana-ge ments. Michael Katzmayr, Wien

Bibliotheksrechtliche Vorschriften. Mit Bibliographie zum Bibliotheks-recht. Begründet im Auftrag des Ver-eins Deutscher Bibliothekare und des Vereins der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken von Ralph Lansky. Fortgeführt von Carl Erich Kesper. 4. grundlegend überar-beitete Auflage, Frankfurt am Main: Klostermann 2006; Grundwerk in zwei Ordnern. 1676 SeitenISBN 978-3-465-03482-7;EUR 244,– (bestehendes Abo)EUR 338,– (Erstbestellung)

Die Sammlung bibliotheksrechtlicher Vorschriften (der Bundesrepublik Deutschland) von Ralph Lansky, nun-

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mehr fortgeführt von Carl Erich Kesper, Fachreferent für Recht, Staat, Ver-waltung an der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, ist seit langem ein Standardwerk der Bibliotheksjuristen. Anfangs erschien sie noch in Buch-form (1966, 2. Aufl. 1969). Ab 1980 wechselte man in die Loseblattform und erreichte immerhin 23 Lieferungen. Die Sammlung wurde dadurch aber auch zunehmend unübersichtlicher. Die nun vorliegende opulente, 1676 Seiten umfassende und zwei dicke Ordner füllende 4. Aufl age der „Biblio-theksrechtlichen Vorschriften“ wurde vollständig überarbeitet und erstmals seit Bestehen als Loseblattausgabe vollkommen neu gedruckt. Sie ist nun auf dem Stand von 1. April 2007.

Inhaltlich hat Kesper die bisherige Gliederung adaptiert. Nunmehr fin-det man die bibliotheksrechtlichen Vorschriften in folgende Teilbereiche gegliedert (jeweils in der Abfolge Allgemeines, Bund, dann die Länder in al-phabetischer Reihenfolge): I. Allgemeines (Bibliotheken allgemein und wis-senschaftliche Bibliotheken, Öffent liche Bibliotheken, Schulbiblio theken); II. Erwerbung (Allgemeines, Kauf, Pflichtexemplare, Amtsdruckschriften-abgabe, Tausch, Dissertationen, Geschenke, Aussonderung von Büchern, Einband), III. Katalogisierung, Klassifikation; IV. Benutzung (Leihverkehr, Benutzungsbedingungen, Entgelte, Urheberrecht); V. Personal; VI: Biblio-thekarische Zusammenschlüsse, Beiräte. Die jedem Teilbereich zugeord-nete Bibliographie wurde zeitlich beschränkt, inhaltlich neu geordnet und ergänzt. Sie umfasst allererst Hinweise auf Vorschriften, dann auf Gerichts-entscheidungen, wobei der relevante Inhalt kurz beschrieben wird, und bringt schließlich Literaturangaben. Literatur, die schon in der „Biblio-graphie zum Bibliotheksrecht“ von Ralph Lansky (1970, Ergänzungsheft 1974) enthalten ist, wurde nur mehr in Ausnahmefällen verwertet.

Natürlich ist die Sammlung vor allem und in erster Linie für den bun-desdeutschen Bibliothekar relevant, enthält sie doch ausnahmslos bun-desdeutsche Normen. Aber auch aus österreichischer Sicht ist der Lansky/Kesper wirklich wertvoll, denn er erleichtert den Rechtsvergleich unge-mein. Die vielen bibliographischen Hinweise sind tatsächlich eine wahre Fundgrube. Erst hier erkennt man, wie viel bibliotheksrechtliche Literatur versteckt publiziert wurde. Ob eine Loseblattsammlung heute noch ganz zeitgemäß ist, lasse ich dahingestellt. Sie geriert jedenfalls Aktualität, die nie ganz eingelöst werden kann. So fehlt in der Sammlung natürlich der für Bibliotheken wichtige 2. Korb zum Urheberrecht (Zweite Gesetz zur Rege-lung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft), der mit 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Eine Online-Aktualisierung wäre dafür sicherlich ganz brauchbar.

Josef Pauser, Wien

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Anna Weuster: Die Neuregelung der Buchpreisbindung in Deutschland. Eine Gesamtdarstellung und Analyse des Buchpreisbindungsgesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Fra-ge der verfassungs- und europarecht-lichen Vereinbarkeit (= Boorberg-Wis-senschafts-Forum 15), Stuttgart, Mün-chen [u.a.]: Boorberg, 2007, 200 S.ISBN: 978-3-415-03980-3EUR 39,80 [D] / 41,– [A]

Die Buchpreisbindung ist wieder im Gespräch. Im November 2007 hat der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) ein Verfahren, das der Fachver-band der Buch- und Medienwirtschaft gegen die Libro-Buchhandelskette an-gestrengt hatte, unterbrochen, um dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Vorlagefrage zu stellen.1 Letz-tinstanzlich entscheidende Gerichte sind bei Zweifeln über die Auslegung des EG-Vertrags verpflichtet, sich an den EuGH zu wenden. Dieses Ausle-gungsmonopol dient der Einheitlichkeit der Interpretation des EU-Rechts. Etwa 45 % der Rechtsprechung des EUGH ergeht in Vorabentscheidungs-verfahren, wobei dieser in letzter Zeit etwa 19 bis 20 Monate zur Vorabent-scheidung benötigte. Mitte 2009 könnte somit eine Entscheidung fallen.

Der OGH lässt nun klären, ob die Import- und Reimportsklauseln des Buchpreisbindungsgesetzes der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG wi-dersprechen und allenfalls durch allgemeine kulturelle Interessen gerecht-fertigt sein könnten (Art. 30 EG). Weiters wird gefragt, ob diese Klauseln, sollten sie auch der Warenverkehrsfreiheit entsprechen, nicht doch einen Wettbewerbsverstoß darstellen, da der Staat durch das Buchpreisbin-dungsgesetz eventuell kartellähnliche Wirkungen verstärkt, die als gegen das europarechtliche Zielgefährdungsverbot (Art. 3 lit g iVm Art. 10 und 81 EG) gerichtet interpretiert werden könnten.

Vor diesem Hintergrund ist ein Studium auch der deutschen Rechtslage durchaus sinnvoll, denn das deutsche und das österreichische Buchpreis-bindungsgesetz kann man fast als Normenzwillinge bezeichnen. So sind die Import- und Reimportsklauseln auch im deutschen Gesetz zu finden. Beide Gesetze hatten sich zudem am französischen Buchpreisbindungs-

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gesetz („loi Lang“) orientiert und insbesondere die Ergebnisse bisheriger EuGH-Verfahren gegen dieses Gesetz berücksichtigt.

Die vorliegende, gerade erschienene Arbeit von Anna Weuster behan-delt das Thema umfang- und kenntnisreich. Nach einer lesenswerten kurzen Entwicklungsgeschichte der Buchpreisbindung in Deutschland und einem Rechtsvergleich mit buchpreisgebundenen (Österreich, der Schweiz, Frankreich), buchpreissubventionierenden (Schweden) und buchpreisun-gebundenen Ländern (USA, Großbritannien) sammelt sie kulturelle und ökonomische Argumente für und gegen die Buchpreisbindung. Diesem ersten Grundlagenteil (S. 35–82) folgt eine genaue Darstellung des deut-schen Buchpreisbindungsgesetzes (S. 82–148). Anschließend wird das Gesetz auf seine verfassungsrechtliche Vereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz untersucht (S. 149–177; insbesondere Kompetenzgrundlage und Grundrechtskonformität). Die Autorin sieht jedenfalls keine Verfas-sungswidrigkeit.

Der letzte große Teil behandelt die Vereinbarkeit des Buchpreisbin-dungsgesetzes mit dem Recht der EU (S. 179–243). Dabei wird auch die bisherige relevante Rechtsprechung des EuGH genau angeführt. Es gab bereits eine Reihe von Verfahren, die buchpreisbindungsrelevante Sach-verhalte zum Gegenstand hatten (Belgien/Niederlande, Großbritannien/Irland, Frankreich betr.). Weuters geht auch den – nun aktuellen – Fra-gen nach, ob das deutsche Buchpreisbindungsgesetz mit dem Zielgefähr-dungsverbot und der Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist. Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu wollen: Ihr Gesamtergebnis ist positiv. Allein die Importklausel (Letztabnehmerpreisunterschreitungsverbot des Impor-teurs, Ausnahme davon nur bei außergewöhnlichen Einkaufsvorteilen) verletze ihrer Meinung nach die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG. Ob sich der EuGH diese Ansicht für die österreichische Regelung zu Ei-gen macht, wird man vielleicht schon nächstes Jahr wissen. Die Vorabent-scheidung wird jedenfalls zentrale Bedeutung für den weiteren Bestand des Buchpreisbindungssystems haben.

Josef Pauser, Wien

1 OGH 13.11.2007, 4Ob172/07h; wbl 2008/20 = ecolex 2008/55 = MR 2007, 393; Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) eingereicht am 29. November 2007 – Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft gegen LIBRO Handelsgesellschaft mbH (Rechtssache C-531/07) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2008/C 37, S. 14f.

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Gabriele Beger: Urheberrecht für Bi-bliothekare, Eine Handreichung von A–Z, 2. überarb. und erw. Aufl. Stand: Januar 2008 (Berliner Bibliothek zum Urheber-recht 3), München, Verlag Medien und Recht 2007. XX, 172 Seiten, ISBN: 978-3-939438-02-1, EUR 22,–

Im Jahr 2006 erschien die erste Auflage dieser von Frau Prof. Dr. Gabriele Beger verfassten, nach Stichworten von A bis Z strukturierten „Handreichung“ für Biblio-thekare. In die nun vorliegende, aus aktu-ellem Anlass ergänzte zweite Auflage hat Frau Prof. Beger, Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksver-bands und seit vielen Jahren zu bibliotheks-rechtlichen Themen tätige Juristin, nun auch noch die urheberrechtlichen Neuerungen des „Zweiten Korbes“ eingearbeitet, die am 1. Jänner 2008 in Deutschland in Kraft traten.

Hierzu sei zur Erinnerung noch kurz erwähnt, dass sich die Vertreter der verschiedenen Interessensgruppen bei der Umsetzung des Info-Richtlinie (2001/29/EG) in deutsches Recht nicht in allen urheberrechtlichen Fragen einigen konnten. Um aber die zeitgerechte Umsetzung der Richtlinie nicht zu gefährden, wurden diese strittigen Themen auf eine spätere Behandlung in einem „Zweiten Korb“ verlagert. Dieser „Zweite Korb“ enthält vor allem Regelungen zum Kopienversand, zur Wiedergabe von Bibliotheksbestän-den auf elektronischen Leseplätzen in der Bibliothek, zur Rechtesituation bei Verfügungen über unbekannte Nutzungsarten und zur digitalen Privat-kopie. Da es weiterhin offene Fragen gibt, wird allerdings bereits an einem weiteren, „Dritten Korb“ gearbeitet.

Zum Inhalt des vorliegenden Buches: nach einem Vorwort der Autorin zur ersten und zur zweiten Auflage, einem Geleitwort des Herausgebers, einem Inhalts- und einem Abkürzungsverzeichnis sowie Literaturempfeh-lungen bietet dieses praxisorientierte Werk auf 101 Seiten urheberrecht-liche Definitionen und Erklärungen zu 131 urheberrechtlichen Stichwor-ten (inklusive 10 verwiesenen Begriffen) in alphabetischer Reihenfolge von Abgegrenzter Personenkreis bis Zweiter Korb. Der Grad der Ausführlichkeit der Erläuterungen zu einem Stichwort reicht dabei von einem Satz („Repro-

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duktion ist eine Vervielfältigungshandlung.“; „Copyright ist das englische Wort für Urheberrecht.“) bis hin zu fünf Seiten (Kopienversand).

Im Anschluss an diesen Hauptteil findet sich ein Anhang von ca. 50 Seiten, bestehend aus einem Auszug aus dem deutschen Urheberrechts-gesetz (Anhang A), den für Bibliotheken wichtigsten Gesamt- und Rah-menverträgen (Bibliothekstantieme [B], Kopiervergütung [C], Kopiendi-rektversand [D], Musikwiedergaben in Bibliotheken [E], Artotheken [F], GV nach § 52a [G], Cover-Kataloganreicherung [H]) sowie eine Erklärung des Börsenvereins zur Kataloganreicherung mit Inhaltsverzeichnissen und Klappentexten [I]).

Der Autorin gebührt vorweg einmal das Verdienst, mit diesem Werk eine Lücke geschlossen zu haben. Eine solche umfassende, aktuelle und doch übersichtliche Darstellung des deutschen Urheberrechts für den Biblio-theksbetrieb fehlte bislang. Aus österreichischer Perspektive ist überhaupt ganz generell und aus aktuellem Anlass festzustellen, dass in Deutschland nicht nur besser Fußball gespielt wird (meistens jedenfalls), sondern dass unsere Nachbarn auch die Nase vorne haben, wenn es um Publikationen zum Bibliotheksrecht geht. Einigermaßen vergleichbare aktuelle Standard-werke wie die im Verlag Harassowitz erscheinende Reihe Bibliotheksrecht oder der Grundriß zum Bibliotheks- und Dokumentationsrecht von Hil-debert Kirchner gibt es hierzulande nun mal nicht. Mit dieser „Handrei-chung“ für Bibliothekare zum Urheberrecht schließt Frau Prof. Beger nicht nur eine thematische Lücke, sondern befriedigt auch eine starke Nachfra-ge, wie schon der Verkaufserfolg der ersten Auflage und die Wiederauflage des Werks innerhalb von nur einem Jahr zeigten.

Dass man auch als ÖsterreicherIn von der Auseinandersetzung mit dem deutschen Urheberrecht und der Lektüre dieses Buches profitiert, liegt nicht nur an der großen Ähnlichkeit der beiden Urheberrechtsgesetze, sondern auch an der gelungenen Gratwanderung der Autorin zwischen wesentlicher, praxisnaher Ergebnisdarstellung einerseits und umfassender Information zur jeweiligen Problematik andererseits.

Nicht irritieren sollten bei der Lektüre eher terminologische Differenzen wie der für österreichische Ohren ungewohnte „Schadensersatz“ mit Fu-gen-s oder die Berufung auf das (in Österreich seit etwa 1992 nicht mehr salonfähige) Kriterium der „Gestaltungshöhe“. Bei letzterem wäre zu hin-terfragen, warum dieser für das deutsche Urheberrecht doch recht zentrale Begriff, der auch unter sechs Stichworten erwähnt wird, keinen eigenen Eintrag verdient hat. Gleiches könnte auch für die Begriffe „Erschöpfungs-grundsatz“ oder „Subito e. V.“ angemerkt werden. Wünschenswert wä-ren natürlich auch Einträge zu den Stichworten „Waisenwerke (Orphan

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Works)“, „Langzeitarchivierung“ oder „DigiDiss“ gewesen. Kritisch anzu-merken ist allenfalls noch die Nichtberücksichtigung anonymer/pseudo-nymer Werke bei der Schutzfristenberechnung.

Letztlich ist aber anzuerkennen, dass hier von der Autorin eine Auswahl an relevanter Information getroffen wurde, die grundsätzlich auch sehr gut gelungen ist. Mit der auszugsweisen Wiedergabe des deutschen Urheber-rechtsgesetzes und der wichtigsten bibliotheksrelevanten Vereinbarungen eignet sich das Werk auch hervorragend zum schnellen Nachschlagen der für die bibliothekarische Praxis einschlägigen Urheberrechtsregelungen in Deutschland.

Christian Recht, Wien

Gedeon Borsa: Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum qui in Bibliotheca Nationali Austriae asservantur / Katalog der Drucke des 16. Jahrhunderts in der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien NB 16. Bd. II: Deutsches Sprachgebiet: Biblia-Byz (= Bibliotheca biblio-graphica Aureliana 219), Baden-Baden: Valentin Koerner, 2007. 388 S., 194 Abb.ISBN: 978-3-87320-712-7; EUR 140,–

Kaum wurde bei der Rezension des ersten Bandes des NB 16 der Wunsch nach einer zügigen Drucklegung der Folgebände ausgesprochen, schon liegt auch der zweite Band vor. Der kurz NB 16 genannte Katalog soll nach Fertigstellung alle im deutschen Sprachraum hergestellten Druckwerke des 16. Jahrhunderts, die heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt werden, verzeichnen. Der zweite Band umfasst auf 388 Seiten bibliographische Angaben zu über 1.900 Drucken und schließt – alpha-betisch gegliedert nach Autoren/Ordnungsworten von „Biblia–Byz“ – den Buchstaben B ab. Wenig verwunderlich umfassen dabei die Bibeldrucke gut ein Drittel des Bandes. Diejenigen Drucke, die noch keinen Nachweis im VD 16 (http://www.vd16.de/) aufweisen, wurden zusätzlich mit Abbil-dungen der Titelblätter und fallweise auch mit der des Kolophons verse-hen, um das Manko der doch sehr komprimierten (und leider in Groß-/Kleinschreibung und Zeichensetzung modifizierten) Titelangaben auszu-gleichen. Das Konzept des ersten Bandes wird damit konsequent weiterge-führt. Nach meiner Rechnung dürften so an die 160 Werke nicht im VD 16 verzeichnet sein, das wären etwa 8 % der Drucke des zweiten Bandes. Al-lerdings finden sich bisweilen auch Drucke mit Abbildungen, die bereits im VD 16 enthalten sind. Nach der Einleitung im ersten Band betrifft dies

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Drucke, die allein im Wien überliefert sind. Dieses Konzept wurde aber nicht sklavisch durchgehalten: Zu B 2100, einem frühen Singrienerdruck aus dem Jahr 1516 wurde auch das schöne Verlegersignet von Leonhard Alantse zu Titel und Kolophon abgedruckt, obwohl der Druck auch im Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek in München ist. Ein zweiter Wunsch, nämlich die Einarbeitung von Verweisen auf die NB 16-Nr. auch in den Online-Katalog 1501–1929 der ÖNB, ist bislang (?) nicht in Erfül-lung gegangen. Da dieser aber auf das VD 16 verweist, müsste der zusätz-liche NB 16-Input leicht zu bewerkstelligen sein.

Man darf gespannt auf die nächsten Bände sein und auf ein weiteres zü-giges Erscheinen sowie ein baldiges Fertigstellen des NB 16-Projekts hoffen.

Josef Pauser, Wien

Rafael Ball (Hrsg.): Wissenschaftskom-munikation der Zukunft. 4. Konferenz der Zentralbibliothek Forschungszentrum Jülich. 6.–8. November 2007. Beiträge und Poster (= Schriften des Forschungs-zentrums Jülich, Reihe Bibliothek / Libra-ry 18), Jülich 2007, 300 S.ISBN 978-3-89336-459-6, gedruckte Ausgabe EUR 44,90.Elektronischer Volltext frei zugänglich un-ter: http://hdl.handle.net/2128/2893

Die Zentralbibliothek im Forschungszen-trum Jülich veranstaltet seit 2001 jedes zweite Jahr eine Konferenz zu Themen im Spannungsfeld von Bibliothek, Information und Wissenschaft1. Für die letztjährige Konferenz wurden folgende zentrale Themen definiert

— die Diskussion um den Begriff und die Umsetzung von eScience, Web 2.0 und die daraus abzuleitenden Anwendungen

— Wissenschaftsindikatioren zur Evaluation von Wissenschaft auf der Basis von Wissenschaftskommunikation und

— das Primärdaten-Management als neueste Entwicklung der Open-Access-Thematik

Als Festredner sprach Ernst Pöppel (Institut für Medizinische Psycho-logie, Ludwig-Maximilian-Universität München) zum Thema „Wissen und wie es kommuniziert werden kann“.

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Die sehr gut organisierte Tagung brachte ca. 150 BibliothekarInnen, Informations- und KommunikationswissenschaftlerInnen, aber auch an WissenschaftlerInnen anderer Disziplinen und MitarbeiterInnen wissen-schaftlicher Gesellschaften zusammen und bot ein interessantes und viel-seitiges Vortragsprogramm, in den langen Mittagspausen Zeit zum Besuch der Ausstellung sowie an den beiden Festabenden die Gelegenheit, im per-sönlichen Gespräch über den Tellerrand der eigenen Profession hinausbli-ckend die Tagungsthemen zu erörtern.

Alle, die an der Tagung nicht teilnehmen konnten, haben durch den auf JUWEL, dem Open Access Server des Forschungszentrums Jülich, auflie-genden Tagungsband dankenswerterweise die Möglichkeit, fast alle Vor-träge und einige der Posterbeiträge kostenlos nachzulesen. Im Folgenden sei es daher erlaubt, nicht alle Beiträge zu besprechen, sondern der Autorin besonders interessant erscheinende Beiträge herauszugreifen.

Der Tagungsband ist wie das Vortragsprogramm in 6 Sektionen gegli-edert, wobei eine ausgewogene Mischung zwischen in den jeweiligen The-menbereich einleitenden Überblicksbeiträgen und Darstellungen von An-wendungsbeispielen gelungen ist.

So geben die beiden Beiträge von Anne-Katherina Weilenmann und von Katrin Weller Definitionen von E-Science: E-Science (= enhanced science) als Unterstützung der WissenschaftlerInnen bei der Verteilung und dem Einsammeln des im Internet verfügbaren Wissens; E-Science als Entlastung der WissenschaftlerInnen von der Organisation des Wissens. Es geht da-bei nicht nur um die Suche nach Publikationen im engen Sinne, es geht ebenso sehr um den Zugang zu Primärdaten, um die Suche nach Experten, um das Erfassen von Trends und ganz wesentlich geht es um Vernetzung - Vernetzung älterer und neuer Daten, Vernetzung von Wissenseinheiten und damit das Sichtbar-Machen von Zusammenhängen. Im Hinblick auf Letz-teres sieht Katrin Weller auch die Chancen von Web 2.0, das sie treffend als Mitmach-Web bezeichnete: Durch Social Tagging entstehen Literatur-empfehlungen, die – verbunden mit Personendaten – ein Interessensprofil einer Person ergeben, wodurch es möglich wird, Personen mit ähnlichen Interessensprofilen zu suchen und zu diesen Kontakt aufzunehmen.

In den weiteren Beiträgen der ersten beiden Sektionen werden der Anwen-dungsbeispiele dieser Vernetzung von Daten und Menschen angesprochen: Im Projekt eSciDoc (Ute Rusnak, Matthias Razum, Leni Helmes) entwickeln FIZ Karlsruhe und die Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam eine integrierte Information-, Kommunikations- und Publikationsplattform für netzbasier-tes wissenschaftliches Arbeiten. Vielversprechend ist dabei der Ansatz, nicht einzelne, konkrete Lösungen, sondern eine in Hinblick auf Metadatenpro-

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file, Datentypen und Wiederverwendbarkeit von Diensten möglichst flexi-ble Anwendungsumgebung zu entwickeln, die dann sehr breit einsetzbar sein soll. Die Source-Codes der entwickelten Softwarekomponenten sollen publiziert und zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden.

Elena Semenova und Martin Stricker präsentieren die Bemühungen um eine Ontologie der Wissensdisziplinen, eine Aufschlüsselung nach For-schungsgegenständen und Forschungsmethoden, die in der Lage sein soll, die Erneuerung und Erweiterung der Inhalte bereits bestehender Einzel-wissenschaften ebenso flexibel und zeitnah abzubilden wie das Entstehen neuer Disziplinen und die Beziehungen zwischen Disziplinen. Verbunden mit den Orten, an denen die jeweiligen Themenschwerpunkte und Unter-suchungsmethoden erforscht und gelehrt werden, ergibt dies einen Führer für die Suche nach dem geeigneten Studienort ebenso wie nach den rich-tigen AnsprechpartnerInnen für interdisziplinäre Forschungsansätze.

Peter Haber und Jan Hodel zeichnen einen Abriss des Einstiegs der Geschichtswissenschaften in das Internet-Zeitalter. Dabei wird klar, dass die Möglichkeiten die das World Wide Web in Hinblick auf Recherche, aber auch Kommunikation und wissenschaftliche Arbeit bietet, ab dem Zeitpunkt angenommen werden, ab dem sie sich der fachspezifischen Ar-beitsweise anzupassen beginnen. Und die Autoren heben hervor, dass die aktive Beteiligung an dieser Form der Wissenschaftskommunikation eine Arbeitsleistung darstellt, für die Evaluationskriterien definiert werden müs-sen, damit sie karrierewirksam werden kann.

Lydia Bauer, Nadja Böller, Josef Herget und Sonja Hierl legen den Churer Ansatz dar, nicht mehr Kurse in „Bibliotheksbenutzung“ und „Li-teratursuche“ anzubieten, sondern sich um die Vermittlung von grundle-genden Kompetenzen zur Teilnahme an wissenschaftlichen Kommunika-tionsprozessen zu bemühen und sich zur Vermittlung dieser Fähigkeiten des Blended Learning zu bedienen. Sie zeigt dabei auch auf, dass es die Position einer Bibliothek in einer Bildungseinrichtung stärkt, wenn sie bei der Vermittlung von Informationskompetenz und von kollaborativen Kom-petenzen (Verfassen, Präsentieren, Reflektieren, kollaborative Optimierung wissenschaftlicher Arbeiten) eine Schlüsselrolle übernimmt.

Aus den Vorträgen zu „Web 2.0: Beispiele aus der Praxis“ sei der Bei-trag von Christian Hänger und Christine Krätzsch zu Collaborative Tagging hervorgehoben, in dem eine Bewertung eines diesbezüglichen Projektes an der Universitätsbibliothek Mannheim vorgenommen wird. Die Vorteile die-ser Beschlagwortungsweise bestehen darin, dass das akkumulierte Voka-bular den schnellen Wandel der Begriffe und des Sprachgebrauchs besser abbilden kann, und dass Begriffe aus dem Wortschatz der NutzerInnen

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verwendet werden. Die KritikerInnen des Collaborative Tagging weisen auf fehlende Synonymkontrolle, die geringe Präzision der Begriffe und auf fehlende hierarchische Eindeutigkeit der Begriffe hin. Im Vergleich zu von bibliothekarischen Fachkräften vergebenen Notationen wurden immerhin 50% der geprüften Titel als gut, 17 % als mittel gut, die verbleibenden 33 % allerdings als fachlich schlecht beschlagwortet eingestuft. Eine Ergänzung einer automatischen Indexierung durch Collaborative Tagging kann also immerhin in Erwägung gezogen werden.

Einer der Kernbeiträge des Tagungsbandes – und der Vortrag, der auf der Tagung die lebhafteste Diskussion auslöste – ist sicherlich der Beitrag über PANGAEA, die Initiative zur Erfassung, Bearbeitung und Archivierung von Primärdaten aus Geowissenschaften und Biologie. Ziel ist dabei die Langzeitarchivierung der Mess- und Beobachtungsdaten in nachnutzbarer Form, d.h. gemeinsam mit Angaben zu Autor und Erhebungsmethode, zur Verlässlichkeit der Daten bzw. möglichen Fehlerquellen der verwendeten Methode, vernetzt mit den auf diesen Daten beruhenden Publikationen, durch DOIs eindeutig identifiziert (nähere Angaben dazu im Beitrag von Jan Brase und Jens Klump), zitierbar und frei zugänglich. Der Beitrag über PANGAEA zeigt die Möglichkeiten, macht aber auch deutlich, dass Primär-datenarchivierung erst dann in größerem Ausmaß stattfinden kann, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Programme nicht nur die Verpflichtung zur Aufbewahrung der Primärdaten besteht, sondern, wenn das Datenmanage-ment auch in den Finanzierungsplan der Projekte aufgenommen wird.

Dem Thema Open Access ist zwar keine separat ausgewiesene Sektion gewidmet, der Tagungsband enthält aber dennoch 3 Beiträge zu diesem Thema. Der Poster von Annette Holtkamp über SCOAP (= Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics) wurde bereits auf der Tagung von vielen besucht und heftig diskutiert. SCOAP ist ein interessanter, wohl aber nur unter dem Fachbereich High Energy Physics vergleichbaren Bedingungen realisierbarer Ansatz: SCOAP will die (weni-gen) Kernzeitschriften des Fachbereiches und die dem Fachbereich zuor-denbaren Aufsätze aus fachübergreifenden Zeitschriften für Open Access freikaufen. Die Kaufsumme wird von den Universitäten der beteiligten Län-der aufgebracht, die an Stelle der bisher bezahlten Subskriptionsgebühren nach Publikationsleistung der Autor/inn/en dieses Landes zur Kaufsumme beitragen. Betrachtet man allerdings die für Deutschland veranschlagte Summe von 1 Million Euro, so ist zu bezweifeln, ob dies die kostengün-stigere Erwerbsform sein kann.

Der Beitrag von Wolfgang Glänzel und Koenraad Debakkere wird dem Titel „Bibliometrie zwischen Forschung und Dienstleistung“ in vollem Um-

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fang gerecht, indem er die Aufgabe der bibliometrischen Forschung dar-stellt, die statistischen Grundlagen der Indikatoren zu prüfen, die derzeit in der Forschungsevaluation Anwendung finden, und Richtlinien festzulegen, wie diese Indikatoren angewendet werden sollen. Sehr wichtig erscheint dabei die Feststellung, dass die derzeit angewendeten Indikatoren zwar für Vergleiche auf nationaler Ebene und für Vergleiche von Forschergruppen, nicht aber zur Bewertung von Einzelpersonen – besonders von Einzelper-sonen mit weniger als 30 Publikationen, also Habilitationsbewerber/in-nen! – geeignet sind und der Hinweis, dass die statistischen Grundlagen des bereits vielerorts angewendeten h-Index erst eine Prüfung unterzogen werden müssen.

Der Einsatz der Bibliometrie als Trendbeobachtungssystem wird in dem Beitrag von Dirk Tunger und dann nochmals detaillierter im Beitrag von Show-Ling Lee-Müller & Gerd Schumacher behandelt. Zur Bewertung wird dabei die Publikationsfrequenz von Ländern bzw. Forschungseinrichtungen herangezogen, Schwerpunktsverschiebungen innerhalb eines Themas oder eines Fachbereiches werden durch Keywordanalysen sichtbar gemacht. Bi-bliometrische Methoden werden zur Trendbeobachtung zwar eingesetzt, aber erst in Kombination mit Expertenbefragungen zur Festlegung weiter-hin förderungswürdiger Fragestellungen verwendet.

Die Aufnahme des (einzigen) Firmenbeitrages (James Pringle, Thomson Scientific) in den Tagungsband ist durchaus berechtigt. Der Beitrag weist als Firmenpräsentation selbstverständlich auf neue bzw. weniger bekann-te Firmenprodukte und -dienstleistungen, wie z.B. Journal Use Reports, ResearchID.com, den Author Finder und den Citation Report im Web of Science und auf die Institutional Citation Reports hin. Die prägnante und gut verständliche Zusammenstellung dessen, was bei der Anwendung von Zitationen und Impactfaktoren in der Evaluation zu bedenken ist, enthält die bekannten Punkte, wird aber, da die Aussagen vom Hersteller des vor-rangig in der Evaluation eingesetzten Produktes kommen, möglicherweise in Evaluationsabteilungen eher beachtet und angenommen, als wenn die selben Aussagen von der Bibliothek oder vom Fachbereich für Informati-onswissenschaft kommen.

Zum Abschluss erlaubt Henning Möller einen sehr interessanten Ein-blick in das Controlling der Helmholtz-Forschung als Beispiel der Steu-erung und Erfolgskontrolle von Großforschungseinrichtungen, mit aus langjähriger Erfahrung genährten Aussagen zur Bewertung und Bewert-barkeit von Forschung, die eben nicht durch die rasche Verfügbarkeit und unmittelbare Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse gekennzeichnet ist. Auch die-ser Beitrag gelangt zum Schluss, dass eine Bewertung durch Gutachter,

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basierend auf einem akzeptierten Kanon von Kennwerten, aussagekräftiger und verlässlicher ist, als ausschließlich quantitative, oft als objektiver ange-sehene Verfahren – und weist darauf hin, dass Controlling Systeme selbst laufend überprüft und angepasst werden müssen.

Der Tagungsband bietet einen guten Einblick in die behandelten The menschwerpunkte. Da sich alle Autor/inn/en bemühten, Fragestel-lungen, Probleme und Ziele vorzustellen, auf weiterführende Literatur und zukunftsweisende Lösungsansätze hinzuweisen, wird dieser Tagungsband sicherlich auch noch in einigen Jahren mit Gewinn gelesen werden können.

Eveline Pipp, Innsbruck

1 http://www.fz-juelich.de/zb/wisskomm_zb_konferenzen/

Barbara Lison (Hrsg.): Information und Ethik. Dritter Leipziger Kongress für Information und Bibliothek. Leip-zig, 19. bis 22. März 2007, wiesba-den: Dinges & frick, 2007. 782 S. ISBN 978-3-934997-17-2 EUR 79,00 [D], 81,30 [A]

Seit 2000 veranstaltet BID (Bibliothek & Information Deutschland, die Dachorgani-sation der Bibliotheks- und Informations-verbände unseres Nachbarlandes) gemein-sam mit der Deutschen Gesellschaft für In-formationswissenschaft und Informations-praxis (DGI) im mehrjährigen Turnus einen Kongress auf dem Leipziger Messegelände. Gleichzeitig halten dabei die BID-Mitgliedsverbände ihre Jahrestagungen sowie die Personalverbände den Deutschen Bibliothekartag ab. Der vor-liegende Proceedingsband zum dritten Leipziger Kongresses – zugleich der 96. Deutsche Bibliothekartag – verdeutlicht schon durch Seitenzahl und Gewicht den Umfang und die Grösse dieser Tagung, die unter der Schirm-herrschaft des deutschen Bundespräsidenten abgehalten wurde.

Das Buch enthält, gegliedert in sechs Themenkreise, knapp einhundert Vorträge. Wie die Herausgeberin in ihrem Vorwort konzediert, spiegeln diese jedoch nur „in Teilen“ das Leitthema des Kongresses, Information und Ethik, wider. Der dafür verwendete Ausdruck „naturgemäss“ ist insofern richtig,

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als ein Bibliothekartag ja keine Spezialtagung zu einem solchen Thema sein kann, aber dennoch ein Motto bzw. eine Art thematischen „Aufhänger“ benötigt. So wurden denn auch ein im Tagungsband einleitend abgedruck-tes Positionspapier „Code of Ethics der bibliothekarischen Berufe“ (warum eigentlich mit einem Titel in sprachlichem Mischmasch?) präsentiert und ein Festvortrag zum Thema „Freier Zugang zur Information als Grundrecht für eine moderne Gesellschaft gehalten (von Verena Wiedemann, der Ge-neralsekretärin der ARD). Der erste der sechs Themenkreise, „Information als Ware?“, enthält zudem eine Reihe von Vorträgen zu Aspekten wie In-formationsfreiheit und Wissensgesellschaft oder Zensur und Informations-freiheit in Zeiten des Terrors. Ein Grundsatzvortrag zur Einführung in die informationswissenschaftliche Teildisziplin Informationsethik, den man in diesem Kontext vielleicht erwartet hätte, fehlt hier allerdings. Auch fällt auf, dass der renommierteste deutsche Autor auf diesem Gebiet (Rafael Capurro) – aus welchen Gründen auch immer – hier nicht vertreten ist (auch dies hätte man vielleicht erwartet).

Bei den erwähnten sechs Themenkreisen der Tagung bzw. des vorlie-genden Bandes handelt es sich um folgende:

1. Information als Ware?2. Information und Zivilgesellschaft3. Information in Recht und Politik4. Information und kulturelles Erbe5. Information als Profession6. Information und StrukturAuf der Webseite von BID heisst es dazu: „In den weiteren Kapiteln wird

die gesamte Spannweite bibliothekarischer Arbeit behandelt, von Open Access bis E-Learning, von Informationskompetenz bis zu Urheberrecht, von Virtuellen Fachbibliotheken bis zu Ausbildungsfragen, von Biblio-theksgesetzgebung bis zu neuen Lernangeboten, von Erschließungsfragen bis Bestandserhaltung.“1 Die überwiegende Zahl der Vorträge hat Fort-bildungscharakter oder reflektiert die aktuelle Arbeit von Kommissionen, Expertengruppen und Gremien sowie der verschiedenen bibliothekarischen Einrichtungen. Eine ziemlich bunte Mischung also, sodass die oben ange-führten „Themenkreise“ ein wenig aufgestülpt anmuten. So ist vermutlich für nahezu jegliche Interessenslage ersprießliche Lektüre vorzufinden – ich selbst fand etwa die Vorträge über Kataloganreicherung (Christof Main-berger), die virtuelle Fachbibliothek „b2i“ für Bibliotheks-, Buch- und In-formationswissenschaft (Kristine Hillenkötter), das Online-Tutorial „Infor-mationskompetenz“ (Renate Vogt) und Designprinzipien für Kataloge und digitale Bibliotheken (Harald Reiterer et al.) besonders interessant.

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In formaler Hinsicht ist der Band durchaus ansprechend gestaltet. Ob die Broschur einem intensiveren Gebrauch standzuhalten vermag, sei frei-lich dahingestellt. Vermutlich wird der Band schon aufgrund seines Preises überwiegend institutionelle Käufer finden – und falls er in den betreffenden Bibliotheken entsprechend benutzt wird, sind wohl bald zusätzliche Aus-gaben für den Buchbinder fällig. Ein freier Webzugang ist nur beschränkt möglich, was im Hinblick auf Open Access bereits kritisch angemerkt wur-de (etwa in dem Weblog „netbib.de“).2 Immerhin sind der Ethikcode, der Festvortrag und einige weitere Vorträge vollständig online erhältlich, eben-so das Inhaltsverzeichnis sowie die Abstracts und/oder Folien zu etlichen Referaten.3

Otto Oberhauser, Wien

1 http://www.bideutschland.de/deutsch/aktuelles/?news=6 (alle Web-Adressen vom Stand 10.05.2008)

2 http://log.netbib.de/archives/2008/01/17/kongressband-informa-tion-und-ethik-leipziger-kongress/

3 http://www.b-i-t-online.de/daten/Lpz_2007_Auszug.pdf bzw. http://www.bib-info.de/opus/2007.html

Claus Pias und Christian Holtorf (Hrsg.): Escape! Computerspiele als Kul-turtechnik (= Schriften des Deutschen Hygiene-Museums Dresden 6), Köln, Wien [u.a.]: Böhlau, 2007, 294 S.ISBN: 978-3-412-01706-4ISBN: 3-412-01706-X.EUR 29,90 [D] / 30,80 [A]

Computerspiele sind im Bereich der Biblio-theken überhaupt nicht und wenn doch sehr kritisch betrachtet worden. Einige we-nige Ausnahmen, vor allem in Nordameri-ka, existieren. Faktum ist: Computerspiele werden als einer Bibliothek nicht würdig, als nicht „intellektuell“ genug, als Spiele-rei eben abgetan. Dass damit ein möglicher Zugang zu potentiellen Leser-Innen nicht geöffnet wird, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausfüh-ren. Aber wenn Literatur, Musik und Filme, Datenbanken und Web-Portale

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zum Gegenstand von Bibliotheken gehören, warum auch nicht Spiele? „Es-cape! Computerspiele als Kulturtechnik“ beschreibt einen scheinbar neuen Trend unserer Gesellschaften, der aber doch schon seit „Anfängen“ der Menschheit währt: die Lust zum Spiel. Und weil es sich neuerdings nicht nur in der physischen Realität, sondern auch im Computer-vermittelten virtuellen Raum ab-spielt, ist es wieder aufs Parkett wissenschaftlicher Be-trachtung geraten. Mehrere namhafte Autoren aus verschiedensten wis-senschaftlichen Traditionen geben in diesem Band ihre Ideen und Gedan-ken zum Thema Computerspiele an uns weiter.

Aus dieser Vielfalt von pädagogischen, soziologischen, anthropolo-gischen und psychologischen wie philosophischen Beiträgen möchte ich jenen von Fritz Böhle herausgreifen. Böhle beschäftigt sich mit der kultur- und arbeitssoziologischen Sicht zu Spielen und stellt dar, welche Spiele sozial akzeptiert („Schach“) und welche geringschätzig („Computerspiel“) betrachtet werden. Damit will eigentlich nur eines gesagt sein: den Wert eines spezifischen Spiels legt die Gesellschaft fest, und die aktuelle Bewer-tung kann sich ändern. Also auch die des Computerspiels. Die Kritik am Computerspiel kommt derzeit von vielen Seiten und bezieht sich auf de-ren Inhalte („Gewalt“), deren Nutzen („Zeitverschwendung“), deren Aus-übung („soziale Isolation vor dem Monitor“) und der Verkrüppelung des menschlichen Körpers („Stubenhocker“, Einschränkung der Sinne auf den Seh- und Hörsinn).

Böhle bietet drei Argumente, welche den Stellenwert von Computerspie-len erhöhen: die Eröffnung von Erfahrungsräumen jenseits praktische mög-lichen Handelns (also das Kennenlernen einer Alternative zur Alltagsrealität, um darüber diese wiederzuentdecken), die Verschiebung von der Fremd- zur Selbstorganisation des Spielens (entspräche dem aktuellen Trend der Arbeitswelt nach mehr Selbstorganisation) und der Erwerb von praktisch nützlichen Kompetenzen („Computer als Erfahrungs- und Lernfeld“).

Betrachten wir die aktuelle Diskussion in Bibliotheken zum Thema „Teaching Library“, so werden Einsatzmöglichkeiten von Computerspie-len klarer. Ich meine (übereinstimmend mit Fritz Böhle), dass hier weniger „pädagogisch optimierte Lernspiele“ zum Einsatz kommen sollten, son-dern dass der Lerneffekt ein informeller ist und der Zugang zum Erwerb von Kompetenzen wie Umgang mit dem PC ein spielerischer ist. Nicht der Erwerb einer Kompetenz steht im Vordergrund, sondern das Spiel.

Der Beitrag von Böhle ist beispielgebend für eine differenzierte Ausei-nandersetzung mit dem Thema. Der Band ist insgesamt eine sehr schöne und facettenreiche Einführung in die aktuelle Diskussion und Rezeption von Computerspielen in der Wissenschaft und Alltagskultur. In allem, ein

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empfehlenswerter Band für alle, die Computerspiele als Kulturtechnik ver-stehen möchten.

Mark Buzinkay, Dornbirn

Thorsten Quandt, Jeffrey Wimmer und Jens Wolling (Hrg.): Die Computerspie-ler. Studien zur Nutzung von Computer-games, Wiesbaden: VS Verlag für Sozial-wissenschaften 2007, 33. S.ISBN: 978-3-531-15085-7 EUR 39,90 [D] / 41,10 A]

Wenn sich Bibliotheken doch, wenn auch zögerlich, dem Thema „Computerspiel“ zuwenden, dann geht es meist darum, eine bestimmte Gruppe an potentiellen Biblio-theksbesuchern anzusprechen, sie in die Räume der Bibliothek zu führen und über kurz oder lang auch mit anderen Services bekannt zu machen. Doch welche Vorstel-lung haben wir als BibliothekarInnen von jenen, die wir als die „Computerspieler“ bezeichnen?

Genau um diese besondere Gattung Mensch geht es im vorliegenden Band. „Die Computerspieler“ ist ein Buch, das sich wissenschaftlich mit den Gewohnheiten, Motiven und demografischen Daten dieser ganz be-sonderen Gruppen beschäftigt. Zahlreiche Studien belegen genau das Ge-genteil, was wir schon immer über Computerspieler zu wissen glaubten, und zeigen interessante Fakten auf, die Bibliotheken für die eigene Com-puterspiel-Strategie nutzen könnten.

Das Buch ist neben Wissenschaftlern aus der Soziologie und den Game Studies aber auch für Laien lesbar. Ein Teil ist natürlich der wissenschaft-lichen Arbeitsweise und Nachprüfbarkeit gewidmet, die Ergebnisse sind aber auch für Nicht-Wissenschaftler mehr als brauchbar. Ganz besonders dann, wenn wir uns ein ganzheitliches Bild vom „Computerspieler“ ma-chen wollen – deren Sprache, Interessen, Motive. In Summe eine span-nende Aufstellung der Psychologie des / der ComputerspielerIn.

Mark Buzinkay, Dornbirn

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NEUE füHRUNG füR DIE BüCHEREIEN wIEN

Wien (RK). Die bereits seit 1998 in leitender Funktion bei den Büche-reien Wien tätige Elke Bazalka und Mag. Markus Feigl, bisheriger Leiter der Plakatsammlung der Wienbibliothek im Rathaus, übernehmen ab 1. April 2008 die Führung der Büchereien Wien, einer der anerkanntesten Bildungs-, Informations- und Freizeiteinrichtungen der Stadt Wien. Elke Bazalka, verantwortlich für den wirtschaftlichen und Mag. Markus Feigl für den bibliothekarischen Bereich bilden hinkünftig die Spitze eines wien-weiten Netzwerkes von 40 Bücherei-Zweigstellen mit einem Angebot von über 1,7 Millionen Medien.

Biographie von Elke Bazalka Elke Bazalka wurde 1956 in Feldkirchen in Kärnten geboren. Sie ist be-reits seit 1983 bei den Büchereien Wien beschäftigt und dadurch mit den vielfältigen Aufgabengebieten der Büchereien Wien bestens vertraut. Elke Bazalka arbeitete als Bibliothekarin zunächst in einer Stützpunktbücherei, dann in der Hauptbücherei sowie in der Katalogisierungsabteilung. Seit 1998 leitet sie das zentrale Verwaltungs- und Budgetreferat der Büche-reien Wien und ist daher für alle finanziellen Belange der Büchereien Wien zuständig.

Biographie von Mag. Markus Feigl 1963 in Amstetten geboren, trat Markus Feigl 1999 in die Wiener Stadt- und Landesbibliothek, heute Wienbibliothek im Rathaus, ein. Die Ernen-nung zum stellvertretenden Leiter der Plakatsammlung erfolgte 2000. In den Jahren 2003-2004 erhielt er Lehraufträge am Institut für Geschichte an der Universität Wien, absolvierte eine Ausbildung für den Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsdienst an der Universitätsbibliothek Wien und legte die Dienstprüfung für den höheren Bibliotheksdienst ab. Im Februar 2005 wurde er zum Leiter der Plakatsammlung der Wienbibli-othek bestellt.

Rathauskorrespondenz vom 25.3.2008

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SUCHE NACH DER GRÖSSTEN PRIVATEN BIBLIOTHEK IM GE-MEINDEBAU Fritzpunkt prüft „Schwerkraft der Verhältnisse in Wien“

Wien (RK). Die „Schwerkraft der Verhältnisse im roten Wien“ prüft das Büro für theatralische Sofortmaßnahmen „Fritzpunkt“ mit der öffentlichen Ausschreibung eines Preises für die größte private Bibliothek in einem Wie-ner Gemeindebau. Als Preis winken dem Gewinner 500 Euro.

Teilnehmer sind aufgefordert, für die „Bestimmung der Schwerkraft der Verhältnisse“ ihre Bücher zu zählen und das Ergebnis mit Angabe von Namen, Adresse und Telefonnummer an den Fritzpunkt zu schicken. Die höchste angegebene Zahl von Büchern wird von Fritzpunkt überprüft und der Schwerkraft-Preis vor Ort überreicht.

Der Preis erinnert an den Debütroman von Marianne Fritz, der den Na-men „Die Schwerkraft der Verhältnisse“ trug und mit dem Robert-Walser-Preis ausgezeichnet wurde. Der Preis wird querfinanziert von der Versor-gungsanstalt der deutschen Bühnen.

Einsendungen an: Fritzpunkt Kennwort: SP (Schwerkraft-Preis) Eitelbergergasse 4 1130 Wien oder E-Mail: [email protected] Internet: www.fritzpunkt.at/

Rathauskorrespondenz vom 17.3.2008

HAUPTBüCHEREI: SyMPOSIUM SIEHT POTENTIALE BEI IN-TERNET-PORTALEN5-Jahres-Jubiläum: Medienzentrale am Gürtel hatte positive Effekte für das Büchereiwesen

Wien (RK). Nach den Themen „Demokratisierung“ (1996) und „Daten-highway“ (2000) widmete sich das am Mittwoch Vormittag stattgefun-dene 3. Wiener Büchereigespräch dem Thema „Virtueller und öffentlicher Raum - die öffentliche Bücherei der Zukunft“. Neben Bibliotheks-Direk-torInnen aus Bratislava (Juraj Sebesta), Hamburg (Hella Schwemer-Mar-tienßen) und Stuttgart (Ingrid Bussmann) nahmen von Seiten des Wiener

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Gemeinderates Barbara Novak und der seit Anfang April amtierende neue bibliothekarische Leiter der Büchereien Wien, Markus Feigl, am Symposi-um teil. Die Moderation hatte Christian Jahl, Leiter der Hauptbücherei am Gürtel, inne. Das Symposium ist Bestandteil der 5-Jahres-Feierlichkeiten der Hauptbücherei am Gürtel, die 2003 eröffnet wurde.

Gemeinsamer Tenor der Experten war die Definition der öffentlichen Büchereien als Bildungsinstitution, die zukünftig noch vermehrt noch mit anderen Bildungsadressen, wie etwa Volkshochschulen, zusammen ar-beiten sollte. Ebenso einhellig fiel die Beantwortung der Frage nach dem Publikum mit Migrationshintergrund aus: Dies müsse als Chance begriffen werden, vor allem bilinguale Angebote und Services in den Zweigstellen könnten hier noch vieles voranbringen. Detto die Einschätzung des virtu-ellen Raumes, der für Novak immer in enger Beziehung zum öffentliche Pendant gesehen werden müsse: Gerade bei den Internet-Portalen der Bibliotheken könnte man durch weiteren Service, etwa Downloads von Sprachkursen oder Angeboten von Hörbüchern bei einem immer Internet-affineren Publikum punkten. Für Wien betonte sie die Notwendigkeit, das reichhaltige Angebot des Wiener Bildungsservers mit dem Angebot der Bü-chereien Wien zu koppeln. Ebenso sollten die Büchereien das Erlernen der Kulturtechnik Mediennutzung gewährleisten.

Unterschiede in Struktur und Gebührenhöhe – Gemeinsamkeiten bei den Zielen Unterschiede, in der Struktur, wie in der Finanzierung wurden bei diesem dritten Wiener Büchereigespräch aber auch deutlich. Schwemer- Martien-ßen, Direktorin der Bücherhallen Hamburg, betonte die enge finanzielle Lage ihrer Institution. Kulturelle „Filial-Systeme“, wie eben Bibliotheken in mehreren Stadtteilen, würden von Politikern leichter budgetär gekürzt, als Monopol-Adressen der Hochkultur, wie etwa die Oper. Seit 1996 in der Führungsposition tätig, müsse jedes Jahr das Budget neu verhandelt werden – die Hamburger Version existiert als Stiftung privaten Rechts aus dem Jahr 1917 –, die Jahresgebühren beliefen sich in der Hansestadt auf stolze 40 Euro im Jahr. „Wir sind die teuerste Bibliothek“, betonte Schwe-mer-Martienßen. Ganz im Unterschied zu Stuttgart, wo die öffentlichen Büchereien, laut ihrer Direktorin Ingrid Bussmann, nicht nur politische Unterstützung durch den hiesigen Oberbürgermeister genießen würden, sondern aufgrund einer guten wirtschaftlichen kommunalen Ausganglage vieles neu geplant werden könne; darunter vor allem das Projekt „Biblio-thek 21“. Bemerkenswert: Für die Zweigstellen in Stuttgart besteht eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit lokalen Kindergärten und Schulen.

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Entsprechend klar auch ihre Ansage, dass Zweigstellen darüber hinaus keine eigenen inhaltlichen „Mikrokosmen“ entwickeln sollten. In Sachen Gebühren stellt sich die 590.000 Einwohnerstadt Stuttgart moderat dar: Ab dem 18. Lebensjahr müssen hier 15 Euro pro Jahr berappt werden, dafür „sei alles andere inklusive“, so Bussmann. Allein die Mahngebühren bei Überziehungen würden noch hinzu kommen. Deutlich günstiger freilich das Gebührenwesen in Bratislava: Hier sind in etwa drei Euro zu bezahlen, strukturell befinden sich die diversen kleinen Büchereien in den 17 Stadt-teilen der slowakischen Hauptstadt in den Händen der jeweiligen Bezirks-organe.

Wiens Bücherbusse und Besucherdienste haben auch Fan im Gemeinde-rat Das Wiener Gebührenwesen bei den Büchereien Wien befand Novak „auf gutem Weg“. Auch Feigl, der sich dezidiert für Bildungsangebote für Beschäftigungslose und die Beibehaltung des Zweigstellen-Systems aussprach, fand die existierende Gebührenlandschaft „für in Ordnung.“ Detail: Als wahrer „Fan“ outete sich Novak, die auch Vorsitzende des Ver-eins der Freunde der Büchereien Wien ist, bei den Wiener Angeboten der Bücherbusse bzw. des Besucherdienstes, wo Mitarbeiter erkrankte Wiene-rinnen und Wiener mit Lesestoff aufsuchen. So gesehen müsste sich Novak auch in Stuttgart wohlfühlen, wo ebenso ein Bücherbus-System existiert.

Offene Zukunft – Medium Buch wird bleiben In Sachen Zukunft gab sich die Runde durchwegs optimistisch. Büchereien seien auch weiterhin kulturelle Komplementärsysteme, die für andere Bil-dungsinstitutionen da zu sein hätten. Ihren Eigenwert als kostenlose bzw. sehr günstige moderne Informationsmöglichkeit hob Feigl hervor. Darü-ber hinaus seien sie aber auch „Spiegel der Gesellschaft“ (Novak) bzw. „Seismographen der Gesellschaft“ (Bussmann). Die Befürchtung Sebestas, dass das Medium Buch bei all den forcierten virtuellen Download- Mög-lichkeiten auf der Strecke bleiben könne, wurde nicht geteilt. Diese Be-fürchtung habe sie schon vor 15 Jahren gehört, das Buch in seiner litera-rischen Funktion existiere zweifelsohne aber noch. Alleine Ratgeber- Bücher könnten angesichts der elektronischen Möglichkeiten unter Druck geraten, so Novak durchwegs optimistisch, die auch an die unbegründeten Ängste bei Eröffnung der neuen Hauptbücherei erinnerte: Damals habe man ge-mutmaßt, dass damit zig Zweigstellen eingespart würden. „Hat aber auch nicht gestimmt“, betonte sie.

Rathauskorrespondenz vom 9.4.2008

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GEHOBENE BüCHERSCHäTzE – DER HANDSCHRIfTEN- KATALOG DER ULBT Vergangene Woche erschien im Rahmen eines von der Österreichischen Aka-demie der Wissenschaften getragenen und vom FWF finanzierten Projektes der fünfte Band des Kataloges der Handschriften der Universitäts- und Landesbiblio thek für Tirol in Innsbruck. Es ist dies ein wichtiger Baustein zur Erschließung der reichen Bücherschätze dieser Bibliothek. Die 1745 gegründete Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol gehört zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs. Sie nimmt neben ihrer Funktion als Universitätsbibliothek auch die Aufgaben einer Landesbibliothek wahr.

Zugleich ist sie mit 1.067 Handschriften und einem umfangreichen Bestand an wertvollen Inkunabeln und frühen Drucken eine der bedeu-tendsten Bibliotheken mit historischem Buchgut in Österreich. Für die Handschriften erfolgte erst seit den 1970er Jahren eine dem Ansehen dieser Sammlung entsprechende Erschließung durch einen wissenschaftlichen, den heutigen Ansprüchen gerecht werdenden Katalog. Gehobene BücherschätzeIm vorliegenden Band ist ein Querschnitt durch die unterschiedlichen Text-gattungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit gegeben, wobei the-ologische Handschriften in lateinischer Sprache überwiegen. Klingende Namen wie Vergil, Augustinus, Thomas von Aquin oder Nicolaus Cusanus sind genauso vertreten wie eine Fülle von heute fast in Vergessenheit gera-tener, nur der Fachwelt geläufiger Autoren.

Durch die Handschriftenkatalogisierung wurde – wie schon bei den früheren Bänden – auch bislang unbekanntes Quellenmaterial entdeckt bzw. erstmals zugänglich gemacht und somit eine Grundlage für weitere Forschungen auf dem jeweiligen Fachgebiet geschaffen.

Neben solchen inhaltlich interessanten Codices – darunter auch eine Musikhandschrift des ausgehenden 14. Jahrhunderts mit ein- und mehr-stimmigen Gesängen – finden sich hervorragende Zeugnisse der Buchma-lerei. Handschriftliche HighlightsZwei dieser Handschriften zählen zu den absoluten Highlights: Das soge-nannte „Innicher Evangeliar“ (Cod. 484) des 9./10. Jahrhunderts ist nicht nur eine der bedeutendsten, sondern zugleich die mit Abstand älteste unter

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den auf Tiroler Boden erhaltenen Handschriften. Sie ist mit prachtvollen Bildern der Evangelisten ausgestattet.

Die älteste Handschrift in Tirol – das sogenannte „Innicher Evangeliar“. Bodenseeraum, Ende 9. / Anfang 10. Jh. Cod. 484, Bl. 13v

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Besonders eindrucksvoll ist auch die sogenannte „Annenberger Bi-bel“ (Cod. 469), ein Erzeugnis der nordfranzösischen Buchmalerei des 13./14. Jahrhunderts, das durch seine zahlreichen äußerst feinen und geradezu detailverliebten Darstellungen hervorsticht. In die heutige Uni-versitäts- und Landesbibliothek für Tirol gelangten die Handschriften auf verschiedensten Wegen: aus der Innsbrucker Hofbibliothek, durch private Schenkungen und vor allem im Zuge der Klosteraufhebungen un-ter Joseph II. im 18. Jahrhundert (u. a. Haller und Innsbrucker Jesuiten, Kartause Schnals, Kollegiatstift Innichen) und in der bayrischen Zeit im 19. Jahrhundert (Stifte Stams, Wilten, Neustift).

Für den heutigen Besitzer stellen die Handschriften das wertvollste Gut dar und bedeuten aber auch die Verpflichtung zur Bewahrung, Erschlie-ßung und Bereitstellung dieser Bücherschätze. Für die Erfüllung dieser Auf-gaben leistet der Katalog einen wichtigen Beitrag.

Lateinische Bibel, sogenannte „Annenberger Bibel“. Nordfrankreich, Ende 13. / Anfang 14. Jh. Cod. 469, Bl. 163rb

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Forschungsprojekt Handschriftenkatalog der Universitäts- und Landes-bibliothek für Tirol

Auf Initiative des damaligen Leiters der Handschriftenabteilung und spä-teren Direktors der Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol, Hofrat Dr. Walter Neuhauser, wurde die Innsbrucker Bibliothek in das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften getragene Projekt der Ka-talogisierung österreichischer Handschriftensammlungen miteinbezogen.

Seit 1987 sind fünf Katalogbände, umfassend 500 Handschriften, er-schienen. Die Finanzierung der Projektmitarbeiter erfolgt seit dem dritten Band durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (FWF) unter der ehrenamtlichen Leitung des Begründers Hofrat Dr. Walter Neuhauser.

Mit dem soeben erschienenen fünften Band ist die „Halbzeit“ des auf zehn Bände veranschlagten Gesamtwerkes erreicht. Bearbeiterinnen der in der vorliegenden Publikation erstmals der Öffentlichkeit zugänglich

v.l.: Daniela Mairhofer, Claudia Schretter, Walter Neuhauser, Michaela Rossini

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gemachten Bestände waren Dr. Daniela Mairhofer, Dr. Michaela Rossini und Mag. Claudia Schretter mit Beiträgen von ao. Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kompatscher Gufler, Hofrat Dr. Walter Neuhauser und Univ.-Ass. Dr. Lav Šubarić.

Neben diesen ausgewiesenen Fachkräften im Bereich der Kodikologie und der mittellateinischen Philologie konnte für die orientalischen Hand-schriften auf die Hilfe von Ass.-Prof. Dr. Josef Oesch und Univ.-Prof. Dr. Stephan Procházka zurückgegriffen werden. Die für die Datierung von Papierhandschriften unerlässliche Wasserzeichenanalyse erfolgte mittels der modernen Methode der Betaradiographie durch Dr. Maria Stieglecker (Österreichische Akademie der Wissenschaften).

Erstmals wurde einem Innsbrucker Katalogband eine CD-Rom als elektronischer Zugang zu Katalog, Register, Wasserzeichen, Einbänden, datierten Handschriften und Schreibervermerken sowie Abbildungen bei-gegeben, betreut von Dr. Alois Haidinger und Dr. Franz Lackner (Österrei-chische Akademie der Wissenschaften).

Universität Innsbruck, Presseaussendung 27/2008 vom 27.4.2008

UNIVERSITäTSLEHRGANG LIBRARy AND INfORMATION STUDIES MSC AN DER UNIVERSITäT INNSBRUCK, MASTER THESEN 2008

Abstract 1: „Ein Ensemble katholischer Gelehrsamkeit aus dem späten 18. Jahrhun-dert“ Spuren Katholischer Aufklärung in Alten Drucken aus dem Brixner Priesterseminar

Eingereicht von: Mag. Johann Kienzl, Mitarbeiter im Projekt „Erschließung Historischer Bibliotheken in Südtirol“Betreuer: Prof. Dr. theol. Arnold Stiglmair

In Südtirol werden seit über zehn Jahren Alte Drucke im Rahmen des Kul-turprojekts „Erschließung Historischer Bibliotheken“ katalogisiert.

Auch in der Diözesanbibliothek Brixen wurde die autoptische Forma-lerschließung abgeschlossen. Die erhobenen Daten bieten die Grundlage, die Bibliotheksgeschichte Südtirols zu schreiben; die Master Thesis soll dazu ein kleiner Beitrag sein. Der Verfasser untersucht die historischen Drucke, die zwischen 1750 und 1800 erschienen sind. Die formale Analyse

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wird auf dem Hintergrund des bis heute noch unbestimmten Forschungs-begriffs Katholische Aufklärung durchgeführt. Einen Schwerpunkt dabei bildet der Kulturausgleich als Kennzeichen der katholischen Reformbewe-gungen (Gallikanismus, Jansenismus, Febronianismus, Josephinismus). Dieser zeigt sich vor Ort weniger in der Interkonfessionalität, als in der Internationalität der mehrheitlich katholischen Verfasserschaft. Auch die Produktionsprovenienz verweist auf einen Wissensimport vorwiegend aus dem süddeutschen und norditalienischen Kulturraum. Das Buchgut von 10.316 Werken spiegelt vor allem eine Breite von theologischen, philso-phischen und indizierten Meinungen wider. Ebenso sticht die reiche Spra-chenvielfalt hervor. Auch naturwissenschaftliche Traktate sind in dieser klerikalen Studienbibliothek vorhanden. Der Besucher steht in der Tat vor einem Ensemble katholischer Gelehrsamkeit aus dem späten 18. Jahrhun-dert.

Abstract 2: „Kooperation der Kapuzinerbibliotheken im Spannungsverhältnis von multikultureller Vielfalt und Standardisierung“

Eingereicht von: Manfred Massani, Kapuzinerbibliothek InnsbruckBetreuer: P.Dr. Luigi Martignani OFMCap., Administrator des Generalar-chivs (Provinz Emilia-Romagna)

Die Master Thesis Kooperation der Kapuzinerbibliotheken im Spannungs-verhältnis von multikultureller Vielfalt und Standardisierung beschäftigt sich mit der weltweiten Zusammenarbeit der Kapuzinerbibliotheken, die sich in den letzten fünf Jahren etabliert und intensiviert hat. Der erste Teil der Arbeit gibt einen Überblick über die Geschichte des Kapuzinerordens und die geschichtliche Entwicklung des Bibliothekswesens im Orden. An-schließend wird die Kooperation der Kapuzinerbibliotheken mit dem Spe-zifikum, dass die Bibliotheken unterschiedliche kulturelle Identitäten und bibliothekarische Traditionen besitzen, die sich in die Zusammenarbeit mitbringen, dargestellt.

Die Arbeit geht der Frage nach, wie viel von dieser kulturellen Vielfalt im Bereich eines Gesamtkataloges Ausdruck finden kann.

Gegenstand der Untersuchung ist dabei der Internationale Katalog für franziskanische Schrifttum.

Danach wird geprüft, inwieweit sich Normdateien als Standardisie-rungswerkzeuge eignen, um in diesem Bereich eingesetzt zu werden. Da-

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bei wird beginnend mit der Verwendung der Normdateien auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung des Österreichischen Bibliothekenverbundes und des NEBIS-Verbundes ein Blick auf die internationalen Projekte Virtual International Authority File und Linking and Expl oring Authority File ge-worfen. Dabei gewonnene Erkenntnisse werden in Bezug zu dem Projekt Authority File der Kapuzinerbibliotheken gebracht, das sich zur Aufgabe macht, eine Brücke zwischen Vielfalt und Standardisierung zu schlagen.

Abstract 3: „Nutzungsstatistiken elektronischer Zeitschriften als Mittel der Bestand-sevaluierung“

Eingereicht von: Mag. Erika Pörnbacher, Universitäts- und Landesbiblio-thek TirolBetreuerin: Dr. Eveline Pipp, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol

Vor dem Hintergrund der Preisentwicklung am Zeitschriftenmarkt und der gleichbleibenden bzw. sinkenden Bibliotheksetats wird es zunehmend wichtig, die Zeitschriftenbestände einer Einrichtung auf ihre Bedeutung hin zu prüfen. Die Arbeit gibt einen Überblick zu verschiedenen Modellen, die für eine Bestandsevaluierung von Zeitschriften unter Berücksichtigung von Nutzungsdaten herangezogen werden können.

Ausgewählte Bewertungskriterien werden auf die Nutzungsdaten der beiden Innsbrucker Universitäten für vier Verlage angewandt. Bei der Be-wertung der Nutzung werden vor allem Kosten-Nutzen Relationen und das fachspezifische Nutzungsverhalten berücksichtigt.

Von den vier ausgewerteten Konsortialverträgen wurde das fachspezi-fische Zeitschriftenpaket der American Chemical Society am besten an-genommen, gefolgt von den Titelangeboten von Elsevier und Wiley. Die Blackwell-Collections mit einem hohen Anteil an humanwissenschaftlichen Titeln wiesen die geringste Nutzung auf. Die über Cross- oder Additional Access hinzugewonnenen Titel werden von denjenigen Fachbereichen gut angenommen, die bereits Abonnements der Universitätsbibliothek Inns-bruck stark nutzen. Eine Anwendung der Kosten-Nutzen-Relationen einzel-ner Zeitschriften in Form von Abbestellungen wird durch die rigiden Ein-schränkungen bei Paketverträgen erschwert bzw. unmöglich gemacht.

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UNIVERSITäTSBIBLIOTHEK SALzBURG: „… GEGEN DAS VER-GESSEN“. EINE AUSSTELLUNG zUR BüCHERVERBRENNUNG IN SALzBURG AM 30. APRIL 1938

von Susanna Hettegger, Hildemar Holl, Irmgard Lahner

Siebzig Jahre nach der ersten und einzigen Bücherverbrennung in Öster-reich, auf dem Residenzplatz, dem zentralen Platz in der „schönen Stadt“ Salzburg (Georg Trakl), erinnerte die Universitätsbibliothek Salzburg vom 30. April 2008 bis zum 31. Mai 2008 gemeinsam mit der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft mit einer Ausstellung an dieses erschreckende Fanal.

Die Fensterfront der Universitätsbibliothek Salzburg in der Hofstall-gasse, gegenüber dem Festspielhaus, wurde über die gesamte Länge zum „Erinnerungspfad“. Vierundzwanzig Fenster, die in der Nacht beleuchtet waren, wurden für die Passantinnen und Passanten zu einer rund um die Uhr sichtbaren Ausstellung. Das ungewöhnliche Ausstellungskonzept er-reichte ein breites Publikum. Die Hemmschwelle, einen Ausstellungsraum betreten zu müssen, wurde durch diese Präsentationsform überwunden. Vier Fahnen und ein groß dimensioniertes Transparent (8 x 4 m) über dem Einfahrtstor der Universitätsbibliothek wirkten als Blickfang und steigerten das Interesse.

Die Ausstellung stützte sich auf zeitgenös sische Salzburger Quellen und auf die wissenschaftliche Literatur zum Thema und zeigte auf, wohin Zen-sur, Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Knebelung der Freiheit der Kunst letztendlich führen können.

Im Kontext der Bücherverbrennungen von 1933 an zahlreichen deut-schen Universitäten thematisierte das Projekt „…gegen das Vergessen“ die Problematik von Bücherverboten und öffentlicher Vernichtung von Kunst und Kultur. Wissenschaftlich begleitet wurde die Ausstellung von Univ.-Prof. Dr. Helga Embacher, Dr. Gert Kerschbaumer, Univ.-Prof. Dr. Ger-hard Langer und Univ.-Prof. Dr. Karl Müller. Geleitet wurde das Projekt von der Leiterin der Universitätsbibliothek, Dr. Ursula Schachl-Raber.

Inhaltlich gleich gestaltete Einleitungsfenster bildeten den Rahmen und machten den „Erinnerungspfad“ von beiden Seiten begehbar. Ein histo-rischer Abriss führte die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher in die Thematik der Bücherverbrennungen von 1933 und 1938 ein. Weitere Fen-ster zeigten exemplarisch die Geschichte der Bücherverbrennungen einst und heute und thematisierten die bisherigen Gedenkveranstaltungen 1987 und 2007 in Salzburg.

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Reproduzierte Ausschnitte aus Salzburger Zeitungen („Salzburger Volksblatt“ und „Salzburger Zeitung“, siehe Abb. oben) dokumentierten die Aktion auf dem Residenzplatz. Ausschnitte aus der internationalen

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Presse („Washington Post“ und „New York Times“) in einem weiteren Fen-ster berichteten über eine angeblich für Ende April 1938 geplante Bücher-vernichtung an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

Nach mehreren Aufrufen in den Salzburger Zeitungen waren etwa 1.200 Bücher aus Privatbesitz, öffentlichen Büchereien und Buchhandlungen ab-gegeben worden. Die ehemalige „Studienbibliothek“ (Vorläuferin der Uni-versitätsbibliothek Salzburg) hat nach derzeitigem Forschungsstand kein Buch für die Bücherverbrennung ausgesondert.

Die meisten der abgelieferten Bücher wurden eingestampft, nur weni-ge tatsächlich verbrannt. Theatralisch inszeniert wurden die Bücher am Abend des 30. April 1938 auf dem Residenzplatz in die Flammen gewor-fen. Aus dem „Salzburger Volksblatt“ vom 2. Mai 1938 kennen wir die Feuersprüche.

Als Leiter des Salzburger Schulwesens und des Nationalsozialistischen Lehrerbundes trug Karl Springenschmid, Lehrer, Schriftsteller und Politi-ker, die Hauptverantwortung für die Salzburger Bücherverbrennung. Sprin-genschmid war wegen seiner Mitgliedschaft beim illegalen NS-Lehrerbund 1936 aus dem Schuldienst entlassen worden. Ab März 1938 („Anschluss“) bestimmte er als Landesrat für Erziehung und Volkspropaganda maßgeb-lich die Kulturpolitik, die Jugendarbeit und die Landespolitik Salzburgs. Er galt als „Chefideologe der Salzburger Nationalsozialisten“.

Springenschmids Aktion richtete sich – anders als in Deutschland – nicht nur gegen Bücher jüdischer Schriftsteller und Künstler, sondern vor allem gegen Schriften katholischer Autoren und Politiker des Ständestaates. Vor dem lodernden Feuer sprach er von der Notwendigkeit der Vernichtung alles Klerikalen und Jüdischen.

Schwerpunkt der Ausstellung waren Biographien und Bilder jener Au-toren, die in Feuersprüchen angeprangert worden waren. Es handelte sich um Personen wie Kurt Schuschnigg, Hans Pernter und Ernst Karl Winter, alle führende Politiker im Ständestaat. Auch Otto Habsburg-Lothringen und Joseph August Lux, beide überzeugte österreichische Patrioten, und der antinationalsozialistische Jesuitenpater Friedrich Muckermann waren in der Reihe der Biographien aufgeführt. Die Verbrennung von Werken Stefan Zweigs wandte sich gegen den international äußerst erfolgreichen jüdischen Schriftsteller, für den Salzburg von 1919 bis 1934 die selbst gewählte Hei-matstadt war. Die Vernichtung eines Buchs von Siegfried Jacobsohn über Max Reinhardt richtete sich gegen den weltbekannten Theaterregisseur und Mitbegründer der als „undeutsch“ verunglimpften Salzburger Festspiele. Sie alle waren entweder gezwungen, im Exil zu leben (Stefan Zweig, Max Rein-hardt, Otto Habsburg-Lothringen, Ernst Karl Winter und Friedrich Mucker-

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mann), oder sie waren zumindest zeitweise im Konzentrationslager inhaf-tiert (Kurt Schuschnigg, Hans Pernter und Joseph August Lux).

Ihre Biographien, Zitate und Feuersprüche waren eingerahmt von den Porträtfotos der Betroffenen und einem dokumentarischen „Feuerbild“.

Weitere Fenster thematisierten zukunftsgerichtete Projekte der Univer-sität Salzburg, die aus dem Gedenken an die Bücherverbrennung von 1938 eine besondere Verantwortung für die Zukunft ableitet.

Folgende Vorhaben sind Teil dieser Verantwortung: das „Haus für Ste-fan Zweig“, das gemeinsam mit Stadt und Land Salzburg in der barocken Edmundsburg auf dem Mönchsberg (Abb. oben) eingerichtet und im November 2008 eröffnet wird; als längerfristiges Projekt die Provenienz-forschung an den Beständen der Universitätsbibliothek unter der wissen-schaftlichen Leitung der Salzburger Historikerin Univ.-Prof. Dr. Helga Em-bacher; eine Gedenktafel zur Bücherverbrennung auf dem neu gestalteten Residenzplatz.

Das bekannte Heinrich-Heine-Zitat aus dem Jahr 1823 „Das war ein Vor-spiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ in den Oberlichten verbindet gleichsam als Motto alle Fenster des „Erinne-rungspfades" miteinander.

Salzburger Nachrichten/ Rober Ratzer

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Zur Ausstellung erschien eine Broschüre, die entweder in gedruckter Form in der Universitätsbibliothek Salzburg, Hofstallgasse 2–4, 5020 Salz-burg, angefordert oder unter www.uni-salzburg.at/bibliothek als pdf-File heruntergeladen werden kann.

Begleitend zur Ausstellung bot die Universitätsbibliothek im Mai 2008 zahlreiche Führungen, von Montag bis Samstag, an, die von einem interes-sierten Publikum gerne angenommen wurden. Berichte über das Projekt erschienen in der lokalen und in der österreichischen Presse.

NIKE – „NETzwERK INITIATIVE KULTURELLES ERBE“

Der FWF plant im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF) das Förderprogramm „NIKE – Netzwerk Initiative Kul-turelles Erbe“ durchzuführen und eine entsprechende Ausschreibung im Herbst 2008 zu lancieren. Als Vorbereitung auf das Programm wird eine Interessensbekundung durchgeführt.

Interessierten WissenschafterInnen aus dem Bereich der Geistes,- So-zial- und Kulturwissenschaften (GSK) soll damit die Möglichkeit gegeben werden, inhaltliche Inputs zur Programmgestaltung abzugeben.

Ziel dieser Interessensbekundung ist es:a) die Scientific Community auf das geplante Forschungsprogramm

aufmerksam zu machen;b) auf Basis der einlangenden Feedbacks die Interessenslage der Scien-

tific Community hinsichtlich der Themen, der erforderlichen Förder-instrumente, Projektvolumina und Zeitpläne zu analysieren;

c) Forscher/innen bereits vorab die Möglichkeit zu geben, sich zu the-matischen Netzwerken zusammenzuschließen;

d) interessierten Wissenschafter/inne/n im Bereich Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK) die Möglichkeit zu geben, inhalt-liche Inputs zur Programmgestaltung abzugeben.

Eckpunkte des Programms NIKE „Netzwerk Initiative Kulturelles Erbe“

Zielsetzung Die Initiative fördert die Erhebung, Aufnahme, Erschließung, Analyse und Sicherung von Beständen des Kulturellen Erbes auf höchstem wissenschaft-lichen und methodischen Niveau als Basis für hochklassige wissenschaft-liche Forschung. Die Initiative soll ForscherInnen eine längerfristige Per-

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2106

spektive eröffnen und zur Schaffung von einheitlichen wissenschaftlichen Standards, zum Aufbau von kritischen Massen und zur Schwerpunktbil-dung beitragen.

Im Rahmen von NIKE sollen nationale Kapazitäten beispielsweise zu einer der unten angeführten Thematiken koordiniert und fokussiert wer-den. Die Breite des thematischen Rahmens ist flexibel. Es muss jedoch eine intensive Kooperation und Koordination zwischen den Teilprojekten sichergestellt sein, sodass aus dem Zusammenschluss zu einem Netzwerk ein erkennbarer, über die Summe von Einzelinitiativen hinausgehender Mehrwert entsteht.

Die Konzepte sollen so gestaltet sein, dass (a) eine ausreichende the-matische Breite gesichert ist, (b) vorhandene Ressourcen in Österreich ge-bündelt werden (Vermeidung von Parallelinitiativen) und (c) der Aufbau kritischer Massen ermöglicht wird.

Die wissenschaftlich aufbereiteten Datenmaterialien und die Projekter-gebnisse sollen – soweit dies rechtlich möglich ist – durch einen nachhal-tigen, freien und kostenlosen Zugang für die Scientific Community (v.a. durch Digitalisierungen) zugänglich gemacht werden.

Nicht förderbar sind reine Erhebungen, Archivierungen oder Digitalisie-rungen von Daten.

Zielgruppe Das Programm NIKE richtet sich an in Österreich tätige Wissenschafte-rInnen der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften mit langfristigen Forschungsinitiativen. Die Bestände und die Forschungsergebnisse sollen als Grundlage für weitere wissenschaftliche Forschungen dienen.

Ein Netzwerk im Rahmen von NIKE kann nur durch eine einzelne „na-türliche Person“ beantragt werden. Institute, Institutionen oder Firmen sind nicht antragsberechtigt.

Förderungsanträge können aus folgenden Themenbereichen stammen; sie sind jedoch nicht als thematische Vorgaben zu sehen:

– Handschriften- und Quelleneditionen; – Sprachwissenschaftliche Texteditionen und Lexika; – Bearbeitungen von Sammlungen und Nachlässen; – Kritische Werksausgaben; – Aufarbeitung von archäologischen Hinterlassenschaften und Grabungsfun-

den; – Alltagskultur als Forschungsgegenstand; – Wissenschaftsgeschichte; – Aufarbeitung und Kommentierung juristischer Datenbestände;

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 107

– Qualitative und quantitative sozialwissenschaftliche Datenerhebungen- und analysen.

Programmstruktur – Das Programm entspricht im Wesentlichen einem Netzwerk. – Netzwerkgröße: mindestens 3 bis maximal 6 Teilprojekte (inkl. der

Möglichkeit der Einbeziehung einer ausländischen Gruppe). Der Hauptanteil des Projekts muss in Österreich liegen.

– Einreichung / Antragssprache: Einreichung der Anträge beim FWF in der Regel in englischer Sprache.

– Begutachtung: Internationale Begutachtung durch den FWF. – Laufzeit: 4 Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit um jeweils 2 weitere

vierjährige Förderperioden nach erfolgreicher Zwischenevaluierung.

Einreichfrist: 28. April 2008–30. Juni 2008Informationen: Mag. Monika Maruska, MAS ([email protected])

NACHHALTIGKEIT DER MASSENENTSäUERUNG VON BIBLIO-THEKSGUT – NEUE UNTERSUCHUNG DER DEUTSCHEN NATIO-NALBIBLIOTHEK

Die Nachhaltigkeit der Massenentsäuerung von Bibliotheksgut zu untersu-chen ist Gegenstand eines neuen Projekts der Deutschen Nationalbiblio-thek. Das Projekt ist Teil des gemeinsamen Förderprogramms zur Konser-vierung und Restaurierung von gefährdetem mobilem Kulturgut („KUR“) der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder.

Grundlage der Untersuchung werden die Bestände der Deutschen Na-tionalbibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbe-sitz sein, die zwischen 1994 bzw. 1998 und 2006 entsäuert wurden. Der Studiengang Restaurierung und Konservierung von Graphik, Archiv- und Bibliotheksgut an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stutt-gart übernimmt in Zusammenarbeit mit dem Department für Chemie der Universität für Bodenkultur Wien die wissenschaftliche Bearbeitung. Als beratender Projektpartner konnte die Schweizerische Nationalbibliothek gewonnen werden, die seit dem Jahr 2000 Entsäuerungs¬maßnahmen durchführt.

Bibliotheken und Archive setzen seit den 1990er-Jahren Massenent-säuerungsverfahren ein. Der säurebedingte Papierabbau wird dadurch ge-stoppt und die Originalsubstanz von Schriftgut langfristig gesichert. Die

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2108

Behandlung zielt dabei auf eine signifikante Verbesserung der Dauerhaf-tigkeit der Papiere, indem die vorhandene Säure neutralisiert und zusätz-lich eine alkalische Reserve eingebracht wird. Ob und mit welchem Erfolg ein Papier entsäuert wurde, ist allerdings optisch und haptisch nicht zu erkennen. Eine Aussage zur Nachhaltigkeit der Behandlung ist angesichts der relativ jungen Technologie bislang nur experimentell durch künstliche Alterung der Papiere möglich.

Die entsäuerten Bestände stammen in der Staatsbibliothek zu Berlin vornehmlich aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der Deutschen Nationalbibliothek handelt es sich um Publikationen aus der Zeit zwischen 1913 und 1980, sodass eine breite zeitliche Streuung gewährleistet ist. Die nach zwei verschiedenen Verfahren behandelte Menge beläuft sich auf 260 Tonnen (Deutsche Nationalbibliothek) und 90 Tonnen (Staatsbibliothek zu Berlin).

Zusammen verfügen die beiden Einrichtungen damit über die längsten und quantitativ umfassendsten Erfahrungen mit der Massenent¬säuerung im deutschen Bibliothekswesen.

Auf der Basis naturwissenschaftlicher Untersuchungen soll der lang-fristige Behandlungserfolg und damit die Nachhaltigkeit der Massenent-säuerung evaluiert werden. Mit der fluoreszenzbasierten pH-Bestimmung kommt dabei eine neue zerstörungsfreie Methode zum Einsatz, die auf dem unterschiedlichen Verhalten von Fluoreszenzfarbstoffen in Abhängig-keit vom pH-Wert basiert. Dieses Messverfahren wurde bisher nicht an Papier eingesetzt, gestattet es aber im Gegensatz zu den bisher üblichen Verfahren, Untersuchungen an den Originalen vorzunehmen. Die zerstö-rungsfreie Methode auf die pH-Messung von Papier zu übertragen stellt eine bedeutende Innovation im Bereich der Erhaltung des schriftlichen Kul-turguts in Bibliotheken, Archiven und Museen dar.

Die Aufgabenstellung des Projekts endet nicht dabei, den Behand-lungserfolg der Massenentsäuerung messtechnisch nachzuweisen. Darü-ber hinaus wird das Langzeitverhalten der entsäuerten Papiere untersucht werden. Der Vergleich von entsäuerten und nicht-entsäuerten Proben, die einer künstlichen Alterung unterzogen werden, soll eine Prognose für die Wirksamkeit der untersuchten Verfahren für die Zukunft ermöglichen. Nach mehr als zehnjährigem Einsatz der Technologie wird damit eine drin-gend benötigte Entscheidungshilfe für die zukünftige wirtschaftliche Ver-wendung der Mittel zur Langzeitsicherung von Bibliotheks- und Archivgut erarbeitet und allen interessierten Einrichtungen an die Hand gegeben.

Pressemitteilung dnb vom 2. April 2008

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 109

Ausschreibung des VFI-Förderungspreises 2008 Der Verein zur Förderung der Informationswissenschaft (VFI) ist ein Zusammenschluss einer Reihe österreichischer Informationsfachleute (überwiegend aus dem bibliothekari-schen Bereich), denen es ein Anliegen ist, die hinter ihrer praktischen Tätigkeit stehende wissenschaftliche Fachdisziplin zu unterstützen und zu fördern. Im Jahr 2008 schreibt der VFI zum dritten Mal für den gesamten deutschsprachigen Raum einen Förderungspreis für herausragende akademische Abschlussarbeiten auf bestimmten Teilgebieten der Informationswissenschaft aus. In diesem Jahr können bis zu drei Preise und insgesamt bis zu 2.000 Euro vergeben werden. Das Preisgeld für einen einzelnen Preis beträgt maximal 1.000 Euro. Über die Vergabe entscheidet eine Kommission; die Preisträger werden in der Fachpresse bekanntgemacht. Für diesen Preis kommen folgende Arbeiten in Frage: - Doktorarbeiten, - Diplomarbeiten (nur Universitäten), - Magister- bzw. Masterarbeiten (Universitäten, Fachhochschulen). Die Arbeiten müssen 2008 oder 2007 von der jeweiligen Hochschule angenommen (approbiert) worden sein. Auswahlkriterien für die Vergabe sind neben der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit vor allem Kriterien wie Originalität/Neuartigkeit des Themas, Praxisrelevanz, Relevanz für die theoretische Weiterentwicklung des gewählten Teilgebietes, Qualität und Origi-nalität hinsichtlich Methodik und Themenbehandlung, Qualität der Präsentation und des Stils und Brauchbarkeit als Lehrtext oder Übersichtsarbeit. Endtermin für die Einreichung der Arbeiten ist der 15. Oktober 2008. Über die Vergabe wird bis zum 15. Januar 2009 entschieden. Die Arbeiten sind, gemeinsam mit einer Approbationsbestätigung der betreffenden Hochschule, in elektronischer Form einzu-senden. Die Vergabe eines Preises ist an die Bereitschaft zur Ausarbeitung einer als Zeit-schriftenaufsatz publizierbaren Kurzversion gebunden. Alle wichtigen Details zu den Regelungen für den VFI-Förderungspreis finden Sie auf der Webseite http://www.ub.tuwien.ac.at/vfi/VFI_Preis.html Die E-Mail-Adresse für die Einsendung von Bewerbungen und sonstige Korrespondenz zum VFI-Förderungspreis lautet

[email protected] Wien, 8. April 2008

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2110

——————— V E R A N S T A L T U N G E N ———————

7. ÖSTERREICHISCHER zEITGESCHICHTETAG 2008 (INNSBRUCK, 28.–31.05.2008)

Panel 30: Universitätsbibliotheken in der NS-Zeit. Bücherraub – Provenienzforschung – Restitution

Zeit: Freitag, 30.05.2008, 08:30–10:00 UhrOrt: Saal University of New Orleans, Hauptgebäude, 1. Stock

Chair: Walter H. Pehle (Fischer Verlag, Frankfurt/M.)Peter Malina (Wien): Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek Wien –

HauptbibliothekStefan Alker (Universitätsbibliothek Wien)/Monika Löscher (Universitäts-

bibliothek Wien): Provenienzforschung in den Fachbereichs- und Institutsbibli-otheken der Universitätsbibliothek Wien

Harald Albrecht (Wien): Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien – Medizinische Bibliotheken in Wien zwischen 1938 und 1945

Katharina Bergmann (Wien): Die Universitätsbibliothek Graz 1938–1945

4. EDUMEDIA fACHTAGUNG 2008: SELBSTORGANISIERTES LERNEN IM INTERAKTIVEN wEB. LERNKULTUR IM wANDEL? (ST. VIRGIL, 02.–03.06.2008)

Ort: Bildungs- und Konferenzzentrum St. Virgil in Salzburg Aigenhttp://edumedia.salzburgresearch.at/konferenz

Zielgruppe: (Medien-) Pädagog(inn)en, Lehrende, E-Learning- Trainer(innen), Bibliothekare sowie Bildungstechnologen- und

Wissenschaftler(innen)Anmeldungen an: [email protected] (Betreff: EduMedia Konfe-

renz 08) oder Telefon: +43 (0)662 65901-514

97. DEUTSCHER BIBLIOTHEKARTAG (MANNHEIM, 03.–06.06.2008)

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2 111

Termin: 3. bis 6. Juni 2008 Ort: Mannheim, Kongresszentrum Rosengarten

Veranstalter: BIB und VDB in Kooperation mit DBV Call for Papers: http://www.bibliothekartag.de/2008-cfp.php

Website: http://www.bibliothekartag2008.de

10TH INTERNATIONAL CONfERENCE ON SCIENCE AND TECH-NOLOGy INDICATORS: ExCELLENCE AND EMERGENCE – A NEw CHALLENGE fOR THE COMBINATION Of QUANTITATIVE AND QUALITATIVE APPROACHES (wIEN, 17.–20.09.2008)

Nähere Informationen: http://systemsresearch.arcs.ac.at/sti-conference-webdav/FirstAnnouncementSTIConf2008.pdf

wELTKONGRESS BIBLIOTHEK UND INfORMATION: 74. IfLA GENERALKONfERENz UND RATSVERSAMMLUNG (QUéBEC, 10.–15.08.2008)

2008 findet der Weltkongress Bibliothek und Information – IFLA 2008 unter dem Motto „Libraries without borders: Navigating towards global understanding“ vom 10.–15. August in Québec, Kanada statt. Das „Final Announcement“ enthält alle wichtigen Informationen zu Anreise, Hotels, Zusatzprogramm, Bibliotheksbesuchen und Rahmenprogramm.

Die offizielle Konferenzwebseite mit zusätzlichen ausführlichen Hinweisen und vollständigem Konferenzprogramm liegt bei IFLANET unter: http://www.ifla.org/IV/ifla74/index.htm

GIfTSCHRANK ODER fREIHAND? üBER „SCHMUTz UND SCHUND“ IN BIBLIOTHEKEN (wIEN, 09.11.2008)

Zeit: Freitag, 9.11.2008 (abends) bis Sonntag, 11.11.2008 (mittags)Ort: Renner-Institut, Hoffingergasse 26-28, 1120 Wien

Veranstalter: Arbeitskreis kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Renner-Institut (http://www.renner-institut.at/kribibi.htm, http://www.kribibi.

bvoe.at)

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Mitteilungen der VÖB 61 (2008) Nr. 2112

Im bibliothekarischen Alltag bewegen wir uns immer an der Grenze zwi-schen Auswahl und Zensur, im Spannungsfeld von Bildungsanspruch und Entlehnzahlen. Die bibliothekarische (Be-)Wertung verschiedener Genres oder Medientypen und der literarische Anspruch verändern sich aber mit der Zeit: Thekenbibliotheken, in denen die BibliothekarInnen bestimmten, was den LeserInnen zumutbar sei, gehören der Vergangenheit an. Science Fiction-Literatur, Comics und Computerspiele galten lange Zeit als nicht sammelwürdig, sind heute aber aus dem Bestand vieler Bibliotheken nicht wegzudenken. Der Umgang mit erotischer Literatur aus dem „Giftschrank“ wurde früher nur verheirateten, moralisch gefestigten Bibliothekaren fort-geschrittenen Alters zugemutet.

Bei der Herbsttagung wollen wir unter anderem die folgenden Fragen diskutieren: Was kommt in die Freihandaufstellung, was in den „Gift-schrank“? Was wird empfohlen, was verschwiegen? Wo ziehen wir die Grenzen zwischen „Schund“ und „wertvoller Literatur“? Ist es besser, ir-gendetwas zu lesen als gar nichts? Was ist wichtiger: Bildungsanspruch oder Unterhaltungswert? Sollen wir Trivialliteratur in den Bestand aufneh-men, wenn wir damit die Entlehnzahlen steigern und unseren Träger beein-drucken können? Wie verändert sich die bibliothekarische und literarische Wertung? Welche Bestände bilden heute die „Secreta“ und „Remota“?

Leitung und inhaltliche Vorbereitung: Mag.a (FH) Monika Bargmann, Wienbibliothek im Rathaus, [email protected], 01/4000-84936

KRIBIBI-Koordination und Anmeldung: Heimo Gruber, Büchereien Wien,[email protected], 01/71134-03160

11. INTERNATIONALES SyMPOSIUM füR INfORMATIONS-wISSENSCHAfT – ISI 2009: INfORMATION: DROGE, wARE ODER COMMONS? NEUE wERTSCHÖPfUNGSPROzESSE AUf DEN INfORMATIONSMäRKTEN (KONSTANz, 01.–03.04.2009)

Datum: 1.–3. April 2009Ort: Universität Konstanz

Veranstalter: Hochschulverband Informationssysteme (HI)Programmchair: Prof. Dr. Rainer KuhlenKontakt: [email protected]